Jagdgeschichte(n) aus dem Brandertal
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Christof Thöny
Jagdgeschichte(n)
aus dem Brandnertal
Inhaltsverzeichnis
Vorwort (Thomas Ludescher) ...................................................... 7
Grußwort (Manfred Vonbank) ..................................................... 9
Einleitung ................................................................................... 11
Inhaltlicher Aufbau ........................................................................ 11
Forschungsstand ........................................................................... 12
Kulturwissenschaftliche Aspekte der Jagd .............................. 13
Geschichte der Jagd im Brandnertal ........................................... 15
Der Naturraum als Grundlage ....................................................... 15
Flurnamen als Hinweise auf die Jagd ........................................... 17
Frühe Anwesenheit von Jägern im Brandnertal ........................... 18
Einschränkung des freien Jagdrechts ab dem Frühmittelalter ... 18
Entwicklungen ab der frühen Neuzeit .......................................... 19
Jagd auf reißende Tiere ................................................................. 21
Das Verschwinden des Rotwilds und die bejagten Tiere
im 19. Jahrhundert ......................................................................... 22
Veränderung der Rahmenbedingungen ....................................... 23
Jagdgesellschaft Bürs ................................................................... 24
Jagd in Bürserberg ......................................................................... 27
Jagd in Brand ................................................................................. 30
Eigenjagd Sarotla .......................................................................... 30
Aktuelle Situation ...................................................................... 33
Anhang ........................................................................................ 35
Impressum ..................................................................................... 35
Bildnachweis .................................................................................. 35
Quellen und Literatur .................................................................... 36
Dank ............................................................................................... 38
Anmerkungen ................................................................................ 39
Einleitung
Im Kontext von Tradition, Natur, Tourismus und Ethik 1 widmet sich die im Brandnertal
angesiedelte Kulturinitiative Tal-schafft-Kultur 2019 der Jagd als Jahresthema.
Im Mittelpunkt steht eine aktuelle Auseinandersetzung mit dem Themenkreis
im Hinblick auf die historische Entwicklung und aktuelle Fragestellungen.
Darauf aufbauend ist auch die vorliegende Publikation entstanden, die von der
Initiative Tal-schafft-Kultur in Auftrag gegeben und von der Vorarlberger Jägerschaft
maßgeblich gefördert worden ist.
Die Auseinandersetzung mit den historischen Aspekten des Jagens im Brandnertal
begann im Mai 2019 mit der Vorbereitung eines Impulsvortrags zur Auftaktveranstaltung
von Tal-schafft-Kultur, die unter dem Motto „JAGD: Mythos? Kultur?
Elitärer Sport?“ stand und am 5. Juni 2019 in Brand über die Bühne ging. Darauf
aufbauend wurden während der vergangenen Monate Quellen gesichtet und Informationen
aus der einschlägigen Literatur gesammelt. Wertvolle Hinweise haben
die Gespräche mit Gewährsleuten ergeben, die vor allem in das abschließende Kapitel
zur aktuellen Situation eingeflossen sind. Zahlreiche Personen haben auch
Bildmaterial für diese Publikation zur Verfügung gestellt, das teilweise erstmals
veröffentlicht wird. Sie werden im Anhang genannt und an dieser Stelle soll ihnen
allen besonderer Dank ausgesprochen werden.
Inhaltlicher Aufbau
Nach diesen einleitenden Informationen folgt ein kurzes Kapitel zu grundsätzlichen
kulturwissenschaftlichen Aspekten des Themas der Jagd. Nachdem Talschafft-Kultur
eine Kulturinitiative ist, wurden vor allem diesbezügliche Fragestellungen
in den Blick genommen. Detaillierte Betrachtungen grundsätzlicher
Natur sind in diesem Zusammenhang natürlich nicht möglich. Allerdings sollen
einige Gedanken dargebracht werden, die sich an den Ausführungen des bedeutenden
spanischen Philosophen José Ortega y Gasset orientieren und die aller
Wahrscheinlichkeit nach auch für die Jagd in unserem regionalen Kontext von Bedeutung
sind. Im Zentrum dieser Abhandlung steht die Geschichte des Jagdwesens
im Brandnertal in einem chronologischen Überblick. Neben einer allgemein
angelegten Darstellung von wichtigen Entwicklungen bis in die Moderne richtet
sich der Blick in einem zweiten Abschnitt ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die
11
Gemeinden Bürs, Bürserberg und Brand und jeweils spezifische Themen. Im letzten
Kapitel werden aktuelle Fragestellungen zur Jagd im Brandnertal behandelt,
die natürlich auch überregional von Bedeutung sind.
Forschungsstand
Eine ausschließlich diesem Thema gewidmete Publikation gibt es bis dato nicht,
weshalb mit diesem Werk auch gewisse Forschungslücken geschlossen werden
sollten. Allerdings gibt es beispielsweise Abhandlungen zur Jagd in Nachbargemeinden
wie Nenzing oder Tschagguns. Darüber hinaus wurde auf die in relativ
großer Zahl vorhandene heimatkundliche Literatur zurückgegriffen. Die gesamte
verwendete Literatur zu dieser Publikation ist in der Literaturliste im Anhang zu
finden. Wünschenswert wäre es, wenn dieser Versuch einer überblicksartigen Darstellung
auch Anlass zu weiteren Detailstudien liefern würde.
Gamsjagd
in den Alpen
(Symbolhafte
Darstellung
aus dem 19.
Jahrhundert)
12
Geschichte der Jagd im Brandnertal
Der Naturraum als Grundlage
„Trotz des engbegrenzten Raumes des Brandnertals ist es reich an Tierarten.
Daher ist das Brandnertal auch zu einem beliebten Jagdgebiet geworden.“ 5
Es liegt nahe, dass die Möglichkeiten des Jagens in einer Region von den naturräumlichen
Voraussetzungen abhängen, denn diese sind für die Ausprägung des
Lebensraumes von Wildtieren verantwortlich. Das Brandnertal kann in dieser Hinsicht
eine große Vielfalt aufweisen, von den Tallagen bis hinauf zum Gipfel der
Schesaplana (2.695 m). Die Tallagen sind von Blumenwiesen geprägt, die Umgebung
wird vor allem durch den Bergwald charakterisiert. Dieser besteht nach
Günther Flaig „zur Hauptsache aus Föhren, gemischt mit Tannen (Fichten), Lärchen,
Buchen, Ahorn und Birken.“ 6 Besonderes Augenmerk misst Flaig in seinem
Wanderführer dem Lärchenwald von Alp Brüggele im Seitental von Zalim zu. Eine
wichtige Rolle nehmen auch die Alpgebiete des Brandnertals mit den Hochmatten
ein. „Besonderheiten sind in allen Höhenlage zu finden, von den Blumenwiesen im
Tal bis zum kargen Karstplateau der Totalp und dem Brandner Gletscher unterhalb
der Schesaplana.“ 7
Jakob Jehly,
Blick von
Bludenz gegen
das Brandnertal
(um 1890)
15
Nicht nur die Pflanzenwelt, sondern auch die Tierwelt des Brandnertals bezeichnet
Günther Flaig in seinem in zahlreichen Auflagen erschienenen Wanderführer
als „ungewöhnlich reich an Arten und Zahl“. In der 12. Auflage von 1991 wird
darauf hingewiesen, dass allein der Bestand an Gemsen an die 500 Stück ausmache.
8
Folgende wildlebenden Säugetiere benennt Flaig als besonders charakteristisch
für das Gebiet von Brand: 9
Gemse
Hirsch
Reh
Fuchs
Murmeltier
Feldhase
Schneehase
Dachs
Iltis
Marder (Stein- und Edelmarder)
Wiesel
Hermelin
Eichhörnchen
Hinzu kommen folgende Vogelarten:
Adler (Steinadler) Falke Steinhuhn
Auerwild Habicht Steinkauz
Birkwild Haselwild Uhu
Bussard Sperber Wildtaube
Eichelhäher
Schneehuhn
Flurnamen als Hinweise auf die Jagd
Neben historischen und archäologischen
Quellen, auf die in den
folgenden Absätzen eingegangen
wird, sind auch Flurnamen alte
Zeugnisse des Jagdwesens in einer
Region. Auf den Flurnamenkarten
der Gemeinden des Brandnertals
fallen vor allem die Bezeichnungen
„Wolfsdolla“, „Bäraloch“ und
„Luxfalla“ auf. Sie verweisen auf
die einst hier anwesenden reißenden
Tiere, die erst im 19. Jahrhundert
ausgerottet wurden.
Ausschnitt
aus der
Flurnamenkarte
von
Brand mit
der „Luxfalla“
^ Kolorierte Postkarte von Brand (um 1910)
17
Frühe Anwesenheit von Jägern im Brandnertal
Es kann davon ausgegangen werden, dass der Rätikon schon in der Steinzeit zu
Jagdzwecken aufgesucht wurde. Über der Waldgrenze war das Fortkommen einfacher
als in den Urwäldern und Sümpfen der Täler. Die Anwesenheit von Menschen
kann durch Streufunde aus der Steinzeit nachgewiesen werden. 10 Früheste Hinweise
auf konkrete jagdliche Aktivitäten im Umfeld des Brandnertals liefert vor
allem die Archäologie. So wurden bei Grabungen im Bereich des „Scheibenstuhls“
bei Nenzing auch Knochen von Wildtieren gefunden. 11
Einschränkung des freien Jagdrechts ab dem Frühmittelalter
Jagdgeschichte ist in vielerlei Hinsicht Rechtsgeschichte, denn die Frage, wer
zum Bejagen von Wildtieren berechtigt sei, hat Menschen seit dem Mittelalter beschäftigt.
Bis dahin überwog das Recht des freien Tierfangs, das sich immer mehr
in Richtung der Verbindung des Jagdrechts mit dem Grundbesitz entwickelte. Im
Frühmittelalter wurde die freie Jagdausübung auch in unseren Breiten stark eingeschränkt,
in dem die fränkischen Könige die Jagdausübung zu ihren Gunsten
beeinflussten. Vor allem die Einschränkungen in Bezug auf das Tragen von Waffen
wirkten sich auf die allgemeine Bevölkerung aus. Im Hochmittelalter verlagerte
sich das Wildbannrecht zunehmend auf die Landesherren im Heiligen Römischen
Reich, wobei die Quellenlage dafür sehr dürftig ist. Im zum Bistum Chur zählenden
Südvorarlberger Raum war die „hohe“ Jagd – sie umfasste damals Rot- und Federwild
– in den Händen des Churer Bischofs und der zahlreichen Adelsfamilien der
Region.
Als Nachfolger der Grafen von Montfort übernahmen Mitte des 13. Jahrhunderts
die Grafen von Werdenberg die Herrschaftsansprüche über den Walgau, wie damals
noch der gesamte südliche Bereich des heutigen Vorarlberg (also auch
das Brandnertal) bezeichnet wurde. Eine neuerliche Erbteilung innerhalb der
verzweigten Familie Werdenberg erfolgte 1355 zwischen den Familien Werdenberg-Sargans-Vaduz
und Werdenberg-Heiligenberg. Aus diesem Dokument geht
hervor, dass die hohe Jagd im Besitz der Werdenberger Grafen stand, wobei die
Bludenzer Linie auf alle Jagdrechte zugunsten ihrer Verwandten der Vaduzer Linie
verzichtete. 12 Die Grafschaft Vaduz übte noch im späten Mittelalter Einfluss auf
das Jagdwesen im hinteren Teil des Brandnertals aus, indem sie dort den Wildbann
beanspruchte. Das gilt auch für das „Vogelmolken“, eine zu einem Stichtag
festgelegte Abgabe, die der Landesherr aus den Alpen bezog, die den Gemeinden
gehörten. Im Gegensatz mussten die Alpen vor wilden Tieren geschützt werden. 13
Ab dem 15. Jahrhundert zählte das Brandnertal zum Einflussbereich der nunmehr
so bezeichneten Herrschaft Sonnenberg, die 1474 an die Habsburger überging. 14
18
Jagd in Bürserberg
Die Jagd von Bürserberg
zählte bis 1931 zum Jagdgebiet
von Nenzing. Das
Gamperdonatal, Palüd, Parpfienz,
Schliefwald, Taleu
und Bürserberg waren zu
einem Jagdrevier zusammengeschlossen.
Anfang
der 1920-er Jahre war die
Jagd in Bürserberg einige
Jahre durch Martin Neier
selbstständig geführt worden.
Ausschreibung
der Genossenschaftsjagd
in
Bürs in der
Vorarlberger
Landeszeitung
vom 13. Juni 1908
Die wieder eigenständig
geführte Jagd in Bürserberg
erging 1931 im Pachtwege
an den Unternehmer
Max Weil aus Zürich. Zum Zeitpunkt seiner Übernahme war der Wildbestand sehr
gering. Die Aufbauarbeit, die Weil für die jagdlichen Verhältnisse leistete, wurde
Jäger Wendelin
Scheier aus
Bürserberg
(um 1930)
27
Jäger auf der
Alpe Parpfienz
1928 (links) und
1933 (rechts)
besonders geschätzt. Auch für seine Großzügigkeit beim Verteilen des Wildbrets
genoss der Jagdherr hohes Ansehen bei der lokalen Bevölkerung. Die Hochblüte
der Jagd in Bürserberg wurde in den 1960-er Jahren erreicht. Massive Einschränkungen
für den Gamsbestand brachte die Lungenwurmseuche mit sich, die durch
Friedl Scheier erstmals 1978 festgestellt wurde. Noch im selben Jahr mussten
49 Gemsen erlegt werden, was für die Jagd am Bürserberg einen massiven Rückschlag
bedeutete. 35
Jagdgesellschaft
auf der Alpe
Parpfienz
(Oktober 1928)
28
Jagdausflug des rumänischen Ministerpräsidenten Ion Gheorge Maurer ins Brandnertal im November 1965
29
Links:
Eduard Meyer
aus Brand mit
Jagdgästen
Rechts:
Josef Bitschi und
„Barbaras Pepi“
bei der Jagd
Jagd in Brand
Brand entwickelte sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu einem Jagdgebiet,
das auch von prominenten Persönlichkeiten aufgesucht wurde. Mediales
Interesse erregten vor allem zwei Aufenthalte des rumänischen Königs Carol I.
1902 und 1904. Neben dem Kuraufenthalt ging der König auch seiner Jagdleidenschaft
nach. Dabei wurde er vom Aufsichtsjäger Eduard Meyer begleitet. 36 Viele
der Jäger aus Brand waren auch als Bergführer tätig, darunter vor allem der 1890
verstorbene Johann Josef Sugg, der als der älteste Bergführer Vorarlbergs galt. 37
Ein weiterer prominenter Jagdgast aus Rumänien konnte im November 1965 in
Brand begrüßt werden. Der rumänische Ministerpräsident Ion Gheorghe Maurer
weilte anlässlich eines Staatsbesuchs in Vorarlberg und wurde von Jagdherr Dr.
Josef Bertsch dazu eingeladen, einen Gamsbock zu schießen. Der Jagdbesuch
Maurers löste wiederum großes mediales Interesse aus. 38 Die Industriellenfamilie
Bertsch aus Bludenz ist seit drei Generationen mit der Jagd im Brandnertal in besonderer
Weise verbunden.
Eigenjagd Sarotla
Ein weiterer Industriebetrieb aus Bludenz weist vielfältige Beziehungen zum Jagdwesen
im Brandnertal auf: Getzner, Mutter & Cie. 1843 kaufte sich dieses Unternehmen
erstmals im Brandnertal ein, in dem die ersten Anteile an der Alpe Sarotla
erworben wurden. Durch einen weiteren Kaufvertrag wurde Getzner, Mutter & Cie.
zur alleinigen Besitzerin der Alpe. Zudem konnte der Waldbesitz im Brandnertal
durch vier Ankäufe bis 1877 beträchtlich erweitert werden.
Die Nutzung des Sarotla-Gebiets war seit dieser Zeit für die am Unternehmen beteiligten
Familienmitglieder auch immer mit der Jagd verbunden. Besonders erwähnt
wird in diesem Zusammenhang stets der spätere Direktor der Spinnerei
30