Der lange Marsch.SCREEN
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Ahoi!
Der lange Marsch
Atelier- und Galerie-Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit 1976 – 2016
„Alles Lüge.“
Andreas Junge
„Tu ma’ die Möhrchen.“
Helge Schneider?
Benjamin?
Adorno?
Max Christian?
Graeff?
Heinrich?
Karl May?
Selchow?
Heigermoser?
Jung?
oder gar Escherig?
wo ist eigentlich Escherig?
who cares?
Lass fahren dahin ...
40 Jahre
Atelier- und Galerie-Kollektiv
in Wuppertal
(Elberfeld und Barmen)
Fragen an die Kunst,
an die Künstler
und die Anverwandten,
an Menschen und Mäuse
und Liebhaber,
verschwundene Orte,
die keine mehr sind.
Und Fragen ohne Ende –
„Schönheit
ist der Glanz der Wahrheit.“
Joseph Beuys und weitere
– paradoxe Intervention
Der lange Marsch
Ein Sammelalbum.
Kunstszenerien,
Analogien,
Placebos,
Weckrufe!
Da Da!
wird fortgesetzt
Soso.
Hatschi!
Ha Ha.
Das Universum
Dieses
Sammelalbum ist
nicht vollständig.
wo ist schon oben, wo ist schon unten ...
Petit Four:
Manchmal geht gar nichts
und dann kommt es wieder
knüppeldicke.
Nicht von Steffens
Ein Loch im Himmel ist in meinem Kopf
1
Wer ruft so geheimnisvoll?
War's der Mond?
Da – noch einmal!
Der Kuckuck.
Bashô
1644 – 1694
2
Vor DEM Wort: Erik Schönenberg
ange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten Armee über
rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive
und manipulative gesellschaftliche und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征
/ ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi
nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche
und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征
/ ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen
Truppen der chinesischen Roten Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi
Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive
und manipulative gesellschaftliche und politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu
verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt
kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos
der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten
Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei
seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und
politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt
kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos
der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten
Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei
seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und
politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt
kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos
der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten
Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei
seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und
politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt
kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsgange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄, Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos
der Kommunistischen Partei Chinas bei dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen Truppen der chinesischen Roten
Armee über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach Schensi führte. Der Studentenführer Rudi Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei
seiner Forderung an die sozialrevolutionären Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach repressive und manipulative gesellschaftliche und
politische System durch die berufliche Praxis in Behörden, Schulen und anderen Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen Gangarten, die der geordneten und zügigen Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge, die den Korpsg
3
„... wie alles, was man gerade denkt einer Arbeit, an der man steht,
um jeden Preis einverleibt werden muss ...”
Walter Benjamin, Das Passagen-Werk (N 1,3)
Irrungen und Wirrungen:
Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert
(chinesisch 智 取 威 虎 山 , Pinyin Zhìqǔ wēi hǔshān)
eine revolutionäre Pekingoper aus der Zeit der chinesischen Kulturrevolution.
Die Oper war eine der acht Opern, die während der Kulturrevolution unter Mao Zedongs Frau
Jiang Qing geduldet waren.
Über dieses Buch
Warum ein Buch machen? Für wen? Rückblick?
Standortbestimmung? Diskurs?
Warum haben wir nicht aufgehört?
WARUM HAT SISYPHOS NICHT AUFGEHÖRT?
Nach 40 Jahren immer noch nicht verschwunden: die Kunst –
selbstverständlich nicht, hoffentlich nicht. Und auch immer noch
nicht verschwunden – das Kollektiv für intermediale Kunstarbeit.
Kunst und Arbeit – zwei gesellschaftliche Notwendigkeiten.
Und die Freiheit. An Orten, vor Ort. Allerorten. Diesmal hier
in Wuppertal. Man kennt sich. Aber – und darüber hinaus.
Auch von hieraus oder hierher.
Natürlich, blickt man zurück gibt es auch schon mal ein flashback,
diese Erinnerungen können bekanntlich von jeder vorstellbaren
Gefühlsart sein. Man möchte das auch schon mal teilen.
Aber in erster Linie geht es darum:
„Was machen eigentlich Ruedi Schill und Monika Günther heute?“
Und Irene, Dirk und Jürgen und Martin. Und Maria.
Einige haben wir erreicht, einige haben uns geantwortet,
von einigen können und wollen wir Arbeiten zeigen.
Was machen die heute, machen die nichts mehr, sind in
der Erinnerung verschwunden. Oder tatsächlich. Wie Rüdiger,
wie Danos, wie Joachim, wie Andreas, wie Peter.
Es gibt immer noch Bande, Gleichklang, Reibung. Es gibt noch
Verbindungen zwischen den Beteiligten, auch wenn man sich
aus den Augen verloren hat.
Solche wie wir gibt es überall, in Dänemark, in Holland, auf Sri Lanka,
in South Carolina, in Tokio und in der Schweiz. Oder in Remscheid.
Menschen, die für die Kunst einen Freiraum schaffen. Oder wie Pina
Bausch es ausgedrückt hat:
„Es geht nicht um Kunst, auch nicht um bloßes Können.
Es geht um das Leben, und darum, für das Leben eine Sprache
zu finden.“
Ob wir das als Archäologen oder Wahrsager tun, als Veränderer oder
als Veränderte, sichtbar machen oder dekorieren. Immer geht es um
Haltungen und die Suche. Und übrigens muss Kunst nicht Recht
behalten. Dafür muss sie aber auch nicht gewählt werden und braucht
auch keine Quote.
Ein Buch über einen langen Marsch für die Kunst.
Für wen? Mal sehen.
Über den langen Marsch und die paradoxe
Intervention
Der Lange Marsch (chinesisch 長 征 / ‡⁄,
Pinyin Chángzhēng) ist der zentrale Heldenmythos
der Kommunistischen Partei Chinas bei
dem Mao Tse-tung 1934/35 die kommunistischen
Truppen der chinesischen Roten Armee
über rund 12.000 Kilometer von Kiangsi nach
Schensi führte. Der Studentenführer Rudi
Dutschke verwendete diesen Ausdruck bei
seiner Forderung an die sozialrevolutionären
Kräfte des Landes, das seiner Meinung nach
repressive und manipulative gesellschaftliche
und politische System durch die berufliche
Praxis in Behörden, Schulen und anderen
Institutionen zu verändern.
Marschieren ist eine der militärischen
Gangarten, die der geordneten und zügigen
Truppenbewegung dient. Fast alle Streitkräfte
der Welt kennen Marschmusik und Marschgesänge,
die den Korpsgeist stärken und von
den Strapazen ablenken sollen.
Im Gegensatz zum Geländemarsch steht der
geordnete Marsch durch Straßen oder über
Plätze. Die Teilnehmer solcher Märsche befinden
sich oft in geordneten Reihen grüßen beim
Vorbeimarsch höher stehende Vorgesetzte
oder Honoratioren.
Paradoxe Intervention ist eine von Fritz Perls
entwickelte Gestalttherapietechnik, die man
mit einigem guten Willen auch in der Kunst
und anderen Veränderungsprozessen
anwenden kann.
„Änderungen finden von selbst statt. Wenn
man tiefer in sich hineingeht, in das, was man
ist, wenn man annimmt, was vorhanden ist,
dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das
ist das Paradox des Wandels.“
„Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos.
Sein Schicksal gehört ihm. Sein Fels ist seine Sache.“
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.
Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
Die verborgene Harmonie ist mächtiger als die offensichtliche. Heraklit
4
Fundstück am Rande der Wahrnehmung:
A hole to see the sky through Yoko Ono, 1971
Der Mythos des Sisyphos:
Albert Camus, 1942
Reinbek, 2004. S. 159f.
In
einem
Stapel
aus
20
Filzplatten
liegt
eine
Tonbandspule,
auf
welcher
Joseph
Beuys
zusammen
mit
Hennig
Christiansen
und
Johannes
Stüttgen
einen
endlosen
Monolog
spricht:
»Ja Ja Ja Ja Ja,
Nee Nee Nee Nee Nee«.
Diese
im
rheinischen
Dialekt
vertraute
Äußerung
für
alles
und
nichts
wird
hier
in
ihrer
einform
zum
ironischen
Sinnbild
der
unaufhebbaren
Dialektik
des
alltäglichen
Lebens.
5
6
KORMORAN
Performance von Monika Günther / Ruedi Schill
Kunstmuseum Luzern / 18. Oktober 2015
Material: Wachteleier, Salz, Baumwollwatte,
Bild 60x70 cm, Ölfarbe, Wachs, Bitumen, auf Leinwand
(Monika Günther 1989)
7
Was tun?
Weitermachen.
Es ist 2016. Gerade hat unser
Kollege und Freund Klaus Küster in
Remscheid eine eigene Galerei
eröffnet. Von 1998 bis 2007 leitete
er die Galerie der Stadt Remscheid.
Über das Weitermachen
Aus der Rheinischen Post
Remscheid:
Klaus Küster eröffnet
Galerie Central
Neben eigenen Arbeiten will
der Remscheider Künstler auch
Wechselausstellungen zeigen.
Von Christian Peiseler
Das Atelier in seinem Fachwerkhaus
an der Ewaldstraße könnte
Klaus Küster fast wegen Überfüllung
schließen. Der Schaffensdrang
des 75-Jährigen ist ungebrochen.
Er arbeitet in Serien und Blöcken.
Immerzu, immerzu. Doch Kunst
verlangt nach Begegnung, nach
Augen, die sie ins Visier nehmen.
Also beschloss Küster, der frühere
Leiter der Städtischen Galerie
Remscheid, eine eigene Galerie zu
eröffnen – die Galerie Central an
der Burger Straße 11, in der Nähe
des Zentralpunktes. Der Raum ist
190 Quadratmeter groß, verfügt
über seitliches Tageslicht. Sogar ein
kleiner Garten schließt sich an. Der
Laden, der nach dem Auszug von
Schlecker seit ein paar Jahren leer
steht, bietet gute Möglichkeiten,
um an einer Wandfront von
40 Metern Kunst angemessen
zu präsentieren.
Die neue Galerie liegt nur drei
Minuten entfernt von Küsters
Wohnhaus. Er hat für die Eröffnung
am 27. September einen detaillierten
Plan entworfen, in welchen
Gruppen er seine Arbeiten, die zum
großen Teil aus den vergangenen
zwei Jahren stammen, hängen will.
An den frisch geweißelten
Wänden, die sich in den verspiegelten
Säulen in der Mitte reflektieren,
hängen bereits ein paar
typische Küsterbilder – wie die
serielle Arbeit mit perforierten
Fotografien eines alten Blechs.
Küster hat einen Blick für abgelegte
Dinge. Für etwas Gefundenes.
Nicht mehr Funktionierendes.
Er fotografiert es, zieht es auf
Papier, erweitert den zweidimensionalen
Raum des Fotos durch
Löcher, die wiederum nach dem
Zufallsprinzip mit Blattgold gestopft
werden. Das Faszinierende an
Küsters Kunst ist, dass er den Zufall
als seinen Verbündeten gefunden
hat. So atmen seine Arbeiten
Freiheit, ohne ihr Geheimnis zu
verraten.
„Die Galerie möchte ich nutzen,
um auch Wechselausstellungen zu
zeigen", sagt Künstler. In der
Kunstszene ist er bestens vernetzt.
Es wird ihm nicht schwer fallen,
den einen oder anderen in
Remscheid unbekannten Künstler
auszustellen. Küster weiß als alter
Remscheider, dass die Galerie
Central kein Ort sein wird, der die
Massen anlockt. Zumal die Lage
am Zentralpunkt nun wenig geeignet
ist, Laufkundschaft anzuziehen.
Die Öffnungszeiten will er auf den
Mittwochnachmittag von 16.30 Uhr
bis 18 Uhr beschränken. Und natürlich
nach Vereinbarung. Es ist ja nur
ein Katzensprung von der
Ewaldstraße entfernt.
Überlebensmittel: Central.Galerie 29.11.2015 – 27.1.2016
Bodo Berheide / Christian Ischebeck / Georg Janthur / Peter Klassen
8
10 Fragen an
Klaus Küster
Lieber Klaus. Zu Beginn der 1970er
entwickeltest Du die Methode des
luminoplastischen Reliefs, bei der
durch eine vor der fotografischen
Belichtung erfolgte mechanische
Bearbeitung des Bildträgers (Fotopapier,
Film) ein teilweise-plastisches
Foto oder ein plastisches
Fotogramm entsteht. Arbeitest Du
heute immer noch mit dieser Technik?
Ja, hin und wieder entstehen mit
dieser Methode neue Arbeiten.
Zuletzt (2015) entstand eine
Küstereografie meiner rechten
Schuhsohle als eine Widmung für
die Abschaffer der „Städtischen Galerie
Remscheid“.
Von 1998 bis 2007 hast Du die Galerie
der Stadt Remscheid geleitet.
Du hast ein vielbeachtetes Programm
durchgezogen, auch Du
selbst kannst mittlerweile auf über
150 Gruppen- und Einzelausstellungen
zurückblicken. Macht das
immer noch Spaß? Im letzten Jahr
fehlte Dir etwas und mit Deiner
Frau Sabine zusammen habt Ihr
einem leerstehenden Schleckerladen
neues Leben gegeben. Ist jetzt
wieder alles gut in Remscheids Kulturlandschaft?
Spaß? Ja sicher! Wieder alles gut?
Mitnichten: Wir erwarten kurzfristig
den vollständigen Kollaps dank der
Stadtratsmehrheit und großer Teile
unseres wilden Bergvolkes.
Bist Du ein anerkannter Künstler?
Und kannst Du von Deiner Kunst-
Arbeit leben? Spielen der Kunstmarkt,
Museen und Galerien für
Dich eine entscheidene Rolle?
Bist Du im „Geschäft“?
Zum Kuckuck; lest Ihr denn nicht
den Kunstkompass? Sogar das
Finanzamt scheint den zu lesen.
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Alles ist richtig, (genau genommen)
mal mehr, mal weniger
schön und gut, manches sogar
wichtig, und (s. Central.Galerie)
ich habe ein großes Herz.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen in
der Kunstgeschichte?
Ich denke, Man Ray hat mal was
mit Schlüsseln gemacht.
Sind Deine Arbeiten politisch?
Ja immer, sogar meine
Gartenarbeit.
Gehst Du zum Essen gerne aus
oder findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause? Was ist Dein
Lieblingsgericht?
Mal so, mal so. Meine Frau und ich,
wir erfinden ständig neue Lieblingsgerichte.
Deshalb ist es für
mich äußerst schwierig, die letzte
Frage wahrheitsgemäß zu beantworten,
so wahr mir das große
Spaghettimonster helfe.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Paul Dessau: Die Komposition
„Guernica“ (von 1937)
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Im Januar 2016: „Überlebensmittel“
von vier Wuppertaler Künstlern ...
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Eine ernstzunehmende Frage.
Ja, man kann. Sowohl Plagiateure
als auch Plagiatkläger können hier
fündig werden; nur die Marktforscher
nicht, denn den Markt und
seine Mechanismen erlernt man
dort nicht.
9
„Höhere Wesen ...“
1. Dezember 2015 | Bergische Morgenpost
| Remscheid
Wie Kunst zum Überlebensmittel
wird
Die neue Central.Galerie am Zentralpunkt
zeigt Arbeiten von vier
bekannten Wuppertaler Künstlern.
Von Gisela Schmoeckel
Freundlich blickt Hans Reichel
durch seine runden Brillengläser.
An seiner linken Schläfe klebt eine
blaue Blüte. Das Erinnerungsbild
an den 2011 in Wuppertal verstorbenen
Designer, Schriftenmacher,
Musiker und Erfinder eines Musikinstruments,
des Daxophons, hat
Peter Klassen auf eine große Offsettdruckplatte
gemalt. So erinnert
er an die Ausstellung, die die Stadtsparkasse
Wuppertal vor drei Jahren
für Hans Reichel durchführte.
Sein Bild und viele andere, die
Klassen auf die Offset-Druckplatten
für den Katalog zur Reichel-
Ausstellung malte, erinnern aber
auch an das Erinnern selbst, das aus
Vergessenem, also durch Übermalung
unkenntlich gemachtem,
überlagerten und geöffneten Überschichtungen
sichtbar wird.
Wie Hans Reichel ist auch Peter
Klassen ein Künstler, der in vielen
Bereichen arbeitet, sozusagen
„zwischen den Medien“, zwischen
Druck, Malerei und Musik. Dazu
Filmemacher. Drei seiner Filme
sind mit seinen Bildern in der Ausstellung
„Überlebensmittel“ in der
neuen Remscheider Galerie Central.Galerie
zu sehen, zu der Klaus
Küster vier befreundete Wuppertaler
Künstler eingeladen hat. Zu
ihnen gehört der bekannte Bildhauer
und Maler Georg Janthur.
Er zeigt skurrile, immer farbenprächtig
bemalte monumentlisierte
Alltagsfragmente: Ein hellgrüner
Flaschenhals mit seinem orangenen
Kronkorken wirkt wie eine surreale
Pflanze. Eine Kaktusblüte aus aufeinanderfolgenden
Keimblättern
wird zu einem Stapel wackelig aufgestellter
Schalen. Fragmentierung,
Vergrößerung, Farbigkeit verfremden
das Vertraute, Gewohnte. Die
aus ihren Sockeln herauswachsenden
Blüten und Früchte wirken vor
allem durch ihre wie mitgrobem
Beil herausgehauenen Formen –
lebendig und fantastisch zugleich.
Janthurs Malerei korrespondiert mit
den Skulpturen, man sieht diese in
der Fläche dreidimensional illusioniert
und als konkrete Raumkörper,
ein lebhaftes Formenspiel entsteht.
Ältester Künstler der Gruppe ist
Bodo Berheide. Er war Student bei
Joseph Beuys und arbeitet plastische
Objekte aus monochrom gefärbtem
Pappmaché. In Remscheid
zeigt er vor allem graue Hasen, gegossen
aus in liebenswerter Weise
an Beuys Hasen-Themen. Die
grauen Häschen, mit ihrer zerfurchten
Oberfläche hocken vor mit grobem
Strich grundierten
Leinwänden, diese wiederum stehen
auf Stelzen – hintergründig und
humorvoll sind diese Installationen
und Reliefs.
Als vierter kommt Christian Ischebeck
hinzu, 1968 in Gevelsberg geboren.
Nur auf den ersten Blick
wirken seine Gemälde wie Erinnerungen
an das Informel der 1950er
Jahre. Schaut man länger in diese
dichten Farbräume aus Linien,
Flecken und Schichtungen, dann
sind immer neue Entdeckungen zu
machen. Bildzitate, wie Munchs
„Schrei“, Wortfragmente, Figuren
stellen sich allmählich heraus - eine
Bildwelt, die sich beim Hin-Sehen
erschließt. Kunstwerke sind unverzichtbare
„Überlebensmittel“ – da
sind sich Klaus Küster und die vier
fantasievollen Wuppertaler einig.
Zustimmung! Tüten mit diesen
Notwendigkeiten gibt es bei der
Eröffnung für Euro 9,99 zu kaufen.
10
erlebniskino
bleikorn sein
berlin, o nikse!
sir kinoleben
krisen in bloe
kolbenriesin
in nobelkreis
in reiskolben
in eiskorn leb!
nies bleikorn.
Mitch Heinrich
9.01.2008
Peter Klassen „Überleben.“ 60 Aluminium Offsetdruckplatten. 2015. Format 60,5 x 73,5 cm
Diese Reihe von Arbeiten besteht aus mit Acryl- und Ölfarben bemalten, teilweise beklebten Offsetdruckplatten des Katalogs zur Ausstellung
„Hans Reichel featuring Maurycy“: Cyan, Magenta, Yellow und Black.
Georg Janthur „Garten der verbotenen Früchte“
unten Bodo Berheide „Kiwi“
11
12
Klaus Küster Credo-II, 2015
Klaus Küster Credo-I, 2015
13
14
Relikte 1976
Über die Anfänge
1976 und darüber hinaus
Los ging's bereits 1976 in der kleinen
Werkstatt von Lothar Pfennig
in der Marienstraße in der Elberfelder
Nordstadt. Dort fand am 18.
September die erste „Zusammenarbeit“
statt, die dem Gedanken einer
intermedialen Konzeption entsprach.
Anfang 1977 wurde dann
in der „kleinen nordstadt galerie“
in der Wiesenstraße das Konzept
einer Galerie für intermediale
Zusammenarbeit erstellt. Bei der
Veranstaltung „drei-tage-zusammenarbeit“
wurde dieses Konzept
der öffentlichkeit vorgestellt. Es
war zum Teil der Schwitters`schen
Märzbühne entliehen, entsprach
aber auch den Vorstellungen der
Sozialen Plastik von Joseph Beuys.
Die Teilnehmer sollten gleichzeitig
und ohne Absprache interagieren.
Schon zu diesem Zeitpunkt wurde
uns klar, dass die kleine Galerie in
der Wiesenstraße unseren Anforderungen
räumlich nicht genügen
konnte. Nach intensivem Suchen
stießen wir im selben Jahr auf die
alte Fabrik in der Hofaue 21 a. Bereits
Ende 1977 fand dort die erste
Ausstellung statt. Unsere Adresse
war nun „nordstadt galerie kollektiv“
und das Ausstellungskonzept
wurde erweitert, um auch anderen
Künstlerinnen und Künstlern die
Möglichkeit zu geben, sich zu präsentieren.
Vorrangig blieb aber zu
diesem Zeitpunkt das Aktionsprogramm,
die das performance-ähnliche
Zusammenarbeiten als Maxime
verfolgte. 1978 kam es zur ersten
und einzigen intermedialen Zusammenarbeit
in der Galerie. Teilnehmer
waren etwa 20 Personen,
zumeist Künstler, darunter auch
Musiker und Tänzerinnen; das Publikum
griff zum Teil mit in das Geschehen
ein. Schon zu diesem
Zeitpunkt zeigte es sich, dass es
sehr schwierig war, mit einer größeren
Anzahl von Personen ohne
vorherige Absprache in der von uns
geplanten Art und Weise zusammen
zu arbeiten. Daher wurde versucht,
in kleineren Gruppen zu
agieren, um so Interaktionsformen
zu finden. Es bildeten sich auch
Gruppen, die sich mit bestimmten
Medien beschäftigten. Zu dieser
zeit wurde die Galerie von verschiedenen
Gruppen und Initiativen
genutzt, wie Männergruppe, Theatergruppen,
Musikershops, „den
Grünen“, sogar ein kleines Cafe
gab es vorübergehend. Über 150
Menschen haben unsere Arbeit
durch den Erwerb von Kreativ-Aktien
unterstützt. Schon von Anfang
an, seitdem das Kollektiv die
Räume in der Hofaue renoviert und
bezogen hatte, wurden die laufenden
Kosten gemeinsam von allen
Mitgliedern bestritten. Im Laufe der
nächsten Jahre verlor das Kollektiv
die eigentliche Idee der Intermedialität
immer mehr aus den
Augen. Lediglich zwei Gruppen bildeten
weiterhin das Gerüst. Die
eine versuchte, die Arbeit im musikalischen,
die andere im aktionistischen
Bereich weiterzuentwickeln.
Schwerpunkt zu dieser Zeit war die
Organisation von Ausstellungen
und anderen Veranstaltungen. Die
Galerieräume wurden in stetiger
Folge von Künstlern aus ganz
Europa für Ausstellungen, Performances,
Theater, Dichterlesungen
und Musikveranstaltungen genutzt.
In strengen Wintern war es schier
unmöglich sich in den Räumen aufzuhalten,
so das wir zu dieser Jahreszeit
unsere Aktivitäten
einstellen mussten. Viel weniger
Veranstaltungen konnten durchgeführt
werden, das Kollektiv wurde
eine „Schön-Wetter-Galerie“. Nur
die Musikgruppe traf sich – allen
Widrigkeiten zum Trotz – auch im
Winter jede Woche. Von dieser
Gruppe kamen auch zu jener Zeit
immer wieder die Impulse zu performanceähnlichen
Aktionen. So
wurden 1983, neben den ständig
in der Stadt installierten „Baustellen“,
„musik an den mond“, „der
kongress“ in Schloss Lüntenbeck,
sowie das „U-Bahn-Projekt“ im
„Exil“ inszeniert, ebenso das
„grenzbaummikado“ im Rahmen
des „Spielräume-Festivals“. Ende
1984 erwischte uns die Kündigung
„kalt“. Das Haus sollte abgerissen
werden. Nach kurzem und intensivem
Suchen zog das Kollektiv im
September 1985 in in die selbstrenovierten
Räume in der Berliner
Straße in Barmen ein. Wir heißen
seitdem „Atelier- und Galerie-Kollektiv“.
Außer dem grossen Ausstellungsraum
auf der ersten Etage
gab es nun noch Proberäume für
Musiker und Ateliers für Künstler in
Obergeschoss und Keller. Parterre
gab es eine weitere Galerie für Fotographie,
verbunden mit einer
Werkstatt. Die Künstler der Galerie
arbeiteten weitgehend an ihren eigenen
Projekten, es gab zu dieser
Zeit mehrere Musikgruppen, die im
Haus proben konnten. Das Ausstellungsprogramm
wurde über Jahre
kontinuierlich von weitgehend
allen Mitgliedern des Kollektivs gemeinsam
gestaltet. 1993 gaben
wir die Räume in der Berliner
straße auf, das Konzept hatte sich
überholt. Wir wollten nicht länger
Aussteller sein und an einen festen
Ort gebunden.
Seit dieser Zeit organisieren wir
Veranstaltungen, Symposien, Konzerte
und Ausstellungen an den
verschiedensten, zumeist ungewöhnlichen
und nicht kunsttypischen
Orten. Unser Aktionsradius
hat sich auf andere Städte und andere
Länder ausgeweitet. Und auch
die Kollektivisten leben nun irgendwo
(auf der Erde), in der
Schweiz, in den Vereinigten Staaten,
in Ennepetal.
Die Ausstellungen sind zumeist
Installationen in allerhand Räumen:
das Kaufhaus Michel im Haus Fahrenkamp
2014 usw.
Wir haben das SIXPACK-Projekt
unterstützt, die MOVINGARTBOX,
und es gibt eine Reihe von
Veröffentlichungen in der
HUITZILIPOCHTLI-Edition.
Und tja, das wird fortgesetzt.
15
16
Wie alles anfing – die ersten Aktionen des nordstadt-galerie-kollektivs An einem Sonntag im Sommer 1976 fragte mich Rainer Kraft, ob ich nicht mit in die Nordstadt kommen wollte,
dort würde er gemeinsam mit Freunden eine Kunstaktion vorbesprechen und immer auch ein bisschen Free Music machen. Da könnte ich doch dazu Klavier spielen. Vielleicht wäre das ja ganz spannend. Spannend war es auch,
denn der Treffpunkt war der Nebenraum des von Lothar Pfennigs Eltern betriebenen kleinen Edekaladens, noch ganz im „Tante Emma Stil“ in der Marienstraße. Wir mussten uns erstmal durch den Laden schlängeln, im
Hinterzimmer trafen wir auf Bodo Berheide und Lothar, um ein bisschen zu improvisieren und im Anschluss eine für September geplante erste Kunstaktion im Sinne der merzarbeit von Kurt Schwitters zu diskutieren. Dies hörte
sich für mich natürlich sehr spannend an, denn die Vorstellungen für spontanes, intermediales Arbeiten in der Gruppe im Sinne von Kurt Schwitters Merzbühne waren mir vertraut. Ich sagte gerne zu, am 18. September 1976
bei der „Zusammenarbeit in der Werkstatt“ auch als Besucher dabei zu sein. Leider kam ich etwas zu spät in die für die Aktion umgestaltete Wohnung von Lothar Pfenning, in der Marienstraße 51. Die Aktion hatte schon
begonnen. Schon im Flur fanden sich als „Wegweiser“ ausgelegte Fußstapfen aus Pappe. Auch das von Rainer Kraft gespielte Saxophon war nicht zu überhören, um den Weg in die „Werkstatt“ zu finden. Sonderbare Dinge geschahen
in der lichtdurchfluteten Wohnung. Es roch nach frisch gebratenem Panhas, den Bodo Berheide auf einer kleinen Elektroherdplatte zubereitete, Lothar Pfenning beschrieb auf einer alten Adler-Schreibmaschine
gebrauchte Pappdeckel, auf denen zuvor Panhas serviert wurde, um das Geschehen im Raum kommentierend festzuhalten. Die Tippgeräusche wurden mit einem direkt über den Typenhebeln der Schreibmaschine hängenden
Mikrophon in den Nachbarraum übertragen, ebenso Bratgeräusche und Kommentare der Besucher. Volker Anding stand an einem improvisierten Verkaufsstand und Wolfram Jörgens dokumentierte das Geschehen mit der
Kamera. Nach gut einer Stunde war das Spektakel vorbei. Sehr begeistert vom Geschehen, wollte ich natürlich bei weiteren Aktionen dabei sein. Ende Januar 1977 lud das neu gegründete „nordstadt-galerie-kollektiv“ zur ersten
gemeinsam mit der Galerie Aura von Volker Anding vorbereiteten „ 3–tage–zusammenarbeit“ in einen kleinen ehemaligen Eckladen in der Wiesenstraße 81 in der Nordstadt ein. Dort wurde ein „teils ausgearbeitetes, teils improvisiertes,
in jedem Fall ‚intermediales’ Aktionsprogramm“ präsentiert, wie Christiane Müller die Veranstaltung im General-Anzeiger ankündigte. Ein sehr breit gefächertes, grenzüberschreitendes Programm mit Text- und Fotoaktionen,
Theateraufführungen, Blues, Rock und Freebands mit u.a. Gerd Neumann, Manfred P. Galden, Horst F. Neumann, Christian W. Fleischmann, dem Rock-Folk-Orchestra und dem mich damals sehr begeisternden
Free-Aktion- Quartett um Schlagzeuger Dietrich Rauschtenberger, Dietmar Wehr am Bass und dem leider schon 2002 verstorbenen Gitarristen Jürgen „Düdü“ Rosetta. Auch der spätere Rockmusik-Produzent Andreas Müller-
Eckhard (Tim Buktu, der 2011 verstarb), Wolfram Palm, Joshio Shirakawa, Horst Kerger und Michael Ruthkowski boten ein intermediales Aktionsprogramm mit Parallelaktionen aus Bildender Kunst, Theater und Performance.
Nach dem Umzug des nordstadt-galerie-kollektivs in die Hofaue wohnte ich im April 1978 einer weiteren Zusammenarbeit zwischen Musikern, Künstlern und Tänzern bei, die Wolf Achilles in der NRZ treffend und umfassend
beschrieb: „In der Hofaue 21 war der Teufel los. Genauer: das ‚nordstadt-galerie-kollektiv’! Ein sehr gemischtes Publikum erlebte da, was man mit einem Stück Sprache so alles machen kann. Ein Text wurde gesprochen
und an die Wand projiziert, auf Pappe geschrieben und in Musik umgemünzt. Die Tänzerinnen Bärbel Görner und Gerlinde Lambeck setzten das in Bewegung um und eine Videoanlage holte den Gesamtvorgang noch einmal
zurück vor aller Augen und Ohren! Im Treppenhaus tickte ein Metronom dazu. Und aus einem aufgehängten Metallfass tropfte rhythmisch rote Farbe in den mit weißem Leinen ausgeschlagenen Treppenschacht. Bodo Berheide
sprach den – in sich schon programmatischen Text ins Mikrofon, schrieb Wort für Wort auf Pappdeckel und warf die dann schwungvoll ins Publikum. Ralf Prinz schrieb die Worte in die Schreibmaschine und eine Videoanlage
übertrug sie in den Nebenraum, wo die ‚Free-Action‘-Kapelle (bestehend aus Dietrich Rauschtenberger und Dietmar Wehr) den Rhythmus der Schreibmaschine in Musik übertrug. Auf die Wände wurden lodernde Feuer und wehende
Baumkronen projiziert – alles im Takt des Gesamtvorganges!” (Neue Ruhr/Rhein-Zeitung, 24. April 1978). Dem ist nichts hinzuzufügen, außer, dass das nordstadt-galerie-kollektiv dort noch viele tolle Aktionen durchführte
und 1985 weiterzog, nach Barmen, in die Berliner Straße, aber das ist eine andere Geschichte.
Rainer Widmann, 16. März 2016, 22.27 Uhr
17
nordstadt-galerie-kollektiv
Hofaue 21 a, 1977 bis 1985
Hase. Jüdischer Friedhof Frankfurt, 2011.
Gruppo
di Ricerca
Materialistica,
Milano
Relikte:
Das Haustürschild im Wandel der Zeiten.
„Approaching Australia“, 2001 in der Hofaue.
Vor- und Rückseite.
Bombenbauen, leichtgemacht: Titelblatt der
jemenitischen Al-Quaida-Zeitschrift „Echo der
Kämpfe“. FAZ
18
Fundstücke: Bommi Baumann: No message.
19
links und oben:
Bodo Berheide
Performance
vor dem
Von der Heydt-Museum
unten
Relikte: Bodo Berheide 17.08.1979 / 23. März 1981
Relikte:
LIEBESLIEDER an Dorothea
Anton Neger Antonius,
recorded by Hans Reichel, am Küchentisch auf
dem Opphof.
Dieses Exemplar einer Single lag
für einige Jahre
mit ca. 12 weiteren in der Hofaue 21 a
im Tiefkühlfach,
wahrscheinlich selbst von Anton
dort deponiert.
Er schickte auch über viele Jahre
(gefühlt jede Woche) ein Päckchen
in die Galerie, mit höchst zweifelhaften
Inhalten: ausgiebige Schmähschriften und
Traktate mit Entwürfen
für eine „neue Kunst“ und
gegen alle Welt.
1. Deine Gegenwart 4:20
2. Traumlied der Liebe 3:53
3. AN DOROTHEA 2:24
4. „Liebste, oh, komm’ doch!“ 1:38
5. Schwanz 3:23
20
Gleisdreieck aus Berlin vor Wandbildern von Martin Peulen 1984
spirale und schiff grundlage dieser arbeit von 1997 ist die spirale als eine
im universum verbreitete formale erscheinung, bestehend aus materie, gas
oder elektronen, die ich als urform mit der schöpferischen intelligenz des
universums in verbindung bringe (siehe rupert sheldrake: „das schöpferische
universum“). die einzelteile meiner sprirale sind aus einer form entstanden,
die von oben betrachtet einem schiff entspricht. das schiff in
seiner darstellung ist imateriell und aus vier gefundenen regalplatten, ca.
100 x 70 x 3 cm herausgeschnitten. die vier platten symbolisieren zweidimensional
die himmels-richtungen, währendessen die herausgeschnittene
form des schiffes durch seine nichtexistenz für mich auf eine dritte dimension
verweist. die nicht dekodierbaren negativ- bzw. positivformen der spirale
und des schiffes erscheinen mir wie imaginäre buchstaben. diese arbeit
ist die grundlage für meine holzstempel mit ihren positiv- negativformen,
die überwiegend tiermotive und andere symbole darstellen, verbunden
mit weiteren untersuchungen hinsichtlich der vielfältigkeit von erscheinungsformen,
eigenschaften und fähigkeiten derselben. die späteren abdrücke
in recycling-tageszeitungspapier haben sehr oft fossilen charakter.
(siehe auch das „papiertiere“-buch von bodo berheide, erschienen im 2015:i huitzilopochli-edition)
Mittsommernacht, .......
21
Renate Bertlmann
(* 1943 in Wien)
ist eine österreichische bildende
Künstlerin, lebt und arbeitet in
Wien.
SLING SHOT ACTION,
Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Wuppertal 1982
Partitur: In Form einer ironischen Genesis attackiere ich als doppelköpfige
Schlange Adam und Eva, zwei Sex-Gummipuppen, mit einer Schleuder in
Form eines gegabelten Doppel-Godemiches. Im Playback offeriere ich ihnen
die verschiedensten Sexshop-Artikel. Ich verspreche Adam und Eva, dass
deren Benutzung ihre Augen öffnen und die Erfüllung ihre tiefsten und geheimsten
Wünsche und Träume bringen würde. Ich tanze solange mit
ihnen, bis sie als leere Hüllen zu Boden gleiten. Abschließend schreibe ich
einen Liebesbrief an die Wand, Ausdruck meiner verborgenen Ängste und
tiefen Sehnsüchte
22
Tanz mit Georg F. Schwarzbauer
Renate Bertlmann 13.12.2011
Relikte: 1982: Renate Bertlmann
23
Renate Bertlmann
Heidegger:
Niemand kann für mich sterben.
Descartes:
Niemand kann für mich begreifen.
Bertlmann:
Niemand kann für mich lieben:
AMO ERGO SUM.
Rente Bertlmann, 1978
24
25
26
Volker Anding
mit
der Performance
„Der Hase
und
der Igel“.
Unten
sein Beitrag
für das
Buchprojekt
„einszueins“.
Jawohl, so ging das auch mal.
1978: Eine Zusammenarbeit mit der selbsternannten „Hochkultur“.
27
Her mit der U-Bahn,
und zwar sofort!
Pressekonferenz im EXIL, Dezember 1983
Es ist genug Zeit vertan! Endlich in die Tiefe gehen! Nur die U-Bahn kann uns retten! Wir müssen
Schluss machen mit all den kleinkarierten Personenbeförderungsmitteln hier im Tal! Wir fordern
eine sofortuige Anbindung unseres Verkehrssystems an die Metropolen der Welt! Wir brauchen
die U-BAHN, und zwar sofort!
... bei uns gibt es kein „no future“ – wir sind
konstruktiv – wo bleibt die Antwort?
Schluss mit den Kleckereien!
... and the winner is:
Brigitte Hansohm, seitdem führt sie die
Bücher und hütet die Schätze des Kollektivs
Relikte:
Teilnehmerkarten Kongress Schloss Lüntenbeck:
20 Kollektivisten fuhren mit 20 Taxen vor.
Den „nichtöffentlichen“ Kongress können die
Gäste eines Schlosshoffestes durch die Fenster
verfolgen.
Relikte: Kreativitätsaktie / Anteilschein am Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Oktober 1981
Muster für spätere Reisekostenanteilscheine an den Reisen der figura magica
28
das verflixte siebte jahr
„seit sieben jahren existiert nun
das nordstadt-galerie-kollektiv in
dem alten fabrikgebäude in der
hofaue 21 a. in dieser zeit hat sich
das gesicht der galerie immer wieder
verändert, ebenso wie sich die
besatzung der galeere immer wieder
geändert hat. immer wieder
haben wir neue formen gesucht,
die es ermöglichen sollten, interesse
und ein publikum für die veranstaltungen
zu finden, und es ist
unmöglich, alles das, was in dieser
zeit in der galerie passiert ist, aufzuzeigen,
die anzahl und auch die
vielfalt der veranstaltungen ist einfach
zu groß: feten, musik, theater,
performance, aktionen, informationen
– kunst in allen medien.
oft fanden bis zu fünf veranstaltungen
in einem monat statt. ...
vieles haben wir ausprobiert, um
leute für die galerie-arbeit zu gewinnen,
miteinzubeziehen, ein
stammpublikum zu bilden, immer
wieder neues interesse an unserer
kultur zu gewinnen. 1981 haben
wir das galerie-kollektiv in eine
kreativitäts-aktien-gesellschaft
umgewandelt. über den erwerb
von kreativaktien ist es möglich
geworden, anteil an der galerie
zu nehmen ...
weiterhin werden wir uns, im
gegensatz zum bisherigen konzept
vorbehalten, eine auswahl zu
treffen. ...
übrigens, das verflixte siebte jahr
ist nun fast vorbei! wir hoffen, dass
wir auch in der nächsten 7-jährigen
phase einige interessante kunst
zeigen können und wir hoffen,
dass diese kunst ihr publikum
findet.“
nordtstadt-galerie-kollektiv
kreativitäts-aktien-gesellschaft
galerie für
intermediale zusammenarbeit
1984
essen, trinken
im Exil
29
... „Schade, wir hätten gern geholfen.“
Der Bundesminister des Innern.
Grenzbaummikado / grenzenlose Hoffnung
Im Jahr der RATTE heißt es, die Gedanken erneut zu befreien!
Wir fordern die grenzenlose Grenzenlosigkeit
Abriss aller Zäune und Stacheldrähte (auch die im Gehirn!)
Auflösung aller Grenzen
Beseitigung aller Grenzbäume
unendliche Spielräume für alles und jeden
... „... kann ich Ihrer Bitte leider
nicht nachkommen, weil hier
weder unbrauchbar gewordene
vorhanden sind noch die in Betrieb
befindlichen – und gegenüber der
CSSR wohl auch berechtigten – ausgeliehen
werden können.
Mit „grenzenlosen“ Grüßen,
Im Auftrag Möckel,
Hauptzollamt Hof
... „Falls ich Ihren Text richtig
deute, geht es Ihnen nicht darum,
einen Grenzschlagbaum zu erwerben,
sondern in Form einer Art
Happening politische Verhältnisse
in Europa kritisch zu beleuchten,
als deren Symbol Ihnen der Schlagbaum
erscheint. Abgesehen davon,
daß Grenzbehörden als Exekutivorgane
in Bezug auf politische Verantwortung
die falsche Adresse
sind, ist zu befürchten, daß durch
die für den 14.4.1984 am Grenzübergang
Elten-Autobahn vorgesehen
Aktion der reibungslose Fluß
des Ein- und Ausreiseverkehrs eher
beeinträchtigt wird als durch gezielte
Kontrollen seitens der Grenzbeamten,
die der Ermittlung von
Straftätern – insbesondere auch auf
dem Rauschgiftsektor – dienen.
... Zu meinem Bedauern muss ich
Ihnen mitteilen, daß der Vorsteher
des Hauptzollamtes Emmerich
wegen anderer Verpflichtungen
nicht zur Verfügung steht.“
Im Auftrag (Gorny)
Hauptzollamt Emmerich
„ ... keine Schrankenarme vorrätig
gehalten werden ...“
Mit freundlichem Gruß, Schorer,
Hauptzollamt Rosenheim
„Zu meinem Bedauern sehe ich
mich nicht in der Lage, Ihrem
Wunsch zu entsprechen.“
Im Auftrag (Vogler)
Hauptzollamt Lindau
Zollamt Hörbranz – Autobahn
... „Vielen Dank für Ihr Schreiben,
das mir der Bundesminister des Inneren
vorsichtshalber zugeleitet
hat. Ihre Nachfrage nach Grenzbäumen
ist leider etwas verfrüht.
Ich werde darauf zurückkommen,
sobald sich abzeichnet, daß aus
dem „grenzenlosen“ Hoffnungsschimmer
in der Europäischen Gemeinschaft
Wirklichkeit wird.
Im Auftrag (Sohn)
Bundesminister der Finanzen
„ ... weil sich für die o. a. Aktion
keine Grenzbäume zur Verfügung
stellen, weil sich an der innerdeutschen
Grenze unsererseits keine
Grenzbäume befinden.
Für Ihre Aktion wünsche ich Ihnen
viel Erfolg.“
Im Auftrag (Fischer),
Hauptzollamt Braunschweig
„... habe ich zuständigkeitshalber
an den Bundesminister der Finanzen
weitergeleitet.
Im Auftrag Stahlhut
Der Bundesminister des Innern,
21.03.1984
Beglaubigt (unleserlich)
Kanzlei 1, Angestellte
„ ... in der Bundesverwaltung gibt
es so etwas nicht.“
Im Auftrag (Thiemann)
Der Bundesminister des Innern,
26.03.1984
„ ... zuständigkeitshalber weitergeleitet
an den Bundesminister
des Innern ...“
Im Auftrag, (Beck),
Presse- und Informationsamt
der Bundesregierung
Grenzübergang Elten, 14. April 1984: Gudrun Klassen, Bodo Berheide, Michael Becker, Werner Brandau, Inge Becker, Ralf Prinz, Peter Klassen
30
HenkersMahlzeit, 9. Oktober 1984
31
FREUD: die Band des Nordstadt-Galerie-Kollektivs. In wechshaften Besetzungen,
vormals auch als DIECHAOTENHABENEINELANGETRADITION, als REICH oder später
dann NEXT und noch später: KINGHAT. Hier mit Jürgen Bennemann, Gudrun Klassen,
Peter Klassen, Ralf Prinz und Bodo Berheide
- FREUD -
noch 78 Tage in der Hofaue 21 a! Samstag, 13. April, 20 Uhr, 4,- dm
special guests: Peter Caspary, Mundharmonika; Dieter Broselge, Ziehharmonika
Holger Bär. Adler auf dem Von der
Heydt-Museum, Acryl auf Leinwand
18 x 13 cm. 2011.
„Steinwaschung“, 1982
„Mir
stellt es sich
immer so dar, als ob
unser gebräuchliches Bewusstsein
die Spitze einer Pyramide bewohne, deren
Basis in uns (und gewissermaßen unter uns) so
völlig in die Breite geht, dass wir, je weiter wir
in sie niederzulassen uns befähigt sehen, desto
allgemeiner einbezogen erscheinen in die von
Zeit und Raum unabhängigen
Gegebenheiten des irdischen,
des, im weitesten Begriffe, weltlichen Daseins.“
Albrecht Michael Barth: offene weite, nichts
von heilig. Wolkenklang
R. M. Rilke,
Briefe aus Muzot 1921–1926, Leipzig.
„Hörst Du mich ...“,
Musik
mit EROC,
Albrecht Michael Barth,
Peter Klassen
„bewahren“, 1980
eine Performance mit Jörg Winter,
Gudrun und Peter Klassen
32
R.I.P.
Ute Klophaus
Ilske Konnertz
Joachim Bischoff
Andreas Junge
Achim Knispel
Peter Kowald
Hans Reichel
Josef Scherrer
Georg F. Schwarzbauer
[with choir]
We'll meet again
Don't know where
Don't know when
But I know
We'll meet again
Some sunny day
Hans Reichel (1949–2011). Hier 1982.
Das, was Hans Reichel sein Leben lang gemacht
hat, das bleibt uns. Seine Musik werden wir
immer wieder hören können. So, wie er sie akzeptiert
hat, wenn Sie aufgenommen war. Und
was er sein Leben lang geliebt hat, seine Schriften,
die bleiben uns noch mehr. Weil sie immer
da sind, überall zu sehen. Auch in diesem Buch:
Hans Reichels DAX. Sein erstes Soloalbum hieß
unspektakulär „Wichlinghauser Blues“, später
folgte die „Heimkehr der Holzböcke“, „Bonobo“,
die „Erdmännchen“ und natürlich „Buben“, das
Duo mit Rüdiger Carl, später dann mit EROC im
Duo die Studio Opera „KINO“. Ein halbes Hundert
Veröffentlichungen hat Hans Reichel hinterlassen.
Nebenher arbeitete er schon in den 70er-
Jahren an einer selbst erfundenen, eigenen
Schrift: Die Tuschezeichnungen hingen immer
zum Trocknen an einer quer durch das Zimmer
gespannten Wäscheleine. Seine Arbeit gehörte
zu seinem alltäglichen Leben. Die fertige Schrift
konnte er auch verkaufen, nur Geld dafür hat er
damals nicht gesehen. Überhaupt das Geld. Es
spielte keine Rolle in seinem Leben. Er hatte
viele, viele, viele Jahre lang schlichtweg keines.
Was wichtig war, das waren seine Weggefährten,
seine Freunde, die Kollegen „Musiker“,
Kumpane. Es gibt allerhand Geschichten aus den
Lamettarunden, den Murmelrunden, unendlich
viele Anekdoten. Hans hat viele erlebt. Auf der
ganzen Welt. Seine Schriften sind ein Teil von jedermanns
Alltagskultur geworden. Wenn man
sie kennt, kann man sie alle paar Meter entdecken.
Losgelöst von seiner Person prägen seine
Schriften unübersehbar die Gegenwart und die
Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu seiner Musik, die
im eigenen Lande immer noch eher als Nischenprogramm
für eine Minderheit gilt. Dabei
drückt seine Musik so wie nebenbei genau
das aus, was den gegenwärtigen Zustand unserer
Welt beschreibt, ihre Schönheit, aber
auch wie sie voller Widersprüche und Gemeinheiten
ist, das aber hochentwickelt.
Hans hat diese Art von Weltmusik für sich
und manchmal für uns gespielt: faszinierend,
überzeugend, in höchstem Maße ästhetisch
vollendet. Über seine Musik haben wir uns zuerst
gewundert, über die bis dahin ungehörten
und ungeahnten Klänge. Wir haben sie immer
wieder gehört, die, die es wollten. Man musste
sich schon darauf einlassen. Hans Reichel hat
keine Rücksicht genommen auf Hörgewohnheiten.
Nicht auf Moden. Auf Ideologien auch nicht.
Nicht auf Politik. Auch nicht auf sich. Die Musik
hat er immer gemacht, seine Schrift hat er geliebt.
Mit ihr war er auch zufrieden. Es hat ihm
auch gefallen, dass seine fünf erhaltenen Schriftfamilien,
die er seit 1983 entworfen und entwickelt
hat, weltweit so beliebt sind, dass er in den
letzten Jahren gut davon leben konnte. Er war
ein erfolgreicher Schriftenmacher.
„Hans Reichel – the criminally under-appreciated
German experimental guitarist – passed away in
his hometown ...“
Remember: Rolf Glasmeier
(* 1945 in Pewsum; † 2003 in
Gelsenkirchen)
Künstler, Grafikdesigner und
Ausstellungsmacher.
Abglanz Rom, Palermo
Für Rolf Glasmeier waren Kunst und Leben
eng verknüpft. Sein von ihm initiierter Kunstraum
Atelier Rolf Glasmeier gab Künstlern und
Musikern in regelmäßigen Abständen
Gelegenheit, ihre Arbeiten einer Öffentlichkeit
zu präsentieren.
Peter Kowald * 1944 in Masserberg; † 2002 in New York
33
34
8/10 Fragen an
Volker Anding
1
Bist Du ein anerkannter Künstler?
Anerkannt ist ein relativer Begriff.
Auf der Straße werde ich nicht
erkannt; einige Preise habe ich
schon bekommen. Es gibt einige,
die mich als Videokünstler oder als
Filmemacher sehen und für andere
bin ich ein Künstler – mir ist das
egal.
Und kannst Du von Deiner Kunst-
Arbeit leben?
Wenn man den Begriff Kunst auch
auf das Medium Film, Video,
Hörspiel, Fernsehen erweitert: „Ja!“
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidende
Rolle?
In meiner Anfangszeit – ab wann
beginnt eigentlich diese „Anfangszeit“
(?) – waren Museen nicht interessant
oder auch auf einem
anderen Planeten; deshalb habe
ich aus der Not eine Tugend
gemacht und im Treppenhaus und
in der Toilette eines Gründerzeit-
Hauses die „GALERIE AURA“ gegründet.
Dort habe ich Künstler-
Freunde ausgestellt und selbst den
Galeristen gespielt.
2
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Ai Weiwei hat mich 2010 in München
begeistert – er hat mich umgehauen!
Beeindruckt hat mich
auch ein Text von ihm. Dort beschreibt
er, dass er die ersten fünf
Jahre in New York als Tellerwäscher
gearbeitet hat, aber auch schon
Künstler war: „Künstler zu sein ist
eine Haltung!“ (Das würde ich sofort
unterschreiben)
Es gab eine Arbeit von ihm, die das
unterstreicht: Aus einem Draht-
Kleiderbügel hat er das Porträt
von Marcel Duchamp geformt – sie
hing neben dem Text. Wie man ja
weiß, hat Marcel Duchamp nicht
sehr viele Kunstwerke hinterlassen
– er hat viel Zeit mit Schachspielen
verbracht. (...)
3
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen in
der Kunstgeschichte?
Dokumenta 5 von Harald Zeemann
war eine Initiation für mich.
Andy Warhol, Edward Kienholz,
Nam june Paik, Walter de Maria,
Joseph Beuys ... etc.
4
Sind Deine Arbeiten politisch?
„Wenn ich eine Botschaft hätte,
würde ich sie mit der Post
schicken“ sagte einst Roman
Polanski auf die Frage eines Journalisten.
Diese Antwort hat nichts
mit Arroganz zu tun, sondern mit
einem bewussten Umgang mit
Medien.
„Ich komme erst nächste Woche
zurück“ ist eine Botschaft. Kunst
wäre ärmlich, wenn sie sich in
solchen Botschaften erschöpfen
würde. Die wichtigste Botschaft,
die gute Kunst hat, ist die, dass
man sie nicht auf einen Begriff
bringen kann; die Werbung bringt
alles auf den Begriff, sie sagt was
wir kaufen sollen. In diesem Sinne
ist Kunst notwendig und politisch.
In den Ländern, wo keine
Demokratie herrscht ist Kunst zu
machen höchst politisch und
Lebensgefährlich!
5
Gehst Du zum Essen gerne aus
oder findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause?
Was ist Dein Lieblingsgericht?
Sowohl als auch! Ich koche seit
meinem 14ten Lebensjahr. Es gibt
nicht dieses eine Lieblingsgericht.
Ich hasse „convenient food“, die
sich immer mehr ausbreitet.
Ich esse 90% vegetarisch. Vegan ist
ein Irrweg; denn es sind Industrie-
Produkte, die klein gedruckte
Schrift auf den Packungen macht
das deutlich.
6
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Radiomusik von „Deutschlandradio-
Kultur“
7
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war
„The Problem of God“ im K21
Ständehaus in Düsseldorf.
Ich hätte mir niemals träumen
lassen, dass Religion noch einmal
solch eine Bedeutung haben wird.
Was deutlich wurde: Alle
Religionen arbeiten immer mit
Angst und Gewalt.
8
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Oh ja! Kunst entsteht ja nicht im
luftleeren Raum, sondern entsteht
aus der Zeit und der Gesellschaft.
Sie ist davon nicht zu trennen –
siehe Kulturgeschichte!
www.volkeranding.de
rechts: R
unten: G
oben: B
Volker Anding ART BY ACCIDENT.
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung,
wie dieses Foto auf meinem IPHONE
gelandet ist. Am Wochenende
werde ich das auf eine Leinwand
übertragen ...“
... vorher gestohlen und um 90 0
gedreht.
35
Selbst das gurgelnde Erbrechen
war nicht mehr befreiend, denn
man musste damit rechnen, dass
hinter den Kacheln der öffentlichen
Bedürfnisanstalten heimliche
Kameras versteckt waren. Nur die
Naiven trösteten sich mit dem
Schambalken zwischen den Pissoirs
und glaubten sich unbeobachtet.
Gespanntes Warten auf das
Kabelfernsehen.
Jürgen Raap, 1984
36
37
10 Fragen
an Jürgen Raap
1. Du hast etwa 1979 oder 1980 in
unserer Galerie die Performance
„Die Garde trinkt, übergibt sich
aber nicht“ durchgeführt. Hast du
im Nachhinein ein gutes Gefühl,
würdest du sie heute noch einmal
so machen?
J. Raap: Nein. Diese Performances
der 1980er Jahre passierten aus
einem ganz bestimmten Lebensgefühl
und einer ganz bestimmten
persönlichen Befindlichkeit heraus,
auch aus der damaligen Zeitstimmung,
und man könnte sie nicht
35 oder 36 Jahre später noch einmal
so wieder aufführen wie ein
Theaterstück mit einem festgeschriebenen
Rollentext. Ein gutes
Gefühl bzw. positive Erinnerungen
habe ich schon an jene Zeit und an
meine damalige künstlerische Arbeit,
auch wenn ich aufgrund eines
erweiterten Erfahrungshorizonts
heute natürlich manches anders
und in meinen Augen dann besser
machen würde – auch als Performer
hat man ja dann inzwischen
mehr Routine, die es einem ermöglicht,
freier zu agieren.
2. Seit deinem Studium an den Kölner
Werkschulen arbeitest du kontinuierlich
an deiner Kunst. Bist du
ein anerkannter Künstler? Kannst
du von deiner Kunst leben?
J. Raap: Ich habe einen gewissen
regionalen Bekanntheitsgrad, als
Kunstkritiker wohl auch bundesweit,
aber das beschränkt sich auf
die Insider des Kunstbetriebs oder
auch nur des Off-Betriebs. Ich hatte
in einem Jahr auch mal so viele Bilder
verkauft, das mein Steuerberater
meinte, die Erlöse müsste ich
nun in der Steuererklärung aufführen,
aber leben kann ich davon
nicht. Mein Brotberuf ist seit 35
Jahren Kunstjournalist, und wenn
ich in zwei Jahren das Renteneintrittsalter
erreicht habe, wird auch
die Rente nicht so auskömmlich
sein: ich werde mithin auch als
Rentner publizistisch und künstlerisch
weiter arbeiten müssen, um
damit Geld zu verdienen. Aber ich
wäre ohnehin nicht der Typ, der
dann den ganzen Tag nur noch
beschaulich auf der Parkbank sitzt.
Als Künstler geht man ja nie in
Pension. Der Surrealist Paul
Delvaux hat noch bis zu seinem
90. Lebensjahr an der Staffelei
gesessen, bis sein Augenlicht dann
zum Malen zu schwach geworden
war.
3. Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien eine entscheidende
Rolle?
J. Raap: Nein. Ich habe 1982 mit
der Malerei aufgehört und dann 23
Jahre lang hauptsächlich im Bereich
Performance und literarisch gearbeitet,
vor allem auch -wie eben
erwähnt – journalistisch, und habe
dann 2005, also vor 11 Jahren, die
Malerei wieder aufgenommen,
dies aber dann mit großer Lust und
Freude. Diese Pause in Sachen Malerei
war sehr wichtig, was die eigene
persönliche und geistige
Entwicklung angeht, karrieretechnisch
allerdings nicht. Aber ich gehöre
einer Künstlergeneration an,
die als 20- bis 30jährige in den
1970er Jahren nicht von vorneherein
so karriereorientiert war, wie
man es bei der Generation der
heute 25- bis 30jährigen Künstler
beobachten kann. Beide Haltungen
sind jedoch völlig okay, zumal
heute die gesellschaftlichen und
ökonomischen Rahmenbedingungen
für angehende und aufstrebende
Künstler in mancherlei
Hinsicht härter sind als vor 40 Jahren:
heute sind 60.000 bis 70.000
Berufskünstler bei der Künstlersozialkasse
gemeldet – eine vielfach
höhere Zahl als 1983 bei der Einführung
dieser Künstlersozialkasse.
Um 1980 waren der Kunstbetrieb
bzw. die Kunstszene in Kunstmetropolen
wie Köln oder Berlin noch
viel überschaubarer und familiärer
(auch in Wuppertal). Der Kunstmarkt
erwartet ja, dass ein Künstler
permanent produziert und den
Markt beliefert. Aber in dieser jugendwahnbesessenen
Gesellschaft
macht man als 55jähriger oder
60jähriger Künstler keine Karriere
mehr: die Galeristen, die einen
Künstler ja über Jahre hinweg erst
einmal aufbauen müssen, bis er
seine erste größere Museumsausstellung
bekommt oder zu einer
wichtigen Biennale eingeladen
wird und dann die wichtigen
Sammler auf ihn aufmerksam werden,
fürchten womöglich, dass ein
alternder Künstler vorzeitig schlapp
macht und sein Werk zu dünn
bleibt. Ich sehe meine jetzigen beruflichen
Rahmenbedingungen also
völlig illusionslos, aber ich genieße
zugleich auch ein Gefühl viel größerer
Freiheit – man steht nicht
mehr so sehr unter dem Druck wie
am Anfang des Berufslebens, sich
selbst und der Welt alles mögliche
beweisen zu müssen und nichts
verpassen zu dürfen. Unterm Strich
kann ich sagen: seit meinem 18.
Lebensjahr habe ich im großen und
ganzen immer ein selbstbestimmtes
Leben geführt, und das war mir
an Lebensplanung auch immer am
wichtigsten gewesen, und Kunstmachen
gehört bis heute zur Identitätsfindung
oder zum
Existenzentwurf dazu. Vielleicht
war es damals – im Nachhall der
1968er-Protestbewegung – ein
ganz naives Ausweichen oder gar
Ausbrechenwollen aus jenen Zwängen,
die Karl Marx mit seiner „Entfremdungsthorie“
beschreibt. Die
ökonomischen Aspekte sind natürlich
auch wichtig, denn die Tube
Ölfarbe will im Alltag genau so bezahlt
werden wie die Tube Zahnpasta,
aber als Künstler definiert
man sich ja eigentlich immer über
eine Widerspiegelung in der eigenen
Arbeitsleistung, und nicht über
einen Status, der auf äusserlichen
materiellen Dingen fußt: Einen
dicken Sportwagen kann sich jeder
Dummkopf, der nicht bis drei zählen
kann, beim Autoverleiher mieten.
Das klingt vielleicht jetzt sehr
Bild des Monats (03.2016) blogkarljosefbaer.kallnbach.de:
Jürgen Raap, „Der verwegene Träumer”, 2016
nach einem altmodischen romantischen
Rollenverständnis, und ich
will auch keineswegs einem klischeehaften
Bohèmebegriff das
Wort reden und beurteile die Malerfürstenattitüde
des Herrn Lüpertz
als etwas anachronistisch für das
21. Jh. (wiewohl ich seinem engagiertes
Eintreten für die Malerei als
„Königin der Künste“ durchaus applaudiere)
– aber wo wir in diesem
Jahr 2016 das 100jährige
Jubiläum der Dada-Bewegung feiern,
führt uns dies auch vor Augen,
wie sehr Dada ein anti-bürgerlicher
Gegenentwurf zum Mainstream
einer sich damals formierenden
Massengesellschaft war, der auch
noch die Fluxus-Kunst der 1960er
Jahre prägte und in den performativen
Künsten bis heute nachwirkt,
obwohl sich das Genre der Art Performance
von der klassischen
Selbstdarstellungs-Performance der
1970er Jahre inzwischen weit entfernt
hat. – Ich stelle hin und wieder
auch in Galerien aus, habe aber
derzeit keine feste Galeriebindung.
4. Kann dich die Kunst von Kollegen
auch heute noch begeistern?
J. Raap: Ja, natürlich. Ich finde es
immer wieder interessant zu
sehen, was Freunde und Weggefährten,
die man schon lange
kennt, heute so machen.
5. Gibt es für dich Schlüsselwerke
in der Kunstgeschichte?
J. Raap: Ja, aus objektiver Warte
muss man dann natürlich von Marcel
Duchamp „Akt, die Treppe hinunter
steigend“ (1912) als
Darstellung eines simultanen Bewegungsablaufs
in einem futuristischen
Stil nennen, und von Kasimir
Malewitsch das „Schwarze Quadrat“
(1915) als Ikone der Moderne
und als Manifestation der Abstraktion
– aber in Reflex auf den mystischen
Charakter der alt-russischen
Ikonenmalerei. Aus persönlicher
Sicht sind für mich von Pieter Brueghel
die Sittenbilder des frühen 16.
Jh. und von Max Ernst die Abklatschbilder
und visionären Landschaften
der späten 1930er und
der 1940er Jahre wichtige Schlüsselbilder,
z.B. seine Version der
„Versuchung des Hl. Antonius“
(1945). Von Paul Delvaux das Bild
„Train de nuit“ (1957): Bei einem
Bruxelles-Besuch hatte ich 1985
meinen Wagen auf einer Überführung
über den Schienenstrang hinter
dem Gare du Luxembourg an
exakt derselben Stelle geparkt, wo
der Standort des Malers hätte sein
müssen, wenn Delvaux das Bild
dort vor Ort gemalt hätte. Das ist
mir aber erst später aufgefallen.
Auch die Nachtlandschaften von
Carl Spitzweg und die Dämmerungsbilder
von René Magritte sind
für mich wichtig, und von den zeitgenössischen
Malern schätze ich
das Werk von Uta Schotten, Heinz
Zolper, Theo Lambertin und Neo
Rauch.
6. Sind deine Arbeiten politisch?
Ja, aber nicht in einem vordergründigen
propagandistischen Sinne.
Die Ikonografie in meinen Bildern
umfasst u.a. Schrottplätze, alte Hafenanlagen
am Rhein und Indus-
38
triebrachen, und dabei weiche ich
ganz bewusst den „modernen“
prosperierenden großstädtischen
Arealen aus, die von der Zukunft
künden, d.h. ich ignoriere die aus
polierten Granitplatten oder gläsernen
Fassaden bestehenden Kathedralen
der postmodernen
Dienstleistungsgesellschaft und die
Betonpaläste einer globalisierten
Wirtschaft mit ihrer ästhetisch
uniformen und damit langweiligen
Architektur.
Nüchtern kalkulierende Investoren
betrachte ich deswegen auch eher
als feindliche Eroberer dieser „alten
Welt“ der vernachlässigten Brachflächen
in den ehemaligen Fabrikvierteln,
die mich stark an die
Trümmerlandschaften der Nachkriegszeit,
an das Stadtbild in meiner
Kindheit, erinnern. Diese
urbanen Randbezirke sind für mich
eine Art Wildnis, wenn man so will,
eine paradiesische Gegenwelt.
Insofern transportiert diese Ikonografie
eine politische Kritik an den
Prozessen der Gentrifizierung in
unseren Großstädten. In Bruxelles
bin ich seinerzeit im Afrikaner-Viertel
Matongé auf Läden mit Ritualmasken
und afrikanischen
Skulpturen gestoßen. Da gibt es
natürlich Bezüge zu den magischen
Urgründen des europäischen
Karnevals mit seinen Ritualen des
Austreibens der Winterdämonen.
Und man kann heute politisch
darüber diskutieren, inwieweit
eine Rückbesinnung auf die animistisch-magischen
religiösen Wurzeln
in Afrika ein emanzipatorische
Wirkung bieten kann, weil viele
aktuelle Probleme dort ja auch
etwas mit dem Verlust von kultureller
Identität durch Kolonisierung
und Missionierung zu tun haben.
In indirekter Weise sind also auch
diese Maskenmotive in meinen
Bildern politisch.
7. Gehst du zum Essen öfters aus
oder findest du deine Lieblingsgerichte
eher zu Hause? Was ist dein
Lieblingsgericht?
J. Raap: Beides. Wir haben hier in
Köln-Ehrenfeld einen phantastischen
marokkanischen Fischhändler,
und gönnen uns zu Hause
immer wieder mal eine schöne
Fischplatte. – Lieblingsgericht in
spanischen Restaurants: Langostinos
alla Plancha. In der deutschen
bürgerlichen Küche: Rinderrouladen.
8. Welche Musik hast du zuletzt
gerne gehört?
J. Raap: „Two great guitars“ mit
„Chucks Beat“ von Chuck Berry und
Bo Diddley und ähnliche Rock' n
Roll-Stücke der 1950er Jahre, „Dust
my broom“ von Elmore James und
andere Klassiker des Blues wie B.B.
King, Muddy Waters, Howlin' Wolfe
etc., und alte kölsche Krätzchen,
das sind keine Stimmungsschlager,
sondern – ähnlich wie der Blues
Song in drei Strophen eine in sich
geschlossene Geschichte erzählt –
in Reimform Schilderungen aus
dem Alltag.
9. Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der du beeindruckt
hinaus gegangen bist?
J. Raap: „Der Schatten der Avantgarde“
im Folkwang Museum Essen
mit nicht-akademischen Malern.
10. Kann man aus der Kunstgeschichte
auch etwas anderes als
Kunst lernen?
J. Raap: Ja, denn Kunstgeschichte
kommuniziert immer auch Zeitgeschichte,
Kostümgeschichte,
politische Geschichte, Religionsgeschichte,
Geistesgeschichte, Wirtschaftsgeschichte
... über die
kollektive Bewusstseinslage in den
frühen 1920er Jahren erfahren wir
z.B. aus den Bildern von Otto Dix
oder George Grosz genauso so viel
wie aus der Anschauung alter
Wochenschau-filme, und die gesellschaftliche
Aufbruchstimmung
in den späten 1960er und frühen
1970er Jahren ist auch in den
Kunstströmungen jener Zeit
spürbar, Happening, Fluxus, Arte
povera, Pop Art, Land Art, Ars multiplicata
... die „wilde Malerei“ der
1980er Jahre spiegelt das Lebensgefühl
der hedonistischen „Zeitgeist“-Generation
wider, die Florian
Illies als die „Generation Golf“
beschrieben hat.
Februar 2016
Bär aktuell. Nr. 196
blogkarljosefbaer.kallnbach.de
22. März 2016
Oettinger lebt noch. „Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde
ich mich heute Nacht noch erschießen“, hatte der EU-Kommissar Günther
Oettinger vollmundig angekündigt und damit eine eindeutige und nachvollziehbare
Ablehnung der Flintenweiber in der AfD erkennen lassen. Dazu
muss man als Hintergrundinformation aber auch wissen, wie „Focus“ berichtete:
Unlängst wurde Oettingers Porträt in die Galerie der Ministerpräsidenten
des Landes Baden-Württemberg aufgenommen. „Links oben auf
dem Bild der Künstlerin Anke Doberauer befindet sich ausgerechnet ein
gemaltes Einschussloch. Oettinger deutet es als 'Zeichen der Verletzlichkeit'.
Er nennt das Gemälde 'Tatort Baden-Württemberg'“.
Bär polyglott – unterwegs mit Herrn Bär Dormagen liegt im römisch besiedelten,
mithin im zivilisierten Teil des Rheinlands; doch an der S-Bahn-
Station informiert ein Schild darüber, dass die öffentliche Toilette „wegen
Vandalismusschäden geschlossen“ sei, und weitere Schilder im Straßenraum
verkünden unter dem Slogan „Sauberhaftes Dormagen“, sollte es jemand
wagen, auf der Straße seine Notdurft zu verrichten, werde dies bei
Hund oder Herrchen mit einer Geldbuße von 25 Euro geahndet. Das Aufregendste
an Dormagen ist ansonsten ein Straßenschild mit der Beschriftung
„Haberlandstraße“, das daran erinnert, dass es drüben auf der
anderen Rheinseite im germanischen Barbarenland, nämlich in der sibirischen
Grenzstadt Leverkusen, mal ein Ulrich-Haberland-Stadion gab, dessen
Nachfolgerbau aber heute nur noch den schnöden und orthografisch
fragwürdigen Namen „BayArena“ trägt. Ulrich Haberland, der einstige Vorstand
der Bayer AG, wurde Jahre nach seinem Ableben als Namenspatron
nämlich herabgestuft, denn nach ihm ist in Leverkusen heute nur noch die
Spielstätte der Jugendmannschaft benannt und in Dormagen auf der anderen
Rheinseite immerhin noch eine ganze Straße im Bahnhofsviertel.
Während die Stadt Leverkusen baulich auch sonst eher an die triste nordkoreanische
Metropole Pjöngjang gemahnt, hält Dormagens Vorort Zons
am Rhein erfolgreich mit seiner anheimelnden mittelalterlichen Stadtmauer
und mit einer putzigen romantischen holländischen Windmühle dagegen,
wobei bekanntlich woanders reichlich gestaltungsarme moderne Windkraftanlagen
nach dem gleichen physikalischen Prinzip zu einer unsäglichen ästhetischen
Verspargelung und damit uniformistischen Nordkoreanisierung
der Landschaft führen. Der „Gasthof Stadt Zons“ bietet eine „Currywurst aus
Wildschwein“ an, hatte aber am Schalttag des 29. Februar 2016 geschlossen,
genauso wie schon erwähnt die Bahnhofstoilette an der S-Bahn-
Station Dormagen, was Herrn Bär abends hungrig nach Köln zurück kehren
und ihn an der sittengeschichtlichen Nachhaltigkeit der römischen Latrinenkultur
im lateinisch geprägten Teil des Abendlandes zweifeln ließ. Dass
eben dort in Köln die einstige Hauptkampfbahn des ehrwürdigen Müngersdorfer
Stadions ebenso schnöde und jegliche sporthistorische Tradition
missachtend nach einem Stromkonzern umbenannt wurde, möge in Leverkusen
den Nachfahren Ulrichs Haberlands zum Trost gereichen. Wenn man
nicht gerade aussieht wie ein Vandale, der den Verdacht erweckt, das Klo
noch mehr zu verwüsten, kann man dem Kioskbesitzer am Bahnhof auch
50 Cent in die Hand drücken, und er schließt dann als protagonistische
Speerspitze der Kampagne „Sauberhaftes Dormagen“ gnädig die ansonsten
verschlossene Toilettentür auf, damit man sich nicht für 25 Euro Geldstrafe
auf dem Bürgersteig erleichtern muss. Lohnt sich also eine Bildungsreise
nach Dormagen und Zons? Aber immer.
© Raap/Bär 2016
39
Jürgen Raap
Künstlerische
Individualität
Künstlerische Individualität als
Selbstäusserung begreifen zu wollen,
beruht auf einem europäischen
Blick auf das Schreiben oder
Kunstmachen: die Schönschrift war
früher auch in Europa eine Normschrift,
die in den Schulen eingeübt
wurde und auch als Kanzleischrift
in den Kontoren keinerlei individuelle
ästhetische Abweichung zuließ.
Allerdings tauchte schon 1622
eine erste Abhandlung über Graphologie
auf, verfasst von einem
italienischen Arzt namens Camillo
Baldi, um aus der Handschrift Rückschlüsse
auf den Charakter des
Schreibers erzielen zu können.
Aber dabei geht es auch nicht um
Individualität, sondern um ein Verfahren,
wie sie die Psychodiagnostik
anwendet, d.h. ein Repertoire
bestimmter Schriftmerkmale wird
nach dem Prinzip der Analogiebildung
auf bestimmte Charaktereigenschaften
projiziert und dann
aussagenlogisch in einem Syllogismus
verallgemeinert: alle Schreiber,
die in ihrer Handschrift eine
bestimmte Ausdrucksgestalt erkennen
lassen, haben denselben Charakterzug.
Es ist im Grunde
genommen ein deduktives Verfahren,
nach dem man in den Naturwissenschaften
Axiome definiert.
Überträgt man ein solches Prinzip
auf die Kunstgeschichte, dann lässt
sich eine bestimmte Formensprache
als kubistisch oder expressionistisch
einordnen, aber es sagt
nichts über den Persönlichkeitsstil
aus, durch den sich ein kubistisches
Werk von Georges Braque von
einem Werk Picassos in diesem
Formstil unterscheidet.
Bis zur Aufhebung des Zunftzwangs
Ende des 18. Jh. gab es auch in
Europa keine Kunst, bei der die individuelle
Selbstäusserung des
Künstlers im Vordergrund stand.
Dass wir Rembrandt als Individualkünstler
begreifen, ist eine Projektion
auf das Künstlerdasein im
17. Jh. aus heutiger Sicht: Künstler
hatten in den Malergilden den
Zunftregeln zu folgen, was vor
allem auch die handwerklichen Rezepturen
einschloss, und der ästhetische
Charakter des Werks war
durch die Auftraggeber definiert –
Herrscherbildnisse wurden zumeist
geschönt und überhöht im Sinne
der Selbstwahrnehmung des Herrschers,
und Porträts daher eben
nicht so gemalt, wie der Künstler
sein Modell sah, und bei der Sakralkunst
waren durch die kirchliche
Obrigkeit die Motive bis ins
kleinste Detail vorgegeben (welche
Symbole und Attribute z.B. den
Aposteln zuzuordnen sind, welche
Szenen ein Passionszyklus wiedergeben
musste, dass die Madonna
immer ein rotes Kleid und einen
blauen Mantel tragen musste etc.),
und diese Vorgaben waren theologisch
und kirchenpolitisch begründet.
Erstaunlicherweise wurden im Barockzeitalter
Kunstwerke zumeist
anonym gehandelt: in den Besitzverzeichnissen
und Nachlassinventaren,
die uns aus dem 17. Jh.
überliefert sind, tauchen gerade
mal bei 10 bis 15 Prozent der Posten
Zuschreibungen an einen konkreten
Künstler auf. Namen wie
Rembrandt und Rubens, Frans Hals
und Antonis van Dyck kannte und
schätzte man zwar damals schon,
aber die überwiegende Mehrheit
der Maler, die an Aufträgen für ein
Kaufmannsporträt arbeitete, hatte
keinen größeren Bekanntheitsgrad
als heute etwa ein Hochzeitsfotograf
in Ehrenfeld in Relation zu berühmten
Fotokünstlern wie
Andreas Gursky.
Erst im 18. Jh. begann man in stärkerem
Maße, die Kunstproduktion
bestimmten Meistern und ihren
Schülern zuzuschreiben. Und zugleich
begann man auch, den
Marktwert nach der kulturellen Bedeutung
der Gattungen einzuteilen:
höchste Wertschätzung genoss die
Historienmalerei. An Stillleben und
Genrebildern mit Alltagsszenen erfreute
sich zwar das gemeine Volk,
doch die kulturell tonangebenden
Schichten, die in ihren Palästen Bildergalerien
einrichteten, sahen
diese Gattungen als eher zweitrangig
oder gar minderwertig an.
Erst mit der Romantik nach 1800
setzt sich – parallel zur Einführung
der Gewerbefreiheit zunächst in
Preußen 1810, dann auch in anderen
deutschen Ländern – eine neue
Auffassung von der Rolle des
Künstlers durch, der sich von den
alten Zunftregeln befreit hatte. Als
handgenialer Maler schafft der
Maler nun Werke als Antipode zur
Massenfabrikation der Manufakturen
und Industriebetriebe – die
Idee vom Künstlerindividualismus
war und ist also anti-industriell orientiert.
Erst Andy Warhol kehrte in
den 1960er Jahren dieses Prinzip
um, indem er sein New Yorker Studio
als „Factory“ begriff und von
seinen Assistenten dort Siebdrucke
in Massenauflage herstellen ließ.
Der europäische Künstlerindividualismus
lässt auch ein hohes Maß an
Narzismus bzw. an monomanischer
Attitüde zu, was manchen asiatischen
Kulturen wohl eher fremd
ist, da es dort soziologisch in erster
Linie um eine Harmonie in der
Gruppe und nicht um Selbstäusserung
und Selbstverwirklichung
geht. Deswegen hat auch das Imitieren
und Kopieren in China kulturell
und ethisch einen anderen
Stellenwert als bei uns, wo sich
künstlerische Individualität durch
die Einzigartigkeit und Einmaligkeit
einer Bildidee und deren formalstilistische
Umsetzung in einem persönlichen
Duktus definiert – ein
chinesischer Kopist könnte meine
Bilder „originalgetreu“ nach malen,
aber er weiß nichts von den biografischen
Hintergründen, auf
denen sich meine Ikonografie aufbaut,
und wenn der Fälscher Wolfgang
Beltracchi behauptet, er hätte
Max Ernst-Bilder gemalt, die Max
Ernst auch selber hätte malen können,
wenn er 100 Jahre später gelebt
hätte, dann ist das Unsinn,
weil sich Beltracchi hier eben nur
auf den formalen Umgang mit
Farbe beruft, aber nicht auf die individuellen
Lebensumstände, die
einen Künstler zu seinen Bildinhalten
inspirieren: ein Bild wie „Die
Jungfrau verhaut das Jesuskind ...“
konnte in den 1920er Jahren eben
nur aus der damaligen Zeitstimmung
heraus entstehen, die sehr
stark durch einen Katholizismus geprägt
war, wie ihn Max Ernst in
jungen Jahren hier im Rheinland
ganz konkret erlebt hatte, und als
Max Ernst dann in Paris der Surrealistengruppe
um André Breton angehörte,
war ein solcher
Anti-Klerikalismus Teil der gemeinsamen
Überzeugungen und einer
rebellischen, gar revolutionären
Grundhaltung (es gibt eine Anekdote,
wie André Breton sich mit
René Magritte verkrachte, weil Breton
sich darüber mokierte, dass
Magrittes Frau ein Goldkettchen
mit Kreuz um den Hals trug).
Das Einüben des Shodo hatte in
Japan wohl immer auch eine bildungspolitische
Komponente, so
wie bei uns früher wohl auch die
Schulpädagogik das Schönschreiben
als Beitrag zur Charakterformung
begriff – ich denke, das
Einüben von Disziplin als Sekundärtugend
spielt hier vielleicht in beiden
Kulturen eine Rolle (im
heutigen deutschen Schulalltag allerdings
kaum noch, wenn man
Schulklassen lärmend durchs Museum
toben sieht). Beim Shodo
geht es wohl prinzipiell nicht um
eine Interpretation der Schriftzeichencharaktere,
der Pinselduktus,
die Dynamik des Schreibens (oder
auch, wenn moderne Kalligrafen
ihre Kunst ins Aktionistische erweitern
und als Performance aufführen,
wie ich es vor ein paar Jahren
bei einer Vernissage im Kunsthaus
Rhenania erlebte) focussiert sich
immer in einer produktorientierten
Weise auf eine ästhetische Norm
im Sinne eines Ideals der Vollkommenheit,
der aktionistische Prozess,
d.h. das prozesshafte Erlebnis
beim Schreiben, ist dem nicht untergeordnet,
sondern inhärenter
Teil (im Sinne des freilich von irgendwelchen
alternativ-kulturellen
esoterischen Zauseln mittlerweile
arg strapazierten „Der Weg ist das
Ziel“-Gedankens).
Die jüngere Kunstgeschichte in
Japan hat sich nach 1945 radikal
gegenüber der westlichen Kultur
geöffnet – als die japanische Gutai-
Gruppe 1954 erstmals an die Öffentlichkeit
trat und 1958 ihre erste
große Ausstellung mit internationaler
Beachtung hatte, begriff man
diese Happenings, Material- und
Körperaktionen als östliche Antwort
auf den amerikanischen abstrakten
Expressionismus – dessen Urvater
übrigens Max Ernst ist, der um
1945 die Dripping-Technik in seiner
Malerei einsetzte, d.h. Farbe tropft
aus einer hin und her schwingenden
Dose nach dem Zufallsprinzip
auf die Leinwand und bildet kurvige
Linien im Verlauf der
Schwünge – eine Technik, die dann
kurze Zeit später der junge Jackson
Pollock in sein Action Painting
übernahm und performativ ausweitete.
Aber für Max Ernst war es
immer noch ein Spiel mit dem Zufall
im Sinne des Surrealismus. Die
informelle Rakel-Technik von K.O.
Götz hat zwar auch einen intuitiven
Charakter, ist aber gleichzeitig doch
viel kalkulierter in der Ausführung,
als man vom Ergebnis her glauben
mag.
Die Geschichte der chinesischen –
und womöglich auch japanischen –
Kalligrafie weist aber schon im
Laufe ihrer Entwicklung ein
Ausbrechen aus einer rein handwerklichen
Anonymität auf, je mehr
sie als Kunstform begriffen wurde,
da gibt es wohl bei der Niederschrift
von Gedichten das Prinzip
einer ästhetischen Einheit von
Schrift und literarischer Aussage,
d.h. die dichterische Eigenart findet
ihren analogen kalligrafischen Ausdruck,
und da hat Schrift durchaus
auch Züge von Individualität, aber
doch sehr weit von einem modernen
expressiv-gestischen Sinne
entfernt – der Kalligraf negiert niemals
die Regeln und Normen seiner
Kunst zugunsten eines völlig
freien Ausdrucks in jenem Maße,
wie wir das aus dem malerischen
Aktionismus des 20. Jh. kennen. Da
sich die Malerei in der Zeit der Romantik
und der frühen Moderne
eben aus einer anti-industriellen
Haltung heraus entwickelte, konnte
sie später auch als ein Forum der
individuellen Emanzipation und der
Befreiung eingesetzt werden – das
Unbewusste frei zulegen und dafür
den normativ-kulturellen Überbau
als Über-ich im Sinne Sigmund
Freuds wegzuschaufeln, wie es A.
Breton propagierte, kommt einem
klassischen Shodo-Künstler aber
wohl nicht in den Sinn.
… bliebe zum Thema
Künstlerindividualismus ein Hinweis
auf den „Linkshegelianer“
Ludwig Feuerbach nachzutragen,
dessen Religionskritik insofern
einen Individualismus als Gegenmodell
propagiert, was in Zeiten
des Vormärz und der 1848er Revolution
als emanzipatorisch zu begreifen
ist, als Feuerbach nicht nur
Religion als theologisches Konstrukt
kritisiert, sondern auch politisch
eine Befreiung aus der Bevormundung
der Kirche einfordert.
Den Künstler und seine Aufgabenstellung
meint er zwar ausdrücklich
nicht, wenn er die Zusammenhänge
zwischen dem Wesen des
Menschen und der Willensfreiheit
erörtert, aber Feuerbachs Thesen
implizieren dennoch, dass künstlerische
Freiheit im Sinne von
Willensfreiheit nur aufgrund einer
individuellen Entscheidung bei der
Bilderfindung wirksam werden
kann: ich allein entscheide aus
meinem Willen heraus, was ich
künstlerisch mit einer Leinwand
oder einem Blatt Papier anstelle.
Und aus dieser Umsetzung seines
Willens erreicht der Künstler eine
individuelle (besser: individualistische)
Bildsprache. In diesem Sinne
hat (Künstler)individualismus eine
40
Maurycy Brunon Lozinski by Süleymann Kayaalp
existenzielle Dimension, die weit
über das rein Formalstilistische hinausreicht:
dass Joseph Beuys
immer mit Filzhut herumlief, bei
Baselitz alle Bildmotive auf dem
Kopf stehen und Horst Antes nur
Kopffüßler malt, ist nicht etwa Ausdruck
von Individualität, sondern
Markenzeichen im Sinne von Marken-Branding,
d.h. Signatur, im
Grunde genommen also nur Marketing-Gag
(was in all der Hohlheit
und Albernheit von Jonathan
Meese auf die Spitze getrieben
wird). Überträgt man diesen Feuerbachschen
Ansatz nun auf die
Shodo-Kalligrafie, stellt sich die
grundsätzliche Frage: inwieweit ist
diese normativ vorgegebene
Schönschrift in ihren Nuancen einer
individuellen Ausprägung ästhetischer
wie psychologisch verstehbarer
Ausdruck von Identität? Wie
definiert man persönliche Identität
(jenseits dessen, was die Pass- und
Visumgesetze umschreiben) in
Japan kulturell und soziologisch
und wie in Europa, und wie wirkt
sich das auf die (traditionelle)
Kunst aus? – In diesem Zusammenhang
finde ich es sehr interessant,
wie die aus Japan stammende
Künstlerin Leiko Ikemura, die seit
mehr als 30, 35 Jahren in Europa
lebt, ihre Bildfindung aus einer intellektuellen
Wanderung zwischen
zwei Kulturwelten gewinnt .…
Fundstücke Maurycy Brunon 3. Dezember 2015 „Aufstehen!“
… das Problem eines Verlustes an
Lesbarkeit, wenn die japanische
Shodo-Kalligrafie zu "wild" niedergeschrieben
wird, haben wir ja
auch in der europäischen Kunstgeschichte,
wo seit der technischen
Durchsetzung der Fotografie im Alltag
(also seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.) mit dem Beginn und
dem sukzessiven Fortschritt der
Moderne die Wiederkennbarkeit
von Objekten oder Figuren in der
Malerei keine Rolle mehr spielt.
Analog zur aufgelösten Lesbarkeit
der „wilden“ Shodo-Schrift haben
wir es ja mit einer Negation der
Abbildfunktion eines Gemäldes mit
fortschreitender Formreduktion von
den Verwischungen im Impressionismus
bis hin zum Informel der
1950er Jahre mit einer ähnlichen
Frage zu tun, wo sich der Expressionismus
auf die Wiedergabe
eines subjektiven Seheindrucks berief
anstelle der Wiedergabe einer
objektiv nachvollziehbaren Darstellung
von Realität wie im Naturalismus,
der um Wahrhaftigkeit
bemüht war und den Künstler auf
eben einen solchen Wahrheitsbegriff
verpflichtete. Wahr = richtig,
und falsch ist das Gegenteil, sowohl
im Sinne von „unwahr“ als
auch im Sinne der Normverletzung
beim Schreibfehler. Wie kann man
Shodo heute also in individualisierender
Weise schreiben? Wohl nur
in einem sehr sensiblen und sehr
virtuosen Ausbalancieren von Regelbefolgung,
d.h. Befolgung der
(auch rituellen) Tradition, und
gleichzeitiger Regelverletzung.
Was für die (abstrakte) Malerei
eine Ablehnung der Mimisis bedeutet,
müsste sich dann analog
dazu auch im Shodo ausloten lassen.
Und da fängt das künstlerische
Abenteuer, mit allem Streben
nach ästhetischem Gelingen und
mit allen Gefahren des Scheiterns
an, wenn man dieses Ziel nicht erreicht,
weil die Balance zwischen
(handwerklicher und im Shodo
wohl auch spiritueller) Regelbefolgung
und eruptiver, gestischer Regelverletzung
nicht richtig
funktioniert, und man das selber
sehr genau spürt, wenn man das
Gefühl hat, dass die Arbeit trotz
aller Mühe „nichts geworden“, d.h.
misslungen ist, weil sie zu verkrampft
ist oder handwerklich
missraten ist – das passiert aber
jedem Künstler immer wieder ...
Welches Verhältnis haben die Europäer
zur Norm und Normierung,
und welches die Japaner? Wie hat
sich das auf die (historische)
Kunst(entwicklung) in diesen Kulturräumen
ausgewirkt ? Anomalie
bedeutet Abweichung von der
Norm, aber wo fängt in der Anomalie
auch eine Individualität an,
d.h. Einzigartigkeit im Anderssein
und nur im Anderssein? Shodo und
Uniformität ... Inwieweit lässt ein
gesellschaftliches und kulturelles
System Abweichungen aus der
Norm zu, in Japan wie in Europa?
Lässt sich die Frage nach der Möglichkeit
individueller Ausprägung in
der Kalligrafie also eher kultursoziologisch
beantworten, d.h. in
Bezug auf unterschiedlichen kulturellen
Einstellungen zur gesellschaftlichen
Uniformität?
41
3
Martin Peulen, Buchprojekt 2015, Kleine französische Bibel. Aquarellfarbe. Seiten 1 bis 60 (von 84).
„Ich liebe es zu arbeiten in Bücher. Seite nach Seite ensteht eine Geschichte verbindung aber Frei“
42
43
44
Martin Peulen 2015
Zeichnung 1984.
Martin Peulen (1955) zoekt als kunstenaar en als mens grenzen op en wil
deze als het even kan ook verleggen. Hij bedient zich daarbij van een breed
scala aan uitingsvormen. Hij schildert, tekent, maakt kunstenaarsboeken,
geeft performances, zingt en maakt muziek. In Breda is hij een bekende
persoonlijkheid.
„Verbinding en ontmoeting zijn altijd terugkerende thema’s, of ik nu
schilder, boeken maak, perform of zing.“
Answers. 1: Ja, Ja. 2: sometimes. 3: No. 4: Yes. 5: Yes: Pollock, Eva Hesse, Fluxus, Zero, Steve Reich. 6 + 7: Vegetarian. Home sweet.
And sometimes somewhere. 8: Modern classical minimal music, japanese: Somei Sato.
In het werk van Martin Peulen loopt de mens als rode draad. De mens in al zijn verschijningsvormen, uitgewerkt op verschillende manieren. De ene keer als abstracte vorm of een enkele lijn,
dan weer in zich herhalende ritmische patronen van mensfiguren. Zijn werken onderscheiden zich door kleur en vitaliteit.
"Schilderen is voor mij de pure uiting van licht, vreugde, liefde, vitaliteit en levenskracht."
Release. 190 x 210 cm
45
Ilske
Emil
Gevatter
Fremde
Krysztof
Mädchen
Nataly und Barbara
Katharina
fotografiert von Guda Koster
Shahin und Selly
und Jungs
Freunde, Förderer, Galeristen, Kollektivisten, Künstler, Fremde, Gäste – zusammen ergibt es einen Sinn.
Wie geben und nehmen, essen und trinken, hören und sehen usw. gestern, heute, morgen ... wird fortgesetzt
...
Regina
Georg
Harald
Andrea
Mila
Klaus
Datti
Jörg Maria
Catherine Andreas
deutscher
Renate
46
Fundstücke
Maurycy Brunon
15. September 2015
Sie verfolgen mich
auf Trittbrettern
durch das Grün hinter ihren Ohren
vorbei an den Neurosen
wo sich Haltsmaultiere und Neidhammel paaren
legen sie ihre Bärenfallen aus.
Doch ich locke sie den Bach runter
auf dem Stockenten wie Treibholz schwimmen
aber scheiß drauf, denn Stock im Arsch gibt ja auch Halt.
Sie verfolgen mich mit ihrem Kaspartheater
und wollen, dass ich mit ihnen spiele
aber meine Hand ist zu schade für ihren Arsch.
Das ärgert sie wie Bolle.
Diese Lumpen; ich trage lieber Chincilla.
Denn das passt ja euren fetten Weibern nicht
ich habe die leichten Mädchen.
Denn meinen Größenwahn misst man nicht mit Mittelmaß.
Peter
Peggy Klick
Klaus
böser Onkel
Gudrun
Gefahr
Ahoi
Natta
Jutta
Buddha
Björn
Jungs
Che
Sabine
Jupp
das ist der Martin
Je suis Charlie andere Maria
Dirk Catherine
– enfin –
Dietmar
47
es ist weiterhin möglich,
creoden bei mir zu tauschen, nur ...
der andrang ist sehr groß – es kann
also dauern!
wert gegen wert
– kunstdaueraktion
begonnen im oktober 2010
„der wert einer sache oder
einer handlung ist grundsätzlich
subjektiv".
die von mir geplante aktion
hat ein nicht absehbares ende.
ab oktober 2010 können bei mir
„creoden“ mit eigenen,
selbstbestimmten motiven
bestellt werden.
bis zum gegenwärtigen zeitpunkt
habe ich über 50 creoden
getauscht. über 50 menschen
haben eine oder mehrere
getauscht. geplant ist eine
ausstellung mit allen creoden zu
einem riesenpuzzle.
bodo
WZ SAMSTAG, 7. AUGUST 2010
Bildhauer stellt die
Preis-Frage: Welchen
Wert hat die Kunst?
TAUSCHGESCHÄFT
Bodo Berheide wagt ein Experiment:
Wer ein Kunstwerk bestellt,
kann selbst entscheiden,
was er im Gegenzug gibt.
Von Martina Thöne
„Geistesblitze kann man immer
gebrauchen“, sagt Bodo Berheide.
Recht hat er. Dabei hat der Bildhauer
nicht nur blitzschnell einen
passenden Komentar parat, wenn
er – alles andere als oberflächlich –
den tieferen Sinn seiner Kunstwerke
erklärt.
Der Wuppertaler hat auch gleich
mehrere Motive im Angebot.
Neben dem Blitz, der die ersten
Prototypen seiner sogenannten
Creoden ziert, gibt es eine kleine
tierische Auswahl an weiteren
Stempel-Aufdrucken: Schildkröte
und Wal stehen bereits in den
Startlöchern.
„ Jeder, der eine Creode bestellt,
kann auch eigene Motive vorschlagen“,
verspricht Berheide. Der
Künstler hat just ein neues Projekt
gestartet – mit bislang drei Motiven:
Blitz, Schildkröte und Wal.
Ein Geben und Nehmen im
Namen der Kunst
Dass ein Bildhauer Abnehmer für
seine Werke sucht, liegt in der
Natur der Sache. Ungewöhnlich
wird die Aktion allerdings dadurch,
dass Berheide eine recht eigene
Vorstellung davon hat, was ihm
sein neues Projekt einbringen soll.
Ein Kunstwerk aus Zeitungspapier:
Bodo Berheide hat eine neue
Leidenschaft entdeckt. Er stellt
neuerdings sogenannte Creoden
her, die an Puzzle-Teile erinnern.
Er erwartet einen ganz besonderen
Gegenwert: kein Geld, sondern
„eine Einladung zum Abendessen,
ein selbstverfasstes Gedicht oder
einen freundlichen Augenblick“.
Das höfliche Angebot, sich geschmackvoll
oder poetisch für eine
Creode bedanken zu können, hat
einen guten Grund: „Es wird immer
so viel über den Marktwert von
Kunstwerken geredet. Wie viel hat
ein Picasso eingebracht, was ist ein
Beuys wert? Ich möchte etwas dagegensetzen“,
erklärt Berheide.
Der Name ist deshalb Programm:
„Wertgegenwert“ heisst das Projekt,
mit dem der Bildhauer nun
ein Zeichen setzen möchte. „Kunst
hat immer etwas mit Dialog zu
tun“, betont Berheide. „Als Gegenwert
freue ich mich auf etwas, das
beim Besteller einen gewissen eigenen
Wert darstellt“. Ein Glas
Honig etwa – oder doch lieber
Geld?
Wer ein Puzzle-Teil haben
möchte, kann mit einem Essen
bezahlen
Berheide überlässt die Entscheidung
denjenigen, die sich seine
Creoden bald an die Wand nageln
können. Dass sie an Puzzle-Teile
erinnert, ist kein Zufall. „Ich beschäftige
mich schon eine geraume
Zeit mit der Figur eines Puzzles. An
jedem Puzzle gibt es sechs Enden,
die ich Synapsen nenne. Sie verkörpern
die sechs Sinne, die im Wesentlichen
das menschliche Gehirn
und das Denken entwickelt haben
– und es weiter entwickeln werden“.
Wer Berheides Äußerungen wie
Puzzle-Teile zusammensetzt, ahnt
daher schnell, dass ein großes Ganzes
dahinter steckt. Der Bildhauer
möchte „den existierenden Wertbegriff
überprüfen“ und die These,
dass alles im Leben förmlich zusammenhängt,
mit dem passenden
Material untermauern:
Grundlage seines Projektes ist Zeitungspapier,
das er schreddert, in
Wasser ziehen lässt und in eine
Holzform gibt. Am Ende drückt er
dem Ganzen einen Stempel auf – in
Form von Schildkröte, Wal oder
Blitz.
Die pfiffige Idee scheint sich auszuzahlen:
Die ersten Aufträge sind
schon eingetrudelt. Bekannte
„bezahlen“ mit einem Abendessen,
Künstler-Kollegen mit eigenen Werken.
Befristet ist das Tauschgeschäft
nicht – es soll ein
Langzeit-Projekt werden. „Mal
sehen, was passiert“, sagt
Berheide. „Ich bin gespannt“.
Vor allem darauf, welche Geistesblitze
die Interessenten haben.
Ungewöhnliche Kunstaktionen
FIGURA MGICA „Wertgegenwert“ ist
nicht die erste ungewöhnliche
Kunstaktion, mit der Bodo Berheide
auf sich aufmerksam gemacht hat.
Zuletzt sorgte er mit seiner Figura
Magica für Furore. Die Skulptur
reiste jahrelang durch die Welt und
liegt nun auf dem Platz an der
Kluse.
CREODEN Die Puzzle-Figuren haben
die Maße 43 x 30 x 2 Zentimeter.
Wer eine Creode bestellen möchte,
kann sich bei Bodo Berheide unter
Tel. 526332 melden. Nähere Informationen
zum Künstler gibt es im
Netz unter www.bberheide.de
-
Fangstücke, 20.05.2015 – 08:08. Klaus Hansohm Vereinsmitbegründer
48
Lebensmittelstrategien
Fundstücke, 2013
Maurycy, Kellertür
Obergrünewalder Straße 7
Fundstücke, 2012
Helmut Magel: „Heute ganz ergriffen in Hölderlins Zimmer gesessen.“
Sammelstücke,
Ein Gruß aus Driewegen
Wolfgang Schmitz
eine von unzähligen
Zeichnungen
Erinnerungsstücke,
2014
Brigitte Hansohm
Schatzmeisterin des Kollektivs
tanzt im
Seniorentanztheater
Wuppertal
„Wenn Du willst, was Du noch
nie gehabt hast, dann tu, was
Du auch nie getan hast!“
49
Fundstücke 2014, Mogens Otto Nielsen Ameisenstapel
Fundstücke 2014, Sylvie Hauptvogel Kissen
50
Fundstücke ab 1999, Renate Löbbecke Konfigurationen nach Exkrementen
51
SCHLAFSTOERUNG
Fundstücke,
2015
Dietmar Wehr
Kartoffel?
OCH, STRAFLESUNG
ROLFS TUCHSAGEN
FALSCHE ORGUNST
ROST FACHLESUNG
FLUG SACHSENTOR
ACHSELS GRUFT – NO !
ROSTFAELSCHUNG
ORGEL, SCHAF – TUNS
LEST FROSCHAUGN
FLUGS ACHSEN ROT
GOCHS LERNFAUST
STUR GOLFSACHEN
GARTENFUSSLOCH
LOREN SAGT FUCHS
SUCHN TAGS LOFER
GLUTEN, SCHORF, AS
GROSCHENFALUST
Mitch Heinrich
1./6.01.2008
52
53
Wir sind
eine Gemeinschaft von
Künstlern und kunstinteressierten
Menschen.
Wir haben uns freiwillig
zusammengefunden.
Wir arbeiten nach Lust und
Notwendigkeit.
Unser Haus
schafft Gelegenheit
zur Auseinandersetzung und
Begegnung mit den
verschiedensten künstlerischen
Ausdrucksformen
der Gegenwart.
Über diese Kunst hinaus
sind wir neugierig auf Menschen,
die in anderen
gesellschaftlichen Bereichen
kreativ und lebendig
arbeiten.
Die Probleme,
denen wir heute auf dieser Erde
gegenüberstehen,
erfordern eine Sichtweise,
die die Enge
des traditionellen Kunstbegriffs
überwindet.
Das Kollektiv 1987
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Das Kollektiv 2016
54
Joseph Beuys, Wuppertal 1984
55
56
Ute Klophaus
* 10. Februar 1940 in Wuppertal,
† 6. Dezember 2010 ebenda.
Der Nachlass der Künstlerin mit rund
15.000 Schwarz-Weiß-Abzügen und etwa 52.000 Foto-Negativen wird
von der Stiftung Moyland bewahrt.
„... und fuhr über die Grenze. Es lag Schnee und es war bitterkalt.“
aus „Herbstreise nach Košice“, Ute Klophaus 1989
57
58
Königswinter, Ute Klophaus 1986
„Herbstreise nach Košice“, Ute Klophaus 1989
59
„... betöre mich, heilige Welt der Töne: pups, rülps, kotz, würg, brech, plädder.“ – die Vögel waren schon immer da –
Peter KlasZen’s Kammermusik. Angekündigte oder überfallmäßige Konzert und Improvisationen:
„Zuhause“ bei Danos Papadopoulos, Maria Wischermann, Charles Petersohn, Ilka und Jörg Winter,
Martin und Annette Gadatsch (die ich leider nicht antraf – deshalb eine Improvisation „für die
Vögel“ in ihrem Garten) ...
1992
Tänzerische Bewegungen
führen den Pinsel
Nanny de Ruig:
Von der Hölderlin-Sängerin
zur Malerin
Nanny de Ruig zeigt Malerei im
Atelier- und Galerie-Kollektiv. ...
Nanny de Ruig erlangte als
Sängerin der psychedelischen
Rockgruppe Hölderlin, die neben
Amon Düül und Kraan zu den
bekanntesten deutschen Rockgruppen
gehörte, schon einige
Berühmtheit. ... Nanny de Ruig
studierte Kunst an der Königlichen
Akademie von den Haag und an
der Werkkunstschule Wuppertal.
Sie betrieb Kunst, Tanz und Musik
als Allround-Präsentation und ist
als Malerin vor allem seit den
80er Jahren tätig.
Der Einbeziehung gestischer,
tänzerischer Mittel in die Malerei
gibt Nanny de Ruig in ihren Bildern
Ausdruck. Der malerische Gestus ist
stets von der ganzen Bewegung
des Körpers bestimmt. Ihre Malereien
erhalten dadurch eine bestimmte
Bandbreite, wie sie der
tänzerische Mensch erschließt, der
den Raum erobert, in dem er sich
kunstvoll bewegt. Die Malerin
Nanny de Ruig bewegt sich auf
der Schwelle zur gegenstandslosen
Malerei.
Hi8 stills ... bei Jörg und Ilka
Claus van Bebber
60
Thomas Illmaier WZ, 7. April 1992
Danos Papadopoulos
Maler, Designer und Kollektivist der Berliner
Straße, lebt wieder in Griechenland
„‘t klinkt mij, alsof een koor van stemmen op mysterieuse wijze uit de diepte opstijgt“
KINGHAT
Die Band arbeitete von 1979
bis 1992 im Atelier- und Galerie-
Kollektiv unter den verschiedensten
Namen, Besetzungen und mit
unterschiedlicher Ausrichtung.
So um 1988 herum hatte sich die
Stoßrichtung herauskristallisiert
und die endgültige Besetzung
stand.
Kollektive Kompositionen,
eigene Stilbildung, sinnvolle Musik,
wesentliche Texte.
Nach vielen Konzerten, kleinen
Tourneen, zwei Schallplatten,
einem Video usw. wurde die
Band aufgelöst.
Gu D. RUN: vocals, lyrix
Christian Pförtner: rimxhots
Peter Florian: zebraguitar
Michael Pollmann: la guitarra
Peter Klassen: basement, lyrix
KINGHAT: offensiv, lebendig,
riskant. PSYCHOFUNK. Absolut.
Es grooved, es faked, es röhrt,
es penetriert.
KINGHAT: THE CONCERTS
Der Boden ist festgestampft mit
SCHUBIDUAAH. Wir stehen Starrheit
und Trägheit gegenüber. Wir haben
das Bedürfnis nach Freundschaft,
Aussprache, Anfeuerung. Wir wollen
die Welt nicht in Einsamkeit
und Abgeschiedenheit erleben.
Wir werden durch mutige Versuche
neue Möglichkeiten erproben.
Die Trommeln werden sprechen,
die Trommeln vertreiben die Trockenheit.
Wir feiern Götzenfeste,
tragen böse Tiermasken, tanzen
mit Menschenknochen, mit Euren
Schenkeln. Singen, schreien, mit
den Füßen stampfen, uns auf die
Brust schlagen, den Kopf gegen
die Mauern schmettern. Dies ist ein
Grenzfall. A ROYAL PERFORMANCE
BETWEEN THE WARS. KINGHAT,
1989: YOU’VE GOT NOTHING TO
LOOSE BUT YOUR HAT.
wenn einmal die musik schweigt, so hört sich alles tanzen auf ...
„Die Kunst des Abgangs.“
„Könige werden gestürzt oder danken ab. Sinnbild ihrer Macht ist die Krone. Zackiger Hut der Königinnen und
Könige. Hoheitszeichen der Mächtigen. Wenige beherrschen den Abgang.
Die Band KINGHAT gibt jetzt den Hut ab, hinterlässt aber ein Vermächtnis,
das sich sehen lassen kann; „Sacré Coeur“. Eine LP mit elf Stücken, nicht
von der Gold-. Perlen-, Edelstein-Seite des Lebens, sondern mit Zacken,
Ecken und Kanten. ... ... Savoir mourir. Die Kunst, Dinge zur rechten Zeit
beenden zu können. Manch Mächtiger lässt diese Fähigkeit vermissen.
KINGHAT gibt es nicht mehr, aber eine sehr gute LP. Und dass man von
den einzelnen Mitgliedern der Band
nichts mehr hören wird, ist unwahrscheinlich,
denn:
... wenn einmal die Musik schweigt, so hört sich alles Tanzen auf ...“.
Thomas Mau, 1992, in den WupperNachrichten (auch abgegangen).
61
Sisters.
Music by KINGHAT,
Words by Gu D Run ...
Little sister, down by the river.
Ain't got no mercy,
ain`t got no pain.
And I ask: Why did she do it, why
did you treat them that way.
She awnswered: only thing I know
is they could no longer stay.
I was so disappointed she said and
the way he fucked his typewriter
was driving me oh so mad.
I was oh – so disappointed you
know and the way he closed the
door was hurting me so.
Ship arriving too late.
Accidents in the street
one after another
no one a victim, no one your
brother / stars in the sky counting
by numbers /
if you know one of them
you know them all.
Ship arriving too late.
I was so disappointed to see and
the way he washed his hands
was driving me so mad /
drowning lovers one after another
/ each one believing he got a
lucky fate / each one believing he
was ment to be her soulmate /
drowning lovers in sea of love
deep down and above / all those
carnations on the sea /
countless by numbers /
I ain't got no numbers /
I ain't got no numbers ...
62
miles davis
smila dives
midas lives
dim is slave
vilem is sad
diva smiles
Mitch Heinrich
31.12.07
63
54
Kalli Thiele und
Sabine Oldenburg
Fotografien
Einladungskarte 1987
Fundstück aus einem Nachlass
Open-ended – Or the Attempt to Become a Loop
Sketch for a text on the artistic methods of Sabine Bokelberg
Remain in constant flux. Open-ended. In this way keeping art, keeing
painting dynamic for oneself and the viewer. Experiment. Alienate
relentlessly. Uncover extremes. Surprise yourself. Establish stabilityin
instability. Eradicate boundaries. Liquefy the self, liquefy authorship?
....
(Barbara Buchmaier, 2015)
Installationview, Studio, 2015
65
66
Rob de Vrij Jacques-Louis David
Rob de Vrij, Hollywood
In den 80-er Jahren war ich im
MOMA in New York, stöberte im
Buchladen und las ein Zitat das mir
im Nachhinein so wichtig war, so
Richtung weisend, dass ich immer
bedauert habe das Büchlein nicht
gekauft zu haben.
Jetzt, dank Internet, konnte ich es
aufspüren: in dem 1976 geführten
Interview mit Jan Dawson;
abgedruckt in:
>Wim Wenders. By Jan Dawson/
translated by Carla Wartenberg<
(New York 1982).
„For a film-maker, Vermeer is the
only painter there is. He`s really the
only one who gives you the idea
that his paintings could start
moving. He’d be the ultimate
cameraman, the ultimate topnotch
cameraman.“
Die Leute in Vermeers Bilder sind
nicht porträtiert, aber Darsteller,
mit Kostümen und regissierter
Haltung in einem Bühnenbild mit
Requisiten. Das Licht ist wohl überlegt.
Man könnte sogar reden von
„Kameraführung“ im subjektiven
Betrachterstandpunkt, weil Blickrichtung
und Horizont (=Augenhöhe
vom Betrachter) gut gewählt
sind. Sogar die Blickwinkel, die
Vermeer benutzt stimmen überein
mit den 35, 55 und 90 mm Objektiven
so wie wir sie kennen.
Vermeer arbeitete tatsächlich
schon wie ein Regisseur, der alles
vor der Kamera, aber auch mit der
Kamera bestimmt.
Rob de Vrij Berthe Morisot
67
Rob de Vrij
... man lebt nur einmal, und
das ist zufällig jetzt.
"How accidental our existences are,
really, and how full of influence by
circumstance."
L. Kahn, american architect,
1901–1974
Von 1981–1989 war ich an der
Hochschule in Nijmegen (NL)
Dozent für Malerei. Dies entspricht
in Deutschland einer Professur für
Malerei. Diese Hochschule war für
damalige Verhältnisse im Bereich
der Neuen Medien außerordentlich
gut ausgestattet und so arbeitete
ich, parallel zu meiner Lehrtätigkeit,
in den Bereichen Fotografie, Video
und Film. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen
wurde mir bewusst,
dass diese Disziplinen ebenso wie
Skulptur, Architektur, Theater und
die traditionelle Malerei deshalb
verwandt sind, weil in jeder von
ihnen die Kombination von Licht,
Raum und Farbe eine grundsätzliche
Rolle spielt.
Geprägt durch die daraus resultierende
Erkenntnisse begann ich
neben meiner abstrakten Malerei
mit der gegenständlichen Tradition
zu experimentieren. Das führte
schließlich zu meinem Projekt
„Johannes Vermeer“ (1993–1998).
In seinen Inszenierungen sehe ich
eine große Nähe zu unseren,
von modernen Medien geprägten
Sehgewohnheiten. Seine bildkompositorischen
Fähigkeiten, seine
Licht- und Farbführung thematisierte
ich, indem ich entsprechende
Bildausschnitte als Vorlage für
meine Malerei auswählte.
Diese Vorgehensweise eröffnete
mir ein Spektrum zwischen
abstrakter, gegenständlicher und
Materienmalerei.
In dem Folgeprojekt „Draperien“
(an dem ich seit 1998 arbeite) habe
ich meine malerischen Untersuchungen
auf mehrere Epochen,
Länder und Meister ausgeweitet.
Mein Anliegen ist es, die Bilder der
alten Meister als Darstellung der
Wahrnehmung der sichtbaren
Wirklichkeit zu interpretieren und
auf den unterschiedlichen
Umgang mit Licht und Farbe hin
zu untersuchen. Dafür wähle ich
Faltenwürfe aus, anhand derer
ich bestimmte Stilaspekte isoliere:
Vorlieben für Farben und Farbkombinationen,
Lichtverhältnisse
und Schattierung von Farbe,
Handschrift und Gestik.
Meine konzeptuelle Beschäftigung
mit der Kunstgeschichte soll aber
nicht verstanden werden als Zurück
zur traditionellen Malerei: denn die
Auseinandersetzung mit der
Darstellung des Sehens ist auch
relevant für die Entwicklung der
neuen Medien. Als solches bleibt
Malerei ein Medium der Erkenntnis
mit künstlerischen Impulsen für
die Gegenwart.
68
10 Fragen an Rob de Vrij
Du bist in den Niederlanden
aufgewachsen, hast viele Jahre in
Wuppertal gelebt und gearbeitet,
dann in Amsterdam und Berlin,
jetzt in Hollywood. Bist Du immer
noch auf der Suche?
Immer suchen wir etwas, das wir
gar nicht verloren haben und
finden etwas, das wir gar nicht
gesucht haben …
(Brigitte Fuchs)
Seit Deinem Studium an der Akademie
arbeitest Du unaufhörlich an
Deiner Malerei. Bist Du auch ein
anerkannter Künstler? Und kannst
Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?
At a party given by a billionaire
on Shelter Island, the late Kurt
Vonnegut informs his pal, the author
Joseph Heller, that their host,
a hedge fund manager, had made
more money in a single day than
Heller had earned from his wildly
popular novel Catch 22 over its
whole history. Heller responds,
“Yes, but I have something he
will never have . . . Enough.”
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidende
Rolle? Bist Du im
„Geschäft“?
There is no dignity quite so
impressive, and no independence
quite so important, as living
within your means.
(Calvin Coolidge)
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Wenn es eine Freude ist, das Gute
zu genießen, so ist es eine größere,
das Bessere zu empfinden, und in
der Kunst ist das Beste gut genug.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Kunst wird erst dann interessant,
wenn wir vor irgend etwas stehen,
das wir nicht gleich restlos erklären
können.
(Christof Schlingensief)
Kunst muß anstößig sein; sie muss
Denkanstöße geben.
(Henri Nannen)
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen in
der Kunstgeschichte?
Sobald der Geist auf ein Ziel
gerichtet ist, kommt ihm vieles
entgegen.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Sind Deine Arbeiten politisch?
Kunstwerke sind phänomenal,
historisch, unwirksam, praktisch
folgenlos. Das ist ihre Größe.
(Gottfried Benn)
Politik ist die Kunst, von den
Reichen das Geld und von den
Armen die Stimmen zu erhalten,
beides unter dem Vorwand, die
einen vor den anderen schützen
zu wollen.
(Unbekannter Autor)
There is only one form of political
strategy in which I have any confidence,
and that is to try to do the
right thing and sometimes be able
to succeed.
(Calvin Coolidge)
Gehst Du zum Essen gerne aus
oder findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause? Was ist
Dein Lieblingsgericht?
Essen gut, alles gut.
(Werbespruch Knorr)
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
The sound of music being played,
is really the greatness of the
human being.
(Wayne Shorter)
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Especially fun are the endless
scenes of crucifixion, sorrow, and
war, plus all of the furniture you
can’t touch.
(Anonyme Reaktion
auf Getty Museum Umfrage:
Sind Museen auch lustig?)
If the picture speaks to me, if it
tells me something about myself,
then I want it.
(Norton Simon)
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Kunst ist nicht ein Spiegel, den
man der Wirklichkeit vorhält,
sondern ein Hammer, um sie zu
formen.
(Bertolt Brecht)
In meinen Augen hat Kunst niemals,
in einem realen Sinn, den Verlauf
menschlicher Angelegenheiten verändert.
(Clement Greenberg)
The point is, art never stopped a war
and never got anybody a job. That
was never its function.
Art cannot change events. But it can
change people. It can affect people
so that they are changed …
because people are changed by art –
enriched, ennobled, encouraged –
they then act in a way that may
affect the course of events ... by the
way they vote, they behave, the
way they think.
(Leonard Bernstein)
Wir haben die Kunst, damit wir nicht
an der Wirklichkeit untergehen.
(Friedrich Wilhelm Nietzsche)
69
bodo berheides figura magica
figura magica und der erweiterte
kunstbegriff von joseph beuys
von 1972 bis 1977 studierte ich
bildhauerei an der kunstkademie in
düsseldorf bei joseph beuys in der
sogenannten beuysklasse.
während dieser zeit wurde ich mit
der sozialen skulptur und dem sozialen
organismus von joseph
beuys konfrontiert. so habe ich gelernt,
die menschliche gesellschaft
sowie auch unsere welt als einen
lebendigen organismus zu sehen.
das heisst, dass das zusammenspiel
von naturstoffen und naturkräften
unserer welt ähnlich
funktioniert wie der menschliche
organismus mit seinem wärmeund
kälteprinzip, seinen kreisläufen
und rhythmen, seiner intelligenz
(körper/wille, seele/empfindung,
geist/vernunft/intuition).
seit 1977 entstehen arbeiten mit
zeichnungen, skulpturen, objekten
und performances. thematisiert
werden schwerpunktmäßig natur
und umwelt, wirtschaftlichkeit und
solidarität. im selben jahr beginne
ich mit ausstellungen im in- und
ausland.
seit 1992 sind es überwiegend objektähnliche
arbeiten aus holz und
metall, sowie stempel mit figurationen
und texten. häufig sind es
geprägte objekte aus wiederverarbeitetem
zeitungspapier. ich lebe
und arbeite in wuppertal. das fertige
kunstwerk hat bei mir einen
untergeordneten stellenwert, es
hat lediglich tagebuchcharakter
und stellt eine etappe zum nächsten,
weiteren dar.
genau so wichtig sind mir aber die
arbeitsvorgänge zwischen dem
entstandenen kunstwerk, dort wo
die künstlerische interaktion mit
kollegen und anderen menschen
stattfindet. in diesen zwischen-räumen
findet die kollektive kreative
transformation statt.
im jahr 1987 begann ich mit einem
neuen projekt. ich begann zeichnungen
einer skulptur anzufertigen
– später bekam sie den namen figura
magica.
1988 wurde der guss der
figura magica realität.
die skulptur ist aus gusseisen, in
der form eines überdimensionalen
hufeisenmagneten. sie wiegt sechs
tonnen und ist fünf meter lang.
nach der fertigstellung der figura
magica im jahr 1988 erreichte sie
zunächst die königshöhe
in
wuppertal.
3 jahre später,
im jahr 1991,
begann die
weltreise der figura
magica,
um ihre „magische
aufladung“
zu bekommen.
das goethe-institut
in dublin
gab anlässlich
der ernennung
dublins zur kulturhauptstadt
europas 1991
grünes licht für
die erste reiseetappe.
darauf folgten, jeweils im
zweijahresrhythmus, die stationen
1993 montreal/kanada. hier fand
ich zeichen für die 4 elemente und
andere symbole.
1995 bethany/usa. diese reise
wurde von catherine und dirk
schlingmann organisiert.
1997 reiste sie nach matagalpa/nicaragua.
1999 nach santiago de chile/chile.
um mitternacht auf das jahr 2000
haben catherine, dirk, susanne und
ich eine performance in der nähe
der figura magica gemacht, titel:
„amistades traer paz“ (freundschaften
bringen frieden).
2001 ging’s dann weiter nach sydney,
australien. die skulptur war
bestandteil der ausstellung
„sculpture by the sea“. später
wurde sie in der „campelltown art
galerie“ in sydney ausgestellt.
die nächste etappe 2003 wurde
ohmishima/japan, dort habe ich in
der „ostasiatischen gesellschaft“ in
tokyo eine ausstellung mit zeichnungen
zur figura magica gemacht.
2005 folgte ein ausstellung im
„museum of modern art“ in ohmishima.
sie war ein teil des kulturprojektes,
„deutschland in japan“,
projektiert vom land nrw.
2005 ging die reise weiter nach
negombo/sri lanka.
2007 nach lomé/togo, von wo aus
die figura im herbst 2009 zurück
nach wuppertal gereist ist.
die reise der skulptur und ihre
„magische aufladung
wahrscheinlich hat jeder künstler
den wunsch, dass sein kunstwerk
von möglichst vielen menschen, in
vielen ländern und kulturen wahrgenommen
wird. die figura magica
zeigt auf unseren planeten erde.
entsprechend ihrer form, als überdimensionaler
hufeisenmagnet,
verweist sie direkt auf das magnetische
feld, das durch die drehung
der erde und den dynamoeffekt
des schweren, glühenden, metallenen,
sich schneller mitdrehenden
erdkerns entsteht. dieses magnetische
feld liegt wie ein schutzschild
um unseren globus. die fünf meter
lange und sechs tonnen schwere
gusseisenskulptur zeigt auf etwas
hin, das uns alle betrifft: auf die
erde. aber nicht nur durch ihre
form deutet sie auf die mitte unseres
planeten – auch durch ihr material
(gusseisen) bezieht sie sich auf
den ort, an dem die seele der erde
zu finden ist.
ich möchte das tiefe verhältnis aufzeigen,
das zwischen den menschen,
den naturkräften und
unserer erde
besteht, und
welches im begriff
ist, zu verkümmern.
wir
müssen lernen,
schützend und
kreativ die welt
zu gestalten,
mit vernunft
und wirtschaftlich
für den erhalt
der
artenvielfalt
und der ökologischen
verhältnisse
sorgen. wir
müssen das
gestalten unserer
umwelt als
ein ästhetisches prinzip verstehen –
mit verantwortung, nachhaltigkeit
und ausdauer.
2009 die figura magica erreicht
ihre letzte station vor dem ehemaligen
schauspielhaus
in wuppertal
auf ihrer reise traf die
figura magica auf viele
unterschiedliche menschen,
landschaften
und kulturen, so ist die
skulptur nun ein imaginationsträger
geworden
und löst durch die vorstellungskraft
jedes einzelnen
auf sie
treffenden menschen
die gesammelten eindrücke
ihrer langen
reise nachvollziehbar
aus.
die skulptur
schafft konditionen
zu einer intuitiven
und
kreativen wahrnehmung,
die
notwendig sein
wird, um mit
neuen, vor
allem kreativen
ideen, eine positive
wirklichkeit
zu gestalten.
sie wurde sehr oft fälschlicherweise
als eine „soziale skulptur“
bezeichnet, was natürlich im sinne
von joseph beuys nicht stimmt.
was ich aber hoffe ist, dass sie ein
kleiner beitrag sein kann, beuys
entsprechend, in unsere gesellschaft,
die ja als die „soziale skulptur“
gemeint ist, hineinzuwirken.
vorläufig letzter höhepunkt des
projektes war 2010 die große
kunstausstellung in der stadtsparkasse
wuppertal. ich hatte das
glück, neun künstlerinnen und
künstler aus den figura-reiseländer
für eine woche nach wuppertal
einladen zu können. sie kamen aus
den usa, aus nicaragua, chile,
japan, sri lanka und togo. parallel
dazu erschien das buch „figura magica:
den kreis geschlossen“ über
das gesamtprojekt. der film „die
reise der figura magica“ von volker
hoffmann hatte dort premiere.
im jahr 2013 gab es noch einmal
für 100 Tage in der galerie Kunstkomplex
Ausstellungen von insgesamt
22 Künstlern aus 10 Ländern.
Mit dabei sind u. a. Bernhard Lüthi
und Alejandra Ruddoff. dazu hielt
bodo an jedem der 100 Tage einen
Vortrag über die lange Reise seiner
Skulptur.
unterstützt wurde dieses projekt
vom land nordrhein westfalen, der
stadt wuppertal, der stadtsparkasse
wuppertal, der sparkassen-kulturstiftung
rheinland, den goetheinstituten
in dublin, montreal,
santiage de chile, sydney ud in
lome, dem bethany college in west
virginia, den stadtverwaltungen
von omishima und matagalpa,
sowie von 162 privatpersonen.
dafür möchte ich mich herzlich
bedanken
70
... nimmt sie
eine Mittlerstellung ein
in der kosmologischen Dreiheit
von Himmel,
bewohnbahrer Erde
und der Unterwelt,
dem Erdinnern.
als Gedanken-bindendes und
Gedanken-erzeugendes Objekt
zieht sie
die geistige Substanz an
und verweist so
auf die Polarität
Erde/Kosmos,
Materie/Geist ...
Ilske Konnertz
Stadtbibliothek Wuppertal.
Zeichnungen von Bodo Berheide und Harald
Wolff. Eine Performance von Mitsuru Sasaki
und Jennifer Blose
Omishima, Japan. 2003
Montreal, Canada 1993
71
Alejandra Ruddoff Transkription einer Leere · 2009 · alerce und laurel · 210 x 210 x 13 cm
100 Tage Kunstreise
im Kunstkomplex
2010, Wuppertal. Von links nach rechts: Tetsuya Hasegawa – Wakayama, Japan; Folly Koumouganh – Lomé, Togo; Jullissa Moncada Lopez – Matagalpa, Nicaragua; Pablo Pupiro – Matagalpa, Nicaragua;
bodo berheide; David John Mega – Wheeling, West Virginia, USA; Alejandra Ruddoff, Santiago, Chile; Dominic Sansoni – Columbo, Sri Lanka; Shuzo Azuchi Gulliver – Tokyo, Japan;
Catherine Schlingmann – Richmond, Kentucky, USA
29. April 2012 WZ
Von Julia Perkowski
Bodo Berheide und seine
„100 Tage Kunstreise“.
Anja und Holger Schmidt sowie
Bodo Berheide und Nicole Bardohl
starteten das Projekt in der Galerie
Kunstkomplex, Hofaue 54.
Wuppertal. 18 Jahre lang zog die
Figura Magica, die fünf Meter lange
und sechs Tonnen schwere Skulptur
von Bodo Berheide, von Wuppertal
aus durch die Welt. Zwei Jahre lang
weilte sie jeweils auf allen
Kontinenten und kam 2009, nach
langer Reise, wieder nach Wuppertal
zurück.
Ihr zu Ehren haben sich Berheide
und Nicole Bardohl vom Kunstkomplex
an der Hofaue zusammengetan
und würdigen die Figura
Magica mit dem Projekt
„100 Tage Kunstreise“.
Kunst aus Togo trifft
Arbeiten aus Köln
In 100 Tagen werden zehn Ausstellungen
von 22 Künstlern aus den
jeweiligen Ländern, die die Figura
Magica bereist hat, eröffnet. Sie
repräsentieren das jeweilige Land,
die dortige Kultur, und Künstler,
die ihresgleichen suchen. Neben
Bildern werden auch kleinere Bildhauerarbeiten
und Skulpturen im
Kunstkomplex ausgestellt.
Darunter sind Arbeiten von
Alejandra Ruddoff und Stephan
Kimmerl. Den Beginn machten
Folly Koumouganh aus Togo und
Anja und Holger Schmidt, die
vorwiegend in Köln arbeiten.
Die Künstler stellten in den ersten
zehn Ausstellungstagen Fotografien
aus. Masken ziehen sich wie ein
roter Faden sowohl durch die Bilder
von Koumouganh als auch bei
Schmidt – unterschiedlich
interpretiert. Gerade das macht
für Anja Schmidt das besondere
aus: „Die Kontraste sind sehr stark,
aber das haben wir bewusst so
gewählt.“
Gegensätze sollen hellhörig
machen
Neben den klassischen, landeskulturellen
Masken des Künstlers
aus Togo wirken die Masken der
deutschen Künstler auf ein
Besucherpaar „aggressiv und
provozierend“. Doch der Gegensatz
ist gewollt und soll auch in den
olgenden Ausstellungen die
Besucher zum genauen Betrachten
der Kunstwerke anregen.
Neben den Ausstellungen bietet
Bodo Berheide an jedem der
100 Tage um 18 Uhr einen
Diavortrag über die Reise
der Figura Magica an.
mit: Folly Koumouganh
Anja u. Holger Schmidt
Tetsuya Hasegawa
Azuchi Gulliver
André Chi Sing Yuen
Alejandra Ruddoff
Sala Seddiki
Catherine Schlingmann
Davi John Mega
Steven Hautemaniére
Stephan Kimmerl
Dominic Sansoni
Frank Hinrichs
Pablo Pupiro
Sabine Kreiter
Georg Westerholz
Zahra Hassanabadi
Erika Koch
Bernhard Lüthi
Andy Benger
Bodo Berheide
Andreas Steffens
72
Omishima, Japan. 2003
Eine japanische Hochzeitsgesellschaft erlaubt ein Foto
73
74
Wolfgang Stiller. "3some" – 2010. Material: Holz. Kunststoff, Gouachefarbe, je 150 x 120 x 28 cm
Das wirkte wie eine Beschwörung lebendiger Geister und Gedanken.
El Lokos Performance „Requiem für einen Hasen“ im Barmer Atelierkollektiv
1950 in Pedakonje/Togo geboren, lebt der Maler El Loko seit Anfang der siebziger Jahre in der Bundesrepublik – „auf fremden Boden,
der fremden Weisheit entgegen“, wie er seinen Beitrag zur VHS-Ausstellung („Das Fremde und das Eigene“) vor einem Jahr überschrieb.
Ein Stück dieser Weisheit hat Joseph Beuys für ihn verkörpert, einer seiner Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie. Und
auf ihn berief er sich jetzt im Barmer Atelier- und Galerie-Kollektiv, wo er die Performance „Requiem für einen Hasen“ zeigte.
Eine Totenfeier aber war die
knapp einstündige Aktion so
wenig wie eine Totenklage. Weit
eher eine Beschwörung lebendiger
Geister und Gedanken – des
einen vornehmlich, dass Kunst
„soziale Plastik“ sei, die sich, im
Kopf konzipiert, im Verhalten zeigen
und mitteilen müsse.
Und so ist auch die Hasenaktion,
im Kölner „Kunstraum“ begonnen,
auch auf ihre Fortsetzung in mehreren
Stationen angelegt, zielt auf
Verbreitung, Vermittlung, Verständigung
über die Fremdheitsgrenzen
hinweg.
Denn für El Loko ist das Beuyssche
Konzept und sein Friedenssymbol
des Hasen mehr als ein Stück
Kunstgeschichte. Für ihn bedeutet
es eine Art Verpflichtung, eine
Erbschaft, die es weiterzugeben
und ins eigene Werk zu integrieren
gilt.
Der Mut, den die anschließende
Diskussion El Loko bescheinigte,
ist ihm in der Tat nicht abzusprechen
– denn Mut gehört schon
dazu, ein großes Vorbild so wörtlich
zu zitieren, ohne befürchten
zu müssen, dass die eigene,
künstlerische Arbeit unter Beuysaspekten
betrachtet wird.
Mit vierzehn Bildern (aus Sand,
Papier, Nessel, Pigmenten auf Filz
und Nessel) belegen dies Eigene
jetzt relativ ausführlich, wenn
auch nur kurz bis zum 22. Dezember.
Sie belegen ein Denken, in
figürlichen Symbolen (Vogel,
Stierkopf, Kreuz, sitzende,
stürzende Figur), das seine
Herkunft aus afrikanischen Traditionen
nirgenwo verleugnet,
gleichwohl aber für europäische
Augen unmittelbar verständlich
wird – möglicherweise, „auf
fremden Boden“ entstanden,
auch nur für sie.
Peter Klassen. „Überleben.“ 60 Aluminium-Offsetdruckplatten. 2015. Format 60,5 x 73,5 cm
Christian Müller, WZ 1996
75
1991 Michael Seeling
Steinspannungen
„Steinspannungen“ war der Titel
Michael Seelings erster Einzel-
Ausstellung im Atelier- und Galerie-
Kollektiv in Wuppertal mit Skulpturen,
die mit den inneren Kräften
des Steins arbeiteten. Er zeigte mit
dieser „tensionalen Steinbildhauerei“
1) eine Flexibilität und Dynamik
des klassischen Materials Stein auf,
die man aus der Alltagserfahrung
heraus niemals für möglich gehalten
hätte.
2014 hast Du Deine „Gold-Pieces“
im Museum gegenstandsfreier
Kunst in Otterndorf ausgestellt, in
diesem Jahr zusammen mit Nicola
Schrudde eine Ausstellung im
Neuen Kunstverein ausgerichtet.
Michael, ist die Welt der Kunst in
Ordnung? Haben die Spannungen
sich aufgelöst?
Die Welt der Kunst war, ein Glück,
noch nie in Ordnung und die Spannungen
lösen sich hoffentlich nie
auf denn wir arbeiten mit allen
Kräften daran, sie zu aufzulösen
und gleichzeitig zu erschaffen.
10 Fragen an
Michael Seeling
Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder
oder Skulpturen in der
Kunstgeschichte?
Die Arbeit 7000 Eichen von Joseph
Beuys zur documenta 7 1982 in
Kassel ist für mich noch immer
sehr beeindruckend.
Du hast einmal unter Protest über
die Ausstellungsbedingungen ein
Werk aus der Jahresschau des von
der Heydt-Museums entfernt. Sollten
Künstler öfter mal nicht mit
allem einverstanden sein, was
ihnen Museen und Galerien anbieten?
Ja, wenn es geboten ist, wenn die
eigene Arbeit korrumpiert wird.
Du hast 1993 den Volker-Hinniger-
Preis der Stadt Bamberg verliehen
bekommen, 1996 den Kunstpreis
der Stadtsparkasse Wuppertal. Man
findet Deine Arbeiten in Museen
und Du wirst von Galerien vertreten,
also bist Du ein anerkannter
Künstler. Arbeitest Du unter allerfeinsten
Bedingungen? Und kannst
Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?
Oder macht Kunst nur glücklich?
Die Bedingungen unter denen
Kunst entsteht sind sehr selten
optimal und gerade deswegen
wieder optimal. Ich denke jeder
schafft sich seine eigenen Bedingungen
und macht die Kunst, die
er hervorbringen kann und will.
Vor dem Studium der freien Kunst
an der Gesamthochschule Kassel
hast Du eine Lehre als Steinmetz
und Steinbildhauer absolviert. Bist
Du dadurch auf dem Boden geblieben?
Nein, ich bin nur handwerklich
etwas geschickter geworden.
Heute gibt es hier in Wuppertal einige
Orte, an denen Kunst gezeigt
und gemacht wird, oder beides.
Wo kann man Dich schon mal antreffen?
Im Neuen Wuppertaler Kunstverein
z.B. Dort habe ich gerade eine Ausstellung
... Da ich viel unterwegs
bin, müsste man sich schon mit mit
mir verabreden, z.B. in meinem
Atelier, im Neuen Wuppertaler
Kunstverein ...
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Die ganze Kunst wird doch von Kollegen
gemacht und wenn ich mich
für Kunst nicht begeistern könnte,
wenn sie mich nicht beruḧrte, was
sollte ich dann mit ihr?
Gehst Du zum Essen öfter aus oder
findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause? Was ist Dein Lieblingsgericht?
Da wir gerade März haben würde
ich sagen Skrei mit Grünkohl und
das steht wohl eher nicht auf den
Speisekarten.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Von Claudio Monteverdi, Morton
Feldman, John Cage und der
Gruppe Värttinä.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung
war ...
Besonders angetan war ich von
Agnes Martin in der Kunstsammlung
NRW
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Ja, Kunstgeschichte.
1) Thomas Wallraf in „Michael Seeling: Tensionale
Steinbildhauerei“, Wikipedia
Artikel über Michael Seeling
76
Installation im Neuen Kunstverein Wuppertal. Kakteenpflanzung I 2016, Lebende Kakteen, mixed Media. 3 Zeichnungen (v.l.n.r.): Matrix Opuntia ficus indica 2016; Matrix Popocatepetl 2015; Matrix Mexican Crime Scene I 2015, alle Bleistift auf Papier
77
Pflanzungen
In der Werkgruppe
der Pflanzungen
findet in Analogie zu den Goldpieces
wiederum eine Transformation
zum skulpturalen Artefakt statt.
Ausgangspunkt dieser Verwandlung
ist jedoch nicht ein
funktional-technisches Konstrukt,
sondern der lebendige
Naturgegenstand
(Kaktee).
In den Pflanzungen ereignen sich
die Kakteen
als autonome Skulpturen,
die dem Betrachter gleichberechtigt
gegenüberstehen,
indem sie ihm nahezu
auf Augenhöhe
präsentiert werden.
Natürlicherweise kommen Kakteen
nur auf dem
amerikanischen Kontinent vor.
Durch ihre Verpflanzung,
Züchtung,
botanische Katalogisierung
oder
Domestizierung
werden sie
zu Zeugen europäischer
Aneignungsstrategien.
Goldpieces
Bei den Goldpieces
werden in der Kombination
der beiden extrem gegensätzlichen
Materialien Gold und Styropor
die Logiken von Warenund
Wertesystemen
miteinander konfrontiert.
Wobei der Künstler in der jeweiligen
Ambivalenz der Materialien ihre
Gemeinsamkeit ausmacht.
Die Goldpieces sind Skulpturen,
die aus Styroporformteilen
(Transportverpackungen für fragile Güter
des Massenkonsums) bestehen.
Diese von der Industrie nur nach
zweckmäßigen, nicht nach
ästhetischen Gesichtspunkten
konstruierten Körper werden durch
den Künstler im ironischen Zugriff
mit größter Akribie vergoldet.
„Der Bildhauer
ordnet und belebt den Raum,
gibt ihm Bedeutung.
Ordnung und Bedeutung
müssen nach meiner Meinung
unserer Zeit und
ihrem besonderen Geist
entsprechen.“
– Isamu Noguchi
Goldpiece 344-421GRAMS, 2010
78
Matrikulare Zeichnungen
Die matrikularen Zeichnungen zeigen,
aus einer gewissen Distanz betrachtet,
Abbildungen konkreter Phänomene.
Gegenstände der Zeichnungen sind:
Pflanzenporträts (Kakteen aus der Sammlung
des Künstlers), Supernovae (nach Fotografien
von Weltraumteleskopen und als Ursprung des
Elements Gold) sowie Goldminen und
Straflager (als Orte der Goldgewinnung und
Ausbeutung von Mensch und Natur).
Aus der Nähe gesehen, offenbaren die
Zeichnungen die tabellarische Struktur einer
Matrix. Bildträger ist unbedrucktes
Zeichenpapier, in dessen gedachte Rasterung
(als wäre es kariertes Rechenpapier) mittels
Bleistift Schraffuren mit einem Neigungswinkel
von 45° gezeichnet werden.
Durch Verwendung verschiedener
Bleistiftstärken wird die Helligkeitsabstufung
der Grauwerte zwischen den einzelnen
Schraffuren (Bildpunkten) variiert.
Die geneigten Schraffuren entsprechen dem
Gestus des Schreibens, aber auch die
fortgesetzte punktuelle Einwirkung des Meißels
auf den Stein kann mit ihnen assoziiert
werden.
Die Konzeptualität der matrikularen
Zeichnungen beziehungsweise ihr
Abstraktionsgrad wird noch forciert, wenn sie
als Gegenstand den Satzspiegel
wissenschaftlicher oder journalistischer Texte
abbilden, die wiederum den Themenkreisen
Kakteenkunde, Gold, Astronomie,
Imperialismus etc. entstammen. Wobei weder
aus nächster Nähe noch aus größerer
Entfernung die zugrunde liegenden Artikel
»gelesen« werden können. Die angewandte
Zeichentechnik der schraffierten Rasterung
fokussiert sich ganz auf die proportionale, die
rein visuelle Darstellung der abgebildeten
Satzspiegel. Evoziert wird ein Eindruck der
Texte, den ein Betrachter mit äußerst
unscharfem Blick gewinnen würde oder wie
ihn jemand hätte, der die besitzergreifende
Kulturtechnik des Lesens gar nicht besäße.
In Kombination mit den Goldpieces und
Pflanzungen entstehen über die einzelnen
Arbeiten hinausgreifende Bezugssysteme.
Diese Beziehungsgeflechte sind sowohl
räumlicher wie thematischer Art. Bei neueren
Zeichnungen lösen sich die Themen
zunehmend von denen der Skulpturen und
Pflanzungen, und werden auf eine Vielzahl
anderer Sujets ausgeweitet. Die matrikularen
Zeichnungen nehmen dann auf struktureller,
ästhetischer und sinnlicher Ebene Bezug auf
die skulpturalen Objekte.
Matrix Insekten-Nebel NGC 2440, 2007, Bleistift auf Papier
79
80
Literatur: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Joseph Weizenbaum, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft – 1978
81
Julie Anne Stanzak
Geboren in den USA,
seit 1986 Tanztheater Wuppertal
Pina Bausch
Julie Anne Stanzak tanzte in:
IPHIGENIE AUF TAURIS
ORPHEUS UND EURYDIKE
DAS FRÜHLINGSOPFER
DIE SIEBEN TODSÜNDEN
BLAUBART –
BEIM ANHÖREN EINER TONBANDAUFNAHME
VON BELA BARTOKS „HERZOG BLAUBARTS BURG“
ER NIMMT SIE AN DER HAND UND FÜHRT SIE IN
DAS SCHLOSS, DIE ANDEREN FOLGEN...
KOMM TANZ MIT MIR
KONTAKTHOF
ARIEN
KEUSCHHEITSLEGENDE
1980 – EIN STÜCK VON PINA BAUSCH
BANDONEON
WALZER
NELKEN
AUF DEM GEBIRGE HAT MAN
EIN GESCHREI GEHÖRT
VIKTOR*
AHNEN*
PALERMO PALERMO
DIE KLAGE DER KAISERIN Film von Pina Bausch*
TANZABEND II*
DAS STÜCK MIT DEM SCHIFF*
EIN TRAUERSPIEL*
DANZÓN
NUR DU*
DER FENSTERPUTZER
MASURCA FOGO
O DIDO
WIESENLAND*
ÁGUA
FÜR DIE KINDER VON GESTERN,
HEUTE UND MORGEN *
NEFÉS
TEN CHI*
VOLLMOND*
‘SWEET MAMBO’*
* Besetzung der Uraufführung
82
83
„In unserer Gesellschaft,
die sich für hoch zivilisiert hält,
gibt es Menschen, die
in skrupelloser Weise
die Menschheit und
deren Lebensräume
in Gefahr bringen.
Mögen gerade
die Künstler
in ihren Werken
mehr denn je
ehrlich und unbekümmert
dagegen wirken.“
Dieter Broselge 1987
Shoecontest und Festbankett
84
... Ich bringe den Gemüsekorb
wieder nach Wuppertal, den die
Helene Maus bei meiner ersten
Ausstellung in der Luisenstraße
zum Geburtstag mitbrachte, und
ich werde Anderes und neues
mitbringen.
Dann wollen wir zusammen Gemüse
putzen und die Fische und
die Hühner, die heute noch am
Leben sind.
Und ich wünsche, daß es gelingen
wird, gemeinsam daraus die köstlichen
Speisen zu bereiten, die auf
unseren Zungen auch neue Namen
hervorzaubern werden.
Jetzt bitte eine Gedenkminute für
tomas schmit.
„kräht der gockel auf nem
sockel, ist es mist“
Marina Kern
Aus einer Festschrift zum ersten
Oktober 1988 in Wuppertal
Und deshalb feiern wir hier nicht
nur irgendein KunstFest, das mühsam
auf einen bedeutungsschweren
Sockel gehoben werden muß.
Wir holen lieber die wirklichen
Feste herein und stehen selbst im
Mist, aus dem es gärt und wächst.
DEM Gockel bauen wir drum einen
Sockel und setzen eine Gans drauf
und machen die zum Gehilfen des
Zeremonienmeisters: schnattern
oder krähen oder was sonst sie
kann und will, soll sie, wenn
immer einer das öffentliche Wort
ergreift!
... Ein guter Rat der Hildegard von
Bingen soll hier drum nicht fehlen:
„Das Fleisch des Bären ist für den
Menschen nicht gut zu essen, weil
es dem Menschen zur sinnlichen
Gier entflammt. Ähnliches bewirkt
auch Schweinefleisch und auch das
Fleisch mancher anderer Tiere,
aber doch nicht so sehr wie das
Bärenfleisch, das die Sinnlichkeit
des Menschen wie ein Mühlrad
sich wälzen läßt, und der Mensch
bleibt dadurch irgendwie unsauberer
geworden zurück. In Rindern,
die wiederkäuen, kommt die Sinnlichkeit
rasch zur Ruhe.“
85
86
Fundstücke: Rob de Vrij, Realsatire in San Francisco, 2016
87
1993 ABDANK
(Das Verschwinden von
W. I. Lenin)
1993 war „ABDANK (Das Verschwinden
von W. I. Lenin) – Malerei
von Dietrich Maus“ die letzte
Ausstellung in den Räumen des
Atelier- und Galerie-Kollektivs.
Lenin wächst aus der Wand und
klebt am Denkmalsockel
Nach den vielen Ausstellungen,
Performances und Veranstaltungen
von 1985 bis 1993 in der Berliner
Straße 39 a war es Zeit für Veränderung.
Im Jahr 2016, 23 Jahre danach,
fand dieses Gespräch mit Dietrich
Maus statt.
Ein Bilderzyklus von Dietrich Maus im Atelier- und Galerie-Kollektiv
„Abdank“ heißt die letzte Ausstellung
des Atelier- und Galerie-Kollektivs,
das seine Räume in der
Berliner Straße aufgeben muss.
Den „Kehraus“ hat der bekannte
Wuppertaler Künstler Dietrich
Maus (kein Mitglied des Kollektivs)
gestaltet mit einem schon lange
geplanten Bilderzyklus „Über das
Verschwinden der Ikone Lenin.“
Die Idee dazu hatte er 1987/88,
als er mit Wuppertaler Kollegen an
einem Künstleraustausch mit dar
damaligen Sowjetunion teilnahm.
Letzter Auslöser war die Besichtigung
einer Aufführung von Alfred
Schnittkes Oper „Leben mit einem
Idioten“ im Barmer Opernhaus.
Die Leitfigur des Kommunismus
und „real existierenden Sozialismus“
wird vielfältig reflektiert.
Demontage „in aller Hochachtung“
betrieben, der Ikone sogar schon
mal eine vergoldete Schlägermütze
zugestanden. Lenin, als Profil
mit einer Schablone auf den
Bildträger aufgetragen, wird zum
Thema einer „Fallstudie“ mit den
künstlerischen Mitteln der Mischtechnik.
Lenin als blutspeiende
Von Frank Scurla, 30. Juni 1993
Figur, als vom Sockel stürzendes
Denkmal, als Zeichnung mit angesengten
und wieder mir Farbe unterlegten
Stellen. Eine kleine
Leninbüste für den Touristengebrauch
wächst als „Alien“ aus der
Wand.
Ein in verschiedenen Rottönungen
gehaltenes abstraktes Wandbild
soll pulsierendes Leben symbolisieren,
das über Ideologien hinweggeht,
lässt aber auch
Assoziationen von fadenscheiniger
„Roter Fahne“ bis „Rotlichtmilieu“
zu.
So ganz scheint Dietrich Maus dem
Frieden dann doch nicht zu trauen,
nämlich, dass Lenin endgültiug auf
dem Abfallhaufen der Gecshichte
gelandet ist .
Die aus der Wand wachsende
Lenin-Geschwulst und ein janusköpfiger
Lenin auf einem Bild verunsichern
den Betrachter doch
gehörig. Wie die religiösen tauchen
manchmal eben auch verschwundene
revolutionäre Ikonen
doch wieder auf und drängen
sogar im „real existierenden Kapitalismus“
in Marktnischen.
„Dietrich, es sind nun ein paar
Jahre vergangen. Du malst immer
noch.
Die Gemälde zum Verschwinden
einer Ikone waren Tafelbilder. In
den 90er Jahren durchaus kritisch
bis misstrauisch betrachtet, haben
sie die ihnen eigene Bedeutung
nicht verloren. Die Zahl ihrer Interpretationen
und Deutungen ist genauso
groß wie die Anzahl ihrer
Betrachter.
Das Kollektiv wollte immer einen
Freiraum für die Kunst bereitstellen,
insbesondere für die Kunst,
die nicht etabliert gehandelt oder
ausgestellt wurde. Das war aber
für uns damals kein Maßstab für
die Qualität der Arbeiten, damals
eher ein Gütesiegel. Denn die Arbeit
der Museen, der Galerien und
des kommerziellen Kunstbetriebs
ist ja oft auch durch die Macht oder
die Verheißung des Geldes geprägt.
Damlas genauso wie heute.
Braucht es heute noch oder wieder
solche Initiativen oder ist die Welt
der Kunst in Ordnung? Eine von
vielen Fragen, die wir uns immer
wieder stellen und die auch Auskunft
darüber über den Erfolg
....
Joseph Beuys hat behauptet „Der
Fehler fängt schon an, wenn sich
einer anschickt Keilrahmen und
Leinwand zu kaufen.“ Hat Dich das
geärgert?
10 Fragen an Dietrich Maus
Deine zuletzt besuchte Ausstellung
war ...
.....
Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder
in der Kunstgeschichte?
.....
Du warst 1989, zusammen mit
Achim Knispel Kurator der Barmer
Biennale „Bezaubernd plagt mich
ein Verwirren ...“. Damals noch
durch das Von der Heydt-Museum
Wuppertal getragen, ist die Jahresschau
in Wuppertal genauso verschwunden
wie die Ikone Lenin.
Findest Du das bedauerlich oder ist
Dir das egal?
.....
Du bist Förderpreis-Träger des Vonder-Heydt-Preises
der Stadt Wuppertal.
Ein toller Preis?
.....
Heute gibt es hier in Wuppertal einige
Orte, an denen Kunst gezeigt
und gemacht wird, oder beides.
Wo kann man Dich schon mal antreffen?
...
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
....
Gehst Du hier in Wuppertal schon
mal aus zum Essen oder findest Du
Deine Lieblingsgerichte eher Zu
hause? Was ist Dein Lieblingsgericht?
....
Welche Musik hast Du zuletzt
gerne gehört?
....
Bist Du mit Deiner Erfahrung des
Lebens zufrieden, eher mild gestimmt
oder ist für Dich etwas
falsch gelaufen?
.....
Sind Künstler Einzelgänger, Egomanen?
.....
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
.....
88
89
Das Wiederauftauchen der Ikone „Engels“,
Wuppertal, Juni 2014
links vor der Enthüllung und rechts Pressetermin
mit dem Künstler Zeng Chenggang.
usw. undsofort
Die überlebensgroße Statue ist ein Werk des
chinesischen Bildhauers Zeng Chenggang.
Der habilitierte Zeng Chenggang ist gleichzeitig
Direktor des chinesischen Skulptureninstituts.
Die Statue hat eine Höhe von 3,85 Metern bei
einer Breite von 1,18 Metern und einer Tiefe
von 1,12 Metern. Mit einem Gewicht von 868
Kilogramm steht sie auf einem etwa 40 cm
hohen Podest. In dem Stahlpodest sind
Inschriften zu finden.
„Geschenk der Volksrepublik China aus Anlass
des Besuchs des stellvertretenden Ministerpräsidenten,
des chinesischen Staatsrats Ma Kai
im Engels-Haus am 28. November 2010.
Ein Werk des Präsidenten des Chinesischen
Instituts für Bildhauerkunst, Professor Zeng
Chenggang, errichtet von der Botschaft der
Volksrepublik China in Berlin am 11. Juni 2014“
„Die Arbeit ist die Quelle alles Reichthums,
sagen die politischen Oekonomen. Sie ist dies –
neben der Natur, die ihr den Stoff liefert, den
sie in Reichthum verwandelt. Aber sie ist noch
unendlich mehr als dies. Sie ist die erste
Grundbedingung alles menschlichen Lebens,
und zwar in einem solchen Grade, dass wir in
gewissem Sinn sagen müssen: sie hat den
Menschen selbst geschaffen.“
Friedrich Engels „Dialektik der Natur“, 1876
Die Statue wurde bewusst mit dem Rücken
dem Engelshaus zugewendet, um den
erwarteten und erhofften Touristen (und
Wirtschaftpartnern) aus China ein Fotomotiv
mit beiden Objekten gleichzeitig zu bieten.
Nur wenige Meter entfernt befindet sich
die Skulptur „Die starke Linke“ des
österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka
(1928–2009).
Platz des „Himmlischen Friedens“, Peking, April 2014. Chinesische Touristen.
„The Gates“, Christo und „The Plaza“. New York 2005
Im Februar 2005 wurden auf den Wegen des Central Park in New York City insgesamt 7503 Tore
aufgestellt, von denen safrangelbe Stoffbahnen herabhingen. Die Tore waren jeweils fünf Meter
hoch und verteilen sich auf eine Gesamtstrecke von 37 Kilometern. Die Kosten für das Projekt
beliefen sich auf 21 Millionen US-Dollar, die vollständig von Christo und Jeanne-Claude durch den
Verkauf von Werken bezahlt wurden. Sie akzeptierten wie bei allen Projekten keinerlei
Sponsorengelder.
90
„Wachet und horcht, Ihr Einsamen! Von der Zukunft her kommen Winde mit heimlichem Flügelschlagen und an feine Ohren ergeht gute Botschaft.“
Nietzsche (Zarathustra)
oben:
Valentino in Rome: Ara Pacis Museum 2008
Der römische Senat widmete den Ara Pacis Altar im Jahre 13 v. Chr. Kaiser Augustus.
Der Altar versucht Frieden und Wohlstand als Ergebnis der Pax Romana („Römischer Frieden“)
darzustellen.
unteres Bild:
Peace-piece 18 x 24 cm Peter Klassen
ein Stück Tuch aus Thailand, der Himmel über der figura magica in Montreal und
„phantoms of structures“
„the more colours the more troubles“
ZEN-Turm der Malerei
91
Andreas Junge
1959 – 2009
„... alles Lüge ...“
Rio Reiser
Die RAF gab ihre Auflösung am 20. April 1998
mit einem ihrer typischen Schreiben bekannt:
„Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand
in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden
wir das Projekt. Die Stadtguerilla in Form
der RAF ist nun Geschichte.“
Andreas Junge
210 x 297 mm
Tusche auf Papier,
gestempelt, 1996
92
aus:
Andreas Junge
89 Zeichnungen
Katalog mit 89 Zeichnungen
aus der Zeit von 1996 – 2002
(abgebildet eins zu eins,
20 x 25 cm) und
9 Textausschnitten aus dem
autobiografischen Buch
„Der Ochse“.
Andreas Junge
DEVIL RESEARCH
210 x 297 mm
Tusche auf Papier,
gestempelt, 1996
93
10 Fragen an Gudrun
Gudrun, einer Deiner Lieblingsfilme
ist TAMPOPO, über die Geheimnisse
der Nudelsuppenzubereitung. Du
hast Dich in der Galerie-Arbeit von
Anfang an für das gemeinsame
Speisen und Feiern starkgemacht.
Bei etlichen Aktionen hast Du auch
die japanische Nudelsuppe für
manchmal 100 Leute zubereitet.
Gehört das in die Welt der Kunst?
Essen hat in der Kunst immer schon
eine große Rolle gespielt: das
Abendmahl von Da Vinci, die
Stilleben der Alten Meister,
Küchenszenen und Tafelrunden, die
EAT-ART als Einheit von Kunst und
Leben, Andy Warhols Campbells Tomato
Soup, Fettecke und Honigpumpe
von Joseph Beuys als
Sinnbild für einen funktionierenden
menschlichen und sozialen Organismus.
Essen, ein Grundbedürfnis
des Menschen. Es gibt die Liaison
von Lebens-mittelproduzenten
und Kunstmäzenatentum: August
Oetker und Peter Ludwig. Köche
werden zu Künstlern: die Einladung
von Ferran Adrià, dem katalanischen
Spitzenkoch zur documenta
12. Essen ist ein Menschen verbindender
fundamentaler Bestandteil
gesellschaftspolitischer Prozesse,
religiöser Riten, Katalysator für
Geselligkeit und Festlichkeit, Kunst
ist Lebensmitel. Im Atelier-und
Galerie-Kollektiv wurde schon
immer gerne gemeinsam gegessen
und getrunken, nicht als Konzept
sondern als Selbstverständlichkeit,
manchmal auch als Performance,
so z.B. die dreitägige Zubereitung
einer chinesischen Hochzeitssuppe
von Marina Kern in den Räumen
der Galerie.
Um die Subjektivität und die
Grenzen der eigenen Wahrnehmung
ging es in der Nordstadt-
Galerie in Deiner Performance
„bewahren“. Viele Jahre lang bist
Du als Sängerin der Band KINGHAT
aufgetreten. Heute arbeitest Du als
Psychologin an vielen Stellen
menschlicher Charakterbildung und
der Ausbildung von Überlebensfähigkeiten
in einer sich rasant
veränderneden Welt. Ist die Welt
der Kunst entrückt?
Nein. Nicht die Kunst oder die
Arbeit der Künstler ist entrückt.
Entrückt ist für mich der
Kunstmarkt aber auch die
Instrumentalisierung von Kunst
als Marketingfaktor oder
Standortvorteil.
Denkst Du, dass Künstler ein
Anrecht auf angemessene
Honorierung ihrer Arbeit haben?
Sollte es Ausstellungshonorare
geben oder produzieren Künstler
einfach etwas, was niemand
bestellt hat?
Nein, wie alle anderen auch sind
die Künstler für sich selbst verantwortlich.
Sie müssen das, was sie
herstellen auch unter den gegebenen
Bedingungen „vermarkten“.
Das ist nicht immer unproblematisch
gilt aber für jeden, der mit
seiner Arbeit Geld verdienen muss.
Auf der anderen Seite halte ich es
für einen öffentlichen Auftrag, eine
Infrastruktur zur Verfügung zu stellen
in der sich Kunst zeigen kann.
Hier fehlt es an allen Ecken und
Enden.
Gibt es für Dich besondere Schlüsselbilder
in der Kunstgeschichte?
Dazu fallen mir ganz viele Bilder
und Situationen ein.
Die documenta 7 hat mich damals
stark beeindruckt, ein aus heutiger
Sicht gigantisches Starangebot:
Konzeptkünstler wie Jenny Holzer,
Jean-Michel Basquiat, Bruce
Nauman, Marcel Broodthaers,
Hermann Nitsch, unter den
Bildhauern Tony Cragg, Barry
Flanagan, Vertreter der Neuen
Wilden: Walter Dahn, Jiri Dokoupil,
Jörg Immendorf, Felix Droese und
ihr italienisches Pendant mit
Sandro Chia, Mimmo Paladino,
Francesco Clemente, Enzo Cucchi
und viele mehr.
Viele Werke, denen ich später an
den unterschiedlichsten Orten wieder
begegnet bin, so z. B. der
unglaublichen Hasenparade von
Barry Flanagan, die wie selbstverständlich
auf dem Mittelstreifen
der Park Avenue in New York stand
– ein unglaublicher Anblick!
Nachhaltig beeindruckt allerdings
hat mich die Honigpumpe von
Joseph Beuys und sein Tagungsraum
der Free International University
(FIU) in dem Beuys ausführlich
mit den Menschen diskutierte.
Joseph Beuys hat mich später auch
als Person überzeugt. Bei einer
Ausstellung seiner Zeichnungen in
der Stadtsparkasse Wuppertal.
Seine unfassbar geduldige Art auf
Fragen der Besucher zu reagieren
und über seine Arbeit zu sprechen:
ohne eine Spur von Belehrung,
Arroganz oder Überheblichkeit.
Damit hat er an jenem Abend auch
die größten Zweifler überzeugt.
Heute gibt es hier in Wuppertal
einige Orte, an denen Kunst
gezeigt und gemacht wird, oder
beides. Wo kann man Dich schon
mal antreffen?
Und wo eher nicht?
Ich bin geneigt zu sagen, an allen
Stellen außer im Museum. Das ist
natürlich sehr verkürzt und auch
nicht ganz richtig, schließlich bin
ich Mitglied im Kunst- und Museumsverein.
Was ich damit sagen
will ist, dass das für mich
interessante und aktuelle Kunstgeschehen
außerhalb dieser heiligen
Hallen stattfindet. Am liebsten bin
ich da, wo Künstler und Galeristen
auf eigenes Risiko spielen und es
ist erstaunlich wie viele das tun:
mit Herzblut, Beharrlichkeit und
auf eigene Rechnung.
kunst meiner Freunde. Da bin ich
überhaupt nicht wählerisch und
lasse mich immer wieder gerne
überraschen.
Welche Musik hast Du zuletzt
gerne gehört?
David Bowie, „Blackstar“
Sind Künstler zurecht Einzelgänger,
Egomanen oder ist da immer ein
Platz im Kollektiv?
Nein, in einem Kollektiv ist nicht
für jeden Platz.
Kann man von Künstlern etwas
anderes als Kunst lernen?
Ja, jede Menge an Arbeitstugenden:
Selbstdisziplin, Eigenmotivation,
Selbstorganisation und
überhaupt: das Verfolgen einer
Mission, Handeln ohne Auftrag,
einfach weil es sein muss –
Respekt!
Gudrun, gibt es eine Kultur neben
den Sockeln der heiligen Kunst?
Kann Dich die Kunst heute noch
oder wieder oder immer noch
oder sowieso nicht mehr begeistern?
Kunst kann mich nach wie vor
begeistern.
Gehst Du hier in Wuppertal schon
mal aus zum Essen oder findest Du
Deine Lieblingsgerichte eher
Zuhause? Was ist Dein Lieblingsgericht?
Am liebsten genieße ich die Koch-
94
Tokio – Asagaya, 2004. Treffen im Nudelsuppenrestaurant.
Auf der Insel Omishima in Japan. Festbankett zu Ehren der figura magica von Bodo Berheide.
Mit Bodo, Klaus Stiebeling, Harald und Jutta Hübener, Peter und mir als Abgesandte des Kollektivs.
Tampopo
Japan 1985, 114 Minuten
Regie und Drehbuch: Jūzō Itami
Zwei Trucker, ein junger und ein
älterer, erfahrener, besuchen eine
Ramen-Bude am Straßenrand. Die
Geschäfte laufen nicht allzu gut,
und nachdem sie in eine Schlägerei
verwickelt werden, beschließen die
beiden, der Eigentümerin Tampopo
dabei zu helfen, aus dem Laden
ein Vorbild in der Kunst der Nudelsuppe
zu machen. Dabei wird das
Genre des Samurai-Films persifliert.
Im weiteren Verlauf des Films werden
auch andere Genres persifliert,
etwa der Mafia-Film, Liebesfilme
und Western – letzteres allein
schon dadurch, dass der ältere
Lastwagenfahrer ständig einen
Cowboyhut trägt, wie Clint Eastwood
auch beim Baden.
Tampopo ist durchzogen von Nebenhandlungen,
die mit der eigentlichen
Geschichte meistens
überhaupt nichts zu tun haben und
deren Grundthema immer das
Essen ist, oft in der direkten Verbindung
zu Sex. In einer Szene benutzen
etwa ein Yakuza und seine
Geliebte in einem Hotelzimmer
Nahrungsmittel beim Liebesspiel,
unter anderem bereitet der Yakuza
„Betrunkene Shrimps“ auf dem
Körper der Frau zu. Andere Szenen
drehen sich um einen jungen
Geschäftsmann, der seine älteren
Kollegen beim Bestellen in einem
französischen Restaurant bloßstellt,
eine Hausfrau, die vom Totenbett
aufsteht, um ihrer Familie eine
letzte Mahlzeit zuzubereiten, und
eine Gruppe Frauen, die sich darin
unterrichten lässt, wie man auf
westliche Art Spaghetti isst, aber
von einem Europäer, der im Hintergrund
die Nudeln auf japanische
Art schlürft, wieder davon abgebracht
wird.
c&p: Wikipedia
Miso-Suppe
Miso-Suppe (jap. 味 噌 汁 misoshiru)
ist ein japanisches Nationalgericht.
Die Hauptgeschmacksgeber sind
Dashi (Fischsud) und Miso (Sojabohnenpaste).
Feste Bestandteile
sind z.B. kleine Tofustücke,
Wakame (dünne grüne Meeresalgen)
und Frühlingszwiebeln. Je
nach Jahreszeit können die Zutaten
variieren, sodass auch manchmal
Pilze wie Shiitake in der Suppe zu
finden sind.
Die Miso-Suppe kann als
Vorspeise oder als Teil der Hauptspeise
serviert werden.
Miso-Suppe wird in Japan nur sehr
selten mit einem Löffel, sondern
meistens mit Stäbchen gegessen.
Dabei werden die festen Bestandteile
mit den Stäbchen gegessen
und die Suppe aus der Schüssel
getrunken.
Nudelsuppenküche mit Bolle im Neuen Kunstverein 2012, für die Gäste der movingartbox
Suppenküche in Xi’an
(chinesisch 西 安 市 , Pinyin Xī’ān Shì, [-ɕi-an]),
auch Si’an oder Hsi-An (früher: Sianfu)
2011
ZEN-Turm.
Reisschüsseln – Spucknäpfe
Peter Klassen, 1993
95
96
Interview mit
Bodo Berheide,
Wupper Nachrichten,
Ausgabe Nr. 10/1993
Das Atelier- und Galerie-
Kollektiv, antikommerzielles Bollwerk
in Wuppertal und Ort, an dem
Kunst, Mathematik und Landschaftsplanung
gemeinsame Sache
machen, hört fast – aber eben nur
fast auf, Ideen sind halt unabhängig
von Raum und Geld.
Gegründet 1977 in der Hofaue, seit
1985 in der Berliner Straße 39 a,
war die Galerie, die keine Bilder
verkaufen will, DIE Bühne für „Intermediale
zusammenarbeit“. Hier
tanzte Peter Friese, diskutierte
Siegfried Maser, stellte Tony Cragg
aus, von hier aus wurde 1987 mit
„Greenpiece“ die B7 begrünt, hier
saßen Theodor Jüchters liebste Widersacher.
Uwe Gesierich sprach mit Bodo
Berheide, einem von sechs übriggebliebenen
Kollektivisten, über
15 Jahre Kulturarbeit im Tal.
WN: Herr Berheide, nach 15 Jahren
hört das Atelier- und GalerieKollektiv
auf. Warum?
Als wir 1977 in der Hofaue
anfingen, hatten wir die Idee, eine
Galerie für „Intermediale Zusammenarbeit“
aufzubauen. Diese Idee
bildet bis heute den Mittelpunkt
unserer Arbeit. Leider ist es in den
letzten Jahren immer schwieriger
geworden, Künstler zu finden, die
diesem Anspruch gerecht werden.
Wir standen vor der Wahl, entweder
mehr Zeit zu investieren oder
kommerziell zu werden. Beides
wollten wir nicht.
WN: Wie sah diese intermediale
Zusammenarbeit aus?
Der Ansatz war das Zusammengehen
aller möglichen Medien, um
daraus etwas anderes mit neuer
Qualität entstehen zu lassen. Das
hatte mit der Merzarbeit von
„Das Querdenker-Kollektiv erscheint auch weiterhin fluxusähnlich unvermutet und braucht gar keinen Ort, es spielt Hase und Igel
und glaubt an Joseph Beuys, der ja selbst dem Igel immer eine Hasenlänge voraus war.“ – WupperNachrichten 10/1993
Schwitters oder mit dem Fluxusgedanken
von Beuys zu tun. Wir
haben ein Forum eröffnet, wo sich
die verschiedenen Leute trafen und
mit unterschiedlichen Mitteln arbeiteten:
Musiker, Filmleute,
Schriftsteller, hauptsächlich aber
bildende Künstler. Alles junge
Leute, die teilweise direkt von der
Akademie kamen, um etwas
Neues zu machen. Ein- bis zweimal
im Jahr gab es große Veranstaltungen
– Performances, Lesungen,
Konzerte – zu denen Leute aus
ganz Europa zusammenkamen.
Diese Art von Zusammenarbeit lag
damals in der Luft. Auch auf der
Dokumenta 6 spielten solche Ansätze
eine wichtige Rolle.
WN: Wurde so ein Projekt von der
Stadt gefördert?
Die Stadt Wuppertal interessierte
sich nicht für diese Art von Subkultur,
und eigentlich ist das bis heute
so. Es gab anfangs keinerlei Unterstützung.
Das hat sich erst geändert,
als wir hier in die Berliner
Straße umgezogen sind. Man erkannte
wohl, dass hier ernsthaft
gearbeitet wird, schliesslich waren
einige von uns mittlerweile Dokumentateilnehmer.
WN: Wie sah diese Förderung aus?
Wir bekamen eine Heizung installiert,
und pro Jahr gab es 5.000
DM, bei zuletzt 42.000 DM Unkosten
im Jahr. Ohne Sponsoren wäre
unsere Arbeit in der Galerie also
gar nicht möglich. Die Stadtsparkasse
z.B. ist in der Förderung der
Kunst aktiver als alles andere hier
im Tal. Da kann sich das Kulturamt
eine ganz dicke Scheibe von abschneiden.
WN: Und da ändert sich nichts?
Fast nichts. Das ist bei der letzten
Jahresschau wieder klar geworden.
Es tauchten genau die gleichen Argumente,
die gleichen Schwierigkeiten
wie 1976 auf, als ich mich
schon einmal an der Organisation
beteiligt hatte. Da wurde wieder
deutlich, dass sich die Stadtverwaltung
und das Museum nie so richtig
um die Künstler gekümmert
haben.
WN: Was waren das für
Schwierigkeiten?
Die Künstler sollten nicht nur ihre
Arbeiten ausstellen, sondern auch
ihr Verhältnis zur Stadtverwaltung
artikulieren. Herr Jüchter, Kulturdezernent
oder Frau Fehlemann, Direktorin
des Von der
Heydt-Museums sagen ja auch
immer: „Ja wieso, klar können die
Künstler zu uns kommen, wir
haben immer ein offenes Ohr!“
Und dann passiert nichts, nicht mal
eine Antwort. Das Museum hat
dieses Konzept jedenfalls nicht mitgetragen
und zog sich aus der Organisation
zurück. (Anmerk.: - aus
der Organisation der Jahresschau).
Die Stadt Wuppertal hat sich immer
lieber auf Renomierobjekte wie
den Museumsausbau oder auf das
Schauspielhaus konzentriert. An
anderen Stellen werden die Mittel
zusammengestrichen.
WN: Was kann man dagegen tun?
Die Künstler müssen sich solidarisieren,
Forderungen stellen. Eine
Gesellschaft kann ohne Kultur nicht
existieren. Aber wie jede andere
sozial schwache Gruppierung sind
auch Künstler auf staatliche Unterstützung
angewiesen, das ist doch
klar! Anderseits wird die Wahrnehmung
der Menschen über die Medien
bestimmt. Der Künstler mit
seinen womöglich noch kritischen
Der Hase lebt!
Konzepten ist da nicht gefragt. Jedenfalls
im Moment nicht.
WN: Welche Rolle spielt Kunst
überhaupt noch?
Kunst ist für die Ästhetik zuständig.
Die Zustände sind aber alles andere
als ästhetisch – Waldsterben, verhungernde
Menschen, Kriege ...
Der Fortschritt ist momentan ziellos,
dabei wäre er in der Lage, den
Menschen ästhetische Lebensbedingungen
zu schaffen. Die Künstler
müssen da Stellung beziehen.
Man kann sich heute nicht mehr
ruhigen Gewissens in sein Kämmerlein
setzen und ein Bild malen.
WN: Das ist der Grund, warum die
Galerie dicht macht?
Ja, der wichtigste. Dieser Anspruch,
der ja mit „Intermedialität“ gemeint
ist, taucht bei den meisten
Künstlern, die heute zu uns kommen,
gar nicht mehr auf. Die wollen
halt ihr Bildchen an der Wand
hängen sehen. Kunstwerke sehen
heute immer glatter aus, wie Designobjekte.
Wer meint, damit sei
es getan, verzichtet auf die Möglichkeit
der Wirkung.
WN: Sie glauben an die Wirksamkeit
von Kunst?
Natürlich, da gibt’s doch gar keinen
Zweifel! Wenn man sich so
umschaut, da gibt es doch nichts,
wo nicht mindestens ein Künstler
daran beteiligt war. Irgendwann
werden künstlerische Ideen gesellschaftliche
Realität.
WN: Aber doch als Form, auf
Kosten der Inhalte!
Ja, sozusagen als Vermarktung, der
kritische Ansatz bleibt meistens
auf der Strecke. Die „größte Galerie
Deutschlands“, (Anmerk.:die
Stadt hatte die Geschäfts- und
Ladeninhaber entlang der B7 gebeten,
ihre Schaufenster für eine
bestimmte Aktion Künstlern zu
überlassen), die die Stadt im
Herbst veranstaltet, geht z.B. auf
unser Projekt „Greenpiece“ zurück,
ist also eigentlich geklaut.
WN: Was bleibt da von der
Wirksamkeit übrig?
Die Künstler dürfen es sich nicht so
einfach machen, Sie müssen dranbeiben.
Wenn Kunst so frei wäre,
wie die Wissenschaft es sein
könnte, könnten die Künstler
künstlerisch-wissenschaftlich
arbeiten, dann
kämen auch viel bessere
Ergebnisse heraus, z. B.
alternative Gesellschaftsmodelle,
die man der Politik anbieten
könnte.
WN: Also der Kultur mehr Gewicht?
Umweltzerstörung, Ausbeutung der
Ressourcen – es ist bisher doch viel
zu wenig passiert, um unsere fundamentalen
Lebensbedingungen
zu erhalten. Die Kultur kann sicherlich
wertvolle Ideen beisteuern.
WN: Bazon Brock sagt, daß die
Outlasting, Unintended
The tree was here before I existed; it still will be there when I no longer exist. Andreas Steffens
Kultur mittlerweile die Zerstörerischste
überhaupt sei.
Unter Berufung auf kulturelle
Autonomie wurden, z. B. auf dem
Balkan die mörderischsten
Auseinandersetzungen geführt.
Das ist natürlich irgendwo ein
Irrtum. Es geht ja immer um Phantasien,
die sich konkretisieren.
Zerstörerisch wird es erst dann,
wenn die Kultur vorgeschoben
wird, um Macht zu erlangen.
WN: Ja, eben ...
Diese Macht ist aber rein materialistisch
orientiert. Kultur ist nicht
die Mutter aller Kriege, wohl aber
aller Auseinandersetzungen: im
Sinne von Austausch. Die Ideen der
verschiedenen Kulturen müssen
ausgetauscht werden, nicht durchgesetzt.
Wenn sich die Kulturen frei
entwickeln und austauschen können,
wird unser Weltbild erweitert.
Das ist wieder unserer Intermediale
Idee.
WN: Was wird aus dem Kollektiv
nach dem Ende am 30. August?
Der harte Kern von sechs Leuten,
der übrig geblieben ist, wird
weiterhin zusammenarbeiten.
Auf dem Gebiet des „artconsulting“
werden wir in Zukunft
künstlerische Projekte durchführen,
aber eben an anderen Orten. Eines
davon findet z. B. in Montreal statt.
Dort wird – nach Wuppertal und
Dublin – meine „figura magica“
demnächst Station machen.
Unser Motto bleibt trotz widriger
Umstände: Der Hase lebt!
Das Querdenker-Kollektiv erscheint
auch weiterhin fluxusähnlich und
unvermutet und braucht gar keinen
Ort; es spielt Hase und Igel und
glaubt an Joseph Beuys, der ja
selbst dem Igel immer eine Nasenlänge
voraus war.
Das Interview wurde geführt
von Uwe Geslerch.
„greenpiece“ – ein Kunstwerk für Wuppertal
Auf Anregung des Atelier- und Galerie-Kollektivs in Wuppertal-Barmen entstand in gemeinsamer
Planung mit dem städtischen Ressort für Natur und Freiraum das Landart-Projekt „greenpiece“.
Ausgangspunkt war die erste Pflanzung einer dreiarmigen Eberesche auf dem Mittelstreifen der B7
vor dem Galeriehaus Berlinerstr. 39a anlässlich der Kunstausstellung „trias“, die 1989 dort stattfand.
Weit über 100 Künstlerinnen und Künstler hatten zwischen 1989 und 1994 in verschiedenen
Ausstellungen für ca. 17.000 DM Kunst und sogenannte „Baumbriefe“ verkauft, für deren Erlös
Kaiserlinden gepflanzt wurden.
Diese Baumart wählten die Initiatoren, weil die Linde symbolhaft die Liebe und die Güte darstellt,
praktischerweise aber auch sehr widerstandsfähig ist.
Nach der Fertigstellung und Begrünung des Mittelstreifens der B7 in Wuppertal wurde zwischen
Langerfeld und dem Alten Markt im Oktober 1994 die letzte Kaiserlinde dort gepflanzt.
Alle Fotografien/Multiples: Nicole Aders
„das Denken soll man den Pferden überlassen.“ alte Volksweisheit
97
10 Fragen
an Bodo Berheide
Du hast fast 40 jahre Galerieund
Kulturarbeit gemacht. Hast Du
im Nachhinein ein gutes Gefühl,
würdest du sie heute nochmal
so machen?
natürlich, einiges würde ich
sicherlich anders machen, den
gesamtprozess als solchen finde
ich nach wie vor positiv. durch die
zusammenarbeit im kollektiv sind
viele ideen entstanden, z.b. die figura
magica und ihre reise wäre
wahrscheinlich ohne die kommunikative
idee des kollektivs nie passiert.
nach der schliessung
unserer galerie 1993 ist unsere arbeitsweise
wesentlich flexibler geworden.
es sind bücher
entstanden, musik cd´s, videos,
ausstellungen und konzerte an unterschiedlichen
plätzen. wir haben
eine menge projekte mitfinanziert
und unterstützt. z.b. helfen wir seit
einem jahr fast kontinuierlich bei
ausstellungsprojekten im swane
café, in wuppertal.
Sind Deine arbeiten politisch?
ja, das kollektiv für intermediale
zusammenarbeit e.v. ist ein
gefüge, welches der richtung
meines gewünschten gesellschaftsmodells
entspricht. der begriff
kollektiv ist zunächst in unserer
kapitalistisch orientierten gesellschaft
negativ besetzt und wird abwertend
in die nähe sozialistischer
oder kommunistischer arbeits- oder
lebensformen angesiedelt. in den
vielen jahren unserer gemeinsamen
zusammenarbeit, vor allem
mit peter klassen, hat sich gezeigt,
dass wir einen kollektivismus mit
werten und normen entwickelt
haben, in dem das wohlergehen
des kollektivs eine hohe priorität
hat, aber der kreative individualismus
des einzelnen im wechselspiel
der anforderungen gleichberechtigt
ist, so ist insgesamt eine neue
qualität entstanden.
für mich hat sich da eine neue
kunst des zusamenarbeitens und
zusammenlebens entwickelt.
Seit Deinem Studium an der
Akademie arbeitest du unaufhörlich
an deiner Kunst. Bist du ein anerkannter
Künstler, kannst du von
Deiner Kunst-Arbeit leben?
nein, ich hatte fast 40 jahre einen
halbtagsjob als chemielaborant,
den beruf, den ich vor meinem studium
ausgeübt hatte. somit war ich
unabhängig vom kunstmarkt und
konnte wirklich die kunst machen,
die ich wollte. in meiner kunst
steht die kommunikation im
vordergrund.
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidende
Rolle?
Bist Du im „Geschäft“?
nein, der kunstmarkt interessiert
mich garnicht. hier geht es nur um
den organisierten verkauf von
kunstwerken, die qualität wird
weitgehend dem verkauf untergeordnet,
inhaltliche bezüge
rücken in den hintergrund.
deshalb meine zusammenarbeit
in einem unabhängigen galeriekollektiv.
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso
begeistern?
immer noch!
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder, Skulpturen oder
Performances in der Kunstgeschichte?
ja, die honigpumpe am arbeitsplatz
von joseph beuys während der
dokumenta 6.
Gehst du zum Essen öfter aus oder
findest du deine Lieblingsgerichte
eher zuhause?
Was ist Dein Lieblingsgericht?
ich finde mein lieblingsgericht eher
zuhause. am liebsten spaghettibolognese
oder frutti di mare.
auch pizza in vielen varianten.
aber auch paella. gerne frischen,
gemischten salat mit schafskäse.
Welche Musik hast du zuletzt gerne
gehört?
eigentlich immer r & b. ich bin ein
fan von billy idol und neil young.
richtig gerne mochte ich amy
winehouse.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war …
die ausstellung von ei weiwei in
berlin 2014.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
in jedem falle. kunst war und ist
immer eine begleiterscheinung
gesellschaftlicher entwicklung,
wobei man sehen muss, dass sie
in den unterschiedlichen kulturen
einen unterschiedlichen stellenwert
hatte und hat. kunst prägt
immer die erscheinungsform
einer gesellschaft.
Georg Janthur, Farb-Ausschnitte, Atelier 2016
98
Wolfgang Schmitz Berliner Straße, Einladungskarte
Bodo Berheide Feuer / Wasser / Erde / Luft 2005
Frank Hinrichs Engramme 2010, Acrylfarbe, Kunststoffsiegel, Ölfarbe auf MDF 30 x 20 cm
99
"Hidden places"
is the name of this art project in
which 10 American and German
artists are participating. Catherine
and Dirk Schlingmann, David John
Mega, Herb Weaver and Kenn
Morgan are at home in the region
of Wheeling/Bethany in West
Virginia. Gaby Donder-Langer,
Peter Klassen, Rüdiger Tag,
Jürgen Grölle and Bodo Berheide,
the five German artists, live and
work in Wuppertal or came from
this West-German town.
On October 18th 1995, Bodo
Berheide's sculpture "figura magica"
arrived on the campus of
Bethany College, W.V. Dirk Schlingmann,
a professor of mathematics
and computer science at this college,
had made it possible that
"figura magica" reached its third
temporary placement, having been
on a tour around the world since
1991, from Wuppertal over to Dublin
and Montreal.
In February 1996 Dirk Schlingmann,
Peter Klassen and Bodo Berheide
met for a commonly planned
performance, entitled "magic
elements" on the Bethany College
Campus. Gabriele Donder-Langer's
and Bodo Berheide's two slide
shows followed in Bethany and
Wheeling. Numerous talks and
discusssions with the local artists
followed, too. A mutual understanding
in concern of an artistic
cooperation was growing quickly.
In August 1996 Catherine and Dirk
Schlingmann, together with Herb
Weaver travelled to Brandenburg,
following an invitation of Gudrun
Tanzen in Wheeling, West-Virginia
Hidden Places
and Peter Klassen and Synanon
Schmerwitz, in order to take part in
the "Schmerwitzer Kunsttage".
In November '96 Catherine and
Dirk Schlingmann showed their
installation "bud" in the cyt gallery
in Wuppertal. Gayan Perera and
Bodo Berheide participated in the
opening performance. At the same
time the project "Hidden Places"
was prepared with the two art exhibitions
in the Immanuel-Church
in Wuppertal and in the Wheeling
Artisan Center.
"Hidden Places" doesn't only
mean the hidden places in this
church, in which the artist present
a part of their works, but also refers
to the discrete, nearly hidden
presence of the contributing towns
Wuppertal, Wheeling and Bethany.
Rüdiger Tag. Missing persons.
In Bethany the college shapes the
place. And like Wheeling, situated
right at the Ohio and surrounded
by metal moulding and coal mining
industry, Wuppertal is situated at
the border of a coal mining area.
The first city is dominated by
Pittsburgh like the second by
Düsseldorf or Cologne.
Perhaps it is this similar situation in
these regions that initiated the purpose
of working together in culture
and artistic ways. So the sculpture
"figura magica" first has found a
temporary placement in Bethany
by chance, then created a vivid
process of artistic exchange. Anyway
the artists and their many
friends taking part the chance of
realizing the idea of this project
with enthusiasm.
Seelenwanderung: Konfuzius.
Seelenwanderung durch die
Immannuelskirche
Internationales Kunstprojekt
„Hidden Places“
Zehn deutsche und amerikanische
Künstler, unter ihnen Bodo Berheide,
Gabriele Donder, Peter Klassen,
Kenn Morgan und andere, stellen
ihr Kunstprogramm ,,Hidden Places“
in der Immanuelskirche, Sternstraße
aus. „Hidden Places“ (Verborgene
Plätze) machen es dem Besucher
nicht leicht; denn man muss die
Kunstwerke in der Kirche suchen.
Herb Weaver präsentiert z.B.
Kleinkunst zur Ikonographie des
Hl. Michael, des „Heiligen der Kaufleute
und Radiologen“, zum Teil
das Blasphemische streifend, sowie
den HI. Franz von Assisi.
Beim Rundgang durch das Labyrinth
helfen an den Pfeilern angebrachte
„Lagepläne“ mit dem Aufdruck
„Seelenwanderung“. Die historisch
tradierte Situation, die den Zuspruch
des heiligen Wortes als Gnade und
Geschenk anbot, wird ins Gegenteil
verkehrt. Der Besucher der Kirchenausstellung
muss sich wirklich anstrengen,
dass er bei aller Suche
auch tatsächlich etwas findet.
Hervorzuheben ist das Werk
„Das innere Licht“ von Peter Klassen,
der die farbigen Geistfunken,
orientiert an der traditionellen
Pfingstwunderdarstellung, in der
Empore gegenüber der Orgel
ausstellt.
Peter Klassen sorgte auch für
das musikalische Ambiente am
Eröffnungstag: Sein mit dem Bogen
gestrichener E-Bass beschwor in
seiner sonoren Eintönigkeit das
frohlockende Klingen vielfältiger
Obertonreihen, dabei fein westliche
und östliche Musikstile und Klangpanoramen
anspielend und zu
einem Ganzen integrierend.
Klassens ,,Klangskulptur“ ist auch
als CD unter dem Titel ,,Geheime
Orte“ beim Künstler erhältlich – als
Tip übrigens für tiefgehende
Meditationsmusik.
Thomas Illmaier
DER WEG, 19/1997
100
„Die Zeit der Karawanen ist vorbei.“ Tuareg
Questions
and Answers:
Catherine
Schlingmann
1.
Du und Dirk, Ihr habt seit 1996
mit unserem Galerie-Kollektiv viele
Performances, Ausstellungen und
Aktionen gemacht. Welche/
Welches hat Dir am besten gefallen
und hast Du im nachhinein ein
gutes Gefuḧl, würdest Du es heute
nochmal so machen?
Answer: I enjoyed doing the bud
show. I also appreciated being part
of the shows „Magische Verbindungen“,
„über Grenzen gehen“, and
the two „Hidden Places“ shows.
I would do all of them again.
2.
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidende
Rolle? Bist Du im
„Geschäft“?
Answer: I am always looking for
places to show and sell my work.
3.
Kannst Du Dich für die Kunst von
Kollegen heute noch oder wieder
oder immer noch oder sowieso
begeistern?
Answer: I appreciate very much the
work of my colleagues. It is always
fascinating to experience the result
of their ideas and to learn what
motivates them.
4.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder, Skulpturen oder
Performances in der Kunstgeschichte?
Answer: I have always admired the
work by Josef Albers, Richard Long,
Ellsworth Kelly, and Bodo Berheide
to name just a few.
5.
Geht ihr zum Essen öfter aus oder
findet ihr eure Lieblingsgerichte
eher zuhause? Was sind eure
Lieblingsgerichte?
Answer: I like to cook, so we
usually eat at home. My favorite
dish is usually the most recent one
that I learned how to make.
In fact, I collect cookbooks and
enjoy very much learning how
to make new dishes.
6.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Answer: I enjoy listening to
Dirk Schlingmann’s computer
algorithmic music.
7.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...?
Answer: Recently, I visited the
High Museum in Atlanta and was
excited by the show of the fashion
designer Iris van Herpen.
8.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Answer: Yes, you can learn, for
example, about history and culture
in general.
Catherine Schlingmann,
oben:
„Paperwork“s, je 163 x 140 cm
Ausschnitte
rechts und links:
At that moment, when seclusion stepped into the open, a world came to an end.
101
unknown artist REMIX of a Catherine Schlingmann Sample
Seelenwanderung
„Das Gold ist versteckt.“ Tuareg
102
schlafe ich heute
schlafe ich heute
im Sand
im Wasser
in Hecken und Sträuchern
wilde Schatten
fliegen über mich
hinweg
kreisen über mir
geräuschlos
immer langsamer
werdend
tiefer kommend
keine Sprache verbindet uns
außer das gegenseitige
beäugen.
Fundstücke: Hans Reichel Partitur für eine Aufführung mit Annette Gadatsch und Harld Mohs, April 2016.
Irene Warnke Atomtasche 2006
Krysztof Juretko Arbeitstafel, verschollen
Foto Zbigniew Pluszinsky
... weißt Du wieviel Sternlein stehen?
– Blickrichtung ohne Begründung –
– graswachsenhören –
103
104
miles davis
smila dives
midas lives
dim is slave
vilem is sad
diva smiles
Mitch Heinrich
31.12.07
105
aus einem Text
zum 25 jährigen Bestehen von Synanon (1996):
„Guten Morge Irene,
hallo Ingo.
Nun kennen wir uns schon ein bisschen noch länger.
In den neunziger Jahren, da gab es Euch in Schmerwitz.
So viele alte Geschichten wären zu erzählen.
Ui!
Ein paar davon haben wir miterlebt,
die meisten aus der Ferne mitbekommen.
was eine Kunst ist
Aber alte Geschichten hat ja jeder für sich,
mit anderen, gegen die anderen, für die anderen,
was deine kunst ist
nichts besonderes.
Es gab seltsamerweise immer so eine Art von Verbindung,
was der mensch isst
manchmal von Verwicklung,
in gewisser Weise auch wortlose Übereinstimmung.
was meine kunst ist
Zwischendurch ward Ihr zu bewundern,
essen
dann hätte man Euch am liebsten in den Arsch getreten,
manchmal war es köstlich mitanzusehen,
wahrsagen
zu lachen gab es immer was, immer.
Und es lohnte sich.
bereden
Erhellung und Erbauung.
Natürlich:
reden
Manchmal wiederholt sich das eine oder das andere.
Und vorsichtiger Widerspruch tut auch schon mal Not.
zerreden
Aber mehr wie der Sitzende am Ufer des Flusses,
was sollen wir dem schon zurufen,
einsinken
er wird schon seinen Weg gehen,
mit uns so wie ohne uns.
ertrinken
Unaufhaltsam.
vergessen
Wie leben?
Und das ist immer wieder eine neue Frage.
aufessen
Wie weit passt man sich an veränderte Bedingungen an,
ohne die Identität zu verlieren, ohne die Idee zu verlieren,
was reine kunst ist
gibt es eine Demokratie der Qualität?
was feine kunst ist
Gudrun und Peter, Wahlverwandte.
was seine kunst ist
P.S.:
was kleine kunst ist
Die Schmerwitzer Kunstwoche
müssen wir natürlich noch nennen,
was keine kunst ist
der Ihr in diesem Jahr zum vierten Mal ein Zuhause gegeben habt.
Und die Euer Leben hoffentlich genauso bereichert hat
wie das aller Beteiligten, die wieder gerne Eure Gäste sind,
mit ihrer Kunst,
mit ihren Problemen, mit ihren Fragen nach Sinn und Verstand, nach
Schönheit und Vergänglichkeit,
der Tiefe, Verantwortlichkeit, Bewusstsein,
den Regeln der Form, des Lebens ...
ja, und Brot und Bett.“
106
Nach links und rechts gucken!
Es gibt Probleme auf der Welt und es gibt
Probleme in der Kunst.
Die Kunstwoche in Schmerwitz
Von 1991 bis 1997 organisierten wir die Kunstwoche in Schmerwitz, ein Symposium.
7 Jahre lang, von 1991 bis 1997 ludt Irene Warnke, Malerin, und Synanon Schmerwitz in Brandenburg gemeinsam mit dem Wuppertaler
Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit Künstler zur Schmerwitzer Kunstwoche ein.
Das Schmerwitzer Symposium bot den Teilnehmern die Möglichkeit, sich eine Woche lang in einer besonderen Situation mit dem Ort – der Kunst –
mit anderen Menschen – auseinanderzusetzen / künstlerisch zu arbeiten / zu reagieren / an einem anderen Ort anders zu arbeiten als in der gewohnten
Ateliersituation: In der Landschaft / in der großen Scheune / in der Kirche / im Kuhstall / in seltsamen Räumen / auf dem Feld / in der
alten Funkstation / in der Futtermisch- und mahlanlage / auf dem Schlossereidachboden / im Kirchgarten / in der Keramikwerkstatt usw.
Hagen, 1971: „Amis raus aus Vietnam!“
Die große Scheune in Schmerwitz,
10. Januar 2016
107
Über die Hintergründe von
Schmerwitz
ein Artikel in der Zeitung
„die Fleckenbühler“.
Herausgegeben von der Suchthilfe
Fleckenbühl im Februar 2011:
Sommer 1970: Kinderladenbewegung
„Aktion für das Kind e.V.“ –
wir lernen Irene und Ingo Warnke
kennen, die vor kurzem aus Berlin
gekommen sind. 1971 besetzen
wir gemeinsam mit den anderen
Eltern der Gruppe ein leerstehendes
Haus in Hagen-Herdecke.
Es folgt der Einzug mit Kindern
bzw. die Einrichtung eines Kinderladens
mit wechselnder Betreuung
durch die jeweiligen Eltern – eine
erste Selbsthilfegruppe. Nach
Abriss des Hauses ist die „Kinderarbeit“
beendet, wir haben aber
weiterhin Kontakt und sehen, dass
es noch ein weiteres Programm für
Ingo und Irene gibt – und dass dies
der wahre Grund für ihren Umzug
von Berlin nach Hagen war:
Hoffnung auf ein Loskommen von
den Drogen.
Als Außenstehende erleben wir
jetzt, wie sie wieder stärker in diesen
Sumpf geraten, sehen schließlich
mit an, wie sich die beiden
einen Schuss setzen – und hören
immer öfter die Diskussion, was
aus ihrem Kind Eva werden sollte,
wenn beiden etwas „passiert“.
Ingo und Irene kommen in Kontakt
mit Dr. Walther Lechler, dem Chefarzt
der Neurologie im St. Johannes-
Krankenhaus in Hagen (später
Chefarzt der Klinik für psychosomatische
Erkrankungen in Bad Herrenalb),
er schenkt ihnen das Buch
„The Tunnel Back“ von Lewis
Yablonski, Ingo fängt an es zu
übersetzen. Sie hören von der
Selbsthilfegruppe „Release“ in
Heidelberg und fahren schließlich
dorthin.
Nach dem Anruf: „Könnt ihr kommen
und auf Eva aufpassen?“
fahren auch wir nach Heidelberg
und sind während des Drogenentzugs
dabei. Im Bauernhaus eines
Arztes, der das Release betreut,
werden Irene und Ingo nüchtern.
Und bleiben es auch von nun an.
Der Versuch, „Release“ Heidelberg
drogenfrei zu bekommen, scheitert.
Sie ziehen mit fünf Gleichgesinnten
nach Berlin und gründen
die erste drogenfreie Selbsthilfegruppe
Deutschlands.
Wir besuchen die beiden nun regelmäßig
in Berlin: Aus Release
wird schließlich Synanon.
Und immer geht alles gegen den
Strich, immer auf der Suche nach
dem eigenen Weg: Radikal, konsequent,
gegen die herrschende
Meinung, die vermeintlichen Fachleute,
die gängige Drogentherapie
– immer „Against all odds“, gegen
alle bisherigen Regeln. Für die
meisten ihrer Vorstellungen eines
drogenfreien und selbstbestimmten
Lebens gibt es noch nicht viele
Erfahrungen, lediglich Synanon in
USA bietet eine Orientierung.
Immer mehr Leute werden aufgenommen,
immer neue Betätigungsfelder
entwickelt, neue
Häuser eingerichtet, Zweckbetriebe
gegründet – die Gemeinschaft
wächst – drogenfrei.
Zeitweise leben alle ohne Zucker,
ohne Weißmehl, ohne Haare – eine
Ansammlung unterschiedlichster
Menschen, die, wenn sie sich auf
Synanon einlassen, ungeahnte
Fähigkeiten entwickeln. Viele von
ihnen haben wir kennen und
schätzen gelernt – mit einigen sind
wir bis heute befreundet.
1990 dann die Wende: Schmerwitz.
Synanon bekommt die Gelegenheit,
eine neue Art von Verantwortung
zu übernehmen: mehrere
Dörfer, volkseigene Betriebe,
riesige Flächen Land, verwohnte
Häuser, jede Menge Ostbürger.
Es gibt unüberschaubare Aufgaben
und unendlich viel Arbeit. Parallel
dazu noch ein Riesenprojekt: die
Herzbergstraße in Berlin, ein gigantischer
Gebäudekomplex, beängstigend
groß und in allen damit
verbundenen Konsequenzen unübersichtlich.
Denn die zentrale
Aufgabe ist schließlich die Arbeit
mit und für die Süchtigen. Bis
heute erinnern wir die Frage, die
Ingo damals formuliert hat:
„Wie sollen wir das alles mit
Leben füllen?“
Es geht auch nicht gut. Und es gibt
noch mehr Rückschläge. Irene und
Ingo lernen ihre persönlichen Grenzen
kennen. Unaufhörliches Wachstum,
die Vermischung der
Grundideen mit wirtschaftlichem
Druck und die Menge an Aufgaben
überschreiten die Grenzen der
eigenen Leistungsfähigkeit. Alte
Weggefährten gehen ihre eigenen
Wege, verwirklichen ihre eigenen
Vorstellungen. Es gibt Trennungen
im Guten. Die Anzahl der leistungsfähigen,
erfahrenen Mitstreiter hält
nicht mehr mit der Entwicklung
Schritt. Man muss nach neuen
Verbündeten suchen, fasst Vertrauen
in „falsche Freunde“,
fremde Interessen bestimmen
wichtige Entscheidungen der
Gemeinschaft.
40 Jahre Selbsthilfe
der Süchtigen
Am 30. Mai 1971
starteten
Irene und
Ingo Warnke
im
Release
Heidelberg
Heidelberg. 1971, Irene und Gudrun
108
Es folgen bittere Erfahrungen für
sie persönlich und für die Gemeinschaft
und letztlich die erzwungene
Trennung von ihrem Lebenswerk,
der Idee der sich selbst helfenden
Lebensgemeinschaft. Sie erleben,
verraten und verleugnet zu werden,
sind entwurzelt, gewaltsam
von ihren Lebens-Ideen abgeschnitten.
Die schmerzvolle Bewusstwerdung
und Aufarbeitung dieser
Geschehnisse kostet immer noch
alle verfügbaren Kräfte.
Alleine leben. Eine Erfahrung, die
sie eigentlich nicht mehr machen
wollten. Heute führen Irene und
Ingo ihr eigenes drogenfreies
Leben in Berlin. So, wie sie immer
ihren eigenen Weg verfolgt haben:
klar, konsequent und nüchtern –
nach wie vor! Dafür verdienen sie
allergrößten Respekt von uns allen.
Viele Süchtige haben von der Idee
eines selbstbestimmten drogenfreien
Lebens profitiert und ihren
Weg aus der Abhängigkeit gefunden.
Sie haben die Gelegenheit bekommen,
Interessen zu entwickeln,
Berufe zu erlernen und schließlich
auf eigenen Füßen zu stehen. Das
verdanken viele von ihnen Irene
und Ingo Warnke, deren Hartnäckigkeit
und Unbeirrbarkeit in der
Sache für viele die Voraussetzungen
für ein eigenes unabhängiges
Leben geschaffen haben.
Gudrun und Peter
Heidelberg. 1971, Ingo
Heidelberg. 1971, Eva und Natalie
Schmerwitz, 18.09.2013, 12:09
109
Ingo und Irene, Documentabesuch 1982
UFOs, Plaste, Elaste und ein Oloid.
Erster Rundgang 1995
110
Yuri Selivanov Skulptur
offene weite, nichts von heilig
rechte Seite: Symposion 1995
111
112
links: Jürgen Grölle kehrt das unterste nach oben. Die Steine in der großen Scheune werden bewegt.
oben: Peter Kowald wässert. unten: Marcus Sperlich, Landwirtschaft und Kunst in Einklang bringen und weitere Blickrichtungen.
Museum Schmerwitz 1998–1999
Das Museum Schmerwitz wurde am 7. August 1998 mit der „Sammlung Grölle“ eröffnet.
Eineinhalb Jahre später wurde es wieder forst/landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt, genauso wie die große
Scheune.
Die Sammlung „GRÖLLE“: Werke von Nicole Aders, Andrea Hold-Ferneck, Jürgen Grölle, Georg Janthur, Ingrid
Kaftan, Uwe Kampf, Peter Klassen, Tony Lohr, Thomas Rother, Thomas Rottenbücher, Jury Selivanov, Sabine
Schneider, Kristin Scheuerpflug, Marcus Sperlich, Irene Warnke,
Am 5. August 1999 öffneten Jürgen Grölle und Matthias Beck das bis zur Höhe der Fenster mit Wasser geflutete
Museum zur letzten Aktion.
Eine Stunde nach der Eröffnung „entließ“ Jürgen Grölle das Wasser aus dem Museum. Es ergoss sich in einem
zwanzigminütigen Bachlauf über die Dorfstrasse von Schmerwitz.
Das Museum wurde bis auf weiteres geschlossen. Ein halbes Jahr später dann endgültig.
113
Die Kirche ohne Kirchturm und Skulpturen von Rob de Vrij.
114
Mädels ... Ingrid, Annette und Gudrun ...
... und Jungs: Mathias, Peter und Jürgen
„Lasst mich darin beharren, solange
mir das Herz gebietet.“
aus:
Johann Wolfgang von Goethe
Die Wahlverwandtschaften
„Charakter, Individualität, Neigung,
Richtung, Örtlichkeit, Umgebungen
und Gewohnheiten bilden zusammen
ein Ganzes, in welchem jeder
Mensch wie in einem Elemente, in
einer Atmosphäre schwimmt, worin
es ihm allein bequem und behaglich
ist.
Und so finden wir die Menschen,
über deren Veränderlichkeit so viele
Klage geführt wird, nach vielen Jahren
zu unserm Erstaunen unverändert
und nach äußern und innern
unendlichen Anregungen unveränderlich.“
Schmerwitz, 19.., Peter Kowald schläft.
„Die schätzenswerteste Freistatt ist
da zu suchen, wo wir tätig sein können.
Alle Büßungen, alle Entbehrungen
sind keineswegs geeignet, uns einem
ahnungsvollen Geschick zu entziehen,
wenn es uns zu verfolgen
entschieden ist.
Nur wenn ich im müßigen Zustande
der Welt zur Schau dienen soll, dann
ist sie mir widerwärtig und ängstigt
mich.
Findet man mich aber freudig bei
der Arbeit, unermüdet in meiner
Pflicht, dann kann ich die Blicke
eines jeden aushalten, weil ich die
göttlichen nicht zu scheuen brauche“.
„Man konnte mit dem Wiederverlangen
nicht endigen, und der ganz
natürliche Wunsch, einem so schönen
Wesen, das man genugsam von
der Rückseite gesehen, auch ins Angesicht
zu schauen, nahm dergestalt
überhand, dass ein lustiger, ungeduldiger
Vogel die Worte, die man
manchmal an das Ende einer Seite
zu schreiben pflegt: „tournez s’il
vous plait“, laut ausrief und eine
allgemeine Beistimmung erregte.“
Nicole Aders
Smith & Wesson
115
116
Links und rechts: Drei Skulpturen aus großen Fundstücken. Rob de Vrij.
die Zeit der Karawanen ist vorbei (dachten wir)
„Schmerwitzer Becken“, von Harald Hilscher. Hier in einer Installation in der Galerie der Stadt
Remscheid: „Klangräume“, 1999.
„OM LA LA“, Peter Klassen, 1992. Pigmente, Acryl auf Schmirgelpapier.
117
Der Lageplan des „Objektes. Gemeinschaftsarbeit von Jürgen und Peter.
Catherine Schlingmann
118
Peter Schulze fotografiert Wolfgang Opitz und Gudrun.
119
Skulptur Peter Jacquemyn
Ein Philosoph im Wald
Jürgen, Peter Kowald und Jochen Bauer
... dachte ich jetzt, zerschnitt eine große Wachscheibe und knetete sie mit
meinen nervigen Fingern; das weiche Wachs strich ich sodann meinen
Reisegenossen in die Ohren. Sie aber banden mich auf mein Geheiß aufrecht
unten an den Mast; dann setzten sie sich wieder an die Ruder und
trieben das Fahrzeug getrost vorwärts. ...
Die Odyssee (griechisch: ἡ Ὀδύσσεια – hē Odýsseia)
schildert die Abenteuer des Königs Odysseus von Ithaka
und seiner Gefährten
auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg.
In vielen Sprachen ist der Begriff „Odyssee“
zum Synonym für eine lange Irrfahrt geworden.
Dirk Schlingmann
Peter Jacquemyn und Engel
120
Bolle, Jochen Bauer und Peter Kowald Gunda Gottschalk Zeitungsausschnitt
Philosophischer Waldspaziergang und unten „Sirenen, Sirenen“, Klangskulptur Peter Klassen
121
Mathias Beck
Rundgang
122
Gudrun und Anna Warnke
fotografieren über hundert Künstler und
Synanisten auf dem Weg zur Arbeit.
Bodo sägt
Rob de Vrij und Ingo Warnke
123
Unten: Andreas Steffens, Philosoph,
1993 / 2016.
Rechts:
Annette Gadatsch, Musikerin
1993 / 2016
124
Danse de la chèvre oder auf
der Suche nach einem ruhigen
Überaum:
Angekommen, kenne nur ein paar
wenige Menschen, habe mir fest
vorgenommen kreativ und
kommunikativ zu sein! Bin total
beeindruckt von der Gemeinschaft,
der Gastfreundschaft und dem
Luxus eine Woche lang „versorgt“
zu werden.
Kann all die Namen der Menschen
nicht behalten und alle haben Projekte,
sägen, sammeln, schrauben,
pinseln!
Nach einem eher zweifelhaften
Versuch am Holzklotz mache ich
mich auf die Suche nach einem geeigneten
Ort um Honeggers Ziegen
zu bändigen (ein wirklich schweres
Stück für Flöte Solo, kann mich
wirklich noch daran erinnern!).
Und da ist sie, die kleine Kirche
mit der guten Akustik, verwahrlost,
mit den lustigen Theaterstühlen
und dem verstörend schwarzen
Himmel, kühl und ruhig, so, als
wenn sie gar nicht dazugehören
würde. Eine Oase! Welch Luxus,
alleine stundenlang zu üben und
siehe da, immer öfter kommt
jemand vorbei, hört zu, fragt was
und ich lerne langsam die Leute
kennen.
Ideen entstehen für den Raum,
Andreas baut was mit Ziegelsteinen,
während ich spiele, Mathias holt
sein Cello und wir improvisieren,
Thomas seine Gitarre, (war da noch
Bolle und das Saxophon?) und am
Ende der Woche tanzen die Klänge
mit Andreas philosophischen
Gedanken und den Ziegen
Walzer ...
Jahre später bin ich wieder dort
in der Kirche und ich glaube der
Himmel ist wieder hell und sie ist
schön hergerichtet, gehört nun
wieder offiziell „dazu“ und ich
musiziere zusammen mit einer
Harfe und alles ist feierlich und
da ist sie wieder, die kleine wilde
Ziege, die mir zuzwinkert.
Annette Gadatsch
Schwarzes Quadrat unter der Kirchendecke
von Rob de Vrij.
Engel, Peter Jacquemyn
125
Dimensionen
Ein Jahrhundert, unser Jahrhundert,
geht zu Ende. Ein neues ist
dabei zu beginnen, und mit ihm
gar ein neues Jahrtausend – entmutigende
Dimensionen.
Ist man, in der Mitte dieses Jahrhunderts
geboren, auf den bevorstehen
den Übergang seines Endes
in den Anfang des neuen vorbereitet?
Kann man es sein?
Schon an diesem Beginn des
Nachdenkens über das Beginnen
drängt sich der Zweifel, dieser Antreiber
der Produktivität, vor, als
Einspruch und Selbst -Zwischenruf:
Überfrachten derlei Fragen nicht
einfach-praktische Zeitrech -
nungskonventionen mit einem
Übermaß fiktiver Bedeutsamkeit,
die ihren rein pragmatischen Sinn
einer Abfolgeordnung der alltäglichen
Vorgänge überdehnt?
Aber darf man Fragen mit Fragen
begegnen?
Einst von seinen Schülern, nach
langem Zögern, darauf angesprochen,
antwortete der Rabbi nach
ebenso langem Überlegen: Warum
soll man auf eine Frage nicht mit
einer Frage antworten?
Wer die eine sucht, wird keine
Antwort finden. Wer gar auf eine
endgül tige ausgeht, muss in des
Kaisers neuen Kleidern heimkehren.
Offenbar beginnt das Beginnen
mit dem Fragen. Aber ebenso
offenbar kommt man nicht weiter,
solange man darüber nachdenkt,
wie man recht be ginnen könnte.
Ein Anfang, wird er gesetzt oder
gefunden?
Ludwig Hohl, der einsame
Schweizer Grübler, hat eine mögliche
Antwort formuliert, die geeignet
scheint, die Hemmung des
Anfangens zu überwin den. „Wie
aber soll man’s anfangen? Nur anfangen!
Das Anfangen ist sowieso
leicht. Und nach und
nach erst stehen die
Gesetze vor dir auf.
Wie willst du korrigieren,
wenn du nichts zu
korrigieren hast?“
Man muss bereits
begonnen haben,
damit etwas seinen
Anfang nehmen kann.
Anfänge gibt es als datierbare nur
in der Rückschau. Man hat sie, als
erkennbare, immer hinter, nie vor
sich.
So kommt es darauf an, sich mit
Bedacht in die Zukunft hinein zu
er innern: vor sich zu bringen, was
man an Unerprobtem hinter sich
hat.
Etwas lässt sich nur aus etwas
anderem hervorbringen, weshalb
Beginnen immer ein Neu-Beginnen,
unabschließbar also ist. Es
gibt nicht „den“ An fang, nur „das“
Anfangen, als Prozess, in dessen
Verlauf man sich immer schon befindet,
wenn man glaubt, mit dem
Entschluss, etwas Neues, Anderes
zu beginnen, einen gesetzt zu
haben. Im weiteren Prozessverlauf
wird man in aller zu bemerken
haben, dass diese Datierung
ebenso will kürlich wie verkennend
war: Man musste schon begonnen
haben, um das Ge fühl haben zu
können, sich gerade zu einem Neu-
Anfang entschlossen zu haben.
Abschiedsbegeisterung
Andreas Steffens
Seit einem Jahrzehnt begleitet
uns eine eigentümliche Abschiedsbegeisterung.
Die Trauer ist als
Grundgefühl des Abschieds von der
Freude ersetzt worden. In den Künsten
wich die Melancholie des Verfalls
Gesten der Erleichterung:
Überflüssiger Ballast ging zuhauf
über Bord. Der wahrhaftige Kitsch,
der entsteht, sobald ein Gefühl der
Abwehr beginnt, genossen zu werden,
machte der Haltung einer lässig
zur Schau gestellten
Vom Beginnen
Unabhängigkeit Platz, die glaubt,
auf nichts mehr angewiesen zu
sein, weil alles getan, gesagt,
gedacht, gelebt sei.
Dagegen ist nicht leicht anzukommen.
Die Abschiedsbegeisterung
widerspricht allen
Erfahrungen, begonnen mit der
aller alltäglichsten, dass das Leben
mit jedem Morgen neu beginnt,
indem wir aus der Bewusstlosigkeit
des Schlafs zur Selbstgewissheit
des Wachseins zurück kehren, und
dennoch bleibt ein Faszinationskern
gegen alle Demonstration des
Offensichtlichen widerständig:
Ist es denn auch keine verlockende
Ver heißung, all das hinter sich zu
haben, dessen Ende im vergangenen
Jahrzehnt verkündet wurde:
Moderne, Geschichte, Kunst, Wirklichkeit,
Politik, und nun, endlich,
bald auch dieses Jahrhundert unvordenklicher
Lasten?
Die Zeitstimmung des Beendigens
ist als Versprechen der Erleichterung
so berechtigt wie
unwiderstehlich.
Und dann sitzt man umgeben
von all den Enden. Was bleibt dann
noch zu tun? Lässt sich da noch
etwas machen?
Rückwendung
Alles beginnt von neuem, nichts
von vorne.
Die Kunst macht da keine Ausnahme.
Wollte man sie von vorne
begin nen, wie Sartre überzeugt
war, dass es die Maxime Giacomettis
gewesen sei, könnten ihre
Zu schreiben anfangen darf ich, wenn ich so lange
gewartet habe, daß die Ahnung wieder stärker werden
konnte als das Gewusste.
Peter Handke, >Die Geschichte des Bleistifts<
Gebilde so wie dessen Minimal-
Skulpturen nur solche einer äußersten
Flüchtigkeit sein, jeglicher
Dauer entzogen: Giacometti neigte
dazu, seine Plastiken wieder zu
zerstören. Nur die wenigen nahm
er davon aus, die er verkaufte, um
seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Eine Kunst, die von vorne begonnen
werden könnte, müsste
zuvor also vernichtet worden sein.
Sein Ursprung treibt die individuelle
Ausbildung eines Metiers
voran, man hat ihn mit seinen
maßsetzenden Verpflichtungen
immer im Rücken: Nicht ein Ziel
zieht, eine Herkunft treibt. So lautet
das Bewegungsgesetz jeder
Produktivität. Die Oberbietung des
Gewesenen ist das Motiv für das
„Neue“, nicht, etwas Neues zu
schaffen. Dieses entsteht, indem
die Möglichkeiten des Gegebenen
durchgearbeitet werden. So gehen
die Bilder aus Bildern, statt aus
ihren Ideen hervor. Was einem bei
der Arbeit vorschwebt, wird zu
einer eindeutig erkennbaren Gestalt
in der Erinnerung an ihre Vorgängerinnen.
Weil sich „Probleme“ nicht lösen
lassen – sie werden unerheblich,
indem sie verschwinden –, gibt es
immer wieder neue Bilder. Die
möglichen Beziehun gen etwa zwischen
den Farben Grün und Rot auf
einer Fläche sind zwar in ihrer unüberschaubaren
Mannigfaltigkeit
jedoch praktisch un endlich. Vermutlich
ließe sich die Unwahrscheinlichkeit
statistisch
demon strieren, dass
es je so viele Maler
geben könnte, derer
es bedürfte, ihre Mög -
lichkeiten auszuschöpfen.
So ist die Malerei
wie eine jede Kunst
ein unendliches Beginnen,
wes halb ein
Bild nicht nur auf das vorhergehende,
sondern auch aus ihm folgt.
Wer dagegen von neuem statt
von vorne beginnt, kann einem
Moment Dauer verleihen. Dass die
Kunst dazu in der Lage ist, hat ihr
in der uns be kannten Geschichte
ihre herausgehobene Wertschätzung
verliehen. Ihre Her kunft aus
dem Kult hat ihr bis heute eine Beziehung
zum „Ewigen“, zum „Zeitlosen“
bewahrt, die sie seit der
Antike allen Herrschern, allen
Mächti gen, allen auf Unterscheidung
von anderen Bedachten,
allen, die sich mit der Unzumutbarkeit
ihrer begrenzten Existenz nicht
abfinden mögen, als Me dium des
Überdauerns empfahl. Längst vergessene
Patrizier haben als Stifter
berühmter Gemälde „überlebt“.
Den Beginn, die Hervorbringung
einer derart auf Dauer setzen zu
wollen, ist freilich von einer Perspektive
auf Welt und Menschsein
bestimmt, die selbst deren unerträgliche
Zustände wesentlich zu
verantworten hat: das Urteil vom
Ende her. Respice finem, bedenke
das Ende!, lautet die klassische Ermahnung,
mit einem einschüchternden
Unterton der Drohung,
sonst das Wesentliche unrettbar zu
verfehlen. Der Wunsch nach Dauer,
nach Überdauern, ist von der Sehnsucht
eingegeben, das Ende überlisten
zu können, an dem zuallererst
sein Schrecken wahrgenommen
wird.
Ihn zu überwinden, ist wesentliches
Motiv und Hemmung des
nens zugleich. Den Schrecken des
Endes repräsentiert der Schrecken
der Leere, gegen den jedes produktive
Beginnen durchzusetzen sei,
wie er zum modernen Mythos des
Künstlertums gehört: als weiße
Leinwand, weißes Papier, noch unbewegt
einsam auf dem Bildschirm
blinkender Cursor – be wege mich,
so wirst du frei.
Aber ist die Befangenheit vor
dem Weiß nicht eher Entmutigung
vor der Überfülle der Möglichkeiten
als Horror vor der Leere, die zu füllen
die eigenen Kräfte übersteigen
könnte? Im Weiß sind alle Farben
gebunden, es enthält in sich das
Universum des Möglichen. Nur das
ist ein Beginnen, das keine Mög -
lichkeit ausschließt. Es ist die Bereitschaft
zu als man glaubt, schon
wissen und tun zu können. Wer
sich ein festes Ziel setzt, muss es
verfehlen. In jedem Beginnen wirkt
das Motiv, die Aufhebung der
Leere, die Aktualisierung des Möglichen
zu verstetigen. Das aber
kann nur als Prozess gelingen.
Immer wieder von neuem zu
beginnen heißt nicht, „das Neue“
hervorzubringen.
Bedingung dafür wäre, dass dem
ein Ende voranginge. Wer eine
neue Malerei will, muss zuvor das
Ende der Malerei wollen. Weil so
viel von eben diesem Ende hergemacht
wurde, gibt es so viel Neues
in der Malerei.
Der Kult des Neuen geht, abseits
kommerzieller Marktmechanismen,
mit einer verborgenen Verherrlichung
einher, die zu einer tragenden
Kon vention unserer Kultur
geworden ist. Wozu ist das gut?
muss sich jeder und alles allezeit
fragen lassen. So zu fragen aber
heißt, vor der Zeit Rechenschaft
über ein Ende zu fordern, das noch
nicht eingetreten ist: Wird das, was
daraus werden kann, einmal gut
gewesen sein? Die vorweggenommene
vollendete Vergangenheit
muss jedes Beginnen im Keim ersticken.
Nach ihrem Maß zu urtei-
126
len aber bedeutet, den Tod zum
obersten Maßstab zu erheben, den
physischen Agenten des Beendens.
Alle Religionen mühen sich an
seinem Skandal ab. Aber hätte
man ihn nicht behoben, hoffte
man für das Leben nur von seinem
Anfang her, statt über sein Ende
hinaus?
Es könnte uns wohler ergehen,
dächten wir, statt darauf zu hoffen,
unser Ende überlisten zu können,
dem voran, wie wir unser Begonnen-Haben
zu erfüllen vermöchten.
In ihrem unendlichen Beginnen
setzt die Kunst den Tod dorthin,
wohin er allein gehört: ans Ende
des Lebens, außerhalb seiner.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen,
hat die Philosophie ihn
immer an den Beginn ihrer Bestimmungen
des Lebens gesetzt. Deshalb
hat sie einer Lebensform
nichts mehr, noch nichts wieder, zu
sagen, die den Tod ver drängt, weil
sie ihn selbst, entgegen ihrer
menschlichen Bestimmung, unauf -
hörlich hervorbringt.
Die Vollendbarkeit der Geburt ist
das Thema der Philosophie im
Übergang zum kommenden Jahrhundert.
Es gibt ein Leben nach der
Geburt.
Zweite Geburt
Alles, was wir sind, sind wir
„von Geburt“, weil durch Geburt.
Daraus zu folgern, wir trügen
alle unsere Möglichkeiten bei unserer
Ge burt bereits in uns, wäre
verfehlt. Möglichkeiten sind einem
nicht „gegeben“, man muss sie
sich verschaffen. „Gegeben“ sind
einem Fähigkeiten und Fertig -
keiten. Es ist grundlos, sich über
einen „Mangel“ an Möglichkeiten,
über ungünstige „Umstände“ zu
beklagen. Eine Fertigkeit, ein Vermögen,
die ge bildet und ausgeübt
werden, schaffen sich ihre Umstände.
Es sind immer die jeweils
günstigsten.
Ein Leben beginnt nicht einmal,
mit seiner Geburt, sondern ständig.
Zu leben heißt, sich unablässig zu
erneuern und sich so von seinem
Ursprung zu entfernen.
In den Künsten ist diese Bedingung
des Lebens am reinsten erfüllt.
An ihnen lässt sich lernen,
dass das Beginnen in seiner Unablässigkeit
ein Prozess der Formung
ist. Vorgefundenes aufzunehmen
und ihm Gestalt zu geben ist die
Arbeit der Kunst, deren Gelingen
sie zum Modell des Lebens macht.
Jede Handlung zur Gestaltung eines
Lebens ist eine zweite Geburt, die
eine der Möglichkeiten verwirklicht,
in deren Fülle die erste entließ.
Perspektivenwechsel
Im Übergang ins neue Jahrhundert,
nach einem der Zerstörung,
der grenzen losen Menschenfeindlichkeit,
kommt es auf eine Umwendung
der Perspekti vität
unserer Welt- und Selbsterfahrung
an, hin auf den unendlichen Prozess
des Beginnens, fort von der
Fixierung aufs Beenden. Darin liegt
die größte Aufgabe des Denkens,
das aufs Ganze des Lebens geht,
sein Verständnis, das seine Formen
prägt, vom Schreckbild seines
Endes zu lösen.
So lässt sich nur hoffen, dass
keine Frage endgültig beantwortet
werde: Das wäre der Beginn der
Unendlichkeit des Nicht-mehr-Beginnens,
des Nichts.
Solange Auseinandersetzungen
wie die der Farben gegen das
Schwarz in der Malerei andauern,
muss einem darum nicht hoffnungslos
bange sein.
Ingo, 1971. Cold turkey
127
Ingrid Kaftan Weitermachen.
die Scheune von Schmerwitz
Fensteröffnungen in der Scheune und der „Lückenbüßer“ aus Ton von Ingrid
128
die Scheune von Schmerwitz im Betrieb
Ingrid Kaftan Akt, 2015
129
10 Fragen an
Irene Warnke
Abstürze und Höhenflüge
Irene, Du hast die sieben Kunstwochen
in Schmerwitz mitverantwortet.
Hast Du im Nachhinein ein
gutes Gefühl, würdest Du heute
sowas nochmal machen?
In der Erinnerung scheinen mir die
Kunstwochen in Schmerwitz wie
ein Traum von Freiheit und offener
Weite in einer weit zurückliegenden
Zeit, auf einer fernen Insel.
Das ist für mich alles untergegangen.
Aber viele sind gerettet.
Seit Deinem Studium an der Akademie
arbeitest Du unaufhörlich an
Deiner Malerei. Bist Du auch ein
anerkannter Künstler? Und kannst
Du von Deiner Kunst-Arbeit leben?
Von meiner Kunst allein könnte ich
nicht leben aber für meine Kunst
lebe ich, somit auch von ...
Ich kann mir nicht vorstellen
ohne ...
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidende
Rolle?
Bist Du im „Geschäft“?
In meinem Leben hat sich für mich
in kommerziellen Galerien nichts
abgespielt. Produzentengalerien
finde ich immer noch ein gutes
ehrliches Konzept. Der Kunstmarkt
... was soll ich dazu sagen, auf
jeden Fall sorgen die Kunst-Funktionäre
und -Auktionäre dafür, dass
Bilder weit herumkommen in der
Welt und immer wertvoller werden.
Viele landen aber auch in unterirdischen
Lagerhallen und Tresoren.
Warum sehen wir so wenig russische,
asiatische, afrikanische
Kunst?
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Ohne meine Kollegen wäre ich
ärmer. Sie sind meine Mitstreiter,
Kritiker, Freunde, Unterstützer,
Leidens- und Freudensgenossen.
Ich bewundere und kritisiere ihre
Arbeit und ihr Durchhaltevermögen,
trotz mancher Depression aus
Angst vor schwindender Intuition
oder vor Geldmangel. Also ohne
Frage, Kollegen bereichern mich,
überraschen mich immer wieder.
Manchmal denke ich: sowas hätte
ich auch gerne gemalt.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen in
der Kunstgeschichte?
Ich erinnere mich an eine Begebenheit
aus meiner Kindheit, die
mir die magische Kraft von Bildern
vor Augen führte. Ich war sieben
(?). Meine Eltern wollten ausgehen,
ich musste alleine zu Hause
bleiben. Es wurde dunkel. Ich
fürchtete mich. Ich hatte ein Buch
zum Anschauen. Beim Blättern
stieß ich auf eine Karikatur, die
mich ansprang, mich mit wild
verzerrtem Gesicht anschaute.
In großer Angst rannte ich im
Nachthemd ins Treppenhaus und
zu den Nachbarn, wollte Schutz
und Trost ... Wer der Künstler war
habe ich vergessen.
Sind Deine Arbeiten politisch?
Ich erlebe gesellschaftliches
Geschehen. Es lässt mich nicht kalt
und vieles macht mir Angst. Jenseits
von Sprache und berechnender
Intelligenz werden Bilder und
Installationen etc. geschaffen, die
verschiedene Betrachter unterschiedlich
sehen und erleben.
Wir interpretieren Bilder intuitiv
und verbinden sie mit unseren
eigenen Erfahrungen und
Erinnerungen. Ich betrachte Bilder
intensiv und achte darauf, was sie
in mir auslösen. Genau so intensiv
und konsequent male ich, so wie
ich empfinde. Fotos, Bilder und
reales Leben geben Anregungen
oder sind Auslöser. Auch wenn ich
vieles in der wildwuchernden
Kunstszene nicht so recht verstehe
bin ich sicher, dass irgendwo
großartige Künstler arbeiten.
Vielleicht kann in 100 Jahren ein
zukünftiger Betrachter in meinen
Bildern erkennen, in welchen
Spannungen ich und meine
Zeitgenossen gelebt haben.
Hat das alles mit politischen
Bildern zu tun?
Gehst Du zum Essen öfter aus oder
findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause?
Was ist Dein Lieblingsgericht?
Wenn mein Budget es erlaubt gehe
ich gerne auswärts essen, was
selten vorkommt.
Meine Lieblingsgerichte sind Auberginen,
Zucchini, Gurken, Tomaten,
Chicorée, Zwiebeln, Kräuter,
Reis, Kartoffeln, Obst.
Welche Musik hast Du zuletzt
gerne gehört?
Ich habe keine ausgesprochene
Lieblingsmusik. Ich höre gerne
Madrigale von Gesualdo da Venosa
(1566–1613, italienischer Fürst und
Komponist der Renaissance). Nach
wie vor liebe ich Jazz, Amy Winehouse
und auch die Tiger Lillies.
Es kommt auf meine Verfassung
an.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt
hinausgegangen bist, war ...
Ganz großartig fand ich die
documenta von 2013 und da
besonders die Videoinstallation von
Jenifer Allora & Guilermo Calzadilla.
Auf einer 35000 Jahre alten Knochenflöte
aus dem Speichenknochen
des Flügels eines
Gänsegeiers, dem ältesten bisher
gefundenen Musikinstrument,
spielt Bernadette Käfer, die sich auf
prähistorische Musikinstrumente
spezialisiert hat. Neben der Flötenspielerin
ein lebendiger Gänsegeier
mit seinen intelligenten Augen, als
lausche er der Musik, als erkenne
er den Knochen eines Vorfahren
wieder, aus dem die Flöte ist.
Sonst noch Lucien Freud, Philip
Guston, Billy Childish, Leon Golub ...
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Ich liebe die alten Meister der
Kunst, besonders der Malerei. Ich
nehme ihre Bilder in mich auf, ich
erinnere sie wieder wenn ich an
sie denke, auch an die Gefühle, die
sie in mir ausgelöst haben. So
beeinflussen sie meine eigene
Malerei, ungewollt und auch
gewollt, bei der Suche danach, wie
andere eine bestimmte Sache
darstellen.
Zu meinem letzten Bild fand ich
zufällig einen Namen. Vor kurzem
schaute ich mir eine Ausstellung
von Marc Quinn an mit Tapisserien,
hineingewebt waren Bilder aus
Zeitungen, die Steine werfende
junge Rebellen zeigen vor brennendem
Hintergrund. Daneben
Bilder von Wolken. Es gab einen
Hinweis auf den „Sturz des Ikarus“
von Breughel. Da ist Ikarus kaum
zu erkennen, nur ein Füßchen
schaut aus dem Wasser. Niemand
beachtet den Sturz. Die Welt dreht
sich weiter.
Das alles fiel mir ein als ich am
oberen Rand meines Bildes, das ich
gerade in Arbeit hatte, eine kleine
Figur entdeckte die aussah wie der
Ikarus auf Picassos Bild über den
Mythos, klein und zart, durch
Hochmut zu Fall gekommen.
So ist mein Bild zu seinem Namen
gekommen.
Spannend finde ich in Bildern zu
forschen: was hat sich abgespielt
zu der Zeit in der sie entstanden
sind und welche Wirkung sie heute
auf den Betrachter haben.
130
Irene Warnke
linke Seite 119
Frau mit Frosch
2006
80 x 85 cm
Öl auf Leinwand
Tod
2005
80 x 95 cm,
Öl auf Leinwand
Seite 120
links
Fabrik und landschaft
2005
80 x 95 cm,
Öl auf Leinwand
oben
Fabrik und landschaft
2005
80 x 95 cm,
Öl auf Leinwand
131
132
Irene Warnke, Sumo, 2006, 80 x 85 cm, Öl auf Leinwand
und ich habe weiterhin damit zu
tun, bis zu meinem Ende, oder Anfang.
Ohne Anfang und Ende Angeregt
durch das amüsante Traktat
„Ein abstruser Begriff“ von Tommaso
Landolfi, das in Form einer Lehrstunde
über „Anfang und Ende“ erzählt,
Begriffe, die wir in unseren
Alltag integriert haben, oft ohne
weiter darüber nachzudenken: Weil
ich zu meinen Bildern nicht auch
noch ein Sprachbild hinzufügen
möchte, vielleicht auch aus Fantasielosigkeit,
antworte ich, wenn
mich jemand fragt wie das Bild
heißt: „Ohne Anfang und Ende“. Vor
einiger Zeit fing ich an auf 3,50 m
langen oder noch längeren Papierstreifen
zu zeichnen, landschaftliche
Bruchstücke, halb versunkene Gebäude,
strukturlose Flecken, Menschen
und Tiere, die dahin ziehen. Es
gibt eigentlich keine abgeschlossene
Komposition, es geht endlos so
weiter, vieles wiederholt sich, neue
Elemente kommen hinzu, die Art
der Zeichnung und die Technik ändern
sich. Die Bildstreifen haben
eine andere Grundlage, andere
Kompositionselemente und sind mit
einer anderen philosophischen Auffassung
erdacht als quadratische Bilder
oder solche im Format von
sagen wir 1,50 x 1,80 m, jedenfalls
einem von vier Seiten begrenzten
Format. Auch wenn das sichtbare
Bild innerhalb seines fest umrissenen
Rahmens dargestellt ist, ist es
möglich die Gestaltung so zu schaffen,
dass deutlich wird, das Bild
reicht in der Vorstellung und Konsequenz
der Komposition über seinen
Rahmen hinaus. Ob eine philosophische
Idee oder eine weltanschauliche
dahinter steht, weiß ich nicht.
Aber Experimentierfreude ist ein
Verhalten mit offenem Ende. Einige
Künstler versuchten auf ihre Weise
das „Ohne Anfang und Ende“ und
damit ihre philosophische Vorstellung
darzustellen. Eigentlich ist die
Frage auch offen, was „Anfang“ und
„Ende“ letztlich bedeuten. Wie ist es
beim Wind mit A & E? Ohne noch
weiter über Zeit und Raum zu reden
kann ich nur anregen, den Text von
Tommaso Landolfi zu lesen.* Jetzt,
wo es sich dem Ende nähert, wird
mir deutlicher, ich habe in meinem
Malerleben von Anfang an mit A &
E zutun gehabt und ich habe weiterhin
damit zu tun, bis zu meinem
Ende, oder Anfang. Ohne Anfang
und Ende Angeregt durch das amü-
langen oder noch längeren Papierstreifen
zu zeichnen, landschaftliche
heißt: „Ohne Anfang und Ende“. Vor
einiger Zeit fing ich an auf 3,50 m
auch noch ein Sprachbild hinzufügen
möchte, vielleicht auch aus Fantasielosigkeit,
antworte ich, wenn
mich jemand fragt wie das Bild
ohne weiter darüber nachzudenken:
Weil ich zu meinen Bildern nicht
Ende“ erzählt, Begriffe, die wir in
unseren Alltag integriert haben, oft
von Tommaso Landolfi, das in Form
einer Lehrstunde über „Anfang und
und Ende Angeregt durch das amüsante
Traktat „Ein abstruser Begriff“
lerleben von Anfang an mit A & E
zutun gehabt und ich habe weiterhin
damit zu tun, bis zu meinem
Ende, oder Anfang. Ohne Anfang
sich dem Ende nähert, wird mir
deutlicher, ich habe in meinem Ma-
ich nur anregen, den Text von Tommaso
Landolfi zu lesen.* Jetzt, wo es
Wind mit A & E? Ohne noch weiter
über Zeit und Raum zu reden kann
offen, was „Anfang“ und „Ende“
letztlich bedeuten. Wie ist es beim
philosophische Vorstellung darzustellen.
Eigentlich ist die Frage auch
mentierfreude ist ein Verhalten mit
offenem Ende. Einige Künstler versuchten
auf ihre Weise das „Ohne
Anfang und Ende“ und damit ihre
oder eine weltanschauliche dahinter
steht, weiß ich nicht. Aber Experi-
Komposition über seinen Rahmen
hinaus. Ob eine philosophische Idee
dargestellt ist, ist es möglich die Gestaltung
so zu schaffen, dass deutlich
wird, das Bild reicht in der
Vorstellung und Konsequenz der
wenn das sichtbare Bild innerhalb
seines fest umrissenen Rahmens
1,50 x 1,80, jedenfalls einem von
vier Seiten begrenzten Format. Auch
erdacht als quadratische Bilder oder
solche im Format von sagen wir
sich. Die Bildstreifen haben eine andere
Grundlage, andere Kompositionselemente
und sind mit einer
anderen philosophischen Auffassung
position, es geht endlos so weiter,
vieles wiederholt sich, neue Elemente
kommen hinzu, die Art der
Zeichnung und die Technik ändern
Tiere, die dahin ziehen. Es gibt eigentlich
keine abgeschlossene Kom-
stücke, halb versunkene Gebäude,
strukturlose Flecken, Menschen und
Bruchstücke, halb versunkene Gebäude,
strukturlose Flecken, Menschen
und Tiere, die dahin ziehen. Es
* Tommaso Landolfi, Mailand gibt es nicht, Band 2, Ein abstruser Begriff, S. 238 ff. Rowohlt 1989
Irene Warnke Übergang, 2005, 51 x 43 cm, Tusche auf Papier
133
Die Welt ist alles was der Fall ist
Die Hecken von Schmerwitz
Kristin Sperlich Kirche Schmerwitz, 1998, 55 x 65 cm, Öl auf Leinwand
Draht und Hühner in Schmerwitz
134
Bär 2009, 15,5 x 11,5 cm, Bleistift
alle Bären: Kristin Sperlich
Bär 2004, 55 x 94 cm, Öl auf Leinwand
Bär 2010, 90 x 63 cm,
Gouache
135
136
Lieber Peter,
Du fragtest, ob ich irgendetwas
schreiben kann. Dämlich, wie ich
bin, sagte ich ja. Ich konnte mich
schon immer schlecht abgrenzen.
Da es unter anderem um
Schmerwitz und die Kunstwoche
geht nur ein paar Sätze zur
Suchthilfe Synanon.
Seit 2000 lebe ich nicht mehr dort,
alles verblasst. Von 1971 an bis
zum moralischen Niedergang Ende
der Neunziger lief die Sache gut.
Ein wildes Projekt, eine Utopie, ein
sicherer Hafen zum Nüchternwerden,
eine aufregende Sache,
die eben nicht in unsere
verwaltete Welt passte.
Später waren wir selbst
eine große, verwaltete Firma.
Mein grenzenloses Erstaunen im
Rückblick: wie konnte das überhaupt
so lange gut gehen? Denn:
wir waren ja eine Sammlung von
Wichtigtuern, Dilettanten, Irren und
Dummköpfen. Und der ganze
Laden war doch fleißig, produktiv,
hektisch und sich immer
neu erfindend.
Eine Sammlung von
Außenseitern. Ein vorbestrafter
Totschläger, ein Mann mit nur einer
Kontaktlinse („hab ich meim Alten
geklaut“), eine Exnutte aus dem
Badischen, deren Gossenslang man
überhaupt nicht verstehen konnte.
Eine Sammlung völlig ungebildeter,
unausgebildeter Freaks. Einige
Emporkömmlinge wurden dann
plötzlich besonders angepasst und
bürokratisch. Wir waren jung,
hatten Biss und Angst vor dem
Rückfall. Das hielt uns zusammen,
ehe alles erodierte.
Für mich war es lange Jahre
das Ideal einer Besitz- und Klassenlosen
Gesellschaft, so wie ein
Orden oder ein Kibbuz.
Es gab gute, kurze Anweisungen an
die Faulpelze: „einfach machen“
und klare Regeln zum Umgang
miteinander und wilde nächtliche
Grupengespräche. Es war eine
großartige Zeit und ich bin dankbar,
dabei gewesen zu sein.
10 Fragen an
Marcus Sperlich
Das Gut Schmerwitz liegt im
827 km² großen Naturpark Hoher
Fläming in Brandenburg. Das Gut
wurde 1991 durch SYNANON erworben
und als sogenannter
Zweckbetrieb bewirtschaftet.
Ziel des Vereins ist es, drogenund
alkoholabhängigen Menschen
einen suchtfreien Lebens- und
Arbeitsrahmen zu bieten.
Marcus, Du warst von 1991 bis
1999 für die landwirtschaftliche
Leitung der 1370 ha verantwortlich.
Ihr habt das ehemalige
Volkseigene Gut auf biologischdynamische
Wirtschaftsweise
umgestellt und umfangreiche
landschaftliche Gestaltungsmaßnahmen
realisiert. Im Jahr 2000
wurde der Betrieb verkauft und
wird seitdem weiterhin als ökologisch
wirtschaftender Betrieb
geführt.
1.
Dir war immer auch die ästhetisch
ansprechende Gestaltung der riesigen
Flächen ein großes Anliegen.
Hattest Du Vorbilder?
Ich habe Landschaftsgärten
kennengelernt und mit ebenso
kundiger wie origineller Begleitung
meines Vaters, einem Kunstund
Gartenhistoriker, durchstreift.
Unter anderem Cirencster, Stourhead,
Wörlitz, Muskau, Branitz,
Pfaueninsel und Babelsberg.
Vorbilder gab es nicht, denn es
gab meines Wissens nie eine so
umfangreiche Umgestaltung von
Agrarlandschaft. Entweder waren
die Versuche zu statisch oder
ängstlich oder zu kleinkariert.
Meine Heckenlandschaften sind
das nicht. Aber es sind ja Fleckenbühl
und Schmerwitz keine Parks.
Auch glaubte ich nie mich auch nur
entfernt mit Fürst Pückler messen
zu können. Meine Leitlinien waren:
Landwirtschaft, Jagd, Ökologie,
Zweckmäßigkeit im Hinblick auf
Großtechnik und zuletzt erst die
reine Schönheit.
2.
Und zwischendurch kamen noch
die Künstler, besetzten Arbeitsräume
und „störten“ den alltäglichen
Betrieb. Kannst Du Dich an
die Symposien erinnern? Du warst
immer sehr präsent und hast die
Kulturschaffenden auch regelmäßig
herumgeführt.
Die Kunstwochen waren einfach
toll. Endlich kamen mal andere
Exzentriker zu uns, als nur unsere
hilfesuchenden Süchtigen. Es war
erhebend und ich bin heute noch
dankbar, dort am Rande mitgewirkt
zu haben.
3.
Was war das für ein eigenartiges
Gebilde auf dem Hof, das so aussieht
wie eine Skulptur?
Das ist ein Oloid.
Paul Schatz, ein Weggefährte
Rudolf Steiners, beschäftigte sich
mit den umstülpbaren Platonischen
Körpern. Ein Oloid wird aus dem
Würfel entwickelt. Mit dem Schlosser
und Ingenieur aus der Schweiz,
Hermann Dettwiler, schufen wir
gemeinsam dieses für die praktische
Landwirtschaft wichtige Gerät.
In der biologisch-dynamischen
Landwirtschaft werden, mit der
Homöopathie entfernt vergleichbare
Verdünnungen eingesetzt,
Hornmist und Hornkiesel, die eine
Stunde gerührt (dynamisiert) werden
zum Ausbringen auf die Felder.
Das Hand-Rühren fand ich immer
etwas langweilig. Trotz der esoterischen
Erklärungen anderer Demeter-Bauern.
Und nun schon gar für
1.300 Hektar? Also ein Uranthroposophisches
Konzept in die Praxis
der Präparate eingeführt.
4.
Welche Musik hörst Du zur Zeit?
Senatra, Ramones, Gerry Mulligan,
Sellah Sue, Kinks, the Internet, Marianne
Rosenberg, Hiatus Kyote,
the Count Bishops, Hazmat Modine,
the Delphonics, Bryan Ferry
5.
Du kochst sehr gerne und gut, das
ist auch ein Kulturgut. Ist Kochen
auch eine Kunst oder – Kunst?
Kochen ist Handwerk und
Abschmecken und eine Prise
Stilempfinden. Zitat von
Christian Lohse:
„Mein Burgund: Flüsse aus Sahne,
Seen von Creme fraiche und Berge
von Butter“.
6.
Muss es für die Kunst Grenzen
geben? Joseph Beuys hat mal behauptet
„Schönheit ist der Glanz
der Wahrheit.“ Kannst Du das
unterschreiben?
Kunst darf alles.
Schön oder nicht, spannend sollte
sie sein.
7.
Du bist umgeben von Kunst aufgewachsen.
Hat Dich das positiv
beeinflusst?
Kann gut sein. Hab’s aber erst spät
gemerkt. In der Kindheit wurde uns
viel vorgelesen, von Grimms Märchen
bis Homer. Viele Künstler und
Dichter verkehrten bei meinen
Eltern und schon früh ging ich zu
Atelierbesuchen mit. Museumsbesuche
waren häufig und selbstverständlich.
Kunst ist ja das einzige
was uns aus unserer Banalität
befreit. Egal ob man ein Bild von
Mark Rothko anschaut oder in eine
romanische Kirche geht, Joseph
Conrad liest oder was immer. Auch
mein Großvater war ein gebildeter
Kunstkenner. Ich bin dankbar dafür,
dass ich von Kindheit an nie
trocken belehrt wurde über Kunst,
sondern spielerisch herangeführt
wurde und dass immer jemand da
war diesbezügliche Fragen von
mir zu beantworten.
8.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Eine lustige Frage. Ja, fast alles.
Wie sah das Leben aus? Was ist
schön? Womit beschäftigten sich
die Menschen jener Epoche?
Wie wurden Herrscher gesehen?
Wie schaut uns die Natur an?
Wie überlebt man? Was sind
Farben? Und: soziale Verhältnisse,
Utopien, Glaube, Architektur,
Männer, Frauen und Kinder.
9.
Und vielleicht hast Du selbst ja
noch ein paar Antworten, ohne
dass Du gefragt bist.
Vertraue dir selbst.
(Ralph Waldo Emerson)
Schön, wenn man
ein tolles Weib hat.
Hauptsache es gibt
was zu lachen.
Vegan ist ein pseudoreligiöser
Scheiß.
137
Die Welt ist all
Wuthering heights
Tut / Off the hook
Beileidige
Mittleibige
Füllgewichtige
Sorglosigkeitige
Ein für alle Mal
Ich Else Lasters Schüler
Armenhausverschwürige Ästhetik
von schweinbeinigkeit und
Weiß schon lang nicht mehr
vor blinder Wut
Idealgewichtigtum
Noch ein nicht aus
Die Wupper fließt trotz alledem
Dein Leib wie Fisch
wie Pelz dein Haar ich labe mich
so wie zu Tisch mit deinen Worten
die aber keine Worte sind
ich nehm sie an und es ist gut
und mir ist wohl und warm
in deinem Arm
die Liebe die nicht endet
fing nicht an
Zweileidige Ausflucht vor Ort
Dreibeinige homunkulusse
Ergießt sich aus sich selbst heraus
Und will um eine Ecke biegen und
zwischen Stühlen und Mäusen
Ach! Was
Fast wie nebenbei
Die Kurve zur Vernunft
Wenn die Welt
Auf meine Worte warten tut /
noch kriegen
Dieweil die Bretter dieser Welt
Vor lachen sich verbiegen
wartet
Wie auf erdbeertorte / nicht
Ho ho!
minder ist des Narren Wut
Er brennt an einer blinden Glut
Die niemand nichts nicht weh tun
tut
Ich bin ein Narr du bist ein Geist
und weil nichts war
wird auch nichts sein
die Seele fliegt um dich herum
kommt nicht hinein
in deinen Leib
der nur ein Körper war
Fundstücke, März 2013
Ich schrei nach dir du hörst mich
nicht und spürst mich nicht
du bist zu weit entfernt von mir
und zwischen uns ist es zu tief
zu hoch zu weit und
es fehlt die Gelegenheit
wir leben in der falschen Zeit
Geliebter Geist
Fundstücke
Stühle, Peking 2012
Fundstücke
13. April 2015, 09:34
zufällig auf dem Rückweg vom Cafe Rat und
Tat durch die Scheiben der JunirUni gesehen:
Grölle bei der Arbeit.
138
139
10 Fragen an
Jürgen Grölle
Mit einem vertrauten „Lieber
Bolle“ fangen wir mal an, um
direkt unser Verhältnis klar zu
stellen. Also, das ist nicht objektiv
und journalistisch, nicht distanziert,
dazu kennen wir uns zu lange und
selbstverständlich erst recht nicht
ohne Hintergedanken. Dazu kennst
Du mich zu gut. Also vorsichtig bei
Deinen Antworten. Und die mir
wichtigste zuerst. Um direkt mit
der Tür ins Haus zu fallen.
1.
Wann beendest Du denn Deine
nun bereits fast siebenjährige
„Pause“ in der Malerei? Du weißt
ja, dass ich Deine Bilder noch
immer sehr schätze. Nebenbei, die
Musik auch, aber das ist noch ein
spezieller Fall. Ich hoffe, da kommt
nicht ein „das ist doch Geschichte“
und „ich fühle mich doch so wohl
als Galerist“ (der Du ja nie sein
wolltest). Weil da ja die Probleme
mit dem Markt, den Sammlern
dieselben sind, wie im Umgang
mit den eigenen Tafelbildern. Oder
sind Dir einfach nur die Ideen ausgegangen?
Nein, die Ideen sind mir nicht
ausgegangen und in der Tat fühle
ich mich auf der linken Seite
amputiert. Aber die Arbeit mit der
Kunst anderer ist genau so ein
künstlerisch kreativer Prozess wie
die Malerei selbst.
140
„Das letzte Bild“, Jürgen Grölle, Malerei 2009
2.
Falls Du in der Malerei schon alles
gemalt hast, was Du wolltest und
was ging, na gut. Vielleicht befehlen
Dir ja irgendwann „höhere
Wesen“ weiterzumachen. Besteht
da doch noch eine kleine Hoffnung?
Kannst Du von der Kunstarbeit
leben? So direkt persönlich,
oder geht da alles, was da reinkommt,
wieder raus in die
Galerie-Arbeit?
Die höheren Wesen versuchen es
ständig, und ganz auszuschließen
ist es wirklich nicht. Ich weiß es
wirklich nicht. Ich lebe mit und
von der Kunstarbeit seit mehr als
30 Jahren. Es geht immer weiter.
Früher habe ich das Geld für Farbe
ausgegeben, heute für den Raum
für die Kunst von Künstlern, die
ich gerne ausstellen will.
3.
Bist Du immer zufrieden mit der
Kunst und den Ausstellungen
„Deiner“ Künstler? Und mit Deinen
Gästen, oder ist das egal? Da gab
es ja mal dieses Bild von den
Gottsucherbanden und den Unter-
Jürgen Grölle, Turin, 2015
haltungsidioten. Bist Du auch schon
mal pädagogisch unterwegs? Verspürst
Du eine Mission?
Ja. Mit meinen Künstlern und mit
meinen Gästen bin ich sehr zufrieden.
Und ich denke, dass beide
Seiten genau meine Mission spüren
oder verstehen: Nicht das Geld
verdienen aber das ganze Kunstding
eben, warte mal, ich würde
sagen, das mit der Mission ist sehr
komplex. Etwas mit drei Worten
hierzu zu sagen wäre zu wenig.
Was mich an der Galeriearbeit sehr
interessiert, ist einen Ort zu
schaffen, wo sich Schöpfungskraft
und Gestaltungswille entfalten
können und sichtbar werden.
4.
Vermisst Du die Musik, die Du nicht
mehr machst oder brauchst Du da
auch nur mal eine Pause? Da war
ja eine Menge an Energie zu hören.
Man erinnert sich an das eine oder
andere Saxofonspiel ... Und jetzt,
da Ornette einen anderen Ort
aufgesucht hat ... Das Saxofon
wurde ja auch erfunden, um die
Musik beim Marschieren besser
hören zu können.
Und zu spüren.
Ja, ja, Die Musik vermisse ich auch,
da denke ich auch ständig drüber
nach, in meinem „Keller“ mit alten
Musikerfreunden sessions zu
machen, aber irgendwie fehlt mir
doch die Zeit.
5.
Spielen der Kunstmarkt, Museen,
Galerien und Sammler für Dich
eine entscheidene Rolle?
Bist Du im „Geschäft“? Oder
beschreitest Du da auch einen
neuen Weg? Oder bist Du da
völlig unbeeinflussbar?
Wenn man sich auf die andere
Seite des Tisches begibt, nämlich
Kunstvermittlung und auch Kunstmarkt,
kann man sich vornehmen,
alles anders zu machen. Aber am
Ende holt einen die Realität doch
ein. Wenn man über- regional oder
sogar international „mitspielen“
will, muss man schon auf bestimmte
Standards achten.
Ich bin jetzt bald sechzig Jahre alt,
und ich kann deswegen auch alles
etwas entspannter angehen. Mir
ist sehr wichtig, dass die Künstler
wissen und spüren, dass ich mich
professionell um sie kümmere.
6.
„Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?“ Diese Frage halte ich
für ziemlich überflüssig. So wie Du
über die Kunst sprichst, die Du in
Grölles „passprojects“ ausstellst.
„Wem das Herz voll ist, dem läuft
der Mund über.“ So eine alte
Volksweisheit oder war es Martin
Luther? Also zurück zu den Kollegen.
Vermisst Du Peter Kowald?
Vermisse ich sehr.
7.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Künstler, Schlüsselbilder oder
Skulpturen in der Kunstgeschichte?
Oder sind es eher die Haltungen,
die Herangehensweisen, die Art
der Auseinandersetzung?
Beides. Es gibt für mich wichtige
Maler, wie zum Beispiel Jonathan
Lasker und noch viele andere, vor
allem Maler der frühen 90er Jahre,
die sich mit postabstrakter Malerei
beschäftigt haben. Aber meistens
interessieren mich die Haltungen
unterschiedlicher Künstler. Menschen.
Auf die Geschichte bezogen
Dadaismus und Fluxus.
8.
Hast Du Deine Arbeit jemals als politisch
empfunden?
Indirekt Ja. Kunst im Allgemeinen
ist politisch, aber subversiv.
Plakativ politische Kunst finde ich
doof. Überall da, wenn Menschen
versuchen, die Welt zu gestalten,
ist das politisch. Jeder Mensch ist
ein Politiker. Das hat Beuys so nicht
gesagt, aber gemeint.
9.
Deine legendären Donnerstags-
Suppenabende für die armseligen
und verlorenen Seelen und die
Neugierigen und die Heimatlosen
und die, die neben der Suppe auch
die Rede suchen und die interessantesten
Menschen der Talsohle
und der Höhen natürlich. Du hast ja
auch vor der Hochkultur weder
Berührungsängste noch falschen
Respekt. Da trifft sich bei Dir nicht
nur die Szene, die Künstlerkollegen
auf der Suche nach Erleuchtung,
nach den Künstlern für die Künstler,
da trifft man auch gestandene
Menschen aus der Wirtschaft, dem
Geistesleben und schon mal den
ein oder anderen Sportler. Sei es
der Boulespieler oder doch nur der
Kumpel aus der Gym. Zurück zum
Existenziellen: Was ist denn Dein
Lieblingsgericht? Womit kann man
Dir etwas Gutes tun?
Eisbein, Sauerkraut und Stampfkartoffeln.
10.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Hoffnung.
Lieber Herr Grölle,
ein herzliches Dankeschön für ein
aufschlussreiches Gespräch an
einem Donnerstagabend in der
Ausstellung „Heimatplan“,
Februar 2016.
Peter
„Im Osten nix Neues“, Jürgen Grölle,
Malerei 2009
141
10 Fragen an
Kim-Ludolf Koch
Lieber Kim.
Es muss 1993 gewesen sein, da
sind wir, Du als eingeladener Gastkünstler,
Gudrun und ich (Peter)
gemeinsam nach Schmerwitz zur
ersten Kunstwoche gefahren. Auf
dem Hinweg haben wir Catherine,
Deine Frau, in Bayreuth „von der
Arbeit“ abgeholt. Sie war damals
Gewandmeisterin bei den
Bayreuther Festspielen und sehr
beeindruckt von Yōji Yamamoto,
der die Kostüme der Inszenierung
entworfen hatte.
Wie viele aus unserer Generation,
waren wir Kollektivisten (als
Betreiber einer Galerie für intermediale
Zusammenarbeit an den
Rändern der Kunstwelt) damals
weit weg von den „Schlachten der
Gefühle“ und den schweren und
altmodischen Wagner-Vorgängen.
Wie wurden Wagner und die Inszenierung
von Heiner Müller damals
in der Zeit im Essay „Geometrie des
Todes“ von Eckhard Roelcke
beschrieben: „Das Sehnen und
Wallen, das Drängen und Stocken
der Musik, die bekannten rätselhaften
dissonanten Akkorde und all
die Vorhalte stimulieren das Auge.
Je länger man auf dieses monochrome
Bild starrt, desto mehr
scheinen sich die Konturen zu bewegen.
Die Farbe beginnt zu
flimmern. Doch die Sinne werden
getäuscht, denn in Wirklichkeit
passiert nichts. Alles Trug und
Wahn.“
Und dann später weiter: „Zwei
Welten, die sich gleichen und doch
unendlich voneinander entfernt
sind. Irgendwo verläuft eine
Grenze, aber die ist unsichtbar.“
Wir überfuhren dann die ehemalige
Grenze zur DDR (Ostzone)
Richtung Schmerwitz bei Belzig.
Der „Hohe Fläming“, eine historische
Landschaft, bekannt vor allem
durch die Schlacht von 1813, in der
preußische Soldaten und russische
Kosaken ein französisches Korps
von 10.000 Soldaten bis auf 3.000
Mann vernichteten.
Kim, Du hattest Betriebswirtschaft,
Publizistik und Germanistik studiert
und auch bei freien Spielfilmprojekten
mitgearbeitet, u.a. 1988 mit
Christoph Schlingensief, mit dem
Du „Mutters Maske“ produziert
hast. Ein Film mit Helge Schneider
als Martin Mühlenbeck und Brigitte
Kausch, die später mit dem
„deutschen Kettensägenmassaker“
bekannt wurde.
Für die Kunstwoche in Schmerwitz
hattest Du Dir das 8. Streichquartett
von Dmitri Dmitrijewitsch
Schostakowitsch vorgenommen
und wolltest das mit einem Film
über die kommende Woche
verbinden. Den Film hast Du auch
am Ende der Woche in einer
Uraufführung gezeigt: „High Art by
Low Budget“. Es gab darin eine
Reihe von ungewohnten Bildern
aus neuen Ländern, Künstler bei
der Arbeit, Landschaften und die
Hauptsache – die Musik.
Das Streichquartett c-Moll op. 110
ist Dmitri Schostakowitschs
8. Streichquartett.
Es ist sein autobiographischstes
Werk und gehört heute zu den
meistgespielten Streichquartetten
überhaupt obwohl es ein düsterkomplexes
Werk ist, mit dem
Schostakowitsch persönliche
Erinnerungen an Verfolgung,
Gängelung und Krieg musikalisch
reflektierte. Aber auch: „... ich
[habe] ein niemandem nützendes
und ideologisch verwerfliches
Quartett geschrieben. Ich dachte
darüber nach, dass, sollte ich
irgendwann einmal sterben, kaum
jemand ein Werk schreiben wird,
das meinem Andenken gewidmet
ist. Deshalb habe ich beschlossen,
selbst etwas Derartiges zu schreiben.
Man könnte auf seinen Einband
auch schreiben: ‚Gewidmet
dem Andenken des Komponisten
dieses Quartetts’. …“ [1]
Doch nun, nach dieser kleinen aber
hoffentlich angemessenen Einleitung
zu den zehn Fragen:
1.
Lieber Kim. Machst Du heute
immer noch Filme?
Nein, leider nicht. Aber ich habe
nach wie vor täglich mit Filmen zu
tun. Ich versuche so oft wie möglich
ins Kino zu gehen – privat wie
beruflich.
2.
Heute bist Du Geschäftsführer der
Cineplex Deutschland GmbH, verkürzt
gesagt bist Du zuständig für
450 Leinwände und 84 Kinos. Hast
Du die Seiten gewechselt?
So könnte man es sagen. Die
Cineplex-Gruppe ist ein Verbund
von 25 Familienunternehmen, die
zum Teil seit über 100 Jahren Kinos
betreiben. Seit 20 Jahren begleite
ich diese Kooperation und koordiniere
alle Aktivitäten, die diese Unternehmen
gemeinsam machen
können. Das beginnt beim Einkauf
sämtlicher Produkte und Dienstleistungen.
Das beginnt bei Popcorn,
Cola, Bier über technische Leistungen
wie Webseite, Kassensysteme
bis hin zu den Filmen. Im letzten
Jahr haben wir die Grenze von 500
Leinwänden überschritten und sind
mit 20 Mio. Kinobesuchern die
größte deutsche Kinomarke.
künstlerische Schaffen anderer.
So gehören für mich die Dokumentationen
„The Artist is present“
über die Künstlerin Marina
Abramovic und „Das Salz der
Erde“ über den Fotografen
Sebastao Salgado zu den
beeindruckendsten Filme der
letzten Jahre.
4.1 - 4.7.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Filme? Vielleicht kannst Du uns
sieben glorreiche nennen, die wir
unbedingt sehen müssen?
„Das Dschungelbuch“ von
Walt Disney, mein erster Film im
Kino, der immer noch unvergleichlich
ist.
„Egomania – Insel ohne Hoffnung“
von Christoph Schlingensief,
bei dem ich den allerersten
Kontakt als Kameraassistent zu
dem Medium bekam.
„1,2,3“ und „Zeugin der Anklage“,
weil Billy Wilder einer der
genialsten Regisseure aller Zeiten
war.
„French Connection“ von
William Friedkin, weil es keinen
besseren Polizeifilm gibt.
3.
Kannst Du Dich neben den „großen
Gefühlen“ und auch den Katastrophen
auf den immer größer wer-
Enrico mit Alain Delon und Lino
„Die Abenteurer“ von Robert
denden Leinwänden auch für die Ventura, weil die Freundschaft der
bildende Kunst begeistern? Männer über alles geht
Oder ist das kein Widerspruch und „Ausser Atem“ von Jean-Luc
es gehört einfach dazu, wenn man Godard, weil Belmondo so wunderbar
französische Zigaretten raucht
die humanistische Bildung,
Literatur, Wissenschaft und auch und niemand schöner Zeitungen
das Engagement im Gemeinwesen verkauft hat als Jean Seberg
für wichtig erachtet und pflegt.
„Das Leben der Anderen“ von
Film führt viele Künste zusammen, von Donnersmarck, weil deutsche
wenngleich oft im wesentlichen Geschichte selten so gut dargestellt
kommerzielle Ziele dabei im wurde.
Vordergrund stehen. Aber auch
dann ist das eine große Kunst, Und noch viele viele andere mehr
nämlich den Geschmack breiter
Massen zu erreichen. Persönlich 5.
interessieren mich allerdings eher Gehst Du zum Essen gerne aus
die anspruchsvolleren und künstlerisch
ambitionierteren Werke. gerichte eher Zuhause?
oder findest Du Deine Lieblings-
Eine besondere Leidenschaft gilt Was ist Dein Lieblingsgericht?
dem Dokumentarfilm über das Schon seit Generationen lautet
die Familientradition, Sonntags
Spaghetti mit einer einfachen, aber
wirkungsvollen Tomatensauce mit
der Familie und Freunden zu essen.
Ich gehe gerne essen, ziehe aber
die häusliche Atmosphäre guter
Köche vor – ebenso wie ich auch
gerne Freunde zu Gast habe.
6.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Hier ist es so ähnlich wie bei den
Filmen. Das Spektrum ist groß und
umfasst Werke von Bach,
Beethoven, Glass, Schubert, Ravel,
Chausson, Shostakovitsch (vorzugweise
deren Kammermusik) über
Getz, Blakey, Davis, Coltrane,
Peterson, Garbarek, Gardot, Jarrett,
Jarreau bis hin zu Zappa, Cash,
Genesis, Adele, Sinatra,
Winehouse, Cullum, Waits,
und viele viele mehr.
7.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war eher im Von der
Heydt-Museum oder in der Galerie
Grölle?
Sowohl als auch. Beide Finckh und
Grölle leisten auf ihren Plattformen
Großes für die Kunstszene in
Wuppertal.
High 8.
Kann man aus Filmen etwas lernen
oder sind sie mit dem Schluss zu
Ende?
Das widerspricht sich nicht und
natürlich kann man aus Filmen
etwas lernen – wenn man will.
Und manchmal möchte man
einfach auch nur gut unterhalten
werden oder wie es in der alten
schönen Berliner Kinoweisheit so
schön heißt. „Wenn ich schon
5 Mark zahle, dann will ich auch,
dass an meine niedersten
Instinkte appelliert wird.“
142
[1] Isaak Glikmann: Story of a Friendship: The Letters of Dmitry Shostakovich to Isaak Glikman. Cornell University Press 2001, S. 90 ff.
GROSSES KINO: „KIM & CATHERINE“
143
144
Andrea Hold-Ferneck Die Äpfel von Schmerwitz 1996
145
„– enfin, es ist alles in einer so merkwürdigen Weise melancholisch,
dass es einen Anblick bietet, der glücklicherweise so komisch ist, dass
man, statt darüber zu weinen, seinen Spaß daran haben kann”.
Vincent an Theo, 1883
Sonnenblumen. Neujahrsspaziergang 2009 mit Catherine, Susanne, Gudrun, Dirk, Peter und Bodo
146
147
Huitzilopochtli Edition
Herausgegeben vom
Atelier- und Galerie-Kollektiv
Anfang 1998 begann das Atelier-und Galerie-Kollektiv eine Serie mit multiplizierten Künstlerhandgriffen.
Diese Handgriffe sind Originalhandabdrücke von Künstlern in Tonerde, die anschließend in
Bronze gegossen werden. Vorgesehen war jeweils eine Auflage von 50 Originalexemplaren.
Grundlage dieser Edition ist Bodo Berheides Performance tausend handgriffe an einem tag,
1984 in der Galerie APROPOS in Luzern. Innerhalb dieser ca. 6-stündigen Aktion fertigte Berheide
tausend Handgriffe aus Tonerde an. In diesem Jahr wurden die ersten fünf Exemplare der für die
Edition vorgesehen Bronzehandgriffe von Bodo Berheide angefertigt. Weitere Künstler sollten
folgen.
Kunstarbeit – die ersten zehn Jahre.
Katalog, s/w
148 x 210 mm,
1987, Auflage 500 Stück
vergriffen
längst vergriffen
148
eine Tüte Überlebensmittel, herausgegebn zur Eröffnung der Ausstellung „Überlebensmittel“
in der Central.Galerie Remscheid. 2015. Auflage 30 Stück.
Bodo Berheide, Christian Ischebeck, Georg Janthur, Peter Klassen
„Freundschaft“. Multiple 18 x 24 cm.
Bodo Berheide / Peter Klassen: Multiple „Freundschaft“,
Leinwand auf Keilrahmen, 24 x 18 cm. Auflage: 40 Stück
Anlässlich der Ausstellung für Sri Lanka in der Galerie Epikur 2005
mit Renate Löbbecke, Regina Friedrich-Körner, Nanny de Ruig, Jörg Lange,
Peter Klassen, Bodo Berheide, Björn Überholz und Jürgen Grölle
vergriffen, so wie der Katalog zur Ausstellung
149
Huitzilopochtli Edition
Herausgegeben vom
Atelier- und Galerie-Kollektiv
CDs
mittlerweile eine
altertümliche Erscheinung
Das „Samurai-Orchestra“. Kein Gruß aus der
Küche, aber aus der Stadt am schwärzesten Fluss
der Welt, aus Wuppertal. All compositions,
played instruments and sometimes some lost
words & The virtual section: violins, basses, guitars,
switched drumloops, hammondorgans, synthPads,
(IMac, Prologic, M-audio-keyboard),
drumBOX. The real section: alto saxofones, Steinberger
bass-guitar, D’Armond-guitar, slide-guitar,
trash-guitar: Peter KlasZen. Meistens keine
Gäste. HeatWave: Zu-spät-Gebet des Samurais.
Wissen ist Nacht im Dunkel der Macht. ZEN – die
größte Lüge aller Zeiten: Transluzierte Rhythmen,
verrutschtes Geflügel und allerhand anderes Getöne.
„Für die Vögel (im Käfig)“ – John-Cage-
Groove. Totenwache. Für die verlorenen Freunde.
SHUTUP & play my MASTERPIECE: Never-endingplaylist.
Unendlich langer Klang, versöhnliche
Gezeitenschnecken. Drei-Körper-Leere: Gezupft
und gestrichen. Ohne Worte. Gelächter über rote
Sterne. („Am Ende wird uns niemand trösten
wenn wir in der Hölle rösten.“) Schweinehunde,
lächelnd: „Aufstand des Denkens gegen die
Kriegszivilisation des Geldes“, sagt Andreas
Steffens, sei notwendig. Verbrannte Erde. MOR-
GENRÖTE. Inmitten von Kirschblüten. Und immer
noch: offene Weite und nichts von heilig „... and
shall be tormented day and night for ever and
ever.“ exakt: (4 min 21)„WE’LL MEET AGAIN.“ Samurai,
last call.
„Die Ros´ ist ohn´ warum, sie blühet, weil sie
blühet. Sie acht´ nicht ihrer selbst, fragt nicht,
ob man sie siehet.”
Angelus Silesius.
Die Grundlagen dieser Musik bildet das Kunstwerk
„Sounds from the solar system“, von
Dirk Schlingmann 1999 in Bethany, West-Virginia,
veröffentlicht. Das war im letzten Jahrhundert.
Peter Klassen und Dirk Schlingmann trafen sich
das erste Mal im Jahr 1997, sie nahmen Teil
an einer Performance, zu der sie von Bodo
Berheide und seinem FIGURA MAGICA Projekt
eingeladen waren. Es war ein sehr, sehr kalter
Wintertag in Bethany, West-Virginia, draußen
unter einem gefrorenen Himmel. Computersounds,
eine mit dem Bogen gestrichene Bassgitarre
und Bodos Tanz um seine Skulptur
FIGURA MAGICA, das war die erste Zusammenarbeit.
In den Jahren danach arbeiteten Dirk
und Peter in mehreren Performances in
Deutschland zusammen. 2012 begann Peter
einen „REMIX“ mit Dirks „Solar-Sounds“. Anfang
2014 wurde diese Arbeit von beiden für
gut befunden und beendet.
eins zu eins
ein kleines Hardcoverbuch im Format 16 x 16 cm. 64 Seiten. Ausschnitte aus Arbeiten verschiedener Künstler im Format eins zu eins.
Aus Kunstwerken von Monika Günther, Ruedi Schill, Mogens Otto Nielsen, Harald Wolff, Rolf Glasmeier, David Mega, Volker Anding,
Juliane Stiegele, Paul Dieter Häbich, Rolf Glasmeier, Irene Warnke und anderen ...
leider auch vergriffen
B7
bodo berheide
Peter Klassen
Musik der Straße
150
Infiltración
El Mundo : El Idioma : El Arte
6PACK meets Matagalpa, Nicaragua
herausgegeben vom Atelier- und Galerie-
Kollektiv 2007, Auflage 300
Hardcover, Format 205 x 205 mm
96 Seiten
6PACK:
Regina Friedrich-Körner,
Renate Löbbecke,
Jörg Lange,
Nanny de Ruig,
Bodo Berheide
und
Peter Klassen
aus Nicaragua:
Miladys Flores,
Danilo Rivera
und
Pablo Pupiro
Katalog
zur Ausstellung
in der
Hagenring-Galerie 2015
„Was übrig bleibt – die Kunst“
148 x 148 mm
96 Seiten
Auflage 100 Stück
vergriffen
Katalog zur Ausstellung
„Kaufhaus Michel“
im Haus Fahrenkamp 2013
148 x 210 mm
96 Seiten
Auflage 200 Stück
vergriffen
Die Künstlergruppe 6PACK:
Regina Friedrich-Körner, Renate Löbbecke,
Peter Klassen, Jörg Lange, Bodo Berheide und
Nanny de Ruig. Seit 2002 war die Wuppertaler
Künstlergruppe mit der 1 m 3 großen Kiste,
gefüllt mit Kunstwerken und Projektideen,
in Partnerstädten von Wuppertal und sorgte für
einen intensiven kulturellen Austausch.
2012 bis 2013 ging die Kunst:Kiste allein auf
eine Reise durch Europa. Im Mittelpunkt standen
internationale künstlerische Interaktionen,
an denen sich zahlreiche Künstlergruppen
beteiligten.
Annähern, reflektieren, entnehmen, vielleicht
verändern und auch austauschen, reagieren.
Eine Form suchen, diese entstandenen Ideen,
Ereignisse und auch neu entstandene Kunstwerke
weiter transportieren.
www.movingartbox.de
151
Huitzilopochtli Edition
Herausgegeben vom
Atelier- und Galerie-Kollektiv
wird fortgesetzt ...
Literatur
Papiertiere Hardcoverbuch im Format 210 x 210 mm. 86 Seiten. Kunstgeprägte plastische Bilder ... Auflage 200 Stück. Ein Kleinod.
Augé, Marc
Non-Lieux.
Introduction à une
anthropologie de la
surmodernité,
Paris 1992; deutsch:
Nicht-Orte, Neuausgabe
München 2010
Dubuffet, Jean
Positionen
einer Gegenkultur,
in: ders.,
Malerei in der Falle.
Antikulturelle Positionen
(Paris 1967),
Schriften Band I,
Bern-Berlin 1991
Foucault, Michel
Die Heterotopien,
Der utopische Körper.
Zwei Radiovorträge,
Ffm 2005
Kitaj, Ronald Brooks
Erstes Manifest des
Diasporismus,
Zürich 1988
Perec, Georges
Espèces d’Espaces,
Paris 1974, deutsch:
Träume von Räumen,
Bremen 1990;
Neuausgabe
Zürich-Berlin 2014
Serres, Michel,
Atlas, Paris 1994;
deutsch Berlin 2005
Steffens, Andreas
Lekcja Beuysa, in:
Sztuka, Warschau,
Heft 4, 1988, 45-48; 57
Steffens, Andreas
Poetik der Welt,
Hamburg 1995
Steffens, Andreas
Selbst-Bildung.
Die Perspektive der
Anthropoästhetik,
Oberhausen 2011
Seinen Ort hat nur, was dort, wo es ist, sein kann, was es ist.
152
I
Zerstreuung
Es gibt keine Kunst mehr.
Sie hat sich vervielfältigt,
und aufgespalten: in Kunst und
UnKunst.
Wer heute von ihr spricht, muss
sagen, von welcher Kunst er spricht
– : von der Kunst als einem menschlichen
Vermögen, in der Welt zu sein,
oder von einer UnKunst, die eine der
vielen Masken ihrer Doppelgängerinnen
annahm.
Der klassische Ikonoklasmus ist
inzwischen durch eine weitere, ihrer
frivolen Dialektik verblüffende, Form
erweitert worden: die schleichende
Zerstörung der Kunst durch ihre Totalisierung.
Ihre Bestimmtheit geht
verloren, dermaßen, wie der Kreis
dessen, was als Kunst gelten soll,
sich unüberschaubar ausdehnt, und
die Orte, an denen sie anzutreffen
sein soll, sich vervielfältigen.
Seinen Ort hat nur, was dort, wo
es ist, sein kann, was es ist.
Die Verwirklichung der Avantgarde
ist zum Albtraum der Kunst
geworden. Aus den Institutionen
auszubrechen, hat sie auf Dauer
nicht von deren Enge und Exklusivität
befreit, sondern vogelfrei gemacht
für die ebenso hemmungslosen
wie desinteressierten Zugriffe
des Kommerzes und der Vergnügungssucht
der Arbeitsgesellschaft.
In alle Bereiche des Lebens eingedrungen,
scheint die Kunst in ihm
aufgegangen zu sein. Doch überall
ist nirgends. Sie nun allerorts anzutreffen,
heißt nicht, dass sie überall
auch hingehört. Am wenigsten, dass
sie überall auch als das, was ist, aufgenommen
wird.
Sie befindet sich in einem zwangsnomadischen
Exil: von dort, woher
sie stammt, dorthin verschleppt,
wohin sie nicht gehört; von dort in
die Flucht getrieben. Denn der Preis
ihres gesellschaftlichen Erfolges ist
ihr ästhetisches Versagen. Je mehr
ihre Verbreitung zunimmt, desto geringer
wird der Anteil der Kunst an
der Kunst. Ihr Erfolg weckt die Begehrlichkeit
der Halbtalente,
der Dilettanten und Simulanten.
Der professionelle Dilettant
besiegelt ihre Verwandlung
zur UnKunst. Seine Simulationen
überschwemmen die
Orte, wo sie nicht hingehört.
Das Werk wird durch sein
Fake verdrängt. Im Zeitalter
des totalen Als-Ob muss nichts
mehr sein, was es zu sein vorgibt,
fällt die Vortäuschung
nur geschickt genug aus. Die Beherrschung
der Attribute hat die Hervorbringung
der Substanzen ersetzt.
Übernimm die Geste, und man wird
dein Machwerk betrachten wie ein
Meisterwerk derer, denen du sie
nachahmst. Die Gleichgültigkeit als
Bedingung der asozialen Gesellschaft
einer totalitären Bereicherungsökonomie
hat die Entprofessionalisierung
aller Milieus und Lebensbereiche
zu deren verheerendster
Eigenschaft werden lassen. Damit
einher geht das Verschwinden der
Kritik, die keinen Ort in der Öffentlichkeit
mehr hat, und sich unter
Aufgabe sachlicher Maßstäbe des
Wertens in eine Abteilung der Werbebranche
verwandelt hat. An die
Stelle des Urteils des Kritikers trat
der Werbetext des Kurators.
Kein Ort mehr, an dem Kunst nicht
anzutreffen wäre, keiner mehr, an
dem sie bei sich ist. Da ihre gesellschaftliche
Präsenz grenzenlos wurde,
verlor Kunst ihre Bedeutung. Nicht
mehr an besonderen, von Wertschätzung
bestimmten Orten ausgestellt,
sondern überall gleichgültig
hergezeigt, stehen die Werke ungesehen
an den Prangern blinder
Schaulust. Überall zu sehen, sind sie
unsichtbar geworden. Die Zerstreuung
kirmeshafter Unterhaltung verdrängte
die Aufmerksamkeit bewusster
Wahrnehmung.
Für alle zugerichtet, zerfällt die
Kultur. Wozu Museen, Galerien,
wenn man Bilder in jedem Café,
beim Friseur, in Wartezimmern aller
Art zu sehen bekommt? Wenn es
denn noch Bilder wären, und keine
visuellen Plazebos.
Kunst wurde im buchstäblichen
Andreas Steffens
Utopie des Exils oder Topologie der Kunst
Der Raum ist ein Zweifel: ich muss ihn unaufhörlich abstecken,
ihn bezeichnen; er gehört niemals mir, er wird mir nie gegeben,
ich muss ihn erobern.
Sinn des griechischen Wortursprungs
utopisch: ortlos. Sie hat keinen Ort
mehr, weil ihr eigener von etwas
anderem besetzt wurde, das von ihr
kaum zu unterscheiden ist. Überall,
wohin sie auch geht, ist sie schon
da: eine freche Doppelgängerin,
zum Verwechseln ähnlich, hat sich
dort festgesetzt, wo sie sich niederlassen
wollte. Das hat sie weniger
zu einer Nomadin, als zu einer Exilantin
werden lassen.
Das muss kein Unglück, es kann
ihr künftiges Glück sein. Da sie nirgendwo
mehr ihren angestammten
Ort hat, kann sie nun überall sein,
was sie ist. Da sie keinen eigenen
Ort mehr hat, kann Kunst jeden zu
ihrem machen. Dort aufzutreten,
und sich als das, was sie ist, zu behaupten,
wo sie nicht hingehört,
wird zur Probe darauf, ob sie Kunst
noch sein will. Falsch ist nicht, dass
Bilder in einem Café, einem Friseursalon
hängen; falsch ist, dass sie
keine Bilder mehr sind. Ihrer Erniedrigung
zur Dekoration auch der öffentlichen
Räume nach der der privaten,
begegnet sie mit dem Selbstbewusstsein,
sich überall behaupten
zu können. Nichts ist so exklusiv wie
ein echtes Werk am falschen Ort.
II
Metropole, Peripherie, Markt
Georges Perec,
Die Eroberung des Raums
Die Geschichte der modernen
Gesellschaft war geprägt vom Gegensatz
Stadt-Land, Metropole-Peripherie.
Mit der postmodernen
Globalisierung der Diktatur der Bereicherungsökonomie
ist er gegenstandslos
geworden. Die Gesetze
des Kapitalmarktes gelten grenzenlos.
Sie nivellieren alle regionalen
und kulturellen Unterschiede. Entsprechend
herkunftslos werden die
Plazebos der UnKunst, die die klassischen
Orte der Kunst von überallher
überschwemmen.
Als gesellschaftliches Phänomen
wird der Ort der UnKunst nicht von
deren Produzenten bestimmt, sondern
von ihren Verwertern und
deren Publikum. Die Kleingewerbetreibenden,
die die UnKunst herstellen,
fallen zurück auf den ersten Status
des modernen Intellektuellen,
des Hofnarren. Aber anders als dieser,
besitzen sie nicht mehr dessen
Narren-Freiheit, sondern unterliegen
ausschließlich den Zwängen ihres
regierenden Fürsten, der Agenten
der weltumspannenden Kapitalverwertung,
den Banken, Großkonzernen,
Unternehmen aller Art, und
den Launen des über allen thronenden
Königs Publikum: ungebildet,
gelangweilt, vergnügungssüchtig.
Die Macht seiner Kaufkraft hat die
klassischen kulturellen Institutionen,
die Galerien, Museen, die Konzertund
Opernhäuser in Lunaparks und
Disneylands verwandelt für die kleinbürgerlichen
Erben des großbürgerlichen
Bildungseifers, der sie einst
stiftete.
Für den Markt hergestellt, und als
Dekoration privater und öffentlicher
Räume verbreitet, ist die UnKunst
eine Waffe im ökonomischen Weltkrieg
der wenigen Reichen gegen
die vielen Armen. Für die Kunst gibt
es nur eine Ökonomie: die des angemessenen
Einsatzes der Mittel
ihrer Herstellung.
Als geformte Äußerung einer reflektierten
Wahrnehmung der Welt
und des Lebens in ihr kann ein
Kunstwerk gehandelt werden;
etwas, das gemacht wird, um
gehandelt zu werden, kann
kein Kunstwerk sein. Mag die
Kunst ihren Markt haben; der
Markt ist nicht der Ort, an dem
sie sein kann, was sie ist. Ihr
genuiner Ort ist dort, wo Kunst
entsteht: in den Menschen,
die sie machen, und in denen,
die ihre Werke auf sich und ihr
Leben wirken lassen. Ihr Ort ist ein
ideeller Raum. Auf keiner Landkarte
verzeichnet, von keinem Navigationsgerät
erreichbar.
III
Der Einzelne
Wer unter diesen Bedingungen
Künstler sein will, muss sich entscheiden:
zwischen Kunst als Lebensform,
und UnKunst als Gewerbe.
Die Kunst hat ihren genuinen Ort
dort, wo gelebt wird. Wo erfahren
wird, was es heißt, zu leben; wo erfahren
wird, wie schwierig es ist, ein
Mensch zu sein. Wo erfahren wird,
dass das Universum des Wissens
nicht gegen die Verlorenheit des
Einzelnen in der Welt ankommt. WO
die Einsamkeit des Daseins ertragen
werden muss. Wo das Unglück triumphiert
über die Möglichkeiten
des Glücks. Wo Menschen nicht weniger
sein wollen, als sie sein können.
Wo die Freiheit in ihrer Unterdrückung
erfahren wird. Wo die
Sinnlosigkeit nicht das letzte Wort
haben soll. Wo einer es anhand seiner
Fähigkeiten mit den Herausforderungen
des Daseins aufnimmt.
Wo einer sich der Absurdität verweigert.
Der Ort der Kunst als Lebensform
ist der Innenraum des Lebensbewusstseins,
das nach Expression
strebt: das Feld der produktiven Erfahrung
des Daseins.
Der primäre Ort, an dem wir
leben, ist unser Körper; der Ort, an
dem wir unser Leben unmittelbar
wahrnehmen, unser inkorporiertes
Bewusstsein. Das macht die lokale
Umwelt des bewussten Körpers, der
die Kunst als Lebensform hervorbringt,
zu ihrem ‚natürlichen‘ Ort.
In ihrer Diaspora inmitten der von
einer totalitären Ökonomie beherrschten
allgemeinen Lebensverhältnisse
entsteht der Ort der Kunst
durch die in einem individuellen Lebensprozess
ausgeprägte produktive
Triade von Bewusstsein, Imagination
und Gestaltung.
IV
Katakombenexistenz
Vor der UnKunst fliehend, bedarf
die Kunst geschützter Räume, um
auf diese Weise weiter entstehen zu
können. Sie liegen an den Rändern
des Weges, den der Künstler auf seinem
Rückzug aus den zeitgenössischen
Institutionen der Verwertung
der UnKunst nimmt, bei seinem
Gang in ein freiwilliges, selbstbestimmtes
ästhetisches Exil. Er kann
seine Zuflucht überall finden: dort,
wo er sich gute Bedingungen für
seine produktive Existenz verschaffen
kann.
Als individueller Rückzug in arbeitsermöglichende
Räume, ist dieses
Exil der Kunst nicht antisozial,
sondern transsozial: eines aus gesellschaftlicher
Verantwortung. Denn
nur das selbstbestimmte Werk kann
überindividuellen Wert haben als
Spiegel der Situation und reflektierte
Kritik des allgemeinen Daseins. In
ihren Katakomben legt sie einen
Tresor elementarer menschlicher Fähigkeiten
an, auf den man in der
Zeit wird zurückgreifen können werden
kann, in der in etwa zwei Generationen
nach dem Zusammenbruch
der Diktatur der Ökonomie Gesellschaft
wird wiederhergestellt werden
müssen.
153
... für Sri Lanka,
Galerie Epikur 2005
Björn Überholz
Nanny de Ruig
Renate Löbbecke
Jörg Lange
Peter Klassen
Jürgen Grölle
Regina Friedrich-Körner
Bodo Berheide
WASSER BEWEGT DEN GRÖSSTEN STEIN
Fotografie: Björn Ueberholz
DENKEN VERÄNDERT DIE WELT
154
155
„Kultur wird es solange geben,
wie es diejenigen gibt, die sie
machen.“
Andreas Steffens
156
.
Kunst trifft Rat & Tat
Eine Zusammenarbeit mit dem Café Rat & Tat und der Gefährdetenhilfe
Wuppertal, Februar bis Mai 2015.
Drei Monate lang war das Café Rat & Tat Gastgeber für 12 Wuppertaler
Künstler, die ihren Arbeitsplatz im Café eingerichtet haben. An jedem
Montag sind vor Ort Kunstwerke entstanden und weitere Arbeiten der
Künstler waren eine Woche lang zu sehen.
Friedrich-Körner . Bodo Berheide . Christian Ischebeck . Peter Klassen . Renate
Juretko . Regina
Löbbecke
. Georg
Janthur . Gregor Eisenmann
Steffens . Holger Bär .
Caspary . Andreas
. Peter
Krzysztof
Jürgen Grölle
157
„Wenn Du auslöschst Sinn und Ton,
was hörst Du dann?“
Japanisches Koan des Zen
(11. Jh. n. Chr.)
Jörg Lange
1957 – 2013
5-Minuten-Selbst-Porträt 2005
158
Sonnenfinsternis in Japan. Thomas Grabosch
159
„Kaufhaus Michel“,
eine Installation
im Haus Fahrenkamp,
Wuppertal-Elberfeld
mit Werken von Bodo Berheide,
Christian Ischebeck, Georg Janthur,
Peter Klassen und Jörg Lange
Malerei, Fotografie, Skulpturen,
Klang. Das Ganze vermischt auf
den rund 1000 m 2 Leerstand, mitten
in der Elberfelder City, neben
dem „aus allen Nähten platzenden“
Von der Heydt-Museum und
gegenüber dem „gerade schließenden“
Schuhhaus Salamander.
Unweit der Großbaustelle Döppersberg
und dem verrottenden Schauspielhaus.
Aber: der HASE lebt!
Die Kunst ist nicht totzukriegen.
Aus einer Eröffnungsrede, 2013
Andreas Steffens:
„... Der Einsatz des Künstlers
ist ein Lebenseinsatz, der der
Bereicherung eines allgemeinen
Bewusstseins dessen, was alle
angeht, zugute kommt – jenseits
von Spaß und Dekoration. Denn
authentische Kunst zeigt jedem,
der es wissen will, was unser
Leben ist, und wie es sein kann.
Künstler sind Leistungsträger des
Lebensmöglichen.
Deswegen ist die Defensive, in die
sie sich in der Krise des Geldes
haben drängen lassen, ganz
unangemessen.
Ich habe kein Mandat, für andere
zu sprechen, aber bin mir sicher, es
für viele zu tun, wenn ich sage: ich
lehne die „Verteidigung“ der Kultur
ab; denn das hieße, der obszönen
Zumutung Folge zu leisten, unser
Leben rechtfertigen zu sollen.
Welcher der Politiker, die mit Lust
die Zerstörung dessen betreiben,
was sie zu retten vorgeben, hätte
etwas zu bieten, das diesen
Anspruch rechtfertigen könnte?
Wir müssen die Kultur nicht
verteidigen; wir sind sie.
Und wer sie nicht mehr wollte,
müsste uns abschaffen.
Deshalb braucht man keine Sorge
um ihren Bestand zu haben, wie
viele Orte ihrer öffentlichen
Präsenz auch noch verschwinden
sollten.
Kultur wird es solange geben, wie
es diejenigen gibt, die sie machen.
Wir machen weiter, indem wir
machen, was wir sind.
Gemeinsam mit denen, die wissen,
dass dieser Einsatz weniger allen
zugutekommt, und deshalb vielen
den Zugang dazu ermöglichen.“
160
161
Hagenring-Galerie 2015
Peter Klassen
Georg Janthur
Christian Ischebeck
Bodo Berheide
162150
163
Zwischendurch:
Was macht eigentlich Ralf Prinz,
Kollektivist der ersten Jahre?
Die alljährliche Show der Wuppertaler
Kultband KNAPP DANEBEN
ist für die Fans inzwischen von
ähnlicher Bedeutung wie für die
Karnevalisten der Rosenmontag.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind
KNAPP DANEBEN ein Garant für
gute Laune und fulminante Shows.
Frei nach dem Motto „Nichts muss,
alles kann“ wird jedes Jahr ein
wildes Spektakel auf die Bühne
gebracht. 26 Bandmitglieder mit
einer 27-jährigen Bandgeschichte.
Der Eintritt ist wie immer frei!
164
Collage zur Ausstellung Hagenring, 2015
Christian Ischebeck, Malerei 2016, Ausschnitt
165
Lieber Zbigniew.
Wie wir mit unseren Kollektiv-
Ausstellungsräumen bist Du nach
10 Jahren der Organisation von
Ausstellungen im Bahnhof Lennep
ins Exil gegangen.
Regionale und internationale
Künstler hatten in dem ungewöhnlichen
Ambiente eines historischen
Gebäudes ihre Werke ausgestellt.
Dann stand der Bahnhof zum
Verkauf und wurde saniert. Seither
präsentierst Du Arbeiten von Künstlern
im Deutschen Werkzeugmuseum.
Und das als ehrenamtlicher
Galerieleiter, im Hauptberuf bist Du
ja Fotograf und Geschäftsführer der
Welle gGmbH mit den inhaltlichen
Schwerpunkten der Jugendhilfe,
Kunst und Kultur in Remscheid.
Ich hoffe, das ist so richtig und kurz
beschrieben. Da ist ja auch noch
was mit dem Kassiopeia oder so,
bitte korrigiere das erstmal.
Und nun zu den zehn Fragen
10 Fragen an
Zbigniew Pluszinsky
1.
Lieber Zbigniew. Als freier Fotograf
hast Du Dich auf die Portraitfotografie
konzentriert.
Heute macht man ja Portraits eher
selbst, auch als „Selfie“ bekannt.
Ist die Portaitkunst damit überflüssig
geworden? Machst Du auch
schon mal ein „Selfie“?
Durch die Digitalisierung hat sich
eine Vereinfachung der technischen
Mittel erhöht und führte zur
Demokratisierung und zu einem
großen Teil Entprofessionalisierung
in der Fotografie. Bedeutet aber
immer noch nicht, dass jeder gute
Fotos machen kann. Ein guter Portraitfotograf
sollte nicht nur die
Technik beherrschen, sondern auch
viel Empathie dem Portraitierten
gegenüber aufbringen um gute Ergebnisse
zu erzielen. Es sollte Ihm
gelingen die Charakteristik und die
Stimmung der Person sichtbar zu
machen. Solche Künstler werden
auch in Zukunft gefragt sein.
In den Antiken Ursprungslegenden
liegt in dem Portrait der Anfang
aller Kunst. Ich finde es ist eine
schöne Legende.
Die letzten vier „Selfies“ habe ich
vor 2 Jahren im „C/O Berlin“ in
einem uralten schwarz/weiß
Fotofix-Automaten gemacht.
2.
Bist Du ein anerkannter Künstler?
Und kannst Du von Deiner Kunst-
Arbeit leben?
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine
entscheidene Rolle?
Bist Du im „Geschäft“? Oder musst
Du mit Deiner sozialen Arbeit in
der „Welle“ das Brot verdienen?
Ich habe selten in Museen ausgestellt
und bin durch keine Galerie
vertreten. Im klassischen Sinn bin
ich kein anerkannter
Künstler. Durch mein Studium
bin ich Berufsfotograf.
Durch meine jetzige
berufliche Tätigkeit im soziokulturellen
Bereich verdiene
ich meinen Lebensunterhalt,
kann mich dadurch
meinen freien
Projekten und künstlerischen
Arbeit ganz widmen.
Aufträge nehme ich
noch an aber nur wenn sie
finanziell adäquat entlohnt
werden.
3.
Du hast bisher große
Anzahl an Ausstellungen
organisiert. Kann Dich die
Kunst von Kollegen heute
noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso
nicht begeistern?
Nach 15 Jahren Ausstellungstätigkeit
habe ich
immer noch Lust mich auf
andere Künstler, ihre Kunst
und Konzepte einzulassen.
Der Austausch und die intensiven
Gespräche über
ihre Arbeiten haben mich
meistens künstlerisch bereichert
und mit einigen
Freundschaften schließen
lassen. Das Interesse an
neuen Begegnungen und
Austausch besteht weiterhin.
4.
Gibt es für Dich besonders
wichtige Schlüsselbilder
oder Skulpturen in der
Kunstgeschichte?
Die Höhlenmalerei die vor
etwa 40000 Jahren an den
Wänden angebracht wurden. Aus
welchen Beweggründen die Menschen
die Darstellungen auf die
Felsenwände angebracht haben
spekuliert man immer noch. Definitiv
sind das die ersten Kunstwerke
der Menschheitsgeschichte die
man uns hinterlassen hat.
5.
Sind Deine Arbeiten politisch? Die
sozialen und die künstlerischen
auch?
Meine politische Meinung muss
nicht unbedingt in die künstlerische
Arbeit einfließen. In der Kunst
spricht man Gefühle der Menschen
„Jochen“
an und Gefühle und Politik passen
nicht unbedingt zusammen. Kunst
und Kultur sind eher Geschmackssache
die Politik dagegen nicht.
6.
Gehst Du zum Essen gerne aus
oder findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause?
Was ist Dein Lieblingsgericht?
Es gibt wenige Lokale in
denen ich gern Essen
gehe. Meine Lieblingsgerichte
koche ich mir meistens
selbst zu hause. Zu
meinen Lieblingsgerichten
gehören Pirogen.
7.
Welche Musik hast Du zuletzt
gerne gehört?
Nachdem ich mir wieder
einen Plattenspieler zugelegt
habe, sind meine
Platten das Kernstück
meiner Musik geworden.
Die Musikrichtung erstreckt
sich von Rock,
Blues bis hin zum Jazz.
8.
Deine zuletzt besuchte
Ausstellung, aus der Du
beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Sara Moon mit ihren Fotound
Filmarbeiten in Hamburg
und Pieter Hugo in
Köln mit seiner neuen Fotoserie
mit dem Titel
„KIN“
9.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes
als Kunst lernen?
Das Wissen aus der
Kunstgeschichte
verändert das Sehen.
10.
Machst Du weiter?
Kann mir nicht vorstellen
aufzuhören.
166
links: Jochen
rechts: Bartek by Zbigniew
167
168
„Klaus“
Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart
erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum
phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine physische Performance, die an Joe Cockers
legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter,
Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt über allem als “einfach er selbst”.
Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.
Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die
Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?
Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse
für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen
oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine
physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und
vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt
über allem als “einfach er selbst”.
Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.
Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die
Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?
Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse
für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen
oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine
physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und
vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt
über allem als “einfach er selbst”.
Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.
Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die
Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?
Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse
für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Auch seine Art, mit geschlossenen Augen Luftgitarre zu spielen
oder mit den Händen in einem fernen Paralleluniversum phantastische Kreaturen zu kraulen, gewaltige Hebel umzulegen oder mit links imaginäre Telefonnummern zu wählen, ist eine
physische Performance, die an Joe Cockers legendären Woodstock-Auftritt und sein “With A Little Help From My Friends” erinnert. Doch Mitch Heinrich macht das schneller, witziger und
vielseitiger. Er ist nicht nur Jazzer, Rocker, Dichter, Sänger, Intellektueller – er verbindet kurzerhand Dada mit Neuer Musik, Comedy mit Bukowsky, Punk mit Babysprache … und schwebt
über allem als “einfach er selbst”.
Mitch Heinrich lebt in Wuppertal, hat sein “Handwerk” u.a. bei Ernst Jandl in Wien gelernt, ist Mitglied des Basler Vokalensembles Millefleurs und des Wuppertaler Impro Orchesters.
Sein Auftritt bei Rü2Musik und sein Zusammentreffen mit einer Auswahl der Rü2Band (im zweiten Teil des Konzertes) sind ein enorm ambitioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die
Antwort auf die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?
Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.Ob er solo mit Manuskript in der Hand oder mit Musikern improvisierend auftritt, man hat stets den Eindruck, Mitch Heinrich ist eine Klasse
für sich. Schon seine Grimassen und sein Backenbart erinnern ‘die Älteren unter uns’ an die großen Auftritte von Joe Cocker. Aucioniertes Projekt. Denn Mitch Heinrich ist die Antwort auf
die Frage: Wie kann diese Rü2-Konzertserie nach all’ den glänzenden Gästen am Ende der Saison nochmal “eins draufsetzen”?
Mit Mitch Heinrich. Punkt. Finale. Sommerferien.
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10 Fragen
an Holger Bär
Holger Bär ist 1962 in Wuppertal
geboren.
Holger, im Studium bei Michael
Badura hast Du die ersten „Digital
Paintings“ entwickelt. 1989 war
schon die Fertigstellung der ersten
Malmaschine zur Umsetzung von
Computerbildern mit Pinsel und
Ölfarbe auf Leinwand. „Meine
Methodik setzt ein Zeichen für die
Zukunft der Kunst.“ So steht es
über Deiner Homepage. Bist Du Dir
imer noch sicher, dass das kein
Holzweg ist?
Ich finde die Aussage immer noch
richtig, weil ich ich der Meinung
bin, dass meine Arbeitsweise Möglichkeiten
aufzeigt, sich technischer
Mittel zu bedienen, die ein hohes
Maß an vorläufigem Futurismus in
sich tragen.
Vielleicht hatte ich damals eine
etwas enthusiastischere Vorstellung
von der Zukunft der Kunst aber ein
Holzweg ist immerhin auch ein
Weg.
Seit vielen Jahren wirst Du von der
Galerie Deschler in Berlin vertreten.
Du bist „im Geschäft.“ Kannst Du
von Deiner Kunst-Arbeit leben?
Seit 20 Jahren arbeite ich mit
Deschler zusammen. Es hat auch
andere Galerien gegeben und
einige Ausstellungen in Kunstvereinen
und Museen. Kunstmessen
sind genauso von Bedeutung
für mich.
Ich lebe von meiner Kunst und
freue mich immer noch darüber.
Es ist ein echter Luxus so zu leben.
Ich wähle aber lieber die Formulierung:
Ich lebe mit meiner Kunst,
weil sich darin die Ganzheit meines
Erlebens wiederspiegelt.
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich bei der
Planung der Arbeit oder der Entwicklung
Deiner Werkreihen eine
entscheidene Rolle?
Meine Wirklichkeit wird ganz stark
vom Betriebssystem Kunst geprägt
und bestimmt natürlich auch die
Planung von Ausstellungen.
Zum Glück kann ich meine Werkreihen
autonom bestimmen und
habe Zeit sie auch über Jahre zu
entwickeln.
Kann Dich die Kunst von Kollegen
begeistern? Du zeigst ja in unregelmäßigem
Abstand Kunstarbeiten in
der „KI“ in der Wiesenstraße.
Außerdem arbeitest Du von Anfang
an im Neuen Kunstverein Wuppertal
mit. Erhellend oder ernüchternd?
Ich liebe Kunst und freue mich
regelmäßig auf Ausstellungen, die
ich besuche. Die Kunst der Kollegen
ist mir immer eine Inspiration, viel
habe ich von ihnen gelernt und bin
immer noch offen und schaue mit
Staunen in eine mir unbekannte
Kunstwelt. Ich arbeite gerne als Kurator
an eigenen Projekten sowie
im Neuen Wuppertaler Kunstverein
mit. Es ist für mich immer erhellend
und in vielen Fällen ein echter
Erkenntnisgewinn. Ernüchternd ist
gleichsam die Erkenntnis, dass es
vielen Künstlern überhaupt nicht so
geht. Sie hassen die Kunst und lieben
nur ihre eigene.
In einem Text von Stefan Asmus
über Deine Arbeit kann man lesen,
„... Das Medium selbst muss in seiner
pixeligen Existenz auf gleicher
Ebene sichtbar werden wie das
Motiv, es muss als Form erkennbar
in sich selbst wiedereintreten. Die
Dopplung der Aussage von Bild und
Medium als Bild, die kühne Einfachheit
der malerischen Vorgehensweise,
die selbstverständliche
und produktive Verquickung von
künstlerischer Tätigkeit und technologischem
Environment, der
unbefangene Zugriff auf den
gesellschaftlichen Mechanismus
sich selbst produzierender Themen,
die subdominante Positionierung
der künstlerischen Persönlichkeit
innerhalb eines Mensch-Maschine-
Interaktionsgefüges, das sind die
wesentlichen Punkte, die den
Werken Holger Bärs ihre zeitgenössische
Plausibilität und Attraktivität
verleihen.“
Sind Deine Arbeiten etwa politisch?
Ich finde die Aussage von Stefan
Asmus absolut zutreffend aber mit
Politik hat das nichts zu tun.
Ich hüte mich vor der Politik und
den Politikern. Ich werde mich
niemals gemein machen mit den
verlogensten Kulturtechnikern
unserer Gesellschaft.
Hast Du ein Lieblingsgericht?
Nein.
Du spielst Cello, selbst. Eine andere
Art von Kunst oder was ist das für
Dich? Vermisst Du die Musik in
Deiner Arbeit? Besitzt Du CDs und
Langspielplatten?
Mein Bruder hat dazu mal etwas
sehr passendes gesagt:
„der ... benutzt sein Instrument um
Kunst zu machen. Er dient aber
nicht der Musik.“
Ich bin natürlich kein Musiker. Als
Künstler benutze ich verschiedene
Medien, warum nicht auch ein
Cello? Als Musiker wäre ich viel zu
schlecht auf dem Instrument und
könnte der Musik gar nicht dienen.
Da diene ich lieber der Kunst.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Julian Rosefeldt. Manifesto, Hamburger
Bahnhof Berlin
Beschäftigst Du Dich mit der
Geschichte der Kunst und kann
man aus ihr etwas anderes
als Kunst lernen?
Die Geschichte der Kunst ist nur
ein Ausschnitt aus der gesamten
Evolution der Kunst und wurde von
einer kleinen elitären Gruppe des
Bildungsbürgertums im 19ten Jahrhundert
geschrieben. Glücklicherweise
hat sich das in den letzten
30 Jahren geändert. Ich lerne von
Kunst und Künstlern immer etwas,
was über die Kunst und Künstler
hinausgeht. Für mich bekommen
die Werke erst dadurch ihre
Bedeutung.
Du baust nicht nur erfolgreich
Malmaschinen, Du füllst auch einen
guten selbstgemachten Wein von
allen möglichen Früchten in
Flaschen ab. Liegt im Wein
Wahrheit?
Und Trauer und Sucht und Laster
und Verzweiflung und Glück und
Komödie und Tragödie.
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172
Holger Bär Atelierbesuch, 4. April 2016
173
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Christian
Ischebeck
Bilder,
Ausschnitte,
Anschnitte
und
Korrespondenzen
aus der
Ausstellung
„Gina im Rot“
in Sellys’
SWANE-Café
10 Fragen an
Christian Ischebeck
Du bist 1968 in Gevelsberg geboren.
Nach dem Studium Visuelle
Kommunikation an der FH Dortmund
hast Du 1998 einen Abschluss
als Diplom Grafik-Designer
gemacht. Ist das eine solide Ausbildung
für einen Maler oder steht Dir
das eher im Weg rum?
Es ist eine solide Ausbildung, und
es steht mir nicht im Weg rum. Es
ist natürlich immer die Frage –egal
was man „offiziell“ studiert
–wie man studiert.
Ich habe sicherlich meine
Schwerpunkte in eher malerischen
und experimentellen
Bereichen gesucht
(auch Druckgrafik). Zumindest
lernt man (noch mehr
oder differenzierter) Sehen
und schärft die Wahrnehmung.
Es gibt ja auch viele
(Künstler), die sagen: man
muss nicht an einer staatlichen
Hochschule/Universität/Akademie
studieren,
dass das sogar hinderlich
ist.
Es kommt ja auch immer
darauf an was man will.
(...)
Kannst und willst Du von Deiner
Kunst-Arbeit leben?
Ja. Auch; aber nicht nur. Da muss
man auch wieder weiter ausholen.
Und da will ich jetzt gar nicht auf
die Definition dessen was Kunst ist
eingehen. Dass sich der Kunstbegriff
im Laufe der (Kunst)Geschichte
in einem ständigen Wandel
befindet, dürfte ja jedem klar
sein. Es kann auch eine Falle sein,
wenn man von „seiner Kunst“
leben kann: Stichwort „Sich-Abhängig-Machen“,
„Prostituieren“ (...),
oder das ewige Thema Auftragsarbeiten:
kann man ruhig machen. Es
kommt aber immer drauf an ob`s
„passt“; oder man muss aufpassen
nicht paranoid zu werden (oder
manche Mitstreiter) und keine
Freunde mehr zu
haben, – jedenfalls die
selbst Kunst machen,
– so die Richtung „An-
Der-Spitze-Wird`s-Einsam“
oder so. Nein, es
ist gut wie es (gerade)
ist, und es verändert
sich sowieso . .
alles . . . . dauernd –
so richtig schön FLU-
XUS-mässig eben!
Ich verkaufe Bilder,
und das ist gut. (wo
die dann hinterher
landen, da habe ich
keinen Einfluss mehr
drauf. Da fällt mir jetzt
wieder Georg Baselitz ein, der dazu
was sagte. Aber das soll jetzt nicht
zu weit führen.) Es ist egal ob man
seine Existenz als Baukranführer,
Bäcker oder Dozent sichert. Gefahren
lauern überall von der eigentlichen
Arbeit abgehalten zu werden
(auch in akademischen, universitären
Strukturen). Wichtig ist, das
man das Ziel nicht aus den Augen
verliert, und das ist mit einem
„kunstnahen“ Beruf vielleicht leichter.
Aber aufpassen muss man
immer!
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich eine entscheidene
Rolle? Willst Du im
„Geschäft“ sein?
Ja, na klar.
Kann Dich die Kunst von Kollegen
begeistern?
„Die Kunst von Kollegen“:
Ja, na klar! Sehr! Natürlich!
Man guckt und staunt oder reibt
sich die Augen; ich kenne da ein
paar hervorragende Künstler:
da wäre der Peter, der Bodo,
der Georg ... (Baselitz auch),
Per Kirkeby – natürlich der großartige
Polke ... usw. Warum hat
man eine gewisse Affinität zu
bestimmten Künstlern/ Menschen?
Die Wege von guten Künstlern sind
ja nicht immer geradlinig, oder es
gibt Sackgassen. Albert Oehlen,
Jake und Dinos Chapman ... – manche
„vergaloppieren“ sich ja auch
mal, so verbal ..., in ihren/-m
Reden und Texten (Ich will niemandem
zu nahe treten, Herr
Lüpertz – aber das ist auch o.k!).
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Icons, die Dir
wichtig sind?
Keine, die gerade zu nennen
wären. Auch dies untersteht einem
permanentem Wandel.
Sind Deine Arbeiten politisch?
Ja.
Du hast zusammen mit Olaf Mühlmann
1994 in Paris den „Karotismus“
gegründet wurde.
Einziger fester Bestandteil im
karotistischen Manifest: keine
Ismen! Reicht das aus? Und hast
Du ein Lieblingsgericht?
Ja, das reicht aus.
Und mein Lieblingsgericht:
Nr. 43 (mit Kung Pao-sauce).
Kung Pao is a cooking
technique originated
from the Sichuan
province of China; the
authentic Sichuan Kung
Pao Chicken or „Gong
Bao Ji Ding“ calls for Sichuan
peppercorn for
the numbing flavor,
however, the version
popular outside of
Sichuan is the Americanized
version with vegetables
such
as carrots ...
Du hast Dich eine Zeit lang in einer
Punkband als Drummer ausprobiert,
vermisst Du die Musik? Besitzt
Du noch CDs oder gar Langspielplatten?
Ja, ich vermisse die Musik! Vielleicht
wird das ja in irgendeiner
Weise noch einmal aufgegriffen –
aber in Richtung KUNST sollte es
gehen! CDs (der legendären Band
blout. und andere) habe ich noch.
Und Vinylschallplatten ebenfalls
(nur leider momentan keinen Plattenspieler)!
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Joan Mitchell, „Retrospective.
Her Life and Paintings“, Museum
Ludwig, Köln
(„Wenn du nichts fühlst, kannst du
nichts malen“, sagt Joan Mitchell.)
Beschäftigst Du Dich mit der
Geschichte der Kunst und kann
man aus ihr etwas anderes als
Kunst lernen?
Ja, ich beschäftige mich damit und
bin süchtig nach der
Geschichte der Kunst! Und: Ja, man
kann etwas anderes aus ihr lernen
als Kunst.
„Wenn du nichts fühlst, kannst du nichts malen“, sagt Joan Mitchell.
175
Kunst im SWANE-Café
seit 2015 Zusammenarbeit mit
dem SWANE-Café
Ausstellungen im SWANE-Café:
Bodo Berheide
Nicole Kreischer
Doris Stückrath
Folly Koumouganh
Christian Ischebeck
Nataly Hahn
176
177
„Kunst – das Wort sollte man
nie aussprechen, dieses Wort tötet
sofort das, was es bezeichnet.“
Jean Dubuffet
„Die Ros´ ist ohn´ warum,
sie blühet, weil sie blühet.
Sie acht´ nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie siehet.”
Angelus Silesius.
1624–76
links: in Sellys Café
178
Christian Ischebeck Bilder, Ausschnitte, Anschnitte: Malerei 2016
warum selly birane wanes „café swane“ ein kunstwerk ist
gehe ich dem satz von joseph beuys nach, dass „jeder mensch ein künstler“ ist, trifft er in jeder hinsicht auf selly wane zu. jeder mensch ist ein träger von fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes und freies wesen. auf grund
seiner intuitiven, kreativen und kognitiven fähigkeiten ist er ein künstler. gleichgültig wo und in welcher tätigkeit er seinen gesellschaftlichen beitrag leistet, es ist und bleibt ein kreativer akt. dort, wo er seine fähigkeiten entfaltet,
ist er künstler, egal wo der mensch seiner berufung entsprechend der gesellschaft (der sozialen plastik) seine gestaltungskraft anbietet, auch im bereich von alltäglichen, mehr oder weniger fremdbestimmten arbeitsprozessen
wird täglich kreative arbeit geleistet, egal ob als bäcker, friseur, arzt, oder als maschinenbauer.
aus dieser hinsicht ist das „café swane“ ein kunstwerk. das café birgt aber noch weitere künstlerische inhalte in sich. ein großer anteil des ambientes, wie tische, stühle, lampen, schalen und kerzenleuchter, usw., aus alten fässern
und anderen fundstücken, werden von selly wane designed, im senegal upcycled und im café zum verkauf angeboten, dieses gibt menschen im senegal ein einkommen. es ist ein stück afrika – fremd und trotzdem vertraut, mit
positiver energie erfüllt. zitat joseph beuys: „die kommunikation der zukunft ist eine permanente konferenz ...“
kommunikation ist der wesentliche bestandteil des programms im café. nicht nur künstlerinnen und künstler aus afrika finden dort ihr podium, sondern artisten aus der ganzen welt sind dort anzutreffen. das kulturelle angebot
ist fast grenzenlos, musik-, tanz-, literatur- und filmveranstaltungen, kunstausstellungen und performances, seminare, diskussionen, gemeinsam fremdes kochen und essen, alles das gibt es fast täglich.
wie die gastgeberin sind auch die gäste ein teil des programmes. zitat beuys: „das atelier ist zwischen den menschen". die multikulturelle atmosphäre macht neugierig und schafft trotzdem eine behaglichkeit und vertrautheit.
die bühne steht allen menschen mit einem positiven und menschengerechten sendungsbewusstsein auf anfrage zur verfügung.
bleibe ich bei der anfänglichen aussage, dann ist selly wane nicht nur eine künstlerin, weil sie das café swane betreibt, sondern ihre strategie ist eine
sehr künstlerische, sehr plastische. als ausgebildete diplom ökonomin setzte sie sich mit nachhaltigkeitsprojekten und finanzmärkten vornehmlich in
afrika auseinander. daraus resultierte ihr kleines upcycling-unternehmen. mit der übernahme des cafés hat sie einen kulturellen ort, ein kunstwerk geschaffen,
in dem kommunikation im austausch mit den unterschiedlichen kulturen weltweit im mittelpunkt steht.
felix droese sagt: „kunst ist angewandte erkenntnis“ bodo berheide, märz 2016
Selly wurde im Senegal geboren, ist dort aufgewachsen und hat in Wuppertal Wirtschaftswissenschaften studiert. Um Ihre Ausbildung zu finanzieren, handelte sie mit Handwerksprodukten aus dem
Senegal. SWANE-Design entwickelt mit Handwerkern und Künstlern aus dem Senegal eine ganz eigene Art von Wohnaccessoires und Möbeln. Traditionelle Techniken in Verbindung mit kreativem Design
und ungewöhnlichen Werkstoffen ergeben Dinge, die nicht nur schön und funktional sind, sondern auch zum Nachdenken anregen. Alle Möbel und Accessoires werden aus Recycling-Materialien hergestellt.
Diese Art von Recycling etabliert sich als Mini-Industrie, in der junge Menschen aus armen Verhältnissen ausgebildet werden.
179
10 Antworten von
Peter Klassen
Schon immer stecke ich ein ordentliches
Stück Energie nicht nur in
Musik und die Malerei, auch in die
Kunstarbeit, vornehmlich im „Kollektiv“.
Zwischendurch gab es intensive
Zeiten in Bands, Projekten,
mit SIXPACK, auch die „Kunst in der
Sparkasse“ hält mich in Bewegung,
der Gang ins Atelier und zum Rechner.
Oder Buchmachen. Was notwendig
ist, wird getan. Wenn es
Spaß macht, umso besser. Treffen
mit allerhand Freunden, Strolchen,
Strauchdieben, Weltverbesserern
und Tunichtguten ... usw
Ich kann keinen Unterschied feststellen.
Im Ernst ...
Arbeite ich unaufhörlich an meiner
Malerei? Bin ich ein anerkannter
Künstler? Kann ich von meiner
Kunst-Arbeit leben?
Unaufhörlich, ja. Das lässt mir
keine Ruhe. Auch die Malerei gehört
dazu. Der Gedanke einer intermedialen
Kunstarbeit hat mich zuerst
befremdet und dann in seinen
Bann gezogen. Sich frei und unabhängig
auf allen Plattformen und
in unterschiedlichen Sprachformen
zu bewegen, die enormen technischen
Entwicklungen nicht nur zur
Rationalisierung und Temposteigerung
benutzen. Für die Produktion
von Musik zum Beispiel braucht
man nicht mehr zwingend teure
Tonstudios, für die Produktion von
Kunstkatalogen braucht man nun
keine Vermögen mehr ... da reichen
ein paar tausend Euros. (ARF!)
Sich zwischen den traditionellen
Vorstellungen zu bewegen ruft
Widerspruch hervor, bei Alteingesessenen
und Traditionalisten.
Akademismus macht träge.
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für mich eine entscheidene
Rolle?
Das amüsiert mich eher, macht
mich aber auch sprachlos und
manchmal auch wütend.
Bin ich im „Geschäft“?
Glücklicherweise musste ich meine
Kunst nie „auf dem Markt“ anbieten,
unglücklicherweise nimmt
einen das tägliche Geldverdienen
allerdings sehr in Anspruch. Glücklicherweise
durfte ich mich in meinem
Berufsleben immer auch mit
Kunst, mit Ausstellungen und mit
dem „Buchmachen“ beschäftigen,
auch für die Kunst.
Kann mich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Sowohl das Verstehen von Kunst
wie auch das Zusammentreffen mit
den unterschiedlichsten Kunstproduzenten
macht mir immer wieder
Spaß und begeistert mich auch hin
und wieder. Das Kennenlernen und
Verstehen von künstlerischen Haltungen
und ihren Ergebnissen ist
einfach spannend, manchmal auch
erhellend, vielleicht auch schon
mal charakterfördernd. Und dann
liebe ich Langzeitprojekte wie die
Arbeit und den Austausch im „Kollektív“
mit Bodo, Georg, Christian,
Holger, Gudrun – Künstlern, Kunst-
Liebhabern, manchmal Gästen ...
Gibt es für mich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen
in der Kunstgeschichte?
Na klar doch. Frank Zappas Mothers
of Invention haben mich sehr geprägt,
aber auch Mauricio Kagel,
Jimi Hendrix’ Gitarrenton, die
Frechheit der Stones, Van Morrison.
Erst später kamen dann die Erfahrungen
mit der Bildenden Kunst
dazu. Mein erste Vorlesung bei
Georg F. Schwarzbauer in Kunstgeschichte
fand vor dem Bild „Der
Holzfäller“ von Ferdinand Hodler
im Von der Heydt-Museum statt.
Das hinterließ seine Spuren, ich
war damals schon sehr irritiert.
Schön: Ruhende Venus (Pauline
Borghese), Marmorskulptur von
Antonio Canova. Wichtig und richtungsweisend:
Beuys. Beeindruckend:
Polke, Twombly, van Gogh.
Komischerweise eher Klassiker.
Und damals Vinyl-Plattenhüllen,
eine Spielwiese, z.B. „Lumpy
Gravy“ und „We’re only in it for the
money“ – Mothers of Invention.
Ist Arbeit politisch?
Wenn ich mich recht erinnere: ...
Die Welt wurde immer größer und
erschloss sich auf ungekannte, ungeahnte
Art und Weise. Ich war
achtzehn, meine Freundin Gudrun
schwanger. Ich wollte Maler werden.
Die Amis sollten raus aus
Vietnam. Zusammen mit meinem
„alten Freund“ EROC und einem
engagierten Lehrer, Herrn Sauerbier,
stellten wir unsere erste
Ton-Bild-Shau her. „Gegen den
Krieg“ mit Musik und Dias. Das
muss so um 1968 gewesen sein.
Die NPD trieb öffentlich ihr Unwesen.
In den Jahren danach überschlug
und überlagerte sich alles.
Die Musik trat in den Hintergrund,
es folgten Demonstrationen, ein
Studium der Visuellen Kommunikation,
eine lange Zeit der Arbeit in
Kinderläden und Wohngemeinschaften,
dem Kennenlernen von
Weltmodellen, phantastischen
Theorien und ihre zweifelhaften
Umsetzungen. Zwischendurch
immer wieder Musik, Blues, Agit-
Prop, Sessions und so fort. Nebenbei
begann ich in einer Bank, nein,
einer Sparkasse als Grafik-Designer
zu arbeiten. Und ich hätte nie
daran gedacht, das fast vierzig
Jahre lang gerne tun zu können.
Aus verschiedensten Gründen.
Mein Studium ermöglichte mir ein
wunderbares und anstrengendes
Berufsleben, in dem sich Freiräume
ergaben, die mir sehr zurecht
kamen. Und wenn die Gestaltung
des Lebensraumes politisch ist,
dann kann auch Arbeit politische
Wirkung haben, „von jedermann“
... auch von Kunstschaffenden ...
Gehe ich zum Essen öfter aus oder
finde ich meine Lieblingsgerichte
eher Zuhause? Was ist mein Lieblingsgericht?
Ich habe glücklicherweise zuhause
mit Gudrun eine Kochmeisterin, der
ich gerne zur Hand gehe. Das ist
ein Glücksfall, sowieso. Dabei liebe
ich besonders die Tage, an denen
man richtig Zeit zum Kochen hat
und dann im Garten isst, möglichst
mit Freunden. Draußen gibt es
allerdings auch tolle „Künstler“ der
Küche wie im San Leo, im Fischers
Fritz, beim Noi oder in Bolles Subbar.
Ich liebe Sushi, Ossobuco,
Bachsaibling, Onsen-Eier, Röstis
und Schokoladencreme.
Keine Türmchen.
Welche Musik ich zuletzt
gerne gehört habe?
Der Klang der Bilder lässt mir keine
Ruhe. Twombley klingt fantastisch.
Francesco Clemente. Und dann
höre ich Richard Hawley, die Red
Hot Chili Peppers besonders mit
John Frusciante immer noch, Max
Richters „from SLEEP“ läuft gerade,
Ornette immer wieder, Bob Dylan,
Captain Beefheart. Eigentlich höre
ich Musik unterschiedlichster Art
ständig gerne. Kein Radio. Obwohl
das prägend war in den frühen
Sechzigern, BFBS, da gab es Jimi
Hendrix, Cream, Pretty Things, die
Kinks. Big Bill Broonzy. Aber auch
Mauricio Kagel. Später habe ich
immer wieder versucht, mit dem
Jazz warm zu werden. Das harmolodische
System von Ornette Coleman
beeindruckt mich immer
noch, auch die Klassik guckt schon
mal um die Ecke, aber eher
schwierig, usw ... An den Rändern
hochinteressant. Und ab und zu
Hans zuhören. Ich bewundere die
unzähligen guten Musiker, die trotz
der eigentlich oft unannehmbaren
Bedingungen weitermachen ...
Meine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der ich beeindruckt
hinausgegangen bin, das war ...
... die Sammlung in der Villa
Borghese in Rom.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Ja, klar. Wie überall.
9. November 1938
Kann man aus der Geschichte
etwas anderes als Geschichte lernen?
Ja, klar. Wie überall.
Gruß
vom Onkel
an
meine
unbekannte
Großmutter.
1940
„Von dort zu Fuß
über die Grenze
sind wir gelaufen.
Das war ja egal,
ob die Frauen schwanger waren,
ob die Leute blind waren,
ob sie Krüppel waren,
ob sie laufen konnten oder nicht.
Man musste gehen.
Bis wir ans Niemandsland
gekommen sind.“
Jenny Goldberg
9. November 1999
Peter KlasZen
„Niemandsland“,
24-Stunden-Klang-Performance,
Alte Synagoge Wuppertal
180
You’ve got nothing to loose but your hat.
181
10 Fragen an
Renate Löbbecke
1.
Renate, ist das Buchmachen auch
eine Kunst oder siehst Du darin nur
einen Mittel zum Zweck?
Neben Deiner „normalen“ Kunstarbeit
hast Du seit vielen Jahren (seit
1978) dieses spannende Langzeit-
Projekt mit den „Kragkuppelbauten“
betrieben. Gemeinsam mit
Deinem Mann habt Ihr 15 Länder
und über 50 Regionen aufgesucht
und Du hast Tausende von Fotografien
gemacht. Daraus ist nun eine
unglaublich dickes und präzises
Buch geworden und hat sicher das
Zeug, zum Standardwerk der
Archäologen zu werden. Oder
sogar der Archäologie überhaupt,
zumindest in Bezug auf die Kragkuppelbauten.
Während der
Recherche hast Du auch einen
großen Respekt vor der körperlichen
Leistung und den komplexen
Gestaltungskräften der anonym
gebliebenen Landarbeiter
entwickelt. Dieses Werk ist mit
der Herausgabe im renommierten
Verlag der Buchhandlung Walther
König im Jahr 2012 vollendet. Ein
gründlich spannendes Buch ist es
geworden. Geht Deine Suche nach
den Bauwerken trotzdem weiter?
Der Start und auch der Antrieb auf
die Suche nach Kragkuppel(KK)-
Bauten zu gehen, war zeitgleich
mit meiner Intensivierung von
Kunstauseinandersetzungen.
Ich habe mich oft gefragt, was
damals der gemeinsame Auslöser
war. Aber vielleicht so: Mich interessiert
einfach wie die Menschen
mit sich und der Welt umgehen,
wie sie wahrnehmen, denken,
fühlen, ordnen, gestalten und auch
ihr Leben organisieren und bewältigen.
Die Kunst bietet die Möglichkeit,
menschliche Wahrnehmungsund
Ausdrucksmöglichkeiten
„zweckfrei“ zu erkunden. Dagegen
sind die KK-Bauten ein sichtbarer
Ausdruck für elementare Zweckbauten,
deren besondere Formen
sich ganz aus der Logik der
Situation, der Nutzung von überflüssigen
Steinen für nützliche
Strukturen ergeben. So zeigen sie
besonders anschaulich menschliche
Gestaltungkräfte – körperlich und
geistig – und im Einklang mit der
benutzten Natur. Und diese Bauformen
gefallen mir oft besser, als
vieles was Künstler formen.
Ich bin froh, dass ich dieses Phänomen
als Buch öffentlich machen
konnte. Auch Kunst? Ich weiß nicht.
Die Suche geht weiter, es ist einfach
zu spannend, diese KK-Bauten
auf Reisen aufzuspüren, neue
Variationen zu finden, in abgelegene
Gegenden zu kommen, überraschende
Begegnungen zu haben.
2.
Nach Deinem Studium der Germanistik,
Biologie und Chemie bist Du
seit 1982 eine freischaffende
Künstlerin. Du arbeitest unaufhörlich
an Deiner Malerei und an
Deiner Kunst, Du hast schon viele
Wege und Techniken erprobt, Dich
auszudrücken. Bist Du auch ein anerkannter
Künstler? Und kannst Du
von Deiner Kunst-Arbeit leben?
3.
Spielen der Kunstmarkt, Museen
und Galerien für Dich und Deine Arbeit
eine entscheidene Rolle? Bist
Du im „Geschäft“?
Ich habe bei meiner Arbeit
während des Machens nie an das
„Geschäft“ gedacht und habe
dadurch sicherlich oft die Marktstrategien
nicht beachtet, so dass
ich hätte davon leben können.
Aber ich freue mich, wenn ich
durch Ausstellungen an verschiedenen
Orten Aufmerksamkeit und
gelegentlich auch Anerkennung
für mein Tun bekomme.
4.
Kann Dich die Kunst von Kollegen
heute noch oder wieder oder
immer noch oder sowieso nicht
begeistern?
Da ich ja generell an dem Phänomen
des Kunstmachens interessiert
bin, fasziniert mich nach wie vor
die Gesamt-Vielfalt dieses Tuns und
damit auch die zugehörigen Täter.
Aber heute empfinde ich mittlerweile
vieles auch als langweilig,
da schon so oft gesehen.
5
Gibt es für Dich besonders wichtige
Schlüsselbilder oder Skulpturen in
der Kunstgeschichte?
Alt-Ägyptische Kunst,
Michelangelo, Rubens, Rodin,
und, und, und ...
Eigentlich stöbere ich ständig bei
alten Meistern herum und arbeite
auch damit.
6.
Sind Deine Arbeiten politisch?
Nicht illustrativ thematisch.
Aber jede Auseinandersetzung mit
geistigen Prozessen ist auch politisch
relevant. Künstliche Ordnungen,
Vereinfachungen, unausweichliche
Vorurteile, Intoleranz,
Machtstrategien, Verfremdungen
u.s.w. Deshalb ist meine Verweigerung
eines festgelegten „Stils“
auch eine Art politisches Statement.
7.
Gehst Du zum Essen gerne aus
oder findest Du Deine Lieblingsgerichte
eher Zuhause?
Was ist Dein Lieblingsgericht?
Ich kann es sehr genießen, wenn
ich bei Freunden lecker bekocht
werde. Sonst esse ich mittlerweile
lieber zu Hause.
Köstlich ist immer ein gut durchwachsenes
und pikantes Stück
Fleisch mit Salat. Bitte keine
Schokolade!
8.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört? Oder machst Du selbst
Musik?
Wenn ich eine CD auflege, höre ich
fast immer klassische Musik.
Leider nur selten setze ich mich
ans Klavier.
9.
Deine zuletzt besuchte Ausstellung,
aus der Du beeindruckt hinausgegangen
bist, war ...
Was mir spontan einfällt:
Pauline M’barek im KIT Düsseldorf
2014.
Tino Seghal im Martin-Gropius-Bau
Berlin 2015. Allerdings fand ich
seine Inszenierungen beeindruckender,
wenn sie einzeln
irgendwo stattfanden, z.B. bei der
letzten Dokumenta.
10.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Soll die Freiheit der Kunst eine
Grenze haben? Es gab in den
letzten Jahren das Projekt der
movingartbox, an dem viele
Künstler und Gruppen international
beteiligt waren. Initiiert von der
Gruppe SIXPACK hast Du in diesem
Projekt zusammen mit Regina
Friedrich-Körner einen Großteil der
organisatorischen Verantwortung
übernommen.
Eine Kiste mit einem Kubikmeter
Kunst wurde durch Europa
geschickt, von einem Kunstort zum
anderen. Nach den Stationen in
England, Bedburg-Hau und
Amsterdam, entschieden Künstler
aus Otterlo, die Kiste komplett leer
weiterzuschicken. Die Leerung der
Kiste hätten sie nach reiflicher
Überlegung durchgeführt, da sie
die Kiste zu voll, zu unübersichtlich
fanden, das Arbeiten mit dem
Inhalt zwar Spaß gemacht habe,
aber nicht wirklich Kunst herausgekommen
sei. So wollten sie den
nachfolgenden Künstlern die
Chance geben, ganz neu anzufangen.
Diese Aktion hat eine grosse
Wende im Projekt provoziert – da
nun ausschließlich die Vorgabe aus
Otterlo galt – eine leere Kiste, die,
nach ihrer Meinung ohne Problem
– wieder neu gefüllt oder in irgendeiner
Form damit umgegangen
werden sollte. Ganz schön schwierig
für die nachfolgenden Künstler,
wie man merkte. Letztendlich
reiste die Kiste von nun an mehr
oder weniger leer, bis dahin gab es
bereits über 50 Künstlerbeiträge.
Darf ein Künstler alles tun oder soll
es auch in der Welt der Kunst Wertmaßstäbe
und Grenzen geben?
Die Kunstgeschichte ist ein
unglaubliches Bilderbuch, in dem
man alles über die Menschen und
die Zeit, in der sie gelebt haben
erfahren kann.
Zum Movingartbox-Projekt:
Die radikale Entleerung der
Kunstkiste in Otterlo war eine sehr
unkollegiale und arrogante Intervention
in das Projekt. Nicht
einmal neue, „bessere“ Arbeiten
wurden von dort weiter geschickt.
Aber letztlich war dieser Eingriff
nicht verboten, war eine mögliche
Aktion und die folgenden Künstler
haben großartig darauf reagiert,
so dass das Projekt weiterging.
Bei dem erfolgreichen Finale führte
das zu heftigen und durchaus
anregenden Diskussionen über
Kunst und seine Grenzen, wie ja
auch die obige Frage zeigt.
182
Frankreich, Dordogne
linke Seite unten Griechenland, Kreta
oben Spanien, Valencia
183
184
von links nach rechts: Spanien, Menorca; Italien, Elba und Apulien
185
10 Fragen an
Hermann Löbbecke
Du warst schon Beteiligter und
Träger des Kunstraums Wuppertal,
Du bist Mitglied im Kunst- und
Museumsverein des Von der Heydt-
Museums und aktiv im Neuen
Kunstverein in der Hofaue, dieser
geschichtsträchtigen Straße in
Elberfeld. Also ein richtiger Kunstliebhaber.
Sogar bis hin zur Liebe,
denn oft sieht man Dich auch in
tragender oder sogar helfender
Rolle, wenn Deine Frau, das ist ja
Renate Löbbecke, an einer ihrer
Installationen arbeitet. Im Jahr
2014 hast Du ihr geholfen, einen
großen Stapel ihrer „zu viel gewordenen
Bilder“ in einer Performance
zu zerstören: Final Presentation.
Von dieser Installation und Aktion
im ehemaligen Schlachthaus der
LVR-Klinik, Bedburg-Hau ist auch
über Youtube ein Film aufzurufen.
Spannend.
Doch direkt zu den Fragen:
1.
Hattest Du keine Hemmungen, hat
Dir das auch mal Spaß bereitet, die
Kunst zu „zerstören“, sogar mutwillig
oder müsste das mal einer Deiner
Psychiaterkollegen analysieren?
Zum mutwilligen Zerstören einiger
ihrer Werke wurde ich von der
Künstlerin selbst aufgefordert, fast
gedrängt. Ich gebe selbstverständlich
allen Künstlern das Recht, ihre
Arbeiten, die sich noch in ihrem
Besitz befinden, zu vernichten .
Zudem war mir in diesem Fall die
Notwendigkeit sehr klar, durch
Zerstörung älterer Werke Platz für
neue Arbeiten gewinnen zu
müssen.
Die ersten Hammerschläge auf die
Bilder waren noch mit ambivalenten
Gefühlen verbunden Dabei war
die Zerstörung eines Reliefs mit
dem Gesicht unseres Sohnes am
unangenehmsten. Dann, nach dem
Tabubruch, stellte sich sogar eine
leichte Euphorie ein. Das ist nicht
pathologisch, nicht therapierbar,
sondern normal und kann gerade
darum in anderen Fällen sogar gefährlich
werden (z.B. „Blutrausch“)
2.
Du hast schon eine Menge an
Kunstwerken gesehen, einen
Haufen von Künstlern in Aktion
erlebt, mit vielen bist Du sicher
auch befreundet. Gibt es noch
Überraschungen?
Ja, es gibt, wenn auch seltener,
immer noch positive Überraschungen!
Zum Beispiel:
Performancearbeiten von Tino
Seghal, chinesische aktuelle Malerei
in Duisburg, aktuelle kolumbianische
Kunst in Bochum, neue
Fotoarbeiten z.B. aus Südafrika,
Möglichkeiten zu sinnlicher
Selbsterfahrung bei Saraceno in
Düsseldorf.
3.
Neben der Kunst gibt es auch das
Feiern und das leichte Leben, ich
kann mich erinnern, dass Du damals
haarscharf am Sieg eines
Tanzcontests im Barmer Galerie-
Kollektiv vorbeigeschlinttert bist.
Geht’s heutzutage schon mal zum
Tangotanzen?
Feiern und das leichte Leben gibt
es für mich noch, allerdings viel
seltener als früher und nicht mehr
bis zum frühen morgen. Etwa vier
mal im Jahr komme ich zum – leider,
wegen vorschneller Erschöpfung,
nur noch kurzzeitig möglichem
– sogar exzessiven – Tanzen.
Dabei hat mich Tango nie interessiert
und ich habe es nie versucht.
Albern sein und Blödsinn machen
mit Enkeln ist eine neue Form des
leichten Lebens und auch der
Rotwein erleichtert das Leben.
4.
Fotografierst Du in Deiner freien
Zeit oder arbeitest Du nur im
Garten?
In meiner für Kreativität freien Zeit
fotografiere ich öfter, vor allem auf
Reisen und stelle auch Fotobücher
zusammen.
Versuche, das Zeichnen oder Malen
zu reaktivieren, sind kläglich gescheitert.
Die Gartengestaltung hat
auch deutliche kreative Aspekte.
5.
Tendierst Du in der Kunst eher zu
den Gottsucherbanden oder zu den
Unterhaltungsidioten? Oder findest
Du solche Kategorien überflüssig?
Die Kategorien Gottsucherbande
oder Unterhaltungsidioten, bewusst
vereinfachend und polarisierend
gewählt, finde ich zu platt.
Kunst die Fragen stellt, Wissen
mitverarbeitet, auch politisch ist,
neue Bereiche auch der Ästhetik
erkundet usw. finde ich fast immer
sehr unterhaltend.
Kunst die keine im weitesten Sinne
existentiellen Themen anspricht
interessiert mich meist nicht.
Es gibt aber selten auch rein
ästhetische Freuden.
Künstler die das auslösen sind
für mich alles andere als Unterhaltungsidioten.
6.
Auch Dir, wie den Künstlern die
Frage „Hast Du Deine Arbeit jemals
als politisch empfunden?“
Meine Arbeit hatte sehr oft einen
politischen meist sozialpolitischen
Aspekt. Vielen Patienten, vor allem
mit psychosomatischen Störungen,
habe ich immer wieder bewusst
machen müssen, wie sehr ihre
Krankheit durch ihre Stellung und
Rolle in der Gesellschaft mitbedingt
waren und dass auch die
Behandlungsmöglichkeiten durch
gesetzliche Vorgaben mitbestimmt
sind.
7.
Gibt es für Dich besonders wichtige
Künstler, Schlüsselbilder oder
Skulpturen in der Kunstgeschichte?
Oder sind es eher Haltungen,
Herangehensweisen, die Art der
Auseinandersetzung?
Diese Frage kann ich nicht beantworten.
Sie ist zu komplex.
Natürlich gibt es Kunstwerke, an
denen einfach mein Herz hängt
wie Rembrandts Bild „die Judenbraut“,
Jawlenskys Frau mit Pfingstrosen,
Videoarbeiten von Bill Viola,
Reliefs im ägyptischen Grab des
Ramose und viele viele andere.
Es gibt Episoden, wie die Entwicklung
der Kunst in Griechenland um
500 vor Christus, die mich nur
staunen lassen und Kunstwerke,
die mich intellektuell ansprechen
oder die durch ihren Mut oder politische
Haltung imponieren usw.
8.
Und nun zum Überleben. Was ist
Dein Lieblingsgericht?
Nach reiflichem Abwägen hab
ich mich für Rinderroulade mit
Zwiebel, Gürkchen und Speck, dazu
Kartoffelklöße und Rosenkohl als
Lieblingsgericht entschieden und
knapp gegen die Lasagne beim
Lieblingsitaliener und den Nudelauflauf
meiner Frau.
9.
Welche Musik hast Du zuletzt gerne
gehört?
Am liebsten höre ich zur Zeit die
sardische Vokalgruppe A Filetta
und Kammermusik wie zuletzt
Chello / Klavier Sonaten von Beethoven
und Debussy.
Die Frage hat mir bewusst
gemacht, dass ich deutlich weniger
Musik gehört habe als früher.
10.
Kann man aus der Kunstgeschichte
etwas anderes als Kunst lernen?
Die Beschäftigung mit der KUNST
ist eine Beschäftigung mit den
Menschen, der Menschheit, dem
Menschsein.
Aus der KunstGESCHICHTE kann
man unter anderem viel über
Herrschaftsstrukturen, Machverhältnisse,
die soziale Situation der
Menschen, Religiöse Überzeugungen,
Weltanschauung, Träume,
ästhetische Moden und Tendenzen,
Abhängigkeit der Geschichtsschreibung
von gesellschaftlichen Voraussetzungen
und so viele weitere
Aspekte lernen, so dass man sie
nicht einmal annähernd aufzählen
kann.
Hermann, Dankeschön.
„... und schicke Dir meine Antworten auch obwohl ich noch lange daran rumbasteln könnte.“
Hermann, Dankeschön. Großartig.
186
Renate Löbbecke FINAL PRESENTATION Installation und Aktion mit Hermann Löbbecke und Besuchern im Rahmen von ArToll ZWEINULL, 9. August 2014 im ehemaligen
Schlachthaus der LVR-Klinik, Bedburg Hau. Videostills aus „https://www.youtube.com/watch?v=cAOveOevR1U&feature=youtu.be“
187
188
Georg Janthur
Atelierbesuch, März 2016
189
190
191
Kunst trifft Rat und Tat II
Kunst im Café
März bis September 2016
Fotografische Blicke
Peter Klassen
Renate Löbbecke
Björn Ueberholz
Krzysztof Juretko
Rita Caspary
Silke Kammann
Sylvie Hauptvogel
Klaus Küster
Karl-Heinz Krauskopf
Bartek Juretko
192
Barlachs Hände, 2000
Karl-Heinz Krauskopf
193
194
Fundstücke: Krysztof Juretko, 2010
Pferd über Tanzszene
Wuppertaler Maler: Anna Solecka
rechts:
Gegenlicht 3K, Ö̈l, 24 x 30 cm, 2012,
linke Seite 1 : 1 Ausschnitt
ganz rechts Gegenlicht 2K
befreundete Galeristen, unvollendete Projekte, Kuriositäten und tun was zu tun ist. R.I.P.
Spaß haben. Das Skulpturenprojekt auf der Hardt: Zum fünften Mal hatte Oswald Gibiec-Oberhoff
über 20 Künstler eingeladen. „Mikado, eigentlich ein Spiel?“ Auf der Hardt, 30. Juni 2013.
Von links nach rechts: Eckehard Lowisch, Dietrich Maus, Sabine Düwell, Andreas Steffens.
Sich dem Ernst der Lage bewusst sein. Nach dem Aufbau der Ausstellung Hans Reichel
feat. Maurycy in der Stadtsparkasse Wuppertal, 20.09.2012. Von links nach rechts:
Klaus Untiet, Süleymann Kayalp, Peter Klassen, Maurycy, Rob Fährmann und Frank Ifang.
unvollendete Projekt: Knüppelrock, soon coming
Roland, Holger und Peter, 18.10.2014, vor einem Bild von James Rogers posierend
195
196
KunstStation
im Bahnhof Vohwinkel
Räume zur Verfügung stellen,
Menschen einladen, Kunst zeigen.
Die KunstStation in der ehemaligen Expressgutabfertigung
im Bahnhof Vohwinkel ist ein
nicht kommerzieller Projektraum für gegenwärtige
künstlerische Positionen.
Das ehrenamtlich arbeitende Kuratorenteam
Eckehard und Tine Lowisch
entwickelt hier seit dem Sommer 2014 ein Konzept weiter,
das bereits im Februar 2009 von der Grafikerin Ulla Schenkel
und der Fotografin Ute Klophaus
angeregt worden war.
197
9. April bis 8. Mai 2016 Andreas M. Wiese – ZU DEN LEISEN
An alle Passanten:
Leerstand ist Freiraum
Die Möglichkeiten, die wir hier
vorgefunden haben und die
Strukturen, die wir geschaffen
haben sind vielversprechend.
Der Wandel, der sich im Moment
offensichtlich in unserer Gesellschaft
vollzieht ist vielversprechend.
Vielleicht auch, weil die Krisenherde
zur Normalität geworden sind und
die sogenannte Normalität immer
neue Krisen hervorbringt,
versprechen wir uns von unseren
lokalen Bemühungen, dass wir
durch unser Tun den Menschen
wieder zur Kunst bringen.
Mein Mann sagt immer:
„Ich sehe die Aufgabe der Kunst
darin, den Menschen herauszufordern,
sich zu interessieren.
Denn erst der interessierte Mensch
geht zur Kunst. Also muss vor dem
Interesse das Unerwartete zu den
gewohnten Orten gebracht werden.
Künstler leisten Pionierarbeit,
es ist also meine Aufgabe es
anders zu machen und ich darf
mich, auch wenn es bequem wäre,
nicht in ritualisierten Wiederholungen
verstricken.“
Zur Kunst gehen heißt, von
Künstlern zu lernen. Und da nicht
jeder Mensch ein Künstler ist,
genauso wie nicht jeder Arzt oder
Astronaut, müssen wir erst einmal
wieder neu zur Einsicht kommen
und uns fragen: Wie geht der
Mensch mit Freiraum um?
Was das mit der Kunststation im
Bahnhof Vohwinkel zu tun hat?
Alles.
Tine Lowisch
198
199
... fast vollständige Liste
beteiligter Künstler
1979-1982, Hofaue 21 a
nordstadt-galerie-kollektiv
Ausstellungen, Performances,
Aktionen mit:
Maria Achilles
Volker Anding
Karl Armbrust
Armutszeugnis
Katarina Albinghaus
Gregor Becker
Rüdiger Bergmann
Rolf Behme
Uli Bodemüller
Reinhard Blankenberg
Abraham David Christian
Uwe Claus
Bernd Dehne
Inge Deubel
Karel Dudesek
Gabriele Donder-Langer
Klaus Engelberth
Günther Engelmann-Kordas
Andreas Müller-Eckhard
EROC
Fluxus-Zone-West
Free-Action-Quartett
Gundula Freydank
Manfred Galden
Renate Ghiazza
Walter Giskes
Rolf Glasmeier
Bärbel Görner
Stephan Grosse-Grollmann
A. Grimm
Gruppo di Ricerca Materialistica
Herlmut Götzinger
Reiner Götzinger
Heike Jacobs
Wolfram Jörges
Gerlinde Kemper
Küchentheater
Thomas Korte
Gerlinde Lambeck
Santo Leonardo
Iris Linke
Lunapark
Helmut Magel
Alfred Miersch
RWLE Möller
The Mods
New Live Ensemble
Dirk Nowakowski
Open Field Music
Will Oster
Wolfram Palm
Bernd Polster
Giancarlo Pagliaso
Peg'n Bow
C. Quadflieg
Ratibor Theater
Harald Reiter
Rauschenberg
Angelika Sdun
Joshio Shirakawa
Jean-Pierre Szabo
Silvan Saini
Soft Soap
Hans Schäfer
G. Schaumlöffel
Berthold Schepers
H. P. Schenk
Johannes Stüttgen
Bernhard Schwarz
KH.W. Steckelings
Hans E. Steinkos
Joachim Wagner
Jerzy Wankiewicz
Angelika Wengler
Wulle Konsumkunst
Wuppertaler Rockfolk Orchestra
Wolfgang Zülch
1983-1993,
Berliner Straße 39
atelier- und galerie-kollektiv
Ausstellungen, Performances,
Aktionen mit:
Mariko Ayoama
Klaus Abromeit
Ulrike Arnold
Ursula Damm
bodo berheide
Joachim Bischoff
M.M. Buras
Eta Bender
Tim Berne
Michael Barth
Dieter Broselge
Jürgen Bennemann
Peter Caspary
Rita Caspary
Tony Cragg
Angela B. Clement
Graziella Drössler
Klaus Eggemann
Walter Fähndrich
Forschungsgruppe Komplexe
Dynamik der Universität Bremen
Christa Feuerberg
Mircea Florian
Jochen Gerz
Monika Günther
Harald Hilscher
Volker Hildebrandt
Frederike Hamann
Bettina von Hartmann
Hans Peter Hiby
Karl Inderberg
Andreas Junge
Peter Kowald
Thomas Kesseler
Marina Kern
Klaus Küster
Uwe Kampf
Rainer Kraft
Martin Kuhles
Ute Klophaus
José Katxua
KINGHAT
Sho Kazakura
Takeshi Kozugi
Urs Leimgruber
Renate Löbbecke
Die Langheimer
Valerian Maly
Catherine Metais-Bührend
Dietrich Maus
Barbara Nemitz
Sabine Oldenburg
Danos Papadopoulos
J. O. Olbrich
Lothar Pfennig
Ralf Prinz
Martin Peulen
Thomas Rottenbücher
Jürgen Raap
Knut Remond
Michael Seeling
Klara Schilliger
Dirk Schäfer
Wolfgang Stiller
Ruedi Schill
Jan Willem Sebastiaan Spit
Dagmar Schröck
Susanne Berger
Siegfried Sander
George J. Steinmann
Thomas Schliesser
Katja Thiele
Rüdiger Tag
Peter Trachsel
Michiyo Tsuyuki
Rob de Vry
Ike Vogt
Hermann de Vries
Jörg Winter
7 Symposien Schmerwitz
zusammen mit Irene Warnke
und Synanon (1993–99)
Nicole Aders
Mathias Beck
Margret Blessmann
Bodo Berheide
Ines Berger
Angela Carson
Birgit Eicher
Fritz Eicher
Reinhold Fäth
Maria Gehrling
Gunda Gottschalk
Annette Gadatsch
Beate Grazianski
Jürgen Grölle
Sigrid Hacker
Michael Heinrich
Wolf Hedrich
Wolfgang Huber
Harald Hielscher
Andrea Hold-Ferneck
Peter Jacquemyn
Sigrid Jacquemyn
Georg Janthur
Ingrid Kaftan
Uwe Kampf
Gudrun Klassen
Peter Klassen
Kim-Ludolf Koch
Peter Kowald
Regina Friedrich-Körner
Tony Lohr
Renate Löbbecke
Ina Lindemann
Elke Lixfeld
Sabine Mordhorst
Hektor Mavridis
Elisabeth Müller
Claudia Okonek
Wolfgang Opitz
Thomas Rottenbücher
Thomas Rother
Nanny de Ruig
Wolfgang Schmitz
Sabine Schneider
Peter Schulze
Kristin Scheuerpflug
Yury Selivanov
Catherine Steffens
Andreas Steffens
Cathrine Schlingmann
Roman Schweigert
Dirk Schlingmann
Kristin Sperlich
Marcus Sperlich
der Synanon Chor
Herb Weaver
Anita Weaver
Catherine Tillmanns
Niklas Trüstedt
Rob de Vry
Ingo Warnke
Irene Warnke
Rober Weber
Thomas Werneke
Thomas Wellmer
Silvia Schwarz
Petra Zündorf
seit 1993
Kollektiv für intermediale
Kunstarbeit
art consulting
Internet Performances,
die Symposien in Schmerwitz,
die Greenpiece-Projekte,
Kooperation mit dem Cyt,
mit der Immanuelskirche,
mit dem Artesan Center Wheeling,
„hidden places“,
in Grölles pass:projects ohneanfangundohneende,
im Haus Fahrenkamp das
„Kaufhaus Michel“,
Kunst im Cafe Rat und Tat,
normal in der Hagenring-Galerie,
in der Central.Galerie Remscheid.
Wir haben das SIXPACK-Projekt
unterstützt, die MOVINGARTBOX,
es gibt eine Reihe von Veröffentlichungen
in der HUITZILIPOCHTLI-
Edition usw.
wird fortgesetzt
mit
Bodo Berheide
Jennifer Blose
Holger Bär
Peter Caspary
Rita Caspary
Gregor Eisenmann
Annette Gadatsch
Jürgen Grölle
Sylvie Hauptvogel
Christian Ischebeck
Georg Janthur
Bartek Juretko
Krzysztof Juretko
Silke Kammann
Gudrun Klassen
Peter Klassen
Peggy Klick
Klaus Küster
Karl-Heinz Krauskopf
Jörg Lange
Renate Löbbecke
Regina Friedrich-Körner
Zbigniew Pluszynski
Mitsuru Sasaki
Dirk Schlingmann
Catherine Schlingmann
Andreas Steffens
Björn Ueberholz
200
201
Fotografieverzeichnis
Seite und von links nach rechts und von oben nach unten
3, 4 Peter Klassen
6, 7 Priska Ketterer
8–10 Peter Klassen
11 Peter Klassen
Georg Janthur
Bodo Berheide
12–13 Klaus Küster
15 unbekannt
16–17 Peter Klassen
18 Peter Klassen
Bodo Berheide
19 Peter Klassen
Bodo Berheide
20 Bodo Berheide
Peter Klassen
22–23 Reinhold Bertlmann
Peter Klassen
24–25 Renate Bertlmann
26–27 Peter Klassen
Bodo Berheide
unbekannt
28–29 Peter Klassen
unbekannt
30–31 Peter Klassen
unbekannt
32 Peter Berheide
36–37 Peter Klassen
41 Süleymann Kayaalp
42–45 Martin Peulen
46 Peter Klassen
50 Konrad Hupfer
Thomas Rottenbücher
52–54 Peter Klassen
55 Peter Schulze
54–65 Peter Klassen
66–67 Gudrun Klassen und
Anna Warnke
68 Peter Klassen
Zbigniew Pluszynski
69 noch unbek.
72 Peter Klassen
73 noch
Ingrid Kaftan
74–77 Irene Warnke
78–81 Peter Klassen
82 Martin Becker
202
Inhaltsverzeichnis
Seite
3 Einleitende Worte
Erik Schönenberg
2
4 über dieses Buch
Walter Fähndrich
5 Ja ja ja, nee nee nee
5 Monika Guenther und Ruedi Schill
8 Was tun
Klaus Küster
9 10 Fragen an Klaus Küster
10 Central.Galerie
12 Credo II
13 Credo I
13
das Kollektiv für
intermediale Kunstarbeit
Berliner Straße
Joseph Beuys
Ute Klophaus
Walter Fähndrich
Walter Fähndrich
Walter Fähndrich
Walter Fähndrich
152 Kunst im Cafe Swane
156 10 Antworten von Peter Klassen
Kollektiv ohne raum bis 2016
158 Anhang
160 Chronologie
1976 bis 2016
160 Fotografieverzeichnis
nach bestem Wissen und Gewissen
160 Inhaltsverzeichnis
Seite 1 bis 200
160 Inhaltsverzeichnis
Seite 1 bis 200
160 Inhaltsverzeichnis
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Personenregister
50 7 Symposien in Schmerwitz
57 Museum Schmerwitz
69 Danse de la chèvre
70 Vom Beginnen Andreas Steffens
74 Irene
80 Marcus Sperlich
82 Jürgen Grölle
86 10 Fragen an Kim-Ludolf Koch
128 Huitzilopochtli Edition
133 Utopie des Exils oder Topologie der Kunst
Andreas Steffens
134 für Sri Lanka – Epikur
136 Kunst im Cafe Tat und Tat
„Wenn Du auslöschst Sinn und Ton,
was hörst Du dann?“
Haus Fahrenkamp
Hagenring-Galerie
10 Fragen an Zbigniew Pluszinsky
10 Fragen an Holger Bär
150 10 Fragen an Christian Ischebeck
203
Chronologie
nach bestem Wissen und Gewissen
Nordstadt-Galerie-Kollektiv, Hofaue 21
Hauptsächlich in den Räumen der Hofaue wurden
zahlreiche Veranstaltungen, KONSPIRATIVE
Treffs, Kaffeestunden, Weiterbildungen und Feiern
und Feste und Feiern und Feste abgehalten.
Alles, was direkt etwas mit Kunst zu tun hatte,
ist hier (wahrscheinlich) aufgeführt. Der Rest ist
unerheblich, etwa die Gründung der Wuppertaler
Grünen in den Kollektivräumen, das Männergruppencafé
oder andere private Verabredungen
(die später auch Folgen hätten gehabt haben
können) sind nicht berücksichtigt.
1976 erste intermediale zusammenarbeit
in Lothar Pfennigs Wohnung/Lager
mit Lothar Pfennig, Rainer Kraft,
Angelika Sdun, Rainer Widmann,
Bodo Berheide
1977 21., 22., 23. Januar
„3 tage zusammenarbeit“
„nordstadt-galerie-kollektiv mit
Galerie Aura im Ladenlokal in der
Wiesenstr. 81, mit Volker Anding,
Joshio Shirakawa, Lothar Pfennig,
Manfred P. Galden, A. Müller-Eckard,
Bodo Berheide, Axel Behl, Angelika
Rusche, Abraham David Christian,
H. F. Neumann, Ch. W. Jerzenbeck,
Horst Kerger, Wolfram Palm,
Gerd Neumann/Uli König/Paul
Reinke-Band, René Gaudian, Karel
Dudescek, Wolfram Jörges
1978 Umzug ins Fabrikgebäude Hofaue 21 a
1978 „einwochenmodell“ im
Von der Heydt-Museum mit
Angelika Wengler, Alfred Miersch,
Jürgen O. Olbrich, G. Schaumlöffel,
Joachim Wagner, Helmut Götzinger,
Wolfgam Palm, Wolfgang Schmitz,
KH. W. Steckelings, Michael Becker,
Ralf Prinz, Bodo Berheide
1978 20. Januar bis 17. Februar
erste Ausstellung in der Hofaue
Arbeiten von Wolfram Palm.
1978 24. Februar bis 18. März
„von sibirien nach moskau“ mit
Karl Armbruster
1978 22. April
Zusammenarbeit „kunst ist“ mit
Lothar Pfennig, Rainer Kraft, Angelika
Sdun, Wolfram Jörges, Bodo Berheide
und Gästen
1978 Montag, 1. Mai
Aktion mit Klaus Engelberth,
alias Anton Neger Antonius
1978 ganzer September
„fragmente“ mit
Helmut Götzinger und Joachim Wagner
1978 Mittwoch, 6. September
2. Zusammenarbeit mit Kollektiv und
Gästen
1979 15. Februar bis 17. März
Maria Achilles, Malerei
1979 März
„Raumkunst“, Bernd Schepers
1979 10. März
„treten sie näher“ Ein-Mann-Theater
mit Wolfram Zülch.
1979 17. April
„the architecture of freedem 4“
Performance mit Gruppo di Ricerca
Materialistica.
1979 21. Mai
Filmwerkschau West zeigt
Stephan Grosse-Grollmann
1979 26. Mai bis 2. Juni
„auswuchs – 8 stunden am
arbeitsplatz“, Performance und
Installation, Bodo Berheide
1979 30. August
Performance mit Jürgen O. Olbrich
1979 8. bis 22. September
„ich wollt ich wär ein huhn“
ausstellung mit RWLE Möller, Bernd
Polster und Harald Reiterer
1979 13. September
„sooo weit sind wir“, Ratibor Theater
1979 21. September
„fashion show“ mit Marina D.
Filme von Middendorf, Salomé und
Fetting
1979 20. Oktober
„rock around the clock“
Musikfeté
1979 3. bis 17. November
Volker Anding, Arbeiten aus New York
1978
1979 24. November
„im schiefen raum“
Performance mit Rainer Kraft und
Lothar Pfennig.
1979 9. bis 20. Dezember
Zeichnungen, Jean-Pierre Szabo
1980 1. bis 16. August
„zeitobjekte“ von Hans Schäfer.
1980 1. August
Musik mit Armutszeugnis
1980 18. August
„merz“ zusammenarbeit, Kollektiv
und Gäste.
1980 7. bis 14. November
Malerei von Reinhard Blankenburg
1980 14./15./16. November
deutsch/italienische zusammenarbeit
im Von der heydt-Museum, mit
Gruppo di Ricerca Materialistica,
Boris Nieslony, Jürgen O. Olbrich und
Bodo Berheide
1980 16. November
Alfred Miersch liest
1980 28. Nov. bis 11. Dezember
„In schlecher Verfassung“, Bilder von
Peter Klassen. Zur Eröffnung gab es
Musik von Achim Ehrig (eroc), Peter
Klassen und Michael Barth.
1980 5./6./7. Dezember
„3 Tage Blech“ Musikperformance mit
Willy Oster, Paul Hubweber, Joseph
Thielen, Rolf Otten und
Claus van Bebber.
1980 21. Dezember
„offensichtlich“, Tam Theater.
1981 9. bis 18. Januar
„think about my“ Rauminstallation mit
Wolfgang Wiesemes
1981 13. Februar
„erdkontakte“ Performance mit
Ralf Prinz.
1981 15. Februar
„ick bin allhie!“, Performance mit
Volker Anding
1981 21. Februar
„die endzeitwalze“, Performance mit
Hans Schäfer
1981 20. bis 29. März
Malerei von Willy Oster
1981 21. März
„the Mods“ feté mit liverock
1981 24. April
Musik mit „lunapark“, Burkhard
Ballein, Memphis Heiner Boos, Siggi
Domke, Klaus (Schlips) Gebauer
1981 14. August
„Bilanz“, Kollektiv-Gespräch
1981 21. bis 23. Oktober
„30 grad – täglich“, mit
Jerzy Wankiewicz
1981 21. Nov. bis 5. Dezember
„schwarz/weiss rauminstallation“
mit Gaby Donder-Langer
1981 12. Dezember
Performance mit Wulle Konsumkunst
1982 5. bis 19. März
„Farbräume“ mit Bernhard Schwarz.
1982 30. April bis 15. Mai
„SLING SHOT ACTION“,
Renate Bertlmann wäscht, Performance
1982 11. September,
Aktionstag zum 5-jährigen mit
„the radaubrothers“
1982 22. Sept. bis 6. Oktober
„schlickfelder/schlickprofile“ Objekte
von Wulf Kirchner
1982 5. Oktober
„Hartes Wasser – weicher Stein“
Performance mit Peter Klassen
1982 16. bis 30. Oktober
Malerei von Dirk Nowakowski und
Joachim Wagner
1983 22. April
„kopf oder zahl“
Volkszählungsboykottfeté
1983 29. April bis 20. Mai
Bilder von Joachim Bischoff
1983 25. Mai
„Dort wo du bist, bin ich auch“
Ruedi Schill, Performance
1983 25. Juni
„Musik an den Mond“ Improvisationen.
Das Kollektiv mit Gästen,
Claus van Bebber, Eroc, Thomas
Rottenbücher, Michael Barth,
George Steinmann,
Wolfgang Wiesemes
1983 6./7. Juni
„wuppertal nachstimmen“
auf der Hardt, mit Dieter Broselge und
Bodo Berheide.
1983 10. September
„einfach nur so – tagtäglich“, der
Kongress, das Kollektiv im Schloss
Lüntenbeck.
1983 30. September
„Foto.be-mal-aktion mit
Gruppenbild“, mit Helmut Magel
1983 4. bis 16. November
„wuppertal nachstimmen“, Fotos von
Jürgen Bennemann zur Aktion
1983 26. November
„1. internationales
Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier“
Siegerin: Brigitte Hansohm
1983 18. Dezember
„her mit der U-bahn, sofort“,
das Kollektiv und Gäste,
Pressekonferenz in der Gaststätte EXIL
1984 20. Januar
„bewahren“, Performance mit Gudrun
und Peter Klassen und Jörg Winter
1984 14. April
„grenzenlose hoffnung“, das Kollektiv
fährt mit Gästen an die niederländische
Grenze. Michael Becker dreht den Film
„Grenzstation“.
1984 6. Mai,
Georg Steinmann Blues Band mit
Michael Poffet und Jürg Lehmann
1984 6. bis 11. Mai
Martin Peulen arbeitet im Kollektiv
Zeichnungen, Bilder, Musik
1984 6. Mai
„grenzenlose hoffnung“
Pressekonferenz mit anschliessendem
Dinner im „EXIL“
1984 12. / 13. Mai
„grenzenlose hoffnung“ mit
J. O. Olbrich, Performance und
Albrecht Michael Barth, Wolkenklang
Sonntags: Grenzbaum-Mikado-Spiel
mit Gästen
1984 Termin ist verschollen
„Die Garde trinkt, übergibt sich
aber nicht!“ Performance
mit Jürgen Raap
1984 1. Oktober
„Ich möchte mit dir tanzen“
Ruedi Schill, Performance
1984 9. Oktober
„Henkersmahlzeit“ mit ca. 70 Gästen.
offizelles Ende in der Hofaue 21 a
1985 30. Mai, 1./2. Juni,
„bodos letzte – von hier aus“.
Performance und Installation von
Bodo Berheide
Atelier- und Galerie-Kollektiv,
Berliner Straße 39 a
das erste neunte jahr
1986 3. Mai
Eröffnung des neuen Galerie-Hauses.
Feierlich mit Peter Friese. Es gibt Musik
von der hauseigenen Band REICH mit
den Gästen RME Streuff, Dirk Schäfer
und Ingo Warnke. Buffet inbegriffen.
Offene Ateliers: Danos Papadoloulos,
Martin Kuhles und Rüdiger Tag
1986 5. Mai
„Manchmal traue ich meinen Augen
nicht“, Ruedi Schill, Performance
1986 23. Mai bis 18. Juni
„Sprache der Bewegung“.
Photographie zu Joseph Beuys
von Ute Klophaus
Eva Beuys besucht mit Sohn Wenzel
die Ausstellung*
1986 20. bis 11. Juli
„Kunst ist unberechenbar“
Arbeiten mit Farbe und Licht von
Marina Kern.
1986 18. Juli bis 8. August
Malerei und Arbeiten aus Draht
von Wolfgang Stiller.
1986 5. bis 26. Sept.
„SIX MIX“, Objekte, Zeichnungen,
Malerei von Klaus Abromeit,
Catharine Bührendt-Métais, Friederike
Hammann, Bettina v. Hartmann,
Markus Fink und Thomas Schliesser.
1986 31. Okt. bis 21. Nov.
„Schönheit im Chaos“.
Forschungsgruppe komplexe Dynanik,
Universität Bremen
Podiumsdiskussion mit Ingo Warnke,
Prof. Dr. Siegfried Maser, Dr. Jochen
Leonhardt, Marina Kern, Dr. Hartmut
Jürgens, Prof. Michael Badura,
Prof. Dr. Peter H. Richter, Dr. Michael
Reeken und Johannes Stüttgen
1986 3. bis 20 Dezember
„Kultur Natur“, mit 21 KünstlerInen, in
zusammenarbeit mit der Vhs Wuppertal,
kuratiert von Peter Friese
bei uns Jochen Gerz, Ulrike Arnold,
Ursula Damm, Volker Hildebrandt,
Uwe kampf, Ute Klophaus,
Die Langheimer, Barbara Nemitz,
Hermann Esrichter und Hermann de Vries
1987 2. bis 27. Februar
Objekte und Bodenbilder
von Christa Feuerberg
1987 27. Februar
„just married“, Musikperformance mit
Claus van Bebber und Horst Lemke
1987 27. März
„Vom Verschwinden der Bilder“
Klara Schilliger und Valerian Maly
1987
„Fletcher konnte fast nicht schlafen“
Peter Trachsel, Knud Remond
1987 8. bis 29. Mai
Bilder und Zeichnungen von
Maria M. Buras
1887 30. Mai
Feté zum 10-jährigen Jubiläum des
Kollektivs mit vielen Gästen
1987 2. Oktober
„Eins nach dem anderen“
Ruedi Schill, Performance
1987 3. bis 24. Oktober
Zeichnungen und Objekte von
Irene Warnke und Sigrid Hacker
1987 24. Oktober
„Tanzabend III“ mit der Galerie-Band
Reich, als Gast Thomas Rottenbücher
1987 9. bis 27. November
Skulpturen von Tony Cragg
1987 11. Dezember bis 8. Januar 1988
Malerei von Graziella Drößler
Eröffnung Hans van der Grinten
*dies ist eine lange Geschichte und kann hier nicht erzählt werden
204
... würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt, erschiene den Menschen alles, wie es ist: unendlich. William Blake
1988 15 bis 29. Januar
Installationen/Fotoarbeiten von
Catherine Métais-Bührend,
Karl Inderberg und Uwe Kampf
1988 12. bis 29. Februar
„volkszählung 87“ mit
39 Künstlerinnen und Künstlern
Organisation Klaus Küster, zur
Eröffnung spielte das „Heinrich Mucken
Saalorchester“
1988 12. bis 31. März,
Bilder und Performance der Gruppe
„Aoyama“ mit Jan Willem Spit,
Jose Katxua, Rob de Vrij, Julie Stanzak,
Mariko Aoyama.
1988 16. bis 23. April
„figura magica“, Pinselzeichnungen
zum Projekt von Bodo Berheide
1988 18. Mai bis 14 Juni
gemeinsamer Bilderzyklus von
Michiko Tsuyuki und Bolle Grölle
1988 2. bis 28. September
„Atlantis und der Verlust der Bilder“
Malerei von Joachim Bischoff
1988 1.Oktober
„Showtime“
Ruedi Schill, Performance
zur Eröffnung des Symposions
Menschen im Kreis
1988 1. bis 15. Oktober
„Menschen im Kreis“ Ausstellungen,
Performances, Musik und Essen mit über
15 internationalen KünstlerInnen
1988 19. bis 30 November
„ajin, hé, nun“, Installationen von
Ike Vogt.
1989 24. Februar bis 23. März
„trias, magie des dreiecks“, Arbeiten
von 68 KünstlerInen. Organisation
Klaus Küster und Rolf Glasmeier.
Pflanzung des ersten „Bürgerbaumes“,
einer dreiarmigen Eberesche auf dem
Mittelstreifen der B 7.
1989 7. bis 21. April
„Malerei“, Ausstellung von
Andreas Junge
1989 19. Mai bis 16. Juni,
Zeichnungen, Wolfgang Schmitz
1989 8. bis 22. September
Bilder und Skulpturen von
Thomas Kesseler
1989 9. September
„Sprengung“ mit Manos Tsangaris,
Michael Heinrich und Christian Graeff
1989 20. Oktober bis 5. November
„Neuigkeiten“, Bilder und Objekte von
Andrea Behn
1989 24. Oktober,
„Viola IV Viola III Viola II“
Musik-Performance Walter Fähndrich
1989 10. November bis 8. Dezember
„Malerei“ von Brigitte Driller
1989 16. bis 22. Dezember
„Requiem für einen Hasen“
Performance, Objekte, Bilder von
Edoh el Loko
1990 9. bis 23. Februar
„symmpaarig“, Arbeiten von
Klaus Küster
1990 3. bis 31. März
„Reuss“, 10 KünsterInnen aus Luzern
„Armoires et Miroirs“, Ruedi Schill,
Performance
1990 26. März
Lesung mit Theo Kneubühler
und Carlo Sauter
1990 23. April bis 4. Mai
Malerei von Irene Warnke
1990 3. Mai
„Arbeiten um zu leben“
Diskussionsabend mit Mitgliedern der
Fachgruppe Bildende Kunst mit
der Industriegewerkschaft Medien
und Gästen
1990 21. September bis 5. Oktober
„Fotografien“ von Sabine Oldenburg
und Katja Thiele
1990 12. bis 26. Oktoer
„zwischen den Bildern“
Ausstellung von Peter Klassen
1990 2. bis 25. November
„white only“, Performance und
Ausstellung mit Bernhard Lüthi,
Edoh el Loko und Bodo Berheide
1990 7. bis 21. Dezember
„Spuren der Elemente – Kupfer und
Eisen“ von Angela B. Clement
1991 12. bis 25. Januar
„Steinspannungen“ von
Michael Seeling
1991 23. März bis 5. April
54 „künstlerInnen für greenpiece“
Baumpflanzprojekt des Kollektivs
1991 3. bis 17. Mai
„Malerei“ von Walter Linsewski
1991 6. bis 20. September
„Anordnungen“, von Michael Winter
1991 4. bis 18. Oktober
„Neue Arbeiten auf Papier“
von Harald Wolff
1991 1. bis 15. November
„Wir haben nichts miteinander
zu tun!“, Studenten von Konrad
Klapheck: Oren Adar-Burla, Peter
Hoßdorf, Thomas Pöhler,
Andreas Wiese
1991 4. bis 22. Dezember
„Waffensammung“ Installation
von Inken Boje
1992 13. bis 27 März.
„Landschaften“ von Jürgen Schlothauer
1992 3. bis 16. April
„Malerei“ von Nanny de Ruig
1992 4. bis 18. September
„Aufstapelungen für Ameisen“,
Skulpturen von Mogens Otto Nielsen
1992 in der Kunsthalle Klandestin, Hofaue 55
„Stück für einen Gartensaal“
Ruedi Schill, Performance
1993 7. bis 28. Mai
„CARTA , QUATTRO STELLE“ Eta Bender
1993 18. Juni bis 2. Juli
„Abdank“ – Bilderzyklus von
Dietrich Maus – „über das
Verschwinden der Ikone Lenin“
seit 1993
Kollektiv für intermediale
Kunstarbeit
art consulting, Internet Performances,
die Greenpiece-Projekte, Kooperation mit dem
Cyt, mit der Immanuelskirche, mit dem Artesan
Center Wheeling: „hidden places“,
in Grölles pass:projects
ohneanfangundohneende,
im Haus Fahrenkamp das
„Kaufhaus Michel“,
Kunst im Cafe Rat und Tat,
normal in der Hagenring-Galerie,
in der Central.Galerie Remscheid.
Atelier- und Galerie-Kollektiv
in Zusammenarbeit mit Irene Warnke und
Synanon in Schmerwitz/Brandenburg
Der altgriechische Ausdruck Symposion
(griechisch συµπόσιον sympósĭon;
spätlateinisch symposium) steht sinngemäß für
„gemeinsames, geselliges Trinken“.
„Scheune, Kirche, Feld“
die jeweils erste Woche im August
1993 1. Symposion in Schmerwitz
1994 2. Symposion in Schmerwitz
1995 3. Symposion in Schmerwitz
1995 15. Dezember
Stadthalle am Johannisberg
„Viola“, Walter Fähndrich
1996 17. Februar
„magic elements”,
Performance, Bethany, West-Virginia,
USA und via Internet Übertragung ins
CYT
1996 4. Symposion in Schmerwitz
1997 12. April
„hidden places“,
Immanuelskirche Wuppertal
mit David John Mega, Catherine und
Dirk Schlingmann, Herb Weaver, Kenn
Morgan, Gaby Donder-Langer, Rüdiger
Tag, Peter Klassen, Jürgen Grölle und
Bodo Berheide
1997 13. Juni bis 4. Juli
„hidden places“,
Artesan Center, Wheeling, West-Virginia
mit Gaby Donder-Langer, Rüdiger Tag,
Peter Klassen, Jürgen Grölle, Bodo
Berheide, David John Mega, Catherine
and Dirk Schlingmann, Herb Weaver and
Kenn Morgan
1997 5. Symposion in Schmerwitz
1997 16. Januar 1998
„ohneanfangundohneende“,
Performance mit Annette Gadatsch,
Dirk Schlingmann, Peter Klassen,
Bodo Berheide
1998 6. Symposion in Schmerwitz
1999 7. Symposion in Schmerwitz
2001 13. bis 28. Oktober
„Approaching Australia“, mit Bodo
Berheide, Catherine Schlingmann,
Hundefänger, Harald Wolff,
Nanny de Ruig, Bernard Robillard,
Peter Klassen
2002 25. Februar
Buchvorstellung Stadtbibliothek
„eins zu eins“, Ausschnitte aus der
Wirklichkeit der Kunst (Buchprojekt)
eine Zusammenarbeit der
Stadtbibliothek Wuppertal
2002 25. Februar
Finissage mit Lutz-Griebel-Quartett
2003 „6pack – mit Renate Löbecke, Nanny
de Ruig, Regina Friedrich-Körner,
Peter Klassen, Bodo Berheide und
Jörg Lange“, das Projekt mit sechs
Partnerstädten beginnt
2003 24. Juni bis 31. Juli
Buchvorstellung: „figura magica“
mit einem wiederveröffentlichten Text
von Ilske Konnertz in deutscher,
englischer und japanischer Sprache.
Mit Illustrationen von
Harald Wolff und Bodo Berheide.
2003 24. Juni
„Tanzperformance“
mit Mitsuru Sasaki und Jennifer Blose
eine Zusammenarbeit der Stadtbibliothek
Wuppertal und dem Atelier- und Galerie-
Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit
2005 „Tsunami“, Galerie Epikur, mit
sixpack, Jürgen Grölle und
Bjoern Ueberholz
6pack: „Infiltracion“, Ausstellung
Galerie Janzen, Wuppertal und Katalog
2008 6pack: „Liegniz/Legnice“, Polen
Unterstützung Katalog
2012 6pack: „BOX in MOTION“,
movingartbox.de, Neuer Kunstverein
Wupertal, Sunderland GB, Bedburg-Hau,
Amsterdam, Antwerpen B, Otterlo NL,
Gießen, Mallorca E, Breslau, Polen
2012 20. April bis 28. Juli
„100 Tage Kunstreise“
im Kunstkomplex Wuppertal
mit Folly Koumouganh, Anja u.
Holger Schmidt, Tetsuya Hasegawa,
Azuchi Gulliver, André Chi Sing Yuen,
Alejandra Ruddoff, Sala Seddiki,
Catherine Schlingmann, Davi John Mega,
Steven Hautemaniére, Stephan Kimmerl,
Dominic Sansoni, Frank Hinrichs,
Pablo Pupiro, Sabine Kreiter,
Georg Westerholz, Zahra Hassanabadi,
Erika Koch, Bernhard Lüthi,
Andy Benger, Bodo Berheide,
und Andreas Steffens
2013 „www.movingartbox.de“, Neuer
Kunstverein Wupertal
2014 17. bis 19. Januar 2014
„Kaufhaus Michel“, eine Installation
im Haus Fahrenkamp. Wall 21 /
Kirchstraße, Wuppertal-Elberfeld,
mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,
Georg Janthur, Peter Klassen, Andreas
Steffens und Jörg Lange
2014 27. Juni bis 1. Juli
„... auf Leben und Tod ... nur sieben
Tage” Lokalkunst, Gevelsberg
mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,
Georg Janthur, Peter Klassen
2015 April bis 24. Mai
„Was übrig bleibt“, eine Installation
in der Galerie Hagenring, Hagen,
mit Bodo Berheide, Christian Ischebeck,
Georg Janthur, Peter Klassen und
Andreas Steffens
Ausstellungen im SWANE-Café:
2015 Bodo Berheide
Nicole Kreischer
Doris Stückrath
Folly Koumouganh
2016 Christian Ischebeck
Nataly Hahn
wird fortgesetzt ...
2015 Februar bis Mai
„Kunst trifft Cafe Rat und Tat“
Krzysztof Juretko, Bodo Berheide,
Christian Ischebeck, Georg Janthur,
Peter Klassen, Gregor Eisenmann,
Renate Löbbecke, Peter Caspary,
Holger Bär, Jürgen Grölle,
Regina Friedrich-Körner,
Andreas Steffens
eine Zusammenarbeit des
Cafés Rat&Tatder GESA Beteiligungsgesellschaft
gGmbH Wuppertal und dem Atelier- und
Galerie-Kollektiv
2015 29. November 2015 bis 27. Januar 2016
„Überlebensmittel“, eine Installation
in der Central.Galerie, Remscheid mit
Bodo Berheide, Christian Ischebeck,
Georg Janthur und Peter Klassen
2016 März bis September
„Kunst trifft Cafe Rat und Tat II“
mit Peter Klassen, Renate Löbbecke,
Zbigniew Pluszynski, Björn Ueberholz,
Krzysztof Juretko, Rita Caspary,
Silke Kammann, Sylvie Hauptvogel,
Klaus Küster, Karl-Heinz Krauskopf,
Bartek Juretko und dem
Rat und Tat-Team
2016 25. November bis Ende Januar 2017
„Der lange Marsch – paradoxe
Intervention“, Ausstellung und
Buchvorstellung im Neuen Kunstverein
Wuppertal, Kolkmannhau, Hofaue 51
mit ...
wird fortgesetzt
205
falscher Anfang, falscher Hase:
Hühnerschaf
übermenschliche Unbedeutendheit in Bronze
Sammelstücke: Ralf Erich Michael Streuf
„Es gibt Menschen, für die es
unerträglich wäre, das Leben
mit solcher komischen
Transzendenz zu betrachten,
wie es Streuf eigen zu sein
scheint.“
Wolfgang Rosenbaum
206
„Wir aber dankten ihnen herzlich
für ihre Beharrlichkeit.“
Odysseus
Wir aber danken Euch allen für
Eure Unterstützung und wohlmeinende
Anteilnahme:
Zuerst mal den Kollektivisten, ihren
Angehörigen, den Sammlern und
den Versammelten, natürlich den
Mühseligen und Beladenen,
für die Leidenden möchten wir ein
„Erbarmen“ erbitten, „Gnade“ für
die politisch verfolgten und auch
für die, die verblendet sind. Die
Geblendeten sollen wieder klar
sehen können und die Hungrigen
endlich genug zu essen bekommen.
Die am falschen Ort, zur falschen
Zeit geborenen sollten die
freie Auswahl haben.
Wir bedanken uns bei den Verantwortlichen,
die uns wahrgenommen
haben und beim Wort.
Dankeschön. Wir bedanken uns
beim Erfinder des Daxophons posthum,
er hat endlich den Humor zurück
in die ernste Musik gebracht.
Nein, nicht in den Jazz. Danke,
Hans. Und danke Uchi, dass Du dieses
Ding weiterspielst. Wir bedanken
uns bei den Unermüdlichen,
die immer trotzdem weitermachen.
Sie wissen am besten warum das
nötig ist. Und für alle am Ende gut.
Ja, und im einzelnen bedanken wir
uns bei Andreas Steffens, einer der
klügsten Köpfe Wuppertals, ach
überhaupt. Er macht immer weiter,
ohne Bedenken, aber nicht immer
frohen Mutes. Den wpünschen wir
Dir, den frohen Mut sollst Du bekommen.
Danke für Deine Worte,
erst recht, wenn wir sie das zweite
mal gelesen haben. Nein, das ist
noch keine Vertiefung, erst recht
keine Wiederholung, das ist die
normale Auseinandersetzung, die
damit beginnt, dass man zuerst zu
verstehen versucht. Und zu Teufel:
NEIN! Wir entschuldigen uns nicht
dafür, dass die Dinge zeitweise unverständlich
sind. Wir verstehen
das oft auch nicht. Und wirklich,
das ganze Zeug ist schlecht vermarktbar,
sei’s drum. Na ja, am
Ende lassen wir hier, was wir nicht
tragen können. Der eine mehr, der
andere weniger. Und wie sagte Andreas
Steffens doch gleich auf der
Seite .... über das Beginnen: „Wird
das, was daraus werden kann, einmal
gut gewesen sein? Die vorweggenommene
vollendete
Vergangenheit muss jedes Beginnen
im Keim ersticken. Nach ihrem
Maß zu urteilen aber bedeutet, den
Tod zum obersten Maßstab zu erheben,
den physischen Agenten
des Beendens.“ Sapperlott. Was für
Worte. Einen Freiraum für die Kunst
haben wir uns erbeten und wir
haben ihn genutzt, zeitweilig, auch
wenn es Rückschläge gab und auch
wenn die Zeichen auf Sturm stehen
und die Sterne ungünstig. Was
soll’s, wir können es nicht ändern.
Leben wir damit so gut es geht,
Hauptsache es groovt, denn wenn
einmal die Musik schweigt ....
Danke an Jürgen Raap, der uns direkt
und gerne unsere Fragen beantwortet
hat Und dazu hat er uns
noch einige Texte zur Veröffentlichung
zur Verfügung gestellt. Herzlichen
Dank.
Und Danke natürlich an die Dichter,
an diese Laute und Töne, die uns
seit der Vergangenheit begleiten,
auch wenn sie manchmal wie aus
der Zukunft kommend erscheinen.
Danke, Max Christian Graeff. Dankeschön
Mitch Heinrich. Ihr Unermüdlichen.
Danke auch den Fotografen, die wir
im Fotoverzeichnis falsch zugeordnet
haben, deren Namen wir vergessen
haben. Obwohl wir uns
bemüht haben, es hat nicht gereicht.
Und besonders bedanken
wir uns natürlich bei denen, die wir
kennen, die immer da sind, wenn
etwas bedeutendes passieren
könnte. Ja, wir haben es gewagt,
das Recht darauf, die Fotografien
zu benutzen, zu erbetteln. Und,
Kolleginnen, Kollegen, Ihr habt ein
Gespür dafür, wann man nein
sagen muss! Ohne die Fotografien
wären die Kunstwerke nicht das,
was sie sind. Oder die Realität
wäre auch eine andere, auch wenn
das komisch ist.
Ein paar Fundstücke haben wir eingebaut,
ein paar Fangstücke, einige
Sammlerstücke, Übriggebliebenes.
Wir hätten gerne noch mehr gezeigt
von denen, die ihr Leben lang
das tun, was ihnen nötig erscheint.
Ob man es nun als Marketingfaktor
verwenden kann – oder auch nicht.
Who cares? Dies ist eine Ermunterung,
weitermachen.
207
Impressum
Herausgegeben vom Atelier- und Galerie-Kollektiv
für intermediale Zusammenarbeit e.V. gem
Wuppertal
November 2016
Idee,
Konzeption,
Redaktion:
Texte:
Gestaltung:
Herstellung:
Lektorat:
Bodo Berheide
Peter Klassen
Bodo Berheide
Peter Klassen
Jürgen Raap
Dr. Andreas Steffens
und Künstler
Peter Klassen
Hitzegrad
Katharina Klein
© Alle Rechte Autoren und Fotografen
„Wir müssen gehn und lassen hier was wir nicht tragen können.“
Ende.
208
paradoxe intervention
Huitzilopochtli Edition 2016
Herausgegeben vom Atelier- und Galerie-Kollektiv für intermediale Zusammenarbeit
Jörg Lange
Fotografie,
1989
ROMA
auf dem
Reichsparteitagsgelände
im Südosten
Nürnbergs,
auf dem
von 1933
bis 1938
die
Reichsparteitage
der NSDAP
stattfanden.