30.12.2019 Aufrufe

Peter Mannsdorff | Party im Kopf

Wenn man 13 ist, fangen die Eltern an, peinlich zu werden. Aber so peinlich zu sein wie Robbis Vater – das muss man erstmal schaffen! Er hört lautstark Grönemeyer, wirft mit Geld um sich, stürmt in Robbis Klasse, um Werbung für eine merkwürdige Kinderpartei zu machen. Robbi fürchtet: Papa hat wieder Party im Kopf. Denn sein Vater ist manisch-depressiv. Mal völlig überdreht, mal abgrundtief traurig. Damit ihm geholfen werden kann, kommt er schließlich in eine Klinik. – Zwei Jahre später vermutet seine Ärztin eine erneute manische Phase. Vorsichtshalber will sie Robbis Vater wieder einweisen. Doch der fühlt sich stabil und sagt: Nein! Er türmt mit seinem Sohn nach Südfrankreich. »Wenn die Tramptour durch diese wahnsinnstollen Landschaften, wenn dieser Sommertrip die Belohnung für die vermasselten Jahre mit einem verrückten Vater sind, dann soll’s okay sein.« – Robbi Ritter, 15 Jahre

Wenn man 13 ist, fangen die Eltern an, peinlich zu werden. Aber so peinlich zu sein wie Robbis Vater – das muss man erstmal schaffen! Er hört lautstark Grönemeyer, wirft mit Geld um sich, stürmt in Robbis Klasse, um Werbung für eine merkwürdige Kinderpartei zu machen. Robbi fürchtet: Papa hat wieder Party im Kopf. Denn sein Vater ist manisch-depressiv. Mal völlig überdreht, mal abgrundtief traurig. Damit ihm geholfen werden kann, kommt er schließlich in eine Klinik. – Zwei Jahre später vermutet seine Ärztin eine erneute manische Phase. Vorsichtshalber will sie Robbis Vater wieder einweisen. Doch der fühlt sich stabil und sagt: Nein! Er türmt mit seinem Sohn nach Südfrankreich.

»Wenn die Tramptour durch diese wahnsinnstollen Landschaften, wenn dieser Sommertrip die Belohnung für die vermasselten Jahre mit einem verrückten Vater sind, dann soll’s okay sein.« – Robbi Ritter, 15 Jahre

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Papa hat eine total abgefahrene Idee: »Gibt es am Rhein irgendeine<br />

schmale Stelle, die man durchschw<strong>im</strong>men kann?«<br />

Urs lacht laut auf: »Durch den Rhein schw<strong>im</strong>men? Mit dem<br />

Bengel? Das ist zu gefährlich. Der Rhein ist unberechenbar.«<br />

»Aber wir müssen raus aus Deutschland!«<br />

Lange Zeit sagt niemand etwas. Das monotone Dröhnen des<br />

Motors summt wie der Synthesizer zu einer ganz speziellen<br />

Musik. Vater steht unter Strom. Andauernd starrt er auf den<br />

Tacho, als ob Urs dadurch schneller fahren könnte. Wenn Papa<br />

nicht auf den Tacho starrt, hypnotisiert er seine Armbanduhr.<br />

Be<strong>im</strong> Verkehrsfunk bittet er Urs, das Radio lauter zu stellen,<br />

denn er will wissen, ob uns ein Stau erwartet.<br />

Papa steckt mich an mit seiner Unruhe. Ich mache mir totalen<br />

Stress. Nervös knabbere ich an den Fingernägeln. Was, wenn<br />

wir an der Grenze geschnappt werden und Papa doch noch in<br />

die Psychiatrie muss? Was passiert dann mit mir?<br />

Ich kann auch nicht schlafen. Ich bin viel zu aufgedreht und<br />

höre der Radiomusik zu, beobachte Urs be<strong>im</strong> Rauchen. Wenn er<br />

an der Zigarette zieht, gl<strong>im</strong>mt die Glut auf und beleuchtet sein<br />

Gesicht. Keiner sagt etwas. Gedankenversunken starre ich auf<br />

die Autobahn. Stundenlang rollen wir monoton nach Süden. Jeder<br />

hängt seinen Gedanken nach. Es fällt mir nicht schwer zu<br />

erraten, welche Papa durch den <strong>Kopf</strong> gehen. Endlich geht <strong>im</strong><br />

Osten die Sonne auf.<br />

»Ich hab eine Idee«, sagt Urs plötzlich. »Ich werde euch in<br />

Lörrach absetzen, das ist die deutsche Grenzstadt, von dort<br />

fahrt ihr mit dem Zug nach Säckingen, da gibt es eine alte Holzbrücke,<br />

über die ihr unkontrolliert rüberlaufen könnt. In hundert<br />

Jahren ist da einmal der Zoll zu sehen.«<br />

Papa fällt ein Stein vom Herzen. Ich höre es richtig poltern.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!