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Der lange Marsch.SCREEN

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Ahoi!

Der lange Marsch

Atelier- und Galerie-Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit 1976 – 2016



„Alles Lüge.“

Andreas Junge

„Tu ma’ die Möhrchen.“

Helge Schneider?

Benjamin?

Adorno?

Max Christian?

Graeff?

Heinrich?

Karl May?

Selchow?

Heigermoser?

Jung?

oder gar Escherig?

wo ist eigentlich Escherig?

who cares?

Lass fahren dahin ...

40 Jahre

Atelier- und Galerie-Kollektiv

in Wuppertal

(Elberfeld und Barmen)

Fragen an die Kunst,

an die Künstler

und die Anverwandten,

an Menschen und Mäuse

und Liebhaber,

verschwundene Orte,

die keine mehr sind.

Und Fragen ohne Ende –

„Schönheit

ist der Glanz der Wahrheit.“

Joseph Beuys und weitere

– paradoxe Intervention

Der lange Marsch

Ein Sammelalbum.

Kunstszenerien,

Analogien,

Placebos,

Weckrufe!

Da Da!

wird fortgesetzt

Soso.

Hatschi!

Ha Ha.

Das Universum

Dieses

Sammelalbum ist

nicht vollständig.

wo ist schon oben, wo ist schon unten ...

Petit Four:

Manchmal geht gar nichts

und dann kommt es wieder

knüppeldicke.

Nicht von Steffens

Ein Loch im Himmel ist in meinem Kopf

1


Wer ruft so geheimnisvoll?

War's der Mond?

Da – noch einmal!

Der Kuckuck.

Bashô

1644 – 1694

2


Vor DEM Wort: Erik Schönenberg

ange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten Armee über

rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive

und manipulative gesellschaftliche und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征

/ ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi

nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche

und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征

/ ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen

Truppen der chinesischen Roten Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi

Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive

und manipulative gesellschaftliche und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu

verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt

kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos

der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten

Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei

seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und

politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt

kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos

der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten

Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei

seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und

politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt

kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos

der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten

Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei

seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und

politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt

kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos

der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten

Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei

seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und

politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsg

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„... wie alles, was man gerade denkt einer Arbeit, an der man steht,

um jeden Preis einverleibt werden muss ...”

Walter Benjamin, Das Passagen-Werk (N 1,3)

Irrungen und Wirrungen:

Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert

(chinesisch 智 取 威 虎 山 , Pinyin Zhìqǔ wēi hǔshān)

eine revolutionäre Pekingoper aus der Zeit der chinesischen Kulturrevolution.

Die Oper war eine der acht Opern, die während der Kulturrevolution unter Mao Zedongs Frau

Jiang Qing geduldet waren.

Über dieses Buch

Warum ein Buch machen? Für wen? Rückblick?

Standortbestimmung? Diskurs?

Warum haben wir nicht aufgehört?

WARUM HAT SISYPHOS NICHT AUFGEHÖRT?

Nach 40 Jahren immer noch nicht verschwunden: die Kunst –

selbstverständlich nicht, hoffentlich nicht. Und auch immer noch

nicht verschwunden – das Kollektiv für intermediale Kunstarbeit.

Kunst und Arbeit – zwei gesellschaftliche Notwendigkeiten.

Und die Freiheit. An Orten, vor Ort. Allerorten. Diesmal hier

in Wuppertal. Man kennt sich. Aber – und darüber hinaus.

Auch von hieraus oder hierher.

Natürlich, blickt man zurück gibt es auch schon mal ein flashback,

diese Erinnerungen können bekanntlich von jeder vorstellbaren

Gefühlsart sein. Man möchte das auch schon mal teilen.

Aber in erster Linie geht es darum:

„Was machen eigentlich Ruedi Schill und Monika Günther heute?“

Und Irene, Dirk und Jürgen und Martin. Und Maria.

Einige haben wir erreicht, einige haben uns geantwortet,

von einigen können und wollen wir Arbeiten zeigen.

Was machen die heute, machen die nichts mehr, sind in

der Erinnerung verschwunden. Oder tatsächlich. Wie Rüdiger,

wie Danos, wie Joachim, wie Andreas, wie Peter.

Es gibt immer noch Bande, Gleichklang, Reibung. Es gibt noch

Verbindungen zwischen den Beteiligten, auch wenn man sich

aus den Augen verloren hat.

Solche wie wir gibt es überall, in Dänemark, in Holland, auf Sri Lanka,

in South Carolina, in Tokio und in der Schweiz. Oder in Remscheid.

Menschen, die für die Kunst einen Freiraum schaffen. Oder wie Pina

Bausch es ausgedrückt hat:

„Es geht nicht um Kunst, auch nicht um bloßes Können.

Es geht um das Leben, und darum, für das Leben eine Sprache

zu finden.“

Ob wir das als Archäologen oder Wahrsager tun, als Veränderer oder

als Veränderte, sichtbar machen oder dekorieren. Immer geht es um

Haltungen und die Suche. Und übrigens muss Kunst nicht Recht

behalten. Dafür muss sie aber auch nicht gewählt werden und braucht

auch keine Quote.

Ein Buch über einen langen Marsch für die Kunst.

Für wen? Mal sehen.

Über den langen Marsch und die paradoxe

Intervention

Der Lange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄,

Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos

der Kommunistischen Partei Chinas bei

dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen

Truppen der chinesischen Roten Armee

über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach

Schensi führte. Der Studentenführer Rudi

Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei

seiner Forderung an die sozialrevolutionären

Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach

repressive und manipulative gesellschaftliche

und politische System durch die berufliche

Praxis in Behörden, Schulen und anderen

Institutionen zu verändern.

Marschieren ist eine der militärischen

Gangarten, die der geordneten und zügigen

Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte

der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge,

die den Korpsgeist stärken und von

den Strapazen ablenken sollen.

Im Gegensatz zum Geländemarsch steht der

geordnete Marsch durch Straßen oder über

Plätze. Die Teilnehmer solcher Märsche befinden

sich oft in geordneten Reihen grüßen beim

Vorbeimarsch höher stehende Vorgesetzte

oder Honoratioren.

Paradoxe Intervention ist eine von Fritz Perls

entwickelte Gestalttherapietechnik, die man

mit einigem guten Willen auch in der Kunst

und anderen Veränderungsprozessen

anwenden kann.

„Änderungen finden von selbst statt. Wenn

man tiefer in sich hineingeht, in das, was man

ist, wenn man annimmt, was vorhanden ist,

dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das

ist das Paradox des Wandels.“

„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos.

Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache.“

„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.

Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Die verborgene Harmonie ist mächtiger als die offensichtliche. Heraklit

4

Fundstück am Rande der Wahrnehmung:

A hole to see the sky through Yoko Ono, 1971

Der Mythos des Sisyphos:

Albert Camus, 1942

Reinbek, 2004. S. 159f.


In

einem

Stapel

aus

20

Filzplatten

liegt

eine

Tonbandspule,

auf

welcher

Joseph

Beuys

zusammen

mit

Hennig

Christiansen

und

Johannes

Stüttgen

einen

endlosen

Monolog

spricht:

»Ja Ja Ja Ja Ja,

Nee Nee Nee Nee Nee«.

Diese

im

rheinischen

Dialekt

vertraute

Äußerung

für

alles

und

nichts

wird

hier

in

ihrer

einform

zum

ironischen

Sinnbild

der

unaufhebbaren

Dialektik

des

alltäglichen

Lebens.

5


6

KORMORAN

Performance von Monika Günther / Ruedi Schill

Kunstmuseum Luzern / 18. Oktober 2015

Material: Wachteleier, Salz, Baumwollwatte,

Bild 60x70 cm, Ölfarbe, Wachs, Bitumen, auf Leinwand

(Monika Günther 1989)


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Was tun?

Weitermachen.

Es ist 2016. Gerade hat unser

Kollege und Freund Klaus Küster in

Remscheid eine eigene Galerei

eröffnet. Von 1998 bis 2007 leitete

er die Galerie der Stadt Remscheid.

Über das Weitermachen

Aus der Rheinischen Post

Remscheid:

Klaus Küster eröffnet

Galerie Central

Neben eigenen Arbeiten will

der Remscheider Künstler auch

Wechselausstellungen zeigen.

Von Christian Peiseler

Das Atelier in seinem Fachwerkhaus

an der Ewaldstraße könnte

Klaus Küster fast wegen Überfüllung

schließen. Der Schaffensdrang

des 75-Jährigen ist ungebrochen.

Er arbeitet in Serien und Blöcken.

Immerzu, immerzu. Doch Kunst

verlangt nach Begegnung, nach

Augen, die sie ins Visier nehmen.

Also beschloss Küster, der frühere

Leiter der Städtischen Galerie

Remscheid, eine eigene Galerie zu

eröffnen – die Galerie Central an

der Burger Straße 11, in der Nähe

des Zentralpunktes. Der Raum ist

190 Quadratmeter groß, verfügt

über seitliches Tageslicht. Sogar ein

kleiner Garten schließt sich an. Der

Laden, der nach dem Auszug von

Schlecker seit ein paar Jahren leer

steht, bietet gute Möglichkeiten,

um an einer Wandfront von

40 Metern Kunst angemessen

zu präsentieren.

Die neue Galerie liegt nur drei

Minuten entfernt von Küsters

Wohnhaus. Er hat für die Eröffnung

am 27. September einen detaillierten

Plan entworfen, in welchen

Gruppen er seine Arbeiten, die zum

großen Teil aus den vergangenen

zwei Jahren stammen, hängen will.

An den frisch geweißelten

Wänden, die sich in den verspiegelten

Säulen in der Mitte reflektieren,

hängen bereits ein paar

typische Küsterbilder – wie die

serielle Arbeit mit perforierten

Fotografien eines alten Blechs.

Küster hat einen Blick für abgelegte

Dinge. Für etwas Gefundenes.

Nicht mehr Funktionierendes.

Er fotografiert es, zieht es auf

Papier, erweitert den zweidimensionalen

Raum des Fotos durch

Löcher, die wiederum nach dem

Zufallsprinzip mit Blattgold gestopft

werden. Das Faszinierende an

Küsters Kunst ist, dass er den Zufall

als seinen Verbündeten gefunden

hat. So atmen seine Arbeiten

Freiheit, ohne ihr Geheimnis zu

verraten.

„Die Galerie möchte ich nutzen,

um auch Wechselausstellungen zu

zeigen", sagt Künstler. In der

Kunstszene ist er bestens vernetzt.

Es wird ihm nicht schwer fallen,

den einen oder anderen in

Remscheid unbekannten Künstler

auszustellen. Küster weiß als alter

Remscheider, dass die Galerie

Central kein Ort sein wird, der die

Massen anlockt. Zumal die Lage

am Zentralpunkt nun wenig geeignet

ist, Laufkundschaft anzuziehen.

Die Öffnungszeiten will er auf den

Mittwochnachmittag von 16.30 Uhr

bis 18 Uhr beschränken. Und natürlich

nach Vereinbarung. Es ist ja nur

ein Katzensprung von der

Ewaldstraße entfernt.

Überlebensmittel: Central.Galerie 29.11.2015 – 27.1.2016

Bodo Berheide / Christian Ischebeck / Georg Janthur / Peter Klassen

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10 Fragen an

Klaus Küster

Lieber Klaus. Zu Beginn der 1970er

entwickeltest Du die Methode des

luminoplastischen Reliefs, bei der

durch eine vor der fotografischen

Belichtung erfolgte mechanische

Bearbeitung des Bildträgers (Fotopapier,

Film) ein teilweise-plastisches

Foto oder ein plastisches

Fotogramm entsteht. Arbeitest Du

heute immer noch mit dieser Technik?

Ja, hin und wieder entstehen mit

dieser Methode neue Arbeiten.

Zuletzt (2015) entstand eine

Küstereografie meiner rechten

Schuhsohle als eine Widmung für

die Abschaffer der „Städtischen Galerie

Remscheid“.

Von 1998 bis 2007 hast Du die Galerie

der Stadt Remscheid geleitet.

Du hast ein vielbeachtetes Programm

durchgezogen, auch Du

selbst kannst mittlerweile auf über

150 Gruppen- und Einzelausstellungen

zurückblicken. Macht das

immer noch Spaß? Im letzten Jahr

fehlte Dir etwas und mit Deiner

Frau Sabine zusammen habt Ihr

einem leerstehenden Schleckerladen

neues Leben gegeben. Ist jetzt

wieder alles gut in Remscheids Kulturlandschaft?

Spaß? Ja sicher! Wieder alles gut?

Mitnichten: Wir erwarten kurzfristig

den vollständigen Kollaps dank der

Stadtratsmehrheit und großer Teile

unseres wilden Bergvolkes.

Bist Du ein anerkannter Künstler?

Und kannst Du von Deiner Kunst-

Arbeit leben? Spielen der Kunstmarkt,

Museen und Galerien für

Dich eine entscheidene Rolle?

Bist Du im „Geschäft“?

Zum Kuckuck; lest Ihr denn nicht

den Kunstkompass? Sogar das

Finanzamt scheint den zu lesen.

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Alles ist richtig, (genau genommen)

mal mehr, mal weniger

schön und gut, manches sogar

wichtig, und (s. Central.Galerie)

ich habe ein großes Herz.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen in

der Kunstgeschichte?

Ich denke, Man Ray hat mal was

mit Schlüsseln gemacht.

Sind Deine Arbeiten politisch?

Ja immer, sogar meine

Gartenarbeit.

Gehst Du zum Essen gerne aus

oder findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause? Was ist Dein

Lieblingsgericht?

Mal so, mal so. Meine Frau und ich,

wir erfinden ständig neue Lieblingsgerichte.

Deshalb ist es für

mich äußerst schwierig, die letzte

Frage wahrheitsgemäß zu beantworten,

so wahr mir das große

Spaghettimonster helfe.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Paul Dessau: Die Komposition

„Guernica“ (von 1937)

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Im Januar 2016: „Überlebensmittel“

von vier Wuppertaler Künstlern ...

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Eine ernstzunehmende Frage.

Ja, man kann. Sowohl Plagiateure

als auch Plagiatkläger können hier

fündig werden; nur die Marktforscher

nicht, denn den Markt und

seine Mechanismen erlernt man

dort nicht.

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„Höhere Wesen ...“

1. Dezember 2015 | Bergische Morgenpost

| Remscheid

Wie Kunst zum Überlebensmittel

wird

Die neue Central.Galerie am Zentralpunkt

zeigt Arbeiten von vier

bekannten Wuppertaler Künstlern.

Von Gisela Schmoeckel

Freundlich blickt Hans Reichel

durch seine runden Brillengläser.

An seiner linken Schläfe klebt eine

blaue Blüte. Das Erinnerungsbild

an den 2011 in Wuppertal verstorbenen

Designer, Schriftenmacher,

Musiker und Erfinder eines Musikinstruments,

des Daxophons, hat

Peter Klassen auf eine große Offsettdruckplatte

gemalt. So erinnert

er an die Ausstellung, die die Stadtsparkasse

Wuppertal vor drei Jahren

für Hans Reichel durchführte.

Sein Bild und viele andere, die

Klassen auf die Offset-Druckplatten

für den Katalog zur Reichel-

Ausstellung malte, erinnern aber

auch an das Erinnern selbst, das aus

Vergessenem, also durch Übermalung

unkenntlich gemachtem,

überlagerten und geöffneten Überschichtungen

sichtbar wird.

Wie Hans Reichel ist auch Peter

Klassen ein Künstler, der in vielen

Bereichen arbeitet, sozusagen

„zwischen den Medien“, zwischen

Druck, Malerei und Musik. Dazu

Filmemacher. Drei seiner Filme

sind mit seinen Bildern in der Ausstellung

„Überlebensmittel“ in der

neuen Remscheider Galerie Central.Galerie

zu sehen, zu der Klaus

Küster vier befreundete Wuppertaler

Künstler eingeladen hat. Zu

ihnen gehört der bekannte Bildhauer

und Maler Georg Janthur.

Er zeigt skurrile, immer farbenprächtig

bemalte monumentlisierte

Alltagsfragmente: Ein hellgrüner

Flaschenhals mit seinem orangenen

Kronkorken wirkt wie eine surreale

Pflanze. Eine Kaktusblüte aus aufeinanderfolgenden

Keimblättern

wird zu einem Stapel wackelig aufgestellter

Schalen. Fragmentierung,

Vergrößerung, Farbigkeit verfremden

das Vertraute, Gewohnte. Die

aus ihren Sockeln herauswachsenden

Blüten und Früchte wirken vor

allem durch ihre wie mitgrobem

Beil herausgehauenen Formen –

lebendig und fantastisch zugleich.

Janthurs Malerei korrespondiert mit

den Skulpturen, man sieht diese in

der Fläche dreidimensional illusioniert

und als konkrete Raumkörper,

ein lebhaftes Formenspiel entsteht.

Ältester Künstler der Gruppe ist

Bodo Berheide. Er war Student bei

Joseph Beuys und arbeitet plastische

Objekte aus monochrom gefärbtem

Pappmaché. In Remscheid

zeigt er vor allem graue Hasen, gegossen

aus in liebenswerter Weise

an Beuys Hasen-Themen. Die

grauen Häschen, mit ihrer zerfurchten

Oberfläche hocken vor mit grobem

Strich grundierten

Leinwänden, diese wiederum stehen

auf Stelzen – hintergründig und

humorvoll sind diese Installationen

und Reliefs.

Als vierter kommt Christian Ischebeck

hinzu, 1968 in Gevelsberg geboren.

Nur auf den ersten Blick

wirken seine Gemälde wie Erinnerungen

an das Informel der 1950er

Jahre. Schaut man länger in diese

dichten Farbräume aus Linien,

Flecken und Schichtungen, dann

sind immer neue Entdeckungen zu

machen. Bildzitate, wie Munchs

„Schrei“, Wortfragmente, Figuren

stellen sich allmählich heraus - eine

Bildwelt, die sich beim Hin-Sehen

erschließt. Kunstwerke sind unverzichtbare

„Überlebensmittel“ – da

sind sich Klaus Küster und die vier

fantasievollen Wuppertaler einig.

Zustimmung! Tüten mit diesen

Notwendigkeiten gibt es bei der

Eröffnung für Euro 9,99 zu kaufen.

10


erlebniskino

bleikorn sein

berlin, o nikse!

sir kinoleben

krisen in bloe

kolbenriesin

in nobelkreis

in reiskolben

in eiskorn leb!

nies bleikorn.

Mitch Heinrich

9.01.2008

Peter Klassen „Überleben.“ 60 Aluminium Offsetdruckplatten. 2015. Format 60,5 x 73,5 cm

Diese Reihe von Arbeiten besteht aus mit Acryl- und Ölfarben bemalten, teilweise beklebten Offsetdruckplatten des Katalogs zur Ausstellung

„Hans Reichel featuring Maurycy“: Cyan, Magenta, Yellow und Black.

Georg Janthur „Garten der verbotenen Früchte“

unten Bodo Berheide „Kiwi“

11


12

Klaus Küster Credo-II, 2015


Klaus Küster Credo-I, 2015

13


14

Relikte 1976


Über die Anfänge

1976 und darüber hinaus

Los ging's bereits 1976 in der kleinen

Werkstatt von Lothar Pfennig

in der Marienstraße in der Elberfelder

Nordstadt. Dort fand am 18.

September die erste „Zusammenarbeit“

statt, die dem Gedanken einer

intermedialen Konzeption entsprach.

Anfang 1977 wurde dann

in der „kleinen nordstadt galerie“

in der Wiesenstraße das Konzept

einer Galerie für intermediale

Zusammenarbeit erstellt. Bei der

Veranstaltung „drei-tage-zusammenarbeit“

wurde dieses Konzept

der öffentlichkeit vorgestellt. Es

war zum Teil der Schwitters`schen

Märzbühne entliehen, entsprach

aber auch den Vorstellungen der

Sozialen Plastik von Joseph Beuys.

Die Teilnehmer sollten gleichzeitig

und ohne Absprache interagieren.

Schon zu diesem Zeitpunkt wurde

uns klar, dass die kleine Galerie in

der Wiesenstraße unseren Anforderungen

räumlich nicht genügen

konnte. Nach intensivem Suchen

stießen wir im selben Jahr auf die

alte Fabrik in der Hofaue 21 a. Bereits

Ende 1977 fand dort die erste

Ausstellung statt. Unsere Adresse

war nun „nordstadt galerie kollektiv“

und das Ausstellungskonzept

wurde erweitert, um auch anderen

Künstlerinnen und Künstlern die

Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren.

Vorrangig blieb aber zu

diesem Zeitpunkt das Aktionsprogramm,

die das performance-ähnliche

Zusammenarbeiten als Maxime

verfolgte. 1978 kam es zur ersten

und einzigen intermedialen Zusammenarbeit

in der Galerie. Teilnehmer

waren etwa 20 Personen,

zumeist Künstler, darunter auch

Musiker und Tänzerinnen; das Publikum

griff zum Teil mit in das Geschehen

ein. Schon zu diesem

Zeitpunkt zeigte es sich, dass es

sehr schwierig war, mit einer größeren

Anzahl von Personen ohne

vorherige Absprache in der von uns

geplanten Art und Weise zusammen

zu arbeiten. Daher wurde versucht,

in kleineren Gruppen zu

agieren, um so Interaktionsformen

zu finden. Es bildeten sich auch

Gruppen, die sich mit bestimmten

Medien beschäftigten. Zu dieser

zeit wurde die Galerie von verschiedenen

Gruppen und Initiativen

genutzt, wie Männergruppe, Theatergruppen,

Musikershops, „den

Grünen“, sogar ein kleines Cafe

gab es vorübergehend. Über 150

Menschen haben unsere Arbeit

durch den Erwerb von Kreativ-Aktien

unterstützt. Schon von Anfang

an, seitdem das Kollektiv die

Räume in der Hofaue renoviert und

bezogen hatte, wurden die laufenden

Kosten gemeinsam von allen

Mitgliedern bestritten. Im Laufe der

nächsten Jahre verlor das Kollektiv

die eigentliche Idee der Intermedialität

immer mehr aus den

Augen. Lediglich zwei Gruppen bildeten

weiterhin das Gerüst. Die

eine versuchte, die Arbeit im musikalischen,

die andere im aktionistischen

Bereich weiterzuentwickeln.

Schwerpunkt zu dieser Zeit war die

Organisation von Ausstellungen

und anderen Veranstaltungen. Die

Galerieräume wurden in stetiger

Folge von Künstlern aus ganz

Europa für Ausstellungen, Performances,

Theater, Dichterlesungen

und Musikveranstaltungen genutzt.

In strengen Wintern war es schier

unmöglich sich in den Räumen aufzuhalten,

so das wir zu dieser Jahreszeit

unsere Aktivitäten

einstellen mussten. Viel weniger

Veranstaltungen konnten durchgeführt

werden, das Kollektiv wurde

eine „Schön-Wetter-Galerie“. Nur

die Musikgruppe traf sich – allen

Widrigkeiten zum Trotz – auch im

Winter jede Woche. Von dieser

Gruppe kamen auch zu jener Zeit

immer wieder die Impulse zu performanceähnlichen

Aktionen. So

wurden 1983, neben den ständig

in der Stadt installierten „Baustellen“,

„musik an den mond“, „der

kongress“ in Schloss Lüntenbeck,

sowie das „U-Bahn-Projekt“ im

„Exil“ inszeniert, ebenso das

„grenzbaummikado“ im Rahmen

des „Spielräume-Festivals“. Ende

1984 erwischte uns die Kündigung

„kalt“. Das Haus sollte abgerissen

werden. Nach kurzem und intensivem

Suchen zog das Kollektiv im

September 1985 in in die selbstrenovierten

Räume in der Berliner

Straße in Barmen ein. Wir heißen

seitdem „Atelier- und Galerie-Kollektiv“.

Außer dem grossen Ausstellungsraum

auf der ersten Etage

gab es nun noch Proberäume für

Musiker und Ateliers für Künstler in

Obergeschoss und Keller. Parterre

gab es eine weitere Galerie für Fotographie,

verbunden mit einer

Werkstatt. Die Künstler der Galerie

arbeiteten weitgehend an ihren eigenen

Projekten, es gab zu dieser

Zeit mehrere Musikgruppen, die im

Haus proben konnten. Das Ausstellungsprogramm

wurde über Jahre

kontinuierlich von weitgehend

allen Mitgliedern des Kollektivs gemeinsam

gestaltet. 1993 gaben

wir die Räume in der Berliner

straße auf, das Konzept hatte sich

überholt. Wir wollten nicht länger

Aussteller sein und an einen festen

Ort gebunden.

Seit dieser Zeit organisieren wir

Veranstaltungen, Symposien, Konzerte

und Ausstellungen an den

verschiedensten, zumeist ungewöhnlichen

und nicht kunsttypischen

Orten. Unser Aktionsradius

hat sich auf andere Städte und andere

Länder ausgeweitet. Und auch

die Kollektivisten leben nun irgendwo

(auf der Erde), in der

Schweiz, in den Vereinigten Staaten,

in Ennepetal.

Die Ausstellungen sind zumeist

Installationen in allerhand Räumen:

das Kaufhaus Michel im Haus Fahrenkamp

2014 usw.

Wir haben das SIXPACK-Projekt

unterstützt, die MOVINGARTBOX,

und es gibt eine Reihe von

Veröffentlichungen in der

HUITZILIPOCHTLI-Edition.

Und tja, das wird fortgesetzt.

15


16


Wie alles anfing – die ersten Aktionen des nordstadt-galerie-kollektivs An einem Sonntag im Sommer 1976 fragte mich Rainer Kraft, ob ich nicht mit in die Nordstadt kommen wollte,

dort würde er gemeinsam mit Freunden eine Kunstaktion vorbesprechen und immer auch ein bisschen Free Music machen. Da könnte ich doch dazu Klavier spielen. Vielleicht wäre das ja ganz spannend. Spannend war es auch,

denn der Treffpunkt war der Nebenraum des von Lothar Pfennigs Eltern betriebenen kleinen Edekaladens, noch ganz im „Tante Emma Stil“ in der Marienstraße. Wir mussten uns erstmal durch den Laden schlängeln, im

Hinterzimmer trafen wir auf Bodo Berheide und Lothar, um ein bisschen zu improvisieren und im Anschluss eine für September geplante erste Kunstaktion im Sinne der merzarbeit von Kurt Schwitters zu diskutieren. Dies hörte

sich für mich natürlich sehr spannend an, denn die Vorstellungen für spontanes, intermediales Arbeiten in der Gruppe im Sinne von Kurt Schwitters Merzbühne waren mir vertraut. Ich sagte gerne zu, am 18. September 1976

bei der „Zusammenarbeit in der Werkstatt“ auch als Besucher dabei zu sein. Leider kam ich etwas zu spät in die für die Aktion umgestaltete Wohnung von Lothar Pfenning, in der Marienstraße 51. Die Aktion hatte schon

begonnen. Schon im Flur fanden sich als „Wegweiser“ ausgelegte Fußstapfen aus Pappe. Auch das von Rainer Kraft gespielte Saxophon war nicht zu überhören, um den Weg in die „Werkstatt“ zu finden. Sonderbare Dinge geschahen

in der lichtdurchfluteten Wohnung. Es roch nach frisch gebratenem Panhas, den Bodo Berheide auf einer kleinen Elektroherdplatte zubereitete, Lothar Pfenning beschrieb auf einer alten Adler-Schreibmaschine

gebrauchte Pappdeckel, auf denen zuvor Panhas serviert wurde, um das Geschehen im Raum kommentierend festzuhalten. Die Tippgeräusche wurden mit einem direkt über den Typenhebeln der Schreibmaschine hängenden

Mikrophon in den Nachbarraum übertragen, ebenso Bratgeräusche und Kommentare der Besucher. Volker Anding stand an einem improvisierten Verkaufsstand und Wolfram Jörgens dokumentierte das Geschehen mit der

Kamera. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei. Sehr begeistert vom Geschehen, wollte ich natürlich bei weiteren Aktionen dabei sein. Ende Januar 1977 lud das neu gegründete „nordstadt-galerie-kollektiv“ zur ersten

gemeinsam mit der Galerie Aura von Volker Anding vorbereiteten „ 3–tage–zusammenarbeit“ in einen kleinen ehemaligen Eckladen in der Wiesenstraße 81 in der Nordstadt ein. Dort wurde ein „teils ausgearbeitetes, teils improvisiertes,

in jedem Fall ‚intermediales’ Aktionsprogramm“ präsentiert, wie Christiane Müller die Veranstaltung im General-Anzeiger ankündigte. Ein sehr breit gefächertes, grenzüberschreitendes Programm mit Text- und Fotoaktionen,

Theateraufführungen, Blues, Rock und Freebands mit u.a. Gerd Neumann, Manfred P. Galden, Horst F. Neumann, Christian W. Fleischmann, dem Rock-Folk-Orchestra und dem mich damals sehr begeisternden

Free-Aktion- Quartett um Schlagzeuger Dietrich Rauschtenberger, Dietmar Wehr am Bass und dem leider schon 2002 verstorbenen Gitarristen Jürgen „Düdü“ Rosetta. Auch der spätere Rockmusik-Produzent Andreas Müller-

Eckhard (Tim Buktu, der 2011 verstarb), Wolfram Palm, Joshio Shirakawa, Horst Kerger und Michael Ruthkowski boten ein intermediales Aktionsprogramm mit Parallelaktionen aus Bildender Kunst, Theater und Performance.

Nach dem Umzug des nordstadt-galerie-kollektivs in die Hofaue wohnte ich im April 1978 einer weiteren Zusammenarbeit zwischen Musikern, Künstlern und Tänzern bei, die Wolf Achilles in der NRZ treffend und umfassend

beschrieb: „In der Hofaue 21 war der Teufel los. Genauer: das ‚nordstadt-galerie-kollektiv’! Ein sehr gemischtes Publikum erlebte da, was man mit einem Stück Sprache so alles machen kann. Ein Text wurde gesprochen

und an die Wand projiziert, auf Pappe geschrieben und in Musik umgemünzt. Die Tänzerinnen Bärbel Görner und Gerlinde Lambeck setzten das in Bewegung um und eine Videoanlage holte den Gesamtvorgang noch einmal

zurück vor aller Augen und Ohren! Im Treppenhaus tickte ein Metronom dazu. Und aus einem aufgehängten Metallfass tropfte rhythmisch rote Farbe in den mit weißem Leinen ausgeschlagenen Treppenschacht. Bodo Berheide

sprach den – in sich schon programmatischen Text ins Mikrofon, schrieb Wort für Wort auf Pappdeckel und warf die dann schwungvoll ins Publikum. Ralf Prinz schrieb die Worte in die Schreibmaschine und eine Videoanlage

übertrug sie in den Nebenraum, wo die ‚Free-Action‘-Kapelle (bestehend aus Dietrich Rauschtenberger und Dietmar Wehr) den Rhythmus der Schreibmaschine in Musik übertrug. Auf die Wände wurden lodernde Feuer und wehende

Baumkronen projiziert – alles im Takt des Gesamtvorganges!” (Neue Ruhr/Rhein-Zeitung, 24. April 1978). Dem ist nichts hinzuzufügen, außer, dass das nordstadt-galerie-kollektiv dort noch viele tolle Aktionen durchführte

und 1985 weiterzog, nach Barmen, in die Berliner Straße, aber das ist eine andere Geschichte.

Rainer Widmann, 16. März 2016, 22.27 Uhr

17


nordstadt-galerie-kollektiv

Hofaue 21 a, 1977 bis 1985

Hase. Jüdischer Friedhof Frankfurt, 2011.

Gruppo

di Ricerca

Materialistica,

Milano

Relikte:

Das Haustürschild im Wandel der Zeiten.

„Approaching Australia“, 2001 in der Hofaue.

Vor- und Rückseite.

Bombenbauen, leichtgemacht: Titelblatt der

jemenitischen Al-Quaida-Zeitschrift „Echo der

Kämpfe“. FAZ

18

Fundstücke: Bommi Baumann: No message.


19


links und oben:

Bodo Berheide

Performance

vor dem

Von der Heydt-Museum

unten

Relikte: Bodo Berheide 17.08.1979 / 23. März 1981

Relikte:

LIEBESLIEDER an Dorothea

Anton Neger Antonius,

recorded by Hans Reichel, am Küchentisch auf

dem Opphof.

Dieses Exemplar einer Single lag

für einige Jahre

mit ca. 12 weiteren in der Hofaue 21 a

im Tiefkühlfach,

wahrscheinlich selbst von Anton

dort deponiert.

Er schickte auch über viele Jahre

(gefühlt jede Woche) ein Päckchen

in die Galerie, mit höchst zweifelhaften

Inhalten: ausgiebige Schmähschriften und

Traktate mit Entwürfen

für eine „neue Kunst“ und

gegen alle Welt.

1. Deine Gegenwart 4:20

2. Traumlied der Liebe 3:53

3. AN DOROTHEA 2:24

4. „Liebste, oh, komm’ doch!“ 1:38

5. Schwanz 3:23

20


Gleisdreieck aus Berlin vor Wandbildern von Martin Peulen 1984

spirale und schiff grundlage dieser arbeit von 1997 ist die spirale als eine

im universum verbreitete formale erscheinung, bestehend aus materie, gas

oder elektronen, die ich als urform mit der schöpferischen intelligenz des

universums in verbindung bringe (siehe rupert sheldrake: „das schöpferische

universum“). die einzelteile meiner sprirale sind aus einer form entstanden,

die von oben betrachtet einem schiff entspricht. das schiff in

seiner darstellung ist imateriell und aus vier gefundenen regalplatten, ca.

100 x 70 x 3 cm herausgeschnitten. die vier platten symbolisieren zweidimensional

die himmels-richtungen, währendessen die herausgeschnittene

form des schiffes durch seine nichtexistenz für mich auf eine dritte dimension

verweist. die nicht dekodierbaren negativ- bzw. positivformen der spirale

und des schiffes erscheinen mir wie imaginäre buchstaben. diese arbeit

ist die grundlage für meine holzstempel mit ihren positiv- negativformen,

die überwiegend tiermotive und andere symbole darstellen, verbunden

mit weiteren untersuchungen hinsichtlich der vielfältigkeit von erscheinungsformen,

eigenschaften und fähigkeiten derselben. die späteren abdrücke

in recycling-tageszeitungspapier haben sehr oft fossilen charakter.

(siehe auch das „papiertiere“-buch von bodo berheide, erschienen im 2015:i huitzilopochli-edition)

Mittsommernacht, .......

21


Renate Bertlmann

(* 1943 in Wien)

ist eine österreichische bildende

Künstlerin, lebt und arbeitet in

Wien.

SLING SHOT ACTION,

Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Wuppertal 1982

Partitur: In Form einer ironischen Genesis attackiere ich als doppelköpfige

Schlange Adam und Eva, zwei Sex-Gummipuppen, mit einer Schleuder in

Form eines gegabelten Doppel-Godemiches. Im Playback offeriere ich ihnen

die verschiedensten Sexshop-Artikel. Ich verspreche Adam und Eva, dass

deren Benutzung ihre Augen öffnen und die Erfüllung ihre tiefsten und geheimsten

Wünsche und Träume bringen würde. Ich tanze solange mit

ihnen, bis sie als leere Hüllen zu Boden gleiten. Abschließend schreibe ich

einen Liebesbrief an die Wand, Ausdruck meiner verborgenen Ängste und

tiefen Sehnsüchte

22

Tanz mit Georg F. Schwarzbauer

Renate Bertlmann 13.12.2011


Relikte: 1982: Renate Bertlmann

23


Renate Bertlmann

Heidegger:

Niemand kann für mich sterben.

Descartes:

Niemand kann für mich begreifen.

Bertlmann:

Niemand kann für mich lieben:

AMO ERGO SUM.

Rente Bertlmann, 1978

24


25


26


Volker Anding

mit

der Performance

„Der Hase

und

der Igel“.

Unten

sein Beitrag

für das

Buchprojekt

„einszueins“.

Jawohl, so ging das auch mal.

1978: Eine Zusammenarbeit mit der selbsternannten „Hochkultur“.

27


Her mit der U-Bahn,

und zwar sofort!

Pressekonferenz im EXIL, Dezember 1983

Es ist genug Zeit vertan! Endlich in die Tiefe gehen! Nur die U-Bahn kann uns retten! Wir müssen

Schluss machen mit all den kleinkarierten Personenbeförderungsmitteln hier im Tal! Wir fordern

eine sofortuige Anbindung unseres Verkehrssystems an die Metropolen der Welt! Wir brauchen

die U-BAHN, und zwar sofort!

... bei uns gibt es kein „no future“ – wir sind

konstruktiv – wo bleibt die Antwort?

Schluss mit den Kleckereien!

... and the winner is:

Brigitte Hansohm, seitdem führt sie die

Bücher und hütet die Schätze des Kollektivs

Relikte:

Teilnehmerkarten Kongress Schloss Lüntenbeck:

20 Kollektivisten fuhren mit 20 Taxen vor.

Den „nichtöffentlichen“ Kongress können die

Gäste eines Schlosshoffestes durch die Fenster

verfolgen.

Relikte: Kreativitätsaktie / Anteilschein am Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Oktober 1981

Muster für spätere Reisekostenanteilscheine an den Reisen der figura magica

28


das verflixte siebte jahr

„seit sieben jahren existiert nun

das nordstadt-galerie-kollektiv in

dem alten fabrikgebäude in der

hofaue 21 a. in dieser zeit hat sich

das gesicht der galerie immer wieder

verändert, ebenso wie sich die

besatzung der galeere immer wieder

geändert hat. immer wieder

haben wir neue formen gesucht,

die es ermöglichen sollten, interesse

und ein publikum für die veranstaltungen

zu finden, und es ist

unmöglich, alles das, was in dieser

zeit in der galerie passiert ist, aufzuzeigen,

die anzahl und auch die

vielfalt der veranstaltungen ist einfach

zu groß: feten, musik, theater,

performance, aktionen, informationen

– kunst in allen medien.

oft fanden bis zu fünf veranstaltungen

in einem monat statt. ...

vieles haben wir ausprobiert, um

leute für die galerie-arbeit zu gewinnen,

miteinzubeziehen, ein

stammpublikum zu bilden, immer

wieder neues interesse an unserer

kultur zu gewinnen. 1981 haben

wir das galerie-kollektiv in eine

kreativitäts-aktien-gesellschaft

umgewandelt. über den erwerb

von kreativaktien ist es möglich

geworden, anteil an der galerie

zu nehmen ...

weiterhin werden wir uns, im

gegensatz zum bisherigen konzept

vorbehalten, eine auswahl zu

treffen. ...

übrigens, das verflixte siebte jahr

ist nun fast vorbei! wir hoffen, dass

wir auch in der nächsten 7-jährigen

phase einige interessante kunst

zeigen können und wir hoffen,

dass diese kunst ihr publikum

findet.“

nordtstadt-galerie-kollektiv

kreativitäts-aktien-gesellschaft

galerie für

intermediale zusammenarbeit

1984

essen, trinken

im Exil

29


... „Schade, wir hätten gern geholfen.“

Der Bundesminister des Innern.

Grenzbaummikado / grenzenlose Hoffnung

Im Jahr der RATTE heißt es, die Gedanken erneut zu befreien!

Wir fordern die grenzenlose Grenzenlosigkeit

Abriss aller Zäune und Stacheldrähte (auch die im Gehirn!)

Auflösung aller Grenzen

Beseitigung aller Grenzbäume

unendliche Spielräume für alles und jeden

... „... kann ich Ihrer Bitte leider

nicht nachkommen, weil hier

weder unbrauchbar gewordene

vorhanden sind noch die in Betrieb

befindlichen – und gegenüber der

CSSR wohl auch berechtigten – ausgeliehen

werden können.

Mit „grenzenlosen“ Grüßen,

Im Auftrag Möckel,

Hauptzollamt Hof

... „Falls ich Ihren Text richtig

deute, geht es Ihnen nicht darum,

einen Grenzschlagbaum zu erwerben,

sondern in Form einer Art

Happening politische Verhältnisse

in Europa kritisch zu beleuchten,

als deren Symbol Ihnen der Schlagbaum

erscheint. Abgesehen davon,

daß Grenzbehörden als Exekutivorgane

in Bezug auf politische Verantwortung

die falsche Adresse

sind, ist zu befürchten, daß durch

die für den 14.4.1984 am Grenzübergang

Elten-Autobahn vorgesehen

Aktion der reibungslose Fluß

des Ein- und Ausreiseverkehrs eher

beeinträchtigt wird als durch gezielte

Kontrollen seitens der Grenzbeamten,

die der Ermittlung von

Straftätern – insbesondere auch auf

dem Rauschgiftsektor – dienen.

... Zu meinem Bedauern muss ich

Ihnen mitteilen, daß der Vorsteher

des Hauptzollamtes Emmerich

wegen anderer Verpflichtungen

nicht zur Verfügung steht.“

Im Auftrag (Gorny)

Hauptzollamt Emmerich

„ ... keine Schrankenarme vorrätig

gehalten werden ...“

Mit freundlichem Gruß, Schorer,

Hauptzollamt Rosenheim

„Zu meinem Bedauern sehe ich

mich nicht in der Lage, Ihrem

Wunsch zu entsprechen.“

Im Auftrag (Vogler)

Hauptzollamt Lindau

Zollamt Hörbranz – Autobahn

... „Vielen Dank für Ihr Schreiben,

das mir der Bundesminister des Inneren

vorsichtshalber zugeleitet

hat. Ihre Nachfrage nach Grenzbäumen

ist leider etwas verfrüht.

Ich werde darauf zurückkommen,

sobald sich abzeichnet, daß aus

dem „grenzenlosen“ Hoffnungsschimmer

in der Europäischen Gemeinschaft

Wirklichkeit wird.

Im Auftrag (Sohn)

Bundesminister der Finanzen

„ ... weil sich für die o. a. Aktion

keine Grenzbäume zur Verfügung

stellen, weil sich an der innerdeutschen

Grenze unsererseits keine

Grenzbäume befinden.

Für Ihre Aktion wünsche ich Ihnen

viel Erfolg.“

Im Auftrag (Fischer),

Hauptzollamt Braunschweig

„... habe ich zuständigkeitshalber

an den Bundesminister der Finanzen

weitergeleitet.

Im Auftrag Stahlhut

Der Bundesminister des Innern,

21.03.1984

Beglaubigt (unleserlich)

Kanzlei 1, Angestellte

„ ... in der Bundesverwaltung gibt

es so etwas nicht.“

Im Auftrag (Thiemann)

Der Bundesminister des Innern,

26.03.1984

„ ... zuständigkeitshalber weitergeleitet

an den Bundesminister

des Innern ...“

Im Auftrag, (Beck),

Presse- und Informationsamt

der Bundesregierung

Grenzübergang Elten, 14. April 1984: Gudrun Klassen, Bodo Berheide, Michael Becker, Werner Brandau, Inge Becker, Ralf Prinz, Peter Klassen

30


HenkersMahlzeit, 9. Oktober 1984

31


FREUD: die Band des Nordstadt-Galerie-Kollektivs. In wechshaften Besetzungen,

vormals auch als DIECHAOTENHABENEINELANGETRADITION, als REICH oder später

dann NEXT und noch später: KINGHAT. Hier mit Jürgen Bennemann, Gudrun Klassen,

Peter Klassen, Ralf Prinz und Bodo Berheide

- FREUD -

noch 78 Tage in der Hofaue 21 a! Samstag, 13. April, 20 Uhr, 4,- dm

special guests: Peter Caspary, Mundharmonika; Dieter Broselge, Ziehharmonika

Holger Bär. Adler auf dem Von der

Heydt-Museum, Acryl auf Leinwand

18 x 13 cm. 2011.

„Steinwaschung“, 1982

„Mir

stellt es sich

immer so dar, als ob

unser gebräuchliches Bewusstsein

die Spitze einer Pyramide bewohne, deren

Basis in uns (und gewissermaßen unter uns) so

völlig in die Breite geht, dass wir, je weiter wir

in sie niederzulassen uns befähigt sehen, desto

allgemeiner einbezogen erscheinen in die von

Zeit und Raum unabhängigen

Gegebenheiten des irdischen,

des, im weitesten Begriffe, weltlichen Daseins.“

Albrecht Michael Barth: offene weite, nichts

von heilig. Wolkenklang

R. M. Rilke,

Briefe aus Muzot 1921–1926, Leipzig.

„Hörst Du mich ...“,

Musik

mit EROC,

Albrecht Michael Barth,

Peter Klassen

„bewahren“, 1980

eine Performance mit Jörg Winter,

Gudrun und Peter Klassen

32


R.I.P.

Ute Klophaus

Ilske Konnertz

Joachim Bischoff

Andreas Junge

Achim Knispel

Peter Kowald

Hans Reichel

Josef Scherrer

Georg F. Schwarzbauer

[with choir]

We'll meet again

Don't know where

Don't know when

But I know

We'll meet again

Some sunny day

Hans Reichel (1949–2011). Hier 1982.

Das, was Hans Reichel sein Leben lang gemacht

hat, das bleibt uns. Seine Musik werden wir

immer wieder hören können. So, wie er sie akzeptiert

hat, wenn Sie aufgenommen war. Und

was er sein Leben lang geliebt hat, seine Schriften,

die bleiben uns noch mehr. Weil sie immer

da sind, überall zu sehen. Auch in diesem Buch:

Hans Reichels DAX. Sein erstes Soloalbum hieß

unspektakulär „Wichlinghauser Blues“, später

folgte die „Heimkehr der Holzböcke“, „Bonobo“,

die „Erdmännchen“ und natürlich „Buben“, das

Duo mit Rüdiger Carl, später dann mit EROC im

Duo die Studio Opera „KINO“. Ein halbes Hundert

Veröffentlichungen hat Hans Reichel hinterlassen.

Nebenher arbeitete er schon in den 70er-

Jahren an einer selbst erfundenen, eigenen

Schrift: Die Tuschezeichnungen hingen immer

zum Trocknen an einer quer durch das Zimmer

gespannten Wäscheleine. Seine Arbeit gehörte

zu seinem alltäglichen Leben. Die fertige Schrift

konnte er auch verkaufen, nur Geld dafür hat er

damals nicht gesehen. Überhaupt das Geld. Es

spielte keine Rolle in seinem Leben. Er hatte

viele, viele, viele Jahre lang schlichtweg keines.

Was wichtig war, das waren seine Weggefährten,

seine Freunde, die Kollegen „Musiker“,

Kumpane. Es gibt allerhand Geschichten aus den

Lamettarunden, den Murmelrunden, unendlich

viele Anekdoten. Hans hat viele erlebt. Auf der

ganzen Welt. Seine Schriften sind ein Teil von jedermanns

Alltagskultur geworden. Wenn man

sie kennt, kann man sie alle paar Meter entdecken.

Losgelöst von seiner Person prägen seine

Schriften unübersehbar die Gegenwart und die

Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu seiner Musik, die

im eigenen Lande immer noch eher als Nischenprogramm

für eine Minderheit gilt. Dabei

drückt seine Musik so wie nebenbei genau

das aus, was den gegenwärtigen Zustand unserer

Welt beschreibt, ihre Schönheit, aber

auch wie sie voller Widersprüche und Gemeinheiten

ist, das aber hochentwickelt.

Hans hat diese Art von Weltmusik für sich

und manchmal für uns gespielt: faszinierend,

überzeugend, in höchstem Maße ästhetisch

vollendet. Über seine Musik haben wir uns zuerst

gewundert, über die bis dahin ungehörten

und ungeahnten Klänge. Wir haben sie immer

wieder gehört, die, die es wollten. Man musste

sich schon darauf einlassen. Hans Reichel hat

keine Rücksicht genommen auf Hörgewohnheiten.

Nicht auf Moden. Auf Ideologien auch nicht.

Nicht auf Politik. Auch nicht auf sich. Die Musik

hat er immer gemacht, seine Schrift hat er geliebt.

Mit ihr war er auch zufrieden. Es hat ihm

auch gefallen, dass seine fünf erhaltenen Schriftfamilien,

die er seit 1983 entworfen und entwickelt

hat, weltweit so beliebt sind, dass er in den

letzten Jahren gut davon leben konnte. Er war

ein erfolgreicher Schriftenmacher.

„Hans Reichel – the criminally under-appreciated

German experimental guitarist – passed away in

his hometown ...“

Remember: Rolf Glasmeier

(* 1945 in Pewsum; † 2003 in

Gelsenkirchen)

Künstler, Grafikdesigner und

Ausstellungsmacher.

Abglanz Rom, Palermo

Für Rolf Glasmeier waren Kunst und Leben

eng verknüpft. Sein von ihm initiierter Kunstraum

Atelier Rolf Glasmeier gab Künstlern und

Musikern in regelmäßigen Abständen

Gelegenheit, ihre Arbeiten einer Öffentlichkeit

zu präsentieren.

Peter Kowald * 1944 in Masserberg; † 2002 in New York

33


34

8/10 Fragen an

Volker Anding

1

Bist Du ein anerkannter Künstler?

Anerkannt ist ein relativer Begriff.

Auf der Straße werde ich nicht

erkannt; einige Preise habe ich

schon bekommen. Es gibt einige,

die mich als Videokünstler oder als

Filmemacher sehen und für andere

bin ich ein Künstler – mir ist das

egal.

Und kannst Du von Deiner Kunst-

Arbeit leben?

Wenn man den Begriff Kunst auch

auf das Medium Film, Video,

Hörspiel, Fernsehen erweitert: „Ja!“

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidende

Rolle?

In meiner Anfangszeit – ab wann

beginnt eigentlich diese „Anfangszeit“

(?) – waren Museen nicht interessant

oder auch auf einem

anderen Planeten; deshalb habe

ich aus der Not eine Tugend

gemacht und im Treppenhaus und

in der Toilette eines Gründerzeit-

Hauses die „GALERIE AURA“ gegründet.

Dort habe ich Künstler-

Freunde ausgestellt und selbst den

Galeristen gespielt.

2

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Ai Weiwei hat mich 2010 in München

begeistert – er hat mich umgehauen!

Beeindruckt hat mich

auch ein Text von ihm. Dort beschreibt

er, dass er die ersten fünf

Jahre in New York als Tellerwäscher

gearbeitet hat, aber auch schon

Künstler war: „Künstler zu sein ist

eine Haltung!“ (Das würde ich sofort

unterschreiben)

Es gab eine Arbeit von ihm, die das

unterstreicht: Aus einem Draht-

Kleiderbügel hat er das Porträt

von Marcel Duchamp geformt – sie

hing neben dem Text. Wie man ja

weiß, hat Marcel Duchamp nicht

sehr viele Kunstwerke hinterlassen

– er hat viel Zeit mit Schachspielen

verbracht. (...)

3

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen in

der Kunstgeschichte?

Dokumenta 5 von Harald Zeemann

war eine Initiation für mich.

Andy Warhol, Edward Kienholz,

Nam june Paik, Walter de Maria,

Joseph Beuys ... etc.

4

Sind Deine Arbeiten politisch?

„Wenn ich eine Botschaft hätte,

würde ich sie mit der Post

schicken“ sagte einst Roman

Polanski auf die Frage eines Journalisten.

Diese Antwort hat nichts

mit Arroganz zu tun, sondern mit

einem bewussten Umgang mit

Medien.

„Ich komme erst nächste Woche

zurück“ ist eine Botschaft. Kunst

wäre ärmlich, wenn sie sich in

solchen Botschaften erschöpfen

würde. Die wichtigste Botschaft,

die gute Kunst hat, ist die, dass

man sie nicht auf einen Begriff

bringen kann; die Werbung bringt

alles auf den Begriff, sie sagt was

wir kaufen sollen. In diesem Sinne

ist Kunst notwendig und politisch.

In den Ländern, wo keine

Demokratie herrscht ist Kunst zu

machen höchst politisch und

Lebensgefährlich!

5

Gehst Du zum Essen gerne aus

oder findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause?

Was ist Dein Lieblingsgericht?

Sowohl als auch! Ich koche seit

meinem 14ten Lebensjahr. Es gibt

nicht dieses eine Lieblingsgericht.

Ich hasse „convenient food“, die

sich immer mehr ausbreitet.

Ich esse 90% vegetarisch. Vegan ist

ein Irrweg; denn es sind Industrie-

Produkte, die klein gedruckte

Schrift auf den Packungen macht

das deutlich.

6

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Radiomusik von „Deutschlandradio-

Kultur“

7

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war

„The Problem of God“ im K21

Ständehaus in Düsseldorf.

Ich hätte mir niemals träumen

lassen, dass Religion noch einmal

solch eine Bedeutung haben wird.

Was deutlich wurde: Alle

Religionen arbeiten immer mit

Angst und Gewalt.

8

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Oh ja! Kunst entsteht ja nicht im

luftleeren Raum, sondern entsteht

aus der Zeit und der Gesellschaft.

Sie ist davon nicht zu trennen –

siehe Kulturgeschichte!

www.volkeranding.de

rechts: R

unten: G

oben: B


Volker Anding ART BY ACCIDENT.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung,

wie dieses Foto auf meinem IPHONE

gelandet ist. Am Wochenende

werde ich das auf eine Leinwand

übertragen ...“

... vorher gestohlen und um 90 0

gedreht.

35


Selbst das gurgelnde Erbrechen

war nicht mehr befreiend, denn

man musste damit rechnen, dass

hinter den Kacheln der öffentlichen

Bedürfnisanstalten heimliche

Kameras versteckt waren. Nur die

Naiven trösteten sich mit dem

Schambalken zwischen den Pissoirs

und glaubten sich unbeobachtet.

Gespanntes Warten auf das

Kabelfernsehen.

Jürgen Raap, 1984

36


37


10 Fragen

an Jürgen Raap

1. Du hast etwa 1979 oder 1980 in

unserer Galerie die Performance

„Die Garde trinkt, übergibt sich

aber nicht“ durchgeführt. Hast du

im Nachhinein ein gutes Gefühl,

würdest du sie heute noch einmal

so machen?

J. Raap: Nein. Diese Performances

der 1980er Jahre passierten aus

einem ganz bestimmten Lebensgefühl

und einer ganz bestimmten

persönlichen Befindlichkeit heraus,

auch aus der damaligen Zeitstimmung,

und man könnte sie nicht

35 oder 36 Jahre später noch einmal

so wieder aufführen wie ein

Theaterstück mit einem festgeschriebenen

Rollentext. Ein gutes

Gefühl bzw. positive Erinnerungen

habe ich schon an jene Zeit und an

meine damalige künstlerische Arbeit,

auch wenn ich aufgrund eines

erweiterten Erfahrungshorizonts

heute natürlich manches anders

und in meinen Augen dann besser

machen würde – auch als Performer

hat man ja dann inzwischen

mehr Routine, die es einem ermöglicht,

freier zu agieren.

2. Seit deinem Studium an den Kölner

Werkschulen arbeitest du kontinuierlich

an deiner Kunst. Bist du

ein anerkannter Künstler? Kannst

du von deiner Kunst leben?

J. Raap: Ich habe einen gewissen

regionalen Bekanntheitsgrad, als

Kunstkritiker wohl auch bundesweit,

aber das beschränkt sich auf

die Insider des Kunstbetriebs oder

auch nur des Off-Betriebs. Ich hatte

in einem Jahr auch mal so viele Bilder

verkauft, das mein Steuerberater

meinte, die Erlöse müsste ich

nun in der Steuererklärung aufführen,

aber leben kann ich davon

nicht. Mein Brotberuf ist seit 35

Jahren Kunstjournalist, und wenn

ich in zwei Jahren das Renteneintrittsalter

erreicht habe, wird auch

die Rente nicht so auskömmlich

sein: ich werde mithin auch als

Rentner publizistisch und künstlerisch

weiter arbeiten müssen, um

damit Geld zu verdienen. Aber ich

wäre ohnehin nicht der Typ, der

dann den ganzen Tag nur noch

beschaulich auf der Parkbank sitzt.

Als Künstler geht man ja nie in

Pension. Der Surrealist Paul

Delvaux hat noch bis zu seinem

90. Lebensjahr an der Staffelei

gesessen, bis sein Augenlicht dann

zum Malen zu schwach geworden

war.

3. Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien eine entscheidende

Rolle?

J. Raap: Nein. Ich habe 1982 mit

der Malerei aufgehört und dann 23

Jahre lang hauptsächlich im Bereich

Performance und literarisch gearbeitet,

vor allem auch -wie eben

erwähnt – journalistisch, und habe

dann 2005, also vor 11 Jahren, die

Malerei wieder aufgenommen,

dies aber dann mit großer Lust und

Freude. Diese Pause in Sachen Malerei

war sehr wichtig, was die eigene

persönliche und geistige

Entwicklung angeht, karrieretechnisch

allerdings nicht. Aber ich gehöre

einer Künstlergeneration an,

die als 20- bis 30jährige in den

1970er Jahren nicht von vorneherein

so karriereorientiert war, wie

man es bei der Generation der

heute 25- bis 30jährigen Künstler

beobachten kann. Beide Haltungen

sind jedoch völlig okay, zumal

heute die gesellschaftlichen und

ökonomischen Rahmenbedingungen

für angehende und aufstrebende

Künstler in mancherlei

Hinsicht härter sind als vor 40 Jahren:

heute sind 60.000 bis 70.000

Berufskünstler bei der Künstlersozialkasse

gemeldet – eine vielfach

höhere Zahl als 1983 bei der Einführung

dieser Künstlersozialkasse.

Um 1980 waren der Kunstbetrieb

bzw. die Kunstszene in Kunstmetropolen

wie Köln oder Berlin noch

viel überschaubarer und familiärer

(auch in Wuppertal). Der Kunstmarkt

erwartet ja, dass ein Künstler

permanent produziert und den

Markt beliefert. Aber in dieser jugendwahnbesessenen

Gesellschaft

macht man als 55jähriger oder

60jähriger Künstler keine Karriere

mehr: die Galeristen, die einen

Künstler ja über Jahre hinweg erst

einmal aufbauen müssen, bis er

seine erste größere Museumsausstellung

bekommt oder zu einer

wichtigen Biennale eingeladen

wird und dann die wichtigen

Sammler auf ihn aufmerksam werden,

fürchten womöglich, dass ein

alternder Künstler vorzeitig schlapp

macht und sein Werk zu dünn

bleibt. Ich sehe meine jetzigen beruflichen

Rahmenbedingungen also

völlig illusionslos, aber ich genieße

zugleich auch ein Gefühl viel größerer

Freiheit – man steht nicht

mehr so sehr unter dem Druck wie

am Anfang des Berufslebens, sich

selbst und der Welt alles mögliche

beweisen zu müssen und nichts

verpassen zu dürfen. Unterm Strich

kann ich sagen: seit meinem 18.

Lebensjahr habe ich im großen und

ganzen immer ein selbstbestimmtes

Leben geführt, und das war mir

an Lebensplanung auch immer am

wichtigsten gewesen, und Kunstmachen

gehört bis heute zur Identitätsfindung

oder zum

Existenzentwurf dazu. Vielleicht

war es damals – im Nachhall der

1968er-Protestbewegung – ein

ganz naives Ausweichen oder gar

Ausbrechenwollen aus jenen Zwängen,

die Karl Marx mit seiner „Entfremdungsthorie“

beschreibt. Die

ökonomischen Aspekte sind natürlich

auch wichtig, denn die Tube

Ölfarbe will im Alltag genau so bezahlt

werden wie die Tube Zahnpasta,

aber als Künstler definiert

man sich ja eigentlich immer über

eine Widerspiegelung in der eigenen

Arbeitsleistung, und nicht über

einen Status, der auf äusserlichen

materiellen Dingen fußt: Einen

dicken Sportwagen kann sich jeder

Dummkopf, der nicht bis drei zählen

kann, beim Autoverleiher mieten.

Das klingt vielleicht jetzt sehr

Bild des Monats (03.2016) blogkarljosefbaer.kallnbach.de:

Jürgen Raap, „Der verwegene Träumer”, 2016

nach einem altmodischen romantischen

Rollenverständnis, und ich

will auch keineswegs einem klischeehaften

Bohèmebegriff das

Wort reden und beurteile die Malerfürstenattitüde

des Herrn Lüpertz

als etwas anachronistisch für das

21. Jh. (wiewohl ich seinem engagiertes

Eintreten für die Malerei als

„Königin der Künste“ durchaus applaudiere)

– aber wo wir in diesem

Jahr 2016 das 100jährige

Jubiläum der Dada-Bewegung feiern,

führt uns dies auch vor Augen,

wie sehr Dada ein anti-bürgerlicher

Gegenentwurf zum Mainstream

einer sich damals formierenden

Massengesellschaft war, der auch

noch die Fluxus-Kunst der 1960er

Jahre prägte und in den performativen

Künsten bis heute nachwirkt,

obwohl sich das Genre der Art Performance

von der klassischen

Selbstdarstellungs-Performance der

1970er Jahre inzwischen weit entfernt

hat. – Ich stelle hin und wieder

auch in Galerien aus, habe aber

derzeit keine feste Galeriebindung.

4. Kann dich die Kunst von Kollegen

auch heute noch begeistern?

J. Raap: Ja, natürlich. Ich finde es

immer wieder interessant zu

sehen, was Freunde und Weggefährten,

die man schon lange

kennt, heute so machen.

5. Gibt es für dich Schlüsselwerke

in der Kunstgeschichte?

J. Raap: Ja, aus objektiver Warte

muss man dann natürlich von Marcel

Duchamp „Akt, die Treppe hinunter

steigend“ (1912) als

Darstellung eines simultanen Bewegungsablaufs

in einem futuristischen

Stil nennen, und von Kasimir

Malewitsch das „Schwarze Quadrat“

(1915) als Ikone der Moderne

und als Manifestation der Abstraktion

– aber in Reflex auf den mystischen

Charakter der alt-russischen

Ikonenmalerei. Aus persönlicher

Sicht sind für mich von Pieter Brueghel

die Sittenbilder des frühen 16.

Jh. und von Max Ernst die Abklatschbilder

und visionären Landschaften

der späten 1930er und

der 1940er Jahre wichtige Schlüsselbilder,

z.B. seine Version der

„Versuchung des Hl. Antonius“

(1945). Von Paul Delvaux das Bild

„Train de nuit“ (1957): Bei einem

Bruxelles-Besuch hatte ich 1985

meinen Wagen auf einer Überführung

über den Schienenstrang hinter

dem Gare du Luxembourg an

exakt derselben Stelle geparkt, wo

der Standort des Malers hätte sein

müssen, wenn Delvaux das Bild

dort vor Ort gemalt hätte. Das ist

mir aber erst später aufgefallen.

Auch die Nachtlandschaften von

Carl Spitzweg und die Dämmerungsbilder

von René Magritte sind

für mich wichtig, und von den zeitgenössischen

Malern schätze ich

das Werk von Uta Schotten, Heinz

Zolper, Theo Lambertin und Neo

Rauch.

6. Sind deine Arbeiten politisch?

Ja, aber nicht in einem vordergründigen

propagandistischen Sinne.

Die Ikonografie in meinen Bildern

umfasst u.a. Schrottplätze, alte Hafenanlagen

am Rhein und Indus-

38


triebrachen, und dabei weiche ich

ganz bewusst den „modernen“

prosperierenden großstädtischen

Arealen aus, die von der Zukunft

künden, d.h. ich ignoriere die aus

polierten Granitplatten oder gläsernen

Fassaden bestehenden Kathedralen

der postmodernen

Dienstleistungsgesellschaft und die

Betonpaläste einer globalisierten

Wirtschaft mit ihrer ästhetisch

uniformen und damit langweiligen

Architektur.

Nüchtern kalkulierende Investoren

betrachte ich deswegen auch eher

als feindliche Eroberer dieser „alten

Welt“ der vernachlässigten Brachflächen

in den ehemaligen Fabrikvierteln,

die mich stark an die

Trümmerlandschaften der Nachkriegszeit,

an das Stadtbild in meiner

Kindheit, erinnern. Diese

urbanen Randbezirke sind für mich

eine Art Wildnis, wenn man so will,

eine paradiesische Gegenwelt.

Insofern transportiert diese Ikonografie

eine politische Kritik an den

Prozessen der Gentrifizierung in

unseren Großstädten. In Bruxelles

bin ich seinerzeit im Afrikaner-Viertel

Matongé auf Läden mit Ritualmasken

und afrikanischen

Skulpturen gestoßen. Da gibt es

natürlich Bezüge zu den magischen

Urgründen des europäischen

Karnevals mit seinen Ritualen des

Austreibens der Winterdämonen.

Und man kann heute politisch

darüber diskutieren, inwieweit

eine Rückbesinnung auf die animistisch-magischen

religiösen Wurzeln

in Afrika ein emanzipatorische

Wirkung bieten kann, weil viele

aktuelle Probleme dort ja auch

etwas mit dem Verlust von kultureller

Identität durch Kolonisierung

und Missionierung zu tun haben.

In indirekter Weise sind also auch

diese Maskenmotive in meinen

Bildern politisch.

7. Gehst du zum Essen öfters aus

oder findest du deine Lieblingsgerichte

eher zu Hause? Was ist dein

Lieblingsgericht?

J. Raap: Beides. Wir haben hier in

Köln-Ehrenfeld einen phantastischen

marokkanischen Fischhändler,

und gönnen uns zu Hause

immer wieder mal eine schöne

Fischplatte. – Lieblingsgericht in

spanischen Restaurants: Langostinos

alla Plancha. In der deutschen

bürgerlichen Küche: Rinderrouladen.

8. Welche Musik hast du zuletzt

gerne gehört?

J. Raap: „Two great guitars“ mit

„Chucks Beat“ von Chuck Berry und

Bo Diddley und ähnliche Rock' n

Roll-Stücke der 1950er Jahre, „Dust

my broom“ von Elmore James und

andere Klassiker des Blues wie B.B.

King, Muddy Waters, Howlin' Wolfe

etc., und alte kölsche Krätzchen,

das sind keine Stimmungsschlager,

sondern – ähnlich wie der Blues

Song in drei Strophen eine in sich

geschlossene Geschichte erzählt –

in Reimform Schilderungen aus

dem Alltag.

9. Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der du beeindruckt

hinaus gegangen bist?

J. Raap: „Der Schatten der Avantgarde“

im Folkwang Museum Essen

mit nicht-akademischen Malern.

10. Kann man aus der Kunstgeschichte

auch etwas anderes als

Kunst lernen?

J. Raap: Ja, denn Kunstgeschichte

kommuniziert immer auch Zeitgeschichte,

Kostümgeschichte,

politische Geschichte, Religionsgeschichte,

Geistesgeschichte, Wirtschaftsgeschichte

... über die

kollektive Bewusstseinslage in den

frühen 1920er Jahren erfahren wir

z.B. aus den Bildern von Otto Dix

oder George Grosz genauso so viel

wie aus der Anschauung alter

Wochenschau-filme, und die gesellschaftliche

Aufbruchstimmung

in den späten 1960er und frühen

1970er Jahren ist auch in den

Kunstströmungen jener Zeit

spürbar, Happening, Fluxus, Arte

povera, Pop Art, Land Art, Ars multiplicata

... die „wilde Malerei“ der

1980er Jahre spiegelt das Lebensgefühl

der hedonistischen „Zeitgeist“-Generation

wider, die Florian

Illies als die „Generation Golf“

beschrieben hat.

Februar 2016

Bär aktuell. Nr. 196

blogkarljosefbaer.kallnbach.de

22. März 2016

Oettinger lebt noch. „Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde

ich mich heute Nacht noch erschießen“, hatte der EU-Kommissar Günther

Oettinger vollmundig angekündigt und damit eine eindeutige und nachvollziehbare

Ablehnung der Flintenweiber in der AfD erkennen lassen. Dazu

muss man als Hintergrundinformation aber auch wissen, wie „Focus“ berichtete:

Unlängst wurde Oettingers Porträt in die Galerie der Ministerpräsidenten

des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. „Links oben auf

dem Bild der Künstlerin Anke Doberauer befindet sich ausgerechnet ein

gemaltes Einschussloch. Oettinger deutet es als 'Zeichen der Verletzlichkeit'.

Er nennt das Gemälde 'Tatort Baden-Württemberg'“.

Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Dormagen liegt im römisch besiedelten,

mithin im zivilisierten Teil des Rheinlands; doch an der S-Bahn-

Station informiert ein Schild darüber, dass die öffentliche Toilette „wegen

Vandalismusschäden geschlossen“ sei, und weitere Schilder im Straßenraum

verkünden unter dem Slogan „Sauberhaftes Dormagen“, sollte es jemand

wagen, auf der Straße seine Notdurft zu verrichten, werde dies bei

Hund oder Herrchen mit einer Geldbuße von 25 Euro geahndet. Das Aufregendste

an Dormagen ist ansonsten ein Straßenschild mit der Beschriftung

„Haberlandstraße“, das daran erinnert, dass es drüben auf der

anderen Rheinseite im germanischen Barbarenland, nämlich in der sibirischen

Grenzstadt Leverkusen, mal ein Ulrich-Haberland-Stadion gab, dessen

Nachfolgerbau aber heute nur noch den schnöden und orthografisch

fragwürdigen Namen „BayArena“ trägt. Ulrich Haberland, der einstige Vorstand

der Bayer AG, wurde Jahre nach seinem Ableben als Namenspatron

nämlich herabgestuft, denn nach ihm ist in Leverkusen heute nur noch die

Spielstätte der Jugendmannschaft benannt und in Dormagen auf der anderen

Rheinseite immerhin noch eine ganze Straße im Bahnhofsviertel.

Während die Stadt Leverkusen baulich auch sonst eher an die triste nordkoreanische

Metropole Pjöngjang gemahnt, hält Dormagens Vorort Zons

am Rhein erfolgreich mit seiner anheimelnden mittelalterlichen Stadtmauer

und mit einer putzigen romantischen holländischen Windmühle dagegen,

wobei bekanntlich woanders reichlich gestaltungsarme moderne Windkraftanlagen

nach dem gleichen physikalischen Prinzip zu einer unsäglichen ästhetischen

Verspargelung und damit uniformistischen Nordkoreanisierung

der Landschaft führen. Der „Gasthof Stadt Zons“ bietet eine „Currywurst aus

Wildschwein“ an, hatte aber am Schalttag des 29. Februar 2016 geschlossen,

genauso wie schon erwähnt die Bahnhofstoilette an der S-Bahn-

Station Dormagen, was Herrn Bär abends hungrig nach Köln zurück kehren

und ihn an der sittengeschichtlichen Nachhaltigkeit der römischen Latrinenkultur

im lateinisch geprägten Teil des Abendlandes zweifeln ließ. Dass

eben dort in Köln die einstige Hauptkampfbahn des ehrwürdigen Müngersdorfer

Stadions ebenso schnöde und jegliche sporthistorische Tradition

missachtend nach einem Stromkonzern umbenannt wurde, möge in Leverkusen

den Nachfahren Ulrichs Haberlands zum Trost gereichen. Wenn man

nicht gerade aussieht wie ein Vandale, der den Verdacht erweckt, das Klo

noch mehr zu verwüsten, kann man dem Kioskbesitzer am Bahnhof auch

50 Cent in die Hand drücken, und er schließt dann als protagonistische

Speerspitze der Kampagne „Sauberhaftes Dormagen“ gnädig die ansonsten

verschlossene Toilettentür auf, damit man sich nicht für 25 Euro Geldstrafe

auf dem Bürgersteig erleichtern muss. Lohnt sich also eine Bildungsreise

nach Dormagen und Zons? Aber immer.

© Raap/Bär 2016

39


Jürgen Raap

Künstlerische

Individualität

Künstlerische Individualität als

Selbstäusserung begreifen zu wollen,

beruht auf einem europäischen

Blick auf das Schreiben oder

Kunstmachen: die Schönschrift war

früher auch in Europa eine Normschrift,

die in den Schulen eingeübt

wurde und auch als Kanzleischrift

in den Kontoren keinerlei individuelle

ästhetische Abweichung zuließ.

Allerdings tauchte schon 1622

eine erste Abhandlung über Graphologie

auf, verfasst von einem

italienischen Arzt namens Camillo

Baldi, um aus der Handschrift Rückschlüsse

auf den Charakter des

Schreibers erzielen zu können.

Aber dabei geht es auch nicht um

Individualität, sondern um ein Verfahren,

wie sie die Psychodiagnostik

anwendet, d.h. ein Repertoire

bestimmter Schriftmerkmale wird

nach dem Prinzip der Analogiebildung

auf bestimmte Charaktereigenschaften

projiziert und dann

aussagenlogisch in einem Syllogismus

verallgemeinert: alle Schreiber,

die in ihrer Handschrift eine

bestimmte Ausdrucksgestalt erkennen

lassen, haben denselben Charakterzug.

Es ist im Grunde

genommen ein deduktives Verfahren,

nach dem man in den Naturwissenschaften

Axiome definiert.

Überträgt man ein solches Prinzip

auf die Kunstgeschichte, dann lässt

sich eine bestimmte Formensprache

als kubistisch oder expressionistisch

einordnen, aber es sagt

nichts über den Persönlichkeitsstil

aus, durch den sich ein kubistisches

Werk von Georges Braque von

einem Werk Picassos in diesem

Formstil unterscheidet.

Bis zur Aufhebung des Zunftzwangs

Ende des 18. Jh. gab es auch in

Europa keine Kunst, bei der die individuelle

Selbstäusserung des

Künstlers im Vordergrund stand.

Dass wir Rembrandt als Individualkünstler

begreifen, ist eine Projektion

auf das Künstlerdasein im

17. Jh. aus heutiger Sicht: Künstler

hatten in den Malergilden den

Zunftregeln zu folgen, was vor

allem auch die handwerklichen Rezepturen

einschloss, und der ästhetische

Charakter des Werks war

durch die Auftraggeber definiert –

Herrscherbildnisse wurden zumeist

geschönt und überhöht im Sinne

der Selbstwahrnehmung des Herrschers,

und Porträts daher eben

nicht so gemalt, wie der Künstler

sein Modell sah, und bei der Sakralkunst

waren durch die kirchliche

Obrigkeit die Motive bis ins

kleinste Detail vorgegeben (welche

Symbole und Attribute z.B. den

Aposteln zuzuordnen sind, welche

Szenen ein Passionszyklus wiedergeben

musste, dass die Madonna

immer ein rotes Kleid und einen

blauen Mantel tragen musste etc.),

und diese Vorgaben waren theologisch

und kirchenpolitisch begründet.

Erstaunlicherweise wurden im Barockzeitalter

Kunstwerke zumeist

anonym gehandelt: in den Besitzverzeichnissen

und Nachlassinventaren,

die uns aus dem 17. Jh.

überliefert sind, tauchen gerade

mal bei 10 bis 15 Prozent der Posten

Zuschreibungen an einen konkreten

Künstler auf. Namen wie

Rembrandt und Rubens, Frans Hals

und Antonis van Dyck kannte und

schätzte man zwar damals schon,

aber die überwiegende Mehrheit

der Maler, die an Aufträgen für ein

Kaufmannsporträt arbeitete, hatte

keinen größeren Bekanntheitsgrad

als heute etwa ein Hochzeitsfotograf

in Ehrenfeld in Relation zu berühmten

Fotokünstlern wie

Andreas Gursky.

Erst im 18. Jh. begann man in stärkerem

Maße, die Kunstproduktion

bestimmten Meistern und ihren

Schülern zuzuschreiben. Und zugleich

begann man auch, den

Marktwert nach der kulturellen Bedeutung

der Gattungen einzuteilen:

höchste Wertschätzung genoss die

Historienmalerei. An Stillleben und

Genrebildern mit Alltagsszenen erfreute

sich zwar das gemeine Volk,

doch die kulturell tonangebenden

Schichten, die in ihren Palästen Bildergalerien

einrichteten, sahen

diese Gattungen als eher zweitrangig

oder gar minderwertig an.

Erst mit der Romantik nach 1800

setzt sich – parallel zur Einführung

der Gewerbefreiheit zunächst in

Preußen 1810, dann auch in anderen

deutschen Ländern – eine neue

Auffassung von der Rolle des

Künstlers durch, der sich von den

alten Zunftregeln befreit hatte. Als

handgenialer Maler schafft der

Maler nun Werke als Antipode zur

Massenfabrikation der Manufakturen

und Industriebetriebe – die

Idee vom Künstlerindividualismus

war und ist also anti-industriell orientiert.

Erst Andy Warhol kehrte in

den 1960er Jahren dieses Prinzip

um, indem er sein New Yorker Studio

als „Factory“ begriff und von

seinen Assistenten dort Siebdrucke

in Massenauflage herstellen ließ.

Der europäische Künstlerindividualismus

lässt auch ein hohes Maß an

Narzismus bzw. an monomanischer

Attitüde zu, was manchen asiatischen

Kulturen wohl eher fremd

ist, da es dort soziologisch in erster

Linie um eine Harmonie in der

Gruppe und nicht um Selbstäusserung

und Selbstverwirklichung

geht. Deswegen hat auch das Imitieren

und Kopieren in China kulturell

und ethisch einen anderen

Stellenwert als bei uns, wo sich

künstlerische Individualität durch

die Einzigartigkeit und Einmaligkeit

einer Bildidee und deren formalstilistische

Umsetzung in einem persönlichen

Duktus definiert – ein

chinesischer Kopist könnte meine

Bilder „originalgetreu“ nach malen,

aber er weiß nichts von den biografischen

Hintergründen, auf

denen sich meine Ikonografie aufbaut,

und wenn der Fälscher Wolfgang

Beltracchi behauptet, er hätte

Max Ernst-Bilder gemalt, die Max

Ernst auch selber hätte malen können,

wenn er 100 Jahre später gelebt

hätte, dann ist das Unsinn,

weil sich Beltracchi hier eben nur

auf den formalen Umgang mit

Farbe beruft, aber nicht auf die individuellen

Lebensumstände, die

einen Künstler zu seinen Bildinhalten

inspirieren: ein Bild wie „Die

Jungfrau verhaut das Jesuskind ...“

konnte in den 1920er Jahren eben

nur aus der damaligen Zeitstimmung

heraus entstehen, die sehr

stark durch einen Katholizismus geprägt

war, wie ihn Max Ernst in

jungen Jahren hier im Rheinland

ganz konkret erlebt hatte, und als

Max Ernst dann in Paris der Surrealistengruppe

um André Breton angehörte,

war ein solcher

Anti-Klerikalismus Teil der gemeinsamen

Überzeugungen und einer

rebellischen, gar revolutionären

Grundhaltung (es gibt eine Anekdote,

wie André Breton sich mit

René Magritte verkrachte, weil Breton

sich darüber mokierte, dass

Magrittes Frau ein Goldkettchen

mit Kreuz um den Hals trug).

Das Einüben des Shodo hatte in

Japan wohl immer auch eine bildungspolitische

Komponente, so

wie bei uns früher wohl auch die

Schulpädagogik das Schönschreiben

als Beitrag zur Charakterformung

begriff – ich denke, das

Einüben von Disziplin als Sekundärtugend

spielt hier vielleicht in beiden

Kulturen eine Rolle (im

heutigen deutschen Schulalltag allerdings

kaum noch, wenn man

Schulklassen lärmend durchs Museum

toben sieht). Beim Shodo

geht es wohl prinzipiell nicht um

eine Interpretation der Schriftzeichencharaktere,

der Pinselduktus,

die Dynamik des Schreibens (oder

auch, wenn moderne Kalligrafen

ihre Kunst ins Aktionistische erweitern

und als Performance aufführen,

wie ich es vor ein paar Jahren

bei einer Vernissage im Kunsthaus

Rhenania erlebte) focussiert sich

immer in einer produktorientierten

Weise auf eine ästhetische Norm

im Sinne eines Ideals der Vollkommenheit,

der aktionistische Prozess,

d.h. das prozesshafte Erlebnis

beim Schreiben, ist dem nicht untergeordnet,

sondern inhärenter

Teil (im Sinne des freilich von irgendwelchen

alternativ-kulturellen

esoterischen Zauseln mittlerweile

arg strapazierten „Der Weg ist das

Ziel“-Gedankens).

Die jüngere Kunstgeschichte in

Japan hat sich nach 1945 radikal

gegenüber der westlichen Kultur

geöffnet – als die japanische Gutai-

Gruppe 1954 erstmals an die Öffentlichkeit

trat und 1958 ihre erste

große Ausstellung mit internationaler

Beachtung hatte, begriff man

diese Happenings, Material- und

Körperaktionen als östliche Antwort

auf den amerikanischen abstrakten

Expressionismus – dessen Urvater

übrigens Max Ernst ist, der um

1945 die Dripping-Technik in seiner

Malerei einsetzte, d.h. Farbe tropft

aus einer hin und her schwingenden

Dose nach dem Zufallsprinzip

auf die Leinwand und bildet kurvige

Linien im Verlauf der

Schwünge – eine Technik, die dann

kurze Zeit später der junge Jackson

Pollock in sein Action Painting

übernahm und performativ ausweitete.

Aber für Max Ernst war es

immer noch ein Spiel mit dem Zufall

im Sinne des Surrealismus. Die

informelle Rakel-Technik von K.O.

Götz hat zwar auch einen intuitiven

Charakter, ist aber gleichzeitig doch

viel kalkulierter in der Ausführung,

als man vom Ergebnis her glauben

mag.

Die Geschichte der chinesischen –

und womöglich auch japanischen –

Kalligrafie weist aber schon im

Laufe ihrer Entwicklung ein

Ausbrechen aus einer rein handwerklichen

Anonymität auf, je mehr

sie als Kunstform begriffen wurde,

da gibt es wohl bei der Niederschrift

von Gedichten das Prinzip

einer ästhetischen Einheit von

Schrift und literarischer Aussage,

d.h. die dichterische Eigenart findet

ihren analogen kalligrafischen Ausdruck,

und da hat Schrift durchaus

auch Züge von Individualität, aber

doch sehr weit von einem modernen

expressiv-gestischen Sinne

entfernt – der Kalligraf negiert niemals

die Regeln und Normen seiner

Kunst zugunsten eines völlig

freien Ausdrucks in jenem Maße,

wie wir das aus dem malerischen

Aktionismus des 20. Jh. kennen. Da

sich die Malerei in der Zeit der Romantik

und der frühen Moderne

eben aus einer anti-industriellen

Haltung heraus entwickelte, konnte

sie später auch als ein Forum der

individuellen Emanzipation und der

Befreiung eingesetzt werden – das

Unbewusste frei zulegen und dafür

den normativ-kulturellen Überbau

als Über-ich im Sinne Sigmund

Freuds wegzuschaufeln, wie es A.

Breton propagierte, kommt einem

klassischen Shodo-Künstler aber

wohl nicht in den Sinn.

… bliebe zum Thema

Künstlerindividualismus ein Hinweis

auf den „Linkshegelianer“

Ludwig Feuerbach nachzutragen,

dessen Religionskritik insofern

einen Individualismus als Gegenmodell

propagiert, was in Zeiten

des Vormärz und der 1848er Revolution

als emanzipatorisch zu begreifen

ist, als Feuerbach nicht nur

Religion als theologisches Konstrukt

kritisiert, sondern auch politisch

eine Befreiung aus der Bevormundung

der Kirche einfordert.

Den Künstler und seine Aufgabenstellung

meint er zwar ausdrücklich

nicht, wenn er die Zusammenhänge

zwischen dem Wesen des

Menschen und der Willensfreiheit

erörtert, aber Feuerbachs Thesen

implizieren dennoch, dass künstlerische

Freiheit im Sinne von

Willensfreiheit nur aufgrund einer

individuellen Entscheidung bei der

Bilderfindung wirksam werden

kann: ich allein entscheide aus

meinem Willen heraus, was ich

künstlerisch mit einer Leinwand

oder einem Blatt Papier anstelle.

Und aus dieser Umsetzung seines

Willens erreicht der Künstler eine

individuelle (besser: individualistische)

Bildsprache. In diesem Sinne

hat (Künstler)individualismus eine

40


Maurycy Brunon Lozinski by Süleymann Kayaalp

existenzielle Dimension, die weit

über das rein Formalstilistische hinausreicht:

dass Joseph Beuys

immer mit Filzhut herumlief, bei

Baselitz alle Bildmotive auf dem

Kopf stehen und Horst Antes nur

Kopffüßler malt, ist nicht etwa Ausdruck

von Individualität, sondern

Markenzeichen im Sinne von Marken-Branding,

d.h. Signatur, im

Grunde genommen also nur Marketing-Gag

(was in all der Hohlheit

und Albernheit von Jonathan

Meese auf die Spitze getrieben

wird). Überträgt man diesen Feuerbachschen

Ansatz nun auf die

Shodo-Kalligrafie, stellt sich die

grundsätzliche Frage: inwieweit ist

diese normativ vorgegebene

Schönschrift in ihren Nuancen einer

individuellen Ausprägung ästhetischer

wie psychologisch verstehbarer

Ausdruck von Identität? Wie

definiert man persönliche Identität

(jenseits dessen, was die Pass- und

Visumgesetze umschreiben) in

Japan kulturell und soziologisch

und wie in Europa, und wie wirkt

sich das auf die (traditionelle)

Kunst aus? – In diesem Zusammenhang

finde ich es sehr interessant,

wie die aus Japan stammende

Künstlerin Leiko Ikemura, die seit

mehr als 30, 35 Jahren in Europa

lebt, ihre Bildfindung aus einer intellektuellen

Wanderung zwischen

zwei Kulturwelten gewinnt .…

Fundstücke Maurycy Brunon 3. Dezember 2015 „Aufstehen!“

… das Problem eines Verlustes an

Lesbarkeit, wenn die japanische

Shodo-Kalligrafie zu "wild" niedergeschrieben

wird, haben wir ja

auch in der europäischen Kunstgeschichte,

wo seit der technischen

Durchsetzung der Fotografie im Alltag

(also seit der zweiten Hälfte

des 19. Jh.) mit dem Beginn und

dem sukzessiven Fortschritt der

Moderne die Wiederkennbarkeit

von Objekten oder Figuren in der

Malerei keine Rolle mehr spielt.

Analog zur aufgelösten Lesbarkeit

der „wilden“ Shodo-Schrift haben

wir es ja mit einer Negation der

Abbildfunktion eines Gemäldes mit

fortschreitender Formreduktion von

den Verwischungen im Impressionismus

bis hin zum Informel der

1950er Jahre mit einer ähnlichen

Frage zu tun, wo sich der Expressionismus

auf die Wiedergabe

eines subjektiven Seheindrucks berief

anstelle der Wiedergabe einer

objektiv nachvollziehbaren Darstellung

von Realität wie im Naturalismus,

der um Wahrhaftigkeit

bemüht war und den Künstler auf

eben einen solchen Wahrheitsbegriff

verpflichtete. Wahr = richtig,

und falsch ist das Gegenteil, sowohl

im Sinne von „unwahr“ als

auch im Sinne der Normverletzung

beim Schreibfehler. Wie kann man

Shodo heute also in individualisierender

Weise schreiben? Wohl nur

in einem sehr sensiblen und sehr

virtuosen Ausbalancieren von Regelbefolgung,

d.h. Befolgung der

(auch rituellen) Tradition, und

gleichzeitiger Regelverletzung.

Was für die (abstrakte) Malerei

eine Ablehnung der Mimisis bedeutet,

müsste sich dann analog

dazu auch im Shodo ausloten lassen.

Und da fängt das künstlerische

Abenteuer, mit allem Streben

nach ästhetischem Gelingen und

mit allen Gefahren des Scheiterns

an, wenn man dieses Ziel nicht erreicht,

weil die Balance zwischen

(handwerklicher und im Shodo

wohl auch spiritueller) Regelbefolgung

und eruptiver, gestischer Regelverletzung

nicht richtig

funktioniert, und man das selber

sehr genau spürt, wenn man das

Gefühl hat, dass die Arbeit trotz

aller Mühe „nichts geworden“, d.h.

misslungen ist, weil sie zu verkrampft

ist oder handwerklich

missraten ist – das passiert aber

jedem Künstler immer wieder ...

Welches Verhältnis haben die Europäer

zur Norm und Normierung,

und welches die Japaner? Wie hat

sich das auf die (historische)

Kunst(entwicklung) in diesen Kulturräumen

ausgewirkt ? Anomalie

bedeutet Abweichung von der

Norm, aber wo fängt in der Anomalie

auch eine Individualität an,

d.h. Einzigartigkeit im Anderssein

und nur im Anderssein? Shodo und

Uniformität ... Inwieweit lässt ein

gesellschaftliches und kulturelles

System Abweichungen aus der

Norm zu, in Japan wie in Europa?

Lässt sich die Frage nach der Möglichkeit

individueller Ausprägung in

der Kalligrafie also eher kultursoziologisch

beantworten, d.h. in

Bezug auf unterschiedlichen kulturellen

Einstellungen zur gesellschaftlichen

Uniformität?

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3

Martin Peulen, Buchprojekt 2015, Kleine französische Bibel. Aquarellfarbe. Seiten 1 bis 60 (von 84).

„Ich liebe es zu arbeiten in Bücher. Seite nach Seite ensteht eine Geschichte verbindung aber Frei“

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43


44

Martin Peulen 2015

Zeichnung 1984.


Martin Peulen (1955) zoekt als kunstenaar en als mens grenzen op en wil

deze als het even kan ook verleggen. Hij bedient zich daarbij van een breed

scala aan uitingsvormen. Hij schildert, tekent, maakt kunstenaarsboeken,

geeft performances, zingt en maakt muziek. In Breda is hij een bekende

persoonlijkheid.

„Verbinding en ontmoeting zijn altijd terugkerende thema’s, of ik nu

schilder, boeken maak, perform of zing.“

Answers. 1: Ja, Ja. 2: sometimes. 3: No. 4: Yes. 5: Yes: Pollock, Eva Hesse, Fluxus, Zero, Steve Reich. 6 + 7: Vegetarian. Home sweet.

And sometimes somewhere. 8: Modern classical minimal music, japanese: Somei Sato.

In het werk van Martin Peulen loopt de mens als rode draad. De mens in al zijn verschijningsvormen, uitgewerkt op verschillende manieren. De ene keer als abstracte vorm of een enkele lijn,

dan weer in zich herhalende ritmische patronen van mensfiguren. Zijn werken onderscheiden zich door kleur en vitaliteit.

"Schilderen is voor mij de pure uiting van licht, vreugde, liefde, vitaliteit en levenskracht."

Release. 190 x 210 cm

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Ilske

Emil

Gevatter

Fremde

Krysztof

Mädchen

Nataly und Barbara

Katharina

fotografiert von Guda Koster

Shahin und Selly

und Jungs

Freunde, Förderer, Galeristen, Kollektivisten, Künstler, Fremde, Gäste – zusammen ergibt es einen Sinn.

Wie geben und nehmen, essen und trinken, hören und sehen usw. gestern, heute, morgen ... wird fortgesetzt

...

Regina

Georg

Harald

Andrea

Mila

Klaus

Datti

Jörg Maria

Catherine Andreas

deutscher

Renate

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Fundstücke

Maurycy Brunon

15. September 2015

Sie verfolgen mich

auf Trittbrettern

durch das Grün hinter ihren Ohren

vorbei an den Neurosen

wo sich Haltsmaultiere und Neidhammel paaren

legen sie ihre Bärenfallen aus.

Doch ich locke sie den Bach runter

auf dem Stockenten wie Treibholz schwimmen

aber scheiß drauf, denn Stock im Arsch gibt ja auch Halt.

Sie verfolgen mich mit ihrem Kaspartheater

und wollen, dass ich mit ihnen spiele

aber meine Hand ist zu schade für ihren Arsch.

Das ärgert sie wie Bolle.

Diese Lumpen; ich trage lieber Chincilla.

Denn das passt ja euren fetten Weibern nicht

ich habe die leichten Mädchen.

Denn meinen Größenwahn misst man nicht mit Mittelmaß.

Peter

Peggy Klick

Klaus

böser Onkel

Gudrun

Gefahr

Ahoi

Natta

Jutta

Buddha

Björn

Jungs

Che

Sabine

Jupp

das ist der Martin

Je suis Charlie andere Maria

Dirk Catherine

– enfin –

Dietmar

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es ist weiterhin möglich,

creoden bei mir zu tauschen, nur ...

der andrang ist sehr groß – es kann

also dauern!

wert gegen wert

– kunstdaueraktion

begonnen im oktober 2010

„der wert einer sache oder

einer handlung ist grundsätzlich

subjektiv".

die von mir geplante aktion

hat ein nicht absehbares ende.

ab oktober 2010 können bei mir

„creoden“ mit eigenen,

selbstbestimmten motiven

bestellt werden.

bis zum gegenwärtigen zeitpunkt

habe ich über 50 creoden

getauscht. über 50 menschen

haben eine oder mehrere

getauscht. geplant ist eine

ausstellung mit allen creoden zu

einem riesenpuzzle.

bodo

WZ SAMSTAG, 7. AUGUST 2010

Bildhauer stellt die

Preis-Frage: Welchen

Wert hat die Kunst?

TAUSCHGESCHÄFT

Bodo Berheide wagt ein Experiment:

Wer ein Kunstwerk bestellt,

kann selbst entscheiden,

was er im Gegenzug gibt.

Von Martina Thöne

„Geistesblitze kann man immer

gebrauchen“, sagt Bodo Berheide.

Recht hat er. Dabei hat der Bildhauer

nicht nur blitzschnell einen

passenden Komentar parat, wenn

er – alles andere als oberflächlich –

den tieferen Sinn seiner Kunstwerke

erklärt.

Der Wuppertaler hat auch gleich

mehrere Motive im Angebot.

Neben dem Blitz, der die ersten

Prototypen seiner sogenannten

Creoden ziert, gibt es eine kleine

tierische Auswahl an weiteren

Stempel-Aufdrucken: Schildkröte

und Wal stehen bereits in den

Startlöchern.

„ Jeder, der eine Creode bestellt,

kann auch eigene Motive vorschlagen“,

verspricht Berheide. Der

Künstler hat just ein neues Projekt

gestartet – mit bislang drei Motiven:

Blitz, Schildkröte und Wal.

Ein Geben und Nehmen im

Namen der Kunst

Dass ein Bildhauer Abnehmer für

seine Werke sucht, liegt in der

Natur der Sache. Ungewöhnlich

wird die Aktion allerdings dadurch,

dass Berheide eine recht eigene

Vorstellung davon hat, was ihm

sein neues Projekt einbringen soll.

Ein Kunstwerk aus Zeitungspapier:

Bodo Berheide hat eine neue

Leidenschaft entdeckt. Er stellt

neuerdings sogenannte Creoden

her, die an Puzzle-Teile erinnern.

Er erwartet einen ganz besonderen

Gegenwert: kein Geld, sondern

„eine Einladung zum Abendessen,

ein selbstverfasstes Gedicht oder

einen freundlichen Augenblick“.

Das höfliche Angebot, sich geschmackvoll

oder poetisch für eine

Creode bedanken zu können, hat

einen guten Grund: „Es wird immer

so viel über den Marktwert von

Kunstwerken geredet. Wie viel hat

ein Picasso eingebracht, was ist ein

Beuys wert? Ich möchte etwas dagegensetzen“,

erklärt Berheide.

Der Name ist deshalb Programm:

„Wertgegenwert“ heisst das Projekt,

mit dem der Bildhauer nun

ein Zeichen setzen möchte. „Kunst

hat immer etwas mit Dialog zu

tun“, betont Berheide. „Als Gegenwert

freue ich mich auf etwas, das

beim Besteller einen gewissen eigenen

Wert darstellt“. Ein Glas

Honig etwa – oder doch lieber

Geld?

Wer ein Puzzle-Teil haben

möchte, kann mit einem Essen

bezahlen

Berheide überlässt die Entscheidung

denjenigen, die sich seine

Creoden bald an die Wand nageln

können. Dass sie an Puzzle-Teile

erinnert, ist kein Zufall. „Ich beschäftige

mich schon eine geraume

Zeit mit der Figur eines Puzzles. An

jedem Puzzle gibt es sechs Enden,

die ich Synapsen nenne. Sie verkörpern

die sechs Sinne, die im Wesentlichen

das menschliche Gehirn

und das Denken entwickelt haben

– und es weiter entwickeln werden“.

Wer Berheides Äußerungen wie

Puzzle-Teile zusammensetzt, ahnt

daher schnell, dass ein großes Ganzes

dahinter steckt. Der Bildhauer

möchte „den existierenden Wertbegriff

überprüfen“ und die These,

dass alles im Leben förmlich zusammenhängt,

mit dem passenden

Material untermauern:

Grundlage seines Projektes ist Zeitungspapier,

das er schreddert, in

Wasser ziehen lässt und in eine

Holzform gibt. Am Ende drückt er

dem Ganzen einen Stempel auf – in

Form von Schildkröte, Wal oder

Blitz.

Die pfiffige Idee scheint sich auszuzahlen:

Die ersten Aufträge sind

schon eingetrudelt. Bekannte

„bezahlen“ mit einem Abendessen,

Künstler-Kollegen mit eigenen Werken.

Befristet ist das Tauschgeschäft

nicht – es soll ein

Langzeit-Projekt werden. „Mal

sehen, was passiert“, sagt

Berheide. „Ich bin gespannt“.

Vor allem darauf, welche Geistesblitze

die Interessenten haben.

Ungewöhnliche Kunstaktionen

FIGURA MGICA „Wertgegenwert“ ist

nicht die erste ungewöhnliche

Kunstaktion, mit der Bodo Berheide

auf sich aufmerksam gemacht hat.

Zuletzt sorgte er mit seiner Figura

Magica für Furore. Die Skulptur

reiste jahrelang durch die Welt und

liegt nun auf dem Platz an der

Kluse.

CREODEN Die Puzzle-Figuren haben

die Maße 43 x 30 x 2 Zentimeter.

Wer eine Creode bestellen möchte,

kann sich bei Bodo Berheide unter

Tel. 526332 melden. Nähere Informationen

zum Künstler gibt es im

Netz unter www.bberheide.de

-

Fangstücke, 20.05.2015 – 08:08. Klaus Hansohm Vereinsmitbegründer

48


Lebensmittelstrategien

Fundstücke, 2013

Maurycy, Kellertür

Obergrünewalder Straße 7

Fundstücke, 2012

Helmut Magel: „Heute ganz ergriffen in Hölderlins Zimmer gesessen.“

Sammelstücke,

Ein Gruß aus Driewegen

Wolfgang Schmitz

eine von unzähligen

Zeichnungen

Erinnerungsstücke,

2014

Brigitte Hansohm

Schatzmeisterin des Kollektivs

tanzt im

Seniorentanztheater

Wuppertal

„Wenn Du willst, was Du noch

nie gehabt hast, dann tu, was

Du auch nie getan hast!“

49


Fundstücke 2014, Mogens Otto Nielsen Ameisenstapel

Fundstücke 2014, Sylvie Hauptvogel Kissen

50


Fundstücke ab 1999, Renate Löbbecke Konfigurationen nach Exkrementen

51


SCHLAFSTOERUNG

Fundstücke,

2015

Dietmar Wehr

Kartoffel?

OCH, STRAFLESUNG

ROLFS TUCHSAGEN

FALSCHE ORGUNST

ROST FACHLESUNG

FLUG SACHSENTOR

ACHSELS GRUFT – NO !

ROSTFAELSCHUNG

ORGEL, SCHAF – TUNS

LEST FROSCHAUGN

FLUGS ACHSEN ROT

GOCHS LERNFAUST

STUR GOLFSACHEN

GARTENFUSSLOCH

LOREN SAGT FUCHS

SUCHN TAGS LOFER

GLUTEN, SCHORF, AS

GROSCHENFALUST

Mitch Heinrich

1./6.01.2008

52


53


Wir sind

eine Gemeinschaft von

Künstlern und kunstinteressierten

Menschen.

Wir haben uns freiwillig

zusammengefunden.

Wir arbeiten nach Lust und

Notwendigkeit.

Unser Haus

schafft Gelegenheit

zur Auseinandersetzung und

Begegnung mit den

verschiedensten künstlerischen

Ausdrucksformen

der Gegenwart.

Über diese Kunst hinaus

sind wir neugierig auf Menschen,

die in anderen

gesellschaftlichen Bereichen

kreativ und lebendig

arbeiten.

Die Probleme,

denen wir heute auf dieser Erde

gegenüberstehen,

erfordern eine Sichtweise,

die die Enge

des traditionellen Kunstbegriffs

überwindet.

Das Kollektiv 1987

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das Kollektiv 2016

54


Joseph Beuys, Wuppertal 1984

55


56


Ute Klophaus

* 10. Februar 1940 in Wuppertal,

† 6. Dezember 2010 ebenda.

Der Nachlass der Künstlerin mit rund

15.000 Schwarz-Weiß-Abzügen und etwa 52.000 Foto-Negativen wird

von der Stiftung Moyland bewahrt.

„... und fuhr über die Grenze. Es lag Schnee und es war bitterkalt.“

aus „Herbstreise nach Košice“, Ute Klophaus 1989

57


58

Königswinter, Ute Klophaus 1986


„Herbstreise nach Košice“, Ute Klophaus 1989

59


„... betöre mich, heilige Welt der Töne: pups, rülps, kotz, würg, brech, plädder.“ – die Vögel waren schon immer da –

Peter KlasZen’s Kammermusik. Angekündigte oder überfallmäßige Konzert und Improvisationen:

„Zuhause“ bei Danos Papadopoulos, Maria Wischermann, Charles Petersohn, Ilka und Jörg Winter,

Martin und Annette Gadatsch (die ich leider nicht antraf – deshalb eine Improvisation „für die

Vögel“ in ihrem Garten) ...

1992

Tänzerische Bewegungen

führen den Pinsel

Nanny de Ruig:

Von der Hölderlin-Sängerin

zur Malerin

Nanny de Ruig zeigt Malerei im

Atelier- und Galerie-Kollektiv. ...

Nanny de Ruig erlangte als

Sängerin der psychedelischen

Rockgruppe Hölderlin, die neben

Amon Düül und Kraan zu den

bekanntesten deutschen Rockgruppen

gehörte, schon einige

Berühmtheit. ... Nanny de Ruig

studierte Kunst an der Königlichen

Akademie von den Haag und an

der Werkkunstschule Wuppertal.

Sie betrieb Kunst, Tanz und Musik

als Allround-Präsentation und ist

als Malerin vor allem seit den

80er Jahren tätig.

Der Einbeziehung gestischer,

tänzerischer Mittel in die Malerei

gibt Nanny de Ruig in ihren Bildern

Ausdruck. Der malerische Gestus ist

stets von der ganzen Bewegung

des Körpers bestimmt. Ihre Malereien

erhalten dadurch eine bestimmte

Bandbreite, wie sie der

tänzerische Mensch erschließt, der

den Raum erobert, in dem er sich

kunstvoll bewegt. Die Malerin

Nanny de Ruig bewegt sich auf

der Schwelle zur gegenstandslosen

Malerei.

Hi8 stills ... bei Jörg und Ilka

Claus van Bebber

60

Thomas Illmaier WZ, 7. April 1992

Danos Papadopoulos

Maler, Designer und Kollektivist der Berliner

Straße, lebt wieder in Griechenland


„‘t klinkt mij, alsof een koor van stemmen op mysterieuse wijze uit de diepte opstijgt“

KINGHAT

Die Band arbeitete von 1979

bis 1992 im Atelier- und Galerie-

Kollektiv unter den verschiedensten

Namen, Besetzungen und mit

unterschiedlicher Ausrichtung.

So um 1988 herum hatte sich die

Stoßrichtung herauskristallisiert

und die endgültige Besetzung

stand.

Kollektive Kompositionen,

eigene Stilbildung, sinnvolle Musik,

wesentliche Texte.

Nach vielen Konzerten, kleinen

Tourneen, zwei Schallplatten,

einem Video usw. wurde die

Band aufgelöst.

Gu D. RUN: vocals, lyrix

Christian Pförtner: rimxhots

Peter Florian: zebraguitar

Michael Pollmann: la guitarra

Peter Klassen: basement, lyrix

KINGHAT: offensiv, lebendig,

riskant. PSYCHOFUNK. Absolut.

Es grooved, es faked, es röhrt,

es penetriert.

KINGHAT: THE CONCERTS

Der Boden ist festgestampft mit

SCHUBIDUAAH. Wir stehen Starrheit

und Trägheit gegenüber. Wir haben

das Bedürfnis nach Freundschaft,

Aussprache, Anfeuerung. Wir wollen

die Welt nicht in Einsamkeit

und Abgeschiedenheit erleben.

Wir werden durch mutige Versuche

neue Möglichkeiten erproben.

Die Trommeln werden sprechen,

die Trommeln vertreiben die Trockenheit.

Wir feiern Götzenfeste,

tragen böse Tiermasken, tanzen

mit Menschenknochen, mit Euren

Schenkeln. Singen, schreien, mit

den Füßen stampfen, uns auf die

Brust schlagen, den Kopf gegen

die Mauern schmettern. Dies ist ein

Grenzfall. A ROYAL PERFORMANCE

BETWEEN THE WARS. KINGHAT,

1989: YOU’VE GOT NOTHING TO

LOOSE BUT YOUR HAT.

wenn einmal die musik schweigt, so hört sich alles tanzen auf ...

„Die Kunst des Abgangs.“

„Könige werden gestürzt oder danken ab. Sinnbild ihrer Macht ist die Krone. Zackiger Hut der Königinnen und

Könige. Hoheitszeichen der Mächtigen. Wenige beherrschen den Abgang.

Die Band KINGHAT gibt jetzt den Hut ab, hinterlässt aber ein Vermächtnis,

das sich sehen lassen kann; „Sacré Coeur“. Eine LP mit elf Stücken, nicht

von der Gold-. Perlen-, Edelstein-Seite des Lebens, sondern mit Zacken,

Ecken und Kanten. ... ... Savoir mourir. Die Kunst, Dinge zur rechten Zeit

beenden zu können. Manch Mächtiger lässt diese Fähigkeit vermissen.

KINGHAT gibt es nicht mehr, aber eine sehr gute LP. Und dass man von

den einzelnen Mitgliedern der Band

nichts mehr hören wird, ist unwahrscheinlich,

denn:

... wenn einmal die Musik schweigt, so hört sich alles Tanzen auf ...“.

Thomas Mau, 1992, in den WupperNachrichten (auch abgegangen).

61


Sisters.

Music by KINGHAT,

Words by Gu D Run ...

Little sister, down by the river.

Ain't got no mercy,

ain`t got no pain.

And I ask: Why did she do it, why

did you treat them that way.

She awnswered: only thing I know

is they could no longer stay.

I was so disappointed she said and

the way he fucked his typewriter

was driving me oh so mad.

I was oh – so disappointed you

know and the way he closed the

door was hurting me so.

Ship arriving too late.

Accidents in the street

one after another

no one a victim, no one your

brother / stars in the sky counting

by numbers /

if you know one of them

you know them all.

Ship arriving too late.

I was so disappointed to see and

the way he washed his hands

was driving me so mad /

drowning lovers one after another

/ each one believing he got a

lucky fate / each one believing he

was ment to be her soulmate /

drowning lovers in sea of love

deep down and above / all those

carnations on the sea /

countless by numbers /

I ain't got no numbers /

I ain't got no numbers ...

62


miles davis

smila dives

midas lives

dim is slave

vilem is sad

diva smiles

Mitch Heinrich

31.12.07

63


54


Kalli Thiele und

Sabine Oldenburg

Fotografien

Einladungskarte 1987

Fundstück aus einem Nachlass

Open-ended – Or the Attempt to Become a Loop

Sketch for a text on the artistic methods of Sabine Bokelberg

Remain in constant flux. Open-ended. In this way keeping art, keeing

painting dynamic for oneself and the viewer. Experiment. Alienate

relentlessly. Uncover extremes. Surprise yourself. Establish stabilityin

instability. Eradicate boundaries. Liquefy the self, liquefy authorship?

....

(Barbara Buchmaier, 2015)

Installationview, Studio, 2015

65


66

Rob de Vrij Jacques-Louis David


Rob de Vrij, Hollywood

In den 80-er Jahren war ich im

MOMA in New York, stöberte im

Buchladen und las ein Zitat das mir

im Nachhinein so wichtig war, so

Richtung weisend, dass ich immer

bedauert habe das Büchlein nicht

gekauft zu haben.

Jetzt, dank Internet, konnte ich es

aufspüren: in dem 1976 geführten

Interview mit Jan Dawson;

abgedruckt in:

>Wim Wenders. By Jan Dawson/

translated by Carla Wartenberg<

(New York 1982).

„For a film-maker, Vermeer is the

only painter there is. He`s really the

only one who gives you the idea

that his paintings could start

moving. He’d be the ultimate

cameraman, the ultimate topnotch

cameraman.“

Die Leute in Vermeers Bilder sind

nicht porträtiert, aber Darsteller,

mit Kostümen und regissierter

Haltung in einem Bühnenbild mit

Requisiten. Das Licht ist wohl überlegt.

Man könnte sogar reden von

„Kameraführung“ im subjektiven

Betrachterstandpunkt, weil Blickrichtung

und Horizont (=Augenhöhe

vom Betrachter) gut gewählt

sind. Sogar die Blickwinkel, die

Vermeer benutzt stimmen überein

mit den 35, 55 und 90 mm Objektiven

so wie wir sie kennen.

Vermeer arbeitete tatsächlich

schon wie ein Regisseur, der alles

vor der Kamera, aber auch mit der

Kamera bestimmt.

Rob de Vrij Berthe Morisot

67


Rob de Vrij

... man lebt nur einmal, und

das ist zufällig jetzt.

"How accidental our existences are,

really, and how full of influence by

circumstance."

L. Kahn, american architect,

1901–1974

Von 1981–1989 war ich an der

Hochschule in Nijmegen (NL)

Dozent für Malerei. Dies entspricht

in Deutschland einer Professur für

Malerei. Diese Hochschule war für

damalige Verhältnisse im Bereich

der Neuen Medien außerordentlich

gut ausgestattet und so arbeitete

ich, parallel zu meiner Lehrtätigkeit,

in den Bereichen Fotografie, Video

und Film. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen

wurde mir bewusst,

dass diese Disziplinen ebenso wie

Skulptur, Architektur, Theater und

die traditionelle Malerei deshalb

verwandt sind, weil in jeder von

ihnen die Kombination von Licht,

Raum und Farbe eine grundsätzliche

Rolle spielt.

Geprägt durch die daraus resultierende

Erkenntnisse begann ich

neben meiner abstrakten Malerei

mit der gegenständlichen Tradition

zu experimentieren. Das führte

schließlich zu meinem Projekt

„Johannes Vermeer“ (1993–1998).

In seinen Inszenierungen sehe ich

eine große Nähe zu unseren,

von modernen Medien geprägten

Sehgewohnheiten. Seine bildkompositorischen

Fähigkeiten, seine

Licht- und Farbführung thematisierte

ich, indem ich entsprechende

Bildausschnitte als Vorlage für

meine Malerei auswählte.

Diese Vorgehensweise eröffnete

mir ein Spektrum zwischen

abstrakter, gegenständlicher und

Materienmalerei.

In dem Folgeprojekt „Draperien“

(an dem ich seit 1998 arbeite) habe

ich meine malerischen Untersuchungen

auf mehrere Epochen,

Länder und Meister ausgeweitet.

Mein Anliegen ist es, die Bilder der

alten Meister als Darstellung der

Wahrnehmung der sichtbaren

Wirklichkeit zu interpretieren und

auf den unterschiedlichen

Umgang mit Licht und Farbe hin

zu untersuchen. Dafür wähle ich

Faltenwürfe aus, anhand derer

ich bestimmte Stilaspekte isoliere:

Vorlieben für Farben und Farbkombinationen,

Lichtverhältnisse

und Schattierung von Farbe,

Handschrift und Gestik.

Meine konzeptuelle Beschäftigung

mit der Kunstgeschichte soll aber

nicht verstanden werden als Zurück

zur traditionellen Malerei: denn die

Auseinandersetzung mit der

Darstellung des Sehens ist auch

relevant für die Entwicklung der

neuen Medien. Als solches bleibt

Malerei ein Medium der Erkenntnis

mit künstlerischen Impulsen für

die Gegenwart.

68


10 Fragen an Rob de Vrij

Du bist in den Niederlanden

aufgewachsen, hast viele Jahre in

Wuppertal gelebt und gearbeitet,

dann in Amsterdam und Berlin,

jetzt in Hollywood. Bist Du immer

noch auf der Suche?

Immer suchen wir etwas, das wir

gar nicht verloren haben und

finden etwas, das wir gar nicht

gesucht haben …

(Brigitte Fuchs)

Seit Deinem Studium an der Akademie

arbeitest Du unaufhörlich an

Deiner Malerei. Bist Du auch ein

anerkannter Künstler? Und kannst

Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?

At a party given by a billionaire

on Shelter Island, the late Kurt

Vonnegut informs his pal, the author

Joseph Heller, that their host,

a hedge fund manager, had made

more money in a single day than

Heller had earned from his wildly

popular novel Catch 22 over its

whole history. Heller responds,

“Yes, but I have something he

will never have . . . Enough.”

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidende

Rolle? Bist Du im

„Geschäft“?

There is no dignity quite so

impressive, and no independence

quite so important, as living

within your means.

(Calvin Coolidge)

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Wenn es eine Freude ist, das Gute

zu genießen, so ist es eine größere,

das Bessere zu empfinden, und in

der Kunst ist das Beste gut genug.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Kunst wird erst dann interessant,

wenn wir vor irgend etwas stehen,

das wir nicht gleich restlos erklären

können.

(Christof Schlingensief)

Kunst muß anstößig sein; sie muss

Denkanstöße geben.

(Henri Nannen)

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen in

der Kunstgeschichte?

Sobald der Geist auf ein Ziel

gerichtet ist, kommt ihm vieles

entgegen.

(Johann Wolfgang von Goethe)

Sind Deine Arbeiten politisch?

Kunstwerke sind phänomenal,

historisch, unwirksam, praktisch

folgenlos. Das ist ihre Größe.

(Gottfried Benn)

Politik ist die Kunst, von den

Reichen das Geld und von den

Armen die Stimmen zu erhalten,

beides unter dem Vorwand, die

einen vor den anderen schützen

zu wollen.

(Unbekannter Autor)

There is only one form of political

strategy in which I have any confidence,

and that is to try to do the

right thing and sometimes be able

to succeed.

(Calvin Coolidge)

Gehst Du zum Essen gerne aus

oder findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause? Was ist

Dein Lieblingsgericht?

Essen gut, alles gut.

(Werbespruch Knorr)

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

The sound of music being played,

is really the greatness of the

human being.

(Wayne Shorter)

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Especially fun are the endless

scenes of crucifixion, sorrow, and

war, plus all of the furniture you

can’t touch.

(Anonyme Reaktion

auf Getty Museum Umfrage:

Sind Museen auch lustig?)

If the picture speaks to me, if it

tells me something about myself,

then I want it.

(Norton Simon)

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Kunst ist nicht ein Spiegel, den

man der Wirklichkeit vorhält,

sondern ein Hammer, um sie zu

formen.

(Bertolt Brecht)

In meinen Augen hat Kunst niemals,

in einem realen Sinn, den Verlauf

menschlicher Angelegenheiten verändert.

(Clement Greenberg)

The point is, art never stopped a war

and never got anybody a job. That

was never its function.

Art cannot change events. But it can

change people. It can affect people

so that they are changed …

because people are changed by art –

enriched, ennobled, encouraged –

they then act in a way that may

affect the course of events ... by the

way they vote, they behave, the

way they think.

(Leonard Bernstein)

Wir haben die Kunst, damit wir nicht

an der Wirklichkeit untergehen.

(Friedrich Wilhelm Nietzsche)

69


bodo berheides figura magica

figura magica und der erweiterte

kunstbegriff von joseph beuys

von 1972 bis 1977 studierte ich

bildhauerei an der kunstkademie in

düsseldorf bei joseph beuys in der

sogenannten beuysklasse.

während dieser zeit wurde ich mit

der sozialen skulptur und dem sozialen

organismus von joseph

beuys konfrontiert. so habe ich gelernt,

die menschliche gesellschaft

sowie auch unsere welt als einen

lebendigen organismus zu sehen.

das heisst, dass das zusammenspiel

von naturstoffen und naturkräften

unserer welt ähnlich

funktioniert wie der menschliche

organismus mit seinem wärmeund

kälteprinzip, seinen kreisläufen

und rhythmen, seiner intelligenz

(körper/wille, seele/empfindung,

geist/vernunft/intuition).

seit 1977 entstehen arbeiten mit

zeichnungen, skulpturen, objekten

und performances. thematisiert

werden schwerpunktmäßig natur

und umwelt, wirtschaftlichkeit und

solidarität. im selben jahr beginne

ich mit ausstellungen im in- und

ausland.

seit 1992 sind es überwiegend objektähnliche

arbeiten aus holz und

metall, sowie stempel mit figurationen

und texten. häufig sind es

geprägte objekte aus wiederverarbeitetem

zeitungspapier. ich lebe

und arbeite in wuppertal. das fertige

kunstwerk hat bei mir einen

untergeordneten stellenwert, es

hat lediglich tagebuchcharakter

und stellt eine etappe zum nächsten,

weiteren dar.

genau so wichtig sind mir aber die

arbeitsvorgänge zwischen dem

entstandenen kunstwerk, dort wo

die künstlerische interaktion mit

kollegen und anderen menschen

stattfindet. in diesen zwischen-räumen

findet die kollektive kreative

transformation statt.

im jahr 1987 begann ich mit einem

neuen projekt. ich begann zeichnungen

einer skulptur anzufertigen

– später bekam sie den namen figura

magica.

1988 wurde der guss der

figura magica realität.

die skulptur ist aus gusseisen, in

der form eines überdimensionalen

hufeisenmagneten. sie wiegt sechs

tonnen und ist fünf meter lang.

nach der fertigstellung der figura

magica im jahr 1988 erreichte sie

zunächst die königshöhe

in

wuppertal.

3 jahre später,

im jahr 1991,

begann die

weltreise der figura

magica,

um ihre „magische

aufladung“

zu bekommen.

das goethe-institut

in dublin

gab anlässlich

der ernennung

dublins zur kulturhauptstadt

europas 1991

grünes licht für

die erste reiseetappe.

darauf folgten, jeweils im

zweijahresrhythmus, die stationen

1993 montreal/kanada. hier fand

ich zeichen für die 4 elemente und

andere symbole.

1995 bethany/usa. diese reise

wurde von catherine und dirk

schlingmann organisiert.

1997 reiste sie nach matagalpa/nicaragua.

1999 nach santiago de chile/chile.

um mitternacht auf das jahr 2000

haben catherine, dirk, susanne und

ich eine performance in der nähe

der figura magica gemacht, titel:

„amistades traer paz“ (freundschaften

bringen frieden).

2001 ging’s dann weiter nach sydney,

australien. die skulptur war

bestandteil der ausstellung

„sculpture by the sea“. später

wurde sie in der „campelltown art

galerie“ in sydney ausgestellt.

die nächste etappe 2003 wurde

ohmishima/japan, dort habe ich in

der „ostasiatischen gesellschaft“ in

tokyo eine ausstellung mit zeichnungen

zur figura magica gemacht.

2005 folgte ein ausstellung im

„museum of modern art“ in ohmishima.

sie war ein teil des kulturprojektes,

„deutschland in japan“,

projektiert vom land nrw.

2005 ging die reise weiter nach

negombo/sri lanka.

2007 nach lomé/togo, von wo aus

die figura im herbst 2009 zurück

nach wuppertal gereist ist.

die reise der skulptur und ihre

„magische aufladung

wahrscheinlich hat jeder künstler

den wunsch, dass sein kunstwerk

von möglichst vielen menschen, in

vielen ländern und kulturen wahrgenommen

wird. die figura magica

zeigt auf unseren planeten erde.

entsprechend ihrer form, als überdimensionaler

hufeisenmagnet,

verweist sie direkt auf das magnetische

feld, das durch die drehung

der erde und den dynamoeffekt

des schweren, glühenden, metallenen,

sich schneller mitdrehenden

erdkerns entsteht. dieses magnetische

feld liegt wie ein schutzschild

um unseren globus. die fünf meter

lange und sechs tonnen schwere

gusseisenskulptur zeigt auf etwas

hin, das uns alle betrifft: auf die

erde. aber nicht nur durch ihre

form deutet sie auf die mitte unseres

planeten – auch durch ihr material

(gusseisen) bezieht sie sich auf

den ort, an dem die seele der erde

zu finden ist.

ich möchte das tiefe verhältnis aufzeigen,

das zwischen den menschen,

den naturkräften und

unserer erde

besteht, und

welches im begriff

ist, zu verkümmern.

wir

müssen lernen,

schützend und

kreativ die welt

zu gestalten,

mit vernunft

und wirtschaftlich

für den erhalt

der

artenvielfalt

und der ökologischen

verhältnisse

sorgen. wir

müssen das

gestalten unserer

umwelt als

ein ästhetisches prinzip verstehen –

mit verantwortung, nachhaltigkeit

und ausdauer.

2009 die figura magica erreicht

ihre letzte station vor dem ehemaligen

schauspielhaus

in wuppertal

auf ihrer reise traf die

figura magica auf viele

unterschiedliche menschen,

landschaften

und kulturen, so ist die

skulptur nun ein imaginationsträger

geworden

und löst durch die vorstellungskraft

jedes einzelnen

auf sie

treffenden menschen

die gesammelten eindrücke

ihrer langen

reise nachvollziehbar

aus.

die skulptur

schafft konditionen

zu einer intuitiven

und

kreativen wahrnehmung,

die

notwendig sein

wird, um mit

neuen, vor

allem kreativen

ideen, eine positive

wirklichkeit

zu gestalten.

sie wurde sehr oft fälschlicherweise

als eine „soziale skulptur“

bezeichnet, was natürlich im sinne

von joseph beuys nicht stimmt.

was ich aber hoffe ist, dass sie ein

kleiner beitrag sein kann, beuys

entsprechend, in unsere gesellschaft,

die ja als die „soziale skulptur“

gemeint ist, hineinzuwirken.

vorläufig letzter höhepunkt des

projektes war 2010 die große

kunstausstellung in der stadtsparkasse

wuppertal. ich hatte das

glück, neun künstlerinnen und

künstler aus den figura-reiseländer

für eine woche nach wuppertal

einladen zu können. sie kamen aus

den usa, aus nicaragua, chile,

japan, sri lanka und togo. parallel

dazu erschien das buch „figura magica:

den kreis geschlossen“ über

das gesamtprojekt. der film „die

reise der figura magica“ von volker

hoffmann hatte dort premiere.

im jahr 2013 gab es noch einmal

für 100 Tage in der galerie Kunstkomplex

Ausstellungen von insgesamt

22 Künstlern aus 10 Ländern.

Mit dabei sind u. a. Bernhard Lüthi

und Alejandra Ruddoff. dazu hielt

bodo an jedem der 100 Tage einen

Vortrag über die lange Reise seiner

Skulptur.

unterstützt wurde dieses projekt

vom land nordrhein westfalen, der

stadt wuppertal, der stadtsparkasse

wuppertal, der sparkassen-kulturstiftung

rheinland, den goetheinstituten

in dublin, montreal,

santiage de chile, sydney ud in

lome, dem bethany college in west

virginia, den stadtverwaltungen

von omishima und matagalpa,

sowie von 162 privatpersonen.

dafür möchte ich mich herzlich

bedanken

70


... nimmt sie

eine Mittlerstellung ein

in der kosmologischen Dreiheit

von Himmel,

bewohnbahrer Erde

und der Unterwelt,

dem Erdinnern.

als Gedanken-bindendes und

Gedanken-erzeugendes Objekt

zieht sie

die geistige Substanz an

und verweist so

auf die Polarität

Erde/Kosmos,

Materie/Geist ...

Ilske Konnertz

Stadtbibliothek Wuppertal.

Zeichnungen von Bodo Berheide und Harald

Wolff. Eine Performance von Mitsuru Sasaki

und Jennifer Blose

Omishima, Japan. 2003

Montreal, Canada 1993

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Alejandra Ruddoff Transkription einer Leere · 2009 · alerce und laurel · 210 x 210 x 13 cm

100 Tage Kunstreise

im Kunstkomplex

2010, Wuppertal. Von links nach rechts: Tetsuya Hasegawa – Wakayama, Japan; Folly Koumouganh – Lomé, Togo; Jullissa Moncada Lopez – Matagalpa, Nicaragua; Pablo Pupiro – Matagalpa, Nicaragua;

bodo berheide; David John Mega – Wheeling, West Virginia, USA; Alejandra Ruddoff, Santiago, Chile; Dominic Sansoni – Columbo, Sri Lanka; Shuzo Azuchi Gulliver – Tokyo, Japan;

Catherine Schlingmann – Richmond, Kentucky, USA

29. April 2012 WZ

Von Julia Perkowski

Bodo Berheide und seine

„100 Tage Kunstreise“.

Anja und Holger Schmidt sowie

Bodo Berheide und Nicole Bardohl

starteten das Projekt in der Galerie

Kunstkomplex, Hofaue 54.

Wuppertal. 18 Jahre lang zog die

Figura Magica, die fünf Meter lange

und sechs Tonnen schwere Skulptur

von Bodo Berheide, von Wuppertal

aus durch die Welt. Zwei Jahre lang

weilte sie jeweils auf allen

Kontinenten und kam 2009, nach

langer Reise, wieder nach Wuppertal

zurück.

Ihr zu Ehren haben sich Berheide

und Nicole Bardohl vom Kunstkomplex

an der Hofaue zusammengetan

und würdigen die Figura

Magica mit dem Projekt

„100 Tage Kunstreise“.

Kunst aus Togo trifft

Arbeiten aus Köln

In 100 Tagen werden zehn Ausstellungen

von 22 Künstlern aus den

jeweiligen Ländern, die die Figura

Magica bereist hat, eröffnet. Sie

repräsentieren das jeweilige Land,

die dortige Kultur, und Künstler,

die ihresgleichen suchen. Neben

Bildern werden auch kleinere Bildhauerarbeiten

und Skulpturen im

Kunstkomplex ausgestellt.

Darunter sind Arbeiten von

Alejandra Ruddoff und Stephan

Kimmerl. Den Beginn machten

Folly Koumouganh aus Togo und

Anja und Holger Schmidt, die

vorwiegend in Köln arbeiten.

Die Künstler stellten in den ersten

zehn Ausstellungstagen Fotografien

aus. Masken ziehen sich wie ein

roter Faden sowohl durch die Bilder

von Koumouganh als auch bei

Schmidt – unterschiedlich

interpretiert. Gerade das macht

für Anja Schmidt das besondere

aus: „Die Kontraste sind sehr stark,

aber das haben wir bewusst so

gewählt.“

Gegensätze sollen hellhörig

machen

Neben den klassischen, landeskulturellen

Masken des Künstlers

aus Togo wirken die Masken der

deutschen Künstler auf ein

Besucherpaar „aggressiv und

provozierend“. Doch der Gegensatz

ist gewollt und soll auch in den

olgenden Ausstellungen die

Besucher zum genauen Betrachten

der Kunstwerke anregen.

Neben den Ausstellungen bietet

Bodo Berheide an jedem der

100 Tage um 18 Uhr einen

Diavortrag über die Reise

der Figura Magica an.

mit: Folly Koumouganh

Anja u. Holger Schmidt

Tetsuya Hasegawa

Azuchi Gulliver

André Chi Sing Yuen

Alejandra Ruddoff

Sala Seddiki

Catherine Schlingmann

Davi John Mega

Steven Hautemaniére

Stephan Kimmerl

Dominic Sansoni

Frank Hinrichs

Pablo Pupiro

Sabine Kreiter

Georg Westerholz

Zahra Hassanabadi

Erika Koch

Bernhard Lüthi

Andy Benger

Bodo Berheide

Andreas Steffens

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Omishima, Japan. 2003

Eine japanische Hochzeitsgesellschaft erlaubt ein Foto

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Wolfgang Stiller. "3some" – 2010. Material: Holz. Kunststoff, Gouachefarbe, je 150 x 120 x 28 cm


Das wirkte wie eine Beschwörung lebendiger Geister und Gedanken.

El Lokos Performance „Requiem für einen Hasen“ im Barmer Atelierkollektiv

1950 in Pedakonje/Togo geboren, lebt der Maler El Loko seit Anfang der siebziger Jahre in der Bundesrepublik – „auf fremden Boden,

der fremden Weisheit entgegen“, wie er seinen Beitrag zur VHS-Ausstellung („Das Fremde und das Eigene“) vor einem Jahr überschrieb.

Ein Stück dieser Weisheit hat Joseph Beuys für ihn verkörpert, einer seiner Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie. Und

auf ihn berief er sich jetzt im Barmer Atelier- und Galerie-Kollektiv, wo er die Performance „Requiem für einen Hasen“ zeigte.

Eine Totenfeier aber war die

knapp einstündige Aktion so

wenig wie eine Totenklage. Weit

eher eine Beschwörung lebendiger

Geister und Gedanken – des

einen vornehmlich, dass Kunst

„soziale Plastik“ sei, die sich, im

Kopf konzipiert, im Verhalten zeigen

und mitteilen müsse.

Und so ist auch die Hasenaktion,

im Kölner „Kunstraum“ begonnen,

auch auf ihre Fortsetzung in mehreren

Stationen angelegt, zielt auf

Verbreitung, Vermittlung, Verständigung

über die Fremdheitsgrenzen

hinweg.

Denn für El Loko ist das Beuyssche

Konzept und sein Friedenssymbol

des Hasen mehr als ein Stück

Kunstgeschichte. Für ihn bedeutet

es eine Art Verpflichtung, eine

Erbschaft, die es weiterzugeben

und ins eigene Werk zu integrieren

gilt.

Der Mut, den die anschließende

Diskussion El Loko bescheinigte,

ist ihm in der Tat nicht abzusprechen

– denn Mut gehört schon

dazu, ein großes Vorbild so wörtlich

zu zitieren, ohne befürchten

zu müssen, dass die eigene,

künstlerische Arbeit unter Beuysaspekten

betrachtet wird.

Mit vierzehn Bildern (aus Sand,

Papier, Nessel, Pigmenten auf Filz

und Nessel) belegen dies Eigene

jetzt relativ ausführlich, wenn

auch nur kurz bis zum 22. Dezember.

Sie belegen ein Denken, in

figürlichen Symbolen (Vogel,

Stierkopf, Kreuz, sitzende,

stürzende Figur), das seine

Herkunft aus afrikanischen Traditionen

nirgenwo verleugnet,

gleichwohl aber für europäische

Augen unmittelbar verständlich

wird – möglicherweise, „auf

fremden Boden“ entstanden,

auch nur für sie.

Peter Klassen. „Überleben.“ 60 Aluminium-Offsetdruckplatten. 2015. Format 60,5 x 73,5 cm

Christian Müller, WZ 1996

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1991 Michael Seeling

Steinspannungen

„Steinspannungen“ war der Titel

Michael Seelings erster Einzel-

Ausstellung im Atelier- und Galerie-

Kollektiv in Wuppertal mit Skulpturen,

die mit den inneren Kräften

des Steins arbeiteten. Er zeigte mit

dieser „tensionalen Steinbildhauerei“

1) eine Flexibilität und Dynamik

des klassischen Materials Stein auf,

die man aus der Alltagserfahrung

heraus niemals für möglich gehalten

hätte.

2014 hast Du Deine „Gold-Pieces“

im Museum gegenstandsfreier

Kunst in Otterndorf ausgestellt, in

diesem Jahr zusammen mit Nicola

Schrudde eine Ausstellung im

Neuen Kunstverein ausgerichtet.

Michael, ist die Welt der Kunst in

Ordnung? Haben die Spannungen

sich aufgelöst?

Die Welt der Kunst war, ein Glück,

noch nie in Ordnung und die Spannungen

lösen sich hoffentlich nie

auf denn wir arbeiten mit allen

Kräften daran, sie zu aufzulösen

und gleichzeitig zu erschaffen.

10 Fragen an

Michael Seeling

Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder

oder Skulpturen in der

Kunstgeschichte?

Die Arbeit 7000 Eichen von Joseph

Beuys zur documenta 7 1982 in

Kassel ist für mich noch immer

sehr beeindruckend.

Du hast einmal unter Protest über

die Ausstellungsbedingungen ein

Werk aus der Jahresschau des von

der Heydt-Museums entfernt. Sollten

Künstler öfter mal nicht mit

allem einverstanden sein, was

ihnen Museen und Galerien anbieten?

Ja, wenn es geboten ist, wenn die

eigene Arbeit korrumpiert wird.

Du hast 1993 den Volker-Hinniger-

Preis der Stadt Bamberg verliehen

bekommen, 1996 den Kunstpreis

der Stadtsparkasse Wuppertal. Man

findet Deine Arbeiten in Museen

und Du wirst von Galerien vertreten,

also bist Du ein anerkannter

Künstler. Arbeitest Du unter allerfeinsten

Bedingungen? Und kannst

Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?

Oder macht Kunst nur glücklich?

Die Bedingungen unter denen

Kunst entsteht sind sehr selten

optimal und gerade deswegen

wieder optimal. Ich denke jeder

schafft sich seine eigenen Bedingungen

und macht die Kunst, die

er hervorbringen kann und will.

Vor dem Studium der freien Kunst

an der Gesamthochschule Kassel

hast Du eine Lehre als Steinmetz

und Steinbildhauer absolviert. Bist

Du dadurch auf dem Boden geblieben?

Nein, ich bin nur handwerklich

etwas geschickter geworden.

Heute gibt es hier in Wuppertal einige

Orte, an denen Kunst gezeigt

und gemacht wird, oder beides.

Wo kann man Dich schon mal antreffen?

Im Neuen Wuppertaler Kunstverein

z.B. Dort habe ich gerade eine Ausstellung

... Da ich viel unterwegs

bin, müsste man sich schon mit mit

mir verabreden, z.B. in meinem

Atelier, im Neuen Wuppertaler

Kunstverein ...

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Die ganze Kunst wird doch von Kollegen

gemacht und wenn ich mich

für Kunst nicht begeistern könnte,

wenn sie mich nicht beruḧrte, was

sollte ich dann mit ihr?

Gehst Du zum Essen öfter aus oder

findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause? Was ist Dein Lieblingsgericht?

Da wir gerade März haben würde

ich sagen Skrei mit Grünkohl und

das steht wohl eher nicht auf den

Speisekarten.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Von Claudio Monteverdi, Morton

Feldman, John Cage und der

Gruppe Värttinä.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung

war ...

Besonders angetan war ich von

Agnes Martin in der Kunstsammlung

NRW

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Ja, Kunstgeschichte.

1) Thomas Wallraf in „Michael Seeling: Tensionale

Steinbildhauerei“, Wikipedia

Artikel über Michael Seeling

76


Installation im Neuen Kunstverein Wuppertal. Kakteenpflanzung I 2016, Lebende Kakteen, mixed Media. 3 Zeichnungen (v.l.n.r.): Matrix Opuntia ficus indica 2016; Matrix Popocatepetl 2015; Matrix Mexican Crime Scene I 2015, alle Bleistift auf Papier

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Pflanzungen

In der Werkgruppe

der Pflanzungen

findet in Analogie zu den Goldpieces

wiederum eine Transformation

zum skulpturalen Artefakt statt.

Ausgangspunkt dieser Verwandlung

ist jedoch nicht ein

funktional-technisches Konstrukt,

sondern der lebendige

Naturgegenstand

(Kaktee).

In den Pflanzungen ereignen sich

die Kakteen

als autonome Skulpturen,

die dem Betrachter gleichberechtigt

gegenüberstehen,

indem sie ihm nahezu

auf Augenhöhe

präsentiert werden.

Natürlicherweise kommen Kakteen

nur auf dem

amerikanischen Kontinent vor.

Durch ihre Verpflanzung,

Züchtung,

botanische Katalogisierung

oder

Domestizierung

werden sie

zu Zeugen europäischer

Aneignungsstrategien.

Goldpieces

Bei den Goldpieces

werden in der Kombination

der beiden extrem gegensätzlichen

Materialien Gold und Styropor

die Logiken von Warenund

Wertesystemen

miteinander konfrontiert.

Wobei der Künstler in der jeweiligen

Ambivalenz der Materialien ihre

Gemeinsamkeit ausmacht.

Die Goldpieces sind Skulpturen,

die aus Styroporformteilen

(Transportverpackungen für fragile Güter

des Massenkonsums) bestehen.

Diese von der Industrie nur nach

zweckmäßigen, nicht nach

ästhetischen Gesichtspunkten

konstruierten Körper werden durch

den Künstler im ironischen Zugriff

mit größter Akribie vergoldet.

„Der Bildhauer

ordnet und belebt den Raum,

gibt ihm Bedeutung.

Ordnung und Bedeutung

müssen nach meiner Meinung

unserer Zeit und

ihrem besonderen Geist

entsprechen.“

– Isamu Noguchi

Goldpiece 344-421GRAMS, 2010

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Matrikulare Zeichnungen

Die matrikularen Zeichnungen zeigen,

aus einer gewissen Distanz betrachtet,

Abbildungen konkreter Phänomene.

Gegenstände der Zeichnungen sind:

Pflanzenporträts (Kakteen aus der Sammlung

des Künstlers), Supernovae (nach Fotografien

von Weltraumteleskopen und als Ursprung des

Elements Gold) sowie Goldminen und

Straflager (als Orte der Goldgewinnung und

Ausbeutung von Mensch und Natur).

Aus der Nähe gesehen, offenbaren die

Zeichnungen die tabellarische Struktur einer

Matrix. Bildträger ist unbedrucktes

Zeichenpapier, in dessen gedachte Rasterung

(als wäre es kariertes Rechenpapier) mittels

Bleistift Schraffuren mit einem Neigungswinkel

von 45° gezeichnet werden.

Durch Verwendung verschiedener

Bleistiftstärken wird die Helligkeitsabstufung

der Grauwerte zwischen den einzelnen

Schraffuren (Bildpunkten) variiert.

Die geneigten Schraffuren entsprechen dem

Gestus des Schreibens, aber auch die

fortgesetzte punktuelle Einwirkung des Meißels

auf den Stein kann mit ihnen assoziiert

werden.

Die Konzeptualität der matrikularen

Zeichnungen beziehungsweise ihr

Abstraktionsgrad wird noch forciert, wenn sie

als Gegenstand den Satzspiegel

wissenschaftlicher oder journalistischer Texte

abbilden, die wiederum den Themenkreisen

Kakteenkunde, Gold, Astronomie,

Imperialismus etc. entstammen. Wobei weder

aus nächster Nähe noch aus größerer

Entfernung die zugrunde liegenden Artikel

»gelesen« werden können. Die angewandte

Zeichentechnik der schraffierten Rasterung

fokussiert sich ganz auf die proportionale, die

rein visuelle Darstellung der abgebildeten

Satzspiegel. Evoziert wird ein Eindruck der

Texte, den ein Betrachter mit äußerst

unscharfem Blick gewinnen würde oder wie

ihn jemand hätte, der die besitzergreifende

Kulturtechnik des Lesens gar nicht besäße.

In Kombination mit den Goldpieces und

Pflanzungen entstehen über die einzelnen

Arbeiten hinausgreifende Bezugssysteme.

Diese Beziehungsgeflechte sind sowohl

räumlicher wie thematischer Art. Bei neueren

Zeichnungen lösen sich die Themen

zunehmend von denen der Skulpturen und

Pflanzungen, und werden auf eine Vielzahl

anderer Sujets ausgeweitet. Die matrikularen

Zeichnungen nehmen dann auf struktureller,

ästhetischer und sinnlicher Ebene Bezug auf

die skulpturalen Objekte.

Matrix Insekten-Nebel NGC 2440, 2007, Bleistift auf Papier

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Literatur: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Joseph Weizenbaum, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft – 1978


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Julie Anne Stanzak

Geboren in den USA,

seit 1986 Tanztheater Wuppertal

Pina Bausch

Julie Anne Stanzak tanzte in:

IPHIGENIE AUF TAURIS

ORPHEUS UND EURYDIKE

DAS FRÜHLINGSOPFER

DIE SIEBEN TODSÜNDEN

BLAUBART –

BEIM ANHÖREN EINER TONBANDAUFNAHME

VON BELA BARTOKS „HERZOG BLAUBARTS BURG“

ER NIMMT SIE AN DER HAND UND FÜHRT SIE IN

DAS SCHLOSS, DIE ANDEREN FOLGEN...

KOMM TANZ MIT MIR

KONTAKTHOF

ARIEN

KEUSCHHEITSLEGENDE

1980 – EIN STÜCK VON PINA BAUSCH

BANDONEON

WALZER

NELKEN

AUF DEM GEBIRGE HAT MAN

EIN GESCHREI GEHÖRT

VIKTOR*

AHNEN*

PALERMO PALERMO

DIE KLAGE DER KAISERIN Film von Pina Bausch*

TANZABEND II*

DAS STÜCK MIT DEM SCHIFF*

EIN TRAUERSPIEL*

DANZÓN

NUR DU*

DER FENSTERPUTZER

MASURCA FOGO

O DIDO

WIESENLAND*

ÁGUA

FÜR DIE KINDER VON GESTERN,

HEUTE UND MORGEN *

NEFÉS

TEN CHI*

VOLLMOND*

‘SWEET MAMBO’*

* Besetzung der Uraufführung

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83


„In unserer Gesellschaft,

die sich für hoch zivilisiert hält,

gibt es Menschen, die

in skrupelloser Weise

die Menschheit und

deren Lebensräume

in Gefahr bringen.

Mögen gerade

die Künstler

in ihren Werken

mehr denn je

ehrlich und unbekümmert

dagegen wirken.“

Dieter Broselge 1987

Shoecontest und Festbankett

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... Ich bringe den Gemüsekorb

wieder nach Wuppertal, den die

Helene Maus bei meiner ersten

Ausstellung in der Luisenstraße

zum Geburtstag mitbrachte, und

ich werde Anderes und neues

mitbringen.

Dann wollen wir zusammen Gemüse

putzen und die Fische und

die Hühner, die heute noch am

Leben sind.

Und ich wünsche, daß es gelingen

wird, gemeinsam daraus die köstlichen

Speisen zu bereiten, die auf

unseren Zungen auch neue Namen

hervorzaubern werden.

Jetzt bitte eine Gedenkminute für

tomas schmit.

„kräht der gockel auf nem

sockel, ist es mist“

Marina Kern

Aus einer Festschrift zum ersten

Oktober 1988 in Wuppertal

Und deshalb feiern wir hier nicht

nur irgendein KunstFest, das mühsam

auf einen bedeutungsschweren

Sockel gehoben werden muß.

Wir holen lieber die wirklichen

Feste herein und stehen selbst im

Mist, aus dem es gärt und wächst.

DEM Gockel bauen wir drum einen

Sockel und setzen eine Gans drauf

und machen die zum Gehilfen des

Zeremonienmeisters: schnattern

oder krähen oder was sonst sie

kann und will, soll sie, wenn

immer einer das öffentliche Wort

ergreift!

... Ein guter Rat der Hildegard von

Bingen soll hier drum nicht fehlen:

„Das Fleisch des Bären ist für den

Menschen nicht gut zu essen, weil

es dem Menschen zur sinnlichen

Gier entflammt. Ähnliches bewirkt

auch Schweinefleisch und auch das

Fleisch mancher anderer Tiere,

aber doch nicht so sehr wie das

Bärenfleisch, das die Sinnlichkeit

des Menschen wie ein Mühlrad

sich wälzen läßt, und der Mensch

bleibt dadurch irgendwie unsauberer

geworden zurück. In Rindern,

die wiederkäuen, kommt die Sinnlichkeit

rasch zur Ruhe.“

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Fundstücke: Rob de Vrij, Realsatire in San Francisco, 2016


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1993 ABDANK

(Das Verschwinden von

W. I. Lenin)

1993 war „ABDANK (Das Verschwinden

von W. I. Lenin) – Malerei

von Dietrich Maus“ die letzte

Ausstellung in den Räumen des

Atelier- und Galerie-Kollektivs.

Lenin wächst aus der Wand und

klebt am Denkmalsockel

Nach den vielen Ausstellungen,

Performances und Veranstaltungen

von 1985 bis 1993 in der Berliner

Straße 39 a war es Zeit für Veränderung.

Im Jahr 2016, 23 Jahre danach,

fand dieses Gespräch mit Dietrich

Maus statt.

Ein Bilderzyklus von Dietrich Maus im Atelier- und Galerie-Kollektiv

„Abdank“ heißt die letzte Ausstellung

des Atelier- und Galerie-Kollektivs,

das seine Räume in der

Berliner Straße aufgeben muss.

Den „Kehraus“ hat der bekannte

Wuppertaler Künstler Dietrich

Maus (kein Mitglied des Kollektivs)

gestaltet mit einem schon lange

geplanten Bilderzyklus „Über das

Verschwinden der Ikone Lenin.“

Die Idee dazu hatte er 1987/88,

als er mit Wuppertaler Kollegen an

einem Künstleraustausch mit dar

damaligen Sowjetunion teilnahm.

Letzter Auslöser war die Besichtigung

einer Aufführung von Alfred

Schnittkes Oper „Leben mit einem

Idioten“ im Barmer Opernhaus.

Die Leitfigur des Kommunismus

und „real existierenden Sozialismus“

wird vielfältig reflektiert.

Demontage „in aller Hochachtung“

betrieben, der Ikone sogar schon

mal eine vergoldete Schlägermütze

zugestanden. Lenin, als Profil

mit einer Schablone auf den

Bildträger aufgetragen, wird zum

Thema einer „Fallstudie“ mit den

künstlerischen Mitteln der Mischtechnik.

Lenin als blutspeiende

Von Frank Scurla, 30. Juni 1993

Figur, als vom Sockel stürzendes

Denkmal, als Zeichnung mit angesengten

und wieder mir Farbe unterlegten

Stellen. Eine kleine

Leninbüste für den Touristengebrauch

wächst als „Alien“ aus der

Wand.

Ein in verschiedenen Rottönungen

gehaltenes abstraktes Wandbild

soll pulsierendes Leben symbolisieren,

das über Ideologien hinweggeht,

lässt aber auch

Assoziationen von fadenscheiniger

„Roter Fahne“ bis „Rotlichtmilieu“

zu.

So ganz scheint Dietrich Maus dem

Frieden dann doch nicht zu trauen,

nämlich, dass Lenin endgültiug auf

dem Abfallhaufen der Gecshichte

gelandet ist .

Die aus der Wand wachsende

Lenin-Geschwulst und ein janusköpfiger

Lenin auf einem Bild verunsichern

den Betrachter doch

gehörig. Wie die religiösen tauchen

manchmal eben auch verschwundene

revolutionäre Ikonen

doch wieder auf und drängen

sogar im „real existierenden Kapitalismus“

in Marktnischen.

„Dietrich, es sind nun ein paar

Jahre vergangen. Du malst immer

noch.

Die Gemälde zum Verschwinden

einer Ikone waren Tafelbilder. In

den 90er Jahren durchaus kritisch

bis misstrauisch betrachtet, haben

sie die ihnen eigene Bedeutung

nicht verloren. Die Zahl ihrer Interpretationen

und Deutungen ist genauso

groß wie die Anzahl ihrer

Betrachter.

Das Kollektiv wollte immer einen

Freiraum für die Kunst bereitstellen,

insbesondere für die Kunst,

die nicht etabliert gehandelt oder

ausgestellt wurde. Das war aber

für uns damals kein Maßstab für

die Qualität der Arbeiten, damals

eher ein Gütesiegel. Denn die Arbeit

der Museen, der Galerien und

des kommerziellen Kunstbetriebs

ist ja oft auch durch die Macht oder

die Verheißung des Geldes geprägt.

Damlas genauso wie heute.

Braucht es heute noch oder wieder

solche Initiativen oder ist die Welt

der Kunst in Ordnung? Eine von

vielen Fragen, die wir uns immer

wieder stellen und die auch Auskunft

darüber über den Erfolg

....

Joseph Beuys hat behauptet „Der

Fehler fängt schon an, wenn sich

einer anschickt Keilrahmen und

Leinwand zu kaufen.“ Hat Dich das

geärgert?

10 Fragen an Dietrich Maus

Deine zuletzt besuchte Ausstellung

war ...

.....

Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder

in der Kunstgeschichte?

.....

Du warst 1989, zusammen mit

Achim Knispel Kurator der Barmer

Biennale „Bezaubernd plagt mich

ein Verwirren ...“. Damals noch

durch das Von der Heydt-Museum

Wuppertal getragen, ist die Jahresschau

in Wuppertal genauso verschwunden

wie die Ikone Lenin.

Findest Du das bedauerlich oder ist

Dir das egal?

.....

Du bist Förderpreis-Träger des Vonder-Heydt-Preises

der Stadt Wuppertal.

Ein toller Preis?

.....

Heute gibt es hier in Wuppertal einige

Orte, an denen Kunst gezeigt

und gemacht wird, oder beides.

Wo kann man Dich schon mal antreffen?

...

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

....

Gehst Du hier in Wuppertal schon

mal aus zum Essen oder findest Du

Deine Lieblingsgerichte eher Zu

hause? Was ist Dein Lieblingsgericht?

....

Welche Musik hast Du zuletzt

gerne gehört?

....

Bist Du mit Deiner Erfahrung des

Lebens zufrieden, eher mild gestimmt

oder ist für Dich etwas

falsch gelaufen?

.....

Sind Künstler Einzelgänger, Egomanen?

.....

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

.....

88


89


Das Wiederauftauchen der Ikone „Engels“,

Wuppertal, Juni 2014

links vor der Enthüllung und rechts Pressetermin

mit dem Künstler Zeng Chenggang.

usw. undsofort

Die überlebensgroße Statue ist ein Werk des

chinesischen Bildhauers Zeng Chenggang.

Der habilitierte Zeng Chenggang ist gleichzeitig

Direktor des chinesischen Skulptureninstituts.

Die Statue hat eine Höhe von 3,85 Metern bei

einer Breite von 1,18 Metern und einer Tiefe

von 1,12 Metern. Mit einem Gewicht von 868

Kilogramm steht sie auf einem etwa 40 cm

hohen Podest. In dem Stahlpodest sind

Inschriften zu finden.

„Geschenk der Volksrepublik China aus Anlass

des Besuchs des stellvertretenden Ministerpräsidenten,

des chinesischen Staatsrats Ma Kai

im Engels-Haus am 28. November 2010.

Ein Werk des Präsidenten des Chinesischen

Instituts für Bildhauerkunst, Professor Zeng

Chenggang, errichtet von der Botschaft der

Volksrepublik China in Berlin am 11. Juni 2014“

„Die Arbeit ist die Quelle alles Reichthums,

sagen die politischen Oekonomen. Sie ist dies –

neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den

sie in Reichthum verwandelt. Aber sie ist noch

unendlich mehr als dies. Sie ist die erste

Grundbedingung alles menschlichen Lebens,

und zwar in einem solchen Grade, dass wir in

gewissem Sinn sagen müssen: sie hat den

Menschen selbst geschaffen.“

Friedrich Engels „Dialektik der Natur“, 1876

Die Statue wurde bewusst mit dem Rücken

dem Engelshaus zugewendet, um den

erwarteten und erhofften Touristen (und

Wirtschaftpartnern) aus China ein Fotomotiv

mit beiden Objekten gleichzeitig zu bieten.

Nur wenige Meter entfernt befindet sich

die Skulptur „Die starke Linke“ des

österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka

(1928–2009).

Platz des „Himmlischen Friedens“, Peking, April 2014. Chinesische Touristen.

„The Gates“, Christo und „The Plaza“. New York 2005

Im Februar 2005 wurden auf den Wegen des Central Park in New York City insgesamt 7503 Tore

aufgestellt, von denen safrangelbe Stoffbahnen herabhingen. Die Tore waren jeweils fünf Meter

hoch und verteilen sich auf eine Gesamtstrecke von 37 Kilometern. Die Kosten für das Projekt

beliefen sich auf 21 Millionen US-Dollar, die vollständig von Christo und Jeanne-Claude durch den

Verkauf von Werken bezahlt wurden. Sie akzeptierten wie bei allen Projekten keinerlei

Sponsorengelder.

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„Wachet und horcht, Ihr Einsamen! Von der Zukunft her kommen Winde mit heimlichem Flügelschlagen und an feine Ohren ergeht gute Botschaft.“

Nietzsche (Zarathustra)

oben:

Valentino in Rome: Ara Pacis Museum 2008

Der römische Senat widmete den Ara Pacis Altar im Jahre 13 v. Chr. Kaiser Augustus.

Der Altar versucht Frieden und Wohlstand als Ergebnis der Pax Romana („Römischer Frieden“)

darzustellen.

unteres Bild:

Peace-piece 18 x 24 cm Peter Klassen

ein Stück Tuch aus Thailand, der Himmel über der figura magica in Montreal und

„phantoms of structures“

„the more colours the more troubles“

ZEN-Turm der Malerei

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Andreas Junge

1959 – 2009

„... alles Lüge ...“

Rio Reiser

Die RAF gab ihre Auflösung am 20. April 1998

mit einem ihrer typischen Schreiben bekannt:

„Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand

in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden

wir das Projekt. Die Stadtguerilla in Form

der RAF ist nun Geschichte.“

Andreas Junge

210 x 297 mm

Tusche auf Papier,

gestempelt, 1996

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aus:

Andreas Junge

89 Zeichnungen

Katalog mit 89 Zeichnungen

aus der Zeit von 1996 – 2002

(abgebildet eins zu eins,

20 x 25 cm) und

9 Textausschnitten aus dem

autobiografischen Buch

„Der Ochse“.

Andreas Junge

DEVIL RESEARCH

210 x 297 mm

Tusche auf Papier,

gestempelt, 1996

93


10 Fragen an Gudrun

Gudrun, einer Deiner Lieblingsfilme

ist TAMPOPO, über die Geheimnisse

der Nudelsuppenzubereitung. Du

hast Dich in der Galerie-Arbeit von

Anfang an für das gemeinsame

Speisen und Feiern starkgemacht.

Bei etlichen Aktionen hast Du auch

die japanische Nudelsuppe für

manchmal 100 Leute zubereitet.

Gehört das in die Welt der Kunst?

Essen hat in der Kunst immer schon

eine große Rolle gespielt: das

Abendmahl von Da Vinci, die

Stilleben der Alten Meister,

Küchenszenen und Tafelrunden, die

EAT-ART als Einheit von Kunst und

Leben, Andy Warhols Campbells Tomato

Soup, Fettecke und Honigpumpe

von Joseph Beuys als

Sinnbild für einen funktionierenden

menschlichen und sozialen Organismus.

Essen, ein Grundbedürfnis

des Menschen. Es gibt die Liaison

von Lebens-mittelproduzenten

und Kunstmäzenatentum: August

Oetker und Peter Ludwig. Köche

werden zu Künstlern: die Einladung

von Ferran Adrià, dem katalanischen

Spitzenkoch zur documenta

12. Essen ist ein Menschen verbindender

fundamentaler Bestandteil

gesellschaftspolitischer Prozesse,

religiöser Riten, Katalysator für

Geselligkeit und Festlichkeit, Kunst

ist Lebensmitel. Im Atelier-und

Galerie-Kollektiv wurde schon

immer gerne gemeinsam gegessen

und getrunken, nicht als Konzept

sondern als Selbstverständlichkeit,

manchmal auch als Performance,

so z.B. die dreitägige Zubereitung

einer chinesischen Hochzeitssuppe

von Marina Kern in den Räumen

der Galerie.

Um die Subjektivität und die

Grenzen der eigenen Wahrnehmung

ging es in der Nordstadt-

Galerie in Deiner Performance

„bewahren“. Viele Jahre lang bist

Du als Sängerin der Band KINGHAT

aufgetreten. Heute arbeitest Du als

Psychologin an vielen Stellen

menschlicher Charakterbildung und

der Ausbildung von Überlebensfähigkeiten

in einer sich rasant

veränderneden Welt. Ist die Welt

der Kunst entrückt?

Nein. Nicht die Kunst oder die

Arbeit der Künstler ist entrückt.

Entrückt ist für mich der

Kunstmarkt aber auch die

Instrumentalisierung von Kunst

als Marketingfaktor oder

Standortvorteil.

Denkst Du, dass Künstler ein

Anrecht auf angemessene

Honorierung ihrer Arbeit haben?

Sollte es Ausstellungshonorare

geben oder produzieren Künstler

einfach etwas, was niemand

bestellt hat?

Nein, wie alle anderen auch sind

die Künstler für sich selbst verantwortlich.

Sie müssen das, was sie

herstellen auch unter den gegebenen

Bedingungen „vermarkten“.

Das ist nicht immer unproblematisch

gilt aber für jeden, der mit

seiner Arbeit Geld verdienen muss.

Auf der anderen Seite halte ich es

für einen öffentlichen Auftrag, eine

Infrastruktur zur Verfügung zu stellen

in der sich Kunst zeigen kann.

Hier fehlt es an allen Ecken und

Enden.

Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder

in der Kunstgeschichte?

Dazu fallen mir ganz viele Bilder

und Situationen ein.

Die documenta 7 hat mich damals

stark beeindruckt, ein aus heutiger

Sicht gigantisches Starangebot:

Konzeptkünstler wie Jenny Holzer,

Jean-Michel Basquiat, Bruce

Nauman, Marcel Broodthaers,

Hermann Nitsch, unter den

Bildhauern Tony Cragg, Barry

Flanagan, Vertreter der Neuen

Wilden: Walter Dahn, Jiri Dokoupil,

Jörg Immendorf, Felix Droese und

ihr italienisches Pendant mit

Sandro Chia, Mimmo Paladino,

Francesco Clemente, Enzo Cucchi

und viele mehr.

Viele Werke, denen ich später an

den unterschiedlichsten Orten wieder

begegnet bin, so z. B. der

unglaublichen Hasenparade von

Barry Flanagan, die wie selbstverständlich

auf dem Mittelstreifen

der Park Avenue in New York stand

– ein unglaublicher Anblick!

Nachhaltig beeindruckt allerdings

hat mich die Honigpumpe von

Joseph Beuys und sein Tagungsraum

der Free International University

(FIU) in dem Beuys ausführlich

mit den Menschen diskutierte.

Joseph Beuys hat mich später auch

als Person überzeugt. Bei einer

Ausstellung seiner Zeichnungen in

der Stadtsparkasse Wuppertal.

Seine unfassbar geduldige Art auf

Fragen der Besucher zu reagieren

und über seine Arbeit zu sprechen:

ohne eine Spur von Belehrung,

Arroganz oder Überheblichkeit.

Damit hat er an jenem Abend auch

die größten Zweifler überzeugt.

Heute gibt es hier in Wuppertal

einige Orte, an denen Kunst

gezeigt und gemacht wird, oder

beides. Wo kann man Dich schon

mal antreffen?

Und wo eher nicht?

Ich bin geneigt zu sagen, an allen

Stellen außer im Museum. Das ist

natürlich sehr verkürzt und auch

nicht ganz richtig, schließlich bin

ich Mitglied im Kunst- und Museumsverein.

Was ich damit sagen

will ist, dass das für mich

interessante und aktuelle Kunstgeschehen

außerhalb dieser heiligen

Hallen stattfindet. Am liebsten bin

ich da, wo Künstler und Galeristen

auf eigenes Risiko spielen und es

ist erstaunlich wie viele das tun:

mit Herzblut, Beharrlichkeit und

auf eigene Rechnung.

kunst meiner Freunde. Da bin ich

überhaupt nicht wählerisch und

lasse mich immer wieder gerne

überraschen.

Welche Musik hast Du zuletzt

gerne gehört?

David Bowie, „Blackstar“

Sind Künstler zurecht Einzelgänger,

Egomanen oder ist da immer ein

Platz im Kollektiv?

Nein, in einem Kollektiv ist nicht

für jeden Platz.

Kann man von Künstlern etwas

anderes als Kunst lernen?

Ja, jede Menge an Arbeitstugenden:

Selbstdisziplin, Eigenmotivation,

Selbstorganisation und

überhaupt: das Verfolgen einer

Mission, Handeln ohne Auftrag,

einfach weil es sein muss –

Respekt!

Gudrun, gibt es eine Kultur neben

den Sockeln der heiligen Kunst?

Kann Dich die Kunst heute noch

oder wieder oder immer noch

oder sowieso nicht mehr begeistern?

Kunst kann mich nach wie vor

begeistern.

Gehst Du hier in Wuppertal schon

mal aus zum Essen oder findest Du

Deine Lieblingsgerichte eher

Zuhause? Was ist Dein Lieblingsgericht?

Am liebsten genieße ich die Koch-

94

Tokio – Asagaya, 2004. Treffen im Nudelsuppenrestaurant.

Auf der Insel Omishima in Japan. Festbankett zu Ehren der figura magica von Bodo Berheide.

Mit Bodo, Klaus Stiebeling, Harald und Jutta Hübener, Peter und mir als Abgesandte des Kollektivs.


Tampopo

Japan 1985, 114 Minuten

Regie und Drehbuch: Jūzō Itami

Zwei Trucker, ein junger und ein

älterer, erfahrener, besuchen eine

Ramen-Bude am Straßenrand. Die

Geschäfte laufen nicht allzu gut,

und nachdem sie in eine Schlägerei

verwickelt werden, beschließen die

beiden, der Eigentümerin Tampopo

dabei zu helfen, aus dem Laden

ein Vorbild in der Kunst der Nudelsuppe

zu machen. Dabei wird das

Genre des Samurai-Films persifliert.

Im weiteren Verlauf des Films werden

auch andere Genres persifliert,

etwa der Mafia-Film, Liebesfilme

und Western – letzteres allein

schon dadurch, dass der ältere

Lastwagenfahrer ständig einen

Cowboyhut trägt, wie Clint Eastwood

auch beim Baden.

Tampopo ist durchzogen von Nebenhandlungen,

die mit der eigentlichen

Geschichte meistens

überhaupt nichts zu tun haben und

deren Grundthema immer das

Essen ist, oft in der direkten Verbindung

zu Sex. In einer Szene benutzen

etwa ein Yakuza und seine

Geliebte in einem Hotelzimmer

Nahrungsmittel beim Liebesspiel,

unter anderem bereitet der Yakuza

„Betrunkene Shrimps“ auf dem

Körper der Frau zu. Andere Szenen

drehen sich um einen jungen

Geschäftsmann, der seine älteren

Kollegen beim Bestellen in einem

französischen Restaurant bloßstellt,

eine Hausfrau, die vom Totenbett

aufsteht, um ihrer Familie eine

letzte Mahlzeit zuzubereiten, und

eine Gruppe Frauen, die sich darin

unterrichten lässt, wie man auf

westliche Art Spaghetti isst, aber

von einem Europäer, der im Hintergrund

die Nudeln auf japanische

Art schlürft, wieder davon abgebracht

wird.

c&p: Wikipedia

Miso-Suppe

Miso-Suppe (jap. 味 噌 汁 misoshiru)

ist ein japanisches Nationalgericht.

Die Hauptgeschmacksgeber sind

Dashi (Fischsud) und Miso (Sojabohnenpaste).

Feste Bestandteile

sind z.B. kleine Tofustücke,

Wakame (dünne grüne Meeresalgen)

und Frühlingszwiebeln. Je

nach Jahreszeit können die Zutaten

variieren, sodass auch manchmal

Pilze wie Shiitake in der Suppe zu

finden sind.

Die Miso-Suppe kann als

Vorspeise oder als Teil der Hauptspeise

serviert werden.

Miso-Suppe wird in Japan nur sehr

selten mit einem Löffel, sondern

meistens mit Stäbchen gegessen.

Dabei werden die festen Bestandteile

mit den Stäbchen gegessen

und die Suppe aus der Schüssel

getrunken.

Nudelsuppenküche mit Bolle im Neuen Kunstverein 2012, für die Gäste der movingartbox

Suppenküche in Xi’an

(chinesisch 西 安 市 , Pinyin Xī’ān Shì, [-ɕi-an]),

auch Si’an oder Hsi-An (früher: Sianfu)

2011

ZEN-Turm.

Reisschüsseln – Spucknäpfe

Peter Klassen, 1993

95


96

Interview mit

Bodo Berheide,

Wupper Nachrichten,

Ausgabe Nr. 10/1993

Das Atelier- und Galerie-

Kollektiv, antikommerzielles Bollwerk

in Wuppertal und Ort, an dem

Kunst, Mathematik und Landschaftsplanung

gemeinsame Sache

machen, hört fast – aber eben nur

fast auf, Ideen sind halt unabhängig

von Raum und Geld.

Gegründet 1977 in der Hofaue, seit

1985 in der Berliner Straße 39 a,

war die Galerie, die keine Bilder

verkaufen will, DIE Bühne für „Intermediale

zusammenarbeit“. Hier

tanzte Peter Friese, diskutierte

Siegfried Maser, stellte Tony Cragg

aus, von hier aus wurde 1987 mit

„Greenpiece“ die B7 begrünt, hier

saßen Theodor Jüchters liebste Widersacher.

Uwe Gesierich sprach mit Bodo

Berheide, einem von sechs übriggebliebenen

Kollektivisten, über

15 Jahre Kulturarbeit im Tal.

WN: Herr Berheide, nach 15 Jahren

hört das Atelier- und GalerieKollektiv

auf. Warum?

Als wir 1977 in der Hofaue

anfingen, hatten wir die Idee, eine

Galerie für „Intermediale Zusammenarbeit“

aufzubauen. Diese Idee

bildet bis heute den Mittelpunkt

unserer Arbeit. Leider ist es in den

letzten Jahren immer schwieriger

geworden, Künstler zu finden, die

diesem Anspruch gerecht werden.

Wir standen vor der Wahl, entweder

mehr Zeit zu investieren oder

kommerziell zu werden. Beides

wollten wir nicht.

WN: Wie sah diese intermediale

Zusammenarbeit aus?

Der Ansatz war das Zusammengehen

aller möglichen Medien, um

daraus etwas anderes mit neuer

Qualität entstehen zu lassen. Das

hatte mit der Merzarbeit von

„Das Querdenker-Kollektiv erscheint auch weiterhin fluxusähnlich unvermutet und braucht gar keinen Ort, es spielt Hase und Igel

und glaubt an Joseph Beuys, der ja selbst dem Igel immer eine Hasenlänge voraus war.“ – WupperNachrichten 10/1993

Schwitters oder mit dem Fluxusgedanken

von Beuys zu tun. Wir

haben ein Forum eröffnet, wo sich

die verschiedenen Leute trafen und

mit unterschiedlichen Mitteln arbeiteten:

Musiker, Filmleute,

Schriftsteller, hauptsächlich aber

bildende Künstler. Alles junge

Leute, die teilweise direkt von der

Akademie kamen, um etwas

Neues zu machen. Ein- bis zweimal

im Jahr gab es große Veranstaltungen

– Performances, Lesungen,

Konzerte – zu denen Leute aus

ganz Europa zusammenkamen.

Diese Art von Zusammenarbeit lag

damals in der Luft. Auch auf der

Dokumenta 6 spielten solche Ansätze

eine wichtige Rolle.

WN: Wurde so ein Projekt von der

Stadt gefördert?

Die Stadt Wuppertal interessierte

sich nicht für diese Art von Subkultur,

und eigentlich ist das bis heute

so. Es gab anfangs keinerlei Unterstützung.

Das hat sich erst geändert,

als wir hier in die Berliner

Straße umgezogen sind. Man erkannte

wohl, dass hier ernsthaft

gearbeitet wird, schliesslich waren

einige von uns mittlerweile Dokumentateilnehmer.

WN: Wie sah diese Förderung aus?

Wir bekamen eine Heizung installiert,

und pro Jahr gab es 5.000

DM, bei zuletzt 42.000 DM Unkosten

im Jahr. Ohne Sponsoren wäre

unsere Arbeit in der Galerie also

gar nicht möglich. Die Stadtsparkasse

z.B. ist in der Förderung der

Kunst aktiver als alles andere hier

im Tal. Da kann sich das Kulturamt

eine ganz dicke Scheibe von abschneiden.

WN: Und da ändert sich nichts?

Fast nichts. Das ist bei der letzten

Jahresschau wieder klar geworden.

Es tauchten genau die gleichen Argumente,

die gleichen Schwierigkeiten

wie 1976 auf, als ich mich

schon einmal an der Organisation

beteiligt hatte. Da wurde wieder

deutlich, dass sich die Stadtverwaltung

und das Museum nie so richtig

um die Künstler gekümmert

haben.

WN: Was waren das für

Schwierigkeiten?

Die Künstler sollten nicht nur ihre

Arbeiten ausstellen, sondern auch

ihr Verhältnis zur Stadtverwaltung

artikulieren. Herr Jüchter, Kulturdezernent

oder Frau Fehlemann, Direktorin

des Von der

Heydt-Museums sagen ja auch

immer: „Ja wieso, klar können die

Künstler zu uns kommen, wir

haben immer ein offenes Ohr!“

Und dann passiert nichts, nicht mal

eine Antwort. Das Museum hat

dieses Konzept jedenfalls nicht mitgetragen

und zog sich aus der Organisation

zurück. (Anmerk.: - aus

der Organisation der Jahresschau).

Die Stadt Wuppertal hat sich immer

lieber auf Renomierobjekte wie

den Museumsausbau oder auf das

Schauspielhaus konzentriert. An

anderen Stellen werden die Mittel

zusammengestrichen.

WN: Was kann man dagegen tun?

Die Künstler müssen sich solidarisieren,

Forderungen stellen. Eine

Gesellschaft kann ohne Kultur nicht

existieren. Aber wie jede andere

sozial schwache Gruppierung sind

auch Künstler auf staatliche Unterstützung

angewiesen, das ist doch

klar! Anderseits wird die Wahrnehmung

der Menschen über die Medien

bestimmt. Der Künstler mit

seinen womöglich noch kritischen

Der Hase lebt!

Konzepten ist da nicht gefragt. Jedenfalls

im Moment nicht.

WN: Welche Rolle spielt Kunst

überhaupt noch?

Kunst ist für die Ästhetik zuständig.

Die Zustände sind aber alles andere

als ästhetisch – Waldsterben, verhungernde

Menschen, Kriege ...

Der Fortschritt ist momentan ziellos,

dabei wäre er in der Lage, den

Menschen ästhetische Lebensbedingungen

zu schaffen. Die Künstler

müssen da Stellung beziehen.

Man kann sich heute nicht mehr

ruhigen Gewissens in sein Kämmerlein

setzen und ein Bild malen.

WN: Das ist der Grund, warum die

Galerie dicht macht?

Ja, der wichtigste. Dieser Anspruch,

der ja mit „Intermedialität“ gemeint

ist, taucht bei den meisten

Künstlern, die heute zu uns kommen,

gar nicht mehr auf. Die wollen

halt ihr Bildchen an der Wand

hängen sehen. Kunstwerke sehen

heute immer glatter aus, wie Designobjekte.

Wer meint, damit sei

es getan, verzichtet auf die Möglichkeit

der Wirkung.

WN: Sie glauben an die Wirksamkeit

von Kunst?

Natürlich, da gibt’s doch gar keinen

Zweifel! Wenn man sich so

umschaut, da gibt es doch nichts,

wo nicht mindestens ein Künstler

daran beteiligt war. Irgendwann

werden künstlerische Ideen gesellschaftliche

Realität.

WN: Aber doch als Form, auf

Kosten der Inhalte!

Ja, sozusagen als Vermarktung, der

kritische Ansatz bleibt meistens

auf der Strecke. Die „größte Galerie

Deutschlands“, (Anmerk.:die

Stadt hatte die Geschäfts- und

Ladeninhaber entlang der B7 gebeten,

ihre Schaufenster für eine

bestimmte Aktion Künstlern zu

überlassen), die die Stadt im

Herbst veranstaltet, geht z.B. auf

unser Projekt „Greenpiece“ zurück,

ist also eigentlich geklaut.

WN: Was bleibt da von der

Wirksamkeit übrig?

Die Künstler dürfen es sich nicht so

einfach machen, Sie müssen dranbeiben.

Wenn Kunst so frei wäre,

wie die Wissenschaft es sein

könnte, könnten die Künstler

künstlerisch-wissenschaftlich

arbeiten, dann

kämen auch viel bessere

Ergebnisse heraus, z. B.

alternative Gesellschaftsmodelle,

die man der Politik anbieten

könnte.

WN: Also der Kultur mehr Gewicht?

Umweltzerstörung, Ausbeutung der

Ressourcen – es ist bisher doch viel

zu wenig passiert, um unsere fundamentalen

Lebensbedingungen

zu erhalten. Die Kultur kann sicherlich

wertvolle Ideen beisteuern.

WN: Bazon Brock sagt, daß die

Outlasting, Unintended

The tree was here before I existed; it still will be there when I no longer exist. Andreas Steffens


Kultur mittlerweile die Zerstörerischste

überhaupt sei.

Unter Berufung auf kulturelle

Autonomie wurden, z. B. auf dem

Balkan die mörderischsten

Auseinandersetzungen geführt.

Das ist natürlich irgendwo ein

Irrtum. Es geht ja immer um Phantasien,

die sich konkretisieren.

Zerstörerisch wird es erst dann,

wenn die Kultur vorgeschoben

wird, um Macht zu erlangen.

WN: Ja, eben ...

Diese Macht ist aber rein materialistisch

orientiert. Kultur ist nicht

die Mutter aller Kriege, wohl aber

aller Auseinandersetzungen: im

Sinne von Austausch. Die Ideen der

verschiedenen Kulturen müssen

ausgetauscht werden, nicht durchgesetzt.

Wenn sich die Kulturen frei

entwickeln und austauschen können,

wird unser Weltbild erweitert.

Das ist wieder unserer Intermediale

Idee.

WN: Was wird aus dem Kollektiv

nach dem Ende am 30. August?

Der harte Kern von sechs Leuten,

der übrig geblieben ist, wird

weiterhin zusammenarbeiten.

Auf dem Gebiet des „artconsulting“

werden wir in Zukunft

künstlerische Projekte durchführen,

aber eben an anderen Orten. Eines

davon findet z. B. in Montreal statt.

Dort wird – nach Wuppertal und

Dublin – meine „figura magica“

demnächst Station machen.

Unser Motto bleibt trotz widriger

Umstände: Der Hase lebt!

Das Querdenker-Kollektiv erscheint

auch weiterhin fluxusähnlich und

unvermutet und braucht gar keinen

Ort; es spielt Hase und Igel und

glaubt an Joseph Beuys, der ja

selbst dem Igel immer eine Nasenlänge

voraus war.

Das Interview wurde geführt

von Uwe Geslerch.

„greenpiece“ – ein Kunstwerk für Wuppertal

Auf Anregung des Atelier- und Galerie-Kollektivs in Wuppertal-Barmen entstand in gemeinsamer

Planung mit dem städtischen Ressort für Natur und Freiraum das Landart-Projekt „greenpiece“.

Ausgangspunkt war die erste Pflanzung einer dreiarmigen Eberesche auf dem Mittelstreifen der B7

vor dem Galeriehaus Berlinerstr. 39a anlässlich der Kunstausstellung „trias“, die 1989 dort stattfand.

Weit über 100 Künstlerinnen und Künstler hatten zwischen 1989 und 1994 in verschiedenen

Ausstellungen für ca. 17.000 DM Kunst und sogenannte „Baumbriefe“ verkauft, für deren Erlös

Kaiserlinden gepflanzt wurden.

Diese Baumart wählten die Initiatoren, weil die Linde symbolhaft die Liebe und die Güte darstellt,

praktischerweise aber auch sehr widerstandsfähig ist.

Nach der Fertigstellung und Begrünung des Mittelstreifens der B7 in Wuppertal wurde zwischen

Langerfeld und dem Alten Markt im Oktober 1994 die letzte Kaiserlinde dort gepflanzt.

Alle Fotografien/Multiples: Nicole Aders

„das Denken soll man den Pferden überlassen.“ alte Volksweisheit

97


10 Fragen

an Bodo Berheide

Du hast fast 40 jahre Galerieund

Kulturarbeit gemacht. Hast Du

im Nachhinein ein gutes Gefühl,

würdest du sie heute nochmal

so machen?

natürlich, einiges würde ich

sicherlich anders machen, den

gesamtprozess als solchen finde

ich nach wie vor positiv. durch die

zusammenarbeit im kollektiv sind

viele ideen entstanden, z.b. die figura

magica und ihre reise wäre

wahrscheinlich ohne die kommunikative

idee des kollektivs nie passiert.

nach der schliessung

unserer galerie 1993 ist unsere arbeitsweise

wesentlich flexibler geworden.

es sind bücher

entstanden, musik cd´s, videos,

ausstellungen und konzerte an unterschiedlichen

plätzen. wir haben

eine menge projekte mitfinanziert

und unterstützt. z.b. helfen wir seit

einem jahr fast kontinuierlich bei

ausstellungsprojekten im swane

café, in wuppertal.

Sind Deine arbeiten politisch?

ja, das kollektiv für intermediale

zusammenarbeit e.v. ist ein

gefüge, welches der richtung

meines gewünschten gesellschaftsmodells

entspricht. der begriff

kollektiv ist zunächst in unserer

kapitalistisch orientierten gesellschaft

negativ besetzt und wird abwertend

in die nähe sozialistischer

oder kommunistischer arbeits- oder

lebensformen angesiedelt. in den

vielen jahren unserer gemeinsamen

zusammenarbeit, vor allem

mit peter klassen, hat sich gezeigt,

dass wir einen kollektivismus mit

werten und normen entwickelt

haben, in dem das wohlergehen

des kollektivs eine hohe priorität

hat, aber der kreative individualismus

des einzelnen im wechselspiel

der anforderungen gleichberechtigt

ist, so ist insgesamt eine neue

qualität entstanden.

für mich hat sich da eine neue

kunst des zusamenarbeitens und

zusammenlebens entwickelt.

Seit Deinem Studium an der

Akademie arbeitest du unaufhörlich

an deiner Kunst. Bist du ein anerkannter

Künstler, kannst du von

Deiner Kunst-Arbeit leben?

nein, ich hatte fast 40 jahre einen

halbtagsjob als chemielaborant,

den beruf, den ich vor meinem studium

ausgeübt hatte. somit war ich

unabhängig vom kunstmarkt und

konnte wirklich die kunst machen,

die ich wollte. in meiner kunst

steht die kommunikation im

vordergrund.

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidende

Rolle?

Bist Du im „Geschäft“?

nein, der kunstmarkt interessiert

mich garnicht. hier geht es nur um

den organisierten verkauf von

kunstwerken, die qualität wird

weitgehend dem verkauf untergeordnet,

inhaltliche bezüge

rücken in den hintergrund.

deshalb meine zusammenarbeit

in einem unabhängigen galeriekollektiv.

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso

begeistern?

immer noch!

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder, Skulpturen oder

Performances in der Kunstgeschichte?

ja, die honigpumpe am arbeitsplatz

von joseph beuys während der

dokumenta 6.

Gehst du zum Essen öfter aus oder

findest du deine Lieblingsgerichte

eher zuhause?

Was ist Dein Lieblingsgericht?

ich finde mein lieblingsgericht eher

zuhause. am liebsten spaghettibolognese

oder frutti di mare.

auch pizza in vielen varianten.

aber auch paella. gerne frischen,

gemischten salat mit schafskäse.

Welche Musik hast du zuletzt gerne

gehört?

eigentlich immer r & b. ich bin ein

fan von billy idol und neil young.

richtig gerne mochte ich amy

winehouse.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war …

die ausstellung von ei weiwei in

berlin 2014.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

in jedem falle. kunst war und ist

immer eine begleiterscheinung

gesellschaftlicher entwicklung,

wobei man sehen muss, dass sie

in den unterschiedlichen kulturen

einen unterschiedlichen stellenwert

hatte und hat. kunst prägt

immer die erscheinungsform

einer gesellschaft.

Georg Janthur, Farb-Ausschnitte, Atelier 2016

98


Wolfgang Schmitz Berliner Straße, Einladungskarte

Bodo Berheide Feuer / Wasser / Erde / Luft 2005

Frank Hinrichs Engramme 2010, Acrylfarbe, Kunststoffsiegel, Ölfarbe auf MDF 30 x 20 cm

99


"Hidden places"

is the name of this art project in

which 10 American and German

artists are participating. Catherine

and Dirk Schlingmann, David John

Mega, Herb Weaver and Kenn

Morgan are at home in the region

of Wheeling/Bethany in West

Virginia. Gaby Donder-Langer,

Peter Klassen, Rüdiger Tag,

Jürgen Grölle and Bodo Berheide,

the five German artists, live and

work in Wuppertal or came from

this West-German town.

On October 18th 1995, Bodo

Berheide's sculpture "figura magica"

arrived on the campus of

Bethany College, W.V. Dirk Schlingmann,

a professor of mathematics

and computer science at this college,

had made it possible that

"figura magica" reached its third

temporary placement, having been

on a tour around the world since

1991, from Wuppertal over to Dublin

and Montreal.

In February 1996 Dirk Schlingmann,

Peter Klassen and Bodo Berheide

met for a commonly planned

performance, entitled "magic

elements" on the Bethany College

Campus. Gabriele Donder-Langer's

and Bodo Berheide's two slide

shows followed in Bethany and

Wheeling. Numerous talks and

discusssions with the local artists

followed, too. A mutual understanding

in concern of an artistic

cooperation was growing quickly.

In August 1996 Catherine and Dirk

Schlingmann, together with Herb

Weaver travelled to Brandenburg,

following an invitation of Gudrun

Tanzen in Wheeling, West-Virginia

Hidden Places

and Peter Klassen and Synanon

Schmerwitz, in order to take part in

the "Schmerwitzer Kunsttage".

In November '96 Catherine and

Dirk Schlingmann showed their

installation "bud" in the cyt gallery

in Wuppertal. Gayan Perera and

Bodo Berheide participated in the

opening performance. At the same

time the project "Hidden Places"

was prepared with the two art exhibitions

in the Immanuel-Church

in Wuppertal and in the Wheeling

Artisan Center.

"Hidden Places" doesn't only

mean the hidden places in this

church, in which the artist present

a part of their works, but also refers

to the discrete, nearly hidden

presence of the contributing towns

Wuppertal, Wheeling and Bethany.

Rüdiger Tag. Missing persons.

In Bethany the college shapes the

place. And like Wheeling, situated

right at the Ohio and surrounded

by metal moulding and coal mining

industry, Wuppertal is situated at

the border of a coal mining area.

The first city is dominated by

Pittsburgh like the second by

Düsseldorf or Cologne.

Perhaps it is this similar situation in

these regions that initiated the purpose

of working together in culture

and artistic ways. So the sculpture

"figura magica" first has found a

temporary placement in Bethany

by chance, then created a vivid

process of artistic exchange. Anyway

the artists and their many

friends taking part the chance of

realizing the idea of this project

with enthusiasm.

Seelenwanderung: Konfuzius.

Seelenwanderung durch die

Immannuelskirche

Internationales Kunstprojekt

„Hidden Places“

Zehn deutsche und amerikanische

Künstler, unter ihnen Bodo Berheide,

Gabriele Donder, Peter Klassen,

Kenn Morgan und andere, stellen

ihr Kunstprogramm ,,Hidden Places“

in der Immanuelskirche, Sternstraße

aus. „Hidden Places“ (Verborgene

Plätze) machen es dem Besucher

nicht leicht; denn man muss die

Kunstwerke in der Kirche suchen.

Herb Weaver präsentiert z.B.

Kleinkunst zur Ikonographie des

Hl. Michael, des „Heiligen der Kaufleute

und Radiologen“, zum Teil

das Blasphemische streifend, sowie

den HI. Franz von Assisi.

Beim Rundgang durch das Labyrinth

helfen an den Pfeilern angebrachte

„Lagepläne“ mit dem Aufdruck

„Seelenwanderung“. Die historisch

tradierte Situation, die den Zuspruch

des heiligen Wortes als Gnade und

Geschenk anbot, wird ins Gegenteil

verkehrt. Der Besucher der Kirchenausstellung

muss sich wirklich anstrengen,

dass er bei aller Suche

auch tatsächlich etwas findet.

Hervorzuheben ist das Werk

„Das innere Licht“ von Peter Klassen,

der die farbigen Geistfunken,

orientiert an der traditionellen

Pfingstwunderdarstellung, in der

Empore gegenüber der Orgel

ausstellt.

Peter Klassen sorgte auch für

das musikalische Ambiente am

Eröffnungstag: Sein mit dem Bogen

gestrichener E-Bass beschwor in

seiner sonoren Eintönigkeit das

frohlockende Klingen vielfältiger

Obertonreihen, dabei fein westliche

und östliche Musikstile und Klangpanoramen

anspielend und zu

einem Ganzen integrierend.

Klassens ,,Klangskulptur“ ist auch

als CD unter dem Titel ,,Geheime

Orte“ beim Künstler erhältlich – als

Tip übrigens für tiefgehende

Meditationsmusik.

Thomas Illmaier

DER WEG, 19/1997

100

„Die Zeit der Karawanen ist vorbei.“ Tuareg


Questions

and Answers:

Catherine

Schlingmann

1.

Du und Dirk, Ihr habt seit 1996

mit unserem Galerie-Kollektiv viele

Performances, Ausstellungen und

Aktionen gemacht. Welche/

Welches hat Dir am besten gefallen

und hast Du im nachhinein ein

gutes Gefuḧl, würdest Du es heute

nochmal so machen?

Answer: I enjoyed doing the bud

show. I also appreciated being part

of the shows „Magische Verbindungen“,

„über Grenzen gehen“, and

the two „Hidden Places“ shows.

I would do all of them again.

2.

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidende

Rolle? Bist Du im

„Geschäft“?

Answer: I am always looking for

places to show and sell my work.

3.

Kannst Du Dich für die Kunst von

Kollegen heute noch oder wieder

oder immer noch oder sowieso

begeistern?

Answer: I appreciate very much the

work of my colleagues. It is always

fascinating to experience the result

of their ideas and to learn what

motivates them.

4.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder, Skulpturen oder

Performances in der Kunstgeschichte?

Answer: I have always admired the

work by Josef Albers, Richard Long,

Ellsworth Kelly, and Bodo Berheide

to name just a few.

5.

Geht ihr zum Essen öfter aus oder

findet ihr eure Lieblingsgerichte

eher zuhause? Was sind eure

Lieblingsgerichte?

Answer: I like to cook, so we

usually eat at home. My favorite

dish is usually the most recent one

that I learned how to make.

In fact, I collect cookbooks and

enjoy very much learning how

to make new dishes.

6.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Answer: I enjoy listening to

Dirk Schlingmann’s computer

algorithmic music.

7.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...?

Answer: Recently, I visited the

High Museum in Atlanta and was

excited by the show of the fashion

designer Iris van Herpen.

8.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Answer: Yes, you can learn, for

example, about history and culture

in general.

Catherine Schlingmann,

oben:

„Paperwork“s, je 163 x 140 cm

Ausschnitte

rechts und links:

At that moment, when seclusion stepped into the open, a world came to an end.

101


unknown artist REMIX of a Catherine Schlingmann Sample

Seelenwanderung

„Das Gold ist versteckt.“ Tuareg

102


schlafe ich heute

schlafe ich heute

im Sand

im Wasser

in Hecken und Sträuchern

wilde Schatten

fliegen über mich

hinweg

kreisen über mir

geräuschlos

immer langsamer

werdend

tiefer kommend

keine Sprache verbindet uns

außer das gegenseitige

beäugen.

Fundstücke: Hans Reichel Partitur für eine Aufführung mit Annette Gadatsch und Harld Mohs, April 2016.

Irene Warnke Atomtasche 2006

Krysztof Juretko Arbeitstafel, verschollen

Foto Zbigniew Pluszinsky

... weißt Du wieviel Sternlein stehen?

– Blickrichtung ohne Begründung –

– graswachsenhören –

103


104


miles davis

smila dives

midas lives

dim is slave

vilem is sad

diva smiles

Mitch Heinrich

31.12.07

105


aus einem Text

zum 25 jährigen Bestehen von Synanon (1996):

„Guten Morge Irene,

hallo Ingo.

Nun kennen wir uns schon ein bisschen noch länger.

In den neunziger Jahren, da gab es Euch in Schmerwitz.

So viele alte Geschichten wären zu erzählen.

Ui!

Ein paar davon haben wir miterlebt,

die meisten aus der Ferne mitbekommen.

was eine Kunst ist

Aber alte Geschichten hat ja jeder für sich,

mit anderen, gegen die anderen, für die anderen,

was deine kunst ist

nichts besonderes.

Es gab seltsamerweise immer so eine Art von Verbindung,

was der mensch isst

manchmal von Verwicklung,

in gewisser Weise auch wortlose Übereinstimmung.

was meine kunst ist

Zwischendurch ward Ihr zu bewundern,

essen

dann hätte man Euch am liebsten in den Arsch getreten,

manchmal war es köstlich mitanzusehen,

wahrsagen

zu lachen gab es immer was, immer.

Und es lohnte sich.

bereden

Erhellung und Erbauung.

Natürlich:

reden

Manchmal wiederholt sich das eine oder das andere.

Und vorsichtiger Widerspruch tut auch schon mal Not.

zerreden

Aber mehr wie der Sitzende am Ufer des Flusses,

was sollen wir dem schon zurufen,

einsinken

er wird schon seinen Weg gehen,

mit uns so wie ohne uns.

ertrinken

Unaufhaltsam.

vergessen

Wie leben?

Und das ist immer wieder eine neue Frage.

aufessen

Wie weit passt man sich an veränderte Bedingungen an,

ohne die Identität zu verlieren, ohne die Idee zu verlieren,

was reine kunst ist

gibt es eine Demokratie der Qualität?

was feine kunst ist

Gudrun und Peter, Wahlverwandte.

was seine kunst ist

P.S.:

was kleine kunst ist

Die Schmerwitzer Kunstwoche

müssen wir natürlich noch nennen,

was keine kunst ist

der Ihr in diesem Jahr zum vierten Mal ein Zuhause gegeben habt.

Und die Euer Leben hoffentlich genauso bereichert hat

wie das aller Beteiligten, die wieder gerne Eure Gäste sind,

mit ihrer Kunst,

mit ihren Problemen, mit ihren Fragen nach Sinn und Verstand, nach

Schönheit und Vergänglichkeit,

der Tiefe, Verantwortlichkeit, Bewusstsein,

den Regeln der Form, des Lebens ...

ja, und Brot und Bett.“

106


Nach links und rechts gucken!

Es gibt Probleme auf der Welt und es gibt

Probleme in der Kunst.

Die Kunstwoche in Schmerwitz

Von 1991 bis 1997 organisierten wir die Kunstwoche in Schmerwitz, ein Symposium.

7 Jahre lang, von 1991 bis 1997 ludt Irene Warnke, Malerin, und Synanon Schmerwitz in Brandenburg gemeinsam mit dem Wuppertaler

Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit Künstler zur Schmerwitzer Kunstwoche ein.

Das Schmerwitzer Symposium bot den Teilnehmern die Möglichkeit, sich eine Woche lang in einer besonderen Situation mit dem Ort – der Kunst –

mit anderen Menschen – auseinanderzusetzen / künstlerisch zu arbeiten / zu reagieren / an einem anderen Ort anders zu arbeiten als in der gewohnten

Ateliersituation: In der Landschaft / in der großen Scheune / in der Kirche / im Kuhstall / in seltsamen Räumen / auf dem Feld / in der

alten Funkstation / in der Futtermisch- und mahlanlage / auf dem Schlossereidachboden / im Kirchgarten / in der Keramikwerkstatt usw.

Hagen, 1971: „Amis raus aus Vietnam!“

Die große Scheune in Schmerwitz,

10. Januar 2016

107


Über die Hintergründe von

Schmerwitz

ein Artikel in der Zeitung

„die Fleckenbühler“.

Herausgegeben von der Suchthilfe

Fleckenbühl im Februar 2011:

Sommer 1970: Kinderladenbewegung

„Aktion für das Kind e.V.“ –

wir lernen Irene und Ingo Warnke

kennen, die vor kurzem aus Berlin

gekommen sind. 1971 besetzen

wir gemeinsam mit den anderen

Eltern der Gruppe ein leerstehendes

Haus in Hagen-Herdecke.

Es folgt der Einzug mit Kindern

bzw. die Einrichtung eines Kinderladens

mit wechselnder Betreuung

durch die jeweiligen Eltern – eine

erste Selbsthilfegruppe. Nach

Abriss des Hauses ist die „Kinderarbeit“

beendet, wir haben aber

weiterhin Kontakt und sehen, dass

es noch ein weiteres Programm für

Ingo und Irene gibt – und dass dies

der wahre Grund für ihren Umzug

von Berlin nach Hagen war:

Hoffnung auf ein Loskommen von

den Drogen.

Als Außenstehende erleben wir

jetzt, wie sie wieder stärker in diesen

Sumpf geraten, sehen schließlich

mit an, wie sich die beiden

einen Schuss setzen – und hören

immer öfter die Diskussion, was

aus ihrem Kind Eva werden sollte,

wenn beiden etwas „passiert“.

Ingo und Irene kommen in Kontakt

mit Dr. Walther Lechler, dem Chefarzt

der Neurologie im St. Johannes-

Krankenhaus in Hagen (später

Chefarzt der Klinik für psychosomatische

Erkrankungen in Bad Herrenalb),

er schenkt ihnen das Buch

„The Tunnel Back“ von Lewis

Yablonski, Ingo fängt an es zu

übersetzen. Sie hören von der

Selbsthilfegruppe „Release“ in

Heidelberg und fahren schließlich

dorthin.

Nach dem Anruf: „Könnt ihr kommen

und auf Eva aufpassen?“

fahren auch wir nach Heidelberg

und sind während des Drogenentzugs

dabei. Im Bauernhaus eines

Arztes, der das Release betreut,

werden Irene und Ingo nüchtern.

Und bleiben es auch von nun an.

Der Versuch, „Release“ Heidelberg

drogenfrei zu bekommen, scheitert.

Sie ziehen mit fünf Gleichgesinnten

nach Berlin und gründen

die erste drogenfreie Selbsthilfegruppe

Deutschlands.

Wir besuchen die beiden nun regelmäßig

in Berlin: Aus Release

wird schließlich Synanon.

Und immer geht alles gegen den

Strich, immer auf der Suche nach

dem eigenen Weg: Radikal, konsequent,

gegen die herrschende

Meinung, die vermeintlichen Fachleute,

die gängige Drogentherapie

– immer „Against all odds“, gegen

alle bisherigen Regeln. Für die

meisten ihrer Vorstellungen eines

drogenfreien und selbstbestimmten

Lebens gibt es noch nicht viele

Erfahrungen, lediglich Synanon in

USA bietet eine Orientierung.

Immer mehr Leute werden aufgenommen,

immer neue Betätigungsfelder

entwickelt, neue

Häuser eingerichtet, Zweckbetriebe

gegründet – die Gemeinschaft

wächst – drogenfrei.

Zeitweise leben alle ohne Zucker,

ohne Weißmehl, ohne Haare – eine

Ansammlung unterschiedlichster

Menschen, die, wenn sie sich auf

Synanon einlassen, ungeahnte

Fähigkeiten entwickeln. Viele von

ihnen haben wir kennen und

schätzen gelernt – mit einigen sind

wir bis heute befreundet.

1990 dann die Wende: Schmerwitz.

Synanon bekommt die Gelegenheit,

eine neue Art von Verantwortung

zu übernehmen: mehrere

Dörfer, volkseigene Betriebe,

riesige Flächen Land, verwohnte

Häuser, jede Menge Ostbürger.

Es gibt unüberschaubare Aufgaben

und unendlich viel Arbeit. Parallel

dazu noch ein Riesenprojekt: die

Herzbergstraße in Berlin, ein gigantischer

Gebäudekomplex, beängstigend

groß und in allen damit

verbundenen Konsequenzen unübersichtlich.

Denn die zentrale

Aufgabe ist schließlich die Arbeit

mit und für die Süchtigen. Bis

heute erinnern wir die Frage, die

Ingo damals formuliert hat:

„Wie sollen wir das alles mit

Leben füllen?“

Es geht auch nicht gut. Und es gibt

noch mehr Rückschläge. Irene und

Ingo lernen ihre persönlichen Grenzen

kennen. Unaufhörliches Wachstum,

die Vermischung der

Grundideen mit wirtschaftlichem

Druck und die Menge an Aufgaben

überschreiten die Grenzen der

eigenen Leistungsfähigkeit. Alte

Weggefährten gehen ihre eigenen

Wege, verwirklichen ihre eigenen

Vorstellungen. Es gibt Trennungen

im Guten. Die Anzahl der leistungsfähigen,

erfahrenen Mitstreiter hält

nicht mehr mit der Entwicklung

Schritt. Man muss nach neuen

Verbündeten suchen, fasst Vertrauen

in „falsche Freunde“,

fremde Interessen bestimmen

wichtige Entscheidungen der

Gemeinschaft.

40 Jahre Selbsthilfe

der Süchtigen

Am 30. Mai 1971

starteten

Irene und

Ingo Warnke

im

Release

Heidelberg

Heidelberg. 1971, Irene und Gudrun

108


Es folgen bittere Erfahrungen für

sie persönlich und für die Gemeinschaft

und letztlich die erzwungene

Trennung von ihrem Lebenswerk,

der Idee der sich selbst helfenden

Lebensgemeinschaft. Sie erleben,

verraten und verleugnet zu werden,

sind entwurzelt, gewaltsam

von ihren Lebens-Ideen abgeschnitten.

Die schmerzvolle Bewusstwerdung

und Aufarbeitung dieser

Geschehnisse kostet immer noch

alle verfügbaren Kräfte.

Alleine leben. Eine Erfahrung, die

sie eigentlich nicht mehr machen

wollten. Heute führen Irene und

Ingo ihr eigenes drogenfreies

Leben in Berlin. So, wie sie immer

ihren eigenen Weg verfolgt haben:

klar, konsequent und nüchtern –

nach wie vor! Dafür verdienen sie

allergrößten Respekt von uns allen.

Viele Süchtige haben von der Idee

eines selbstbestimmten drogenfreien

Lebens profitiert und ihren

Weg aus der Abhängigkeit gefunden.

Sie haben die Gelegenheit bekommen,

Interessen zu entwickeln,

Berufe zu erlernen und schließlich

auf eigenen Füßen zu stehen. Das

verdanken viele von ihnen Irene

und Ingo Warnke, deren Hartnäckigkeit

und Unbeirrbarkeit in der

Sache für viele die Voraussetzungen

für ein eigenes unabhängiges

Leben geschaffen haben.

Gudrun und Peter

Heidelberg. 1971, Ingo

Heidelberg. 1971, Eva und Natalie

Schmerwitz, 18.09.2013, 12:09

109


Ingo und Irene, Documentabesuch 1982

UFOs, Plaste, Elaste und ein Oloid.

Erster Rundgang 1995

110

Yuri Selivanov Skulptur

offene weite, nichts von heilig

rechte Seite: Symposion 1995


111


112


links: Jürgen Grölle kehrt das unterste nach oben. Die Steine in der großen Scheune werden bewegt.

oben: Peter Kowald wässert. unten: Marcus Sperlich, Landwirtschaft und Kunst in Einklang bringen und weitere Blickrichtungen.

Museum Schmerwitz 1998–1999

Das Museum Schmerwitz wurde am 7. August 1998 mit der „Sammlung Grölle“ eröffnet.

Eineinhalb Jahre später wurde es wieder forst/landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt, genauso wie die große

Scheune.

Die Sammlung „GRÖLLE“: Werke von Nicole Aders, Andrea Hold-Ferneck, Jürgen Grölle, Georg Janthur, Ingrid

Kaftan, Uwe Kampf, Peter Klassen, Tony Lohr, Thomas Rother, Thomas Rottenbücher, Jury Selivanov, Sabine

Schneider, Kristin Scheuerpflug, Marcus Sperlich, Irene Warnke,

Am 5. August 1999 öffneten Jürgen Grölle und Matthias Beck das bis zur Höhe der Fenster mit Wasser geflutete

Museum zur letzten Aktion.

Eine Stunde nach der Eröffnung „entließ“ Jürgen Grölle das Wasser aus dem Museum. Es ergoss sich in einem

zwanzigminütigen Bachlauf über die Dorfstrasse von Schmerwitz.

Das Museum wurde bis auf weiteres geschlossen. Ein halbes Jahr später dann endgültig.

113


Die Kirche ohne Kirchturm und Skulpturen von Rob de Vrij.

114

Mädels ... Ingrid, Annette und Gudrun ...

... und Jungs: Mathias, Peter und Jürgen


„Lasst mich darin beharren, solange

mir das Herz gebietet.“

aus:

Johann Wolfgang von Goethe

Die Wahlverwandtschaften

„Charakter, Individualität, Neigung,

Richtung, Örtlichkeit, Umgebungen

und Gewohnheiten bilden zusammen

ein Ganzes, in welchem jeder

Mensch wie in einem Elemente, in

einer Atmosphäre schwimmt, worin

es ihm allein bequem und behaglich

ist.

Und so finden wir die Menschen,

über deren Veränderlichkeit so viele

Klage geführt wird, nach vielen Jahren

zu unserm Erstaunen unverändert

und nach äußern und innern

unendlichen Anregungen unveränderlich.“

Schmerwitz, 19.., Peter Kowald schläft.

„Die schätzenswerteste Freistatt ist

da zu suchen, wo wir tätig sein können.

Alle Büßungen, alle Entbehrungen

sind keineswegs geeignet, uns einem

ahnungsvollen Geschick zu entziehen,

wenn es uns zu verfolgen

entschieden ist.

Nur wenn ich im müßigen Zustande

der Welt zur Schau dienen soll, dann

ist sie mir widerwärtig und ängstigt

mich.

Findet man mich aber freudig bei

der Arbeit, unermüdet in meiner

Pflicht, dann kann ich die Blicke

eines jeden aushalten, weil ich die

göttlichen nicht zu scheuen brauche“.

„Man konnte mit dem Wiederverlangen

nicht endigen, und der ganz

natürliche Wunsch, einem so schönen

Wesen, das man genugsam von

der Rückseite gesehen, auch ins Angesicht

zu schauen, nahm dergestalt

überhand, dass ein lustiger, ungeduldiger

Vogel die Worte, die man

manchmal an das Ende einer Seite

zu schreiben pflegt: „tournez s’il

vous plait“, laut ausrief und eine

allgemeine Beistimmung erregte.“

Nicole Aders

Smith & Wesson

115


116

Links und rechts: Drei Skulpturen aus großen Fundstücken. Rob de Vrij.

die Zeit der Karawanen ist vorbei (dachten wir)


„Schmerwitzer Becken“, von Harald Hilscher. Hier in einer Installation in der Galerie der Stadt

Remscheid: „Klangräume“, 1999.

„OM LA LA“, Peter Klassen, 1992. Pigmente, Acryl auf Schmirgelpapier.

117


Der Lageplan des „Objektes. Gemeinschaftsarbeit von Jürgen und Peter.

Catherine Schlingmann

118


Peter Schulze fotografiert Wolfgang Opitz und Gudrun.

119


Skulptur Peter Jacquemyn

Ein Philosoph im Wald

Jürgen, Peter Kowald und Jochen Bauer

... dachte ich jetzt, zerschnitt eine große Wachscheibe und knetete sie mit

meinen nervigen Fingern; das weiche Wachs strich ich sodann meinen

Reisegenossen in die Ohren. Sie aber banden mich auf mein Geheiß aufrecht

unten an den Mast; dann setzten sie sich wieder an die Ruder und

trieben das Fahrzeug getrost vorwärts. ...

Die Odyssee (griechisch: ἡ Ὀδύσσεια – hē Odýsseia)

schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka

und seiner Gefährten

auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg.

In vielen Sprachen ist der Begriff „Odyssee“

zum Synonym für eine lange Irrfahrt geworden.

Dirk Schlingmann

Peter Jacquemyn und Engel

120

Bolle, Jochen Bauer und Peter Kowald Gunda Gottschalk Zeitungsausschnitt


Philosophischer Waldspaziergang und unten „Sirenen, Sirenen“, Klangskulptur Peter Klassen

121


Mathias Beck

Rundgang

122


Gudrun und Anna Warnke

fotografieren über hundert Künstler und

Synanisten auf dem Weg zur Arbeit.

Bodo sägt

Rob de Vrij und Ingo Warnke

123


Unten: Andreas Steffens, Philosoph,

1993 / 2016.

Rechts:

Annette Gadatsch, Musikerin

1993 / 2016

124


Danse de la chèvre oder auf

der Suche nach einem ruhigen

Überaum:

Angekommen, kenne nur ein paar

wenige Menschen, habe mir fest

vorgenommen kreativ und

kommunikativ zu sein! Bin total

beeindruckt von der Gemeinschaft,

der Gastfreundschaft und dem

Luxus eine Woche lang „versorgt“

zu werden.

Kann all die Namen der Menschen

nicht behalten und alle haben Projekte,

sägen, sammeln, schrauben,

pinseln!

Nach einem eher zweifelhaften

Versuch am Holzklotz mache ich

mich auf die Suche nach einem geeigneten

Ort um Honeggers Ziegen

zu bändigen (ein wirklich schweres

Stück für Flöte Solo, kann mich

wirklich noch daran erinnern!).

Und da ist sie, die kleine Kirche

mit der guten Akustik, verwahrlost,

mit den lustigen Theaterstühlen

und dem verstörend schwarzen

Himmel, kühl und ruhig, so, als

wenn sie gar nicht dazugehören

würde. Eine Oase! Welch Luxus,

alleine stundenlang zu üben und

siehe da, immer öfter kommt

jemand vorbei, hört zu, fragt was

und ich lerne langsam die Leute

kennen.

Ideen entstehen für den Raum,

Andreas baut was mit Ziegelsteinen,

während ich spiele, Mathias holt

sein Cello und wir improvisieren,

Thomas seine Gitarre, (war da noch

Bolle und das Saxophon?) und am

Ende der Woche tanzen die Klänge

mit Andreas philosophischen

Gedanken und den Ziegen

Walzer ...

Jahre später bin ich wieder dort

in der Kirche und ich glaube der

Himmel ist wieder hell und sie ist

schön hergerichtet, gehört nun

wieder offiziell „dazu“ und ich

musiziere zusammen mit einer

Harfe und alles ist feierlich und

da ist sie wieder, die kleine wilde

Ziege, die mir zuzwinkert.

Annette Gadatsch

Schwarzes Quadrat unter der Kirchendecke

von Rob de Vrij.

Engel, Peter Jacquemyn

125


Dimensionen

Ein Jahrhundert, unser Jahrhundert,

geht zu Ende. Ein neues ist

dabei zu beginnen, und mit ihm

gar ein neues Jahrtausend – entmutigende

Dimensionen.

Ist man, in der Mitte dieses Jahrhunderts

geboren, auf den bevorstehen

den Übergang seines Endes

in den Anfang des neuen vorbereitet?

Kann man es sein?

Schon an diesem Beginn des

Nachdenkens über das Beginnen

drängt sich der Zweifel, dieser Antreiber

der Produktivität, vor, als

Einspruch und Selbst -Zwischenruf:

Überfrachten derlei Fragen nicht

einfach-praktische Zeitrech -

nungskonventionen mit einem

Übermaß fiktiver Bedeutsamkeit,

die ihren rein pragmatischen Sinn

einer Abfolgeordnung der alltäglichen

Vorgänge überdehnt?

Aber darf man Fragen mit Fragen

begegnen?

Einst von seinen Schülern, nach

langem Zögern, darauf angesprochen,

antwortete der Rabbi nach

ebenso langem Überlegen: Warum

soll man auf eine Frage nicht mit

einer Frage antworten?

Wer die eine sucht, wird keine

Antwort finden. Wer gar auf eine

endgül tige ausgeht, muss in des

Kaisers neuen Kleidern heimkehren.

Offenbar beginnt das Beginnen

mit dem Fragen. Aber ebenso

offenbar kommt man nicht weiter,

solange man darüber nachdenkt,

wie man recht be ginnen könnte.

Ein Anfang, wird er gesetzt oder

gefunden?

Ludwig Hohl, der einsame

Schweizer Grübler, hat eine mögliche

Antwort formuliert, die geeignet

scheint, die Hemmung des

Anfangens zu überwin den. „Wie

aber soll man’s anfangen? Nur anfangen!

Das Anfangen ist sowieso

leicht. Und nach und

nach erst stehen die

Gesetze vor dir auf.

Wie willst du korrigieren,

wenn du nichts zu

korrigieren hast?“

Man muss bereits

begonnen haben,

damit etwas seinen

Anfang nehmen kann.

Anfänge gibt es als datierbare nur

in der Rückschau. Man hat sie, als

erkennbare, immer hinter, nie vor

sich.

So kommt es darauf an, sich mit

Bedacht in die Zukunft hinein zu

er innern: vor sich zu bringen, was

man an Unerprobtem hinter sich

hat.

Etwas lässt sich nur aus etwas

anderem hervorbringen, weshalb

Beginnen immer ein Neu-Beginnen,

unabschließbar also ist. Es

gibt nicht „den“ An fang, nur „das“

Anfangen, als Prozess, in dessen

Verlauf man sich immer schon befindet,

wenn man glaubt, mit dem

Entschluss, etwas Neues, Anderes

zu beginnen, einen gesetzt zu

haben. Im weiteren Prozessverlauf

wird man in aller zu bemerken

haben, dass diese Datierung

ebenso will kürlich wie verkennend

war: Man musste schon begonnen

haben, um das Ge fühl haben zu

können, sich gerade zu einem Neu-

Anfang entschlossen zu haben.

Abschiedsbegeisterung

Andreas Steffens

Seit einem Jahrzehnt begleitet

uns eine eigentümliche Abschiedsbegeisterung.

Die Trauer ist als

Grundgefühl des Abschieds von der

Freude ersetzt worden. In den Künsten

wich die Melancholie des Verfalls

Gesten der Erleichterung:

Überflüssiger Ballast ging zuhauf

über Bord. Der wahrhaftige Kitsch,

der entsteht, sobald ein Gefühl der

Abwehr beginnt, genossen zu werden,

machte der Haltung einer lässig

zur Schau gestellten

Vom Beginnen

Unabhängigkeit Platz, die glaubt,

auf nichts mehr angewiesen zu

sein, weil alles getan, gesagt,

gedacht, gelebt sei.

Dagegen ist nicht leicht anzukommen.

Die Abschiedsbegeisterung

widerspricht allen

Erfahrungen, begonnen mit der

aller alltäglichsten, dass das Leben

mit jedem Morgen neu beginnt,

indem wir aus der Bewusstlosigkeit

des Schlafs zur Selbstgewissheit

des Wachseins zurück kehren, und

dennoch bleibt ein Faszinationskern

gegen alle Demonstration des

Offensichtlichen widerständig:

Ist es denn auch keine verlockende

Ver heißung, all das hinter sich zu

haben, dessen Ende im vergangenen

Jahrzehnt verkündet wurde:

Moderne, Geschichte, Kunst, Wirklichkeit,

Politik, und nun, endlich,

bald auch dieses Jahrhundert unvordenklicher

Lasten?

Die Zeitstimmung des Beendigens

ist als Versprechen der Erleichterung

so berechtigt wie

unwiderstehlich.

Und dann sitzt man umgeben

von all den Enden. Was bleibt dann

noch zu tun? Lässt sich da noch

etwas machen?

Rückwendung

Alles beginnt von neuem, nichts

von vorne.

Die Kunst macht da keine Ausnahme.

Wollte man sie von vorne

begin nen, wie Sartre überzeugt

war, dass es die Maxime Giacomettis

gewesen sei, könnten ihre

Zu schreiben anfangen darf ich, wenn ich so lange

gewartet habe, daß die Ahnung wieder stärker werden

konnte als das Gewusste.

Peter Handke, >Die Geschichte des Bleistifts<

Gebilde so wie dessen Minimal-

Skulpturen nur solche einer äußersten

Flüchtigkeit sein, jeglicher

Dauer entzogen: Giacometti neigte

dazu, seine Plastiken wieder zu

zerstören. Nur die wenigen nahm

er davon aus, die er verkaufte, um

seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Eine Kunst, die von vorne begonnen

werden könnte, müsste

zuvor also vernichtet worden sein.

Sein Ursprung treibt die individuelle

Ausbildung eines Metiers

voran, man hat ihn mit seinen

maßsetzenden Verpflichtungen

immer im Rücken: Nicht ein Ziel

zieht, eine Herkunft treibt. So lautet

das Bewegungsgesetz jeder

Produktivität. Die Oberbietung des

Gewesenen ist das Motiv für das

„Neue“, nicht, etwas Neues zu

schaffen. Dieses entsteht, indem

die Möglichkeiten des Gegebenen

durchgearbeitet werden. So gehen

die Bilder aus Bildern, statt aus

ihren Ideen hervor. Was einem bei

der Arbeit vorschwebt, wird zu

einer eindeutig erkennbaren Gestalt

in der Erinnerung an ihre Vorgängerinnen.

Weil sich „Probleme“ nicht lösen

lassen – sie werden unerheblich,

indem sie verschwinden –, gibt es

immer wieder neue Bilder. Die

möglichen Beziehun gen etwa zwischen

den Farben Grün und Rot auf

einer Fläche sind zwar in ihrer unüberschaubaren

Mannigfaltigkeit

jedoch praktisch un endlich. Vermutlich

ließe sich die Unwahrscheinlichkeit

statistisch

demon strieren, dass

es je so viele Maler

geben könnte, derer

es bedürfte, ihre Mög -

lichkeiten auszuschöpfen.

So ist die Malerei

wie eine jede Kunst

ein unendliches Beginnen,

wes halb ein

Bild nicht nur auf das vorhergehende,

sondern auch aus ihm folgt.

Wer dagegen von neuem statt

von vorne beginnt, kann einem

Moment Dauer verleihen. Dass die

Kunst dazu in der Lage ist, hat ihr

in der uns be kannten Geschichte

ihre herausgehobene Wertschätzung

verliehen. Ihre Her kunft aus

dem Kult hat ihr bis heute eine Beziehung

zum „Ewigen“, zum „Zeitlosen“

bewahrt, die sie seit der

Antike allen Herrschern, allen

Mächti gen, allen auf Unterscheidung

von anderen Bedachten,

allen, die sich mit der Unzumutbarkeit

ihrer begrenzten Existenz nicht

abfinden mögen, als Me dium des

Überdauerns empfahl. Längst vergessene

Patrizier haben als Stifter

berühmter Gemälde „überlebt“.

Den Beginn, die Hervorbringung

einer derart auf Dauer setzen zu

wollen, ist freilich von einer Perspektive

auf Welt und Menschsein

bestimmt, die selbst deren unerträgliche

Zustände wesentlich zu

verantworten hat: das Urteil vom

Ende her. Respice finem, bedenke

das Ende!, lautet die klassische Ermahnung,

mit einem einschüchternden

Unterton der Drohung,

sonst das Wesentliche unrettbar zu

verfehlen. Der Wunsch nach Dauer,

nach Überdauern, ist von der Sehnsucht

eingegeben, das Ende überlisten

zu können, an dem zuallererst

sein Schrecken wahrgenommen

wird.

Ihn zu überwinden, ist wesentliches

Motiv und Hemmung des

nens zugleich. Den Schrecken des

Endes repräsentiert der Schrecken

der Leere, gegen den jedes produktive

Beginnen durchzusetzen sei,

wie er zum modernen Mythos des

Künstlertums gehört: als weiße

Leinwand, weißes Papier, noch unbewegt

einsam auf dem Bildschirm

blinkender Cursor – be wege mich,

so wirst du frei.

Aber ist die Befangenheit vor

dem Weiß nicht eher Entmutigung

vor der Überfülle der Möglichkeiten

als Horror vor der Leere, die zu füllen

die eigenen Kräfte übersteigen

könnte? Im Weiß sind alle Farben

gebunden, es enthält in sich das

Universum des Möglichen. Nur das

ist ein Beginnen, das keine Mög -

lichkeit ausschließt. Es ist die Bereitschaft

zu als man glaubt, schon

wissen und tun zu können. Wer

sich ein festes Ziel setzt, muss es

verfehlen. In jedem Beginnen wirkt

das Motiv, die Aufhebung der

Leere, die Aktualisierung des Möglichen

zu verstetigen. Das aber

kann nur als Prozess gelingen.

Immer wieder von neuem zu

beginnen heißt nicht, „das Neue“

hervorzubringen.

Bedingung dafür wäre, dass dem

ein Ende voranginge. Wer eine

neue Malerei will, muss zuvor das

Ende der Malerei wollen. Weil so

viel von eben diesem Ende hergemacht

wurde, gibt es so viel Neues

in der Malerei.

Der Kult des Neuen geht, abseits

kommerzieller Marktmechanismen,

mit einer verborgenen Verherrlichung

einher, die zu einer tragenden

Kon vention unserer Kultur

geworden ist. Wozu ist das gut?

muss sich jeder und alles allezeit

fragen lassen. So zu fragen aber

heißt, vor der Zeit Rechenschaft

über ein Ende zu fordern, das noch

nicht eingetreten ist: Wird das, was

daraus werden kann, einmal gut

gewesen sein? Die vorweggenommene

vollendete Vergangenheit

muss jedes Beginnen im Keim ersticken.

Nach ihrem Maß zu urtei-

126


len aber bedeutet, den Tod zum

obersten Maßstab zu erheben, den

physischen Agenten des Beendens.

Alle Religionen mühen sich an

seinem Skandal ab. Aber hätte

man ihn nicht behoben, hoffte

man für das Leben nur von seinem

Anfang her, statt über sein Ende

hinaus?

Es könnte uns wohler ergehen,

dächten wir, statt darauf zu hoffen,

unser Ende überlisten zu können,

dem voran, wie wir unser Begonnen-Haben

zu erfüllen vermöchten.

In ihrem unendlichen Beginnen

setzt die Kunst den Tod dorthin,

wohin er allein gehört: ans Ende

des Lebens, außerhalb seiner.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen,

hat die Philosophie ihn

immer an den Beginn ihrer Bestimmungen

des Lebens gesetzt. Deshalb

hat sie einer Lebensform

nichts mehr, noch nichts wieder, zu

sagen, die den Tod ver drängt, weil

sie ihn selbst, entgegen ihrer

menschlichen Bestimmung, unauf -

hörlich hervorbringt.

Die Vollendbarkeit der Geburt ist

das Thema der Philosophie im

Übergang zum kommenden Jahrhundert.

Es gibt ein Leben nach der

Geburt.

Zweite Geburt

Alles, was wir sind, sind wir

„von Geburt“, weil durch Geburt.

Daraus zu folgern, wir trügen

alle unsere Möglichkeiten bei unserer

Ge burt bereits in uns, wäre

verfehlt. Möglichkeiten sind einem

nicht „gegeben“, man muss sie

sich verschaffen. „Gegeben“ sind

einem Fähigkeiten und Fertig -

keiten. Es ist grundlos, sich über

einen „Mangel“ an Möglichkeiten,

über ungünstige „Umstände“ zu

beklagen. Eine Fertigkeit, ein Vermögen,

die ge bildet und ausgeübt

werden, schaffen sich ihre Umstände.

Es sind immer die jeweils

günstigsten.

Ein Leben beginnt nicht einmal,

mit seiner Geburt, sondern ständig.

Zu leben heißt, sich unablässig zu

erneuern und sich so von seinem

Ursprung zu entfernen.

In den Künsten ist diese Bedingung

des Lebens am reinsten erfüllt.

An ihnen lässt sich lernen,

dass das Beginnen in seiner Unablässigkeit

ein Prozess der Formung

ist. Vorgefundenes aufzunehmen

und ihm Gestalt zu geben ist die

Arbeit der Kunst, deren Gelingen

sie zum Modell des Lebens macht.

Jede Handlung zur Gestaltung eines

Lebens ist eine zweite Geburt, die

eine der Möglichkeiten verwirklicht,

in deren Fülle die erste entließ.

Perspektivenwechsel

Im Übergang ins neue Jahrhundert,

nach einem der Zerstörung,

der grenzen losen Menschenfeindlichkeit,

kommt es auf eine Umwendung

der Perspekti vität

unserer Welt- und Selbsterfahrung

an, hin auf den unendlichen Prozess

des Beginnens, fort von der

Fixierung aufs Beenden. Darin liegt

die größte Aufgabe des Denkens,

das aufs Ganze des Lebens geht,

sein Verständnis, das seine Formen

prägt, vom Schreckbild seines

Endes zu lösen.

So lässt sich nur hoffen, dass

keine Frage endgültig beantwortet

werde: Das wäre der Beginn der

Unendlichkeit des Nicht-mehr-Beginnens,

des Nichts.

Solange Auseinandersetzungen

wie die der Farben gegen das

Schwarz in der Malerei andauern,

muss einem darum nicht hoffnungslos

bange sein.

Ingo, 1971. Cold turkey

127


Ingrid Kaftan Weitermachen.

die Scheune von Schmerwitz

Fensteröffnungen in der Scheune und der „Lückenbüßer“ aus Ton von Ingrid

128


die Scheune von Schmerwitz im Betrieb

Ingrid Kaftan Akt, 2015

129


10 Fragen an

Irene Warnke

Abstürze und Höhenflüge

Irene, Du hast die sieben Kunstwochen

in Schmerwitz mitverantwortet.

Hast Du im Nachhinein ein

gutes Gefühl, würdest Du heute

sowas nochmal machen?

In der Erinnerung scheinen mir die

Kunstwochen in Schmerwitz wie

ein Traum von Freiheit und offener

Weite in einer weit zurückliegenden

Zeit, auf einer fernen Insel.

Das ist für mich alles untergegangen.

Aber viele sind gerettet.

Seit Deinem Studium an der Akademie

arbeitest Du unaufhörlich an

Deiner Malerei. Bist Du auch ein

anerkannter Künstler? Und kannst

Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?

Von meiner Kunst allein könnte ich

nicht leben aber für meine Kunst

lebe ich, somit auch von ...

Ich kann mir nicht vorstellen

ohne ...

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidende

Rolle?

Bist Du im „Geschäft“?

In meinem Leben hat sich für mich

in kommerziellen Galerien nichts

abgespielt. Produzentengalerien

finde ich immer noch ein gutes

ehrliches Konzept. Der Kunstmarkt

... was soll ich dazu sagen, auf

jeden Fall sorgen die Kunst-Funktionäre

und -Auktionäre dafür, dass

Bilder weit herumkommen in der

Welt und immer wertvoller werden.

Viele landen aber auch in unterirdischen

Lagerhallen und Tresoren.

Warum sehen wir so wenig russische,

asiatische, afrikanische

Kunst?

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Ohne meine Kollegen wäre ich

ärmer. Sie sind meine Mitstreiter,

Kritiker, Freunde, Unterstützer,

Leidens- und Freudensgenossen.

Ich bewundere und kritisiere ihre

Arbeit und ihr Durchhaltevermögen,

trotz mancher Depression aus

Angst vor schwindender Intuition

oder vor Geldmangel. Also ohne

Frage, Kollegen bereichern mich,

überraschen mich immer wieder.

Manchmal denke ich: sowas hätte

ich auch gerne gemalt.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen in

der Kunstgeschichte?

Ich erinnere mich an eine Begebenheit

aus meiner Kindheit, die

mir die magische Kraft von Bildern

vor Augen führte. Ich war sieben

(?). Meine Eltern wollten ausgehen,

ich musste alleine zu Hause

bleiben. Es wurde dunkel. Ich

fürchtete mich. Ich hatte ein Buch

zum Anschauen. Beim Blättern

stieß ich auf eine Karikatur, die

mich ansprang, mich mit wild

verzerrtem Gesicht anschaute.

In großer Angst rannte ich im

Nachthemd ins Treppenhaus und

zu den Nachbarn, wollte Schutz

und Trost ... Wer der Künstler war

habe ich vergessen.

Sind Deine Arbeiten politisch?

Ich erlebe gesellschaftliches

Geschehen. Es lässt mich nicht kalt

und vieles macht mir Angst. Jenseits

von Sprache und berechnender

Intelligenz werden Bilder und

Installationen etc. geschaffen, die

verschiedene Betrachter unterschiedlich

sehen und erleben.

Wir interpretieren Bilder intuitiv

und verbinden sie mit unseren

eigenen Erfahrungen und

Erinnerungen. Ich betrachte Bilder

intensiv und achte darauf, was sie

in mir auslösen. Genau so intensiv

und konsequent male ich, so wie

ich empfinde. Fotos, Bilder und

reales Leben geben Anregungen

oder sind Auslöser. Auch wenn ich

vieles in der wildwuchernden

Kunstszene nicht so recht verstehe

bin ich sicher, dass irgendwo

großartige Künstler arbeiten.

Vielleicht kann in 100 Jahren ein

zukünftiger Betrachter in meinen

Bildern erkennen, in welchen

Spannungen ich und meine

Zeitgenossen gelebt haben.

Hat das alles mit politischen

Bildern zu tun?

Gehst Du zum Essen öfter aus oder

findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause?

Was ist Dein Lieblingsgericht?

Wenn mein Budget es erlaubt gehe

ich gerne auswärts essen, was

selten vorkommt.

Meine Lieblingsgerichte sind Auberginen,

Zucchini, Gurken, Tomaten,

Chicorée, Zwiebeln, Kräuter,

Reis, Kartoffeln, Obst.

Welche Musik hast Du zuletzt

gerne gehört?

Ich habe keine ausgesprochene

Lieblingsmusik. Ich höre gerne

Madrigale von Gesualdo da Venosa

(1566–1613, italienischer Fürst und

Komponist der Renaissance). Nach

wie vor liebe ich Jazz, Amy Winehouse

und auch die Tiger Lillies.

Es kommt auf meine Verfassung

an.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt

hinausgegangen bist, war ...

Ganz großartig fand ich die

documenta von 2013 und da

besonders die Videoinstallation von

Jenifer Allora & Guilermo Calzadilla.

Auf einer 35000 Jahre alten Knochenflöte

aus dem Speichenknochen

des Flügels eines

Gänsegeiers, dem ältesten bisher

gefundenen Musikinstrument,

spielt Bernadette Käfer, die sich auf

prähistorische Musikinstrumente

spezialisiert hat. Neben der Flötenspielerin

ein lebendiger Gänsegeier

mit seinen intelligenten Augen, als

lausche er der Musik, als erkenne

er den Knochen eines Vorfahren

wieder, aus dem die Flöte ist.

Sonst noch Lucien Freud, Philip

Guston, Billy Childish, Leon Golub ...

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Ich liebe die alten Meister der

Kunst, besonders der Malerei. Ich

nehme ihre Bilder in mich auf, ich

erinnere sie wieder wenn ich an

sie denke, auch an die Gefühle, die

sie in mir ausgelöst haben. So

beeinflussen sie meine eigene

Malerei, ungewollt und auch

gewollt, bei der Suche danach, wie

andere eine bestimmte Sache

darstellen.

Zu meinem letzten Bild fand ich

zufällig einen Namen. Vor kurzem

schaute ich mir eine Ausstellung

von Marc Quinn an mit Tapisserien,

hineingewebt waren Bilder aus

Zeitungen, die Steine werfende

junge Rebellen zeigen vor brennendem

Hintergrund. Daneben

Bilder von Wolken. Es gab einen

Hinweis auf den „Sturz des Ikarus“

von Breughel. Da ist Ikarus kaum

zu erkennen, nur ein Füßchen

schaut aus dem Wasser. Niemand

beachtet den Sturz. Die Welt dreht

sich weiter.

Das alles fiel mir ein als ich am

oberen Rand meines Bildes, das ich

gerade in Arbeit hatte, eine kleine

Figur entdeckte die aussah wie der

Ikarus auf Picassos Bild über den

Mythos, klein und zart, durch

Hochmut zu Fall gekommen.

So ist mein Bild zu seinem Namen

gekommen.

Spannend finde ich in Bildern zu

forschen: was hat sich abgespielt

zu der Zeit in der sie entstanden

sind und welche Wirkung sie heute

auf den Betrachter haben.

130


Irene Warnke

linke Seite 119

Frau mit Frosch

2006

80 x 85 cm

Öl auf Leinwand

Tod

2005

80 x 95 cm,

Öl auf Leinwand

Seite 120

links

Fabrik und landschaft

2005

80 x 95 cm,

Öl auf Leinwand

oben

Fabrik und landschaft

2005

80 x 95 cm,

Öl auf Leinwand

131


132

Irene Warnke, Sumo, 2006, 80 x 85 cm, Öl auf Leinwand

und ich habe weiterhin damit zu

tun, bis zu meinem Ende, oder Anfang.

Ohne Anfang und Ende Angeregt

durch das amüsante Traktat

„Ein abstruser Begriff“ von Tommaso

Landolfi, das in Form einer Lehrstunde

über „Anfang und Ende“ erzählt,

Begriffe, die wir in unseren

Alltag integriert haben, oft ohne

weiter darüber nachzudenken: Weil

ich zu meinen Bildern nicht auch

noch ein Sprachbild hinzufügen

möchte, vielleicht auch aus Fantasielosigkeit,

antworte ich, wenn

mich jemand fragt wie das Bild

heißt: „Ohne Anfang und Ende“. Vor

einiger Zeit fing ich an auf 3,50 m

langen oder noch längeren Papierstreifen

zu zeichnen, landschaftliche

Bruchstücke, halb versunkene Gebäude,

strukturlose Flecken, Menschen

und Tiere, die dahin ziehen. Es

gibt eigentlich keine abgeschlossene

Komposition, es geht endlos so

weiter, vieles wiederholt sich, neue

Elemente kommen hinzu, die Art

der Zeichnung und die Technik ändern

sich. Die Bildstreifen haben

eine andere Grundlage, andere

Kompositionselemente und sind mit

einer anderen philosophischen Auffassung

erdacht als quadratische Bilder

oder solche im Format von

sagen wir 1,50 x 1,80 m, jedenfalls

einem von vier Seiten begrenzten

Format. Auch wenn das sichtbare

Bild innerhalb seines fest umrissenen

Rahmens dargestellt ist, ist es

möglich die Gestaltung so zu schaffen,

dass deutlich wird, das Bild

reicht in der Vorstellung und Konsequenz

der Komposition über seinen

Rahmen hinaus. Ob eine philosophische

Idee oder eine weltanschauliche

dahinter steht, weiß ich nicht.

Aber Experimentierfreude ist ein

Verhalten mit offenem Ende. Einige

Künstler versuchten auf ihre Weise

das „Ohne Anfang und Ende“ und

damit ihre philosophische Vorstellung

darzustellen. Eigentlich ist die

Frage auch offen, was „Anfang“ und

„Ende“ letztlich bedeuten. Wie ist es

beim Wind mit A & E? Ohne noch

weiter über Zeit und Raum zu reden

kann ich nur anregen, den Text von

Tommaso Landolfi zu lesen.* Jetzt,

wo es sich dem Ende nähert, wird

mir deutlicher, ich habe in meinem

Malerleben von Anfang an mit A &

E zutun gehabt und ich habe weiterhin

damit zu tun, bis zu meinem

Ende, oder Anfang. Ohne Anfang

und Ende Angeregt durch das amü-


langen oder noch längeren Papierstreifen

zu zeichnen, landschaftliche

heißt: „Ohne Anfang und Ende“. Vor

einiger Zeit fing ich an auf 3,50 m

auch noch ein Sprachbild hinzufügen

möchte, vielleicht auch aus Fantasielosigkeit,

antworte ich, wenn

mich jemand fragt wie das Bild

ohne weiter darüber nachzudenken:

Weil ich zu meinen Bildern nicht

Ende“ erzählt, Begriffe, die wir in

unseren Alltag integriert haben, oft

von Tommaso Landolfi, das in Form

einer Lehrstunde über „Anfang und

und Ende Angeregt durch das amüsante

Traktat „Ein abstruser Begriff“

lerleben von Anfang an mit A & E

zutun gehabt und ich habe weiterhin

damit zu tun, bis zu meinem

Ende, oder Anfang. Ohne Anfang

sich dem Ende nähert, wird mir

deutlicher, ich habe in meinem Ma-

ich nur anregen, den Text von Tommaso

Landolfi zu lesen.* Jetzt, wo es

Wind mit A & E? Ohne noch weiter

über Zeit und Raum zu reden kann

offen, was „Anfang“ und „Ende“

letztlich bedeuten. Wie ist es beim

philosophische Vorstellung darzustellen.

Eigentlich ist die Frage auch

mentierfreude ist ein Verhalten mit

offenem Ende. Einige Künstler versuchten

auf ihre Weise das „Ohne

Anfang und Ende“ und damit ihre

oder eine weltanschauliche dahinter

steht, weiß ich nicht. Aber Experi-

Komposition über seinen Rahmen

hinaus. Ob eine philosophische Idee

dargestellt ist, ist es möglich die Gestaltung

so zu schaffen, dass deutlich

wird, das Bild reicht in der

Vorstellung und Konsequenz der

wenn das sichtbare Bild innerhalb

seines fest umrissenen Rahmens

1,50 x 1,80, jedenfalls einem von

vier Seiten begrenzten Format. Auch

erdacht als quadratische Bilder oder

solche im Format von sagen wir

sich. Die Bildstreifen haben eine andere

Grundlage, andere Kompositionselemente

und sind mit einer

anderen philosophischen Auffassung

position, es geht endlos so weiter,

vieles wiederholt sich, neue Elemente

kommen hinzu, die Art der

Zeichnung und die Technik ändern

Tiere, die dahin ziehen. Es gibt eigentlich

keine abgeschlossene Kom-

stücke, halb versunkene Gebäude,

strukturlose Flecken, Menschen und

Bruchstücke, halb versunkene Gebäude,

strukturlose Flecken, Menschen

und Tiere, die dahin ziehen. Es

* Tommaso Landolfi, Mailand gibt es nicht, Band 2, Ein abstruser Begriff, S. 238 ff. Rowohlt 1989

Irene Warnke Übergang, 2005, 51 x 43 cm, Tusche auf Papier

133


Die Welt ist alles was der Fall ist

Die Hecken von Schmerwitz

Kristin Sperlich Kirche Schmerwitz, 1998, 55 x 65 cm, Öl auf Leinwand

Draht und Hühner in Schmerwitz

134

Bär 2009, 15,5 x 11,5 cm, Bleistift

alle Bären: Kristin Sperlich

Bär 2004, 55 x 94 cm, Öl auf Leinwand

Bär 2010, 90 x 63 cm,

Gouache


135


136


Lieber Peter,

Du fragtest, ob ich irgendetwas

schreiben kann. Dämlich, wie ich

bin, sagte ich ja. Ich konnte mich

schon immer schlecht abgrenzen.

Da es unter anderem um

Schmerwitz und die Kunstwoche

geht nur ein paar Sätze zur

Suchthilfe Synanon.

Seit 2000 lebe ich nicht mehr dort,

alles verblasst. Von 1971 an bis

zum moralischen Niedergang Ende

der Neunziger lief die Sache gut.

Ein wildes Projekt, eine Utopie, ein

sicherer Hafen zum Nüchternwerden,

eine aufregende Sache,

die eben nicht in unsere

verwaltete Welt passte.

Später waren wir selbst

eine große, verwaltete Firma.

Mein grenzenloses Erstaunen im

Rückblick: wie konnte das überhaupt

so lange gut gehen? Denn:

wir waren ja eine Sammlung von

Wichtigtuern, Dilettanten, Irren und

Dummköpfen. Und der ganze

Laden war doch fleißig, produktiv,

hektisch und sich immer

neu erfindend.

Eine Sammlung von

Außenseitern. Ein vorbestrafter

Totschläger, ein Mann mit nur einer

Kontaktlinse („hab ich meim Alten

geklaut“), eine Exnutte aus dem

Badischen, deren Gossenslang man

überhaupt nicht verstehen konnte.

Eine Sammlung völlig ungebildeter,

unausgebildeter Freaks. Einige

Emporkömmlinge wurden dann

plötzlich besonders angepasst und

bürokratisch. Wir waren jung,

hatten Biss und Angst vor dem

Rückfall. Das hielt uns zusammen,

ehe alles erodierte.

Für mich war es lange Jahre

das Ideal einer Besitz- und Klassenlosen

Gesellschaft, so wie ein

Orden oder ein Kibbuz.

Es gab gute, kurze Anweisungen an

die Faulpelze: „einfach machen“

und klare Regeln zum Umgang

miteinander und wilde nächtliche

Grupengespräche. Es war eine

großartige Zeit und ich bin dankbar,

dabei gewesen zu sein.

10 Fragen an

Marcus Sperlich

Das Gut Schmerwitz liegt im

827 km² großen Naturpark Hoher

Fläming in Brandenburg. Das Gut

wurde 1991 durch SYNANON erworben

und als sogenannter

Zweckbetrieb bewirtschaftet.

Ziel des Vereins ist es, drogenund

alkoholabhängigen Menschen

einen suchtfreien Lebens- und

Arbeitsrahmen zu bieten.

Marcus, Du warst von 1991 bis

1999 für die landwirtschaftliche

Leitung der 1370 ha verantwortlich.

Ihr habt das ehemalige

Volkseigene Gut auf biologischdynamische

Wirtschaftsweise

umgestellt und umfangreiche

landschaftliche Gestaltungsmaßnahmen

realisiert. Im Jahr 2000

wurde der Betrieb verkauft und

wird seitdem weiterhin als ökologisch

wirtschaftender Betrieb

geführt.

1.

Dir war immer auch die ästhetisch

ansprechende Gestaltung der riesigen

Flächen ein großes Anliegen.

Hattest Du Vorbilder?

Ich habe Landschaftsgärten

kennengelernt und mit ebenso

kundiger wie origineller Begleitung

meines Vaters, einem Kunstund

Gartenhistoriker, durchstreift.

Unter anderem Cirencster, Stourhead,

Wörlitz, Muskau, Branitz,

Pfaueninsel und Babelsberg.

Vorbilder gab es nicht, denn es

gab meines Wissens nie eine so

umfangreiche Umgestaltung von

Agrarlandschaft. Entweder waren

die Versuche zu statisch oder

ängstlich oder zu kleinkariert.

Meine Heckenlandschaften sind

das nicht. Aber es sind ja Fleckenbühl

und Schmerwitz keine Parks.

Auch glaubte ich nie mich auch nur

entfernt mit Fürst Pückler messen

zu können. Meine Leitlinien waren:

Landwirtschaft, Jagd, Ökologie,

Zweckmäßigkeit im Hinblick auf

Großtechnik und zuletzt erst die

reine Schönheit.

2.

Und zwischendurch kamen noch

die Künstler, besetzten Arbeitsräume

und „störten“ den alltäglichen

Betrieb. Kannst Du Dich an

die Symposien erinnern? Du warst

immer sehr präsent und hast die

Kulturschaffenden auch regelmäßig

herumgeführt.

Die Kunstwochen waren einfach

toll. Endlich kamen mal andere

Exzentriker zu uns, als nur unsere

hilfesuchenden Süchtigen. Es war

erhebend und ich bin heute noch

dankbar, dort am Rande mitgewirkt

zu haben.

3.

Was war das für ein eigenartiges

Gebilde auf dem Hof, das so aussieht

wie eine Skulptur?

Das ist ein Oloid.

Paul Schatz, ein Weggefährte

Rudolf Steiners, beschäftigte sich

mit den umstülpbaren Platonischen

Körpern. Ein Oloid wird aus dem

Würfel entwickelt. Mit dem Schlosser

und Ingenieur aus der Schweiz,

Hermann Dettwiler, schufen wir

gemeinsam dieses für die praktische

Landwirtschaft wichtige Gerät.

In der biologisch-dynamischen

Landwirtschaft werden, mit der

Homöopathie entfernt vergleichbare

Verdünnungen eingesetzt,

Hornmist und Hornkiesel, die eine

Stunde gerührt (dynamisiert) werden

zum Ausbringen auf die Felder.

Das Hand-Rühren fand ich immer

etwas langweilig. Trotz der esoterischen

Erklärungen anderer Demeter-Bauern.

Und nun schon gar für

1.300 Hektar? Also ein Uranthroposophisches

Konzept in die Praxis

der Präparate eingeführt.

4.

Welche Musik hörst Du zur Zeit?

Senatra, Ramones, Gerry Mulligan,

Sellah Sue, Kinks, the Internet, Marianne

Rosenberg, Hiatus Kyote,

the Count Bishops, Hazmat Modine,

the Delphonics, Bryan Ferry

5.

Du kochst sehr gerne und gut, das

ist auch ein Kulturgut. Ist Kochen

auch eine Kunst oder – Kunst?

Kochen ist Handwerk und

Abschmecken und eine Prise

Stilempfinden. Zitat von

Christian Lohse:

„Mein Burgund: Flüsse aus Sahne,

Seen von Creme fraiche und Berge

von Butter“.

6.

Muss es für die Kunst Grenzen

geben? Joseph Beuys hat mal behauptet

„Schönheit ist der Glanz

der Wahrheit.“ Kannst Du das

unterschreiben?

Kunst darf alles.

Schön oder nicht, spannend sollte

sie sein.

7.

Du bist umgeben von Kunst aufgewachsen.

Hat Dich das positiv

beeinflusst?

Kann gut sein. Hab’s aber erst spät

gemerkt. In der Kindheit wurde uns

viel vorgelesen, von Grimms Märchen

bis Homer. Viele Künstler und

Dichter verkehrten bei meinen

Eltern und schon früh ging ich zu

Atelierbesuchen mit. Museumsbesuche

waren häufig und selbstverständlich.

Kunst ist ja das einzige

was uns aus unserer Banalität

befreit. Egal ob man ein Bild von

Mark Rothko anschaut oder in eine

romanische Kirche geht, Joseph

Conrad liest oder was immer. Auch

mein Großvater war ein gebildeter

Kunstkenner. Ich bin dankbar dafür,

dass ich von Kindheit an nie

trocken belehrt wurde über Kunst,

sondern spielerisch herangeführt

wurde und dass immer jemand da

war diesbezügliche Fragen von

mir zu beantworten.

8.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Eine lustige Frage. Ja, fast alles.

Wie sah das Leben aus? Was ist

schön? Womit beschäftigten sich

die Menschen jener Epoche?

Wie wurden Herrscher gesehen?

Wie schaut uns die Natur an?

Wie überlebt man? Was sind

Farben? Und: soziale Verhältnisse,

Utopien, Glaube, Architektur,

Männer, Frauen und Kinder.

9.

Und vielleicht hast Du selbst ja

noch ein paar Antworten, ohne

dass Du gefragt bist.

Vertraue dir selbst.

(Ralph Waldo Emerson)

Schön, wenn man

ein tolles Weib hat.

Hauptsache es gibt

was zu lachen.

Vegan ist ein pseudoreligiöser

Scheiß.

137


Die Welt ist all

Wuthering heights

Tut / Off the hook

Beileidige

Mittleibige

Füllgewichtige

Sorglosigkeitige

Ein für alle Mal

Ich Else Lasters Schüler

Armenhausverschwürige Ästhetik

von schweinbeinigkeit und

Weiß schon lang nicht mehr

vor blinder Wut

Idealgewichtigtum

Noch ein nicht aus

Die Wupper fließt trotz alledem

Dein Leib wie Fisch

wie Pelz dein Haar ich labe mich

so wie zu Tisch mit deinen Worten

die aber keine Worte sind

ich nehm sie an und es ist gut

und mir ist wohl und warm

in deinem Arm

die Liebe die nicht endet

fing nicht an

Zweileidige Ausflucht vor Ort

Dreibeinige homunkulusse

Ergießt sich aus sich selbst heraus

Und will um eine Ecke biegen und

zwischen Stühlen und Mäusen

Ach! Was

Fast wie nebenbei

Die Kurve zur Vernunft

Wenn die Welt

Auf meine Worte warten tut /

noch kriegen

Dieweil die Bretter dieser Welt

Vor lachen sich verbiegen

wartet

Wie auf erdbeertorte / nicht

Ho ho!

minder ist des Narren Wut

Er brennt an einer blinden Glut

Die niemand nichts nicht weh tun

tut

Ich bin ein Narr du bist ein Geist

und weil nichts war

wird auch nichts sein

die Seele fliegt um dich herum

kommt nicht hinein

in deinen Leib

der nur ein Körper war

Fundstücke, März 2013

Ich schrei nach dir du hörst mich

nicht und spürst mich nicht

du bist zu weit entfernt von mir

und zwischen uns ist es zu tief

zu hoch zu weit und

es fehlt die Gelegenheit

wir leben in der falschen Zeit

Geliebter Geist

Fundstücke

Stühle, Peking 2012

Fundstücke

13. April 2015, 09:34

zufällig auf dem Rückweg vom Cafe Rat und

Tat durch die Scheiben der JunirUni gesehen:

Grölle bei der Arbeit.

138


139


10 Fragen an

Jürgen Grölle

Mit einem vertrauten „Lieber

Bolle“ fangen wir mal an, um

direkt unser Verhältnis klar zu

stellen. Also, das ist nicht objektiv

und journalistisch, nicht distanziert,

dazu kennen wir uns zu lange und

selbstverständlich erst recht nicht

ohne Hintergedanken. Dazu kennst

Du mich zu gut. Also vorsichtig bei

Deinen Antworten. Und die mir

wichtigste zuerst. Um direkt mit

der Tür ins Haus zu fallen.

1.

Wann beendest Du denn Deine

nun bereits fast siebenjährige

„Pause“ in der Malerei? Du weißt

ja, dass ich Deine Bilder noch

immer sehr schätze. Nebenbei, die

Musik auch, aber das ist noch ein

spezieller Fall. Ich hoffe, da kommt

nicht ein „das ist doch Geschichte“

und „ich fühle mich doch so wohl

als Galerist“ (der Du ja nie sein

wolltest). Weil da ja die Probleme

mit dem Markt, den Sammlern

dieselben sind, wie im Umgang

mit den eigenen Tafelbildern. Oder

sind Dir einfach nur die Ideen ausgegangen?

Nein, die Ideen sind mir nicht

ausgegangen und in der Tat fühle

ich mich auf der linken Seite

amputiert. Aber die Arbeit mit der

Kunst anderer ist genau so ein

künstlerisch kreativer Prozess wie

die Malerei selbst.

140

„Das letzte Bild“, Jürgen Grölle, Malerei 2009

2.

Falls Du in der Malerei schon alles

gemalt hast, was Du wolltest und

was ging, na gut. Vielleicht befehlen

Dir ja irgendwann „höhere

Wesen“ weiterzumachen. Besteht

da doch noch eine kleine Hoffnung?

Kannst Du von der Kunstarbeit

leben? So direkt persönlich,

oder geht da alles, was da reinkommt,

wieder raus in die

Galerie-Arbeit?

Die höheren Wesen versuchen es

ständig, und ganz auszuschließen

ist es wirklich nicht. Ich weiß es

wirklich nicht. Ich lebe mit und

von der Kunstarbeit seit mehr als

30 Jahren. Es geht immer weiter.

Früher habe ich das Geld für Farbe

ausgegeben, heute für den Raum

für die Kunst von Künstlern, die

ich gerne ausstellen will.

3.

Bist Du immer zufrieden mit der

Kunst und den Ausstellungen

„Deiner“ Künstler? Und mit Deinen

Gästen, oder ist das egal? Da gab

es ja mal dieses Bild von den

Gottsucherbanden und den Unter-

Jürgen Grölle, Turin, 2015


haltungsidioten. Bist Du auch schon

mal pädagogisch unterwegs? Verspürst

Du eine Mission?

Ja. Mit meinen Künstlern und mit

meinen Gästen bin ich sehr zufrieden.

Und ich denke, dass beide

Seiten genau meine Mission spüren

oder verstehen: Nicht das Geld

verdienen aber das ganze Kunstding

eben, warte mal, ich würde

sagen, das mit der Mission ist sehr

komplex. Etwas mit drei Worten

hierzu zu sagen wäre zu wenig.

Was mich an der Galeriearbeit sehr

interessiert, ist einen Ort zu

schaffen, wo sich Schöpfungskraft

und Gestaltungswille entfalten

können und sichtbar werden.

4.

Vermisst Du die Musik, die Du nicht

mehr machst oder brauchst Du da

auch nur mal eine Pause? Da war

ja eine Menge an Energie zu hören.

Man erinnert sich an das eine oder

andere Saxofonspiel ... Und jetzt,

da Ornette einen anderen Ort

aufgesucht hat ... Das Saxofon

wurde ja auch erfunden, um die

Musik beim Marschieren besser

hören zu können.

Und zu spüren.

Ja, ja, Die Musik vermisse ich auch,

da denke ich auch ständig drüber

nach, in meinem „Keller“ mit alten

Musikerfreunden sessions zu

machen, aber irgendwie fehlt mir

doch die Zeit.

5.

Spielen der Kunstmarkt, Museen,

Galerien und Sammler für Dich

eine entscheidene Rolle?

Bist Du im „Geschäft“? Oder

beschreitest Du da auch einen

neuen Weg? Oder bist Du da

völlig unbeeinflussbar?

Wenn man sich auf die andere

Seite des Tisches begibt, nämlich

Kunstvermittlung und auch Kunstmarkt,

kann man sich vornehmen,

alles anders zu machen. Aber am

Ende holt einen die Realität doch

ein. Wenn man über- regional oder

sogar international „mitspielen“

will, muss man schon auf bestimmte

Standards achten.

Ich bin jetzt bald sechzig Jahre alt,

und ich kann deswegen auch alles

etwas entspannter angehen. Mir

ist sehr wichtig, dass die Künstler

wissen und spüren, dass ich mich

professionell um sie kümmere.

6.

„Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?“ Diese Frage halte ich

für ziemlich überflüssig. So wie Du

über die Kunst sprichst, die Du in

Grölles „passprojects“ ausstellst.

„Wem das Herz voll ist, dem läuft

der Mund über.“ So eine alte

Volksweisheit oder war es Martin

Luther? Also zurück zu den Kollegen.

Vermisst Du Peter Kowald?

Vermisse ich sehr.

7.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Künstler, Schlüsselbilder oder

Skulpturen in der Kunstgeschichte?

Oder sind es eher die Haltungen,

die Herangehensweisen, die Art

der Auseinandersetzung?

Beides. Es gibt für mich wichtige

Maler, wie zum Beispiel Jonathan

Lasker und noch viele andere, vor

allem Maler der frühen 90er Jahre,

die sich mit postabstrakter Malerei

beschäftigt haben. Aber meistens

interessieren mich die Haltungen

unterschiedlicher Künstler. Menschen.

Auf die Geschichte bezogen

Dadaismus und Fluxus.

8.

Hast Du Deine Arbeit jemals als politisch

empfunden?

Indirekt Ja. Kunst im Allgemeinen

ist politisch, aber subversiv.

Plakativ politische Kunst finde ich

doof. Überall da, wenn Menschen

versuchen, die Welt zu gestalten,

ist das politisch. Jeder Mensch ist

ein Politiker. Das hat Beuys so nicht

gesagt, aber gemeint.

9.

Deine legendären Donnerstags-

Suppenabende für die armseligen

und verlorenen Seelen und die

Neugierigen und die Heimatlosen

und die, die neben der Suppe auch

die Rede suchen und die interessantesten

Menschen der Talsohle

und der Höhen natürlich. Du hast ja

auch vor der Hochkultur weder

Berührungsängste noch falschen

Respekt. Da trifft sich bei Dir nicht

nur die Szene, die Künstlerkollegen

auf der Suche nach Erleuchtung,

nach den Künstlern für die Künstler,

da trifft man auch gestandene

Menschen aus der Wirtschaft, dem

Geistesleben und schon mal den

ein oder anderen Sportler. Sei es

der Boulespieler oder doch nur der

Kumpel aus der Gym. Zurück zum

Existenziellen: Was ist denn Dein

Lieblingsgericht? Womit kann man

Dir etwas Gutes tun?

Eisbein, Sauerkraut und Stampfkartoffeln.

10.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Hoffnung.

Lieber Herr Grölle,

ein herzliches Dankeschön für ein

aufschlussreiches Gespräch an

einem Donnerstagabend in der

Ausstellung „Heimatplan“,

Februar 2016.

Peter

„Im Osten nix Neues“, Jürgen Grölle,

Malerei 2009

141


10 Fragen an

Kim-Ludolf Koch

Lieber Kim.

Es muss 1993 gewesen sein, da

sind wir, Du als eingeladener Gastkünstler,

Gudrun und ich (Peter)

gemeinsam nach Schmerwitz zur

ersten Kunstwoche gefahren. Auf

dem Hinweg haben wir Catherine,

Deine Frau, in Bayreuth „von der

Arbeit“ abgeholt. Sie war damals

Gewandmeisterin bei den

Bayreuther Festspielen und sehr

beeindruckt von Yōji Yamamoto,

der die Kostüme der Inszenierung

entworfen hatte.

Wie viele aus unserer Generation,

waren wir Kollektivisten (als

Betreiber einer Galerie für intermediale

Zusammenarbeit an den

Rändern der Kunstwelt) damals

weit weg von den „Schlachten der

Gefühle“ und den schweren und

altmodischen Wagner-Vorgängen.

Wie wurden Wagner und die Inszenierung

von Heiner Müller damals

in der Zeit im Essay „Geometrie des

Todes“ von Eckhard Roelcke

beschrieben: „Das Sehnen und

Wallen, das Drängen und Stocken

der Musik, die bekannten rätselhaften

dissonanten Akkorde und all

die Vorhalte stimulieren das Auge.

Je länger man auf dieses monochrome

Bild starrt, desto mehr

scheinen sich die Konturen zu bewegen.

Die Farbe beginnt zu

flimmern. Doch die Sinne werden

getäuscht, denn in Wirklichkeit

passiert nichts. Alles Trug und

Wahn.“

Und dann später weiter: „Zwei

Welten, die sich gleichen und doch

unendlich voneinander entfernt

sind. Irgendwo verläuft eine

Grenze, aber die ist unsichtbar.“

Wir überfuhren dann die ehemalige

Grenze zur DDR (Ostzone)

Richtung Schmerwitz bei Belzig.

Der „Hohe Fläming“, eine historische

Landschaft, bekannt vor allem

durch die Schlacht von 1813, in der

preußische Soldaten und russische

Kosaken ein französisches Korps

von 10.000 Soldaten bis auf 3.000

Mann vernichteten.

Kim, Du hattest Betriebswirtschaft,

Publizistik und Germanistik studiert

und auch bei freien Spielfilmprojekten

mitgearbeitet, u.a. 1988 mit

Christoph Schlingensief, mit dem

Du „Mutters Maske“ produziert

hast. Ein Film mit Helge Schneider

als Martin Mühlenbeck und Brigitte

Kausch, die später mit dem

„deutschen Kettensägenmassaker“

bekannt wurde.

Für die Kunstwoche in Schmerwitz

hattest Du Dir das 8. Streichquartett

von Dmitri Dmitrijewitsch

Schostakowitsch vorgenommen

und wolltest das mit einem Film

über die kommende Woche

verbinden. Den Film hast Du auch

am Ende der Woche in einer

Uraufführung gezeigt: „High Art by

Low Budget“. Es gab darin eine

Reihe von ungewohnten Bildern

aus neuen Ländern, Künstler bei

der Arbeit, Landschaften und die

Hauptsache – die Musik.

Das Streichquartett c-Moll op. 110

ist Dmitri Schostakowitschs

8. Streichquartett.

Es ist sein autobiographischstes

Werk und gehört heute zu den

meistgespielten Streichquartetten

überhaupt obwohl es ein düsterkomplexes

Werk ist, mit dem

Schostakowitsch persönliche

Erinnerungen an Verfolgung,

Gängelung und Krieg musikalisch

reflektierte. Aber auch: „... ich

[habe] ein niemandem nützendes

und ideologisch verwerfliches

Quartett geschrieben. Ich dachte

darüber nach, dass, sollte ich

irgendwann einmal sterben, kaum

jemand ein Werk schreiben wird,

das meinem Andenken gewidmet

ist. Deshalb habe ich beschlossen,

selbst etwas Derartiges zu schreiben.

Man könnte auf seinen Einband

auch schreiben: ‚Gewidmet

dem Andenken des Komponisten

dieses Quartetts’. …“ [1]

Doch nun, nach dieser kleinen aber

hoffentlich angemessenen Einleitung

zu den zehn Fragen:

1.

Lieber Kim. Machst Du heute

immer noch Filme?

Nein, leider nicht. Aber ich habe

nach wie vor täglich mit Filmen zu

tun. Ich versuche so oft wie möglich

ins Kino zu gehen – privat wie

beruflich.

2.

Heute bist Du Geschäftsführer der

Cineplex Deutschland GmbH, verkürzt

gesagt bist Du zuständig für

450 Leinwände und 84 Kinos. Hast

Du die Seiten gewechselt?

So könnte man es sagen. Die

Cineplex-Gruppe ist ein Verbund

von 25 Familienunternehmen, die

zum Teil seit über 100 Jahren Kinos

betreiben. Seit 20 Jahren begleite

ich diese Kooperation und koordiniere

alle Aktivitäten, die diese Unternehmen

gemeinsam machen

können. Das beginnt beim Einkauf

sämtlicher Produkte und Dienstleistungen.

Das beginnt bei Popcorn,

Cola, Bier über technische Leistungen

wie Webseite, Kassensysteme

bis hin zu den Filmen. Im letzten

Jahr haben wir die Grenze von 500

Leinwänden überschritten und sind

mit 20 Mio. Kinobesuchern die

größte deutsche Kinomarke.

künstlerische Schaffen anderer.

So gehören für mich die Dokumentationen

„The Artist is present“

über die Künstlerin Marina

Abramovic und „Das Salz der

Erde“ über den Fotografen

Sebastao Salgado zu den

beeindruckendsten Filme der

letzten Jahre.

4.1 - 4.7.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Filme? Vielleicht kannst Du uns

sieben glorreiche nennen, die wir

unbedingt sehen müssen?

„Das Dschungelbuch“ von

Walt Disney, mein erster Film im

Kino, der immer noch unvergleichlich

ist.

„Egomania – Insel ohne Hoffnung“

von Christoph Schlingensief,

bei dem ich den allerersten

Kontakt als Kameraassistent zu

dem Medium bekam.

„1,2,3“ und „Zeugin der Anklage“,

weil Billy Wilder einer der

genialsten Regisseure aller Zeiten

war.

„French Connection“ von

William Friedkin, weil es keinen

besseren Polizeifilm gibt.

3.

Kannst Du Dich neben den „großen

Gefühlen“ und auch den Katastrophen

auf den immer größer wer-

Enrico mit Alain Delon und Lino

„Die Abenteurer“ von Robert

denden Leinwänden auch für die Ventura, weil die Freundschaft der

bildende Kunst begeistern? Männer über alles geht

Oder ist das kein Widerspruch und „Ausser Atem“ von Jean-Luc

es gehört einfach dazu, wenn man Godard, weil Belmondo so wunderbar

französische Zigaretten raucht

die humanistische Bildung,

Literatur, Wissenschaft und auch und niemand schöner Zeitungen

das Engagement im Gemeinwesen verkauft hat als Jean Seberg

für wichtig erachtet und pflegt.

„Das Leben der Anderen“ von

Film führt viele Künste zusammen, von Donnersmarck, weil deutsche

wenngleich oft im wesentlichen Geschichte selten so gut dargestellt

kommerzielle Ziele dabei im wurde.

Vordergrund stehen. Aber auch

dann ist das eine große Kunst, Und noch viele viele andere mehr

nämlich den Geschmack breiter

Massen zu erreichen. Persönlich 5.

interessieren mich allerdings eher Gehst Du zum Essen gerne aus

die anspruchsvolleren und künstlerisch

ambitionierteren Werke. gerichte eher Zuhause?

oder findest Du Deine Lieblings-

Eine besondere Leidenschaft gilt Was ist Dein Lieblingsgericht?

dem Dokumentarfilm über das Schon seit Generationen lautet

die Familientradition, Sonntags

Spaghetti mit einer einfachen, aber

wirkungsvollen Tomatensauce mit

der Familie und Freunden zu essen.

Ich gehe gerne essen, ziehe aber

die häusliche Atmosphäre guter

Köche vor – ebenso wie ich auch

gerne Freunde zu Gast habe.

6.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Hier ist es so ähnlich wie bei den

Filmen. Das Spektrum ist groß und

umfasst Werke von Bach,

Beethoven, Glass, Schubert, Ravel,

Chausson, Shostakovitsch (vorzugweise

deren Kammermusik) über

Getz, Blakey, Davis, Coltrane,

Peterson, Garbarek, Gardot, Jarrett,

Jarreau bis hin zu Zappa, Cash,

Genesis, Adele, Sinatra,

Winehouse, Cullum, Waits,

und viele viele mehr.

7.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war eher im Von der

Heydt-Museum oder in der Galerie

Grölle?

Sowohl als auch. Beide Finckh und

Grölle leisten auf ihren Plattformen

Großes für die Kunstszene in

Wuppertal.

High 8.

Kann man aus Filmen etwas lernen

oder sind sie mit dem Schluss zu

Ende?

Das widerspricht sich nicht und

natürlich kann man aus Filmen

etwas lernen – wenn man will.

Und manchmal möchte man

einfach auch nur gut unterhalten

werden oder wie es in der alten

schönen Berliner Kinoweisheit so

schön heißt. „Wenn ich schon

5 Mark zahle, dann will ich auch,

dass an meine niedersten

Instinkte appelliert wird.“

142

[1] Isaak Glikmann: Story of a Friendship: The Letters of Dmitry Shostakovich to Isaak Glikman. Cornell University Press 2001, S. 90 ff.


GROSSES KINO: „KIM & CATHERINE“

143


144

Andrea Hold-Ferneck Die Äpfel von Schmerwitz 1996


145


„– enfin, es ist alles in einer so merkwürdigen Weise melancholisch,

dass es einen Anblick bietet, der glücklicherweise so komisch ist, dass

man, statt darüber zu weinen, seinen Spaß daran haben kann”.

Vincent an Theo, 1883

Sonnenblumen. Neujahrsspaziergang 2009 mit Catherine, Susanne, Gudrun, Dirk, Peter und Bodo

146


147


Huitzilopochtli Edition

Herausgegeben vom

Atelier- und Galerie-Kollektiv

Anfang 1998 begann das Atelier-und Galerie-Kollektiv eine Serie mit multiplizierten Künstlerhandgriffen.

Diese Handgriffe sind Originalhandabdrücke von Künstlern in Tonerde, die anschließend in

Bronze gegossen werden. Vorgesehen war jeweils eine Auflage von 50 Originalexemplaren.

Grundlage dieser Edition ist Bodo Berheides Performance tausend handgriffe an einem tag,

1984 in der Galerie APROPOS in Luzern. Innerhalb dieser ca. 6-stündigen Aktion fertigte Berheide

tausend Handgriffe aus Tonerde an. In diesem Jahr wurden die ersten fünf Exemplare der für die

Edition vorgesehen Bronzehandgriffe von Bodo Berheide angefertigt. Weitere Künstler sollten

folgen.

Kunstarbeit – die ersten zehn Jahre.

Katalog, s/w

148 x 210 mm,

1987, Auflage 500 Stück

vergriffen

längst vergriffen

148


eine Tüte Überlebensmittel, herausgegebn zur Eröffnung der Ausstellung „Überlebensmittel“

in der Central.Galerie Remscheid. 2015. Auflage 30 Stück.

Bodo Berheide, Christian Ischebeck, Georg Janthur, Peter Klassen

„Freundschaft“. Multiple 18 x 24 cm.

Bodo Berheide / Peter Klassen: Multiple „Freundschaft“,

Leinwand auf Keilrahmen, 24 x 18 cm. Auflage: 40 Stück

Anlässlich der Ausstellung für Sri Lanka in der Galerie Epikur 2005

mit Renate Löbbecke, Regina Friedrich-Körner, Nanny de Ruig, Jörg Lange,

Peter Klassen, Bodo Berheide, Björn Überholz und Jürgen Grölle

vergriffen, so wie der Katalog zur Ausstellung

149


Huitzilopochtli Edition

Herausgegeben vom

Atelier- und Galerie-Kollektiv

CDs

mittlerweile eine

altertümliche Erscheinung

Das „Samurai-Orchestra“. Kein Gruß aus der

Küche, aber aus der Stadt am schwärzesten Fluss

der Welt, aus Wuppertal. All compositions,

played instruments and sometimes some lost

words & The virtual section: violins, basses, guitars,

switched drumloops, hammondorgans, synthPads,

(IMac, Prologic, M-audio-keyboard),

drumBOX. The real section: alto saxofones, Steinberger

bass-guitar, D’Armond-guitar, slide-guitar,

trash-guitar: Peter KlasZen. Meistens keine

Gäste. HeatWave: Zu-spät-Gebet des Samurais.

Wissen ist Nacht im Dunkel der Macht. ZEN – die

größte Lüge aller Zeiten: Transluzierte Rhythmen,

verrutschtes Geflügel und allerhand anderes Getöne.

„Für die Vögel (im Käfig)“ – John-Cage-

Groove. Totenwache. Für die verlorenen Freunde.

SHUTUP & play my MASTERPIECE: Never-endingplaylist.

Unendlich langer Klang, versöhnliche

Gezeitenschnecken. Drei-Körper-Leere: Gezupft

und gestrichen. Ohne Worte. Gelächter über rote

Sterne. („Am Ende wird uns niemand trösten

wenn wir in der Hölle rösten.“) Schweinehunde,

lächelnd: „Aufstand des Denkens gegen die

Kriegszivilisation des Geldes“, sagt Andreas

Steffens, sei notwendig. Verbrannte Erde. MOR-

GENRÖTE. Inmitten von Kirschblüten. Und immer

noch: offene Weite und nichts von heilig „... and

shall be tormented day and night for ever and

ever.“ exakt: (4 min 21)„WE’LL MEET AGAIN.“ Samurai,

last call.

„Die Ros´ ist ohn´ warum, sie blühet, weil sie

blühet. Sie acht´ nicht ihrer selbst, fragt nicht,

ob man sie siehet.”

Angelus Silesius.

Die Grundlagen dieser Musik bildet das Kunstwerk

„Sounds from the solar system“, von

Dirk Schlingmann 1999 in Bethany, West-Virginia,

veröffentlicht. Das war im letzten Jahrhundert.

Peter Klassen und Dirk Schlingmann trafen sich

das erste Mal im Jahr 1997, sie nahmen Teil

an einer Performance, zu der sie von Bodo

Berheide und seinem FIGURA MAGICA Projekt

eingeladen waren. Es war ein sehr, sehr kalter

Wintertag in Bethany, West-Virginia, draußen

unter einem gefrorenen Himmel. Computersounds,

eine mit dem Bogen gestrichene Bassgitarre

und Bodos Tanz um seine Skulptur

FIGURA MAGICA, das war die erste Zusammenarbeit.

In den Jahren danach arbeiteten Dirk

und Peter in mehreren Performances in

Deutschland zusammen. 2012 begann Peter

einen „REMIX“ mit Dirks „Solar-Sounds“. Anfang

2014 wurde diese Arbeit von beiden für

gut befunden und beendet.

eins zu eins

ein kleines Hardcoverbuch im Format 16 x 16 cm. 64 Seiten. Ausschnitte aus Arbeiten verschiedener Künstler im Format eins zu eins.

Aus Kunstwerken von Monika Günther, Ruedi Schill, Mogens Otto Nielsen, Harald Wolff, Rolf Glasmeier, David Mega, Volker Anding,

Juliane Stiegele, Paul Dieter Häbich, Rolf Glasmeier, Irene Warnke und anderen ...

leider auch vergriffen

B7

bodo berheide

Peter Klassen

Musik der Straße

150


Infiltración

El Mundo : El Idioma : El Arte

6PACK meets Matagalpa, Nicaragua

herausgegeben vom Atelier- und Galerie-

Kollektiv 2007, Auflage 300

Hardcover, Format 205 x 205 mm

96 Seiten

6PACK:

Regina Friedrich-Körner,

Renate Löbbecke,

Jörg Lange,

Nanny de Ruig,

Bodo Berheide

und

Peter Klassen

aus Nicaragua:

Miladys Flores,

Danilo Rivera

und

Pablo Pupiro

Katalog

zur Ausstellung

in der

Hagenring-Galerie 2015

„Was übrig bleibt – die Kunst“

148 x 148 mm

96 Seiten

Auflage 100 Stück

vergriffen

Katalog zur Ausstellung

„Kaufhaus Michel“

im Haus Fahrenkamp 2013

148 x 210 mm

96 Seiten

Auflage 200 Stück

vergriffen

Die Künstlergruppe 6PACK:

Regina Friedrich-Körner, Renate Löbbecke,

Peter Klassen, Jörg Lange, Bodo Berheide und

Nanny de Ruig. Seit 2002 war die Wuppertaler

Künstlergruppe mit der 1 m 3 großen Kiste,

gefüllt mit Kunstwerken und Projektideen,

in Partnerstädten von Wuppertal und sorgte für

einen intensiven kulturellen Austausch.

2012 bis 2013 ging die Kunst:Kiste allein auf

eine Reise durch Europa. Im Mittelpunkt standen

internationale künstlerische Interaktionen,

an denen sich zahlreiche Künstlergruppen

beteiligten.

Annähern, reflektieren, entnehmen, vielleicht

verändern und auch austauschen, reagieren.

Eine Form suchen, diese entstandenen Ideen,

Ereignisse und auch neu entstandene Kunstwerke

weiter transportieren.

www.movingartbox.de

151


Huitzilopochtli Edition

Herausgegeben vom

Atelier- und Galerie-Kollektiv

wird fortgesetzt ...

Literatur

Papiertiere Hardcoverbuch im Format 210 x 210 mm. 86 Seiten. Kunstgeprägte plastische Bilder ... Auflage 200 Stück. Ein Kleinod.

Augé, Marc

Non-Lieux.

Introduction à une

anthropologie de la

surmodernité,

Paris 1992; deutsch:

Nicht-Orte, Neuausgabe

München 2010

Dubuffet, Jean

Positionen

einer Gegenkultur,

in: ders.,

Malerei in der Falle.

Antikulturelle Positionen

(Paris 1967),

Schriften Band I,

Bern-Berlin 1991

Foucault, Michel

Die Heterotopien,

Der utopische Körper.

Zwei Radiovorträge,

Ffm 2005

Kitaj, Ronald Brooks

Erstes Manifest des

Diasporismus,

Zürich 1988

Perec, Georges

Espèces d’Espaces,

Paris 1974, deutsch:

Träume von Räumen,

Bremen 1990;

Neuausgabe

Zürich-Berlin 2014

Serres, Michel,

Atlas, Paris 1994;

deutsch Berlin 2005

Steffens, Andreas

Lekcja Beuysa, in:

Sztuka, Warschau,

Heft 4, 1988, 45-48; 57

Steffens, Andreas

Poetik der Welt,

Hamburg 1995

Steffens, Andreas

Selbst-Bildung.

Die Perspektive der

Anthropoästhetik,

Oberhausen 2011

Seinen Ort hat nur, was dort, wo es ist, sein kann, was es ist.

152


I

Zerstreuung

Es gibt keine Kunst mehr.

Sie hat sich vervielfältigt,

und aufgespalten: in Kunst und

UnKunst.

Wer heute von ihr spricht, muss

sagen, von welcher Kunst er spricht

– : von der Kunst als einem menschlichen

Vermögen, in der Welt zu sein,

oder von einer UnKunst, die eine der

vielen Masken ihrer Doppelgängerinnen

annahm.

Der klassische Ikonoklasmus ist

inzwischen durch eine weitere, ihrer

frivolen Dialektik verblüffende, Form

erweitert worden: die schleichende

Zerstörung der Kunst durch ihre Totalisierung.

Ihre Bestimmtheit geht

verloren, dermaßen, wie der Kreis

dessen, was als Kunst gelten soll,

sich unüberschaubar ausdehnt, und

die Orte, an denen sie anzutreffen

sein soll, sich vervielfältigen.

Seinen Ort hat nur, was dort, wo

es ist, sein kann, was es ist.

Die Verwirklichung der Avantgarde

ist zum Albtraum der Kunst

geworden. Aus den Institutionen

auszubrechen, hat sie auf Dauer

nicht von deren Enge und Exklusivität

befreit, sondern vogelfrei gemacht

für die ebenso hemmungslosen

wie desinteressierten Zugriffe

des Kommerzes und der Vergnügungssucht

der Arbeitsgesellschaft.

In alle Bereiche des Lebens eingedrungen,

scheint die Kunst in ihm

aufgegangen zu sein. Doch überall

ist nirgends. Sie nun allerorts anzutreffen,

heißt nicht, dass sie überall

auch hingehört. Am wenigsten, dass

sie überall auch als das, was ist, aufgenommen

wird.

Sie befindet sich in einem zwangsnomadischen

Exil: von dort, woher

sie stammt, dorthin verschleppt,

wohin sie nicht gehört; von dort in

die Flucht getrieben. Denn der Preis

ihres gesellschaftlichen Erfolges ist

ihr ästhetisches Versagen. Je mehr

ihre Verbreitung zunimmt, desto geringer

wird der Anteil der Kunst an

der Kunst. Ihr Erfolg weckt die Begehrlichkeit

der Halbtalente,

der Dilettanten und Simulanten.

Der professionelle Dilettant

besiegelt ihre Verwandlung

zur UnKunst. Seine Simulationen

überschwemmen die

Orte, wo sie nicht hingehört.

Das Werk wird durch sein

Fake verdrängt. Im Zeitalter

des totalen Als-Ob muss nichts

mehr sein, was es zu sein vorgibt,

fällt die Vortäuschung

nur geschickt genug aus. Die Beherrschung

der Attribute hat die Hervorbringung

der Substanzen ersetzt.

Übernimm die Geste, und man wird

dein Machwerk betrachten wie ein

Meisterwerk derer, denen du sie

nachahmst. Die Gleichgültigkeit als

Bedingung der asozialen Gesellschaft

einer totalitären Bereicherungsökonomie

hat die Entprofessionalisierung

aller Milieus und Lebensbereiche

zu deren verheerendster

Eigenschaft werden lassen. Damit

einher geht das Verschwinden der

Kritik, die keinen Ort in der Öffentlichkeit

mehr hat, und sich unter

Aufgabe sachlicher Maßstäbe des

Wertens in eine Abteilung der Werbebranche

verwandelt hat. An die

Stelle des Urteils des Kritikers trat

der Werbetext des Kurators.

Kein Ort mehr, an dem Kunst nicht

anzutreffen wäre, keiner mehr, an

dem sie bei sich ist. Da ihre gesellschaftliche

Präsenz grenzenlos wurde,

verlor Kunst ihre Bedeutung. Nicht

mehr an besonderen, von Wertschätzung

bestimmten Orten ausgestellt,

sondern überall gleichgültig

hergezeigt, stehen die Werke ungesehen

an den Prangern blinder

Schaulust. Überall zu sehen, sind sie

unsichtbar geworden. Die Zerstreuung

kirmeshafter Unterhaltung verdrängte

die Aufmerksamkeit bewusster

Wahrnehmung.

Für alle zugerichtet, zerfällt die

Kultur. Wozu Museen, Galerien,

wenn man Bilder in jedem Café,

beim Friseur, in Wartezimmern aller

Art zu sehen bekommt? Wenn es

denn noch Bilder wären, und keine

visuellen Plazebos.

Kunst wurde im buchstäblichen

Andreas Steffens

Utopie des Exils oder Topologie der Kunst

Der Raum ist ein Zweifel: ich muss ihn unaufhörlich abstecken,

ihn bezeichnen; er gehört niemals mir, er wird mir nie gegeben,

ich muss ihn erobern.

Sinn des griechischen Wortursprungs

utopisch: ortlos. Sie hat keinen Ort

mehr, weil ihr eigener von etwas

anderem besetzt wurde, das von ihr

kaum zu unterscheiden ist. Überall,

wohin sie auch geht, ist sie schon

da: eine freche Doppelgängerin,

zum Verwechseln ähnlich, hat sich

dort festgesetzt, wo sie sich niederlassen

wollte. Das hat sie weniger

zu einer Nomadin, als zu einer Exilantin

werden lassen.

Das muss kein Unglück, es kann

ihr künftiges Glück sein. Da sie nirgendwo

mehr ihren angestammten

Ort hat, kann sie nun überall sein,

was sie ist. Da sie keinen eigenen

Ort mehr hat, kann Kunst jeden zu

ihrem machen. Dort aufzutreten,

und sich als das, was sie ist, zu behaupten,

wo sie nicht hingehört,

wird zur Probe darauf, ob sie Kunst

noch sein will. Falsch ist nicht, dass

Bilder in einem Café, einem Friseursalon

hängen; falsch ist, dass sie

keine Bilder mehr sind. Ihrer Erniedrigung

zur Dekoration auch der öffentlichen

Räume nach der der privaten,

begegnet sie mit dem Selbstbewusstsein,

sich überall behaupten

zu können. Nichts ist so exklusiv wie

ein echtes Werk am falschen Ort.

II

Metropole, Peripherie, Markt

Georges Perec,

Die Eroberung des Raums

Die Geschichte der modernen

Gesellschaft war geprägt vom Gegensatz

Stadt-Land, Metropole-Peripherie.

Mit der postmodernen

Globalisierung der Diktatur der Bereicherungsökonomie

ist er gegenstandslos

geworden. Die Gesetze

des Kapitalmarktes gelten grenzenlos.

Sie nivellieren alle regionalen

und kulturellen Unterschiede. Entsprechend

herkunftslos werden die

Plazebos der UnKunst, die die klassischen

Orte der Kunst von überallher

überschwemmen.

Als gesellschaftliches Phänomen

wird der Ort der UnKunst nicht von

deren Produzenten bestimmt, sondern

von ihren Verwertern und

deren Publikum. Die Kleingewerbetreibenden,

die die UnKunst herstellen,

fallen zurück auf den ersten Status

des modernen Intellektuellen,

des Hofnarren. Aber anders als dieser,

besitzen sie nicht mehr dessen

Narren-Freiheit, sondern unterliegen

ausschließlich den Zwängen ihres

regierenden Fürsten, der Agenten

der weltumspannenden Kapitalverwertung,

den Banken, Großkonzernen,

Unternehmen aller Art, und

den Launen des über allen thronenden

Königs Publikum: ungebildet,

gelangweilt, vergnügungssüchtig.

Die Macht seiner Kaufkraft hat die

klassischen kulturellen Institutionen,

die Galerien, Museen, die Konzertund

Opernhäuser in Lunaparks und

Disneylands verwandelt für die kleinbürgerlichen

Erben des großbürgerlichen

Bildungseifers, der sie einst

stiftete.

Für den Markt hergestellt, und als

Dekoration privater und öffentlicher

Räume verbreitet, ist die UnKunst

eine Waffe im ökonomischen Weltkrieg

der wenigen Reichen gegen

die vielen Armen. Für die Kunst gibt

es nur eine Ökonomie: die des angemessenen

Einsatzes der Mittel

ihrer Herstellung.

Als geformte Äußerung einer reflektierten

Wahrnehmung der Welt

und des Lebens in ihr kann ein

Kunstwerk gehandelt werden;

etwas, das gemacht wird, um

gehandelt zu werden, kann

kein Kunstwerk sein. Mag die

Kunst ihren Markt haben; der

Markt ist nicht der Ort, an dem

sie sein kann, was sie ist. Ihr

genuiner Ort ist dort, wo Kunst

entsteht: in den Menschen,

die sie machen, und in denen,

die ihre Werke auf sich und ihr

Leben wirken lassen. Ihr Ort ist ein

ideeller Raum. Auf keiner Landkarte

verzeichnet, von keinem Navigationsgerät

erreichbar.

III

Der Einzelne

Wer unter diesen Bedingungen

Künstler sein will, muss sich entscheiden:

zwischen Kunst als Lebensform,

und UnKunst als Gewerbe.

Die Kunst hat ihren genuinen Ort

dort, wo gelebt wird. Wo erfahren

wird, was es heißt, zu leben; wo erfahren

wird, wie schwierig es ist, ein

Mensch zu sein. Wo erfahren wird,

dass das Universum des Wissens

nicht gegen die Verlorenheit des

Einzelnen in der Welt ankommt. WO

die Einsamkeit des Daseins ertragen

werden muss. Wo das Unglück triumphiert

über die Möglichkeiten

des Glücks. Wo Menschen nicht weniger

sein wollen, als sie sein können.

Wo die Freiheit in ihrer Unterdrückung

erfahren wird. Wo die

Sinnlosigkeit nicht das letzte Wort

haben soll. Wo einer es anhand seiner

Fähigkeiten mit den Herausforderungen

des Daseins aufnimmt.

Wo einer sich der Absurdität verweigert.

Der Ort der Kunst als Lebensform

ist der Innenraum des Lebensbewusstseins,

das nach Expression

strebt: das Feld der produktiven Erfahrung

des Daseins.

Der primäre Ort, an dem wir

leben, ist unser Körper; der Ort, an

dem wir unser Leben unmittelbar

wahrnehmen, unser inkorporiertes

Bewusstsein. Das macht die lokale

Umwelt des bewussten Körpers, der

die Kunst als Lebensform hervorbringt,

zu ihrem ‚natürlichen‘ Ort.

In ihrer Diaspora inmitten der von

einer totalitären Ökonomie beherrschten

allgemeinen Lebensverhältnisse

entsteht der Ort der Kunst

durch die in einem individuellen Lebensprozess

ausgeprägte produktive

Triade von Bewusstsein, Imagination

und Gestaltung.

IV

Katakombenexistenz

Vor der UnKunst fliehend, bedarf

die Kunst geschützter Räume, um

auf diese Weise weiter entstehen zu

können. Sie liegen an den Rändern

des Weges, den der Künstler auf seinem

Rückzug aus den zeitgenössischen

Institutionen der Verwertung

der UnKunst nimmt, bei seinem

Gang in ein freiwilliges, selbstbestimmtes

ästhetisches Exil. Er kann

seine Zuflucht überall finden: dort,

wo er sich gute Bedingungen für

seine produktive Existenz verschaffen

kann.

Als individueller Rückzug in arbeitsermöglichende

Räume, ist dieses

Exil der Kunst nicht antisozial,

sondern transsozial: eines aus gesellschaftlicher

Verantwortung. Denn

nur das selbstbestimmte Werk kann

überindividuellen Wert haben als

Spiegel der Situation und reflektierte

Kritik des allgemeinen Daseins. In

ihren Katakomben legt sie einen

Tresor elementarer menschlicher Fähigkeiten

an, auf den man in der

Zeit wird zurückgreifen können werden

kann, in der in etwa zwei Generationen

nach dem Zusammenbruch

der Diktatur der Ökonomie Gesellschaft

wird wiederhergestellt werden

müssen.

153


... für Sri Lanka,

Galerie Epikur 2005

Björn Überholz

Nanny de Ruig

Renate Löbbecke

Jörg Lange

Peter Klassen

Jürgen Grölle

Regina Friedrich-Körner

Bodo Berheide

WASSER BEWEGT DEN GRÖSSTEN STEIN

Fotografie: Björn Ueberholz

DENKEN VERÄNDERT DIE WELT

154


155


„Kultur wird es solange geben,

wie es diejenigen gibt, die sie

machen.“

Andreas Steffens

156


.

Kunst trifft Rat & Tat

Eine Zusammenarbeit mit dem Café Rat & Tat und der Gefährdetenhilfe

Wuppertal, Februar bis Mai 2015.

Drei Monate lang war das Café Rat & Tat Gastgeber für 12 Wuppertaler

Künstler, die ihren Arbeitsplatz im Café eingerichtet haben. An jedem

Montag sind vor Ort Kunstwerke entstanden und weitere Arbeiten der

Künstler waren eine Woche lang zu sehen.

Friedrich-Körner . Bodo Berheide . Christian Ischebeck . Peter Klassen . Renate

Juretko . Regina

Löbbecke

. Georg

Janthur . Gregor Eisenmann

Steffens . Holger Bär .

Caspary . Andreas

. Peter

Krzysztof

Jürgen Grölle

157


„Wenn Du auslöschst Sinn und Ton,

was hörst Du dann?“

Japanisches Koan des Zen

(11. Jh. n. Chr.)

Jörg Lange

1957 – 2013

5-Minuten-Selbst-Porträt 2005

158


Sonnenfinsternis in Japan. Thomas Grabosch

159


„Kaufhaus Michel“,

eine Installation

im Haus Fahrenkamp,

Wuppertal-Elberfeld

mit Werken von Bodo Berheide,

Christian Ischebeck, Georg Janthur,

Peter Klassen und Jörg Lange

Malerei, Fotografie, Skulpturen,

Klang. Das Ganze vermischt auf

den rund 1000 m 2 Leerstand, mitten

in der Elberfelder City, neben

dem „aus allen Nähten platzenden“

Von der Heydt-Museum und

gegenüber dem „gerade schließenden“

Schuhhaus Salamander.

Unweit der Großbaustelle Döppersberg

und dem verrottenden Schauspielhaus.

Aber: der HASE lebt!

Die Kunst ist nicht totzukriegen.

Aus einer Eröffnungsrede, 2013

Andreas Steffens:

„... Der Einsatz des Künstlers

ist ein Lebenseinsatz, der der

Bereicherung eines allgemeinen

Bewusstseins dessen, was alle

angeht, zugute kommt – jenseits

von Spaß und Dekoration. Denn

authentische Kunst zeigt jedem,

der es wissen will, was unser

Leben ist, und wie es sein kann.

Künstler sind Leistungsträger des

Lebensmöglichen.

Deswegen ist die Defensive, in die

sie sich in der Krise des Geldes

haben drängen lassen, ganz

unangemessen.

Ich habe kein Mandat, für andere

zu sprechen, aber bin mir sicher, es

für viele zu tun, wenn ich sage: ich

lehne die „Verteidigung“ der Kultur

ab; denn das hieße, der obszönen

Zumutung Folge zu leisten, unser

Leben rechtfertigen zu sollen.

Welcher der Politiker, die mit Lust

die Zerstörung dessen betreiben,

was sie zu retten vorgeben, hätte

etwas zu bieten, das diesen

Anspruch rechtfertigen könnte?

Wir müssen die Kultur nicht

verteidigen; wir sind sie.

Und wer sie nicht mehr wollte,

müsste uns abschaffen.

Deshalb braucht man keine Sorge

um ihren Bestand zu haben, wie

viele Orte ihrer öffentlichen

Präsenz auch noch verschwinden

sollten.

Kultur wird es solange geben, wie

es diejenigen gibt, die sie machen.

Wir machen weiter, indem wir

machen, was wir sind.

Gemeinsam mit denen, die wissen,

dass dieser Einsatz weniger allen

zugutekommt, und deshalb vielen

den Zugang dazu ermöglichen.“

160


161


Hagenring-Galerie 2015

Peter Klassen

Georg Janthur

Christian Ischebeck

Bodo Berheide

162150


163


Zwischendurch:

Was macht eigentlich Ralf Prinz,

Kollektivist der ersten Jahre?

Die alljährliche Show der Wuppertaler

Kultband KNAPP DANEBEN

ist für die Fans inzwischen von

ähnlicher Bedeutung wie für die

Karnevalisten der Rosenmontag.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind

KNAPP DANEBEN ein Garant für

gute Laune und fulminante Shows.

Frei nach dem Motto „Nichts muss,

alles kann“ wird jedes Jahr ein

wildes Spektakel auf die Bühne

gebracht. 26 Bandmitglieder mit

einer 27-jährigen Bandgeschichte.

Der Eintritt ist wie immer frei!

164

Collage zur Ausstellung Hagenring, 2015


Christian Ischebeck, Malerei 2016, Ausschnitt

165


Lieber Zbigniew.

Wie wir mit unseren Kollektiv-

Ausstellungsräumen bist Du nach

10 Jahren der Organisation von

Ausstellungen im Bahnhof Lennep

ins Exil gegangen.

Regionale und internationale

Künstler hatten in dem ungewöhnlichen

Ambiente eines historischen

Gebäudes ihre Werke ausgestellt.

Dann stand der Bahnhof zum

Verkauf und wurde saniert. Seither

präsentierst Du Arbeiten von Künstlern

im Deutschen Werkzeugmuseum.

Und das als ehrenamtlicher

Galerieleiter, im Hauptberuf bist Du

ja Fotograf und Geschäftsführer der

Welle gGmbH mit den inhaltlichen

Schwerpunkten der Jugendhilfe,

Kunst und Kultur in Remscheid.

Ich hoffe, das ist so richtig und kurz

beschrieben. Da ist ja auch noch

was mit dem Kassiopeia oder so,

bitte korrigiere das erstmal.

Und nun zu den zehn Fragen

10 Fragen an

Zbigniew Pluszinsky

1.

Lieber Zbigniew. Als freier Fotograf

hast Du Dich auf die Portraitfotografie

konzentriert.

Heute macht man ja Portraits eher

selbst, auch als „Selfie“ bekannt.

Ist die Portaitkunst damit überflüssig

geworden? Machst Du auch

schon mal ein „Selfie“?

Durch die Digitalisierung hat sich

eine Vereinfachung der technischen

Mittel erhöht und führte zur

Demokratisierung und zu einem

großen Teil Entprofessionalisierung

in der Fotografie. Bedeutet aber

immer noch nicht, dass jeder gute

Fotos machen kann. Ein guter Portraitfotograf

sollte nicht nur die

Technik beherrschen, sondern auch

viel Empathie dem Portraitierten

gegenüber aufbringen um gute Ergebnisse

zu erzielen. Es sollte Ihm

gelingen die Charakteristik und die

Stimmung der Person sichtbar zu

machen. Solche Künstler werden

auch in Zukunft gefragt sein.

In den Antiken Ursprungslegenden

liegt in dem Portrait der Anfang

aller Kunst. Ich finde es ist eine

schöne Legende.

Die letzten vier „Selfies“ habe ich

vor 2 Jahren im „C/O Berlin“ in

einem uralten schwarz/weiß

Fotofix-Automaten gemacht.

2.

Bist Du ein anerkannter Künstler?

Und kannst Du von Deiner Kunst-

Arbeit leben?

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine

entscheidene Rolle?

Bist Du im „Geschäft“? Oder musst

Du mit Deiner sozialen Arbeit in

der „Welle“ das Brot verdienen?

Ich habe selten in Museen ausgestellt

und bin durch keine Galerie

vertreten. Im klassischen Sinn bin

ich kein anerkannter

Künstler. Durch mein Studium

bin ich Berufsfotograf.

Durch meine jetzige

berufliche Tätigkeit im soziokulturellen

Bereich verdiene

ich meinen Lebensunterhalt,

kann mich dadurch

meinen freien

Projekten und künstlerischen

Arbeit ganz widmen.

Aufträge nehme ich

noch an aber nur wenn sie

finanziell adäquat entlohnt

werden.

3.

Du hast bisher große

Anzahl an Ausstellungen

organisiert. Kann Dich die

Kunst von Kollegen heute

noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso

nicht begeistern?

Nach 15 Jahren Ausstellungstätigkeit

habe ich

immer noch Lust mich auf

andere Künstler, ihre Kunst

und Konzepte einzulassen.

Der Austausch und die intensiven

Gespräche über

ihre Arbeiten haben mich

meistens künstlerisch bereichert

und mit einigen

Freundschaften schließen

lassen. Das Interesse an

neuen Begegnungen und

Austausch besteht weiterhin.

4.

Gibt es für Dich besonders

wichtige Schlüsselbilder

oder Skulpturen in der

Kunstgeschichte?

Die Höhlenmalerei die vor

etwa 40000 Jahren an den

Wänden angebracht wurden. Aus

welchen Beweggründen die Menschen

die Darstellungen auf die

Felsenwände angebracht haben

spekuliert man immer noch. Definitiv

sind das die ersten Kunstwerke

der Menschheitsgeschichte die

man uns hinterlassen hat.

5.

Sind Deine Arbeiten politisch? Die

sozialen und die künstlerischen

auch?

Meine politische Meinung muss

nicht unbedingt in die künstlerische

Arbeit einfließen. In der Kunst

spricht man Gefühle der Menschen

„Jochen“

an und Gefühle und Politik passen

nicht unbedingt zusammen. Kunst

und Kultur sind eher Geschmackssache

die Politik dagegen nicht.

6.

Gehst Du zum Essen gerne aus

oder findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause?

Was ist Dein Lieblingsgericht?

Es gibt wenige Lokale in

denen ich gern Essen

gehe. Meine Lieblingsgerichte

koche ich mir meistens

selbst zu hause. Zu

meinen Lieblingsgerichten

gehören Pirogen.

7.

Welche Musik hast Du zuletzt

gerne gehört?

Nachdem ich mir wieder

einen Plattenspieler zugelegt

habe, sind meine

Platten das Kernstück

meiner Musik geworden.

Die Musikrichtung erstreckt

sich von Rock,

Blues bis hin zum Jazz.

8.

Deine zuletzt besuchte

Ausstellung, aus der Du

beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Sara Moon mit ihren Fotound

Filmarbeiten in Hamburg

und Pieter Hugo in

Köln mit seiner neuen Fotoserie

mit dem Titel

„KIN“

9.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes

als Kunst lernen?

Das Wissen aus der

Kunstgeschichte

verändert das Sehen.

10.

Machst Du weiter?

Kann mir nicht vorstellen

aufzuhören.

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links: Jochen

rechts: Bartek by Zbigniew

167


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„Klaus“


Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart

erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum

phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine physische Performance, die an Joe Cockers

legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter,

Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt über allem als “einfach er selbst”.

Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.

Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die

Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?

Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse

für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen

oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine

physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und

vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt

über allem als “einfach er selbst”.

Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.

Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die

Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?

Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse

für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen

oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine

physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und

vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt

über allem als “einfach er selbst”.

Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.

Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die

Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?

Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse

für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen

oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine

physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und

vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt

über allem als “einfach er selbst”.

Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.

Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die

Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?

Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse

für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Aucioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die Antwort auf

die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?

Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.

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10 Fragen

an Holger Bär

Holger Bär ist 1962 in Wuppertal

geboren.

Holger, im Studium bei Michael

Badura hast Du die ersten „Digital

Paintings“ entwickelt. 1989 war

schon die Fertigstellung der ersten

Malmaschine zur Umsetzung von

Computerbildern mit Pinsel und

Ölfarbe auf Leinwand. „Meine

Methodik setzt ein Zeichen für die

Zukunft der Kunst.“ So steht es

über Deiner Homepage. Bist Du Dir

imer noch sicher, dass das kein

Holzweg ist?

Ich finde die Aussage immer noch

richtig, weil ich ich der Meinung

bin, dass meine Arbeitsweise Möglichkeiten

aufzeigt, sich technischer

Mittel zu bedienen, die ein hohes

Maß an vorläufigem Futurismus in

sich tragen.

Vielleicht hatte ich damals eine

etwas enthusiastischere Vorstellung

von der Zukunft der Kunst aber ein

Holzweg ist immerhin auch ein

Weg.

Seit vielen Jahren wirst Du von der

Galerie Deschler in Berlin vertreten.

Du bist „im Geschäft.“ Kannst Du

von Deiner Kunst-Arbeit leben?

Seit 20 Jahren arbeite ich mit

Deschler zusammen. Es hat auch

andere Galerien gegeben und

einige Ausstellungen in Kunstvereinen

und Museen. Kunstmessen

sind genauso von Bedeutung

für mich.

Ich lebe von meiner Kunst und

freue mich immer noch darüber.

Es ist ein echter Luxus so zu leben.

Ich wähle aber lieber die Formulierung:

Ich lebe mit meiner Kunst,

weil sich darin die Ganzheit meines

Erlebens wiederspiegelt.

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich bei der

Planung der Arbeit oder der Entwicklung

Deiner Werkreihen eine

entscheidene Rolle?

Meine Wirklichkeit wird ganz stark

vom Betriebssystem Kunst geprägt

und bestimmt natürlich auch die

Planung von Ausstellungen.

Zum Glück kann ich meine Werkreihen

autonom bestimmen und

habe Zeit sie auch über Jahre zu

entwickeln.

Kann Dich die Kunst von Kollegen

begeistern? Du zeigst ja in unregelmäßigem

Abstand Kunstarbeiten in

der „KI“ in der Wiesenstraße.

Außerdem arbeitest Du von Anfang

an im Neuen Kunstverein Wuppertal

mit. Erhellend oder ernüchternd?

Ich liebe Kunst und freue mich

regelmäßig auf Ausstellungen, die

ich besuche. Die Kunst der Kollegen

ist mir immer eine Inspiration, viel

habe ich von ihnen gelernt und bin

immer noch offen und schaue mit

Staunen in eine mir unbekannte

Kunstwelt. Ich arbeite gerne als Kurator

an eigenen Projekten sowie

im Neuen Wuppertaler Kunstverein

mit. Es ist für mich immer erhellend

und in vielen Fällen ein echter

Erkenntnisgewinn. Ernüchternd ist

gleichsam die Erkenntnis, dass es

vielen Künstlern überhaupt nicht so

geht. Sie hassen die Kunst und lieben

nur ihre eigene.

In einem Text von Stefan Asmus

über Deine Arbeit kann man lesen,

„... Das Medium selbst muss in seiner

pixeligen Existenz auf gleicher

Ebene sichtbar werden wie das

Motiv, es muss als Form erkennbar

in sich selbst wiedereintreten. Die

Dopplung der Aussage von Bild und

Medium als Bild, die kühne Einfachheit

der malerischen Vorgehensweise,

die selbstverständliche

und produktive Verquickung von

künstlerischer Tätigkeit und technologischem

Environment, der

unbefangene Zugriff auf den

gesellschaftlichen Mechanismus

sich selbst produzierender Themen,

die subdominante Positionierung

der künstlerischen Persönlichkeit

innerhalb eines Mensch-Maschine-

Interaktionsgefüges, das sind die

wesentlichen Punkte, die den

Werken Holger Bärs ihre zeitgenössische

Plausibilität und Attraktivität

verleihen.“

Sind Deine Arbeiten etwa politisch?

Ich finde die Aussage von Stefan

Asmus absolut zutreffend aber mit

Politik hat das nichts zu tun.

Ich hüte mich vor der Politik und

den Politikern. Ich werde mich

niemals gemein machen mit den

verlogensten Kulturtechnikern

unserer Gesellschaft.

Hast Du ein Lieblingsgericht?

Nein.

Du spielst Cello, selbst. Eine andere

Art von Kunst oder was ist das für

Dich? Vermisst Du die Musik in

Deiner Arbeit? Besitzt Du CDs und

Langspielplatten?

Mein Bruder hat dazu mal etwas

sehr passendes gesagt:

„der ... benutzt sein Instrument um

Kunst zu machen. Er dient aber

nicht der Musik.“

Ich bin natürlich kein Musiker. Als

Künstler benutze ich verschiedene

Medien, warum nicht auch ein

Cello? Als Musiker wäre ich viel zu

schlecht auf dem Instrument und

könnte der Musik gar nicht dienen.

Da diene ich lieber der Kunst.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Julian Rosefeldt. Manifesto, Hamburger

Bahnhof Berlin

Beschäftigst Du Dich mit der

Geschichte der Kunst und kann

man aus ihr etwas anderes

als Kunst lernen?

Die Geschichte der Kunst ist nur

ein Ausschnitt aus der gesamten

Evolution der Kunst und wurde von

einer kleinen elitären Gruppe des

Bildungsbürgertums im 19ten Jahrhundert

geschrieben. Glücklicherweise

hat sich das in den letzten

30 Jahren geändert. Ich lerne von

Kunst und Künstlern immer etwas,

was über die Kunst und Künstler

hinausgeht. Für mich bekommen

die Werke erst dadurch ihre

Bedeutung.

Du baust nicht nur erfolgreich

Malmaschinen, Du füllst auch einen

guten selbstgemachten Wein von

allen möglichen Früchten in

Flaschen ab. Liegt im Wein

Wahrheit?

Und Trauer und Sucht und Laster

und Verzweiflung und Glück und

Komödie und Tragödie.

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Holger Bär Atelierbesuch, 4. April 2016


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Christian

Ischebeck

Bilder,

Ausschnitte,

Anschnitte

und

Korrespondenzen

aus der

Ausstellung

„Gina im Rot“

in Sellys’

SWANE-Café


10 Fragen an

Christian Ischebeck

Du bist 1968 in Gevelsberg geboren.

Nach dem Studium Visuelle

Kommunikation an der FH Dortmund

hast Du 1998 einen Abschluss

als Diplom Grafik-Designer

gemacht. Ist das eine solide Ausbildung

für einen Maler oder steht Dir

das eher im Weg rum?

Es ist eine solide Ausbildung, und

es steht mir nicht im Weg rum. Es

ist natürlich immer die Frage –egal

was man „offiziell“ studiert

–wie man studiert.

Ich habe sicherlich meine

Schwerpunkte in eher malerischen

und experimentellen

Bereichen gesucht

(auch Druckgrafik). Zumindest

lernt man (noch mehr

oder differenzierter) Sehen

und schärft die Wahrnehmung.

Es gibt ja auch viele

(Künstler), die sagen: man

muss nicht an einer staatlichen

Hochschule/Universität/Akademie

studieren,

dass das sogar hinderlich

ist.

Es kommt ja auch immer

darauf an was man will.

(...)

Kannst und willst Du von Deiner

Kunst-Arbeit leben?

Ja. Auch; aber nicht nur. Da muss

man auch wieder weiter ausholen.

Und da will ich jetzt gar nicht auf

die Definition dessen was Kunst ist

eingehen. Dass sich der Kunstbegriff

im Laufe der (Kunst)Geschichte

in einem ständigen Wandel

befindet, dürfte ja jedem klar

sein. Es kann auch eine Falle sein,

wenn man von „seiner Kunst“

leben kann: Stichwort „Sich-Abhängig-Machen“,

„Prostituieren“ (...),

oder das ewige Thema Auftragsarbeiten:

kann man ruhig machen. Es

kommt aber immer drauf an ob`s

„passt“; oder man muss aufpassen

nicht paranoid zu werden (oder

manche Mitstreiter) und keine

Freunde mehr zu

haben, – jedenfalls die

selbst Kunst machen,

– so die Richtung „An-

Der-Spitze-Wird`s-Einsam“

oder so. Nein, es

ist gut wie es (gerade)

ist, und es verändert

sich sowieso . .

alles . . . . dauernd –

so richtig schön FLU-

XUS-mässig eben!

Ich verkaufe Bilder,

und das ist gut. (wo

die dann hinterher

landen, da habe ich

keinen Einfluss mehr

drauf. Da fällt mir jetzt

wieder Georg Baselitz ein, der dazu

was sagte. Aber das soll jetzt nicht

zu weit führen.) Es ist egal ob man

seine Existenz als Baukranführer,

Bäcker oder Dozent sichert. Gefahren

lauern überall von der eigentlichen

Arbeit abgehalten zu werden

(auch in akademischen, universitären

Strukturen). Wichtig ist, das

man das Ziel nicht aus den Augen

verliert, und das ist mit einem

„kunstnahen“ Beruf vielleicht leichter.

Aber aufpassen muss man

immer!

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich eine entscheidene

Rolle? Willst Du im

„Geschäft“ sein?

Ja, na klar.

Kann Dich die Kunst von Kollegen

begeistern?

„Die Kunst von Kollegen“:

Ja, na klar! Sehr! Natürlich!

Man guckt und staunt oder reibt

sich die Augen; ich kenne da ein

paar hervorragende Künstler:

da wäre der Peter, der Bodo,

der Georg ... (Baselitz auch),

Per Kirkeby – natürlich der großartige

Polke ... usw. Warum hat

man eine gewisse Affinität zu

bestimmten Künstlern/ Menschen?

Die Wege von guten Künstlern sind

ja nicht immer geradlinig, oder es

gibt Sackgassen. Albert Oehlen,

Jake und Dinos Chapman ... – manche

„vergaloppieren“ sich ja auch

mal, so verbal ..., in ihren/-m

Reden und Texten (Ich will niemandem

zu nahe treten, Herr

Lüpertz – aber das ist auch o.k!).

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Icons, die Dir

wichtig sind?

Keine, die gerade zu nennen

wären. Auch dies untersteht einem

permanentem Wandel.

Sind Deine Arbeiten politisch?

Ja.

Du hast zusammen mit Olaf Mühlmann

1994 in Paris den „Karotismus“

gegründet wurde.

Einziger fester Bestandteil im

karotistischen Manifest: keine

Ismen! Reicht das aus? Und hast

Du ein Lieblingsgericht?

Ja, das reicht aus.

Und mein Lieblingsgericht:

Nr. 43 (mit Kung Pao-sauce).

Kung Pao is a cooking

technique originated

from the Sichuan

province of China; the

authentic Sichuan Kung

Pao Chicken or „Gong

Bao Ji Ding“ calls for Sichuan

peppercorn for

the numbing flavor,

however, the version

popular outside of

Sichuan is the Americanized

version with vegetables

such

as carrots ...

Du hast Dich eine Zeit lang in einer

Punkband als Drummer ausprobiert,

vermisst Du die Musik? Besitzt

Du noch CDs oder gar Langspielplatten?

Ja, ich vermisse die Musik! Vielleicht

wird das ja in irgendeiner

Weise noch einmal aufgegriffen –

aber in Richtung KUNST sollte es

gehen! CDs (der legendären Band

blout. und andere) habe ich noch.

Und Vinylschallplatten ebenfalls

(nur leider momentan keinen Plattenspieler)!

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Joan Mitchell, „Retrospective.

Her Life and Paintings“, Museum

Ludwig, Köln

(„Wenn du nichts fühlst, kannst du

nichts malen“, sagt Joan Mitchell.)

Beschäftigst Du Dich mit der

Geschichte der Kunst und kann

man aus ihr etwas anderes als

Kunst lernen?

Ja, ich beschäftige mich damit und

bin süchtig nach der

Geschichte der Kunst! Und: Ja, man

kann etwas anderes aus ihr lernen

als Kunst.

„Wenn du nichts fühlst, kannst du nichts malen“, sagt Joan Mitchell.

175


Kunst im SWANE-Café

seit 2015 Zusammenarbeit mit

dem SWANE-Café

Ausstellungen im SWANE-Café:

Bodo Berheide

Nicole Kreischer

Doris Stückrath

Folly Koumouganh

Christian Ischebeck

Nataly Hahn

176


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„Kunst – das Wort sollte man

nie aussprechen, dieses Wort tötet

sofort das, was es bezeichnet.“

Jean Dubuffet

„Die Ros´ ist ohn´ warum,

sie blühet, weil sie blühet.

Sie acht´ nicht ihrer selbst,

fragt nicht, ob man sie siehet.”

Angelus Silesius.

1624–76

links: in Sellys Café

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Christian Ischebeck Bilder, Ausschnitte, Anschnitte: Malerei 2016

warum selly birane wanes „café swane“ ein kunstwerk ist

gehe ich dem satz von joseph beuys nach, dass „jeder mensch ein künstler“ ist, trifft er in jeder hinsicht auf selly wane zu. jeder mensch ist ein träger von fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes und freies wesen. auf grund

seiner intuitiven, kreativen und kognitiven fähigkeiten ist er ein künstler. gleichgültig wo und in welcher tätigkeit er seinen gesellschaftlichen beitrag leistet, es ist und bleibt ein kreativer akt. dort, wo er seine fähigkeiten entfaltet,

ist er künstler, egal wo der mensch seiner berufung entsprechend der gesellschaft (der sozialen plastik) seine gestaltungskraft anbietet, auch im bereich von alltäglichen, mehr oder weniger fremdbestimmten arbeitsprozessen

wird täglich kreative arbeit geleistet, egal ob als bäcker, friseur, arzt, oder als maschinenbauer.

aus dieser hinsicht ist das „café swane“ ein kunstwerk. das café birgt aber noch weitere künstlerische inhalte in sich. ein großer anteil des ambientes, wie tische, stühle, lampen, schalen und kerzenleuchter, usw., aus alten fässern

und anderen fundstücken, werden von selly wane designed, im senegal upcycled und im café zum verkauf angeboten, dieses gibt menschen im senegal ein einkommen. es ist ein stück afrika – fremd und trotzdem vertraut, mit

positiver energie erfüllt. zitat joseph beuys: „die kommunikation der zukunft ist eine permanente konferenz ...“

kommunikation ist der wesentliche bestandteil des programms im café. nicht nur künstlerinnen und künstler aus afrika finden dort ihr podium, sondern artisten aus der ganzen welt sind dort anzutreffen. das kulturelle angebot

ist fast grenzenlos, musik-, tanz-, literatur- und filmveranstaltungen, kunstausstellungen und performances, seminare, diskussionen, gemeinsam fremdes kochen und essen, alles das gibt es fast täglich.

wie die gastgeberin sind auch die gäste ein teil des programmes. zitat beuys: „das atelier ist zwischen den menschen". die multikulturelle atmosphäre macht neugierig und schafft trotzdem eine behaglichkeit und vertrautheit.

die bühne steht allen menschen mit einem positiven und menschengerechten sendungsbewusstsein auf anfrage zur verfügung.

bleibe ich bei der anfänglichen aussage, dann ist selly wane nicht nur eine künstlerin, weil sie das café swane betreibt, sondern ihre strategie ist eine

sehr künstlerische, sehr plastische. als ausgebildete diplom ökonomin setzte sie sich mit nachhaltigkeitsprojekten und finanzmärkten vornehmlich in

afrika auseinander. daraus resultierte ihr kleines upcycling-unternehmen. mit der übernahme des cafés hat sie einen kulturellen ort, ein kunstwerk geschaffen,

in dem kommunikation im austausch mit den unterschiedlichen kulturen weltweit im mittelpunkt steht.

felix droese sagt: „kunst ist angewandte erkenntnis“ bodo berheide, märz 2016

Selly wurde im Senegal geboren, ist dort aufgewachsen und hat in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert. Um Ihre Ausbildung zu finanzieren, handelte sie mit Handwerksprodukten aus dem

Senegal. SWANE-Design entwickelt mit Handwerkern und Künstlern aus dem Senegal eine ganz eigene Art von Wohnaccessoires und Möbeln. Traditionelle Techniken in Verbindung mit kreativem Design

und ungewöhnlichen Werkstoffen ergeben Dinge, die nicht nur schön und funktional sind, sondern auch zum Nachdenken anregen. Alle Möbel und Accessoires werden aus Recycling-Materialien hergestellt.

Diese Art von Recycling etabliert sich als Mini-Industrie, in der junge Menschen aus armen Verhältnissen ausgebildet werden.

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10 Antworten von

Peter Klassen

Schon immer stecke ich ein ordentliches

Stück Energie nicht nur in

Musik und die Malerei, auch in die

Kunstarbeit, vornehmlich im „Kollektiv“.

Zwischendurch gab es intensive

Zeiten in Bands, Projekten,

mit SIXPACK, auch die „Kunst in der

Sparkasse“ hält mich in Bewegung,

der Gang ins Atelier und zum Rechner.

Oder Buchmachen. Was notwendig

ist, wird getan. Wenn es

Spaß macht, umso besser. Treffen

mit allerhand Freunden, Strolchen,

Strauchdieben, Weltverbesserern

und Tunichtguten ... usw

Ich kann keinen Unterschied feststellen.

Im Ernst ...

Arbeite ich unaufhörlich an meiner

Malerei? Bin ich ein anerkannter

Künstler? Kann ich von meiner

Kunst-Arbeit leben?

Unaufhörlich, ja. Das lässt mir

keine Ruhe. Auch die Malerei gehört

dazu. Der Gedanke einer intermedialen

Kunstarbeit hat mich zuerst

befremdet und dann in seinen

Bann gezogen. Sich frei und unabhängig

auf allen Plattformen und

in unterschiedlichen Sprachformen

zu bewegen, die enormen technischen

Entwicklungen nicht nur zur

Rationalisierung und Temposteigerung

benutzen. Für die Produktion

von Musik zum Beispiel braucht

man nicht mehr zwingend teure

Tonstudios, für die Produktion von

Kunstkatalogen braucht man nun

keine Vermögen mehr ... da reichen

ein paar tausend Euros. (ARF!)

Sich zwischen den traditionellen

Vorstellungen zu bewegen ruft

Widerspruch hervor, bei Alteingesessenen

und Traditionalisten.

Akademismus macht träge.

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für mich eine entscheidene

Rolle?

Das amüsiert mich eher, macht

mich aber auch sprachlos und

manchmal auch wütend.

Bin ich im „Geschäft“?

Glücklicherweise musste ich meine

Kunst nie „auf dem Markt“ anbieten,

unglücklicherweise nimmt

einen das tägliche Geldverdienen

allerdings sehr in Anspruch. Glücklicherweise

durfte ich mich in meinem

Berufsleben immer auch mit

Kunst, mit Ausstellungen und mit

dem „Buchmachen“ beschäftigen,

auch für die Kunst.

Kann mich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Sowohl das Verstehen von Kunst

wie auch das Zusammentreffen mit

den unterschiedlichsten Kunstproduzenten

macht mir immer wieder

Spaß und begeistert mich auch hin

und wieder. Das Kennenlernen und

Verstehen von künstlerischen Haltungen

und ihren Ergebnissen ist

einfach spannend, manchmal auch

erhellend, vielleicht auch schon

mal charakterfördernd. Und dann

liebe ich Langzeitprojekte wie die

Arbeit und den Austausch im „Kollektív“

mit Bodo, Georg, Christian,

Holger, Gudrun – Künstlern, Kunst-

Liebhabern, manchmal Gästen ...

Gibt es für mich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen

in der Kunstgeschichte?

Na klar doch. Frank Zappas Mothers

of Invention haben mich sehr geprägt,

aber auch Mauricio Kagel,

Jimi Hendrix’ Gitarrenton, die

Frechheit der Stones, Van Morrison.

Erst später kamen dann die Erfahrungen

mit der Bildenden Kunst

dazu. Mein erste Vorlesung bei

Georg F. Schwarzbauer in Kunstgeschichte

fand vor dem Bild „Der

Holzfäller“ von Ferdinand Hodler

im Von der Heydt-Museum statt.

Das hinterließ seine Spuren, ich

war damals schon sehr irritiert.

Schön: Ruhende Venus (Pauline

Borghese), Marmorskulptur von

Antonio Canova. Wichtig und richtungsweisend:

Beuys. Beeindruckend:

Polke, Twombly, van Gogh.

Komischerweise eher Klassiker.

Und damals Vinyl-Plattenhüllen,

eine Spielwiese, z.B. „Lumpy

Gravy“ und „We’re only in it for the

money“ – Mothers of Invention.

Ist Arbeit politisch?

Wenn ich mich recht erinnere: ...

Die Welt wurde immer größer und

erschloss sich auf ungekannte, ungeahnte

Art und Weise. Ich war

achtzehn, meine Freundin Gudrun

schwanger. Ich wollte Maler werden.

Die Amis sollten raus aus

Vietnam. Zusammen mit meinem

„alten Freund“ EROC und einem

engagierten Lehrer, Herrn Sauerbier,

stellten wir unsere erste

Ton-Bild-Shau her. „Gegen den

Krieg“ mit Musik und Dias. Das

muss so um 1968 gewesen sein.

Die NPD trieb öffentlich ihr Unwesen.

In den Jahren danach überschlug

und überlagerte sich alles.

Die Musik trat in den Hintergrund,

es folgten Demonstrationen, ein

Studium der Visuellen Kommunikation,

eine lange Zeit der Arbeit in

Kinderläden und Wohngemeinschaften,

dem Kennenlernen von

Weltmodellen, phantastischen

Theorien und ihre zweifelhaften

Umsetzungen. Zwischendurch

immer wieder Musik, Blues, Agit-

Prop, Sessions und so fort. Nebenbei

begann ich in einer Bank, nein,

einer Sparkasse als Grafik-Designer

zu arbeiten. Und ich hätte nie

daran gedacht, das fast vierzig

Jahre lang gerne tun zu können.

Aus verschiedensten Gründen.

Mein Studium ermöglichte mir ein

wunderbares und anstrengendes

Berufsleben, in dem sich Freiräume

ergaben, die mir sehr zurecht

kamen. Und wenn die Gestaltung

des Lebensraumes politisch ist,

dann kann auch Arbeit politische

Wirkung haben, „von jedermann“

... auch von Kunstschaffenden ...

Gehe ich zum Essen öfter aus oder

finde ich meine Lieblingsgerichte

eher Zuhause? Was ist mein Lieblingsgericht?

Ich habe glücklicherweise zuhause

mit Gudrun eine Kochmeisterin, der

ich gerne zur Hand gehe. Das ist

ein Glücksfall, sowieso. Dabei liebe

ich besonders die Tage, an denen

man richtig Zeit zum Kochen hat

und dann im Garten isst, möglichst

mit Freunden. Draußen gibt es

allerdings auch tolle „Künstler“ der

Küche wie im San Leo, im Fischers

Fritz, beim Noi oder in Bolles Subbar.

Ich liebe Sushi, Ossobuco,

Bachsaibling, Onsen-Eier, Röstis

und Schokoladencreme.

Keine Türmchen.

Welche Musik ich zuletzt

gerne gehört habe?

Der Klang der Bilder lässt mir keine

Ruhe. Twombley klingt fantastisch.

Francesco Clemente. Und dann

höre ich Richard Hawley, die Red

Hot Chili Peppers besonders mit

John Frusciante immer noch, Max

Richters „from SLEEP“ läuft gerade,

Ornette immer wieder, Bob Dylan,

Captain Beefheart. Eigentlich höre

ich Musik unterschiedlichster Art

ständig gerne. Kein Radio. Obwohl

das prägend war in den frühen

Sechzigern, BFBS, da gab es Jimi

Hendrix, Cream, Pretty Things, die

Kinks. Big Bill Broonzy. Aber auch

Mauricio Kagel. Später habe ich

immer wieder versucht, mit dem

Jazz warm zu werden. Das harmolodische

System von Ornette Coleman

beeindruckt mich immer

noch, auch die Klassik guckt schon

mal um die Ecke, aber eher

schwierig, usw ... An den Rändern

hochinteressant. Und ab und zu

Hans zuhören. Ich bewundere die

unzähligen guten Musiker, die trotz

der eigentlich oft unannehmbaren

Bedingungen weitermachen ...

Meine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der ich beeindruckt

hinausgegangen bin, das war ...

... die Sammlung in der Villa

Borghese in Rom.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Ja, klar. Wie überall.

9. November 1938

Kann man aus der Geschichte

etwas anderes als Geschichte lernen?

Ja, klar. Wie überall.

Gruß

vom Onkel

an

meine

unbekannte

Großmutter.

1940

„Von dort zu Fuß

über die Grenze

sind wir gelaufen.

Das war ja egal,

ob die Frauen schwanger waren,

ob die Leute blind waren,

ob sie Krüppel waren,

ob sie laufen konnten oder nicht.

Man musste gehen.

Bis wir ans Niemandsland

gekommen sind.“

Jenny Goldberg

9. November 1999

Peter KlasZen

„Niemandsland“,

24-Stunden-Klang-Performance,

Alte Synagoge Wuppertal

180


You’ve got nothing to loose but your hat.

181


10 Fragen an

Renate Löbbecke

1.

Renate, ist das Buchmachen auch

eine Kunst oder siehst Du darin nur

einen Mittel zum Zweck?

Neben Deiner „normalen“ Kunstarbeit

hast Du seit vielen Jahren (seit

1978) dieses spannende Langzeit-

Projekt mit den „Kragkuppelbauten“

betrieben. Gemeinsam mit

Deinem Mann habt Ihr 15 Länder

und über 50 Regionen aufgesucht

und Du hast Tausende von Fotografien

gemacht. Daraus ist nun eine

unglaublich dickes und präzises

Buch geworden und hat sicher das

Zeug, zum Standardwerk der

Archäologen zu werden. Oder

sogar der Archäologie überhaupt,

zumindest in Bezug auf die Kragkuppelbauten.

Während der

Recherche hast Du auch einen

großen Respekt vor der körperlichen

Leistung und den komplexen

Gestaltungskräften der anonym

gebliebenen Landarbeiter

entwickelt. Dieses Werk ist mit

der Herausgabe im renommierten

Verlag der Buchhandlung Walther

König im Jahr 2012 vollendet. Ein

gründlich spannendes Buch ist es

geworden. Geht Deine Suche nach

den Bauwerken trotzdem weiter?

Der Start und auch der Antrieb auf

die Suche nach Kragkuppel(KK)-

Bauten zu gehen, war zeitgleich

mit meiner Intensivierung von

Kunstauseinandersetzungen.

Ich habe mich oft gefragt, was

damals der gemeinsame Auslöser

war. Aber vielleicht so: Mich interessiert

einfach wie die Menschen

mit sich und der Welt umgehen,

wie sie wahrnehmen, denken,

fühlen, ordnen, gestalten und auch

ihr Leben organisieren und bewältigen.

Die Kunst bietet die Möglichkeit,

menschliche Wahrnehmungsund

Ausdrucksmöglichkeiten

„zweckfrei“ zu erkunden. Dagegen

sind die KK-Bauten ein sichtbarer

Ausdruck für elementare Zweckbauten,

deren besondere Formen

sich ganz aus der Logik der

Situation, der Nutzung von überflüssigen

Steinen für nützliche

Strukturen ergeben. So zeigen sie

besonders anschaulich menschliche

Gestaltungkräfte – körperlich und

geistig – und im Einklang mit der

benutzten Natur. Und diese Bauformen

gefallen mir oft besser, als

vieles was Künstler formen.

Ich bin froh, dass ich dieses Phänomen

als Buch öffentlich machen

konnte. Auch Kunst? Ich weiß nicht.

Die Suche geht weiter, es ist einfach

zu spannend, diese KK-Bauten

auf Reisen aufzuspüren, neue

Variationen zu finden, in abgelegene

Gegenden zu kommen, überraschende

Begegnungen zu haben.

2.

Nach Deinem Studium der Germanistik,

Biologie und Chemie bist Du

seit 1982 eine freischaffende

Künstlerin. Du arbeitest unaufhörlich

an Deiner Malerei und an

Deiner Kunst, Du hast schon viele

Wege und Techniken erprobt, Dich

auszudrücken. Bist Du auch ein anerkannter

Künstler? Und kannst Du

von Deiner Kunst-Arbeit leben?

3.

Spielen der Kunstmarkt, Museen

und Galerien für Dich und Deine Arbeit

eine entscheidene Rolle? Bist

Du im „Geschäft“?

Ich habe bei meiner Arbeit

während des Machens nie an das

„Geschäft“ gedacht und habe

dadurch sicherlich oft die Marktstrategien

nicht beachtet, so dass

ich hätte davon leben können.

Aber ich freue mich, wenn ich

durch Ausstellungen an verschiedenen

Orten Aufmerksamkeit und

gelegentlich auch Anerkennung

für mein Tun bekomme.

4.

Kann Dich die Kunst von Kollegen

heute noch oder wieder oder

immer noch oder sowieso nicht

begeistern?

Da ich ja generell an dem Phänomen

des Kunstmachens interessiert

bin, fasziniert mich nach wie vor

die Gesamt-Vielfalt dieses Tuns und

damit auch die zugehörigen Täter.

Aber heute empfinde ich mittlerweile

vieles auch als langweilig,

da schon so oft gesehen.

5

Gibt es für Dich besonders wichtige

Schlüsselbilder oder Skulpturen in

der Kunstgeschichte?

Alt-Ägyptische Kunst,

Michelangelo, Rubens, Rodin,

und, und, und ...

Eigentlich stöbere ich ständig bei

alten Meistern herum und arbeite

auch damit.

6.

Sind Deine Arbeiten politisch?

Nicht illustrativ thematisch.

Aber jede Auseinandersetzung mit

geistigen Prozessen ist auch politisch

relevant. Künstliche Ordnungen,

Vereinfachungen, unausweichliche

Vorurteile, Intoleranz,

Machtstrategien, Verfremdungen

u.s.w. Deshalb ist meine Verweigerung

eines festgelegten „Stils“

auch eine Art politisches Statement.

7.

Gehst Du zum Essen gerne aus

oder findest Du Deine Lieblingsgerichte

eher Zuhause?

Was ist Dein Lieblingsgericht?

Ich kann es sehr genießen, wenn

ich bei Freunden lecker bekocht

werde. Sonst esse ich mittlerweile

lieber zu Hause.

Köstlich ist immer ein gut durchwachsenes

und pikantes Stück

Fleisch mit Salat. Bitte keine

Schokolade!

8.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört? Oder machst Du selbst

Musik?

Wenn ich eine CD auflege, höre ich

fast immer klassische Musik.

Leider nur selten setze ich mich

ans Klavier.

9.

Deine zuletzt besuchte Ausstellung,

aus der Du beeindruckt hinausgegangen

bist, war ...

Was mir spontan einfällt:

Pauline M’barek im KIT Düsseldorf

2014.

Tino Seghal im Martin-Gropius-Bau

Berlin 2015. Allerdings fand ich

seine Inszenierungen beeindruckender,

wenn sie einzeln

irgendwo stattfanden, z.B. bei der

letzten Dokumenta.

10.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Soll die Freiheit der Kunst eine

Grenze haben? Es gab in den

letzten Jahren das Projekt der

movingartbox, an dem viele

Künstler und Gruppen international

beteiligt waren. Initiiert von der

Gruppe SIXPACK hast Du in diesem

Projekt zusammen mit Regina

Friedrich-Körner einen Großteil der

organisatorischen Verantwortung

übernommen.

Eine Kiste mit einem Kubikmeter

Kunst wurde durch Europa

geschickt, von einem Kunstort zum

anderen. Nach den Stationen in

England, Bedburg-Hau und

Amsterdam, entschieden Künstler

aus Otterlo, die Kiste komplett leer

weiterzuschicken. Die Leerung der

Kiste hätten sie nach reiflicher

Überlegung durchgeführt, da sie

die Kiste zu voll, zu unübersichtlich

fanden, das Arbeiten mit dem

Inhalt zwar Spaß gemacht habe,

aber nicht wirklich Kunst herausgekommen

sei. So wollten sie den

nachfolgenden Künstlern die

Chance geben, ganz neu anzufangen.

Diese Aktion hat eine grosse

Wende im Projekt provoziert – da

nun ausschließlich die Vorgabe aus

Otterlo galt – eine leere Kiste, die,

nach ihrer Meinung ohne Problem

– wieder neu gefüllt oder in irgendeiner

Form damit umgegangen

werden sollte. Ganz schön schwierig

für die nachfolgenden Künstler,

wie man merkte. Letztendlich

reiste die Kiste von nun an mehr

oder weniger leer, bis dahin gab es

bereits über 50 Künstlerbeiträge.

Darf ein Künstler alles tun oder soll

es auch in der Welt der Kunst Wertmaßstäbe

und Grenzen geben?

Die Kunstgeschichte ist ein

unglaubliches Bilderbuch, in dem

man alles über die Menschen und

die Zeit, in der sie gelebt haben

erfahren kann.

Zum Movingartbox-Projekt:

Die radikale Entleerung der

Kunstkiste in Otterlo war eine sehr

unkollegiale und arrogante Intervention

in das Projekt. Nicht

einmal neue, „bessere“ Arbeiten

wurden von dort weiter geschickt.

Aber letztlich war dieser Eingriff

nicht verboten, war eine mögliche

Aktion und die folgenden Künstler

haben großartig darauf reagiert,

so dass das Projekt weiterging.

Bei dem erfolgreichen Finale führte

das zu heftigen und durchaus

anregenden Diskussionen über

Kunst und seine Grenzen, wie ja

auch die obige Frage zeigt.

182


Frankreich, Dordogne

linke Seite unten Griechenland, Kreta

oben Spanien, Valencia

183


184

von links nach rechts: Spanien, Menorca; Italien, Elba und Apulien


185


10 Fragen an

Hermann Löbbecke

Du warst schon Beteiligter und

Träger des Kunstraums Wuppertal,

Du bist Mitglied im Kunst- und

Museumsverein des Von der Heydt-

Museums und aktiv im Neuen

Kunstverein in der Hofaue, dieser

geschichtsträchtigen Straße in

Elberfeld. Also ein richtiger Kunstliebhaber.

Sogar bis hin zur Liebe,

denn oft sieht man Dich auch in

tragender oder sogar helfender

Rolle, wenn Deine Frau, das ist ja

Renate Löbbecke, an einer ihrer

Installationen arbeitet. Im Jahr

2014 hast Du ihr geholfen, einen

großen Stapel ihrer „zu viel gewordenen

Bilder“ in einer Performance

zu zerstören: Final Presentation.

Von dieser Installation und Aktion

im ehemaligen Schlachthaus der

LVR-Klinik, Bedburg-Hau ist auch

über Youtube ein Film aufzurufen.

Spannend.

Doch direkt zu den Fragen:

1.

Hattest Du keine Hemmungen, hat

Dir das auch mal Spaß bereitet, die

Kunst zu „zerstören“, sogar mutwillig

oder müsste das mal einer Deiner

Psychiaterkollegen analysieren?

Zum mutwilligen Zerstören einiger

ihrer Werke wurde ich von der

Künstlerin selbst aufgefordert, fast

gedrängt. Ich gebe selbstverständlich

allen Künstlern das Recht, ihre

Arbeiten, die sich noch in ihrem

Besitz befinden, zu vernichten .

Zudem war mir in diesem Fall die

Notwendigkeit sehr klar, durch

Zerstörung älterer Werke Platz für

neue Arbeiten gewinnen zu

müssen.

Die ersten Hammerschläge auf die

Bilder waren noch mit ambivalenten

Gefühlen verbunden Dabei war

die Zerstörung eines Reliefs mit

dem Gesicht unseres Sohnes am

unangenehmsten. Dann, nach dem

Tabubruch, stellte sich sogar eine

leichte Euphorie ein. Das ist nicht

pathologisch, nicht therapierbar,

sondern normal und kann gerade

darum in anderen Fällen sogar gefährlich

werden (z.B. „Blutrausch“)

2.

Du hast schon eine Menge an

Kunstwerken gesehen, einen

Haufen von Künstlern in Aktion

erlebt, mit vielen bist Du sicher

auch befreundet. Gibt es noch

Überraschungen?

Ja, es gibt, wenn auch seltener,

immer noch positive Überraschungen!

Zum Beispiel:

Performancearbeiten von Tino

Seghal, chinesische aktuelle Malerei

in Duisburg, aktuelle kolumbianische

Kunst in Bochum, neue

Fotoarbeiten z.B. aus Südafrika,

Möglichkeiten zu sinnlicher

Selbsterfahrung bei Saraceno in

Düsseldorf.

3.

Neben der Kunst gibt es auch das

Feiern und das leichte Leben, ich

kann mich erinnern, dass Du damals

haarscharf am Sieg eines

Tanzcontests im Barmer Galerie-

Kollektiv vorbeigeschlinttert bist.

Geht’s heutzutage schon mal zum

Tangotanzen?

Feiern und das leichte Leben gibt

es für mich noch, allerdings viel

seltener als früher und nicht mehr

bis zum frühen morgen. Etwa vier

mal im Jahr komme ich zum – leider,

wegen vorschneller Erschöpfung,

nur noch kurzzeitig möglichem

– sogar exzessiven – Tanzen.

Dabei hat mich Tango nie interessiert

und ich habe es nie versucht.

Albern sein und Blödsinn machen

mit Enkeln ist eine neue Form des

leichten Lebens und auch der

Rotwein erleichtert das Leben.

4.

Fotografierst Du in Deiner freien

Zeit oder arbeitest Du nur im

Garten?

In meiner für Kreativität freien Zeit

fotografiere ich öfter, vor allem auf

Reisen und stelle auch Fotobücher

zusammen.

Versuche, das Zeichnen oder Malen

zu reaktivieren, sind kläglich gescheitert.

Die Gartengestaltung hat

auch deutliche kreative Aspekte.

5.

Tendierst Du in der Kunst eher zu

den Gottsucherbanden oder zu den

Unterhaltungsidioten? Oder findest

Du solche Kategorien überflüssig?

Die Kategorien Gottsucherbande

oder Unterhaltungsidioten, bewusst

vereinfachend und polarisierend

gewählt, finde ich zu platt.

Kunst die Fragen stellt, Wissen

mitverarbeitet, auch politisch ist,

neue Bereiche auch der Ästhetik

erkundet usw. finde ich fast immer

sehr unterhaltend.

Kunst die keine im weitesten Sinne

existentiellen Themen anspricht

interessiert mich meist nicht.

Es gibt aber selten auch rein

ästhetische Freuden.

Künstler die das auslösen sind

für mich alles andere als Unterhaltungsidioten.

6.

Auch Dir, wie den Künstlern die

Frage „Hast Du Deine Arbeit jemals

als politisch empfunden?“

Meine Arbeit hatte sehr oft einen

politischen meist sozialpolitischen

Aspekt. Vielen Patienten, vor allem

mit psychosomatischen Störungen,

habe ich immer wieder bewusst

machen müssen, wie sehr ihre

Krankheit durch ihre Stellung und

Rolle in der Gesellschaft mitbedingt

waren und dass auch die

Behandlungsmöglichkeiten durch

gesetzliche Vorgaben mitbestimmt

sind.

7.

Gibt es für Dich besonders wichtige

Künstler, Schlüsselbilder oder

Skulpturen in der Kunstgeschichte?

Oder sind es eher Haltungen,

Herangehensweisen, die Art der

Auseinandersetzung?

Diese Frage kann ich nicht beantworten.

Sie ist zu komplex.

Natürlich gibt es Kunstwerke, an

denen einfach mein Herz hängt

wie Rembrandts Bild „die Judenbraut“,

Jawlenskys Frau mit Pfingstrosen,

Videoarbeiten von Bill Viola,

Reliefs im ägyptischen Grab des

Ramose und viele viele andere.

Es gibt Episoden, wie die Entwicklung

der Kunst in Griechenland um

500 vor Christus, die mich nur

staunen lassen und Kunstwerke,

die mich intellektuell ansprechen

oder die durch ihren Mut oder politische

Haltung imponieren usw.

8.

Und nun zum Überleben. Was ist

Dein Lieblingsgericht?

Nach reiflichem Abwägen hab

ich mich für Rinderroulade mit

Zwiebel, Gürkchen und Speck, dazu

Kartoffelklöße und Rosenkohl als

Lieblingsgericht entschieden und

knapp gegen die Lasagne beim

Lieblingsitaliener und den Nudelauflauf

meiner Frau.

9.

Welche Musik hast Du zuletzt gerne

gehört?

Am liebsten höre ich zur Zeit die

sardische Vokalgruppe A Filetta

und Kammermusik wie zuletzt

Chello / Klavier Sonaten von Beethoven

und Debussy.

Die Frage hat mir bewusst

gemacht, dass ich deutlich weniger

Musik gehört habe als früher.

10.

Kann man aus der Kunstgeschichte

etwas anderes als Kunst lernen?

Die Beschäftigung mit der KUNST

ist eine Beschäftigung mit den

Menschen, der Menschheit, dem

Menschsein.

Aus der KunstGESCHICHTE kann

man unter anderem viel über

Herrschaftsstrukturen, Machverhältnisse,

die soziale Situation der

Menschen, Religiöse Überzeugungen,

Weltanschauung, Träume,

ästhetische Moden und Tendenzen,

Abhängigkeit der Geschichtsschreibung

von gesellschaftlichen Voraussetzungen

und so viele weitere

Aspekte lernen, so dass man sie

nicht einmal annähernd aufzählen

kann.

Hermann, Dankeschön.

„... und schicke Dir meine Antworten auch obwohl ich noch lange daran rumbasteln könnte.“

Hermann, Dankeschön. Großartig.

186


Renate Löbbecke FINAL PRESENTATION Installation und Aktion mit Hermann Löbbecke und Besuchern im Rahmen von ArToll ZWEINULL, 9. August 2014 im ehemaligen

Schlachthaus der LVR-Klinik, Bedburg Hau. Videostills aus „https://www.youtube.com/watch?v=cAOveOevR1U&feature=youtu.be“

187


188

Georg Janthur

Atelierbesuch, März 2016


189


190


191


Kunst trifft Rat und Tat II

Kunst im Café

März bis September 2016

Fotografische Blicke

Peter Klassen

Renate Löbbecke

Björn Ueberholz

Krzysztof Juretko

Rita Caspary

Silke Kammann

Sylvie Hauptvogel

Klaus Küster

Karl-Heinz Krauskopf

Bartek Juretko

192


Barlachs Hände, 2000

Karl-Heinz Krauskopf

193


194

Fundstücke: Krysztof Juretko, 2010

Pferd über Tanzszene


Wuppertaler Maler: Anna Solecka

rechts:

Gegenlicht 3K, Ö̈l, 24 x 30 cm, 2012,

linke Seite 1 : 1 Ausschnitt

ganz rechts Gegenlicht 2K

befreundete Galeristen, unvollendete Projekte, Kuriositäten und tun was zu tun ist. R.I.P.

Spaß haben. Das Skulpturenprojekt auf der Hardt: Zum fünften Mal hatte Oswald Gibiec-Oberhoff

über 20 Künstler eingeladen. „Mikado, eigentlich ein Spiel?“ Auf der Hardt, 30. Juni 2013.

Von links nach rechts: Eckehard Lowisch, Dietrich Maus, Sabine Düwell, Andreas Steffens.

Sich dem Ernst der Lage bewusst sein. Nach dem Aufbau der Ausstellung Hans Reichel

feat. Maurycy in der Stadtsparkasse Wuppertal, 20.09.2012. Von links nach rechts:

Klaus Untiet, Süleymann Kayalp, Peter Klassen, Maurycy, Rob Fährmann und Frank Ifang.

unvollendete Projekt: Knüppelrock, soon coming

Roland, Holger und Peter, 18.10.2014, vor einem Bild von James Rogers posierend

195


196


KunstStation

im Bahnhof Vohwinkel

Räume zur Verfügung stellen,

Menschen einladen, Kunst zeigen.

Die KunstStation in der ehemaligen Expressgutabfertigung

im Bahnhof Vohwinkel ist ein

nicht kommerzieller Projektraum für gegenwärtige

künstlerische Positionen.

Das ehrenamtlich arbeitende Kuratorenteam

Eckehard und Tine Lowisch

entwickelt hier seit dem Sommer 2014 ein Konzept weiter,

das bereits im Februar 2009 von der Grafikerin Ulla Schenkel

und der Fotografin Ute Klophaus

angeregt worden war.

197


9. April bis 8. Mai 2016 Andreas M. Wiese – ZU DEN LEISEN

An alle Passanten:

Leerstand ist Freiraum

Die Möglichkeiten, die wir hier

vorgefunden haben und die

Strukturen, die wir geschaffen

haben sind vielversprechend.

Der Wandel, der sich im Moment

offensichtlich in unserer Gesellschaft

vollzieht ist vielversprechend.

Vielleicht auch, weil die Krisenherde

zur Normalität geworden sind und

die sogenannte Normalität immer

neue Krisen hervorbringt,

versprechen wir uns von unseren

lokalen Bemühungen, dass wir

durch unser Tun den Menschen

wieder zur Kunst bringen.

Mein Mann sagt immer:

„Ich sehe die Aufgabe der Kunst

darin, den Menschen herauszufordern,

sich zu interessieren.

Denn erst der interessierte Mensch

geht zur Kunst. Also muss vor dem

Interesse das Unerwartete zu den

gewohnten Orten gebracht werden.

Künstler leisten Pionierarbeit,

es ist also meine Aufgabe es

anders zu machen und ich darf

mich, auch wenn es bequem wäre,

nicht in ritualisierten Wiederholungen

verstricken.“

Zur Kunst gehen heißt, von

Künstlern zu lernen. Und da nicht

jeder Mensch ein Künstler ist,

genauso wie nicht jeder Arzt oder

Astronaut, müssen wir erst einmal

wieder neu zur Einsicht kommen

und uns fragen: Wie geht der

Mensch mit Freiraum um?

Was das mit der Kunststation im

Bahnhof Vohwinkel zu tun hat?

Alles.

Tine Lowisch

198


199


... fast vollständige Liste

beteiligter Künstler

1979-1982, Hofaue 21 a

nordstadt-galerie-kollektiv

Ausstellungen, Performances,

Aktionen mit:

Maria Achilles

Volker Anding

Karl Armbrust

Armutszeugnis

Katarina Albinghaus

Gregor Becker

Rüdiger Bergmann

Rolf Behme

Uli Bodemüller

Reinhard Blankenberg

Abraham David Christian

Uwe Claus

Bernd Dehne

Inge Deubel

Karel Dudesek

Gabriele Donder-Langer

Klaus Engelberth

Günther Engelmann-Kordas

Andreas Müller-Eckhard

EROC

Fluxus-Zone-West

Free-Action-Quartett

Gundula Freydank

Manfred Galden

Renate Ghiazza

Walter Giskes

Rolf Glasmeier

Bärbel Görner

Stephan Grosse-Grollmann

A. Grimm

Gruppo di Ricerca Materialistica

Herlmut Götzinger

Reiner Götzinger

Heike Jacobs

Wolfram Jörges

Gerlinde Kemper

Küchentheater

Thomas Korte

Gerlinde Lambeck

Santo Leonardo

Iris Linke

Lunapark

Helmut Magel

Alfred Miersch

RWLE Möller

The Mods

New Live Ensemble

Dirk Nowakowski

Open Field Music

Will Oster

Wolfram Palm

Bernd Polster

Giancarlo Pagliaso

Peg'n Bow

C. Quadflieg

Ratibor Theater

Harald Reiter

Rauschenberg

Angelika Sdun

Joshio Shirakawa

Jean-Pierre Szabo

Silvan Saini

Soft Soap

Hans Schäfer

G. Schaumlöffel

Berthold Schepers

H. P. Schenk

Johannes Stüttgen

Bernhard Schwarz

KH.W. Steckelings

Hans E. Steinkos

Joachim Wagner

Jerzy Wankiewicz

Angelika Wengler

Wulle Konsumkunst

Wuppertaler Rockfolk Orchestra

Wolfgang Zülch

1983-1993,

Berliner Straße 39

atelier- und galerie-kollektiv

Ausstellungen, Performances,

Aktionen mit:

Mariko Ayoama

Klaus Abromeit

Ulrike Arnold

Ursula Damm

bodo berheide

Joachim Bischoff

M.M. Buras

Eta Bender

Tim Berne

Michael Barth

Dieter Broselge

Jürgen Bennemann

Peter Caspary

Rita Caspary

Tony Cragg

Angela B. Clement

Graziella Drössler

Klaus Eggemann

Walter Fähndrich

Forschungsgruppe Komplexe

Dynamik der Universität Bremen

Christa Feuerberg

Mircea Florian

Jochen Gerz

Monika Günther

Harald Hilscher

Volker Hildebrandt

Frederike Hamann

Bettina von Hartmann

Hans Peter Hiby

Karl Inderberg

Andreas Junge

Peter Kowald

Thomas Kesseler

Marina Kern

Klaus Küster

Uwe Kampf

Rainer Kraft

Martin Kuhles

Ute Klophaus

José Katxua

KINGHAT

Sho Kazakura

Takeshi Kozugi

Urs Leimgruber

Renate Löbbecke

Die Langheimer

Valerian Maly

Catherine Metais-Bührend

Dietrich Maus

Barbara Nemitz

Sabine Oldenburg

Danos Papadopoulos

J. O. Olbrich

Lothar Pfennig

Ralf Prinz

Martin Peulen

Thomas Rottenbücher

Jürgen Raap

Knut Remond

Michael Seeling

Klara Schilliger

Dirk Schäfer

Wolfgang Stiller

Ruedi Schill

Jan Willem Sebastiaan Spit

Dagmar Schröck

Susanne Berger

Siegfried Sander

George J. Steinmann

Thomas Schliesser

Katja Thiele

Rüdiger Tag

Peter Trachsel

Michiyo Tsuyuki

Rob de Vry

Ike Vogt

Hermann de Vries

Jörg Winter

7 Symposien Schmerwitz

zusammen mit Irene Warnke

und Synanon (1993–99)

Nicole Aders

Mathias Beck

Margret Blessmann

Bodo Berheide

Ines Berger

Angela Carson

Birgit Eicher

Fritz Eicher

Reinhold Fäth

Maria Gehrling

Gunda Gottschalk

Annette Gadatsch

Beate Grazianski

Jürgen Grölle

Sigrid Hacker

Michael Heinrich

Wolf Hedrich

Wolfgang Huber

Harald Hielscher

Andrea Hold-Ferneck

Peter Jacquemyn

Sigrid Jacquemyn

Georg Janthur

Ingrid Kaftan

Uwe Kampf

Gudrun Klassen

Peter Klassen

Kim-Ludolf Koch

Peter Kowald

Regina Friedrich-Körner

Tony Lohr

Renate Löbbecke

Ina Lindemann

Elke Lixfeld

Sabine Mordhorst

Hektor Mavridis

Elisabeth Müller

Claudia Okonek

Wolfgang Opitz

Thomas Rottenbücher

Thomas Rother

Nanny de Ruig

Wolfgang Schmitz

Sabine Schneider

Peter Schulze

Kristin Scheuerpflug

Yury Selivanov

Catherine Steffens

Andreas Steffens

Cathrine Schlingmann

Roman Schweigert

Dirk Schlingmann

Kristin Sperlich

Marcus Sperlich

der Synanon Chor

Herb Weaver

Anita Weaver

Catherine Tillmanns

Niklas Trüstedt

Rob de Vry

Ingo Warnke

Irene Warnke

Rober Weber

Thomas Werneke

Thomas Wellmer

Silvia Schwarz

Petra Zündorf

seit 1993

Kollektiv für intermediale

Kunstarbeit

art consulting

Internet Performances,

die Symposien in Schmerwitz,

die Greenpiece-Projekte,

Kooperation mit dem Cyt,

mit der Immanuelskirche,

mit dem Artesan Center Wheeling,

„hidden places“,

in Grölles pass:projects ohneanfangundohneende,

im Haus Fahrenkamp das

„Kaufhaus Michel“,

Kunst im Cafe Rat und Tat,

normal in der Hagenring-Galerie,

in der Central.Galerie Remscheid.

Wir haben das SIXPACK-Projekt

unterstützt, die MOVINGARTBOX,

es gibt eine Reihe von Veröffentlichungen

in der HUITZILIPOCHTLI-

Edition usw.

wird fortgesetzt

mit

Bodo Berheide

Jennifer Blose

Holger Bär

Peter Caspary

Rita Caspary

Gregor Eisenmann

Annette Gadatsch

Jürgen Grölle

Sylvie Hauptvogel

Christian Ischebeck

Georg Janthur

Bartek Juretko

Krzysztof Juretko

Silke Kammann

Gudrun Klassen

Peter Klassen

Peggy Klick

Klaus Küster

Karl-Heinz Krauskopf

Jörg Lange

Renate Löbbecke

Regina Friedrich-Körner

Zbigniew Pluszynski

Mitsuru Sasaki

Dirk Schlingmann

Catherine Schlingmann

Andreas Steffens

Björn Ueberholz

200


201


Fotografieverzeichnis

Seite und von links nach rechts und von oben nach unten

3, 4 Peter Klassen

6, 7 Priska Ketterer

8–10 Peter Klassen

11 Peter Klassen

Georg Janthur

Bodo Berheide

12–13 Klaus Küster

15 unbekannt

16–17 Peter Klassen

18 Peter Klassen

Bodo Berheide

19 Peter Klassen

Bodo Berheide

20 Bodo Berheide

Peter Klassen

22–23 Reinhold Bertlmann

Peter Klassen

24–25 Renate Bertlmann

26–27 Peter Klassen

Bodo Berheide

unbekannt

28–29 Peter Klassen

unbekannt

30–31 Peter Klassen

unbekannt

32 Peter Berheide

36–37 Peter Klassen

41 Süleymann Kayaalp

42–45 Martin Peulen

46 Peter Klassen

50 Konrad Hupfer

Thomas Rottenbücher

52–54 Peter Klassen

55 Peter Schulze

54–65 Peter Klassen

66–67 Gudrun Klassen und

Anna Warnke

68 Peter Klassen

Zbigniew Pluszynski

69 noch unbek.

72 Peter Klassen

73 noch

Ingrid Kaftan

74–77 Irene Warnke

78–81 Peter Klassen

82 Martin Becker

202


Inhaltsverzeichnis

Seite

3 Einleitende Worte

Erik Schönenberg

2

4 über dieses Buch

Walter Fähndrich

5 Ja ja ja, nee nee nee

5 Monika Guenther und Ruedi Schill

8 Was tun

Klaus Küster

9 10 Fragen an Klaus Küster

10 Central.Galerie

12 Credo II

13 Credo I

13

das Kollektiv für

intermediale Kunstarbeit

Berliner Straße

Joseph Beuys

Ute Klophaus

Walter Fähndrich

Walter Fähndrich

Walter Fähndrich

Walter Fähndrich

152 Kunst im Cafe Swane

156 10 Antworten von Peter Klassen

Kollektiv ohne raum bis 2016

158 Anhang

160 Chronologie

1976 bis 2016

160 Fotografieverzeichnis

nach bestem Wissen und Gewissen

160 Inhaltsverzeichnis

Seite 1 bis 200

160 Inhaltsverzeichnis

Seite 1 bis 200

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Personenregister

50 7 Symposien in Schmerwitz

57 Museum Schmerwitz

69 Danse de la chèvre

70 Vom Beginnen Andreas Steffens

74 Irene

80 Marcus Sperlich

82 Jürgen Grölle

86 10 Fragen an Kim-Ludolf Koch

128 Huitzilopochtli Edition

133 Utopie des Exils oder Topologie der Kunst

Andreas Steffens

134 für Sri Lanka – Epikur

136 Kunst im Cafe Tat und Tat

„Wenn Du auslöschst Sinn und Ton,

was hörst Du dann?“

Haus Fahrenkamp

Hagenring-Galerie

10 Fragen an Zbigniew Pluszinsky

10 Fragen an Holger Bär

150 10 Fragen an Christian Ischebeck

203


Chronologie

nach bestem Wissen und Gewissen

Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Hofaue 21

Hauptsächlich in den Räumen der Hofaue wurden

zahlreiche Veranstaltungen, KONSPIRATIVE

Treffs, Kaffeestunden, Weiterbildungen und Feiern

und Feste und Feiern und Feste abgehalten.

Alles, was direkt etwas mit Kunst zu tun hatte,

ist hier (wahrscheinlich) aufgeführt. Der Rest ist

unerheblich, etwa die Gründung der Wuppertaler

Grünen in den Kollektivräumen, das Männergruppencafé

oder andere private Verabredungen

(die später auch Folgen hätten gehabt haben

können) sind nicht berücksichtigt.

1976 erste intermediale zusammenarbeit

in Lothar Pfennigs Wohnung/Lager

mit Lothar Pfennig, Rainer Kraft,

Angelika Sdun, Rainer Widmann,

Bodo Berheide

1977 21., 22., 23. Januar

„3 tage zusammenarbeit“

„nordstadt-galerie-kollektiv mit

Galerie Aura im Ladenlokal in der

Wiesenstr. 81, mit Volker Anding,

Joshio Shirakawa, Lothar Pfennig,

Manfred P. Galden, A. Müller-Eckard,

Bodo Berheide, Axel Behl, Angelika

Rusche, Abraham David Christian,

H. F. Neumann, Ch. W. Jerzenbeck,

Horst Kerger, Wolfram Palm,

Gerd Neumann/Uli König/Paul

Reinke-Band, René Gaudian, Karel

Dudescek, Wolfram Jörges

1978 Umzug ins Fabrikgebäude Hofaue 21 a

1978 „einwochenmodell“ im

Von der Heydt-Museum mit

Angelika Wengler, Alfred Miersch,

Jürgen O. Olbrich, G. Schaumlöffel,

Joachim Wagner, Helmut Götzinger,

Wolfgam Palm, Wolfgang Schmitz,

KH. W. Steckelings, Michael Becker,

Ralf Prinz, Bodo Berheide

1978 20. Januar bis 17. Februar

erste Ausstellung in der Hofaue

Arbeiten von Wolfram Palm.

1978 24. Februar bis 18. März

„von sibirien nach moskau“ mit

Karl Armbruster

1978 22. April

Zusammenarbeit „kunst ist“ mit

Lothar Pfennig, Rainer Kraft, Angelika

Sdun, Wolfram Jörges, Bodo Berheide

und Gästen

1978 Montag, 1. Mai

Aktion mit Klaus Engelberth,

alias Anton Neger Antonius

1978 ganzer September

„fragmente“ mit

Helmut Götzinger und Joachim Wagner

1978 Mittwoch, 6. September

2. Zusammenarbeit mit Kollektiv und

Gästen

1979 15. Februar bis 17. März

Maria Achilles, Malerei

1979 März

„Raumkunst“, Bernd Schepers

1979 10. März

„treten sie näher“ Ein-Mann-Theater

mit Wolfram Zülch.

1979 17. April

„the architecture of freedem 4“

Performance mit Gruppo di Ricerca

Materialistica.

1979 21. Mai

Filmwerkschau West zeigt

Stephan Grosse-Grollmann

1979 26. Mai bis 2. Juni

„auswuchs – 8 stunden am

arbeitsplatz“, Performance und

Installation, Bodo Berheide

1979 30. August

Performance mit Jürgen O. Olbrich

1979 8. bis 22. September

„ich wollt ich wär ein huhn“

ausstellung mit RWLE Möller, Bernd

Polster und Harald Reiterer

1979 13. September

„sooo weit sind wir“, Ratibor Theater

1979 21. September

„fashion show“ mit Marina D.

Filme von Middendorf, Salomé und

Fetting

1979 20. Oktober

„rock around the clock“

Musikfeté

1979 3. bis 17. November

Volker Anding, Arbeiten aus New York

1978

1979 24. November

„im schiefen raum“

Performance mit Rainer Kraft und

Lothar Pfennig.

1979 9. bis 20. Dezember

Zeichnungen, Jean-Pierre Szabo

1980 1. bis 16. August

„zeitobjekte“ von Hans Schäfer.

1980 1. August

Musik mit Armutszeugnis

1980 18. August

„merz“ zusammenarbeit, Kollektiv

und Gäste.

1980 7. bis 14. November

Malerei von Reinhard Blankenburg

1980 14./15./16. November

deutsch/italienische zusammenarbeit

im Von der heydt-Museum, mit

Gruppo di Ricerca Materialistica,

Boris Nieslony, Jürgen O. Olbrich und

Bodo Berheide

1980 16. November

Alfred Miersch liest

1980 28. Nov. bis 11. Dezember

„In schlecher Verfassung“, Bilder von

Peter Klassen. Zur Eröffnung gab es

Musik von Achim Ehrig (eroc), Peter

Klassen und Michael Barth.

1980 5./6./7. Dezember

„3 Tage Blech“ Musikperformance mit

Willy Oster, Paul Hubweber, Joseph

Thielen, Rolf Otten und

Claus van Bebber.

1980 21. Dezember

„offensichtlich“, Tam Theater.

1981 9. bis 18. Januar

„think about my“ Rauminstallation mit

Wolfgang Wiesemes

1981 13. Februar

„erdkontakte“ Performance mit

Ralf Prinz.

1981 15. Februar

„ick bin allhie!“, Performance mit

Volker Anding

1981 21. Februar

„die endzeitwalze“, Performance mit

Hans Schäfer

1981 20. bis 29. März

Malerei von Willy Oster

1981 21. März

„the Mods“ feté mit liverock

1981 24. April

Musik mit „lunapark“, Burkhard

Ballein, Memphis Heiner Boos, Siggi

Domke, Klaus (Schlips) Gebauer

1981 14. August

„Bilanz“, Kollektiv-Gespräch

1981 21. bis 23. Oktober

„30 grad – täglich“, mit

Jerzy Wankiewicz

1981 21. Nov. bis 5. Dezember

„schwarz/weiss rauminstallation“

mit Gaby Donder-Langer

1981 12. Dezember

Performance mit Wulle Konsumkunst

1982 5. bis 19. März

„Farbräume“ mit Bernhard Schwarz.

1982 30. April bis 15. Mai

„SLING SHOT ACTION“,

Renate Bertlmann wäscht, Performance

1982 11. September,

Aktionstag zum 5-jährigen mit

„the radaubrothers“

1982 22. Sept. bis 6. Oktober

„schlickfelder/schlickprofile“ Objekte

von Wulf Kirchner

1982 5. Oktober

„Hartes Wasser – weicher Stein“

Performance mit Peter Klassen

1982 16. bis 30. Oktober

Malerei von Dirk Nowakowski und

Joachim Wagner

1983 22. April

„kopf oder zahl“

Volkszählungsboykottfeté

1983 29. April bis 20. Mai

Bilder von Joachim Bischoff

1983 25. Mai

„Dort wo du bist, bin ich auch“

Ruedi Schill, Performance

1983 25. Juni

„Musik an den Mond“ Improvisationen.

Das Kollektiv mit Gästen,

Claus van Bebber, Eroc, Thomas

Rottenbücher, Michael Barth,

George Steinmann,

Wolfgang Wiesemes

1983 6./7. Juni

„wuppertal nachstimmen“

auf der Hardt, mit Dieter Broselge und

Bodo Berheide.

1983 10. September

„einfach nur so – tagtäglich“, der

Kongress, das Kollektiv im Schloss

Lüntenbeck.

1983 30. September

„Foto.be-mal-aktion mit

Gruppenbild“, mit Helmut Magel

1983 4. bis 16. November

„wuppertal nachstimmen“, Fotos von

Jürgen Bennemann zur Aktion

1983 26. November

„1. internationales

Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier“

Siegerin: Brigitte Hansohm

1983 18. Dezember

„her mit der U-bahn, sofort“,

das Kollektiv und Gäste,

Pressekonferenz in der Gaststätte EXIL

1984 20. Januar

„bewahren“, Performance mit Gudrun

und Peter Klassen und Jörg Winter

1984 14. April

„grenzenlose hoffnung“, das Kollektiv

fährt mit Gästen an die niederländische

Grenze. Michael Becker dreht den Film

„Grenzstation“.

1984 6. Mai,

Georg Steinmann Blues Band mit

Michael Poffet und Jürg Lehmann

1984 6. bis 11. Mai

Martin Peulen arbeitet im Kollektiv

Zeichnungen, Bilder, Musik

1984 6. Mai

„grenzenlose hoffnung“

Pressekonferenz mit anschliessendem

Dinner im „EXIL“

1984 12. / 13. Mai

„grenzenlose hoffnung“ mit

J. O. Olbrich, Performance und

Albrecht Michael Barth, Wolkenklang

Sonntags: Grenzbaum-Mikado-Spiel

mit Gästen

1984 Termin ist verschollen

„Die Garde trinkt, übergibt sich

aber nicht!“ Performance

mit Jürgen Raap

1984 1. Oktober

„Ich möchte mit dir tanzen“

Ruedi Schill, Performance

1984 9. Oktober

„Henkersmahlzeit“ mit ca. 70 Gästen.

offizelles Ende in der Hofaue 21 a

1985 30. Mai, 1./2. Juni,

„bodos letzte – von hier aus“.

Performance und Installation von

Bodo Berheide

Atelier- und Galerie-Kollektiv,

Berliner Straße 39 a

das erste neunte jahr

1986 3. Mai

Eröffnung des neuen Galerie-Hauses.

Feierlich mit Peter Friese. Es gibt Musik

von der hauseigenen Band REICH mit

den Gästen RME Streuff, Dirk Schäfer

und Ingo Warnke. Buffet inbegriffen.

Offene Ateliers: Danos Papadoloulos,

Martin Kuhles und Rüdiger Tag

1986 5. Mai

„Manchmal traue ich meinen Augen

nicht“, Ruedi Schill, Performance

1986 23. Mai bis 18. Juni

„Sprache der Bewegung“.

Photographie zu Joseph Beuys

von Ute Klophaus

Eva Beuys besucht mit Sohn Wenzel

die Ausstellung*

1986 20. bis 11. Juli

„Kunst ist unberechenbar“

Arbeiten mit Farbe und Licht von

Marina Kern.

1986 18. Juli bis 8. August

Malerei und Arbeiten aus Draht

von Wolfgang Stiller.

1986 5. bis 26. Sept.

„SIX MIX“, Objekte, Zeichnungen,

Malerei von Klaus Abromeit,

Catharine Bührendt-Métais, Friederike

Hammann, Bettina v. Hartmann,

Markus Fink und Thomas Schliesser.

1986 31. Okt. bis 21. Nov.

„Schönheit im Chaos“.

Forschungsgruppe komplexe Dynanik,

Universität Bremen

Podiumsdiskussion mit Ingo Warnke,

Prof. Dr. Siegfried Maser, Dr. Jochen

Leonhardt, Marina Kern, Dr. Hartmut

Jürgens, Prof. Michael Badura,

Prof. Dr. Peter H. Richter, Dr. Michael

Reeken und Johannes Stüttgen

1986 3. bis 20 Dezember

„Kultur Natur“, mit 21 KünstlerInen, in

zusammenarbeit mit der Vhs Wuppertal,

kuratiert von Peter Friese

bei uns Jochen Gerz, Ulrike Arnold,

Ursula Damm, Volker Hildebrandt,

Uwe kampf, Ute Klophaus,

Die Langheimer, Barbara Nemitz,

Hermann Esrichter und Hermann de Vries

1987 2. bis 27. Februar

Objekte und Bodenbilder

von Christa Feuerberg

1987 27. Februar

„just married“, Musikperformance mit

Claus van Bebber und Horst Lemke

1987 27. März

„Vom Verschwinden der Bilder“

Klara Schilliger und Valerian Maly

1987

„Fletcher konnte fast nicht schlafen“

Peter Trachsel, Knud Remond

1987 8. bis 29. Mai

Bilder und Zeichnungen von

Maria M. Buras

1887 30. Mai

Feté zum 10-jährigen Jubiläum des

Kollektivs mit vielen Gästen

1987 2. Oktober

„Eins nach dem anderen“

Ruedi Schill, Performance

1987 3. bis 24. Oktober

Zeichnungen und Objekte von

Irene Warnke und Sigrid Hacker

1987 24. Oktober

„Tanzabend III“ mit der Galerie-Band

Reich, als Gast Thomas Rottenbücher

1987 9. bis 27. November

Skulpturen von Tony Cragg

1987 11. Dezember bis 8. Januar 1988

Malerei von Graziella Drößler

Eröffnung Hans van der Grinten

*dies ist eine lange Geschichte und kann hier nicht erzählt werden

204

... würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene den Menschen alles, wie es ist: unendlich. William Blake


1988 15 bis 29. Januar

Installationen/Fotoarbeiten von

Catherine Métais-Bührend,

Karl Inderberg und Uwe Kampf

1988 12. bis 29. Februar

„volkszählung 87“ mit

39 Künstlerinnen und Künstlern

Organisation Klaus Küster, zur

Eröffnung spielte das „Heinrich Mucken

Saalorchester“

1988 12. bis 31. März,

Bilder und Performance der Gruppe

„Aoyama“ mit Jan Willem Spit,

Jose Katxua, Rob de Vrij, Julie Stanzak,

Mariko Aoyama.

1988 16. bis 23. April

„figura magica“, Pinselzeichnungen

zum Projekt von Bodo Berheide

1988 18. Mai bis 14 Juni

gemeinsamer Bilderzyklus von

Michiko Tsuyuki und Bolle Grölle

1988 2. bis 28. September

„Atlantis und der Verlust der Bilder“

Malerei von Joachim Bischoff

1988 1.Oktober

„Showtime“

Ruedi Schill, Performance

zur Eröffnung des Symposions

Menschen im Kreis

1988 1. bis 15. Oktober

„Menschen im Kreis“ Ausstellungen,

Performances, Musik und Essen mit über

15 internationalen KünstlerInnen

1988 19. bis 30 November

„ajin, hé, nun“, Installationen von

Ike Vogt.

1989 24. Februar bis 23. März

„trias, magie des dreiecks“, Arbeiten

von 68 KünstlerInen. Organisation

Klaus Küster und Rolf Glasmeier.

Pflanzung des ersten „Bürgerbaumes“,

einer dreiarmigen Eberesche auf dem

Mittelstreifen der B 7.

1989 7. bis 21. April

„Malerei“, Ausstellung von

Andreas Junge

1989 19. Mai bis 16. Juni,

Zeichnungen, Wolfgang Schmitz

1989 8. bis 22. September

Bilder und Skulpturen von

Thomas Kesseler

1989 9. September

„Sprengung“ mit Manos Tsangaris,

Michael Heinrich und Christian Graeff

1989 20. Oktober bis 5. November

„Neuigkeiten“, Bilder und Objekte von

Andrea Behn

1989 24. Oktober,

„Viola IV Viola III Viola II“

Musik-Performance Walter Fähndrich

1989 10. November bis 8. Dezember

„Malerei“ von Brigitte Driller

1989 16. bis 22. Dezember

„Requiem für einen Hasen“

Performance, Objekte, Bilder von

Edoh el Loko

1990 9. bis 23. Februar

„symmpaarig“, Arbeiten von

Klaus Küster

1990 3. bis 31. März

„Reuss“, 10 KünsterInnen aus Luzern

„Armoires et Miroirs“, Ruedi Schill,

Performance

1990 26. März

Lesung mit Theo Kneubühler

und Carlo Sauter

1990 23. April bis 4. Mai

Malerei von Irene Warnke

1990 3. Mai

„Arbeiten um zu leben“

Diskussionsabend mit Mitgliedern der

Fachgruppe Bildende Kunst mit

der Industriegewerkschaft Medien

und Gästen

1990 21. September bis 5. Oktober

„Fotografien“ von Sabine Oldenburg

und Katja Thiele

1990 12. bis 26. Oktoer

„zwischen den Bildern“

Ausstellung von Peter Klassen

1990 2. bis 25. November

„white only“, Performance und

Ausstellung mit Bernhard Lüthi,

Edoh el Loko und Bodo Berheide

1990 7. bis 21. Dezember

„Spuren der Elemente – Kupfer und

Eisen“ von Angela B. Clement

1991 12. bis 25. Januar

„Steinspannungen“ von

Michael Seeling

1991 23. März bis 5. April

54 „künstlerInnen für greenpiece“

Baumpflanzprojekt des Kollektivs

1991 3. bis 17. Mai

„Malerei“ von Walter Linsewski

1991 6. bis 20. September

„Anordnungen“, von Michael Winter

1991 4. bis 18. Oktober

„Neue Arbeiten auf Papier“

von Harald Wolff

1991 1. bis 15. November

„Wir haben nichts miteinander

zu tun!“, Studenten von Konrad

Klapheck: Oren Adar-Burla, Peter

Hoßdorf, Thomas Pöhler,

Andreas Wiese

1991 4. bis 22. Dezember

„Waffensammung“ Installation

von Inken Boje

1992 13. bis 27 März.

„Landschaften“ von Jürgen Schlothauer

1992 3. bis 16. April

„Malerei“ von Nanny de Ruig

1992 4. bis 18. September

„Aufstapelungen für Ameisen“,

Skulpturen von Mogens Otto Nielsen

1992 in der Kunsthalle Klandestin, Hofaue 55

„Stück für einen Gartensaal“

Ruedi Schill, Performance

1993 7. bis 28. Mai

„CARTA , QUATTRO STELLE“ Eta Bender

1993 18. Juni bis 2. Juli

„Abdank“ – Bilderzyklus von

Dietrich Maus – „über das

Verschwinden der Ikone Lenin“

seit 1993

Kollektiv für intermediale

Kunstarbeit

art consulting, Internet Performances,

die Greenpiece-Projekte, Kooperation mit dem

Cyt, mit der Immanuelskirche, mit dem Artesan

Center Wheeling: „hidden places“,

in Grölles pass:projects

ohneanfangundohneende,

im Haus Fahrenkamp das

„Kaufhaus Michel“,

Kunst im Cafe Rat und Tat,

normal in der Hagenring-Galerie,

in der Central.Galerie Remscheid.

Atelier- und Galerie-Kollektiv

in Zusammenarbeit mit Irene Warnke und

Synanon in Schmerwitz/Brandenburg

Der altgriechische Ausdruck Symposion

(griechisch συµπόσιον sympósĭon;

spätlateinisch symposium) steht sinngemäß für

„gemeinsames, geselliges Trinken“.

„Scheune, Kirche, Feld“

die jeweils erste Woche im August

1993 1. Symposion in Schmerwitz

1994 2. Symposion in Schmerwitz

1995 3. Symposion in Schmerwitz

1995 15. Dezember

Stadthalle am Johannisberg

„Viola“, Walter Fähndrich

1996 17. Februar

„magic elements”,

Performance, Bethany, West-Virginia,

USA und via Internet Übertragung ins

CYT

1996 4. Symposion in Schmerwitz

1997 12. April

„hidden places“,

Immanuelskirche Wuppertal

mit David John Mega, Catherine und

Dirk Schlingmann, Herb Weaver, Kenn

Morgan, Gaby Donder-Langer, Rüdiger

Tag, Peter Klassen, Jürgen Grölle und

Bodo Berheide

1997 13. Juni bis 4. Juli

„hidden places“,

Artesan Center, Wheeling, West-Virginia

mit Gaby Donder-Langer, Rüdiger Tag,

Peter Klassen, Jürgen Grölle, Bodo

Berheide, David John Mega, Catherine

and Dirk Schlingmann, Herb Weaver and

Kenn Morgan

1997 5. Symposion in Schmerwitz

1997 16. Januar 1998

„ohneanfangundohneende“,

Performance mit Annette Gadatsch,

Dirk Schlingmann, Peter Klassen,

Bodo Berheide

1998 6. Symposion in Schmerwitz

1999 7. Symposion in Schmerwitz

2001 13. bis 28. Oktober

„Approaching Australia“, mit Bodo

Berheide, Catherine Schlingmann,

Hundefänger, Harald Wolff,

Nanny de Ruig, Bernard Robillard,

Peter Klassen

2002 25. Februar

Buchvorstellung Stadtbibliothek

„eins zu eins“, Ausschnitte aus der

Wirklichkeit der Kunst (Buchprojekt)

eine Zusammenarbeit der

Stadtbibliothek Wuppertal

2002 25. Februar

Finissage mit Lutz-Griebel-Quartett

2003 „6pack – mit Renate Löbecke, Nanny

de Ruig, Regina Friedrich-Körner,

Peter Klassen, Bodo Berheide und

Jörg Lange“, das Projekt mit sechs

Partnerstädten beginnt

2003 24. Juni bis 31. Juli

Buchvorstellung: „figura magica“

mit einem wiederveröffentlichten Text

von Ilske Konnertz in deutscher,

englischer und japanischer Sprache.

Mit Illustrationen von

Harald Wolff und Bodo Berheide.

2003 24. Juni

„Tanzperformance“

mit Mitsuru Sasaki und Jennifer Blose

eine Zusammenarbeit der Stadtbibliothek

Wuppertal und dem Atelier- und Galerie-

Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit

2005 „Tsunami“, Galerie Epikur, mit

sixpack, Jürgen Grölle und

Bjoern Ueberholz

6pack: „Infiltracion“, Ausstellung

Galerie Janzen, Wuppertal und Katalog

2008 6pack: „Liegniz/Legnice“, Polen

Unterstützung Katalog

2012 6pack: „BOX in MOTION“,

movingartbox.de, Neuer Kunstverein

Wupertal, Sunderland GB, Bedburg-Hau,

Amsterdam, Antwerpen B, Otterlo NL,

Gießen, Mallorca E, Breslau, Polen

2012 20. April bis 28. Juli

„100 Tage Kunstreise“

im Kunstkomplex Wuppertal

mit Folly Koumouganh, Anja u.

Holger Schmidt, Tetsuya Hasegawa,

Azuchi Gulliver, André Chi Sing Yuen,

Alejandra Ruddoff, Sala Seddiki,

Catherine Schlingmann, Davi John Mega,

Steven Hautemaniére, Stephan Kimmerl,

Dominic Sansoni, Frank Hinrichs,

Pablo Pupiro, Sabine Kreiter,

Georg Westerholz, Zahra Hassanabadi,

Erika Koch, Bernhard Lüthi,

Andy Benger, Bodo Berheide,

und Andreas Steffens

2013 „www.movingartbox.de“, Neuer

Kunstverein Wupertal

2014 17. bis 19. Januar 2014

„Kaufhaus Michel“, eine Installation

im Haus Fahrenkamp. Wall 21 /

Kirchstraße, Wuppertal-Elberfeld,

mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,

Georg Janthur, Peter Klassen, Andreas

Steffens und Jörg Lange

2014 27. Juni bis 1. Juli

„... auf Leben und Tod ... nur sieben

Tage” Lokalkunst, Gevelsberg

mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,

Georg Janthur, Peter Klassen

2015 April bis 24. Mai

„Was übrig bleibt“, eine Installation

in der Galerie Hagenring, Hagen,

mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,

Georg Janthur, Peter Klassen und

Andreas Steffens

Ausstellungen im SWANE-Café:

2015 Bodo Berheide

Nicole Kreischer

Doris Stückrath

Folly Koumouganh

2016 Christian Ischebeck

Nataly Hahn

wird fortgesetzt ...

2015 Februar bis Mai

„Kunst trifft Cafe Rat und Tat“

Krzysztof Juretko, Bodo Berheide,

Christian Ischebeck, Georg Janthur,

Peter Klassen, Gregor Eisenmann,

Renate Löbbecke, Peter Caspary,

Holger Bär, Jürgen Grölle,

Regina Friedrich-Körner,

Andreas Steffens

eine Zusammenarbeit des

Cafés Rat&Tatder GESA Beteiligungsgesellschaft

gGmbH Wuppertal und dem Atelier- und

Galerie-Kollektiv

2015 29. November 2015 bis 27. Januar 2016

„Überlebensmittel“, eine Installation

in der Central.Galerie, Remscheid mit

Bodo Berheide, Christian Ischebeck,

Georg Janthur und Peter Klassen

2016 März bis September

„Kunst trifft Cafe Rat und Tat II“

mit Peter Klassen, Renate Löbbecke,

Zbigniew Pluszynski, Björn Ueberholz,

Krzysztof Juretko, Rita Caspary,

Silke Kammann, Sylvie Hauptvogel,

Klaus Küster, Karl-Heinz Krauskopf,

Bartek Juretko und dem

Rat und Tat-Team

2016 25. November bis Ende Januar 2017

„Der lange Marsch – paradoxe

Intervention“, Ausstellung und

Buchvorstellung im Neuen Kunstverein

Wuppertal, Kolkmannhau, Hofaue 51

mit ...

wird fortgesetzt

205


falscher Anfang, falscher Hase:

Hühnerschaf

übermenschliche Unbedeutendheit in Bronze

Sammelstücke: Ralf Erich Michael Streuf

„Es gibt Menschen, für die es

unerträglich wäre, das Leben

mit solcher komischen

Transzendenz zu betrachten,

wie es Streuf eigen zu sein

scheint.“

Wolfgang Rosenbaum

206


„Wir aber dankten ihnen herzlich

für ihre Beharrlichkeit.“

Odysseus

Wir aber danken Euch allen für

Eure Unterstützung und wohlmeinende

Anteilnahme:

Zuerst mal den Kollektivisten, ihren

Angehörigen, den Sammlern und

den Versammelten, natürlich den

Mühseligen und Beladenen,

für die Leidenden möchten wir ein

„Erbarmen“ erbitten, „Gnade“ für

die politisch verfolgten und auch

für die, die verblendet sind. Die

Geblendeten sollen wieder klar

sehen können und die Hungrigen

endlich genug zu essen bekommen.

Die am falschen Ort, zur falschen

Zeit geborenen sollten die

freie Auswahl haben.

Wir bedanken uns bei den Verantwortlichen,

die uns wahrgenommen

haben und beim Wort.

Dankeschön. Wir bedanken uns

beim Erfinder des Daxophons posthum,

er hat endlich den Humor zurück

in die ernste Musik gebracht.

Nein, nicht in den Jazz. Danke,

Hans. Und danke Uchi, dass Du dieses

Ding weiterspielst. Wir bedanken

uns bei den Unermüdlichen,

die immer trotzdem weitermachen.

Sie wissen am besten warum das

nötig ist. Und für alle am Ende gut.

Ja, und im einzelnen bedanken wir

uns bei Andreas Steffens, einer der

klügsten Köpfe Wuppertals, ach

überhaupt. Er macht immer weiter,

ohne Bedenken, aber nicht immer

frohen Mutes. Den wpünschen wir

Dir, den frohen Mut sollst Du bekommen.

Danke für Deine Worte,

erst recht, wenn wir sie das zweite

mal gelesen haben. Nein, das ist

noch keine Vertiefung, erst recht

keine Wiederholung, das ist die

normale Auseinandersetzung, die

damit beginnt, dass man zuerst zu

verstehen versucht. Und zu Teufel:

NEIN! Wir entschuldigen uns nicht

dafür, dass die Dinge zeitweise unverständlich

sind. Wir verstehen

das oft auch nicht. Und wirklich,

das ganze Zeug ist schlecht vermarktbar,

sei’s drum. Na ja, am

Ende lassen wir hier, was wir nicht

tragen können. Der eine mehr, der

andere weniger. Und wie sagte Andreas

Steffens doch gleich auf der

Seite .... über das Beginnen: „Wird

das, was daraus werden kann, einmal

gut gewesen sein? Die vorweggenommene

vollendete

Vergangenheit muss jedes Beginnen

im Keim ersticken. Nach ihrem

Maß zu urteilen aber bedeutet, den

Tod zum obersten Maßstab zu erheben,

den physischen Agenten

des Beendens.“ Sapperlott. Was für

Worte. Einen Freiraum für die Kunst

haben wir uns erbeten und wir

haben ihn genutzt, zeitweilig, auch

wenn es Rückschläge gab und auch

wenn die Zeichen auf Sturm stehen

und die Sterne ungünstig. Was

soll’s, wir können es nicht ändern.

Leben wir damit so gut es geht,

Hauptsache es groovt, denn wenn

einmal die Musik schweigt ....

Danke an Jürgen Raap, der uns direkt

und gerne unsere Fragen beantwortet

hat Und dazu hat er uns

noch einige Texte zur Veröffentlichung

zur Verfügung gestellt. Herzlichen

Dank.

Und Danke natürlich an die Dichter,

an diese Laute und Töne, die uns

seit der Vergangenheit begleiten,

auch wenn sie manchmal wie aus

der Zukunft kommend erscheinen.

Danke, Max Christian Graeff. Dankeschön

Mitch Heinrich. Ihr Unermüdlichen.

Danke auch den Fotografen, die wir

im Fotoverzeichnis falsch zugeordnet

haben, deren Namen wir vergessen

haben. Obwohl wir uns

bemüht haben, es hat nicht gereicht.

Und besonders bedanken

wir uns natürlich bei denen, die wir

kennen, die immer da sind, wenn

etwas bedeutendes passieren

könnte. Ja, wir haben es gewagt,

das Recht darauf, die Fotografien

zu benutzen, zu erbetteln. Und,

Kolleginnen, Kollegen, Ihr habt ein

Gespür dafür, wann man nein

sagen muss! Ohne die Fotografien

wären die Kunstwerke nicht das,

was sie sind. Oder die Realität

wäre auch eine andere, auch wenn

das komisch ist.

Ein paar Fundstücke haben wir eingebaut,

ein paar Fangstücke, einige

Sammlerstücke, Übriggebliebenes.

Wir hätten gerne noch mehr gezeigt

von denen, die ihr Leben lang

das tun, was ihnen nötig erscheint.

Ob man es nun als Marketingfaktor

verwenden kann – oder auch nicht.

Who cares? Dies ist eine Ermunterung,

weitermachen.

207


Impressum

Herausgegeben vom Atelier- und Galerie-Kollektiv

für intermediale Zusammenarbeit e.V. gem

Wuppertal

November 2016

Idee,

Konzeption,

Redaktion:

Texte:

Gestaltung:

Herstellung:

Lektorat:

Bodo Berheide

Peter Klassen

Bodo Berheide

Peter Klassen

Jürgen Raap

Dr. Andreas Steffens

und Künstler

Peter Klassen

Hitzegrad

Katharina Klein

© Alle Rechte Autoren und Fotografen

„Wir müssen gehn und lassen hier was wir nicht tragen können.“

Ende.

208


paradoxe intervention

Huitzilopochtli Edition 2016

Herausgegeben vom Atelier- und Galerie-Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit

Jörg Lange

Fotografie,

1989

ROMA

auf dem

Reichsparteitagsgelände

im Südosten

Nürnbergs,

auf dem

von 1933

bis 1938

die

Reichsparteitage

der NSDAP

stattfanden.

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