STADTJournal 01-2020
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STADTJournal Heimat
Aber welcher Anblick bot sich uns? – Die Detonation
der Bombe hatte eine so gewaltige Druckund
Sogwelle erzeugt, dass die Pfannendächer bis
in die Rheinstraße hinein abgedeckt und hunderte
Fenster zersprungen waren. Mit vereinten
Kräften machten wir uns sofort daran, zunächst
die noch intakten Pfannen einzusammeln und
auf unser Dach aufzubringen, um dann festzustellen,
dass doch viele zu Bruch gegangen waren.
Wie beschaffte man sich in dieser Zeit Ersatz?
– Ganz einfach: Es war fast selbstverständlich,
und da hatte man keine Bedenken,
sich an fremdem Gut zu ‚bedienen‘. Auch die
Dachflächen der großen Betriebsgebäude der
Firma Mannheim waren alle abgedeckt. Die
Dachpfannen lagen weithin verstreut auf dem
Betriebsgelände, überwiegend unversehrt. Was
Kardinal Frings erst nach dem Krieg 1946 in
seiner Neujahrsansprache absegnete, haben
wir damals bereits praktiziert: wir haben uns
bedient, haben ‚gefringst‘.
Da nur eine einzige Bombe gezielt abgeworfen
wurde, liegt die Vermutung nahe, dass sie
der in unmittelbarer Nähe aufgebauten Eisenbahnflak
(Flak = Flugzeugabwehrkanone)
galt; sie hat ihr Ziel nur um 100 Meter verfehlt,
trotzdem hatte sie auch an ihr volle Wirkung
gezeigt. Ihre Trümmer und Trümmer der
Mannschaftswagen lagen verstreut neben den
Bahngleisen – die Mannschaft hatte keinen
Schaden erlitten.“
Schwerer als Urmitz-Bahnhof traf es den
Ort Urmitz in den ersten Tagen des Jahres
1945. Am 2. Januar 1945 fielen nachmittags
am südlichen Ortsrand eine schwere
Bombe sowie mehrere leichte Bomben
und beschädigten in der Koblenzer Straße
mehrere Häuser, die danach zum Teil nicht
mehr bewohnbar waren. Am 6. Januar
1945 drang vormittags eine Bombe seitlich
in den Keller des Hauses Jakob Rünz,
Hauptstraße 26, ein. Dabei kamen sieben
Menschen ums Leben. Mehrere Häuser auf
der gegenüberliegenden Straßenseite wurden
ebenfalls stark beschädigt.
Am 1. Februar und vor allem am 14.
Februar 1945 richteten schwere Bombenangriffe
auf die Urmitzer Kronprinz-Wilhelm-
Brücke schwere Schäden an, verbunden
mit großen Verlusten unter den deutschen
Flak-Soldaten wie auch bei den Amerikanern.
Ein Teppich von 21 Bomben bei den
Bimssteinfabriken Elingshausen und Josef
Höfer II tötete drei Soldaten und zerstörte
die Fabrikanlage Höfer; der Ort Urmitz
blieb verschont.
An Unmenschlichkeit kaum zu übertreffen
war die Sprengung der Urmitzer Brücke
am 9. März 1945, die Walter Häring im
Heimatbuch 2005 des Landkreises Mayen-
Koblenz und in seinem Vortrag zum 70. Jahrestag
des Ereignisses beschrieb. Am frühen
Morgen jenes Tages sollte die Brücke von
deutschen Pionieren gesprengt werden, um
den weiteren Vormarsch der aus Richtung
Mülheim anrückenden US-Panzer zu stoppen.
Deshalb war sie für jeglichen Übergang
gesperrt. Um 6:00 Uhr war niemand mehr
auf der Brücke.
Wie die damals jungen deutschen Soldaten
Hermann Reiff aus Güls und Simon
Birrenbach aus Heimbach später unabhängig
voneinander berichteten, forderte ihr
Hauptmann kurz nach 6 Uhr die Brückenwachmannschaft
auf der Urmitzer Seite
unter Waffenandrohung auf, die Sperre
wegzuräumen, und überquerte mit seiner
auf dem Rückzug befindlichen Einheit den
Rhein. Dass andere auf Urmitzer Seite verbliebene
Soldaten zu Fuß, mit Fahrzeugen
und mit Pferden nachrücken würden, hatte
er möglicherweise nicht bedacht. Vielleicht
nahm er auch nicht an, dass die Brücke
mitsamt den Menschen und Tieren zerstört
würde.
Doch gegen 7:30 Uhr geschah das Unfassbare:
Ohne Rücksicht auf die eigenen Leute
sprengten deutsche Pioniere die Brücke.
Wie viele Soldaten beim Einsturz der Urmitzer
Kronprinz-Wilhelm-Brücke ertranken
oder von Eisenteilen erschlagen wurden,
ist nicht bekannt. Mehreren Urmitzern,
die unmittelbar nach der Katastrophe zum
Rhein liefen, bot sich ein Bild des Grauens.
Soldaten, die nicht direkt getötet worden
waren, trieben im Wasser und schrien um
ihr Leben, dazu Pferde, die zum Teil noch
angeschirrt waren. Niemand konnte helfen.
Nur ein verletzter Soldat wurde von der
damals 13-jährigen Katharina Reif aus dem
Rhein gerettet.
Am 8. Mai 1945, zwei Monate nach
dieser Zerstörung, endete mit der Kapitulationserklärung
der deutschen Wehrmacht
der Krieg, der mit dem deutschen
Überfall auf Polen am 1. September 1939
begonnen hatte.
Lothar Spurzem
Quellen
• Internet: www.zeit.de/news/2015-05/08/geschichte-hintergrund-derzweite-weltkrieg-in-zahlen-und-fakten-08065612
• Frank Grube, Gerhard Richter, Eberhard Duchstein: „Koblenz“. Hrsg.
Buchhandlung Reuffel, Koblenz, ISBN 3-9800158-07
• Gerhard Elingshäuser: „Die Geschichte von Kettig im Wandel der Zeit“.
Kettig 2000
• Horst Hohn: „… vor 60 Jahren“. In Weißenthurmer Zeitung 04/2005
• Walter Häring: „Sprengung der Kronprinz-Wilhelm-Brücke am 9. März
1945“. Manuskript zum Vortrag in Urmitz am 10. März 2015
• Winfried Henrichs: „Stadtchronik Mülheim-Kärlich“. Hrsg. Stadt
Mülheim-Kärlich,
• Mülheim-Kärlich 2009, S. 192
• Erinnerungen von Johannes Groß und anderen Zeitzeugen
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