AURA Magazin 2020-01
AURA ist Südostbayerns größtes Anzeigenmagazin für ganzheitliches Denken, Fühlen und Handeln. AURA erscheint seit 1991 jeweils zum Quartalsanfang* vierfarbig mit einer Auflage von 15.000 Exemplaren. * zZt 3x im Jahr. AURA liegt kostenlos an über 750 Stellen aus in: Heilpraxen, Seminarhäusern, Naturkostläden, Buchhandlungen, Cafes etc. zwischen München und Salzburg und angrenzenden Regionen: Rosenheim, Miesbach, Bad Tölz, Kufstein, Ebersberg, Altötting, Mühldorf, Traunstein. https://www.AuraMagazin.com https://www.facebook.com/AuraMagazin
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L E B E N S K U N S T<br />
| 7<br />
kategorisch ab.<br />
Die Befreiung der Frau<br />
war aber nicht nur<br />
eine Frage der Garderobe.<br />
Inspiriert von<br />
dem Psychoanalytiker<br />
Otto Gross lebten einige<br />
Bewohner auf dem<br />
Monte Verità nach<br />
dem Prinzip der freien<br />
Liebe in nichtehelichen<br />
Lebensgemeinschaften.<br />
All das muss auf<br />
die ortsansässige Bevölkerung<br />
im nahegelegenen Ascona recht befremdlich<br />
gewirkt haben. Überliefert sind polizeiliche Aktenvermerke,<br />
aus denen hervorgeht, dass die Bergbewohner aufgefordert<br />
wurden, sich bei ihren Besuchen in der Stadt den<br />
Gepflogenheiten anzupassen. Größere Konflikte scheint<br />
es allerdings nicht gegeben zu haben.<br />
Mit großem Enthusiasmus widmeten sich Henri Oedenkoven<br />
und Ida Hofmann der Idee einer Naturheilanstalt auf<br />
dem Monte Verità. Ganz im Geiste ihres Schweizer Vorbilds<br />
Arnold Rikli sollten dabei Rohkost und vegetarische<br />
Ernährung einen besonderen Stellenwert haben.<br />
Von den Gästen des Sanatoriums wurde erwartet, dass<br />
sie sich einem rigiden Ernährungsplan unterwarfen. Dazu<br />
gehörte nicht nur der Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte,<br />
sondern auch Kaffee, Tabak und Alkohol waren auf<br />
dem Monte Verità untersagt.<br />
Die einseitige Ernährung mit Rohkostgemüse, ungekochten<br />
Früchten und Nüssen und die Beigabe von Speisesalzen<br />
verdarb den Gästen die Freude am Essen. Auch bei<br />
den ständigen Bergbewohnern stieß dies keineswegs nur<br />
auf Zustimmung.<br />
Erich Mühsam – er gehörte mit zu den Gründungspionieren<br />
der Kolonie – berichtete, dass er sich mitunter heimlich<br />
nachts vom Gelände geschlichen habe, um in einem<br />
der für das Tessin damals schon typischen „Grotti“ eine<br />
zünftige Fleischmahlzeit zu verzehren.<br />
Die Zutaten für die vegetarischen Gerichte wurden auf<br />
dem kargen Boden mit mäßigem Erfolg angebaut und<br />
geerntet. Die schwere Gartenarbeit war bei den ständig<br />
dort lebenden Bewohnern nicht sonderlich beliebt und so<br />
kam es immer mal wieder zu Streitigkeiten. Einige, die im<br />
Garten arbeiteten, wollten dabei der Natur ganz nahe sein<br />
und zogen mit Hacke und Spaten nackt in die Beete.<br />
Gewohnt wurde in sogenannten Licht-Luft-Hütten. Dabei<br />
handelte es sich um einfach ausgestattete Holzhütten.<br />
Insgesamt war auf dem Gelände Platz für 36 Kurgäste, die<br />
für den dreißigtägigen Kuraufenthalt 100 Franken zahlen<br />
mussten und dabei diverse Naturheiltherapien erhielten.<br />
Die Freikörperkultur war auf dem Monte Verità allgegenwärtig.<br />
Zum naturnahen Lebenskonzept gehörte, dass<br />
man sich auch ohne Hüllen der heilenden Kraft der Luft<br />
und des Sonnenlichts aussetzen sollte. Dafür hatten<br />
Oedenkoven und Hofmann in einem Teil des Geländes<br />
„Am wohlsten fühle ich<br />
mich unter sympathischen<br />
Verrückten.“<br />
( Pau l Z a n k )<br />
zwei nach Geschlechtern getrennte<br />
„Licht-Luft-Parks“ errichten lassen,<br />
wo die Kurgäste „frei von allerlei<br />
lästiger Kleidung im Grase ruhen,<br />
laufen, turnen, spielen, Gartenund<br />
andere Arbeiten verrichten.“ So<br />
steht es in einem Prospekt aus dem Jahr 1904.<br />
Die Freikörperkultur gehörte auch zum Konzept des Münchener<br />
Choreographen Rudolf von Labahn, der 1913 auf<br />
den Monte Verità kam und dort eine Tanzschule gründete.<br />
Zu den Merkmalen des damals entwickelten Ausdruckstanzes<br />
gehörte auch, dass sich die Tänzerinnen nackt bewegen<br />
sollten.<br />
Das freizügige Treiben auf dem Monte Verità hat sich<br />
schnell rumgesprochen. Als in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
ein Hotel gebaut wurde, konnten die Gäste dort<br />
von einem Turmzimmer aus einen Blick auf das seltsame<br />
Treiben der Monte Veritàner werfen. Als Henri Oedenkoven<br />
im Laufe der Jahre dann in Geldnöten war, nutzte auch<br />
er die Gelegenheit, von den Zaungästen Eintrittsgelder zu<br />
verlangen.<br />
Neben der Licht-Luft-Therapie und der vegetarischen Ernährung<br />
wurden weitere damals in Mode gekommene Behandlungsverfahren<br />
aus dem Bereich der Naturheilkunde<br />
im Sanatorium angeboten. Dazu zählten neben den Wasserbädern<br />
nach Kneipp auch das Lehmbad und das Erdschlafen<br />
nach den Empfehlungen des als „Lehmpastor“<br />
verehrten Emanuel Felke.<br />
Am Ende scheiterten alle Bemühungen, das Sanatorium<br />
auf eine wirtschaftlich tragfähige Basis zu stellen. Mit<br />
Beginn des Ersten Weltkrieges verschärften sich die wirtschaftlichen<br />
Probleme der Gruppe. Immer häufiger blieben<br />
die Kurgäste aus.<br />
1917 unternahm Henri Oedenkoven als Sanatoriumsdirektor<br />
einen letzten Versuch, den Gästen mehr Komfort<br />
und Abwechslung zu bieten. So wurden die rigiden Ernährungsvorschriften<br />
gelockert. Fortan war auch der Verzehr<br />
von Fleisch erlaubt und auch die Kleidungsvorgaben der<br />
Lebensreformer waren nun nicht mehr obligatorisch.<br />
Aber auch diese Maßnahmen konnten nicht mehr das<br />
Scheitern verhindern. Im Januar 1920 gab Henri Oedenkoven<br />
auf. Auch das Verhältnis zu Ida Hofmann war zerbrochen.<br />
Oedenkoven hatte bereits 1913 die Engländerin<br />
Isabelle Adderly kennengelernt, die jedoch eine<br />
strikte Gegnerin der freien Liebe war. Die beiden heirateten<br />
schließlich und wanderten 1920 zusammen mit ihren<br />
drei Kindern nach Brasilien aus.<br />
Ulrich Neumann, www.planet-wissen.de