Günter von Lonski | Mut verleiht Flügel

noch nie einen Fisch im Weiher gesehen. Nicht mal einen
kleinen, einen verirrten oder einen mit dem Bauch nach
oben.
Es raschelt im Schilf der Uferböschung. Björn bewegt
den Kopf um keinen Millimeter, lauscht auf das Geräusch,
dann ein Plumpsen und ein Platschen, zwei Enten kommen
herangepaddelt, noch eine und noch eine. Unter der
Brücke, zu Björns Füßen, suchen sie nach hineingeworfenen
Brotresten.
Björn legt seine Hände auf das eiserne Brückengeländer,
beugt sich vor und schaut ins Wasser zu seinen Füßen.
Mit einem Schuh schiebt er kleine Steine von der Brücke,
ganz leicht kräuselt sich die Wasseroberfläche, die Enten
drehen ab und schwimmen in den See hinaus.
»Alles Mist!« Björn starrt ins Wasser. »Ich habe nun mal
keine Lust zum Fußball spielen!«
Das Kräuseln verschwindet und im Wasserspiegel kommen
zwei Gesichter zum Vorschein. Björns Gesicht und
direkt daneben das Gesicht eines Fremden. Die Erscheinung
trägt unübersehbar männliche Züge, obwohl der
Kopf von einer engen glatten Haube umschlossen ist.
Björn schiebt noch ein paar Steinchen nach, das Wasser
kräuselt sich erneut, die Erscheinung verschwindet, das
Wasser glättet sich und der Mund des Fremden lächelt.
Björn starrt den fremden Kopf an, traut sich nicht, sich
umzudrehen. Eine Erscheinung aus dem vorigen Jahrhundert,
vielleicht sogar Jahrtausend! Eine Fliegerhaube
aus dunklem Leder verdeckt das Haar, die Augen werden
von einer Brille geschützt, die fingerbreit vom Kopf absteht.
In der Brillenfassung stecken zwei rechteckige, nach
vorne gerundete Gläsern, die über der Nase von einem
Scharnier zusammengehalten werden und mit einem gelben
Band am Kopf befestigt sind.
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