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ramp#49_DE

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AUTO.KULTUR.MAGAZIN #49

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1

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9

Higgledy

Piggledy

Wer den Titel dieser Ausgabe jetzt etwas seltsam

bis wunderlich finden sollte, darf entspannt und

tief durchatmen: Es hätte schlimmer kommen

können. Viel schlimmer. Denn eigentlich hatte

sich der Chefredakteur für »Kraut & Rüben«

begeistert, was mindestens eine weitere Razzia

des örtlichen Drogendezernats zur Folge gehabt

hätte. Hinterher hätte es dann im Verlag so ausgesehen

wie eigentlich immer – aber zur

Abwechslung hätten wir das fröhliche Chaos

dann auch endlich einmal prima erklären können.

Vielleicht hätte sich sogar ein genial-turbulent-wild-chaotisches

Cover-Motiv ergeben.

Denn um solche Situationen und Szenarien dreht

sich in diesem Heft ja schließlich alles. Irgendwie.

Wir lassen uns begeistert auf ein ziemliches

Tohuwabohu ein. Gerne geben sich plötzlich

gelernte und verkrustete Strukturen geschüttelt

und gerührt. Wie aktuell in unserer echten Welt.

Ein Chaosforschungsabenteuer.

Haltung und Meinung prägen den Orientierungsalgorithmus

– und am Ende zählt dann sowieso

mal wieder die Kunst des pragmatischen Aufräumens,

sprich die gekonnte Abstraktion. »Man

muss die Dinge so einfach wie möglich machen.

Aber nicht einfacher«, hat es Albert Einstein auf

den einfachen Punkt gebracht.

Hallo Überraschungen!

Willkommen Durcheinander!

Viel Vergnügen mit ramp #49!

Ihr

Michael Köckritz

© Riocam



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Higgledy

Piggledy

Intro

1Ganz schön

was los hier.

2

Hallo

Überraschung!

3Alles halb

so wild!

09 Editorial

14 Impressum

38 Short Cuts 01

Ein halbwegs aufgeräumter

Auftakt mit fliegenden, wachsamen

und würzigen Objekten der

Begierde.

100 Short Cuts 02

Eine durchaus systematische

Fortsetzung. Diesmal mit Rollen,

Koffein und Durchblick.

182 Short Cuts 03

Ein sorgsam kuratiertes Finale

mit Sneakern, Schlafstätten und

einem gut aussehenden E-Scooter.

Kein Witz.

232 Fabulous Fifties

Race, Peace and Happiness:

der Rennsport in den Fünfzigerjahren

in Kalifornien.

16 Contributors

18 Unterwegs

… in ganz anderen Sphären.

Ein Gespräch mit dem amerikanischen

Astrophysiker Sean

Carroll, der glaubt, dass sich

die Universen in weitere Welten

verzweigen. Alles klar?

26 Countdown

Zählen wir sauber runter:

beginnend bei einem Schreihals,

weiter über eine gewaltige

Niere – und dann endet das

Ganze mit einem Kladderadatsch

auf engstem Raum.

40 Und jedem Zauber wohnt ein

Chaos inne

Ein Plädoyer für die Unordnung

– von Philipp Tingler.

46 Kraut und Rüben

Wladimir Kaminer. Dazu: ein Brite,

ein Italiener, zwei Franzosen

und ein Deutscher.

62 Krauts in America

Wild gemischte Fotos aus Florida

und eine chronologische

Erzählung der Ereignisse.

82 Die Werkstatt am Ende der Welt

Ein Gespräch mit Berlins

oberstem Schrauber Thomas

Lundt. Ohne Missverständnisse,

Meta-Ebenen oder Zwischentöne.

102 Das Taycan-Lächeln

Ein Lächeln lässt sich nur

schwer imitieren. Unterwegs

im rein elektrischen Porsche

Taycan machen wir uns auf eine

unbestechliche Spurensuche danach,

was bleibt – und danach,

was sich ändert.

112 Kings of Cool

Innerhalb kürzester Zeit avancierte

das GP Ice Race zum Szenetreff

der besonderen Art.

120 Eine Frage der Präzision

Kendō ist mehr als die modernisierte

Fechtkunst der

japanischen Samurai. Es geht

um Entschlossenheit, moralische

Stärke – und in diesem

Fall auch um einen Audi RS 7

Sportback.

184 Wild at Heart

»Eine Garage ohne einen

Porsche 911 ist doch ein ödes,

leeres Loch.« Und diese Seiten

sehr, sehr weiß.

194 Car Wash

Er ist einer von zwölf Bentley

Bacalar, wird von Hand gewaschen

– und zwar von Chefdesigner

Stefan Sielaff.

Gesprochen wurde dabei auch.

202 It’s in the Mix

Lamas im Taxi und Giraffen im

Mini: Paul Fuentes arrangiert

die Welt, wie sie ihm gefällt.

208 It’s hot, baby

Die Klimaregelung im neuen GTI

mal modisch umgesetzt.

250 Rennfahrer wie wir

Die Liste der Motorsport-Zitate

am modernen Automobil ist

lang – und das Ziel noch lange

nicht in Sicht.

252 Fahrkultur

Kalifornische Träume, Tank-

Routen, Edward Hopper, die Pet

Shop Boys und – last but not

least – Tom Cruise.

90 Waterproof

Jede andere Präsentation wäre

abgesagt worden. Die des Jeep

Gladiator nicht.

128 Teilchenbeschleuniger

Viele beschleunigte Teilchen

und ein beschleunigter CUPRA

Ateca.

218 Alles in Ordnung

Nicht grundsätzlich, aber mit

diesen Uhren auf jeden Fall

denkbarer.

138 Trial and Error

Eine tolle Kiste. Eine wüste

Geschichte. Klaus Erich

Küster über seine Fiat Panda-

Kampagne.

226 Hoch oben

Eine unhysterische Nachtfahrt

im Range Rover Sport P400e.

147 Short Stories



Herausgeber

Christian Gläsel, Michael Köckritz

Chefredakteur / Creative Director

Michael Köckritz

Stellv . Creative Director

Nadine Hanfstein

Head of Inhouse Publications

Cedric Pfaus

Art Direktion

Philipp Gentner, Carolin Watzlawik,

Franziska Wolf

Textchefin

Wiebke Brauer

Creative Board

Olivier Ellerbrock, Udo Lindenberg, Christian

Malorny, Frank Marrenbach, Dr. Andreas Narr,

Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Helmut Schlotterer

Redaktion

Natalie Diedrichs, Bernd Haase, Marco Knab,

Tim Köckritz, Matthias Mederer, Alexander

Morath, Tom M. Muir, Michael Petersen,

Marc C. Röder, Peter Thul

Projektmanager Inhouse Publications

Ann-Katrin Reinhard

Bildredaktion

Antonietta Procopio

Graphic Design

Carmen Krafft, Sandra Stephan

Lektorat

Korrekturbüro Burger, Tübingen

→ korrekturburger.de

Mitarbeiter an dieser Ausgabe

Maximilián Balázs, David Breun,

Paul Fuentes, Steffen Jahn, Wladimir Kaminer,

Kirill Kirsanov, Roman Kuhn, Gregory Gilbert-

Lodge, Vincent Perraud, Peter Schreiber, Iris

Soltau, David Staretz, Philipp Tingler, Martin

Trockner, Helmut Werb

Verlag

ramp.space GmbH & Co. KG

Obere Wässere 5

72764 Reutlingen

T +49 7121 433 04 - 700

F +49 7121 433 04 - 710

info@ramp.space

→ www.ramp.space

Ulrike Betz

Teamassistenz

T +49 7121 433 04 - 700

Leitung Anzeigen Marketing

Eva Wienke

T +49 171 602 20 19

ramp@ramp.space

Digital Content/Social Media

Alexander Morath

T +49 7121 433 04 - 700

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Key Account

International Cooperations

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T +49 7121 433 04 - 700

em@ramp.space

ramp.TV

Michael Köckritz

T +49 7121 433 04 - 700

Druck & Lithografie

raff media group GmbH

Industriestraße 14

72585 Riederich

T +49 7123 38 15 - 0

F +49 7123 38 15 - 338

→ raff-mediagroup.de

Vertrieb / Lizenzen

Lars-Henning Patzke

ramp@lhpatzke.de

T +49 40-81957090

stella distribution GmbH

Überseering 10a

22297 Hamburg

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T +49 40-8080530 20

F +49 40-8080530 50

florian.koenig@stella-distribution.de

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22013 Hamburg

T +49 40 38 66 66 - 332

F +49 40 38 66 66 - 299

ramp@pressup.de

Cover

© Matthias Mederer · ramp.pictures

Haftungs ausschluss

Frei nach Zsa Zsa Gabor: Magazine, an denen nichts auszusetzen

ist, haben nur einen Fehler: Sie sind uninteressant.

Und doch: Für Irrtümer, Druckfehler oder Unvollständigkeiten

in dieser Ausgabe können wir keine Haftung übernehmen.

ramp Auto.Kultur.Magazin erscheint viermal jährlich

in der ramp.space GmbH & Co. KG, Obere Wässere 5,

72764 Reutlingen

Einzelpreis (Einzelhandel)

D: 15,– EUR. A: 15,– EUR. CH: 25,– SFR

Einzelheftbestellungen: (Versandkosten: D: zzgl.

3,– EUR / International: zzgl. 11,– EUR) möglich unter

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Jahresabonnement (vier Ausgaben)

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A/CH/International: 60,– EUR zzgl. 44,– EUR

Versandkosten. Jahresabonnement ab 5 Expl.: 45,– EUR

(25 % Rabatt). Jahresabonnement als E-Paper:

39,99 EUR.

Alle Preise inkl. gesetzlicher MwSt.

ISSN 2568-1958

Das Bilster Berg Drive Resort ist

Kooperationspartner von uns und

gleichzeitig auch »ramp home

base«. Als Medienpartner berichten

wir regelmäßig vom und über

den Bilster Berg.



Contributors

Die Freude am Chaos?

Unsere Contributors erklären sich.

Maximilian Balázs

Fotograf

Philipp Tingler

Autor

Steffen Jahn

Fotograf

Peter Schreiber

Fotograf

Fühlt sich nach zu Hause an.

Das ist gar keine richtige Frage.

Nietzsche hat es schon gewusst:

»Ich sage euch: Man muss immer

noch Chaos in sich haben, um

einen tanzenden Stern gebären zu

können.«

Die Freude über meine 18-jährige

Tochter ist riesig, das Chaos in

ihrem Zimmer auch!

MY STYLE.

MY STATEMENT.

GERARD BUTLER´S CHOICE.

Kirill Kirsanov

Fotograf

David Staretz

Autor, Objekthersteller

Christian Malorny

Weltautochef A.T.Kearney /

Member of Creative Board

Wiebke Brauer

Textchefin

Eigentlich nicht, zumindest nicht

bewusst. Jedoch hat Chaos sehr oft

Großartiges in meinem Leben

hervorgebracht!

Wenn das keine Fangfrage ist! Dass

es in meinem Maschinen-Atelier

chaotisch zugeht, bedeutet nicht,

dass es mich freute. Vielmehr jedoch,

es ist mein Impetus.

Ich liebe Chaos. Dann kann ich

wieder aufräumen!

Der einzige chaotische Ort in

meinem Leben ist die Garage, in der

sich Ersatzteile, Putzmittel, Planen

und eine stattliche Sammlung von

Musik-Kassetten türmen. Das ist

wenig erfreulich. Obwohl – für die

zahllosen Spinnen darin schon.

OLYMP.COM



Higgledy Piggledy

19

… UNTERWEGS …

Universum, im Januar 2020

Wir sind Billionen. Jeder Einzelne von uns. Trilliarden.

Es gibt uns hier. Und dort. Und überall. Und wir

vermehren uns ständig. Ein Gespräch mit dem amerikanischen

Astrophysiker Sean Carroll, der erklärt,

dass sich das Universum fortwährend in Myriaden

neuer Welten vervielfältigt.

Was er außerdem glaubt: dass der Raum wahrscheinlich

nur eine Illusion ist.

Während des Interviews befand sich der Kosmologe

übrigens in Los Angeles. Also unter anderem. Ganz

genau wissen wir es natürlich nicht.

Und ich? Ich wiederum identifizierte kurzerhand einen

Lamborghini Huracán Evo als idealen Mobilfunkzellenort

und materialisierte daher während des kurzweiligen

Austausches grundsätzlich fröhlich beschwingt

durch meine Teile des Universums.

Sollten meine Trilliarden anderen Ichs doch mal

sehen, wo sie bleiben.

Text

Michael Köckritz

Fotos

Matthias Mederer · ramp.pictures



20 Intro ramp #49

Vielleicht beginnt man das

Gespräch erst einmal vorsichtig

mit besagter Katze im Karton. Mit

der man so seine Probleme hat.

Tja. Quantenphysik.

Ich habe nie wirklich verstanden, warum Schrödingers Katze

ausgerechnet dann sterben muss, wenn ich den Deckel des

Kartons hebe und hineinschaue. Und nun sollen ich und die

Katze noch in unzähligen Versionen weiterbestehen. In

unzählbar vielen parallelen Universen. Jedes meiner Ichs geht

seinen eigenen Weg. Und keines meiner Ichs wird jemals

wieder was mit mir zu tun haben. Ich teile eine Vergangenheit

mit den Unzahlen meiner »Alter Egos«, aber keine Zukunft.

Sagt zumindest Sean Carroll.

In seinem neuen Buch »Something Deeply Hidden: Quantum

Worlds and the Emergence of Spacetime« befasst sich der

amerikanische Kosmologe mit der sogenannten Viele-Welten-Theorie.

Vielleicht beginnt man das Gespräch erst einmal

vorsichtig mit besagter Katze im Karton. Mit der man so seine

Probleme hat. »Schrödingers Katze war ein Gedankenexperiment«,

beruhigt Carroll meine persönliche Quantenphobie.

»Schrödinger und Einstein hatten ihre Zweifel an den Theorien

der Quantenphysik der damaligen Zeit. Demnach gibt es

einen großen Unterschied zwischen einem System, wenn man

es betrachtet, und wenn man es nicht betrachtet. Sie erfanden

eine elaborierte Theorie, in der die Katze gleichzeitig tot und

am Leben ist, bis zu dem Augenblick, an dem man den Deckel

aufmacht.«

Seit über 90 Jahren versuchen wir die Welt der kleinsten denkbaren

Teile, der Moleküle und Atome, zu verstehen. Quantenphysik.

Wir bauen damit zwar Computer und Leuchtdioden und

revolutionieren die Telekommunikation und suchen (und

finden) mysteriöse Teilchen und Bausteine wie das Higgs-

Boson, aber die meisten von uns (mich mit eingeschlossen)

verstehen weder, was es mit Higgs-Boson genau auf sich hat,

noch können wir eine logische Erklärung für das liefern, was

Quantenphysik eigentlich bedeutet und wie sie funktioniert.

Unser normales, auf ein dreidimensionales Universum kalibriertes

Hirn hat mit den multidimensionalen Konventionen

der Quantenphysik so seine Verständnisprobleme. Selbst der

amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard

Feynman hatte in den Sechzigerjahren Erklärungsnotstand mit

seinem eigenen Fachbereich. »Niemand versteht die Quanten-

theorie«, so Feynman. Das läge vor allem am Doppelspalt-Experiment

(zu dem wir noch kommen). Und das sei »unmöglich,

absolut unmöglich auf klassische Weise zu erklären«.

Quantenmechanik (oder Quantenphysik) ist also anwendbar,

widerspricht aber jeglicher konventionellen Logik.

Warum haben selbst Physiker damit Probleme?

Warum soll sich Natur anders verhalten, wird sie erst einmal

beobachtet?

»Das ist das große Rätsel, über das wir schon fast ein Jahrhundert

nachgrübeln«, sagt Sean Carroll. Die meisten Physiker

hätten sich einfach mit dem Phänomen abgefunden, sagt er,

und handeln nach der Prämisse »Halt’s Maul und rechne!«

Er jedoch bezieht Distanz zur Kopenhagener Interpretation

der sogenannten »Superposition«, die in ihrer reduzierten

Form besagt, dass ein Quantenteilchen – wie ein Elektron zum

Beispiel – an mehreren Orten gleichzeitig existieren kann und

dass allein die Tatsache der Beobachtung jenes Quantenteilchen

dazu bringt, sich in nur einem Platz zu materialisieren.

Siehe unsere Katze.

Aber was passiert dann mit dem anderen, dem unbeobachteten

Teilchen? Energie kann ja nicht verschwinden. Und: Was

verstehen wir unter Beobachtung oder Messung? Wie oft und

schnell geschieht das? Wie soll ein solcher Apparat zur

Messung aussehen? Muss ein Mensch dahinterstecken, oder

eine Art von Bewusstsein? Unbeantwortete Fragen, die Sean

Carroll und viele seiner Kollegen seit Jahren frustrieren.

Dann hatte Carroll eine andere Idee. Anstelle der Kopenhagener

Interpretation griff er die alte Viele-Welten-Theorie von

Hugh Everett auf, der das Universum 1957 als ein sich ständig

änderndes System von Zahlen beschrieb, die alle auf einer

Gleichung basieren. Entgegen der Kopenhagener Interpretation

splittet sich das Universum nach Everett nämlich kontinuierlich

in neue Zweige ab, es kommt zu keinem Kollaps der

Wellenfunktion, sondern produziert unzählige Versionen von

mir – oder ihr oder ihm oder uns allen. Nur um sich danach

wiederum in unzählige andere Splits aufzuteilen.

Und so weiter bis in alle Endlichkeit.

»Dieser Split geschieht, wenn in einem kleinen quantenmechanischen,

superpositionierten System Atome zerfallen, und

jedes Mal, wenn das passiert, verzweigen sich die Universen in

unterschiedliche Systeme innerhalb der weiteren Welt. Das

hat jedoch nichts mit der Aktivität eines Menschen zu tun.«

Carroll zitiert das bereits erwähnte (und nicht auf klassische

Art zu erklärende) Doppelspalt-Experiment. Versuchen wir es



22 Intro ramp #49 Higgledy Piggledy

... Unterwegs ...

23

trotzdem: Dabei werden Elektronen durch zwei Spalten geleitet

und erscheinen auf einem dahinter angebrachten Beobachtungsschirm

als wirres Interferenzmuster. Der Beobachter

kann somit nicht erkennen, durch welchen Spalt die Elektronen

fließen, weil sich die Teilchen verhalten wie Wellen, die

sich beeinflussen, übereinanderfließen. Werden die Wege der

Elektronen jedoch durch einen Detektor geleitet, erkennt man

zwei Striche. Die Elektronen verhalten sich nun wie Teilchen.

Die Viele-Welten-Theorie interpretiert diese Verhaltensweisen

mit dem Aufspalten des Universums im Moment des Messens.

In der einen wird das Elektron am linken Spalt gemessen, in

der anderen am rechten.

»Als Kind hatte ich mich davor gefürchtet, dass das Universum

vielleicht gar nicht existiert«, sagt Carroll. »Das hat mir oft den

Schlaf geraubt. Die Viele-Welten-Theorie löste nie diese Angst

aus. Obwohl die Fragen existenziell sind, wissen wir nicht, ob

die unzähligen Kopien von uns jemals einen Sinn ergeben

können. Sind sie wirklich wir? Sind sie in irgendeiner Weise

bedrohlich? Die Antwort darauf ist mit einer gewissen Sicherheit:

Wir sollten so tun, als gäbe es diese Welten nicht.«

Trotz dieser absichtlichen Ignoranz sei es aber eine Tatsache –

»Wir können das verifizieren. Das sind absolut konventionell

klare Voraussagen!« –, dass eine unzählbar hohe Zahl von

parallelen Universen existiert, dass es vielleicht keine unendliche,

aber eine unfassbar hohe Zahl von Ichs gibt, die nebeneinander

existieren, sich aber nie treffen können. Die ihre

eigenen Wege gehen können, oder aber identisch weiter existieren

– oder vielleicht schon lange tot sind. »Es ist durchaus

denkbar, dass ein anderer Sean Carroll die Viele-Welten-Theorie

irgendwo für ausgemachten Blödsinn hält oder Präsident

wird«, lacht er. »Und er telefoniert gerade mit jemandem, der

Schrödingers Katze für das Normalste der Welt hält.« Alles, was

geschehen kann, wird nach der Viele-Welten-Theorie in einem

der Myriaden von Universen auch eintreten.

Deshalb sei das Konzept unserer Realität so schwierig zu

verstehen, gibt Carroll zu. Ein vollkommen unkonventionelles

Verständnis sei nötig, was denn nun in Wirklichkeit wirklich

ist. »Realität ist ein Vektor im Hilbert-Raum« sei nicht unbedingt

etwas, das einfach zu erfassen sei.

Realität ist die Totalität von allem Existierenden, sowohl von

dem, was wir sehen, als auch von dem, was wir nicht sehen.

»Wir sehen Häuser und Tische und Planeten, die durch den

Raum schweben«, versucht er sein Bestes. »Quantenmechanik

jedoch besagt, dass es weder Tische noch Leute gibt, sondern

nur etwas, das wir Wellenfunktion nennen. Die klassische Definition

unserer Welt ist eine ungefähre Beschreibung dieser

Wellenfunktionen. Die Aufgabe von Physikern und Philosophen

besteht nun darin, zu erklären, warum es Leute und Tische und

Planeten gibt, wenn wir in einer Welt von Wellenfunktionen

leben. Darüber haben wir uns noch nicht einigen können.«

Carroll hat ein außerordentliches Talent, darüber zu dozieren,

warum sich das Universum laut der Viele-Welten-Theorie

permanent in neue Ableger spaltet, warum wir uns ein relaxtes

Alles, was geschehen kann, wird

nach der Viele-Welten-Theorie in

einem der Myriaden von Universen

auch eintreten.

Verhältnis zu unseren alternativen Ichs aneignen sollten und

die Katze doch nicht sterben muss. Und dazu ein endloses Maß

an Geduld. Nicht umsonst ist der 53-Jährige Inhaber zweier

Lehrstühle in Physik – einmal forscht er am California Institute

of Technology, kurz Caltech, in Pasadena, zum anderen

ist er Gastprofessor am renommierten Santa Fe Institute. Und

er versucht seit vielen Jahren ziemlich erfolgreich, seinen

Studenten beizubringen, warum wir auf der atomaren Ebene

nur aus Schwingungen bestehen und warum unsere Realität

eigentlich eine Illusion sei. Dass Raum und Zeit relative

Begriffe sind (Raum mehr als Zeit, doch davon gleich mehr),

fällt bei angehenden Akademikern in Southern California und

New Mexico sicherlich auf dankbaren Boden. Ich hätte solche

Erklärungen nach dem Genuss von größeren Mengen Tetrahydrocannabinol

auch völlig verständlich gefunden.

Doch nun zum Thema Raum und Zeit. Carroll: »Zeit bleibt

Zeit, unverändert, weil es eben Zeit ist. Raum hingegen ist ein

bisschen komplizierter, weil sich Raum eben dupliziert. Es ist

nicht nur, dass es Raum so nicht gibt, sondern dass sich die

entstehenden Welten nicht im Raum befinden. Im Gegenteil,

es ist eigentlich andersrum. Raum ist in allen differenten

Welten enthalten. Wenn man also fragt, wo genau diese Welten

sind, gibt es keine Antworten. Man kann es simplifizieren –

die Viele-Welten-Theorie bietet eine ganz neue Sichtweise auf

das, was Realität wirklich ist.«

So wirklich vereinfacht klingt das nicht. Und dann fügt der

Mann, der uns das beibringen will, allen Ernstes noch hinzu,

er würde »Klarheit statt Rätsel« bevorzugen. Er glaube an

keinen Gott, sagt er, auch nicht an mehrere. In der Natur sehe

und habe er alles und mehr, als er brauche. »Die Natur als

physisches System ist mehr als ausreichend für mich. Natur

ist vielfältig, komplex und hält sich überraschenderweise an

alle physischen Gesetze.« Wissenschaft hätte für alles eine

Erklärung. »Solange ich damit klarkomme, werde ich mich

daran halten«, meint er, und ich kann sein Lächeln am Telefon

hören.

Allerdings sei die Philosophie heute relevanter für die Physik

als noch vor einiger Zeit, lenkt er ein. »Es gibt konzeptionelle

Fragen, die Philosophen besser beantworten können als

Physiker, speziell in komplexen Systemen wie der Quantenphysik.

Oder zumindest sind sie in der Lage, Probleme aufzuzeigen

und Interpretationen zu bieten. Die Wissenschaft kann

hoffen, die Welt zu erklären, was sie ist und was mit ihr

geschieht. Aber sie kann nicht erklären, was gut oder schön

ist. Wissenschaftler können auch in der Zukunft nicht alle

Fragen beantworten, aber forschen. Ich glaube nicht, dass uns



24 Intro ramp #49

Religion oder Mystizismus weiterbringen, wir sollten unseren

Weg in der Welt der Natur finden, so wie sie von den Wissenschaften

beschrieben wird.«

Dass ein solcher Querdenker eine enorme Attraktivität auf Filmproduzenten

im benachbarten Hollywood ausübt und sich

wiederum in die Niederungen der Unterhaltungsindustrie

begibt, überrascht nicht. Abgesehen von der Tatsache, dass seine

Frau Jennifer Ouellette Wissenschafts-Journalistin ist und sich

darauf spezialisiert hat, Wissenschaft und Unterhaltung miteinander

zu verbinden. Filme wie »Interstellar«, »Avengers:

Endgame« oder »12 Monkeys« sind von der Quantenmechanik

beeinflusst, und Sean Carroll gehört zu den gefragtesten wissenschaftlichen

Ratgebern bei Drehbuchautoren und Regisseuren.

Die These, dass sich jeden Augenblick parallele Universen neu

erschaffen, wirkt wie ein Aphrodisiakum auf die Macher in den

Traumfabriken. In Filmen wie »Thor« oder »Hulk« gab der Herr

der vielen Welten den Superhelden einen Anstrich von Glaubwürdigkeit.

Für »Illuminati« mit Tom Hanks berechnete er den

Effekt der Explosion einer Antimaterie-Bombe, ein Schreckens-Event,

das es nur als Fiktion gibt.

Trotzdem ist nicht zu überhören, dass ihm seine Arbeit für die

Filmindustrie ebenfalls großen Spaß macht. Bislang ist es

jedoch ein Hobby geblieben – meist gab’s keinen Credit im

Abspann, dazu, so sagt er, hätte er immer ohne Gage gearbeitet

(»Nur um zu helfen!«).

Das ist in einem Parallel-Universum natürlich ganz anders.

Hofft er.

Damit ist das Telefonat dann auch beendet und ich bin wieder

alleine mit mir, der Nacht, dem Universum und diesem

Lamborghini. Der ganze Rest ist ausgeblendet. Plötzlich gibt es

nur noch eine Welt. Meine! Und die bietet sich in dem Huracán

Evo wunderbar konkret an. Die Idee des Urknalls bekommt im

Folgenden ein paar neue Facetten, und ich ahne, wie das mit

der Intuition in Grenzbereichen, der Verformung des Raums

und der Steigerung des Unwahrscheinlichen tatsächlich

gemeint sein könnte. Statt rechte oder linke Spalten zählen nur

noch Ideallinien. Die Zeit verfliegt, so verhält sich Natur.

Nur gut, dass mich niemand beobachtet.

Dass eine irrationale Scheibenwelt im Film »Thor« in eine

realistischere Kugel verwandelt wurde, verdanken wir ebenfalls

Sean Carroll (»Quantenphysik hin oder her, es gibt so

etwas wie ein hydrostatisches Gleichgewicht, das jeden

Planeten in eine ungefähre Kugelform bringt.«). Er konnte

zwar Thors physikalisch unlogischen Hammer nicht verhindern,

ließ aber die Flugbahn neu – und korrekt – berechnen.

»Ein Superhelden-Film ist kein Dokumentarfilm«, lacht er.

»Was man rüberbringen will, ist die Essenz der Wissenschaften.

Im Leben bestimmen die Naturgesetze das

Geschehen, im Film bestimmt immer ein Mensch, was geht

und was nicht. Da versuche ich auszugleichen. Praktizierte

Hollywood-Diplomatie.«

Wie muss also ein Wurmloch im Film »Interstellar« aussehen?

In der Wirklichkeit, in der Wurmlöcher tatsächlich existieren,

sind sie vollkommen unspektakulär. »Im Kino müssen Lichter

blinken und es muss blitzen. In der Realität sind sie unsichtbar.

Wir Wissenschaftler machen aus solchen Dingen Experimente.

Hollywood macht daraus Blockbuster.«

Sean Carroll wird seinen Hauptjob sicherlich nicht aufgeben.

»Es ist eine aufregende Zeit für die Quantenphysik, obwohl es

sie schon neunzig Jahre gibt. Wir beginnen erst langsam, in

die Geheimnisse einzutauchen. Die Theorie ist spannend, aber

auch die neuen Entwicklungen wie die Informationstechnologie

sind faszinierend. Das ist zurzeit der Forschungsbereich,

der intellektuell am interessantesten ist«, sagt er.

Lamborghini Huracán EVO

MOTOR

HUBRAUM

LEISTUNG

DREHMOMENT

V10-Saugmotor

5.204 ccm

0 – 100 KM / H ca. 2,9 s

VMAX

640 PS (470 kW) bei 8.000 U/min

600 Nm bei 6.500 U/min

325 km/h

SEAN M. CARROLL (*1966 in

Philadelphia) ist ein amerikanischer

Astrophysiker. Seinen

Ph.D. machte er 1993 in

Harvard, aktuell forscht und

lehrt er als Professor am

California Institute of Technology

in Pasadena. Carroll

veröffentlichte mehrere Bücher,

für sein Werk »The Particle at

the End of the Universe«

erhielt er 2013 den Royal

Society Winton Prize for

Science Books.



26

Intro ramp #49

ANZEIGE

Countdown

Text Natalie Diedrichs

Ein Potpourri der Mobilität: elektrische Dreiräder, futuristische

Zweiräder, ein SUV mit Hundedusche, natürlich ein paar Sportwagen

– und eine Handtasche.

HAT EIN AUTO CHARISMA?

Wenn es ein Jeep ®

Wrangler ist, auf jeden Fall. Wo er auftaucht, ist er markant

und abenteuerlustig Herr über Straße und Gelände

10

09

10 Jaguar F-Type

Der Brüller

Mit seiner sportlich-eleganten Form gewann der Jaguar

F-Type die Herzen vieler Petrolheads. Na ja, und vom Design

einmal abgesehen, zum Erfolg trug sicherlich auch der

knackige Sound der Abgasanlage mit Klappensteuerung bei.

Die bis zu 114 Dezibel machen das britische Coupé zu einem

der lautesten Seriensportwagen mit Straßenzulassung. Nun

erhielt der F-Type eine Modellpflege. Dazu zählen schmalere,

weiter unten positionierte Scheinwerfer, ein digitales Cockpit

und eine leicht abgeänderte Motorenpalette: Der V6 fliegt

raus, dafür bleiben der Zweiliter-Vierzylinder mit 300 PS und

die Topversion mit Fünfliter-V8-Kompressor und 575 PS. Die

heißt jetzt nicht mehr »SVR«, sondern »R«. Den V6 ersetzt eine

auf 400 PS »abgespeckte« Version des Achtzylinders. Wie laut

der dann klingt, werden wir bald berichten.

09 Bio-Laden

Nudeln mit Ketchup, bitte.

»Iss dein Gemüse!« Kaum ein Kind, das ohne diesen Satz

aufgewachsen ist. Und auch wenn uns damals so überhaupt

nicht einleuchten wollte, was an einer Ernährung ausschließlich

mit Nudeln und Ketchup falsch sein könnte, heute sind wir

unseren Eltern für die strenge Fürsorge dankbar. Wir befinden

uns auf der Schwelle vom Tech- ins Biozeitalter. Mittlerweile

gibt es für die bewusste Ernährung tausende Bio-Läden alleine

in Deutschland. Der beste kleine Fachladen ist der Laden im

Schafbrühl in Tübingen. Das fand jetzt die Schrot & Kern-

Leserwahl heraus. Bewertet wurden 2.648 Läden von 51.671

Verbrauchern.

Mehr dazu im Interview auf → ramp.space.

AB 399,– € MTL.

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Wie er das macht? Mit vielen ausgefeilten Details,

die den Jeep ®

Wrangler zum begehrten Alleskönner

werden lassen. Wie zum Beispiel sein raffiniertes

Command-Trac® Allradsystem, das automatisch

zwischen Zwei- und Vierradantrieb umschaltet,

wenn es die Traktionsverhältnisse auf der Straße

und im Gelände erfordern. Für eine beachtliche

Dynamik sorgen dabei leistungsfähige Benzinoder

Dieselmotoren, kombiniert mit einem Achtgang-Automatikgetriebe.

Smarte neue Systeme

geben noch mehr Sicherheit, wie Adaptive Cruise

Control, das automatisch die Geschwindigkeit des

Wrangler so reguliert, dass ein ausreichender Abstand

zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten

wird. Und der Style kommt dabei auch nicht zu kurz:

Der Jeep-typische 7-Slot-Kühlergrill, das abnehmbare

Dach und die ausbaubaren Türen sowie eine

vorklappbare Windschutzscheibe machen den Jeep

Wrangler zum einzigen viertürigen Cabrio der Welt

und zum lässigen Begleiter. www.jeep.de/wrangler

Kraftstoffverbrauch (l/100 km) nach RL 80/1268/EWG: innerorts 10,3; außerorts 6,5; kombiniert 7,9. CO 2

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die Ausstattungsmerkmale der abgebildeten Fahrzeuge sind nicht Bestandteil des Angebotes. Nur bei teilnehmenden Jeep ®

Partnern.



28

Intro ramp #49

08

07

08 Ferrari Roma

Supernuova

07 Peugeot Motocycles P2X Roadster

Sie sind wieder da

Der neueste Supersportwagen aus Modena verkörpert laut

Website das »Nuova Dolce Vita«, was im Ferrari-Sprech so viel

wie »zukunftsweisend« bedeuten dürfte. Wasserstoff-Technologie,

Künstliche Intelligenz oder Blockchain sind im Roma

allerdings nicht zu finden. Dafür ein immerhin 16 Zoll großes

digitales Cockpit, ein 3,9-Liter-V8-Turbomotor sowie – und

das ist für Ferraristi wirklich ein Game Changer – schmale,

schlitzförmige Rücklichter anstatt der bekannten runden

Form. Dafür bleibt der Italiener mit 620 PS und 720 Newtonmetern

Drehmoment wie gewohnt leistungsstark. Der GT

beschleunigt in 3,4 Sekunden auf Landstraßentempo,

während das gleiche DTC-Getriebe wie im SF90 Stradale

durch die acht Gänge schaltet. Die Auslieferung des Roma soll

noch vor Sommer 2020 erfolgen.

Von 1899 bis 1959 war Peugeot stückzahlmäßig der größte

Motorradhersteller in Frankreich, später konzentrierte sich

die Zweiradsparte der Franzosen vor allem auf Motorroller.

2019 kaufte der indische Automobilhersteller Mahindra

Peugeot Motocycles auf, kündigte bei der Übernahme gleich

mal ein Comeback in der Motorrad-Szene an und stellte in

diesem Zuge zwei Studien vor. Eine davon ist die P2X Roads

ter, die optisch an eine Peugeot Vorkriegsmaschine namens

P515 erinnert und LED-Scheinwerfer sowie ein konnektives,

digitales Cockpit enthält. Mit ihren 125 Kubik zählt die P2X

Roadster zu den Leichtkrafträdern. Übrigens: Die darf man

seit 1. Januar nach ein paar Übungsstunden auch mit einem

Autoführerschein der Klasse B fahren.

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30

Intro ramp #49

06

05 THE M2 CS

06 Hyundai Prophecy

Mal was anderes

05 BMW Concept i4

Überall »i Blau«

Inzwischen ist es ja so, dass sich die Modelle vieler Autohersteller

kaum noch voneinander unterscheiden. Mit der Studie

»Prophecy« setzt Hyundai nun einen Gegentrend: stromlinienförmig,

sportlich, nicht zu aggressiv, in jedem Fall aber

polarisierend – mit anderen Worten: ein völlig neuer

Hyundai. Dazu passt dann auch, dass im Innenraum das

Lenkrad zum Steuern des Elektroautos fehlt. Das übernehmen

zwei Joysticks, die sich links und rechts vom Fahrersitz

befinden. Gemäß seinem Namen »Prophecy« soll das Konzept

die Richtung des künftigen Hyundai Designs vorgeben und

sich als Ikone im Portfolio der Marke etablieren. Und so viel

ist klar: Ikonen verwechselt man selten.

Wo schaut man bei einem BMW zuallererst hin? Genau, auf

die Niere. Wow, die fällt beim BMW Concept i4 gewaltig aus.

Wir lernen, dass die nun nicht mehr der Motorkühlung dient.

BMW bezeichnet die Niere als »Intelligenzfläche, in der

Sensoren verbaut sind«. Die kümmern sich um viele Bewegungen

des rein elektrischen Gran Coupés mit vielversprechenden

Eckdaten: 600 km Reichweite, bis zu 530 PS,

von 0 auf 100 km/h in zirka 4,0 Sekunden, Topspeed über

200 km/h. Kleiner Haken: Der BMW i4 als Ableger der Studie

kommt erst 2021 auf den Markt. Bis dahin bleibt der Blick auf

die Studie. »Frozen Light Copper« wurde die Außenfarbe

getauft, Dazu gibt es überall »BMW i Blau«: an Front, Seite

und Heck und erst recht an den Diffusoren.

BMW M2 CS:

Fuel consumption in l/100 km (combined): 10.4-10.2 [9.6-9.4]. CO2 emissions in g/km (combined): 238-233 [219-214].

All fuel consumption and emissions figures are provisional. The figures in brackets refer to the vehicle with seven-speed M double-clutch transmission with Drivelogic.

The values of fuel consumptions, CO2 emissions and energy consumptions shown were determined according to the European Regulation (EC) 715/2007 in the version applicable at the time of type approval. The figures refer to a vehicle

with basic configuration in Germany and the range shown considers optional equipment and the different size of wheels and tires available on the selected model. The values of the vehicles are already based on the new WLTP regulation and

are translated back into NEDC-equivalent values in order to ensure the comparison between the vehicles. [With respect to these vehicles, for vehicle related taxes or other duties based (at least inter alia) on CO2-emissions the CO2 values

may differ to the values stated here.] The CO2 efficiency specifications are determined according to Directive 1999/94/EC and the European Regulation in its current version applicable. The values shown are based on the fuel consumption,

CO2 values and energy consumptions according to the NEDC cycle for the classification. For more information on the WLTP and NEDC test procedures, seehttps://www.bmw.com/en/innovation/wltp.html. Further information on official

fuel consumption figures and specific CO2 emission values of new passenger cars is included in the following guideline: ‚Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personen-kraftwagen‘

(Guide to the fuel economy, CO2 emissions and electric power consumption of new passenger cars), which can be obtained free of charge from all dealerships, from Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT), Hellmuth-Hirth-Str. 1, 73760

Ostfildern-Scharnhausen and at https://www.dat.de/co2.



32

Intro ramp #49

MEN’S GROOMING PRODUCTS

04

03

04 BST Hypertek

Für Freibiker

03 McLaren 765LT

Spätzünder

»It’s quite something«, sagte der Motorrad-Designer Pierre

Terblanche über sein neuestes Werk in einem Interview. Ein

deutsches Leitmedium für Motorradjournalismus beschreibt

die BST Hypertek als »wilden Mix aus verschiedensten

Elektrogeräten«. So oder so bricht Terblanche, der zuvor unter

anderem die Ducati 749 und 999 entwarf, in diesem Fall

deutlich mit den bisherigen Konventionen des Motorraddesigns:

eine minimalistische Sitzbank, darunter viel

Freiraum und ein wuchtiger, 80 kW starker Elektromotor,

eine fast vollständig verkleidete Gabel, viel Kohlefaser, dafür

aber kein Cockpit. Normalerweise fertigt die südafrikanische

Firma BST vor allem Räder für Motorräder und Autos – die

Hypertek dürfte daher maximal in Kleinserie produziert

werden.

In einer immer komplexer werdenden (Supersportwagen-)Welt

pflegt McLaren eine äußerst angenehme und souveräne Ruhe

und Geradlinigkeit an den Tag zu legen. Die Autos aus Woking

sind allesamt sauschnell, extrem schön und vor allem leicht.

Entsprechend simpel und technisch hergeleitet sind auch ihre

Modellbezeichnungen. Im Grunde ist es die PS Zahl mit einem

oder zwei Buchstaben hinten dran. Die Spannung beim 765LT

lag also weniger darin, ob er denn kommen würde (das war

eigentlich logisch, Stichwort Geradlinigkeit), die Spannung lag

vielmehr darin, wie er denn nun heißen wird: von 750 bis

780LT war eigentlich alles denkbar. Geworden ist es jetzt ein

765LT, womit dann auch die PS-Zahl bekannt ist. Ach ja, schön

und leicht ist er natürlich auch wieder. Nur das mit der Ruhe

darf beim Blick auf die vier offen austretenden Auspuffrohre

dann in Zweifel gestellt werden.

GRAHAMHILL-COSMETICS.COM



34

Intro ramp #49

Higgledy Piggledy

Countdown

35

01

02

00

02 SEAT Leon

Planet der Leons

01 Mini Cooper SE

PR-Profi

© Shutterstock

00 Handtasche

Der Rand des Universum

Der Gesellschaft für deutsche Sprache zufolge war der Name

»Leon« von 1999 bis 2010 durchgängig unter den zehn am

häufigsten vergebenen Vornamen für männliche Säuglinge,

2001 belegte er sogar Platz 1. Für diejenigen, die einem dieser

Leons zu dessen 18. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk

machen wollen, hier mal ein Tipp: Die neue Generation seines

automobilen Namensvetters ist jetzt draußen. Das dynamische

Design des SEAT Leon dürfte bei Freunden gut

ankommen, ohne allzu dick aufzutragen, dank vieler Assistenz-

und Sicherheitssysteme wie adaptiver Fahrwerksregelung

und intuitiver Sprachsteuerung ist man bequem und

sicher unterwegs – und für diejenigen, die freitags demonstrieren

gehen, gibt’s ihn neuerdings auch als Plug-in-Hybrid.

Die Unternehmensberatung Progenium hat 2018 in einer

Erhebung das Image von Autofahrern verschiedener Marken

ermittelt. Die Befragten hielten Mini-Fahrer der Studie

zufolge für weltoffen, attraktiv, sportlich, schlank und

fröhlich. Nur gut die Hälfte fand allerdings, dass Mini-Fahrer

auch umweltbewusst seien. Dieser Aspekt könnte sich nun

mit dem ersten rein elektrischen Mini Cooper SE ändern. Sein

32,6 kWh großer Akku wurde platzsparend im Unterboden

verbaut, sorgt für 270 Kilometer WLTP-Reichweite und ist bei

einer Ladeleistung von 50 kW binnen 35 Minuten zu 80

Prozent geladen. Der 135 kW (184 PS) starke Elektromotor

stammt aus dem BMW i3. Damit kann der weltoffene,

attraktive, schlanke Mini-Fahrer dann demnächst sportlich,

fröhlich und lokal emissionsfrei durch die Stadt düsen.

Wir werden eines Tages alle Geheimnisse des Ozeans entschlüsselt

haben, wir werden den Rand des Universum erforscht

haben und vielleicht wird just in diesem Moment eine Frau

sagen: »Verdammt, ich kann mein Handy nicht finden.« Und sie

wird aufgekratzt in ihrer Handtasche wühlen, schließlich will

sie ja ein Foto machen vom Rand des Universums. So wird es

sein. Vermutlich. Denn wenn eines sicher ist, dann, dass wir

niemals verstehen werden, nach welchen Naturgesetzen der

Inhalt einer Handtasche sich ordnet. Das einzig beruhigende

aus Sicht von Männern ist vielleicht, auch die Frauen selbst

werden das Chaos in ihrer treusten Begleiterin nie vollständig

entschlüsseln. Eine Studie ergab jetzt, dass Frau im Schnitt 76

Tage ihres Lebens damit verbringt in ihrer Handtasche etwas

zu finden. Der Fußballtrainer Jürgen Klinsmann nutzte diese

Zeitspanne übrigens für seine Trainertätigkeit bei Hertha BSC.

Auch so ein Chaosfall.



1

© Jan Von Holleben / Trunk Archive

Ganz

schön

was los

hier.



38 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy

39

Wachtmeister

Geschmacksverstärker

Salz- und Pfefferstreuer stehen meist verschämt am

Tischrand herum (auch in der Gastronomie), weil das

Nachwürzen noch immer als Affront gegen den Koch ausgelegt

wird. Diese schönen Exemplare in Form von Raketen

dürfen (auch wegen des Preises) gern im Mittelpunkt

stehen, sind sie doch aus Sterling-Silber sowie weißer und

schwarzer Emaille gefertigt.

→ asprey.com

Die gute Nachricht vom BKA: Die Zahl der WEDs (Wohnungseinbruchdiebstahl)

ist rückläufig. Wer sein Hab und Gut trotzdem

schützen will, spart sich die Alarmanlage und holt sich den

Spexor von Bosch. Das handliche Ding, dessen Akku zwei Monate

reicht, kann im Haus, im Auto oder im Wohnwagen aufgestellt

werden. Sobald seine Sensoren Veränderungen in der näheren

Umgebung registrieren, schlägt das Gerät auf dem Smartphone

Alarm oder gar bei der Polizei.

→ spexor-bosch.com

Planwirtschaft

Organisation ist selten eine Frage des Willens,

sondern meist eine der praktischen Umsetzung.

Hilfreich könnte dabei dieser reduzierte und

übersichtliche Tagesplaner von Wit & Delight sein.

Eingebunden in Leder mit Markierungsband, lassen

sich Prioritäten für die jeweilige Woche verfassen

und die Hochs und Tiefs mit Smileys markieren.

Einfach nur herrlich analog.

→ witanddelight.com

Schüttelfest

Auf die Idee, einen 50er-Jahre-Rennwagen mit einem

Cocktailshaker zu kombinieren, muss man erst mal

kommen. Der vierteilige Racing Car Cocktailshaker

von Asprey ist aus Sterling-Silber gefertigt und mit

Holzrädern versehen. Wie man seinen Long Island Ice

Tea dann schüttelt, beziehungsweise ins Ziel fährt,

bleibt jedem selbst überlassen.

→ asprey.com

Uber-Flieger

Wer sich 2023 einen Uber bestellt, muss vielleicht

nicht mehr am Straßenrand warten, sondern auf dem

Hausdach. Hübsche Idee. Zumindest präsentierte der

Autohersteller Hyundai zusammen mit dem Fahrdienstvermittler

jüngst den Protoypen eines elektrischen

Vier-Sitzer-Flugtaxis namens SA-1. Es erreicht einen

Top-Speed von 260 km/h, kommt bis zu 600 Meter hoch

und hat eine Reichweite von 100 Kilometern.

→ uber.com

Short Cuts – 01

Text Martin Trockner

Kraut und Rüben, die erste: Wer braucht schon eine strukturierte

Einkaufsliste, wenn man ganz wild auf diese ganz

verschiedenen Dinge sein kann?

Weißabgleich

»Die Farbe Weiß bleibt dem künstlerischen Ausgangsmaterial

am nächsten und schließt jede Ablenkung,

etwa die Erzeugung von Illusion, aus« war das Credo

des amerikanischen Malers Robert Tracy Ryman. Diesem

Motto folgt auch die auf 350 Stück limitierte Leica M

10-P »White«. Hier sind nicht nur Deckklappe und

Bodendeckel weiß lackiert, auch die Vollrindbelederung

ist in dieser Farbe gehalten.

→ leica-camera.com

Vision

»Ein Zustand ist schlimmer als die Blindheit,

nämlich Dinge zu sehen, die nicht da sind.«

Stammt von Thomas Hardy. So, schöne Überleitung

zur VR-Brille, die Panasonic auf der

diesjährigen CES in Las Vegas vorgestellt hat.

Die ist HDR-fähig und unterstützt zudem noch

den Funkstandard 5G. Serienreif ist sie leider

noch nicht.

→ panasonic.com



40 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy

41

Und jedem

Chaos wohnt ein

Zauber inne

Plädoyer für mehr Kraut und Rüben. Und was das mit

dem Bedeutungswandel des Autos zu tun hat. Und mit

George Orwell.

Text

Philipp Tingler

Illustrationen

Gregory Gilbert-Lodge

Ach, das Chaos, meine Damen und Herren. Man

wird ja regelrecht nostalgisch. Können Sie sich

noch an das Chaos erinnern? Ich bin alt genug.

Opa erzählt vom Krieg, Opa erzählt von Punkern,

Opa erzählt vom Chaos. Aww, Kraut und

Rüben. Those were the days. Das war einmal.

Punk ist vorbei. Schon lange. Ich gebe Ihnen mal

einen kleinen Überblick über die Chronologie der

Modernen, also: Moderne, Postmoderne, Spätmoderne.

Sind Sie noch da? Andere Leute bieten

andere Überblicke, mir erscheint der folgende

am einleuchtendsten:

Die klassische industrielle Moderne umfasst

die sogenannten glorreichen dreißig Jahre von

1945 bis 1975. Dann: Ölkrise, Zusammenbruch

des zentral gesteuerten globalen Finanzsystems

von Bretton Woods 1973 und die Entwicklung

des Apple I, des ersten bezahlbaren Personal

Computers im Jahre 1976. Damit begann die

recht kurze Phase der Postmoderne, eingeläutet

durch die kulturelle Bewegung des Punk, deren

Maxime »No Future« lautete und die passenderweise

eigentlich nur drei Jahre dauerte, bis zur

ersten Auflösung der Sex Pistols 1978 (der ersten

von vier, das nur am Rande). Doch die Zukunftsskepsis

blieb, dieser Sprung und größer

werdende Schatten in der im Kern liberalen

Fortschrittserzählung der gloriosen dreißig

Jahre. Parallel dazu schritten auch in den letzten

Dekaden des letzten Jahrhunderts Vermarktlichung

und Verwissenschaftlichung voran. So

wie die Idee universeller Menschenwürde als

einem säkularen Begriff der Gottesähnlichkeit.

Those were the days. Die seligen Neunziger.

Beide Dynamiken, sowohl die Dystopie (und

Nostalgie) wie auch die ökonomische Dynamik

durch Globalisierung und Digitalisierung,

erreichten und erreichen eine neue Qualität in

der sogenannten Spätmoderne, in der wir jetzt

leben, eine Ära, die mit dem 11. September 2001

ihren Anfang nahm. Ein Datum, das die wachsende

Bedrohung der Freiheit und Aufklärung

durch vormoderne Holzköpfe symbolisiert.

Neben der technologischen und lebensweltlichen

Beschleunigung (die der Trägheit und Beharrung

des menschlichen Habitus gegenübersteht)

zeichnet sich die Spätmoderne in der westlichen

Welt durch einen neuen Zeitgeist aus: die Prämierung

von Besonderheiten und Einzigartigkeiten,

von (vermeintlichen) qualitativen

Differenzen, Partikularität; gegen das Standardisierte,

lediglich Funktionale, gegen mittelmäßige



42 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy

Und jedem Chaos wohnt ein Zauber inne

43

Individuen, olle Durchschnittsware, gesichtslose

Automobile, spannungsarme Routinen. Dies im

strikten mentalen Gegensatz zur industriellen

Moderne, deren gloriose dreißig Jahre tatsächlich

nicht in jeder Hinsicht glorios waren, denn

hier herrschten Funktionalität, Standards,

Norm, Normalität, Gleichförmigkeit. Soziale

Kontrolle, kulturelle Homogenität und Diskriminierung

von Minderheiten waren hoch.

Das Chaos als Horror schlechthin

Heute scheint das ganz anders zu sein: Valorisiert

wird, was als singulär empfunden wird.

Als authentisch. Natürlich hat das eine Kehrseite.

Es gibt immer eine Kehrseite, wissen Sie

schon. Die Kehrseite ist: Verunsicherung. Rutschende

Werte. Zuflucht zu vermeintlichen Identitäten,

die in Wahrheit bloß Pseudo-Identitäten

sind. Der Schwund an Ambiguitätstoleranz und

die Sehnsucht nach einer Vereindeutigung der

Welt. Die Leute können das Chaos nicht mehr

ertragen, allein schon die Vorstellung davon

wird zum Alb. Deshalb laufen im Fernsehen so

viele Krimis und Quizsendungen, weil die eindeutige

Antworten versprechen.

Zugleich erleben wir eine Ökonomisierung

des Sozialen. Also ein Vordringen ökonomischer

Maximen und Rationalisierungen auch in Bereiche

wie zum Beispiel das Bildungswesen, die

Kultur oder die private Gastfreundschaft. Der

Philosoph Jürgen Habermas schreibt von einer

Kolonialisierung von Lebenswelten durch ökonomistisches

Denken. Und die Arbeitswelt polarisiert

sich in »Lovely Jobs« und »Lousy Jobs«:

faszinierende Selbstausbeutung in der Creative

Economy auf der einen, prekäre Scheinselbständigkeiten

der neuen Service Class in der Gig Economy

auf der anderen Seite. Dabei breitet sich

der Markt als Organisationsprinzip immer mehr

aus. Ob auf der Suche nach einem Partner oder

nach einem Bildungsabschluss: Verschiedene

Anbieter konkurrieren in Sachen Preis, Nutzen,

Wert, Prestige miteinander um die Gunst von

Nachfragern, die sich ihrerseits in einer Konstellation

der Wahl und des Vergleichens und auch

der Konkurrenz befinden.

Ist der Markt das Gegenteil von Chaos? Jedenfalls

unterstützt das Modell der Konkurrenz die

Prämierung von vermeintlichen Besonderheiten

und Einzigartigkeiten, und das sehen wir auch

auf dem Feld des Konsums: Konsumgüter

müssen narrative und symbolische Werte bieten;

ein schlichter Nutzwert reicht nicht mehr,

die Kuratierung und Ausstellung von Gütern

durch den Konsumenten im Rahmen des eigenen

Lebensstils wird bedeutsam. Wir sehen das am

Auto, das als Produkt ohnehin gerade eine

Selbstfindungskrise durchmacht. Die gesamte

Automobilbranche tendiert seit Beginn des

21. Jahrhunderts zu einer kulturellen Anreicherung

ihrer Produkte. Das Auto ist endgültig zum

kulturellen Gut geworden, prädestiniert für den

Geltungskonsum. Bis hin zum Statussymbol für

alle, die kein Statussymbol brauchen.

Der Wahn der Authentizität

Kehren wir zurück zum Anfang. Der Anfang des

Chaos ist die Mehrdeutigkeit, die Vagheit, das

Schillernde. Die Ambiguität. Wir haben festgestellt,

dass die Ambiguität immer schlechter

ertragen wird. An die Stelle der Auseinandersetzung

mit dem Anderen ist eine Hermetik des

Eigenen getreten, ein maßlos überzogenes Ideal

von Authentizität. Liegt die oft beklagte Verschärfung

des Tons in der gesellschaftlichen

Debatte auch darin begründet, dass sich die

Gesellschaft neuerdings stärker kulturell als

materiell differenziert? Oder, präziser: Wie weit

ist es von der sozialen Logik des Besonderen zur

Identitätspolitik? Identitätspolitik ist schließlich

die politische Betonung dessen, was man ist oder

zu sein meint (das ist für Identitätspolitiker, egal

ob von rechts oder links, regelmäßig wichtiger

als das, was man denkt oder anstrebt). Bei Identitätspolitik

geht es immer um Gruppenidentitäten,

sie ist insofern das gerade Gegenteil von

Individualismus. Auch hier ist die soziale Kontrolle

hoch. Trotzdem kann man sie mit dem

Streben nach Besonderheit in Verbindung bringen.

Sehr eindrücklich tut dies der Politikwissenschaftler

Francis Fukuyama in seinem Buch

»Identität«. Fukuyama sagt: Wenn Menschen auf

der Suche nach dem Authentischen und Besonderen

tief in sich blicken, finden sie oft: nichts.

Sie finden keine einzigartige Person. Was tun sie

dann? Sie suchen sich das nächstliegende Kollektiv.

Der Mensch bleibt eben oft genug trivial.

Identitätspolitik ist die Idiotenantwort auf

das Chaos. Hierzu lese man den soeben (erst) auf

deutsch erschienenen Essay von George Orwell

aus dem Jahre 1945 mit dem Titel »Über Nationalismus«.

Von Nationalismus spricht Orwell in



44 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy

Und jedem Chaos wohnt ein Zauber inne

45

allen Fällen, in denen sich ein Kollektiv imaginiert,

das relativ deutliche Zugehörigkeitskriterien

formuliert. Klare Innen­ Außen­

Dichotomien. Orwell weist folgerichtig dem

Nationalismus drei Hauptmerkmale zu: Obsession,

Instabilität und Gleichgültigkeit gegenüber

der Realität. Genau das ist heute Identitätspolitik.

Also das Abstellen und Fixieren auf vermeintliche

Besonderheiten statt auf Universalität

des Menschseins. Öffentliche Debatten neigen

immer mehr dazu, zu polarisieren und geradezu

kulturkämpferisch maximal unterschiedliche

Orientierungen zu imaginieren, extreme Standpunkte,

die bisweilen eschatologische Formen

annehmen und in Endzeiterwartungen zu einer

Selbststeigerung neigen, die mit Argumenten

nicht mehr erreichbar ist. Kompromisse oder

nur schon Diskurse werden unvorstellbar. Das

ist kein Chaos. Sondern Totalitarismus.

Wie retten wir das Chaos?

Orwell empfiehlt in seinem Essay gegen den

Nationalismus: Selbstreflexion, Selbsthinterfragung,

Selbstaufklärung. Also nicht Abstreifen

der Denkschwächen und Kurzschlüsse – das

schafft der Mensch nicht, der sich nach Orwells

Auffassung von der Präferenz für das Eigene

nicht wirklich befreien kann –, sondern

Bewusstmachung der eigenen Befangenheiten

und Irrationalitäten. In diesem Sinne ist Orwell

ein radikaler Demokrat, wenn man unter Demokratie

(bereits in Anlehnung an Alexis de Tocqueville)

jenen politischen Mechanismus

versteht, in dem sich nicht einfach die Mehrheit

durchsetzt, sondern in dem es gelingt, auch das

Oppositionelle, das Abweichende, die Gegenthese

institutionell einzufangen und in der der Unterlegene

nicht herausfällt, sondern legitim und

legal integriert ist.

Orwell plädiert für das aufgeklärte Individuum,

gegen das bornierte Kollektiv, das das

mutmaßlich Eigene borniert übersteigert. Aber

wer für das Individuum ist, muss halt auch

immer ein bisschen das Chaos in Kauf nehmen.

Das ist schließlich der Urzustand des Universums.

Das Chaos besitzt im kosmogonischen

Mythos Ähnlichkeit mit dem Nichts und der

Leere. Das kann auch ein Anfang sein. Das Chaos

ist der Anfang.

Denken wir doch mal das Chaos als Anfang

und machen einen großen Sprung von Orwell,

denn die Gedanken sind frei, und fragen: Wie

verträgt sich eigentlich eine andere kulturelle

Schreckensvorstellung mit dem Chaos, nämlich

die der Digitalisierung? Digitalisierung erzeugt

ein kulturelles Unbehagen, eine Unruhe, basierend

auf einer Kränkung. Nämlich der Kränkungserfahrung

der Berechenbarkeit und

Manipulierbarkeit und des Verlustes von Verfügungswissen.

Das hat der Mensch nicht gerne.

Die erlebte Demütigung ist eine doppelte: Man

wird erkannt durch die Maschine. Und dann

auch noch nach Mechanismen, die man regelmäßig

nicht versteht. Die Kränkung ist da. Aber in

der Welt da draußen spitzt sich gleichzeitig die

Konkurrenz zwischen Gesellschaftsmodellen zu.

Eine Armee von Holzköpfen steht bereit. Die

Digitalisierung wird bei dieser Zuspitzung als

Katalysator fungieren. Die Entscheidung fällt

zwischen Freiheit und autoritärer Technokratie.

Die Digitalisierung kann uns retten. Sie kann

ein freundliches Monster sein. Denn am Ende ist

womöglich das Chaos, auch als Urzustand des

Universums, nichts anderes als ein Muster, das

wir bloß noch nicht erkannt haben? Und wer hilft

uns bei Mustern? Die Künstliche Intelligenz. Aber

das ist wieder eine andere Geschichte.

Orwell plädiert für das aufgeklärte

Individuum, gegen das bornierte

Kollektiv, das das mutmaßlich Eigene

borniert übersteigert. Aber wer für

das Individuum ist, muss halt auch

immer ein bisschen das Chaos in

Kauf nehmen.



46 Ganz schön was los hier. ramp #49

Kraut

und Rüben

Text

Wladimir Kaminer

Fotos

David Breun

Jetzt wird es wirklich wild. Mit einem

Briten, einem Italiener, zwei Franzosen

und einem Deutschen. Außerdem geht es

um die Diversität von Himmelsbekleidungen,

Hamster, ewige Liebe und langsame

Dreier.

Es könnte aber auch sein, dass dieses

Durcheinander die neue Ordnung ist. So

ganz genau weiß man das natürlich nicht.



Ganz schön was los hier. ramp #49

Wo fahren wir eigentlich hin? Alte Straßen

taugen anscheinend nicht mehr, sie führen

nirgendwohin, über die Notwendigkeit der neuen

Straßen wird heftig gestritten, sie nehmen uns

viel Lebensraum weg, die Welt verändert sich zu

schnell, wer weiß, wie sich die Menschen der

Zukunft am liebsten fortbewegen werden? Vielleicht

gehen sie demnächst alle zu Fuß oder

joggen der Umwelt zuliebe? Nicht ausgeschlossen,

dass sie nur noch Panzer-ähnliche Großraumfahrzeuge

bedienen oder gar fliegen. Niemand

kann es voraussagen, und so versinkt die Menschheit

im Chaos, nicht zum ersten Mal in ihrer

Geschichte. Die Optimisten unter uns sagen, nur

Geduld, wir sollten nichts überstürzen, irgendwann

wird aus diesem Chaos eine neue, klare

Ordnung entstehen, die alle Unzufriedenen zufriedenstellt

und die Unglücklichen glücklich macht.

Die Pessimisten meinen, die Welt sei zu komplex

geworden, um sie unter einen Hut zu kriegen, wir

müssen lernen, im Chaos zu überleben.

Wie konnte es passieren, dass unsere schöne Welt

so schnell so anders geworden ist? Die Energie

der Veränderung sammelte sich, oftmals unbemerkt,

in den letzten Jahrzehnten in den Lakunen

und Spalten der Landschaft, nun wurde sie plötzlich

freigesetzt, und zwar überall beinahe gleichzeitig,

als hätte eine unsichtbare Hand die Kupplung

des Planeten von »Neutral« auf »Drive«

umgelegt. In den Ländern mit unterschiedlichster

ökonomischer, gesellschaftlicher, politischer

Ordnung wuchs die Unzufriedenheit, auf

einmal erkannten Massen von Menschen, die

lange Zeit ihre Lebensweise als selbstverständlich

und alternativlos wahrnahmen: So geht es

nicht weiter! Sie beschlossen, ihr Leben zu

ändern, sie gingen auf die Straße, sie protestierten,

sie übten Druck auf die politische

Führung ihrer Länder aus, wählten falsche

Propheten zu Oberhäuptern oder verließen ihre

Heimat und liefen aufs Geratewohl los, ohne ein

klares Ziel vor Augen zu haben. Ihre Bemühungen

blieben nicht folgenlos, das Eis war

gebrochen, die Menschheit ist dabei, ihre Lebensweise

zu überdenken, wir alle sitzen nun auf

diesem Eisbrocken, der sich vom sicheren Ufer

der Vernunft und Tradition verabschiedete und

in freier Fahrt mit immer wachsender Geschwindigkeit

ins offene Meer des Unbekannten steuert.

Dabei schmilzt er unterwegs auch noch.

Wie können wir dieser Situation gerecht werden?

Wir müssen den Menschen die Angst vor dem

Chaos nehmen, ihre Neugierde, ihre Begeisterung

auf das, was kommt, wecken, meinte

Michael, der Chefredakteur von ramp. Für

unseren neuen Supersupersupertest haben wir

fünf Autos ausgesucht, die unterschiedlicher

nicht sein könnten, einen Briten, einen Italiener,

zwei Franzosen und einen Deutschen. Damit

fuhren wir von der Achalm im Vorland der mittleren

Schwäbischen Alb in Richtung Tübingen,

an den kleinen Bergen und Hügeln vorbei, über

die hundert Jahre alten Landstraßen und die

neuen, noch nicht fertiggestellten Wege. Es war

ein Feiertag, die Sonne schien und viele Menschen

waren unterwegs. Auf Fahrrädern, mit Autos

und zu Fuß stiegen sie auf die Hügel und auf der

Wir müssen den

Menschen die Angst

vor dem Chaos

nehmen, ihre

Neugierde, ihre

Begeisterung auf das,

was kommt, wecken,

meinte Michael.





52 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy

Kraut und Rüben

53

anderen Seite wieder runter, sie genossen das

gute Wetter, der Weg war das Ziel. Wir taten es

ihnen nach. Die Schwäbische Alb ist eine gottgesegnete,

lebensfrohe Gegend. Ein deutscher

Dichter sagte einmal, der Tod sei flach, hügelige

Landschaften feierten das Leben, bestimmt hatte

er die Schwäbische Alb im Sinn. Jeder Berg und

jeder Hügel ist hier anders, ist einmalig und hat

andere Wolken als Kopfbedeckung obendrauf. Ich

vermute sogar, dass die Berge die Farbe des

Himmels ändern. Aus dem Auto sah der Himmel

über jedem Berg jedenfalls anders aus, man

konnte sich an dieser himmlischen Vielfalt nicht

sattsehen. Ich wäre eigentlich gern hauptberuflich

ein Himmelsbeobachter, ich könnte mir gut

eine solche Tätigkeit mit einer 40-Stunden-Woche

vorstellen, das ganze Jahr über die Wolken nach

Farbe und Form sortieren und am Ende des

Jahres einen Wolkenkatalog vielleicht sogar als

Beilage zu ramp herausbringen: »Die Diversität

der Himmelsbekleidung über der Schwäbischen

Alb« oder so. »Hör auf, den Himmel anzustarren,

schau lieber auf die Straße!« sagten die Kollegen

zu mir. »Du musst lenken!« Stimmt, wenn man in

solch großartigen Autos sitzt, vergisst man

oftmals das Fahren.

I.

Der Engländer

Rolls-Royce Cullinan Black Badge

Oft kommen Menschen in Besitz von wertvollen

Dingen, mit denen sie nichts anfangen können.

Dieses Auto, ein fahrender Tresor mit Vierradantrieb,

wurde nach dem größten Diamanten

benannt, der jemals auf unserem Planeten

gefunden wurde. Der Stein war so groß, dass er

auf keine Krone und an keinen noch so fetten

Königshals passte. Einerseits waren seine

Besitzer auf den Stein unheimlich stolz, doch

niemand wusste etwas damit anzufangen. Nach

langem Hin und Her beschlossen sie, den Fund

doch in mehrere kleine Diamanten zu zerteilen,

ein paar davon sind in der Krone der britischen

Königin zu finden, wo die anderen Teile sind,

weiß ich nicht. Dieses Auto ist nicht nur ein

Tresor, es ist ein gemütliches, sehr leise fahrendes

Schloss, man braucht kein Hotel, wenn man mit

diesem Fahrzeug unterwegs ist. Im Kofferraum

kann man Partys feiern oder mindestens ein

Picknick veranstalten, ein Tischlein und zwei

Stühle sind in der Ausstattung inbegriffen. Auf

den Hintersitzen kann man wahrscheinlich auch

gut und ruhig schlafen, unter einem LED–Sternenhimmel,

versteht sich, wenn man lange genug

auf die Decke des Wagens schaut, sieht man eine

Sternschnuppe in Richtung Lenkrad flitzen.

»Nur kein Stress, ich bring Dich, wohin Du

willst« flüstert der Rolls-Royce zu seinem Fahrer,

»mit mir kommst Du immer und überall durch,

egal welches Wetter draußen herrscht, durch die

unsichersten Zeiten und bis ans Ende der Welt!«

Als Beweis mag er an den Agenten seiner Majestät,

T. E. Lawrence, erinnern, den er sicher durch alle

arabischen Wüsten und Partisanenkämpfe

brachte, worüber der bereits voll des Lobes war.

II.

Der Deutsche

Mercedes–AMG C 63 S

Dieses sportliche Schwergewicht lässt sich nicht

eindeutig klassifizieren, mein Gefühl am Lenkrad

des Mercedes war, dass dieses Auto aus jeder

Klasse ausbricht und neben dem komfortablen

Gleiten und sportlichen Gasgeben ein eigentümliches

Leben führt, das über die Grenzen des bloßen

Funktionierens hinausgeht. Ich meine es ernst,

das Auto lebt. Was ist eigentlich das Leben? Wie

unterschiedet sich ein lebendes Objekt von einem

toten? Die Biologen und die Philosophen haben

heute unterschiedliche Antworten auf diese

Frage, die Naturwissenschaftler meinen, das

Leben ist ein Prozess, der Gesetzmäßigkeiten

produziert, kreisförmige Verwandlungsprozesse,

wie zum Beispiel der Jahreszeitenwechsel oder

die permanente Zellenerneuerung. Die Philosophen

meinen, bei solchen zyklischen Prozessen

geht es um bloßes Funktionieren um des Funktionierens

willen, das Leben beginnt jedoch genau

dort, wo die Regularität durchbrochen wird. Fast

alle Teile unseres Körpers werden regulär

erneuert, der Mensch aber altert trotzdem, insofern

kann man diese zyklische Erneuerung als

einen Bestandteil der Leichenwerdung be trachten.

Ja, unser Organismus wird oft mit einer

tickenden Uhr verglichen, die Chronologie des

Alltags wird als das beste Rezept für die Langlebigkeit

gepriesen, festgelegte Schlaf- und Essenszeiten

sollen uns zum besseren Funktionieren

verhelfen. Aber gleicht dieses Funktionieren

einem erfüllten Leben? Ich denke nicht. Ich kenne

das von etlichen Nachbarn und Freunden, die

sich mit gut bemessener Regelmäßigkeit, nach

einem individuellen Plan, ernähren, schlafen,

Sport treiben, Bücher lesen. Sie funktionieren

perfekt, aber nehmen sie wirklich am Leben teil?

Viele, sehr viele sogar arbeiten und feiern nach

dem Kalender, nicht nach ihrer Lust und Laune.

Im Geiste leiden sie unter diesem Automatismus

und beschweren sich oft. Sie sagen Sätze wie: »Ich

lebe nicht, ich drehe mich nur im Kreis, wie ein

Hamster im Hamsterrad.«

Deswegen denke ich, der Bruch jeglicher Ordnung

symbolisiert den Beginn wahren Lebens, das kann

etwas Unabsichtliches, ein Flug zu den Sternen

oder umgekehrt ein Fall sein. Oder ein »auf der

Stelle treten«. Kurzum: Wenn der Hamster in

seinem Rad über die eigenen Füße stolpert und

rausfällt, beginnt für ihn das wahre Leben. Und in

Entenhausen gehen die Lichter aus, denn in dieser

Disney-Comicstadt benutzt man die Hamster im

Hamsterrad, um Strom zu produzieren.

III.

Der Italiener

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio

Zum ersten Mal habe ich dieses italienische Auto

gefahren, angeblich das Lieblingsfahrzeug der

italienischen Carabinieri und Mafiosi. Wie

können so unterschiedliche Berufsgruppen das

gleiche Auto mögen, würden Sie vielleicht fragen.

Fragen Sie nicht, drehen Sie eine Runde mit der

Giulia, dann wissen Sie es. Ja, die Wege der Liebe

sind unergründlich, vielleicht sind diese Berufsgruppen

auch gar nicht so verschieden, im Land,

wo die Zitronen blühen.

Ein Freund von mir fährt dieses Auto in Deutschland,

er erzählte, die Fahrer eines Alfa Romeo

bleiben ihrer Marke treu, wenn sie sich einmal

für sie entschieden haben, und wechseln nie



54 Ganz schön was los hier. ramp #49

mehr, das ist eine Garnelen-Liebe, meinte er. Was

bedeutet Garnelen-Liebe, wunderte ich mich. Ich

wusste gar nicht, dass die Garnelen überhaupt

ein Liebesleben haben. Doch, sie haben. Die Zeit

bis zur Geschlechtsreife verbringen sie ganz

allein in ihrer Schale und langweilen sich

furchtbar, doch wenn sie sich reif für eine Beziehung

fühlen, gehen sie auf die Suche nach einer

Partnerin beziehungsweise einem Partner. Sie

suchen nach der einzig wahren Garnele, mit der

zusammen sie alt und glücklich werden können,

vorausgesetzt, sie werden nicht vorher gefangen

und mit Knoblauch und Tomaten gebraten. Wenn

sie aber ihre Lebensbegleitung finden, bleiben sie

ihr ein Leben lang treu, bis die Pfanne sie scheidet.

Habe ich die

Botschaft der Globalisierung

falsch

verstanden? Statt

einer Gleichschaltung

brachte sie eine neue,

noch nie da gewesene

Diversität zustande.

IV. und V.

Die Franzosen

Wir hatten zwei französische Autos, die besten,

die die französische Automobilindustrie heute

anzubieten hat, ein kleines und ein großes.

Laut firmeneigener Auskunft ist der Renault

Alpine Légende ein Auto, das die Leidenschaft des

schnellen Fahrens durch Pässe und Bergstraßen

hervorragend bedient. Der große Noble war ein

DS7 Crossback E-Tense 4x4, der Luxus-SUV von

Citroën. Eigentlich hatte die Globalisierung eine

Unifikation von Menschen und Dingen vorgesehen,

alles sollte gleich und leicht zu bedienen

sein, kein Unterschied zwischen den Deutschen

und Franzosen, wir sind alle Europäer, teilen die

gleichen Werte und haben die gleichen Interessen.

Und die technischen Geräte Europas, die

Fahrzeuge, sollten nach den gleichen Technologien

perfektioniert werden und Gleiches leisten,

oder habe ich die Botschaft der Globalisierung

falsch verstanden? Statt einer Gleichschaltung

brachte sie eine neue, noch nie da gewesene

Diversität zustande. Wenn man die Autos aus der

Ferne betrachtet, sehen sie alle gleich aus, wie die

Schnecken auf dem Asphalt nach einem regenreichen

Tag. Wenn man aber drin sitzt, merkt man

die feinen Unterschiede. Gerade bei den Franzosen

findet sich kein Knopf dort, wo er eigentlich

sein soll. Alle diese Autos haben ihren eigenen

Charakter, ihr Fahrstil bleibt unverwechselbar.

Wenn ein deutsches Auto dem Berg und dem

Wind trotzt, so versucht der Franzose, auf der

Welle zu reiten, in der Luftströmung zu gleiten.

Auf diese Vielfalt besteht unsere Welt. Die

Menschen werden sich einander nie angleichen,

ihre Autos auch nicht. Und bei den Schnecken ist

es übrigens auch nicht anders. Bei ihnen findet

man auch keine zwei, die einander gleichen.

Die Schnecken haben ein kompliziertes Leben.

Sie haben Gender-technisch alle Möglichkeiten,

als Weibchen ebenso wie als Männchen zu

agieren, das wird bei ihnen in der Regel sehr

kurzfristig entschieden. Vor der Paarung absolvieren

sie einen seltsamen Paarungstanz, in der

Regel zu dritt, sie nehmen zur Sicherheit eine

dritte Schnecke zur Paarung mit, die nicht

mittanzt, nur guckt. Es kann nämlich durchaus

passieren, dass beide tanzenden Schnecken sich

während des Tanzes für das gleiche Geschlecht



56 ramp #49

Higgledy Piggledy

Kraut und Rüben

57

entscheiden, dann kann die dritte Schnecke zur

Not einspringen. Es kann aber auch passieren,

dass die Schnecken während des Tanzes überhaupt

keine Gefühle füreinander entwickeln und

keine Lust auf weitere gemeinsame Aktionen

haben, auch das ist bei den Schnecken möglich.

Doch mit Gottes Gnade schaffen sie es seit Jahrtausenden,

sich fortzupflanzen. Nur in ganz

seltenen Fällen wenden sich alle drei Schnecken

voneinander ab und kriechen auseinander, jede

in eine andere Richtung, in der Hoffnung, unterwegs

vielleicht einer anderen Schnecke ihres

Vertrauens zu begegnen.

Sie sind wie Menschen wetterabhängig, be kom men

oft schlechte Laune, versuchen stän dig weiterzukommen,

wissen aber nicht so richtig, wohin,

sind trotzdem immer unterwegs, wollen endlich

ankommen und kommen nie an.

Wir haben inzwischen mit unseren fünf Autos

im chaotischen Zickzack eine Runde über die

Schwäbische Alb gedreht und sind am Fuß der

Achalm wieder zum Stehen gekommen.

Wer weiß, vielleicht ist das, was uns als Chaos

erscheint, in Wahrheit bereits die neue Ordnung,

die wir nur noch nicht erkannt haben, sie ist zu

komplex und hat so viele neue Facetten, dass wir

sie nicht als Ganzes wahrnehmen können, noch

nicht. »Die die Schwäbische Alb aufbauenden

Schichten sind ungefaltet und schräggestellt«,

heißt es auf Wikipedia. Aber das kann man auch

anders sehen.



Higgledy Piggledy

Kraut und Rüben

59



60 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy

Kraut und Rüben

61

Renault Alpine A110 Légende

Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio

DS 7 Crossback E-Tense 4x4

Mercedes-AMG C63 S Coupé

MOTOR

Vierzylinder-Turbo

MOTOR

V6-Biturbo

MOTOR

Vierzylinder-Turbo und zwei Elektromotoren

MOTOR

V8-Biturbo

HUBRAUM

1.798 ccm

HUBRAUM

2.891 ccm

HUBRAUM

1.598 ccm

HUBRAUM

3.982 ccm

LEISTUNG

252 PS (185 kW)

LEISTUNG

510 PS (375 kW)

LEISTUNG

300 PS (220 kW)

LEISTUNG

510 PS (375 kW)

DREHMOMENT

320 Nm bei 2.000 – 5.000 U/min

DREHMOMENT

600 Nm bei 2.500 U/min

DREHMOMENT

300 Nm bei 3.000 U/min

DREHMOMENT

700 Nm bei 2.500 – 5.000 U/min

0–100 KM/H ca. 4,5 s

0–100 KM/H ca. 3,9 s

0–100 KM/H ca. 5,9 s

0–100 KM/H ca. 3,9 s

VMAX

250 km/h

VMAX

307 km/h

VMAX

240 km/h

VMAX

290 km/h

Rolls-Royce

Cullinan Black Badge

MOTOR

V12-Biturbo

HUBRAUM

6.749 ccm

LEISTUNG

600 PS (441 kW)

DREHMOMENT

900 Nm bei 5.000 U/min

0–100 KM/H ca. 4,9 s

VMAX

250 km/h



62 Ganz schön was los hier. ramp #49

Wir waren zwei Wochen in Florida unterwegs und

produzierten dort drei verschiedene Fotostrecken.

us

Kr

a t

in America

Text

Natalie Diedrichs

Fotos

Maximilián Balázs

Dann beschloss der Chef, dass wir sie alle zusammenwerfen,

ordentlich durchmixen und mal schauen, was

dabei herauskommt. Kraut und Rüben halt. Der

Ordnung halber schrieben wir aber trotzdem auf, wie

das Ganze chronologisch ablief.



64 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy

Krauts in America

65

Eigentlich wollte ich ja nach L.A. Aber das haben

Automobiljournalisten in den vergangenen Jahren

Foto- und Reportagen-technisch so dermaßen

abgegrast, dass Sie einen Road Trip

entlang der Westküste wahrscheinlich mit

einem »Schon wieder«-Seufzer und vielleicht

noch einem Augenrollen dazu honoriert hätten.

Wohin sollte der Urlaub/die Produktionsreise

also dann gehen? Die USA waren zumindest

gesetzt. Zum einen, weil mein Chefredakteur im

»Kraut und Rüben«-Heft gerne eine »Krauts in

America«- Geschichte haben wollte. Wie die letztendlich

genau aussehen sollte, war zu dem Zeitpunkt

noch unklar. Zum anderen, weil es dort

IHOP gibt. Das ist eine amerikanische Diner-

Kette, die 24 Stunden lang Frühstück anbietet.

Und was für eins. Ich sage Ihnen: IHOP ist ein

Traum. Wenn es das hier in Deutschland gäbe,

würde ich jeden Tag drei Mal dort essen. Morgens

Pancakes mit Ahornsirup, mittags Pancakes

mit Karamellsoße, abends Pancakes mit

Blaubeeren und Schoko stücken. Diabetes Typ 2

ginge dann aufs Haus, ebenso wie das Gratis-

Eiswürfelwasser mit Chlorgeschmack und die

Zitronentüchlein zum Klebehände Abwischen.

Es wurde also die Ostküste statt der Westküste.

Florida. Miami. Ocean Drive. Von dort gab’s bislang

selten Fotostrecken – vor allem nicht

nachts, stellte Max, mein Freund/Fotograf fest.

Und das hatte auch seine Gründe, aber dazu

kommen wir später. Zwei Autos begleiteten uns

»Don’t get me wrong, Chi-town got it goin’

on and New York is the city that we know

don’t sleep and we all know that L.A. and

Philly stay jiggy but on the sneak, Miami

bringin’ heat for real.«

WILL SMITH, »MIAMI«

auf unserer Reise. Wobei das Wort »Autos«

eigentlich nicht ganz passt. »Wahnsinns-Karren«

trifft es besser. Ein Chevrolet Camaro LT1

und ein Ferrari 812 Superfast. Sie lassen sich

zwar in keiner Weise miteinander vergleichen,

verdeutlichten mir aber einmal mehr, jeder auf

seine Art, wie tief meine Liebe zum Automobil

sitzt – trotz aller Kritik und gesellschaftlichen

Diskussionen. Solange es noch geht, würde ich

jedem empfehlen, mal einen Wagen mit V-Motor

zu fahren. Egal, ob ein V8 wie im Camaro oder

sogar ein V12 wie im Ferrari. Ist zwar nicht

gerade Greta-konform, aber wer ein schlechtes

Gewissen hat, kann ja ein paar Bäume pflanzen.

Es lohnt sich.

Im Nachgang lässt sich festhalten, dass es

eigentlich keine perfekteren Autos für unsere

Reise hätte geben können. Denn sie erfüllten

eine wichtige Funktion: Sie waren Türöffner für

zwei Welten, die ohne diese Autos verschlossen

geblieben wären. Die schillernd-bunte Welt derjenigen,

die es in Miami ihrer Ansicht nach zu

etwas gebracht haben. Und die erstaunlich offenherzige

Welt der anderen Amerikaner, für die

ein Camaro ungefähr so spektakulär ist wie für

uns ein VW Golf. Aber wenn jemand mit einem

nagelneuen Golf 8 durch Deutschland fährt,

dann gucken die Leute trotzdem. Sie wollen sich

die neue Variante des Evergreens ganz genau

ansehen, ein Pläuschchen über die Veränderungen

halten. So war es auch mit dem Camaro

Facelift. Der LT1 ist übrigens die Basisvariante

des legendären Musclecars. Ab 34.000 Dollar plus

Steuern kommt man in den USA in den Genuss,

den 455 PS starken V8-Sauger mit Heckantrieb zu

fahren. In Deutschland bietet Chevrolet die Variante

LT1 leider nicht an. Allein das wäre schon

eine Überlegung wert, auszuwandern. Und IHOP

natürlich.

Trotz dieser Privilegien kann man in Miami das

Leben jedoch offenbar erst dann richtig genießen,

wenn man lange genug malocht hat und diese

Arbeit schließlich mit Erfolg in Form von Reichtum

belohnt wurde. Der amerikanische Traum.

Vom Tellerwäscher zum Millionär und so weiter.

Diesen Eindruck vermittelte uns zumindest

Louis. Wir trafen ihn auf einem Parkdeck im

Design District, als Max gerade den 812 Superfast

fotografierte. Louis stammt ursprünglich aus

Costa Rica, kam mittellos in die USA, gründete

ein Unternehmen, das Aufzüge repariert und

instand hält, und ist jetzt super reich. Im Alltag

fährt er einen Ferrari 488. Den parkte er neben

dem 812 Superfast, stieg aus, nahm seine Sonnenbrille

ab, begutachtete unseren Testwagen und

fällte schnell sein Urteil: »Der ist wirklich schick,

aber ein bisschen langweilig.«

Zugegeben, neben seinem Auto wirkte der 812

tatsächlich etwas, nun ja, konventionell. Denn

mit einer Serienvariante gewinnt man in Miami

keinen Blumentopf, auch wenn wir hier von

einem Ferrari sprechen. »Den kann sich ja jeder

im Geschäft kaufen«, erklärte mir Louis, während

sein Assistent gerade dabei war, die Drohne

bereit zu machen. Ein paar Luftaufnahmen für

den privaten Instagram-Account des Selfmade-Millionärs.

Klar. Jedenfalls verpasste er seinem

Ferrari eine noch lautere, klappengesteuerte

Abgasanlage und ein, sagen wir, noch exklusiveres

Äußeres. Er beauftragte den deutschen

Künstler René Turrek damit, den Standardlack

des Ferrari abzuschleifen und ihn stattdessen

mit den Logos seiner Lieblings-Modelabels Louis

Vuitton und Supreme zu schmücken. Handbemalt.

Was in Modena vermutlich als Majestätsbeleidigung

geahndet würde, ist hier Kunst.

Deshalb gab’s auch keinen Stress mit den

Markenrechten.

Der 488 wirkt dadurch ein bisschen wie eine

sehr schnelle Handtasche auf vier Rädern, aber

zumindest passt er nach Miami. Dort, wo scheinbar

jeder Ferrari fährt. Oder es zumindest vorgibt.

Während der Shootings trafen wir immer

wieder auf Influencer, die mit ihren Fotografen

um die Häuser zogen, um Fotos für Instagram zu

machen. Egal, ob ein durchtrainiertes Männermodel,

das fünf verschiedene Outfits in seiner

Reisetasche griffbereit hatte, oder eine aufgedrehte

Gruppe twerkender Latino-Mädels – sie

alle warfen sich buchstäblich vor den 812 Superfast.

Und wir standen daneben und hielten die

besten Momente fotografisch fest. Das hätte uns

sonst doch keiner geglaubt.

Die lang ersehnte Ocean-Drive-Produktion fiel

dagegen leider flach. Nicht etwa, weil am Sonntagmorgen

um vier zu viel los war auf der Partymeile

von South Beach. Sondern weil die meisten

Hotels und Clubs ihre Neonlichter ausgeknipst

hatten. Und dann war es ganz schön dunkel dort.

Keine Aufnahme vom Hotel Carlyle und kein

Beauty-Shot mit dem berühmten Gianni Versace-

Haus, vor dessen Eingang der exzentrische

Modeschöpfer vor 23 Jahren erschossen wurde.

Wenigstens ein Hotel ließ die Lampen an, sodass

wir immerhin ein Alibifoto mit nach Hause

bringen konnten. Zum Glück erwiesen sich die

Parkhäuser in der Hauptstadt Floridas als verlässlich.

Sie waren 24 Stunden geöffnet und

erstrahlten durch ihre satte Beleuchtung, während

im Hintergrund die lebendige Metropole im

Dunkeln glitzerte. Nur ohne den Ocean Drive.

Ein starker Kontrast zum Bling-Bling-Leben in

Miami war übrigens unser Besuch des NASCAR-

Finales in Homestead. Es gibt wohl nichts stereotypisch

Amerikanischeres als diese

Tourenwagenserie. Und zwar mit allem, was so

dazugehört. Wer sich in Deutschland fragt, wer

bitte Donald Trump wählt, findet auf dem

Gelände der Renn strecke schnell Antworten.

Beispielsweise in Form einer vierköpfigen Bilderbuch-Familie,

die T-Shirts im Partnerlook

trägt. Vorne steht »President Trump 2020, Keep

America Great« drauf und hinten »If you feel

offended by this flag, I’ll help you pack.« Harter

Tobak.



66 Ganz schön was los hier.

Nach zwei Corndogs, einer kalten Coke, einer

Militärparade, einem gemeinsamen Gebet und

einer Düsenjet-Flugeinlage samt Fallschirmsprung

transportierten wuchtige Ford Trucks die

NASCAR-Helden auf die Strecke. Jeweils zwei auf

einer Ladefläche, damit noch genügend Platz für

die zwei Meter breite US-Flagge blieb. Und nach

der Nationalhymne ging’s dann auch schon los mit

dem vierstündigen Saisonabschluss. An dieser

Stelle würde ich wirklich gerne einen bildhaften

Vergleich liefern, der die Geräuschkulisse adä quat

beschreibt, aber ich habe in meinem ganzen Leben

noch nie etwas gehört, das diesem Lärm auch nur

im entferntesten Sinne gerecht wird. Selbst als ich

Max direkt ins Ohr brüllte, konnte er kein Wort

verstehen. Einigen wir uns also am besten auf

»ohrenbetäubend«. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Rennfahrer Kyle Busch wurde an dem

Abend übrigens Meister. Aber das erfuhr ich auch

nur aus dem Internet, weil wir nach drei Stunden

Dauerbeschallung genug hatten.

Meine narkotisierten Gehörorgane klingelten

selbst am Tag darauf noch, als wir bei einem Stapel

in Ahornsirup getränkter Pancakes unsere

nächste Etappe planten. Der Ferrari blieb in

Miami, und endlich kam der Camaro zum Ein satz.

Ein Auto, für das ich schon seit Jahren einen Platz

in meiner imaginären Garage reserviert habe. Er

hat Wumms ohne Ende, eignet sich wegen seiner

Rückbank und des großzügigen Kofferraums hervorragend

fürs Reisen und ver leiht einem dank

des Chevrolet Markenlogos am Kühlergrill auf

Anhieb das Gefühl, ein Teil von alldem hier zu

sein. Ob man nun will oder nicht. Und weil sich die

amerikanische Automarke schon seit Anbeginn

der Rennserie in der NASCAR engagiert, war der

Camaro das perfekte Fotomodel für unser nächstes

Shooting in Daytona Beach.

Erschöpfung. Der legendäre, 5,7 Kilometer lange

Speedway mit seinen drei Steilkurven (üblich sind

zwei) bildet das Zentrum der 70.000-Einwohner-Stadt.

Seine Wolkenkratzer-hohen Besucherränge

überragen die dort angesiedelten Kinos,

Geschäfte und Restaurants bei Weitem. Alles

scheint im Schatten dieser gigantischen Rennstrecke

zu liegen. Der zweite Place to be ist der Strand

von Daytona. Alle, die Disneys Animationsfilm

»Cars 3« gesehen haben, wissen natürlich, dass an

exakt diesem Meeresufer vor 72 Jahren die

NASCAR-Serie gegründet wurde. Genau dort setzten

wir den Camaro in Szene. Selbstverständlich

bei Sonnenaufgang. Das klappte im Gegensatz zu

unserem Ocean-Drive-Flop wirklich gut.

Auf bestimmten Abschnitten des Strandes darf

man offiziell mit dem Auto fahren, zwar nicht

mehr als 10 Meilen pro Stunde (16 km/h), aber bei

so etwas können Fotografen ja zum Glück tricksen.

An diesem bilderbuchhaften Morgen war erstaunlicherweise

wenig los. Abgesehen von den schätzungsweise

300 Wasservögeln, die neugierig

beobachteten, wie ich zwanzig Mal geradeaus fuhr

und anschließend wieder zurücksetzte, während

Max auf den Auslöser drückte. Schon erstaunlich,

wie an einem ursprünglich so leisen, beruhigenden

Ort etwas so Lautes wie die NASCAR entstehen

konnte. Nachdem wir der Beach Patrol dann

noch erklärt hatten, dass es sich bei dem Camaro

um das neueste Modell handelt, die Front im

Gegensatz zum Vorgänger leicht abgeändert ist

und es die Basisvariante ab 34.000 Dollar plus

Steuern zu kaufen gibt (»unbelievable!«), gingen

wir anschließend wieder unserer gewohnten Morgenroutine

nach. Wobei, nicht ganz: Diesmal

wählte ich Erdbeersirup.

Die Küstenstadt nördlich von Miami ist ein historisch

bedeutender Ort für den amerikanischen

und internationalen Motorsport. Beim

24- Stun den- Rennen messen sich hier jedes Jahr

Rennfahrer aus aller Welt bis zur völligen



68 Ganz schön was los hier. ramp #49



Higgledy Piggledy

Krauts in America

71



72 Ganz schön was los hier. ramp #49

Die wichtigsten Zutaten für ein gelungenes

NASCAR-Wochenende: bunte Rennautos, siegreiche

Schokolinsen, Nachwuchsförderung, ein

bisschen Militärzeug und – bitte aufstehen und

mitsingen – die amerikanische Hymne.





Higgledy Piggledy

Krauts in America

77

Ferrari 812 Superfast

MOTOR

V12-Saugmotor

HUBRAUM

6.496 ccm

LEISTUNG

800 PS (588 kW) bei 8.500 U/min

DREHMOMENT 718 Nm bei 7.000 U/min

0–100 KM/H ca. 2,9 s

VMAX

340 km/h



78 Ganz schön was los hier. ramp #49



81

»Come hungry.

Leave happy.«

IHOP SLOGAN

Chevrolet Camaro LT1

MOTOR

V8-Saugmotor

HUBRAUM

6.162 ccm

LEISTUNG

455 PS (339 kW) bei 6.000 U/min

DREHMOMENT 614 Nm bei 4.400 U/min

0–100 KM/H ca. 4,4 s

VMAX

290 km/h



Higgledy Piggledy

83

Die Werkstatt am

Rande der Welt

Wenn es in Berlin einen Chefschrauber gibt, dann ist es Thomas Lundt.

Er ist Obermeister der dortigen Kfz-Innung und führt seit gut dreieinhalb

Jahrzehnten die Porsche Werkstatt Lundtauto Sportwagenservice.

Hier spricht er Klartext über das Auto, über Politiker und über

Migranten als Auszubildende.

Alles andere würde nur zu Missverständnissen führen.

Interview

Michael Köckritz,

Matthias Mederer

Fotos

David Breun

besser wusste. Den fragte ich: »Sagen Sie mal, sind Sie ein

Kollege?« Und er: »Nein, ich bin Rechtsanwalt und fahre schon

seit zwanzig Jahren Oldtimer.« Also bitte! Ein bekannter deutscher

Sänger brachte auch mal so einen merkwürdigen

Experten mit. Die brauche ich hier nicht. Aber über echte Sachverständige

freue ich mich. Und jeder, der ein Auto über 50.000

Euro kaufen will, sollte daran nicht sparen.

Herr Lundt, wie steht es aktuell um den Oldtimermarkt?

Thomas Lundt: Vor zwei, drei Jahren war der Hype auf dem

Höhepunkt, da wurden für Autos so absurd hohe Preise

bezahlt, dass man das Grausen bekam. Zum Glück befinden

wir uns jetzt in einer Konsolidierungsphase. Die Preise liegen

etwa dreißig Prozent unter den Summen, die noch vor drei

Jahren bezahlt wurden. Heute wird nur noch für wirklich gute

Autos richtig viel Geld gezahlt. Und die Leute sind besser

informiert. Die bringen zum Autokauf einen Sachverständigen

mit, der besser beurteilen kann, was an so einem Wagen

geleistet wurde und was er wert ist.

Nervt Sie das, wenn da so viele mitreden?

Lundt: Im Gegenteil, ich freue mich, wenn ein Kunde einen

Spezialisten mitbringt. Eine bessere Expertise als die von

einem Kollegen kann ich nicht bekommen. Allerdings sollten

die auch Ahnung haben. Nicht so wie neulich, da erschien ein

sogenannter Sachverständiger, der nur herumnölte und alles

Ist der 911 tatsächlich immer noch die sicherste Wertanlage?

Lundt: Es gibt ein paar hochpreisige 911er-Sondermodelle, die

es geschafft haben, über die ganze Zeit sehr hoch gehandelt zu

werden. Ich warne aber davor, so ein Fahrzeug als Spekulationsobjekt

zu sehen. Nennen wir es lieber eine relativ sichere

Anlage. Ich habe schon einige Leute erlebt, die sich beschwert

haben, weil ihr Oldtimer über die Jahre an Wert verloren hat.

Gleichzeitig fahren sie aber mit einem Audi A8 herum, der

nach dreieinhalb Jahren nur noch knapp die Hälfte wert ist.

Kann man davon ausgehen, dass bald die nächste Welle mit hohen

Preisen kommt?

Lundt: Ich glaube, dass wir froh sein können, wenn wir bei

Oldtimern ein bestimmtes Niveau erreichen. Es liegt möglicherweise

nach einem kleinen Tal im Herbst wieder etwas

höher, und mit Glück pendelt es sich da ein. Die ganze Berichterstattung

über Autoabgase und den CO 2

-Effekt geht natürlich

auch an den Oldtimern nicht vorbei. Die Zahl derer, die sich

freuen, wenn du mit einem alten Elfer an ihnen vorbeifährst,

wird auch nicht größer. Ganz im Gegenteil, der Nachwuchs

fehlt.



84 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy

Die Werkstatt am Rande der Welt

85

Ist ein Auto, das vor 30 Jahren gebaut wurde, nachhaltiger als ein

neues?

Lundt: In jedem Fall. Die Fahrzeuge sind da und haben in über

dreißig Jahren bewiesen, dass sie heute noch nutzbar sind und

in der Regel werden sie nicht mehr als 2.000 Kilometer im Jahr

gefahren. Völlig unbedeutend für die Umwelt. Darüber hinaus

gab es in den letzten Jahren keinen tödlichen Unfall mit Fahrzeugen,

die ein H-Kennzeichen tragen.

Zu viel Lobbyarbeit im Hintergrund?

Lundt: Nun ja, am liebsten würde ich darauf antworten: weil

die Politiker wiedergewählt werden wollen und der Einfluss

der deutschen Automobilindustrie auf unsere Regierung schon

wesentlich größer ist, als man sich das vorstellen kann. Lüge

und Unvernunft, blinder Aktionismus beherrschen aktuell das

Thema. Es wird nirgends so viel gelogen wie beim Umweltschutz.

Wie viele Oldtimer sind derzeit in Deutschland gemeldet?

Lundt: Es gibt ungefähr 400.000 Autos mit H-Kennzeichen,

das ist nicht mal ein Prozent. Die Entwicklung steigt allerdings

rasant, weil immer mehr Autos – wie zum Beispiel der

Golf, der Baby-Benz oder der VW Bus T3 – jetzt in das Alter

kommen. Da gibt es eine Menge gut erhaltener Autos. Auch die

haben das Recht, ein H-Kennzeichen zu tragen. Leider gibt es

aber viele Leute, die sich das H-Kennzeichen nur holen, um

Steuern zu sparen. Das verwässert allerdings ein bisschen den

eigentlichen Sinn.

Was glauben Sie, wie wird es in Zukunft auf unseren Straßen

aussehen?

Lundt: Derzeit sind in Deutschland 54 Millionen Kraftfahrzeuge

gemeldet, ich glaube nicht, dass es bald zu einem signifikanten

Abschwung kommen wird. Allerdings wird die Zahl

mit der Zeit sicher weniger, da wir ja kaum noch Platz haben.

Vor allem in der Stadt gibt es einfach zu viele Autos, das ist

Fakt. In Berlin ist der Senat Schuld, weil der keine Alternativen

bietet. Der öffentliche Personennahverkehr wird nicht

ausgebaut, die sind nicht in der Lage, zu entscheiden, ob man

eine U-Bahn-Linie verlängert oder nicht. Da muss man erst

eine Machbarkeitsstudie machen. Da fragst du dich schon:

»Sind da nur noch inkompetente Menschen am Werk?« Aber

lassen wir das. Ich rege mich sonst auf. Nein, Automobilität in

der Stadt wird es weiterhin geben. Inwieweit der Oldtimer in

Zukunft betroffen sein wird, bleibt die Frage.

Größer, als es für das Land gut ist?

Lundt: Das müssen die Leute entscheiden, die noch ein paar

Jahre auf dieser Welt leben müssen. Ich weiß aber zum Beispiel,

dass, wenn wir fünfzig bis siebzig Prozent der recycelten

Kunststoffe für die Verpackung von Lebensmitteln verwenden

dürften, man in Deutschland auf einen Schlag 60 Millionen

Tonnen CO 2

einsparen könnte. Aber davon will keiner etwas

wissen. Das interessiert die Leute nicht, die aber gleichzeitig

eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn fordern,

um gerade mal eine Million Tonnen CO 2

einzusparen. Die wäre

übrigens der Todesstoß für die deutsche Autoindustrie.

Inwiefern?

Lundt: Jeder Hersteller und Importeur, der in Deutschland

entweder Autos produziert oder ins Land lässt, muss damit

rechnen, dass seine Fahrzeuge ausgefahren werden. Das

bedeutet, dass alle Wagen so gebaut sein müssen, dass das

auch sicher möglich ist. Große Bremsen, große Kühler, große

Sicherheitssysteme. Und wenn der deutschen Autoindustrie

dieses Merkmal genommen wird, dann gnade ihr Gott. Die

Sicherheit ist der Hauptgrund, warum selbst Leute in Ländern

wie den USA, in denen sie gar nicht schnell fahren dürfen,

unbedingt unsere Autos haben wollen.

Wenn jetzt noch die E-Autos dazukommen, könnte es noch enger

werden.

Lundt: Die Vermehrung des innerstädtischen Individualverkehrs

sehe ich nicht, da ein E-Auto in der Regel ein bis zwei

Fahrzeuge mit Verbrennermotor ersetzt. Wir werden weltweit

nicht mehr als maximal 14 bis 15 Prozent der Fahrzeuge

elektrisch antreiben können, weil die Rohstoffe fehlen. Selbst

bei 14 Prozent haben wir schon alle Ressourcen dieser Welt

ausgeraubt und Länder wie beispielsweise Chile und Argentinien

zerstört. Die haben kaum noch Trinkwasser, weil sie das

ganze Wasser für ihre Erdenauswaschung verwenden.

Darüber redet keiner. Die Politik setzt sich nicht vernünftig

mit dem Thema auseinander, das ist das Problem.

THOMAS LUNDT, Jahrgang 1954, bestand mit 24 die

Kfz-Meisterprüfung, gute zwei Jahre später gründete

er die Lundtauto Sportwagenservice GmbH – heute ein

20-Mann-Betrieb und die Topadresse für alte Porsche.

Seit 2004 ist der gebürtige Zehlendorfer zudem

Obermeister der Kfz-Innung Berlin und hat damit fast

370 Kfz-Werkstätten mit zusammen rund 12.000

Beschäftigten unter sich.

→ lundtauto.de



86 Ganz schön was los hier. ramp #49 Higgledy Piggledy

Die Werkstatt am Rande der Welt

87

»Es gibt sinnvolle und schöne

Extras. Aber dann gibt es

welche, bei denen du dir an den

Kopf fasst. Der 380 SEC von

Mercedes besitzt einen

Schalter, mit dem du von innen

den Innenspiegel einstellen

konntest. Also, falls du den Arm

nicht hochkriegen solltest.«

Kommen wir noch mal auf die Oldtimer zurück. Wie lautet Ihre

Definition von Luxus?

Lundt: Dass ich mir Dinge leisten kann, die ich nicht unbedingt

brauche, aber die mein Leben verschönern. Es ist eine

Möglichkeit, mir etwas mehr zu gönnen, weil ich mehr geleistet

habe.

Ginge es auch komplett ohne Luxus?

Lundt: Auf jeden Fall. Ich bin das neunte von elf Kindern. Und

was »nichts« heißt, weiß ich. Alles, was ich heute besitze, haben

meine Frau und ich – und inzwischen auch unsere Tochter –

zusammen aufgebaut. Wir waren eine der ersten Werkstätten

in Berlin, die die Auszeichnung »Fachbetrieb historische Fahrzeuge«

bekamen.

Was bedeutet es für Sie, einen Oldtimer richtig zu restaurieren?

Lundt: Der wichtigste Benchmark ist, dass der Restaurateur

versucht, möglichst viel vom Original zu erhalten. Natürlich

kommen auch mal Kunden, die alles neu haben wollen, was

mir persönlich widerstrebt. Gott sei Dank gibt es aber noch

eine Menge Menschen, die alte Fahrzeuge lieben. Bei jedem

Oldtimer, den wir seit Jahrzehnten restaurieren, lernen wir

dazu. Wir versuchen unsere Qualität von Objekt zu Objekt zu

steigern. Die neuen oder alten Besitzer würden nicht auf die

Idee kommen, so ein Auto wieder zu verkaufen.

Die wollen einfach nur fahren …

Lundt: Genau, »artgerecht halten« sagen wir dazu. Ein Oldtimer

darf nicht herumstehen. Und ein Oldtimerbesitzer kleidet sich

mit seinem Fahrzeug. Es sei denn, der Wagen stammt aus der

Vor-vor-Kriegszeit. Ich besaß mal einen Hudson 33 aus dem Jahr

1912. Den konnte ich hin und wieder mal um den Block fahren,

ich wurde von Passanten beklatscht, aber das war auch alles.

Welches Teil des 911ers hat Sie während Ihrer Karriere die meisten

Nerven gekostet?

Lundt: Gute Frage. Aber die kann ich so gar nicht beantworten.

Es gibt immer wieder Autos, die zwicken uns wochenlang, bis

wir dahinterkommen, wo das Problem liegt. Das zieht sich

durch alle Modelle durch. Je neuer sie sind, desto schlimmer ist

es. Aber bis 1998 kennen wir inzwischen alle Probleme unserer

Porsche. Und bei manchen Fahrzeugen haben wir uns ganz

schön die Zähne ausgebissen. Da gibt es tausend Geschichten.

Bis 1998 …

Lundt: … weil im April 1998 die letzten luftgekühlten gebaut

worden sind, dann kam der Wechsel von 993 auf 996.

Momentan denken wir darüber nach, ob wir uns mit den jetzt

aktuell gebauten Porsche überhaupt weiterhin beschäftigen

sollen.

Warum?

Lundt: Weil diese Autos viel zu anspruchsvoll sind. Und

Porsche repariert immer mehr Fahrzeuge über das Intranet,

also über das eigene Netz. Da kommen wir nicht hinein. Also

geben wir die Autos bei Porsche ab, die kümmern sich dann

und berechnen uns 235 Euro die Stunde. Warum sollen wir da

noch weiter mitmachen? Bei Beulen, kaputten Reifen oder

Bremsen helfen wir natürlich, aber wenn es um Probleme mit

dem Motor geht, glaube ich nicht, dass wir das weiterhin tun

werden. Natürlich steht Porsche für eine hervorragende Ingenieurleistung,

darüber müssen wir gar nicht diskutieren. Ich

frage mich nur, ob die Autos wirklich immer alles kriegen

müssen, was geht.

Können Sie das genauer erklären?

Lundt: 1992 kam der 968er Porsche heraus. Schöner Drei-Liter-Motor

mit Vario-Cam und so weiter. Ein tolles Auto, Vierzylinder,

kostete aber in der vom Werk angebotenen Version

über 100.00 Mark. Dann lief das Auto nicht, weil es den Leuten

zu teuer war. Was hat Porsche gemacht? Sie nahmen alles

wieder heraus, E-Fensterheber, Klimaanlage, alles raus, und

nannten das Auto einfach »Clubsport«, und der Preis fiel von

über 100.000 D-Mark zurück auf 73.000 D-Mark. Danach lief

es wie geschnitten Brot und jeder konnte sich die Extras zu

dem Auto noch dazubestellen. Das war der ganze Trick. Und

da müssten wir heute mal wieder hinkommen. Es gibt sinnvolle

und schöne Extras wie ESP. Aber dann gibt es welche, bei

denen du dir wirklich an den Kopf fasst. Der 380 SEC von

Mercedes besitzt einen Schalter, mit dem du von innen den

Innenspiegel einstellen konntest. Also, falls du den Arm nicht

hochkriegen solltest, hättest du auf der Mittelkonsole noch

einen Drehknopf (lacht). Wer kommt denn auf so etwas?

Träumt man noch von besonders schönen Modellen, wenn man den

ganzen Tag schraubt?

Lundt: Natürlich! Ich bin Autofan durch und durch und gucke hin

und wieder auch über den Porsche Rand hinweg. Ein Traumauto

habe ich auch, das ist der EB110, der Bugatti. Bei dieser Technik

fange ich beinahe an zu sabbern. Ach ja, und dann bin ich im

letzten Jahr zu meinem Ford Händler hier nebenan gegangen.

Und was stand da?

Ein GT40?

Lundt: Nein. Ein Bullitt. Ich sagte nur »Boah, ey!«. Liebe auf

den ersten Blick! Ich hatte so mit 100.00 Euro gerechnet, aber

er sollte nur 53.000 Euro kosten. Die Verkäuferin meinte noch:

»Ich kann Ihnen aber keinen Rabatt darauf geben.« Und ich

antwortete: »Das wäre auch total bescheuert!« Ja, dann habe

ich mir den Bullitt gekauft. Ein Traum. Sechsganggetriebe,

handgerissen, V8-Motor, Auspuff in vier Stufen einstellbar.

Okay, bei Nässe in der Kurve grauenvoll zu lenken, aber dafür

hat man ja Autofahren gelernt, nicht?

Würden Sie den Wagen wieder verkaufen?

Lundt: Nee, den Bullitt gebe ich nicht mehr her. Meinen Hudson

habe ich verkauft und noch einen Elfer. Manchmal muss man

Ballast abwerfen. Dann hatte ich noch einen Continental Mark

II, einen Lincoln, den habe ich auch verkauft. Momentan

besitze ich noch einen 993 Turbo WLS II, also die 450-PS-Version

aus April 1998, einen der letzten und ohne Schiebedach.

Den gebe ich auch nicht mehr her, der und ich, wir sind ein

Pärchen.

Wie viele Kilometer fahren Sie mit diesen Autos?

Lundt: Jeder Wagen kriegt im Jahr so zwei-, dreitausend Kilometer.

Und dann habe ich noch eine kleine Harley-Davidson,

eine Road King von 1998. Mit der fahre ich auch gerne. Motorradfahren

bedeutet für mich Freiheit.

»Die Verkäuferin meinte noch:

›Ich kann Ihnen aber keinen

Rabatt darauf geben.‹ Und ich

antwortete: ›Das wäre auch

total bescheuert!‹«

Anders als beim Oldtimerfahren?

Lundt: Das ist eine völlig andere Welt. Mein schönster Trip

ging quer durch die USA, von Georgia nach Los Angeles, weiter

nach Dawson City in Kanada, dann hinüber nach Alaska und

dann über Milwaukee zurück. 42 Tage, 18.500 Kilometer.

Klingt spannend.

Lundt: Ich war der reichste Mann der Welt. Bin alleine gefahren

und musste 42 Tage niemanden fragen, ob wir jetzt hier tanken

oder wo wir übernachten sollen. Ich habe auf dem Ding nur

gesungen und gejubelt und habe mir so den Stress der Selbständigkeit

von dreißig Jahren aus dem Schädel gefahren.

Wohin fahren Sie, wenn Sie mit Ihren Oldtimern unterwegs sind?

Lundt: Ins Umland. Sonntags geht’s früh los, in Richtung Perleberg

oder Fürstenwalde. Dann schön zu Mittag essen und zurück,

dann hast du deine 150 Kilometer heruntergeschnullt und der

Wagen kommt wieder ins Körbchen. Durch die Stadt fahre ich mit

meinem Cayenne-V8-Diesel, damit die alle gleich Bescheid

wissen. Neulich fragte mich doch ein Journalist, ob ich mich

deswegen nicht schäme. Ich meine, hat der noch alle Tassen im

Schrank? Ich antwortete: »Ich fahre ein Fahrzeug mit Zulassung

und das ist mein Arbeitsgerät. Was ist daran so falsch?«

Gibt es noch mehr Dinge im (Auto-)Leben, die Sie überraschen?

Lundt: Meine Frau fuhr mit Anfang zwanzig einen Alfa Romeo

Junior. Das war aber eine solche Rostmorchel, dass ich irgendwann

gesagt habe: »Mausi, das Ding muss weg.« Da hat sie

geheult wie ein Schlosshund. Vor einigen Jahren meinte sie

dann, dass sie sich so ein Auto noch mal wünschen würde.

Also fand ich einen Wagen in Nürnberg und rief den Mann an:

»Hören Sie, ich komme jetzt vorbei und schaue mir den an. Ich

bin Oldtimer-Spezialist und hoffe, ich werde von dem Auto

nicht enttäuscht sein.« – »Auf keinen Fall«, meinte der, »es ist

in einem sensationellen Zustand.« Was soll ich sagen? Heckschaden,

der Kofferboden war noch faltig, die Schweller

guckten unten ab, weil sie gar nicht angeschweißt waren. Und

als ich mich darüber aufregte, sagte der Typ, die Kleinigkeiten

könne ich ja wohl mit links reparieren, wenn ich ja davon

Ahnung hätte. Unglaublich.

Und dann?

Lundt: Entdeckte ich einen Alfa in Holland. Witzigerweise

hieß der Verkäufer auch noch Romeo. Ein total rostfreies,

gerades Auto, traumhaft schön. Wir haben nur Wasserschläuche

und Reifen gemacht. Seitdem hat meine Frau ihren

Alfa Romeo wieder zurück.

Ist ein Motor für Sie ein Kunstwerk?

Lundt: Grundsätzlich schon, und zwar auf mannigfaltige Art.

Ich weiß nicht, wie viele Motoren ich schon repariert habe.

Zweihundert, dreihundert Stück? Und jedes Mal, wenn ich so



Ganz schön was los hier. ramp #49

das zu beweisen, stellte ich jemanden an, der nur Sechsen im

Zeugnis hatte. Also den erdenklich schlechtesten Kandidaten

für eine Kfz-Mechanikerlehre. Ich sagte zu ihm: »Streng Dich

an, Du trägst eine große Verantwortung. Wenn das mit Dir

hier klappt, bist Du ein Vorbild für andere.« Um es kurz zu

machen: Nach zwei Jahren war der Servicemechaniker. So

habe ich hier schon einige durch die Ausbildung gekriegt, die

woanders keine Chance bekommen hätten. Das war noch vor

der Flüchtlingskrise 2015.

einen Motor neu starte, ist das ein ganz besonderes Gefühl.

Immer! Das gilt nicht nur für die 911er-Motoren, sondern auch

für die Ferrari- oder eben, wie gesagt, die Alfa-Motoren. Oder

letztes Jahr haben wir einen Audi quattro gemacht, einen

Ur-quattro. Komplett revidiert, Gott sei Dank hatte ich noch

fünf originale Übermaßkolben gefunden. Und dann fuhr der

Kunde damit die historische Monte und hat auch noch

gewonnen.

Haben Sie sonst noch ungewöhnliche Autos restauriert?

Lundt: Ja, vor anderthalb Jahren haben wir ein Grumman

Post-Auto für das Zeithaus in der Autostadt von Volkswagen

restauriert. Davon wurden gerade mal 47 Stück in den USA

hergestellt, heute gibt es weltweit nur noch zwei Exemplare,

wovon wir einen gemacht haben. Und jetzt kommt der Kracher:

E-Motor mit Kupplung und Fünf-Gang-Getriebe. Das fand ich

lustig. Der landete also bei uns, weil VW damit seine Elektromobil-Geschichte

aufarbeiten wollte. Grumman ist aber

eigentlich ein Flugzeughersteller und nutzt dieses harte Blech,

beim Bearbeiten sind wir fast irre geworden. Dann haben wir

noch recherchiert: Wie war das Auto damals lackiert? Wie

sahen die Postzeichen zu der Zeit aus? Zum Schluss mussten

wir die Elektrik noch auf aktuelle E-Stecker umbauen. Das

war vielleicht ein Gefummel.

Noch eine andere Frage: Sie achten in Ihrem Betrieb darauf, auch

Migranten zu beschäftigen. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Lundt: Ich habe mich früher immer über Kollegen geärgert,

die sagten: »Diese Leute sind zu doof zum Ausbilden.« Und ich

hielt dagegen: »Nein, man muss sie nur richtig anleiten.« Um

Und dann?

Lundt: Dann haben wir interessierte Flüchtlinge durch die

Berliner Innung geschleust. Die sollten sich in kleinen Gruppen

mal das Handwerk angucken. Und da habe ich gleich gesagt:

»Passt auf, Leute, wenn einer dabei ist, der wie ein Champignon

aus der Wiese guckt, dann schickt mir den.« So kam

Hassan zu mir. Er hat schon mal an Autos herumgeklopft,

sagte er, ansonsten betrieb er in Syrien einen Obstladen. Heute

ist er einer der wichtigsten Mitarbeiter in meiner Karosserieabteilung.

Dem kann man geben, was man möchte, er macht

immer ein Kunstwerk aus dem Blech. Ein Libanese gehört

auch noch zu meiner Gang. Der ist jetzt 19 und sollte erst abgeschoben

werden. Aber mit der Ausbildung konnte er das

verhindern. Jetzt ist er schon über drei Jahre da. Und wenn der

im Sommer ausgelernt hat, brauche ich den hier als Fachkraft.

Nur mit zwei von sechs Flüchtlingen hat es nicht funktioniert.

Ich würde immer wieder so handeln. Ich konnte mich in dieser

Welt etablieren und hocharbeiten und mir einen gewissen

Wohlstand schaffen. Mit meinem sozialen Engagement kann

ich der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Wir sind ja alle

verantwortlich für unser Land.

Das nennt man wohl gelungene Integration.

Lundt: Wenn man sich kümmert, geht das auch. Wenn ich aber

eine Aversion gegen Ausländer habe, kann ich das natürlich

vergessen. Unser Land ist nun mal so, wie es ist, die Menschen

sind jetzt da, und mir ist es lieber, wir machen aus ihnen

vernünftige Mitglieder unserer Gesellschaft, als dass sie auf

der Straße herumlungern. Ich glaube, es wäre viel einfacher,

wenn die Deutschen auch mal am eigenen Leib erleben

könnten, wie es den Flüchtlingen in ihren Heimatländern so

erging. Ich würde gerne mal so ein ganzes Dorf, das zu siebzig

Prozent AfD gewählt hat, 14 Tage lang im Bus durch Syrien

fahren lassen. Wenn alle mal den Ball ein bisschen flacher

halten, in sich kehren und darüber nachdenken würden, in

welcher traumhaften Situation sie in Deutschland leben, wäre

vielen geholfen. Das wäre mein größter Wunsch.



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Higgledy Piggledy

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Waterproof

Text / Fotos

Matthias Mederer · ramp.pictures

Jede andere Fahrzeug-Präsentation wäre abgesagt worden. Doch

es handelt sich um den Launch des Jeep Gladiator. Da dürfen der

neuseeländische Dauerregen, überschwemmte Straßen und Wege,

abrutschende Hänge und Schlamm als Respektsbekundungen

seitens der Natur begriffen werden.



92 Ganz schön was los hier. ramp #49

Higgledy Piggledy Waterproof

93

Wir fahren los. Ein simpler Satz. Welche dramatischen Entwicklungen

sich allerdings anbahnen, ahne ich beim Blick

gen Himmel. Es regnet die sprichwörtlichen Bindfäden – und

in den Nachrichten kam gerade die Meldung, dass in einem

Bergdorf namens Franz Josef auf der Südinsel Neuseelands,

auf der auch wir uns befinden, tausende Menschen wegen

Hochwasser festsitzen. Die einzig mögliche Rettung erfolgt

durch Helikopter. Ich schaue mitleidig auf meine Converse

herunter. Mir wird klar: Meine Stoffschuhe werden das nicht

überleben. Bei allem anderen vertraue ich ab sofort auf Jeep;

eben jener Marke, die ihren Ursprung im Bau von unverwüstlichen

Allrad-Fahrzeugen für das Militär hat. Dwight D.

Eisenhower persönlich stellte einst fest, dass man den zweiten

Weltkrieg ohne Jeep nicht hätte gewinnen können. Die

Fahrzeuge waren extrem robust und gleichzeitig sehr simpel.

Schon bald hieß es, Jeep stünde für »just enough essential

parts«. Etwas Spott und Anerkennung in einem. Aus dem

Militärfahrzeug Willys MB entwickelte sich der Wrangler.

Mit der Zeit wandelte sich der Jeep zum FSV – Freizeit-Spaß-Vehikel;

hochgelegt, ohne Türen und Fenster, mit

dickem V8. So fand man ihn für gewöhnlich in Key West, Florida.

Manchmal noch mit einem aufgemalten Adler auf der

Motorhaube. Die ernsthaftere Fraktion fuhr den Rubicon

Trail in Kalifornien oder den Hells Revenge Trail in Utah. Da

fuhr dann aber auch sonst nichts anderes mehr. Zumindest

nicht auf vier Rädern.

Auch die Ahnengalerie des Gladiator reicht weit zurück. Sie

beginnt 1947 mit dem Willys-Overland »Jeep« Pick-up Truck.

Weitere DNA-Spuren finden sich im FC-150/170 Pick-up. 1963

gab es dann bereits den ersten Gladiator, der wie sein moderner

Namensvetter mit robusten Dana 44-Achsen – die Rolex

Daytona unter den Offroader-Achsen – ausgestattet war. In

den 1980ern folgten noch der CJ-8 Scrambler und der Comanche.

Danach bildete sich eine Lücke, zumindest was Pick-up-

Trucks angeht. Der neue Gladiator schließt diese Lücke. Und

mit genau dem sind wir unterwegs.

Unser Ausgangsort ist Queenstown, Neuseeland. Und es geht

mitten rein in die Natur. Zunächst ein bisschen Straße. Kann

der Gladiator. Aber es wäre schon sehr verwunderlich, wenn

dieses Fahrwerk am Nürburgring abgestimmt worden wäre.

Ein amerikanischer Kollege

schaut mich etwas

vorwurfsvoll an: »Du gehst

wohl auch mit ’nem Löffel

zur Schießerei.«

Und die Wälder um die Nürburg herum dürften kaum ausreichend

Herausforderung sein. Mal vom Genehmigungswahn

der deutschen Bürokratie abgesehen.

Neben mir sitzt ein britischer Kollege namens Matt. Seine

Anreise aus London fand über Los Angeles und Auckland

statt, 38 Stunden Reisezeit. Er wechselte zwischen den Zeitzonen

wie ein routinierter Playboy zwischen seinen Frauen. Er

hat keine Ahnung, was für ein Tag heute ist. Und es ist ihm

auch egal. »Scheiß Jetlag. Du gewöhnst dich nie dran.« Gut für

ihn: In Neuseeland gilt Linksverkehr wie in England. Ich blicke

aus dem Fenster. Schwere Wolken hängen tief in den grünen

Bergen links und rechts. Schafe liegen auf saftigen

Wiesen. »Da bist Du zwei Tage im Flieger unterwegs, ein Mal

um die gesamte Welt herum, fährst hier im Regen bei Linksverkehr

durch eine Landschaft, die aussieht wie Schottland –

und die Menschen sprechen Englisch. Kommst Du Dir nicht

ein bisschen veräppelt vor?«, frage ich Matt mit einem süffisanten

Unterton. Er blickt zu mir rüber, zieht eine Augenbraue

hoch, dann blickt er wieder nach vorne. Überall Schafe.

14 Millionen sind es angeblich in ganz Neuseeland, denen

stehen vier Millionen Einwohner gegenüber. »Ja, so gesehen

könnte ich die Ortsmarke einfach weglassen und mal schauen,

welchem unserer Leser überhaupt auffällt, dass wir nicht zu

Hause unterwegs sind.«

Unser Konvoi stoppt. Neben uns liegt ein See – aber auch vor

uns, da, wo eigentlich unsere Straße weiterführen sollte. Paul

Nicholson kommt durch den Regen zu unserem Auto gestapft.

Er grinst. »Die Straße ist zwar unter Wasser gesetzt, aber wir

werden da jetzt durchfahren.« Seit 20 Jahren arbeitet Nicholson

als Motivator, Instruktor, Organisator und Guide für

Touren durch die neuseeländischen Berge. Zudem besitzt er

diverse Zertifikate und zwölf Jahre Erfahrung im Bereich

neuro-linguistischer Programmierung. Würde er mir erzählen,

dass ich auch übers Wasser gehen kann, ich würde es glatt

auf einen Versuch ankommen lassen. Einzig um meine

Chucks würde ich mir Sorgen machen.

In kontrolliertem Tempo rollen wir los. Vollautomatischen

Allrad zuschalten, und ab dafür. Mit einer ordentlichen Bugwelle

teilen wir das Meer vor uns. Halleluja! Zwei Jungs auf

einem Motorboot schauen neugierig vorbei, winken kurz rüber

und drehen wieder ab. Sicher erreichen wir das andere »Ufer«.

Bald biegen wir rechts ab, es geht hinein ins Gelände.

Programmpunkt: Schotterpiste mit Wasserpfützen. Der

immer gleiche Effekt: Sobald man mit einer angemessenen bis

etwas zu hohen Geschwindigkeit durch eine Wasserpfütze

prescht, spritzt das Wasser so hoch, dass die Windschutzscheibe

vollständig eingedeckt wird. Und obwohl ich weiß,

dass ich wirklich nichts vor mir habe, gehe ich reflexartig vom

Gas. Blindflug im Jeep – für das zarte Gemüt eines Wehrdienstverweigerers

dann doch eine Nummer zu hart. Links

am Hang ist über Nacht ein Felsbrocken so groß wie ein Parkhaus

den Berg hinabgerutscht. Er liegt nur knapp hundert

Meter von unserem Weg entfernt und hat eine erdfarbene

Schneise in den grünen Hang gerissen, die wie eine offene

Schnittverletzung »blutet«. Wenn uns ein solcher Brocken

trifft, hilft auch kein Allrad oder Überrollkäfig mehr. Dann

war’s das. Demut macht sich breit. Doch schon wartet die

nächste Pfütze.

Kurz darauf ein improvisierter Kaffeestopp. Fachsimpelei

unter Kollegen. Einig ist man sich vor allem in einem Punkt:

Kein anderer Hersteller wäre unter diesen Bedingungen losgefahren.

Das könne nur Jeep machen. Einer wirft zumindest

ein, dass man es mit einem Toyota Hilux hätte versuchen

können. Mein rechter Schuh ist vollends nass, die Sohle nicht

mehr ordentlich verklebt. Ein amerikanischer Kollege schaut

mich etwas vorwurfsvoll an: »Du gehst wohl auch mit ’nem

Löffel zur Schießerei.« Kurz überlege ich, ob das ein guter

Zeitpunkt ist, meine pazifistischen Grundwerte gegenüber

einem Amerikaner klarzustellen, lasse es dann aber. Im

Grunde hat er ja Recht. »Ich bin ein Lifestyler«, antworte ich und

zucke mit den Schultern. Der Ami lacht. Man muss dazu sagen,

dass »Lifestyler« als Schimpfwort gilt unter automobilen Fachjournalisten.

Der Begriff bezeichnet eine Kollegenkaste, die sich

im Dunstkreis von Influencern vor allem darauf konzentriert,

dass die Schuhe zum Gürtel beziehungsweise zum Leder der

Sitze passen. Wirkliche Fachkompetenz wird den wenigsten



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Higgledy Piggledy Waterproof

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Jeep Gladiator Rubicon (US-Spezifikation)

MOTOR

3,6-Liter-V6 Pentastar

HUBRAUM

3.604 ccm

LEISTUNG

284 PS (209 kW) bei 6.400 U/min

DREHMOMENT 353 Nm bei 4.400 U/min

0 – 100 KM / H k.A.

VMAX

k.A.



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Higgledy Piggledy Waterproof

97

zugesprochen. Und da mir diese offen gesagt vor allem bei echten

Off roadern fehlt, kehre ich Zurückhaltung heraus. Ich lerne:

Der Gladiator hat einen zusätzlichen Wählhebel in der Mitte, auf

dem man zwischen 2H, 4H Auto, 4H Part Time und 4L wählen

kann. Man wählt damit die Kraftverteilung und die Getriebeuntersetzung.

Die »4« steht grundsätzlich für Vierradantrieb, die

»2« für Heckantrieb, den nutzt man auf ebener, trockener Straße,

um Sprit zu sparen. »H« heißt Getriebeübersetzung High für die

Straße, »L« heißt Low fürs Gelände und lässt den Motor bei niedriger

Geschwindigkeit höher drehen, was höheres Drehmoment

bringt, damit alle erdenklichen Offroad-Herausforderungen

gemeistert werden können. »4H Auto« schließlich schaltet den

vollautomatischen Vierradantrieb, »4H Part Time« den starren

Durchtrieb zu allen Rädern gleichzeitig. »4L« ist also die Wunderwaffe

für anspruchsvollste Gebiete. Wenn zum Beispiel über

Nacht aus einem kleinen Rinnsal ein stattlicher Fluss geworden

ist, der über gut zehn Meter Länge einen kompletten Weg weggespült

hat. Aber so viel Glück muss einer erst mal haben.

Ich stehe mit meinem Kaffee neben Nicholson. Er sagt mir, ich

solle unbedingt noch einen der Cookies probieren, die habe

seine Tochter selbst gebacken. Natürlich nehme ich einen. Der

Keks ist sehr amerikanisch, zuckersüß. Nicholson erzählt ein

wenig davon, was wir als Nächstes vorhaben. Zusammengefasst

sagt er: Alles, was wir bisher gemacht haben, war Kindergarten.

Ich halte mich an meinem Keks fest.

Der Gladiator vermittelt dem Fahrer kein Gefühl von »Lehn’

dich zurück, ich mach das schon« – vielmehr bekommt man

etwas, das heutzutage selten geworden ist: das Gefühl, dass

du am Steuer wieder der Chef bist und das Auto zwar alles

kann, aber eben nur, wenn du es auch kannst. Wir meistern

jedes Hindernis. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass

die meiste Zeit mein englischer Kollege Matt am Steuer sitzt.

Der ist ein echter Offroad-Fachjournalist und am Ende des

Tages zufrieden: »Alleine dafür hat sich die Reise gelohnt!«

Nachtrag: Meine Converse haben es leider nicht überlebt. Ich

musste sie am anderen Ende der Welt in einem Mülleimer

zurücklassen und habe mir noch am selben Tag in einem

Laden gegenüber von unserem Hotel ein Paar neue Schuhe

besorgt.

Zusammengefasst sagt er:

Alles, was wir bisher gemacht

haben, war Kindergarten. Ich

halte mich an meinem Keks fest.

Wir fahren weiter und halten schon kurz darauf wieder an.

Und siehe da: Über Nacht ist ein kleiner Rinnsal zu einem

stattlichen Fluss angewachsen und hat über eine Länge von

gut zehn Metern den kompletten Weg weggespült. Wieder

kommt Nicholson ans Fenster. »Wir checken den Durchlauf

und werden grobe Felsbrocken beseitigen. Dann fahren wir

weiter ... Ach ja, jetzt schalten wir in 4L.« Ja, da schau an! Im

wahrsten Sinne des Wortes. Denn mit Augen zu und durch

geht in diesem Gelände gar nichts mehr. Es rauscht der Fluss,

es kratzt der Stein, die Un ebenheiten der Natur rütteln heftig

an Karosse und Körper. Und der Jeep kriecht langsam durch

den Fluss.

Danach geht es rein ins eigentliche Offroad-Gelände. Ab hier

ist alles nur noch Klettern, Kraxeln, Waten; natürlich in 4L.



2

© CBS Photo Archive/GettyImages

Hallo

Überraschung!



100 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy

101

Siegerehrung

Zu Recht wurde dieses Jahr »Le Mans 66 – Gegen jede Chance«

mehrfach für den Oscar nominiert. Dennoch würden wir gern einen

Zusatz-Oscar in der Kategorie »Beste Sonnenbrille« vergeben. Der

Gewinner: Entourage of 7’s Beacon 1020. Die trug Matt Damon in

dem Film und verwandelte sich so endgültig in den Autonarr Carrol

Shelby an der Seite von Christian Bale.

→ eof7.com

Funkverkehr

Video mag vielleicht die Radio-Stars

gekillt haben, aber mitnichten das

Radio. Das bewahrheitet sich, wenn man

sich das Eames Radio anguckt. Dem

Originaldesign von Charles & Ray Eames

aus dem Jahr 1946 nachempfunden,

steckt es voll moderner Technik wie

DAB/DAB+-Tuner, Bluetooth oder

FM-Tuner mit RDS. Auf 999 Stück

limitiert.

→ vitra.com

Steckspiel

Werkzeug hat den unangenehmen

Nebeneffekt, dass es meist in der

Garage liegt, während man es doch grad

mitten auf dem Radweg bräuchte, weil

eine Nabe locker ist. Das M.250

Multitool von Tactica löst dieses

Problem. So groß wie ein Handteller,

birgt es zwölf der am häufigsten

gebrauchten Bits in sich, die sich

einfach rausnehmen und an der Vorderseite

aufstecken lassen.

→ tacticagear.com

Rollator

Sollten Sie glauben, dass Crowdfunding nicht

funktioniert, dann sehen Sie hier den

Gegenbeweis: Als Kickstarter-Projekt

gestartet, ist Rollogo mittlerweile der

Geheimtipp unter Kofferträgern. Denn der

Trolley sieht nicht nur stylisch aus, er

erzeugt auch über seine Rollen Energie, mit

der Sie Smartphone oder Notebook laden

können. Dann ergeben auch die Wege am

Frankfurter Flughafen endlich mal Sinn.

→ rollogo.com

Gleichberechtigung

Die Zeitschrift (wobei Buch eigentlich das trefferende

Wort wäre) »Modern Huntsman« ist das Aushänge-Blatt

des intellektuellen Jägers und Naturfreunds. Die Macher

überraschten nun ihre Leserschaft mit der vierten

Ausgabe, die sie als reines Frauenheft konzipierten.

Und bevor gelästert wird: Die Ausgabe ist ein Paradebeispiel,

wie man so was macht. Besser geht’s nicht.

→ modernhuntsman.com

Weckruf

Short Cuts – 02

Text Martin Trockner

Kraut und Rüben, die zweite: Diese schönen Sachen

dürfen durchaus wahllos in der Wohnung verteilt werden.

»Der Kaffee ist fertig, klingt das net

unheimlich zärtlich«, sang 1980 der österreichische

Liedermacher Peter Kornelius. Selten

war ein Songtext irreführender, denn wie

jeder weiß, sind morgens meist die Bohnen

alle oder der Wassertank ist leer oder der

Satzbehälter voll. Einzig passend zu dem Song

ist der Bariseur Tea & Coffee-Wecker, der

einen morgens mit frischem Kaffee weckt –

oder mit Tee.

→ joyresolve.com



Higgledy Piggledy

103

Das Taycan-Lächeln

Die Wahrheit liegt im Lächeln, müsste es eigentlich heißen.

Denn ein ehrliches Lächeln lässt sich nur schwer imitieren.

Dass einem ein Porsche beim Fahren genau so ein Lächeln

ins Gesicht zaubert, gehört seit jeher zur Basisausstattung.

Ein kurzweilige Ausfahrt in Richtung GP Ice Race im

neuen rein elektrischen Taycan klärt somit rasch auf, über

die Dinge, die sich ändern, und die Dinge, die immer bleiben

werden.

Text

Matthias Mederer

© Andrea Klainguti / Classic Driver

Ein »Pan Am Smile« war einst ein geläufiger Begriff für ein

künstliches, falsches Lächeln. Er ging zurück auf die amerikanische

Fluglinie »Pan American World Airways«, die ihren

Stewardessen ein ständiges Lächeln abverlangte, schließlich

sollte sich der Fluggast willkommen fühlen. Leider war den

Stewardessen im Berufsalltag nicht immer zum Lächeln

zumute, und das sah man ihnen schnell an. Das menschliche

Lächeln ist ein äußerst komplexer Gesichtsausdruck, bei dem

sehr viele Muskelpartien im Gesicht aktiv werden müssen. Wer

nicht fühlt, was er lächelt, dem sieht man das oft direkt an. Das

Fühlen macht die Wahrheit aus. Und fühlen werden wir einiges

an diesem Wochenende. Und lächeln. Wahrhaftig lächeln.

Wir sind in München, Roomers Hotel, einen entspannten

Spaziergang von der weltberühmten Theresienwiese entfernt,

die ja eigentlich gar keine Wiese mehr ist, sondern ein Platz,

zum größten Teil geteert. Die Köpfe hinter den Roomers Hotels

heißen Micky Rosen und Alex Urseanu. Die Branchen-Exper ten

der Auszeichnung »Hoteliers des Jahres 2018« beschrieben die

beiden einst als Macher, die »zeigen, wie Luxus modern interpretiert

werden kann, ohne dabei die Leichtigkeit des Seins aus

dem Auge zu verlieren«. In der Lobby, direkt neben dem

Eingang, steht ein Custom-Motorrad, vintage und klassisch

benzinbefeuert. Darüber wollen wir aber großzügig hin wegsehen.

Uns erwartet ein elektrifizierendes Wochenende.

Zusammen mit ein paar Kunden, Fotografen, Journalisten und

einem Schauspieler wollen wir uns mit dem neuen Porsche

Taycan auf den Weg nach Österreich zum GP Ice Race in Zell

am See machen. Die Strecke selbst steht für einen typischen

Wochenendtrip, wie ihn die Münchner gern als Alltagsflucht

betreiben: zum Skifahren im Winter, zum Wandern und

Mountainbiken im Sommer. Ein bisschen Autobahn, ein bisschen

Bergstraßen, und schon ist man in gut drei Stunden am

Ziel. Der Taycan sollte das mit seiner realistischen Reichweite

ohne zwischenzeitliches Aufladen schaffen. Eines vorneweg:

Er hat es geschafft. Relativ locker sogar.

An dieser Stelle nur fürs Protokoll: Der Taycan hat einen tiefer

liegenden Schwerpunkt als der 911 – dank der im Fahrzeugboden

verbauten Batterien. Gefühlsecht in den Kurven, sozusagen.

Dann der Geradeauslauf! Rund 28 Meter Strecke macht

der Taycan in den ersten 2,5 Sekunden, das schafft so mancher

Besitzer wahrscheinlich in seiner Hofeinfahrt. Empfehlenswert

ist ein solcher Wahnsinn natürlich nicht. Und nur zum Vergleich:

Der Plug-in-Hybrid-Über-Porsche 918 Spyder schafft in dieser



104 Hallo Überraschung! ramp #49

© Matthias Mederer ∙ ramp.pictures

Zeit gut zwei Meter weniger. Über hoch emotionale Gesichtsausdrücke,

gar Tränen der Ergriffenheit beim Beschleunigen hat

sich der Hobby-Philosoph Walter Röhrl ja schon vor Jahren

intensiv Gedanken gemacht. Der Taycan übertrifft das. Bei

ihm fließen die Tränen nicht waagerecht nach hinten ab, der

Taycan zieht dir beim Beschleunigen die Falten glatt. Unser

»Jungbrunnen« ist ein kleiner Flugplatz. Die Landebahn ist

reserviert, ausschließlich für den Tiefieger Taycan. Ein paar

Mal unter Volllast mit Launch Control von null auf hundert,

und wir sehen alle glatt drei bis fünf Jahre jünger aus. In der

Botox-Industrie machen sich erste Sorgenfalten breit. Hört

man. Das Faszinierende an der E-Mobilität made in Zuffenhausen

ist die millisekundenschnelle Ansteuerung jedes

einzelnen Rades, die in der Form bei einem Verbrenner nicht

möglich ist. Wie ein Spürhund erschnüffelt sich jedes der vier

Räder selbstständig so viel Grip, wie es nur finden kann, und

schiebt den Taycan nach vorne. Die Bedingungen sind beinahe

egal. Der Taycan Turbo S braucht bei Regen nur ein Zehntel

länger von null auf hundert als bei idealen trockenen Bedingungen.

Auch eine neue Form der Effizienz. Irgendwie.

Es braucht schon eine äußerst zähe Blockabfertigung an einem

Tunnel in Österreich, um einem das Dauergrinsen im Taycan

wieder aus dem Gesicht zu wischen. Für Abwechslung sorgt ein

Fan. Er fährt Seat, steht zwei Wagen hinter unserem Konvoi.

»Ist das der neue Taycan?« Seine Begeisterung kennt kaum

Grenzen. Er ist ganz aus dem Häuschen. Outet sich als selbsternannter

»größter Porsche Fan überhaupt«. Den Taycan findet er

»sensationell«. Und das, was er über die Performance gelesen

und gesehen habe, sei ja schier unglaublich. Der Fan turnt dann

noch eine ganze Weile überglücklich vor Porsche Freude um uns

herum. Wir wiederum freuen uns über den Taycan. Der Allradantrieb

nimmt einem die Angst vor jedem einsetzenden Schneegestöber

auf der Berg straße. Man fühlt sich intuitiv sicher.

Keine schlechte Einstimmung, wenn man Richtung GP Ice Race

unterwegs ist. Denn auf dem 600 Meter langen Schnee-

Parcours schlittern und driften die Fahrzeuge ein Wochenende

lang über eine 40 cm dicke Eisschicht. Motorsport-Action

»on the rocks«. Und wir dann mittendrin im Highspeed-

Schnee-und-Eis-Spektakel. Enthusiasten unter sich.

Richtig Spaß bereitet dann auf unserem Weg dahin ein abgesperrtes

Testgelände in Österreich. Schneebedeckte Strecken,

Driften im E-Auto lautet die Disziplin. Und Driften mit einem

Allrad. Wir erinnern uns wieder an Walter Röhrl. Als der für

die »Monte« 1984 vom extremen Hecktriebler Lancia 037 in

den Audi quattro umstieg, benötigte auch der Meister einige

Tage, um sich an den Zug von vorn zu gewöhnen. Aber dann

schenkte er den skandinavischen Quattro-Assen Stig Blomqvist

und Hannu Mikkola nicht Sekunden, sondern Minuten

ein. Welche Erkenntnis ziehen wir daraus? Man kann alles

lernen. Einzig die Lernkurve verläuft halt beim einen so, beim

anderen so. Und bei uns? Na ja, sie ist direkt nach unseren

Witzen wahrscheinlich das Flachste hier in den Bergen, wobei

es uns der Taycan einfach macht. Die Dosierbarkeit der Kraft

ist weitaus präziser als bei einem Verbrenner steuerbar – und

das Grip niveau ist besser. Entsprechend hervorragend sind

die Ergebnisse beim reinen Geradeaus-Beschleunigen:

»Zackenbatz!« Das geht dann mal richtig voran.

© Vince Perraud

© Frank Kayser

Doch dann sind da ja noch die Kurven. Und beim Bremsen lässt

sich das Gewicht von 2,3 Tonnen nicht wegentwickeln. Masse

bleibt Masse. Dem Taycan wohnt aber jederzeit eine Leichtigkeit

inne. Es ist eine neue Form der Leichtigkeit, die mehr ein

Zusammenspiel ist aus den Prozessen der Bewegung ganz allgemein:

Beschleunigen, Lenken, Bremsen, es auch mal laufen

lassen, all diese Dinge spielt der Taycan mit einer – geräuscharmer

E-Antrieb hin oder her – gelassenen Ruhe ab, die

spürbar auf das zentrale Nervensystem des Fahrers wirkt.

Wellness beim Gegenlenken, sozusagen.

Und die wahre Kunst beim Allraddriften besteht ja ohnehin

gerade darin, nicht zu lenken. Im Idealfall steht das Lenkrad

nämlich auf zwölf Uhr, während das Fahrzeug quersteht, oder

besser: schiebt und zieht. Alles fein gesteuert über den rechten

Fuß; der linke ruht bei den großen Meistern auf dem

Bremspedal, und hier und da setzt er einen kurzen, aber

bestimmten Impuls, um zu verhindern, was keiner will: das

hämische Grinsen der anderen, während es dich eindreht und

der Taycan sich rückwärts in der Schneebande eingräbt. Es ist

ein im wahrsten Sinne unerhörter Spaß, so mühe- und

ansatzlos über den losen Untergrund zu rutschen. Völlig

geräusch los läuft es dann aber doch nicht ab. Da ist das Scharren

der Reifen über Schnee und Eis, und es gibt den aufpreispflichtigen

Sound, den man auch abschalten könnte. Tatsächlich aber

hilft der bei der Dosierung. Es sind wohl alte Instinkte, die da

bedient werden. Darüber hinaus erinnert der Sound ein bisschen

an den Warp-Antrieb vom Raumschiff Enterprise. Innerlich

ist man also schon mal direkt auf interstellares Raumfahrtabenteuer

vorbereitet. Also, um es mit den Worten von

Captain Kirk zu sagen: »Volle Schubkraft voraus!«

Zum Vergleich stehen auch noch ein paar – darf man das

sagen? – konventionelle Porsche bereit: ein paar 911, heck- und

allradgetrieben, ein GT3 RS, ein GT2 RS und ein 718 GT4,

handgerissen. Freilich ist das eine akustische Wollust, wenn

so ein GT3 RS seinen Sauger Richtung 9.000 Umdrehungen

jagt, aber es verlangt eben auch jede Menge Talent und

Konzentration, um damit scharf um die Ecken zu driften. Da

verspannt der Gesichtsausdruck beim ein oder anderen dann

schon mal, vor allem, wenn es dich zum dritten Mal in der

gleichen Kurve eindreht. Sound hin, Sound her.

Später am Abend dann, in einer bestens gelaunten Runde,

diskutieren wir darüber, ob uns die Evolution diesen Instinkt,

auf den Motorensound zu reagieren, jemals vollends

austreiben wird. Einigkeit herrscht keine. Porsche betont,

dass der Sound aus den natürlichen Prozessen des E-Antriebs

generiert werde, also technisch gesehen tatsächlich echt ist.

Genau wie das Lächeln aller Beteiligten über dieses Wochenende

hinweg.



106 Hallo Überraschung! ramp #49 Higgledy Piggledy

Das Taycan-Lächeln

107

© Andrea Klainguti



Higgledy Piggledy

Das Taycan-Lächeln

109

© Andrea Klainguti

Porsche Taycan Turbo

MOTOR

Permanenterregte Synchronmaschine an Vorder- und Hinterachse

LEISTUNG

680 PS (500 kW) bei Launch Control mit Overboost

DREHMOMENT 850 Nm bei Launch Control mit Overboost

0–100 KM/H ca. 3,2 s bei Launch Control

VMAX

260 km/h

Und die wahre Kunst beim

Allraddriften besteht ja

ohnehin gerade darin, nicht zu

lenken. Im Idealfall steht das

Lenkrad auf zwölf Uhr,

während das Fahrzeug quersteht,

oder besser: schiebt

und zieht.



© Frank Kayser



Higgledy Piggledy

113

Kings of Cool

Text

Natalie Diedrichs

Fotos

Keno Zache

Früher stellte man ein Auto auf

einer Messe aus, um seine Marke

zu präsentieren. Tja. Das GP Ice

Race in Zell am See beweist nach

nur zwei Jahren, dass eine neue

Ära beginnt – die definitiv mehr

Spaß macht.

Dichte Nebelschwaden wabern über der österreichischen

Kleinstadt Zell am See. Wegen fast

frühlingshafter Temperaturen Ende Januar

müssen Schneemaschinen nachhelfen, um den

Flugplatz südlich der Stadt mit dem nötigen

Bodenbelag zu präparieren. Später soll auch noch

Nieselregen einsetzen. Die Voraussetzungen,

unter denen die zweite Auflage des GP Ice Race

stattfindet, klingen zunächst alles andere als

ideal. Und trotzdem sprengt das Event, das in den

Siebzigern eingestellt und 2019 von Ferdi Porsche

neu belebt wurde, mal wieder sämtliche Rekorde:

mehr als 16.000 Zuschauer in eineinhalb Tagen,

über 150 Teilnehmer, die in acht verschiedenen

Wettbewerbsklassen gegen ein ander antreten,

und dazu die Crème de la Crème der automobilen

Influencer-Szene. Sie sorgt dafür, dass die sozialen

Medien während dieses Wochenendes heißlaufen

und auch alle, die nicht vor Ort sind, in

Echtzeit miterleben, welche Gaudi gerade in

Österreich abgeht.

»Ein Szenetreff, der selbst die europäischen Automessen

in den Schatten stellt«, schreibt der

»Stern« später. Absolut richtig. Denn während

man sich andernorts den Kopf darüber zerbricht,

ob eine örtliche Verlagerung der IAA den seit

Jahren einbrechenden Besucherzahlen entgegenwirken

könnte, denken die Initiatoren des GP Ice

Race den nötigen Schritt weiter: Die Idee, Autos

einfach irgendwo hinzustellen, ist überholt – da

spielt es keine Rolle, ob sie nun in München oder

Berlin vor sich hinfunkeln. Experten sind sich

einig: Marken müssen heutzutage Erlebnisse

bieten, wenn sie eine effektiv-positive Beziehung

zu ihren Kunden aufbauen wollen. Und das

wollen sie, denn nur so verkaufen sie Autos. Es

gilt also, Lebenswelten zu schaffen, zum Mitmachen

anzuregen, gemeinsam eine gute Zeit zu

haben. Und dabei ihre Botschaften und Markenwerte

zu vermitteln.



114 Hallo Überraschung!

ramp #49

Higgledy Piggledy

Kings of Cool

115

»Ein Szenetreff, der selbst

die europäischen Automessen

in den Schatten

stellt.«

»Stern«

Das GP Ice Race in Zell am See ist dafür ein Paradebeispiel.

Während namhafte Rennfahrer-Prominenz

wie Hans-Joachim »Strietzel« Stuck,

Tanner Foust, Stig Blomqvist und Michael

Stoschek ein PS-starkes Schmuckstück nach dem

anderen übers Eis scheucht, ist gleichzeitig auch

die Zukunft ein Thema. Denn natürlich dreht

auch der neue Porsche Taycan seine Pirouetten

auf dem Eis, Volkswagen hat ebenfalls das

Konzept eines rein elektrisch angetriebenen

Sport-Golf mitgebracht. Neue Antriebe teilen sich

die Bühne mit klassischen Hochkarätern wie

einem 911 2.7 RS oder einem 550 Spyder, und

auch völlig markenfremde Exemplare wie ein

Alfa Romeo 8C 2900, ein BMW 700 oder ein

Lancia Stratos Gruppe 4 mischen mit.

So bleiben am Ende nicht die Nebelschwaden oder

der Nieselregen in Erinnerung, sondern die

Benzingespräche, die tollen Autos, die gute Zeit.

Und die erlebt man nun mal nicht in tageslichtbefreiten

Messehallen, sondern in Goodwood,

Pebble Beach oder wo auch immer die Jungs von

»Luftgekühlt« ihre legendären Porsche Treffen

ausrichten. Die waren dieses Mal übrigens auch

in Zell am See vor Ort. Zurück in Kalifornien

pappte Luftgekühlt-Mitorganisator Jeff Zwart

erst mal einen Aufkleber vom GP Ice Race auf

seinen Porsche und resümierte bei Instagram:

»Great memories of a great event.«



116 ramp #49

Higgledy Piggledy

117

Interview

Matthias Mederer,

Nadine Hanfstein

Fotos

Keno Zache

»Es gibt keinen

Plan B«

Aksel Lund Svindal will

als einer der erfolgreichsten

Skirennläufer

eigentlich nur durch

Kurven fahren. Und

zwar schnell. Langstrecken-Weltmeister

Neel

Jani nickt, meint damit

aber nicht den Reiz am

Skirennlauf, sondern

den am Motorsport. Im

Rahmen des GP Ice

Race in Zell am See

sprachen wir mit den

beiden über Präzision,

Heldengeschichten und

die Relevanz von Fernsehbildern.

»Ziel des Sports muss es

sein, Heldengeschichten zu

schreiben. Das geht nur,

wenn jemand nach einem

Unfall wieder aufstehen und

siegen kann.«

Was macht die Faszination an der Sportart des

jeweils anderen aus?

Aksel Lund Svindal: Wo soll man da anfangen?

Beim Skifahren ist es zunächst mal die Ausrüstung,

die relativ einfach ist, um eine Piste hinunterzufahren.

Trotzdem glaube ich nicht, dass wir

mit einem Motor schneller wären. Das Schöne ist,

dass man eigentlich nur Kurven fahren will.

Schnell geradeaus können sie alle. Aber schnell

durch Kurven und über Wellen fahren, das macht

den Reiz aus. Denn man kann nicht nur den Speed

mit in eine Kurve nehmen, teilweise kann man

sogar noch mehr Speed aus einer Kurve herausholen.

Die Kurven machen für mich auch das Besondere

am Motorsport oder ganz generell beim

Autofahren aus. Drag Racing, also stur geradeaus,

ist für mich nicht interessant.

Neel Jani: Das ist auch das Spannende für mich an

beiden Sportarten. Es geht immer um das Finden

der Linie, und die ergibt sich schlussendlich aus

Geschwindigkeit und G-Kräften. Eigentlich ließe

sich die perfekte Linie sogar berechnen, man hat

nur in beiden Fällen nicht die Zeit dazu. Man muss

das im Gefühl haben. Das ist etwas, was sich

natürlich über die Jahre entwickelt, beim Skifahren

wie im Rennauto. Es sind sogar die gleichen

Fragen, die wir uns stellen: Wann und wie viel

bremse ich? Wann lenke ich ein? Wann lasse ich

laufen? Wann mache ich die Lenkung wieder auf,

beziehungsweise wann stelle ich die Skier wieder

talwärts?

Es geht also um Präzision am Limit unter enormem

Zeitdruck?

Jani: So in der Art. Die Vorbereitung spielt eine

große Rolle. Vor einem Rennen besichtigen wir

immer die Strecke, sehen uns jede Kurve sowohl

vom Eingang als auch vom Ausgang an.

Svindal: Und obwohl es im Rennen dann sehr

schnell geht und man sehr schnelle Entscheidungen

treffen muss, sieht man die Linie irgendwie.

Selbst im Schnee, wo alles weiß ist. Mental bist du

immer ein gutes Stück voraus. Das merkst du vor

allem dann, wenn etwas Unvorhergesehenes,

wenn ein Fehler passiert, wenn du zum Beispiel

stürzt.

Jani: Ist im Rennauto ganz genauso. Passiert ein

Unfall oder verlierst du das Auto, bist du im ersten

Moment überrascht, denn im Kopf bist du längst

fertig mit der Kurve.

Dennoch gibt es immer wieder unvorhergesehene

Dinge. Wie viel Improvisation braucht ein guter

Racer?

Svindal: Es gibt einen Plan A, aber keinen Plan B.

Ziel ist es, stets so schnell wie möglich auf Plan A

zurückzukommen. Kleinigkeiten passieren immer.

Bremsen und zurück auf A ist eigentlich keine

Option.

Jani: Du lebst im Grunde die vorausschauende

Antizipation, zu achtzig, neunzig Prozent funktioniert

das. Zehn bis fünfzehn Prozent sind Improvisation,

weil alles immer in Bewegung und rasend

schnell ist. Im wahrsten Sinne des Wortes.



118 Hallo Überraschung! ramp #49 Higgledy Piggledy

Es gibt keinen Plan B

119

Wobei es beim Skifahren meistens nur einen oder

zwei Läufe gibt. Im Rennsport gibt es viele Runden,

in denen die Strecke ja immer die gleiche ist.

Jani: Stimmt nicht ganz. Die Strecke ändert sich

von Runde zu Runde. Meistens wird sie schneller.

In der Formel E kann das extrem sein, da es sich

um einen improvisierten Stadtkurs handelt. Das

Grip-Niveau steigt von Runde zu Runde. Am Ende

eines Tages kann so ein Kurs plötzlich dreißig

Sekunden schneller sein, wie in Saudi-Arabien

zum Beispiel. Wobei das schon extrem ist.

Wie viel Erfahrung hat der Skirennfahrer Aksel Lund

Svindal im Auto auf der Rennstrecke?

Svindal: Wenig. Ich bin viele Kilometer Auto

gefahren, aber nur wenig auf der Rennstrecke.

Wenn ich allerdings mit Freunden auf die

Rennstrecke gehe, spüre ich schon, dass ich im

Vergleich zu denen, die keinen Sport treiben,

schneller lerne.

Jani: Weil das Gefühl da ist.

Svindal: Richtig, vor allem das Gefühl für die

schnelle Linie. Lenkrad, Gas, Bremse haben wir

beim Skifahren natürlich nicht, also in diesem

Bereich muss ich schon immer viel lernen, aber

das Gespür für die Linie habe ich im Blut.

Jani: Du warst zwei Mal in Le Mans, stimmt das?

Svindal: Richtig. Und ich bin permanent an der

Rennstrecke geblieben und habe während der 24

Stunden vielleicht rund eine Stunde geschlafen.

Ich war bei vielen Formel 1-Rennen, aber Le Mans

ist schon noch mal etwas ganz Besonderes.

Der Kampf auf der Strecke, mit den Gegnern, der

Tempounterschied zwischen den Prototypen und

den GT-Fahrzeugen. Das sind natürlich Dinge, die

wir beim Skifahren nicht haben.

Was macht diese Ereignisse für Zuschauer nach wie

vor so faszinierend?

Svindal: Ich glaube, es sind die Geschichten.

Sowohl Le Mans als auch Kitzbühel – um diese

Beispiele zu nennen – sind extrem traditionsreiche

Rennen, und in dieser langen Zeit passieren

natürlich wahnsinnig viele Geschichten – auch

Heldengeschichten. Die Rennen, die hier stattgefunden

haben, sind voll von Dramen und unglaublichen

Siegen.

Jani: Die Menschen kennen diese Rennstrecken.

Wenn du den Menschen etwas vom FIS-Weltcup

oder von der LMP1 erzählst, fragen viele: »Wie

bitte?« Aber wenn du ihnen von Le Mans oder Kitzbühel

erzählst, wissen sie sofort, was gemeint ist.

Was macht den Helden zum Helden?

Jani an Svindal: Wann bist Du in Kitzbühel

gestürzt?

Svindal: Im Ziel?

Jani: Ja.

Svindal: 2016.

Jani: Bei den Skifahrern gibt es diese spektakulären

Stürze. Das sieht manchmal brutal aus. Aber die

Skifahrer stehen oftmals wieder auf, winken in die

Kamera. Für die Zuschauer ist das ein psychologischer

Wow-Effekt. Die Pisten provozieren diese

Fehler. Aber genau dieses Stellen der Gefahr, das

Wiederaufstehen, das macht den Helden aus.

Svindal: Es ist der Umgang mit Fehlschlägen. Es ist

gefährlich. Immer wieder gibt es Unfälle mit kaputten

Knien. Und im schlimmsten Fall stirbt jemand.

Der Held ist also nur möglich beim Auge-in-Auge mit

dem Tod?

Jani: Es gehört irgendwie zusammen.

Svindal: Das Wichtigste ist, dass ich nach einem

Unfall nicht einfach sage »Shit happens!« und

weitermache. Ich muss analysieren, warum es

passiert ist. Ziel des Sports muss es sein, Heldengeschichten

zu schreiben. Das geht nur, wenn

jemand nach einem Unfall, Rückschlag wieder

aufstehen, zurückkommen und siegen kann.

Jani: Der Sturz von Hermann Maier in Nagano

1998 ist ein gutes Beispiel.

Svindal: Und da siehst du auch, wie wichtig Fernsehbilder

sind. Der Sturz war eigentlich nicht so

schlimm, sah aber extrem spektakulär aus. Die

Kamera stand seitlich. Hermann kam aus der

Kurve, flog quer über den Bildschirm, ist aber im

Schnee gelandet. Und es gibt Stürze, die sehen

weit weniger spektakulär aus, haben aber größere

Konsequenzen. Wenn jemand mit dem Hubschrauber

abgeholt wird, ist das nicht gut für den

Sport. Dann gibt es keinen Helden. Das Beste ist

genau so ein Sturz wie der von Hermann. Die

Zuschauer sehen sofort, er lebt noch, er bewegt

sich, und nach ein paar Tagen kommt er spektakulär

mit einem Sieg zurück. Das ist es, was wir

brauchen.

Warum brauchen wir das?

Jani: Ich glaube, es geht darum, etwas zu sehen,

was nicht jeder kann. Nicht jeder von uns kann die

Streif in Kitzbühel so fahren wie die Abfahrer.

Und kaum jemand kann Le Mans im Renntrimm

über 24 Stunden fahren. Und auch die paar wenigen,

die es können, müssen voll ans Limit gehen.



120 Hallo Überraschung!

Eine

Frage der

Präzision

Text

Jana Doe

Fotos

Michael Wendler

Dürfen wir kurz penibel werden?

In diesem Fall geht es nämlich

um Kendō, die modernisierte

Fechtkunst der japanischen

Samurai. Kendō steht für

Entschlossenheit, moralische

Stärke – und Geschwindigkeit.

Was auch den Audi RS 7 Sportback

erklären könnte, der in

dieser Geschichte vorkommt.



122 Hallo Überraschung!

»Die schnellsten Männer können nur geschlagen werden,

wenn man die Distanz mit einer unmerklichen Bewegung

überwindet.« Der Satz stammt von einem sehr erfolgreichen

Kendōka. Und er beschreibt nur einen Bruchteil dessen, was

die Faszination des erzjapanischen Kampfsports ausmacht,

dessen Wurzeln bis ins neunte Jahrhundert zurückreichen.

Einfach formuliert: Bei Kendō handelt es sich um ein beidhändiges

Stockfechten, bei dem die Kontrahenten Kopf- und

Gesichtsschutz sowie eine Art Samurai-Ausrüstung tragen –

und mit Shinai kämpfen, einem Übungsschwert aus Bambus.

Wobei einige Kendōka Carbon-Shinai bevorzugen, die wesentlich

stabiler und zugleich biegsamer sind. Und schmerzhafter.

Beobachtet man einen Kampf, sieht man zwei Kontrahenten

regungslos gegenüber stehen. Ein Schwert bewegt sich um

einen Millimeter nach rechts. Ein Kämpfer stößt einen

markerschütternden Schrei aus und schlägt mit voller Kraft

auf den Brustkasten des anderen, drängt ihn zurück, springt



124 Hallo Überraschung!

»Die schnellsten Männer

können nur geschlagen

werden, wenn man die

Distanz mit einer

unmerklichen Bewegung

überwindet.«

zur Seite, schlägt noch mal zu, trifft den Kopf. Das Ganze

dauert vielleicht fünfzehn Sekunden. Auf ein unsichtbares

Zeichen hin stehen die Kendōka wieder wie Statuen voreinander.

Kendō erscheint zwar als Sport durch sein Grundmuster

relativ simpel – generell ist die Fußarbeit ein wichtiger

Bestandteil, es gibt vier Trefferzonen: Kopf, Kehle, Handgelenk

und Bauch – aber durch sein Regelwerk und die Begrifflichkeiten

ist Kendō für Europäer schwer zu erfassen (und

führt vermutlich auch zu dem ein oder anderen Fehler in

diesem Text). Sicherlich geht es um Ausdauer, Präzision und

Körperkontrolle – aber vor allem darum, »den menschlichen

Charakter durch Anwendung der Prinzipien des Schwertes zu

schulen«, wie es der 1952 gegründete japanische Dachverband

Zen Nihon Kendō Renmei formulierte. In der Leitlinie von

1975 heißt es: »Die Übung des Kendō hat den Vorsatz, Geist und

Körper zu formen, eine starke Seele zu entwickeln, durch

korrektes und strenges Üben Fortschritt in der Kunst des

Kendō anzustreben, Höflichkeit und Ehre des Menschen zu

achten, mit anderen aufrichtig umzugehen und unaufhörlich

die persönliche Weiterentwicklung zu verfolgen.« Darum ist

Kendō auch keine Frage des Alters: Nur wer den Sport sein

ganzes Leben lang betreibt, kann auf die wahre Meisterschaft

hoffen und den zehnten Dan, den Budo-Olymp, erreichen.

Und während im europäischen Fechtsport das Aufleuchten

einer elektronisch gesteuerten Anzeige Treffer eindeutig

signalisiert, ist die Wertung beim Kendō den Kampfrichtern

überlassen. Beurteilt wird das »Ki-Ken-Thai-Itchi«, die Einheit

von Geist und Körper – und die schließt Zufallstreffer aus. Der

Schlag muss »Tenouchi« haben, vom Körper des Gegners

zurückfedern. Und bei der Ausführung eines »Men«, dem

Hauptschlag gegen den Kopf des Gegners, gibt der Kämpfer ein

lautes »Men« von sich. Dabei handelt es sich um ein »Kiai«, den

Kampfschrei der Kendōka, der notwendig ist, um einen

gültigen Treffer zu erzielen. Der Zen-Meister Deshimaru definierte

den »Kiai« einmal wie folgt: »Ein einziger Schrei, ein

einziger Moment, in dem die ganze Raum-Zeit-Dimension des

Kosmos liegt.«



126

Audi RS 7 Sportback

MOTOR

V8-Biturbo

HUBRAUM

3.996 ccm

LEISTUNG

600 PS (441 kW)

DREHMOMENT 800 Nm bei 2.050 – 4.500 U/min

0 – 100 KM / H ca. 3,6 s

VMAX

250 km/h



Higgledy Piggledy

Creative Space

Fotos

Roman Kuhn

Text

Natalie Diedrichs

Teilchenbeschleuniger

Model

Ruben Batalla

Produktion

Nadine Hanfstein

Elementarphysik,

Teilchenkollision und

die ganz großen

Fragen der Menschheit

– nicht gerade

alltägliche Themen,

aber wir schauen uns

das mal genauer an.

Mit einem CUPRA

Ateca Limited

Edition. Der Flüelapass

wird zur

Versuchsanordnung.

Styling

Elcin Aiser



130 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

131

Windjacke / Moncler

Weste / Quartz Co

Rollkragenpullover / Mr. P

Brille / Moscot

Ein schneller Herzschlag. Schnee, der aufwirbelt. Adrenalin,

das durch die Adern schießt – und ein CUPRA Ateca Limited

Edition, der durch die Winterlandschaft driftet. Beschleunigung

längs und quer, Meter pro Sekunde Quadrat, hier mal an

einem ganz anschaulichen Beispiel verdeutlicht. Eine physikalische

Größe, die glücklich macht. Autofans wissen das,

Adrena linjunkies sowieso. Doch Beschleunigung dient noch

einem wesentlich größeren, essenzielleren Zweck – und das

Wort »essenziell« kommt hier ausnahmsweise mal im richtigen

Zusammenhang zum Einsatz, da es hier wirklich um das

Wesentlichste geht, um den Kern des Ganzen. Mit Beschleunigung

wollen Wissenschaftler Fragen beantworten wie »Wo

kommen wir her?«, »Warum sind wir hier?« und »Was befindet

sich am Rande des Universums?«

Die Europäische Gemeinschaft für Kernforschung (CERN)

baute vor zwölf Jahren einen 27 Kilometer langen Tunnelring

tief in die Erde. Im Large Hadron Collider (LHD) werden Teilchen

auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, um dann

an bestimmten Stellen aufeinanderzuprallen. Die dadurch

freigesetzte Energie entspricht den Bedingungen, die eine

Millionstel-Millionstel-Sekunde nach dem Urknall vor 13,8

Milliarden Jahren herrschten. Experimentalphysiker forschen

am Rande unserer Vorstellungskraft. Sie verbringen jeden Tag

»Durch divergentes Denken

aktivieren Schachspieler

unbewusste Denkprozesse,

die kreative Lösungen

hervorbringen.«

MILAN GUPTA

damit, Erklärungen für Unmögliches zu finden, den nächsten

Schritt in eine Richtung zu gehen, in die vorher noch niemand

gegangen ist.

»Die allgemeingültigen Regeln, wie die Relativitätstheorie,

gelten nicht für Atome. Stellen Sie sich die Kollision im Teilchenbeschleuniger

so vor: Zwei Autos kollidieren, verschwinden,

daraus entwickelt sich plötzlich ein Fahrrad, bevor daraus zwei

Skateboards werden und davonschießen.«, erklärt der

CERN-Forscher und Teilchenphysiker James Beacham. Ve r-

rückt, wie es in unserem Universum zugeht. Und mit welcher

Geschwindigkeit die Dinge ablaufen.



132 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

133

Lederjacke / Sandro

Rollkragenpullover / Saint Laurent

Brille / Givenchy

»Hör nie damit auf, dir die

ganz großen Fragen zu

stellen und traue dich, einen

Schritt weiter zu gehen als

alle anderen.«

JAMES BEACHAM

Der Philosoph Byung-Chul Han spricht von einer »Punktzeit«,

in der wir gerade leben. Als Reaktion auf die fortwährende

Beschleunigung empfinden wir die Zeit als asynchron,

springen von einem Zeitpunkt zum nächsten. Zeit-Hopping

sozusagen. Das Gegenteil davon wäre dann wohl der Flow. Das

Absorbieren des Moments, während man die Zeit, vollkommen

in eine Sache vertieft, nur noch als verschwommene Linie

wahrnimmt, die an einem vorbeifliegt. Beim Autofahren zum

Beispiel. Wenn es nur noch darum geht, im richtigen Moment

Gas zu geben, zu bremsen, einzulenken, den Scheitelpunkt zu

finden und sich aus der Kurve heraustragen zu lassen. Oder

den Drift im Schnee zu halten. Das perfekte Zusammenspiel

aus gezielten Gasstößen und geschmeidigem Gegenlenken, so

wie hier oben auf dem 2.383 Meter hohen Flüelapass in der

Schweiz. Im CUPRA Ateca Limited Edition. Noch so ein

Beschleuniger.

CUPRA steht für Cup Racing und kam ursprünglich als sportliche

Version von SEAT in die Welt. Nach vielen Erfolgen im

Motorsport beschlossen die Petrolheads in Barcelona, CUPRA

zu einer eigenständigen Marke weiterzuentwickeln. Leistungsstark,

natürlich, aber nicht ausschließlich, sondern auch

gut aussehend, komfortabel und mit Premiumanspruch. »Die

zeitgemäße Interpretation von Sportlichkeit.« Also von allem

etwas, so wie heute alles von allem etwas sein muss. Ein Weg,

der Mut erforderte und natürlich auch Kritik auslöste. Man

hätte ja auch alles einfach so belassen können. Stattdessen

aber lebt die Marke ihren Slogan selbst vor: »Create Your Own

Path.« Gemacht für Creators, sagt CUPRA über sich selbst. Für

Macher, die ihren eigenen Weg gehen. Was macht einen

Macher zum Macher? Der Strategie-Coach Milon Gupta hält es

für erfolgversprechend, wenn Menschen die Fähigkeit

besitzen, in größeren Zusammenhängen zu denken, so wie es

Schachspieler während einer Partie tun: »Durch divergentes

Denken aktivieren sie unbewusste Denkprozesse, die kreative

Lösungen hervorbringen«, so Gupta.

Das große Ganze, der weite Blick – funktioniert am besten von

ganz oben. So wie hier auf dem Füelapass. Oder ganz tief unter

der Erde. Im Teilchenbeschleuniger. »Hör nie damit auf, dir

die ganz großen Fragen zu stellen und traue dich, einen Schritt

weiter zu gehen als alle anderen«, sagte James Beacham mal in

einem TED-Talk. Seine Forschung am CERN beschäftigt sich

unter anderem mit Dunkler Materie und der Entdeckung

weiterer unbekannter Teilchen. Große Aufgaben, die Beacham

zufolge ein großes Maß an Neugier erfordern. Auch der

Psychologe William McDougall bezeichnete Neugier als

wichtigsten Kern der Motivation und als Basis für besondere

wissenschaftliche und kulturelle Leistungen der Menschen.

Aber warum sind wir neugierig? Beacham erklärt das so:



Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

135

Pullover / Stone Island

Weste / Quartz Co

Brille / Hugo Boss

»Wenn wir feststellen, dass zwischen dem, was wir wissen,

und dem, was wir beobachten, eine Lücke entsteht, passt das

nicht in unser Weltbild. Mit diesem Zustand sind wir nicht

zufrieden, wir füllen diese Lücke mit Neugier. Ein Feuer im

Bauch, das wir von Natur aus in uns tragen.«

Ein Feuer, das uns antreibt. Neugier und Mut in Verbindung

mit dem größeren Blick auf die Dinge ergeben die perfekte

Kombination für Fortschritt. Und manchmal spielt auch

tatsächlich der Zufall mit rein. Klingt zwar nicht besonders

wissenschaftlich, gilt aber trotzdem als bewiesen: »Der Faktor

Zufall kann seit der Einführung der Quantenphysik nicht

mehr ignoriert werden«, schrieb der Wissenschaftsjournalist

Norbert Lossau einmal, »Zufall führt im Mikrokosmos

tatsächlich Regie. In der Welt der Atome sind einzelne Ereignisse

grundsätzlich nicht mehr präzise vorhersagbar.«

Womit wir wieder bei den Lücken wären, die es zu schließen

gilt. Eine Herausforderung, denen Menschen wie James

Beacham ihr Leben gewidmet haben. »Schon als kleiner Junge

fragte ich: Wieso ist der Himmel blau? Wieso funkeln Sterne?

Wieso fließt der Fluss?« Antworten wie »Weil es halt so ist«

akzeptierte der junge Beacham damals nicht. Stattdessen

wurde er Teilchenphysiker am CERN. Seine Forschung fängt

dort an, wo unser menschliches Wissen aufhört. Sie beschäftigt

sich mit den ganz großen Fragen. Und mit Beschleunigung.

Zu diesen Themen sollte man sich wirklich mal ausführlicher

mit Beacham unterhalten. Natürlich ganz anschaulich,

zum Beispiel während eines Schneedrifts im CUPRA Ateca

Limited Edition …

»In der Welt der Atome sind einzelne

Ereignisse grundsätzlich nicht mehr

präzise vorhersagbar.«

NORBERT LOSSAU

Fortsetzung folgt in der ramp #52.



Higgledy Piggledy

Creative Space

137

Mit Beschleunigung wollen Wissenschaftler

Fragen beantworten wie »Wo

kommen wir her?«, »Warum sind wir

hier?« und »Was befindet sich am

Rande des Universums?«

CUPRA Ateca Limited Edition

MOTOR

Vierzylinder-Turbomotor

HUBRAUM

1.984 ccm

LEISTUNG

300 PS (221 kW) bei 5.300 – 6.500 U/min

DREHMOMENT 400 Nm bei 2.000 – 5.200 U/min

0–100 KM/H ca. 5,2 s

VMAX

247 km/h

Kraftstoffverbrauch CUPRA Ateca 2.0 TSI 4Drive,

221 kW (300 PS):

innerorts 8,9,

außerorts 6,5,

kombiniert 7,4 l/100 km;

CO 2

-Emissionen: kombiniert 168 g/km.

CO 2

-Effizienzklasse: D.

Pullover / Stone Island

Brille / Hugo Boss



138 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy

139

Mit seiner Fiat Panda-Kampagne

schrieb Klaus Erich Küster vor

vierzig Jahren ein Stück Geschichte.

Die der Werber hier erzählt – und

die keine stringente und zielstrebige

Entwicklung war, sondern ein

knapp zehn Jahre dauerndes Chaos.

Trial and Error

Aber an einem Punkt passte zufällig

alles zusammen. Zufällig hatte der

Kunde nicht genug Geld, um

Doppelseiten zu schalten. Zufällig

war damit die Kampagne, die schon

verkauft war, weg vom Fenster.

Plötzlich war die Chance da für

»Die tolle Kiste«. Die Kampagne,

die im Test auf 75 Prozent Ablehnung

stieß. So ging es los, August

1980. Gleich die erste Anzeige – das

Motiv »Biologisch betrachtet« –

wurde Anzeige der Woche.

Text

Klaus Erich Küster

Anzeigen

Fiat

Später kam Bronze vom Art Director’s

Club, auch Gold, Silber (für

die Radiowerbung), noch mal Gold,

der Gold-Effie, der die Wirksamkeit

der Werbung bewertet. Und 1988,

im neunten Jahr, wurde sie die

Kampagne des Jahres. Aber, wie

gesagt: Geplant war es so nicht.



140 Hallo Überraschung! ramp #49 Higgledy Piggledy

Trial and Error

141

16. JANUAR 1980 Im Zug von Turin nach Mailand. Gute Stimmung. Wir haben das Auto

zum ersten Mal gefahren. Gefällt uns sehr. Das sagen wir den

Italienern. Das gefällt denen sehr: jede Menge Barbaresco im

Tastevin in Turin. Nur ich trinke Pellegrino, weil ich doch noch

mal die 1.500 Meter unter vier Minuten laufen will.

Jemand sagt, piemontesisch angehaucht: »Das is ’ne tolle

Kiste.« Klingt für mich wie ein Slogan. Ich schreibe ins Notizbuch

»Tolle Kiste«. Man kann ja nie wissen.

FEBRUAR 1980

APRIL 1980

MAI 1980

JUNI 1980

JULI 1980

SOMMER 1982

Natürlich wollen wir etwas Großartiges machen. Nicht das übliche

Werbegeschwafel. Nicht die automobilen Superlativ- Bla-Blas. Es war

ja eine Auto-Kampagne, weshalb ich Texter wurde: VW. Think small.

Dieses Wahnsinnszeug aus New York. So was müsste man machen.

Ganz neu. Ganz frisch.

Wir haben uns in sechs verschiedenen Kampagnen verheddert.

Favorit ist Kampagne 5: »Gesucht: Fahrer, die den Club of Rome

nicht für eine neue heiße Disco halten.« Sie erinnern sich? Zweite

Ölkrise. Small war plötzlich beautiful. Sie erinnern sich vielleicht

auch an die Schlagzeile? Die erschien später in der »Tolle

Kiste«-Kampagne. Plötzlich passte der ganze Kram zusammen. Und

der Riesenhaufen Ideen, der in den anderen Ansätzen steckte, kam

in die kreative Wiederaufbereitungs anlage.

Der Kunde kauft die »Gesucht«-Kampagne. Die »Tolle Kiste« soll

erst nach der Einführung folgen. Leichte Enttäuschung.

Das Budget ist nur noch halb so groß. Wir haben keine Doppelseite.

Die »Tolle Kiste« funktioniert hervorragend als 1/1-Seite.

Dem Rotstift sei Dank.

Test. Die Kampagne fällt durch. 75 Prozent halten sie für Blödsinn.

25 Prozent finden sie toll. Der Werbeleiter, Hans-Joachim Richter,

zeigt Scharfsinn und Mut: »Bei 2,5 Prozent Marktanteil sind

25 Prozent heftige Zustimmung ja nicht schlecht. Wir machen

weiter!« Langsam ausatmen. Die erste Reinzeichnung geht raus.

Das Motiv, an dem wir am längsten geknobelt haben, sieht eigentlich

ganz harmlos aus: »Es kam der Abend, wo er ihr zeigen wollte,

womit sein Vater jede Menge Kies machte. Sie jedoch wollte

endlich wissen, wie die umklappbare Rückbank funktioniert.« Punkt.

Ende.

Wir haben genau 64 Vorschläge zum Kunden getragen. 63 Mal

sagte Hans-Joachim Richter: »Nicht schlecht. Aber ihr könnt es

besser.« Danke für die Blumen. Hinter jedem Vorschlag, der nach

Heilbronn ging, steckten rund 40 Versuche. Macht 2.400 Schlagzeilen

– um eine zu verkaufen!

Ganz zum Schluss war es wie bei Robert Musil. Der beschreibt in

»Der Mann ohne Eigenschaften« das Gefühl, das einer hat, wenn er

eine Idee hat: Das sei wie bei einem Hund, der mit einem langen

Stock im Maul durch die Tür zu kommen versucht. Er knurrt und

drängt – die Tür ist zu schmal. Nachdenklich dreht er den Kopf –

plötzlich flutscht er durch. Heute, knapp zehn Jahre später, sind

wir um die 200 Mal durchgeflutscht. Wow!

6. DEZEMBER 1983 Wir haben es sozusagen amtlich: Die Zentrale zur Bekämpfung des

unlauteren Wettbewerbs e.V. attestiert uns Humor! Zitat:

»Vergleicht man beide Werbungen miteinander, so kommt man zu dem

Ergebnis, dass hier von Fiat mit den gleichen Mitteln, wie sie die

Bundesbahn benutzt hat, geantwortet worden ist, wobei in der

MAI 1985

NOVEMBER 1988

DEZEMBER 1988

Fiat-Anzeige der Mangel an Ernstlichkeit des Vergleiches noch

stärker hervortritt als in der Anzeige der Bundesbahn. Eigentlich

ist in der Anzeige der Firma Fiat lediglich die Werbung der

Bundesbahn wörtlich genommen worden.

Das Ganze erfolgte dabei in einer humorvollen, die Bundesbahn

keineswegs herabsetzenden Art und Weise, sondern dem Leser wird

lediglich klargemacht, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen worden

sind, denn ein Zweitwagen hat andere Aufgaben zu bewältigen als

eine Bundesbahnlok.«

O ja!

Die Herren von der Bundesbahndirektion sind sehr geschickt: Es

gibt keine einstweilige Verfügung, sondern sechs Freikarten erster

Klasse zur Fasnacht in Basel. Wir sind eine Woche arbeitsunfähig.

Die Kampagne hat viel Neugeschäft produziert. Aber auch Geschäft

verhindert. Nie werden wir einen Fertighaus-Etat bekommen. Auch

die Dünnsäure-Verklappung stößt manchem bitter auf. Protest habe

es auch wegen der Currywurst gegeben. Kurt Tucholsky: »Wenn

einer in Deutschland einen guten politischen Witz erzählt, sitzt

halb Deutschland auf der Couch und nimmt es übel.« Wir hatten

keine Theorie über die Werbung, als wir die Werbung machten.

Doch, vielleicht eine: Es ist auf jeden Fall besser, Ihre (also des

Kunden) Werbung ist so interessant, dass die Leute zurückblättern

und zweimal lesen. Ist Ihre Werbung das nicht, schmeißen Sie Geld

zum Fenster raus. Die Zeiten, wo man mit dem Holzhammer auf die

Fontanelle klopfte, in der Hoffnung, das Stammhirn bis ins Mark zu

erschüttern, sind – ja, was? Leider nicht vorbei! Der berühmteste

lebende Werber der Welt – David Ogilvy – hat gesagt:

1. You cannot save souls in an empty church.

2. You cannot bore people into buying your product.

Der Mann ist reich. Man kann ihm glauben. Von David Ogilvy

bekomme ich auch einen Brief: »Dear Klaus Erich, there have been

so many imitations of my famous Rolls-Royce ad, that I wonder that

you take part in this silly procession.«

Das geht unter die Haut. Wir haben die »Omi«-Anzeige mit dem

schnarchenden Kanarienvogel als Verbeugung gemeint, nicht als

Tritt vor das Schienbein. Je vous demande pardon.

Zum ersten – und bisher einzigen – Mal kommt es zur öffentlichen

Lesung einer Anzeige im Deutschen Bundestag. Vortragender:

Oppositionsführer Hans-Jochen Vogel. Thema: Steuerreform. Dauer

des Vortrags: 1 Minute 43 Sekunden. Geldwerter Vorteil für den

Kunden: 373.000 DM. So viel hätte Fiat zahlen müssen, um entsprechende

Sendezeit zu ergattern. Kunden rufen an, Telefone sind

blockiert, Radiosender rufen an, morgens um 8.39 Uhr (!), und

wollen ein Interview. Ich bin am Schreibtisch. Dieser Vorgang

erinnert ein bisschen an den Witz, der bei uns in der Agentur

kursiert. Sagt der Grafiker: »Gehen wir mal davon aus, dass der Text

nicht gelesen wird.« Sagt der Texter: »Doch, wir lesen alles vor.«

Die Panda-Kampagne wird »Kampagne des Jahres«.

1989 Die Panda-Kampagne läuft zehn Jahre in Illustrierten. Dann,

endlich, gelingt es uns, einen Film zu verkaufen. Der läuft so

ähnlich wie die neueste Anzeige »Weihnachten«. Und er läuft in

vielen Kinos. Vor Weihnachten.

1990 Die Panda-Kampagne geht ins zweite Jahrzehnt.



142 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy Trial and Error

143



144 Hallo Überraschung! ramp #49

Higgledy Piggledy Trial and Error

145



146 Kolumnentitel ramp #42

XXXX Kolumnentitel

147

SHORT

STORIES

162 SKILLS, FREUNDE!

Ach, die Übermotorisierung.

Über die

Kunst im zügigen

Umsetzen geringer

Ressourcen.

164 ALTERNATIVE FACTS

»Zu sagen, was ist,

bleibt die revolutionärste

Tat.« Meinte

Rosa Luxemburg.

Wobei die das auch

geklaut hat.

166 ROUND ABOUT

Eine Formel

1­ Rennstrecke mit

Zebrastreifen.

Na, wo isse?

148 SIND WIR NICHT

ALLE EIN BISSCHEN

SUV?

Ein letzter Tango

durch Südafrika mit

dem Porsche Macan

Turbo, Al Pacino

und Richard David

Precht.

150 HEHEHEHE.

Der Polestar 1 wurde

in Italien präsentiert.

Wobei sich

die Überschrift

nicht auf diese

Tatsache bezieht.

156 DIE DEUTSCHEN

AUTOMARKEN VER-

BLASSEN IN CHINA

Ein Gespräch mit

Christian Malorny,

einem der einflussreichsten

Berater

der Automobilindustrie,

über obiges

Thema.

168 SCHÖNER PARKEN

Lieferheld-Mitgründer

Nikita Fahrenholz

hatte eine neue

Idee: die perfekte

Fertiggarage.

172 CYBERTRUCK

TYP DIY

Der Tesla Cybertruck

soll von Ende

2021 an ausgeliefert

werden. Dauert

zu lang? Es gibt da

ein prima Plagiat

aus Russland.

174 MYLE & MORE

Drei Jungs und eine

Idee mit Mehrwert.

176 ERLEUCHTET

Sagen wir es so:

Eigentlich geht

es um den neuen

Superb iV von

Škoda.

159 DATING REPORTS

Blätter im Wind,

rollende Steckdosen,

etwas Großes

und diesmal alles

in Rot.



148 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Sind wir nicht alle ein bisschen SUV

149

SIND WIR NICHT ALLE

EIN BISSCHEN SUV?

Das Facelift des Porsche Macan Turbo stellt zugleich einen Wendepunkt

dar – denn einen Macan wie diesen wird es nie wieder geben. Ein letzter

Tango durch Südafrika. Mit dabei: Al Pacino und Richard David Precht.

SHORT

STORIES

Text / Fotos

Matthias Mederer

ramp.pictures

Nachtflug von Frankfurt nach Kapstadt, rund

zwölf Stunden, etwa 10.000 Meter über den

Dingen. Viel dünne Luft um einen herum, viel

Zeit zum Nachdenken. Direkt nach der Landung,

noch am Flughafen, wird der neue Porsche

Macan Turbo für eine Ausfahrt warten. Ein paar

Begriffe schießen kreuz und quer. Nichts

wirklich Reflektiertes, vieles Medien-befeuert,

populistisch. Jetzt nicht aufregen.

Derweil auf dem Bildschirm ein Klassiker des

Unterhaltungsprogramms: Al Pacino als blinder

Lieutenant Colonel Frank Slade in »Der Duft der

Frauen«. Eine einfache Welt: Eine Frau an ihrem

Parfum erkennen, einen roten Ferrari fahren

und eine 45er abfeuern. Das ist die ganze

Wahrheit. »Es gibt zwei Sorten von Menschen

auf der Welt«, lebensweisheitet Frank Slade,

»die einen, die sich aufbäumen und den Helden

spielen ... und die anderen, die in Deckung

gehen. In Deckung gehen ist besser!« Am Ende

steht der Colonel dann doch auf und gibt den

Helden. Die Werte siegen. Pacino bekommt

seinen bis heute einzigen Oscar. Huh-haaa …!

Zurück am Boden. Fahrzeugübergabe. Seit seiner

Einführung um das Jahr 2014 kommt dem

Porsche Macan eine Sonderrolle zu. Er ist streng

genommen die Quadratur des Kreises und

schafft vom rein technischen Standpunkt her

etwas, das nicht möglich zu sein scheint: Er ist

tatsächlich ein Sportwagen und Offroad-tauglich!

Damit ist der Macan einzigartig in einem

Segment, dem seit jeher eine gewisse Schizophrenie

innewohnt. »Wer bin ich – und wenn ja,

wie viele?« Das SUV ist die Automobil gewordene

Verkörperung von Richard David Prechts

philosophischer Reise zur Selbsterkenntnis des

modernen Menschen. Die Frage sei also gestattet:

Sind wir nicht alle ein bisschen SUV? Der

Macan ist der meistverkaufte Porsche, deutlich

vor dem 911, noch deutlicher vor dem Cayenne.

Zündschloss links. Nach wie vor. Und prompt

ist sie gegenwärtig, die etwas romantisch

verklärte Hommage an Le Mans, an Rennsport,

an Wettkampf, an Performance. Pures Racing.

Ein Schmunzeln kommt auf, entlockt vom

unaufgeregten Erwachen des V6-Turbomotors.

Und fast ist es, als ob die hochschnellende Dreh -

zahlnadel des startenden Verbrenner- Aggregats

die gerade noch pulsierende Romantik einfach

weggeblasen hat, denn auf einmal steht die

Zukunft im Raum: Der Nachfolger dieses Macan

wird elektrifiziert sein. Diese Reise am Kap, hier

in Südafrika, das Befahren des Clarence Drive,

des Du Toit’s Kloof-Passes, das Rausbeschleunigen

aus den Kurven des Franschhoek-Passes, all

das darf als Abschieds tour verstanden werden.

Denn so einen Macan wird es nie wieder geben.

Und wieder grüßt Al Pacino, wenn man so will:

ein letzter Tango also.

Apropos Abschied. Thema Innenraum. Thema

Knöpfe. Nach ein paar Ausfahrten im neuen

Porsche 911 der Baureihe 992 erinnert vieles im

Macan Turbo Facelift plötzlich wieder an den 911

der Baureihe 991. Gerade vor Kurzem erst rollte

das letzte von 233.540 Einheiten gebaute Modell

(ein Speedster) vom Band. Wir befinden uns

mitten in der Übergangsphase. Denn auch die

Philosophie der vielen haptischen Knöpfe ist

mit dem aktuellen Macan auf Abschiedstour.

Der Nachfolger wird sich hier sicher an der

Design-Philosophie des neuen 911 orientieren,

stehen sich doch gerade 911er und Macan geistig

so nahe wie wahre Brüder.

Der Macan ist tatsächlich der 911er für das

Gelände. Er wurde einst aus der Tradition

Off road-tauglich umgerüsteter Porsche wie

einem Rothmanns-911 entwickelt, mit dem sich

auch mal so etwas wie eine Rallye Dakar

DAS SUV IST DIE

AUTOMOBIL

GEWORDENE VERKÖR­

PERUNG VON RICHARD

PRECHTS PHILOSO­

PHISCHER REISE ZUR

SELBSTERKENNTNIS

DES MODERNEN

MENSCHEN.

PORSCHE MACAN

TURBO

MOTOR

Sechszylinder-Turbomotor

HUBRAUM

2.894 ccm

LEISTUNG

440 PS (324 kW)

DREHMOMENT

550 Nm

bei 1.800 – 5.600 U/min

0–100 KM / H

4,3 s

(mit Sport Chrono Paket)

VMAX

270 km/h

bewältigen ließ. Anders als bei vielen anderen

SUV sitzt man beim Macan nicht auf einem

hohen Bock, sondern gefühlt tatsächlich tiefer

im Auto. Fahrwerk, Antrieb, Bremse, Lenkung

sind dann sowieso Nürburgring-erprobt. Einzig

das Gewicht von über zwei Tonnen lässt sich halt

vor allem beim Anbremsen und Einlenken

(gerne auch gleichzeitig) nicht komplett kaschieren.

Ansonsten gilt der Ausspruch »Wo Porsche

draufsteht, ist auch Porsche drin!«

Abenddämmerung. Sonnenuntergang. Ein Glas

einheimischer Rotwein. »Diese unendliche

Weite!« kritzeln Touristen gerne in die Gästebücher

südafrikanischer Lodges. Ihre Farmen

steckten sich die europäischen Siedler einst

derart weiträumig ab, dass der Nachbar mit

bloßem Auge kaum noch zu sehen war. Selbst in

den Städten waren Grundstücke so großzügig

bemessen, dass sich die weißen Gutsbesitzer

in ihren eigenen Wald zurückziehen konnten.

Die Botschaft war eindeutig: »Komm mir nicht

zu nahe!« Ein Prinzip der Abschottung; etwas

also, das Kritiker immer wieder auch gerne beim

Thema SUV rügen. Ein zweites Glas Rotwein

und dann die Erkenntnis: Wir waren wahrscheinlich

schon lange vor Erfindung des

Automobils alle ein bisschen SUV.



Higgledy Piggledy

HeHeHeHe.

151

HEHEHEHE.

SHORT

STORIES

Ein bisschen Mut gehört dazu, wenn man seinen ersten Sportwagen in

Italien präsentiert. Im Falle des Polestar 1 ist das nur konsequent.

Denn ohne Courage gäbe es dieses Auto gar nicht.

Text / Fotos

Matthias Mederer · ramp.pictures

»Hehehehe.« Das ist der am häufigsten gebrauchte

Laut auf dieser Dienstreise. Die erste Ausfahrt

im Polestar 1 – und dann direkt in Italien. In dem

Land, wo man sich wie nirgends sonst auf

Schön heit, Kunst und den Genuss verstehen soll.

Hier, wo die Menschen so stolz auf ihre Sportwagenschmieden

sind, wo sie den Bau eines

freisaugenden Zwölfzylinders zelebrieren wie

ein heiliges Ritual, wo sie Musik hören, wenn

eben jener Zwölfender seinen hochdrehenden

Dienst verrichtet, und wo sie in Ehrfurcht von

»La bella macchina« sprechen. Genau hier in

Italien also lässt Polestar eine ganze Flotte seines

ersten Seriensportwagens auf öffentliche

Straßen los. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Unser Ausgangspunkt ist Florenz, genauer

gesagt die Villa Cora, gelegen in einem jahrhundertealten

Park oberhalb der Boboli-Gärten auf

den Hügeln vor den Toren der historischen

Innenstadt. Heute ist das Haus ein Hotel. Aber

ursprünglich war es ein vom Architekten Pietro

Comparini errichteter Adelssitz für den Baron

Oppenheim, Ende des 19. Jahrhunderts. Der Bau

spiegelt verschiedene Stile jener Zeit wider, wird

stark von einem eklektischen Dekor beherrscht

und von zum Teil bizarren künstlerischen Stilen

geziert. Der französische Pianist Claude Debussy

war hier zu Gast, wie auch die Frau Napoleons III,

Prinzessin Eugénie. Es wäre ein Frevel, hier mit

offenen Auspuffklappen irgendeinen zwangsbeatmeten

Krawallmacher zu starten, der Polestar 1

»HEHEHEHE.«

rollt dank seines Plug-in-Hybrid­ Motors – 609 PS

hin oder her – nahezu geräuschlos vom Hof.

»Tire le chapeau«, wie die Lateiner sagen. Oder

so ähnlich.

Ein erstes »Hehehehe«. Und der Gedanke:

Da fahre ich also mit einem schwedischen Gran

Turismo und 1.000 Newtonmetern Drehmoment

durch die italienische Toskana. Jetzt eine

Begegnung mit einem Ferrari 812 Superfast?

Welch elektrifizierender Gedanke! Leider habe

ich dieses Glück nicht. Fast geräuschlos zoomt

der Polestar 1, aber mit einer Spannkraft im

Körper, die in der Schuhsohle des rechten Fußes

wie ein Permanentreiz kitzelt. Der Polestar 1

braucht keine Gedenksekunde mehr. Er setzt

den Befehl der Beschleunigung um, sobald der

Gedanke Form angenommen hat.



152 Short Stories ramp #49

SCHAU ZUM SCHEITEL-

PUNKT DER KURVE,

SCHAU AUF DEN

KURVENAUSGANG,

DORTHIN, WO DU WIEDER

HINBESCHLEUNIGEN

WILLST. SCHAUE NIE,

WIRKLICH NIE DORTHIN,

WO DU NICHT HINFAHREN

WILLST: RICHTUNG BAUM

ODER BÖSCHUNG.

»HEHEHEHE.«

Walter Röhrl hat über das Turbo-Monster Audi

quattro S1 mal gesagt: »Im Prinzip bist du bei

dem Auto mit dem Denken zu langsam.« Das gilt

zwar für den Polestar 1 nicht unbedingt, weil er

einem gerade das gedankenverlorene Cruisen

gar so entspannt souverän bietet. Aber wer ihn

provoziert, sollte seine Sinne schon gut sortiert

beisammen haben.

Wirklich lustig wird es in den Kurven. Ein Dauer­

Hehehehe, sozusagen. Gewicht und Schwerpunkt

sind da ein Thema. Aber auch die Technik. Die

des Autos und die des Fahrers. Und eigentlich

weiß ich ja, wie es geht. Ganz wesentlich ist das

Schauen – oder die Blickführung, wie die

Experten sagen. Ein sehr strenges Wort. Völlig

zu Recht, denn die Regel besagt: Schau immer

dahin, wo du hinfahren willst – auch wenn du

dafür durch die Seitenscheibe etwas umständlich

um die A-Säule herumschielen musst. Mach

es einfach. Schau zum Scheitelpunkt der Kurve,

schau auf den Kurvenausgang, dorthin, wo du

wieder hinbeschleunigen willst. Schaue nie,

wirklich nie dorthin, wo du nicht hinfahren

willst: Richtung Baum oder Böschung. Oder

Richtung Kiesbett, falls du auf einer Rennstrecke

unterwegs bist. Da kumuliert sich die Blickführung

dann umso mehr zu einer eisernen

Grundlage für Erfolg. Für eine flüssige und

zügige – und auch sichere – Fahrt im Polestar 1

über eine italienische Landstraße ist das



154 Short Stories ramp #49 Kraut & Rüben

HeHeHeHe.

155

Schauen ebenso unabdingbar. Nur irgendwie

gurke ich zunächst ziemlich eckig herum. Es

liegt wie immer am Fahrer. Die Kombination aus

brachialer Beschleunigung, den sehr starken

Bremsen und dem Fahrzeuggewicht fordert

einige Übung, ehe alles flüssig wird. Tipp vom

Laien: Spätes Bremsen und maximale Beschleunigung

aus den Kurven raus ist nicht unbedingt

Prio Numero uno. Es kommt vielmehr auf die

Gleichmäßigkeit an. Zumal heutzutage, in

Zeiten, in denen die Autos mit einer Armee

an elektronischen Soldaten in eine Kurve

hineinbremsen, bei der jeder Feldherr neidisch

dreinblicken würde. Eine zweite Armee übernimmt

dann das Rausbeschleunigen. Das ist im

Polestar 1 auch so. Torque Vectoring nennt es der

Fachjargon. Normalerweise werden hierbei die

kurveninneren Räder abgebremst, der Polestar 1

geht da etwas progressiver und damit auch

evolutionärer vor: Dank extrem präzise steuerbaren

E-Maschinen beschleunigt er kurvenäußere

Räder, statt innen zu bremsen. Er dreht sich

also aktiv aus der Kurve raus. Und die Beschleunigung

beschleunigt ... naja ... »Hehehehe«.

Wie das dann alles im Detail mit dem Antrieb

funktioniert? Dafür sollte man besser anhalten.

Obendrein können ein paar Grundkenntnisse in

Rechnungswesen nicht schaden. Hier wäre

zunächst mal der Verbrenner-Motor zu nennen.

Ein hochgezüchteter Zwei-Liter-Vierzylinder

mit Kompressor und Turbo-Aufladung (227 kW/

»HEHEHEHE.«

309 PS), zwei E-Maschinen an den Hinterrädern

(je 85 kW/116 PS) und ein Startergenerator (50 kW/

68 PS), integriert in die Kurbelwelle. Bis auf den

Hamster im Laufrad ist also so ziemlich alles

verbaut, was die aktuelle Vortriebstechnik an

Möglichkeiten hergibt. Das Meiste davon ist

auch rasch vergessen. Nur 1.000 Newtonmeter

maxi males Drehmoment bleiben in Erinnerung.

Und diese kurvigen Landstraßen der Toskana ...

Der Polestar 1 ist auf 1.500 Stück limitiert.

Und wie es aussieht, wird er der einzige jemals

gebaute Polestar sein, der für seinen Vortrieb

tatsächlich noch fossile Brennstoffe benötigt.

Schon der bereits vorgestellte Polestar 2 ist ein

reiner Stromer. CEO Thomas Ingenlath sagt,

etwas wie den Polestar 1 hätte man bei Volvo

nicht realisieren können. Die Prozesse, die bei

einer Firma wie Volvo im Hintergrund einer

Neufahrzeugentwicklung ablaufen, wären dafür

gar nicht ausgelegt. Polestar agiert innerhalb des

Konzerns wie ein Start-up, forciert mutig

bisweilen radikale Lösungen. Den Polestar 1

wird es in nur einer einzigen Ausstattung zum

Festpreis von 155.000 Euro geben. Einzige

Option: eine Matt-Lackierung für 5.000 Euro

Aufpreis. Zudem kann man den Polestar 1 nur

im Internet bestellen, ein konservatives physisches

Händlernetz wird es nicht geben. »Solche

Entscheidungen können wir sehr schnell

treffen«, sagt Ingenlath. Was er nicht sagt:

»Hehehehe.«

POLESTAR 1

MOTOR

Plug-in-Hybrid aus

4-Zylinder-Turbo- und

Kompressormotor sowie

zwei E-Maschinen an der

Hinterachse plus ein

elektrischer Startergenerator

HUBRAUM

2.000 ccm

LEISTUNG

609 PS (kombiniert)

DREHMOMENT

1.000 Nm (kombiniert)

0–100 KM / H

4,2 s

VMAX

250 km/h



156 Short Stories ramp #49

Higgledy Piggledy

Die deutschen Automarken verblassen in China

157

DIE DEUTSCHEN

AUTOMARKEN

VERBLASSEN

IN CHINA

Herr Malorny, Sie beraten seit 15 Jahren die

deutschen Automobilhersteller in China. Bisher

offenbar sehr erfolgreich, wenn man sich deren

Bilanzen ansieht. Doch jetzt schlagen Sie Alarm.

Warum?

Christian Malorny: Wir erleben gerade in China,

dass sich beim Autokauf ein ganz neues Kundenbewusstsein

entwickelt. Junge, gut verdienende

Chinesen schicken sich an, eigene chinesische

Marken zu kaufen und laufen nicht mehr

unbedingt den deutschen Automarken hinterher.

Die Begehrlichkeit nach Autos von hiesigen

Herstellern lässt deutlich nach. Das hat ganz

handfeste Gründe.

Nämlich?

Malorny: Zum einen beginnen junge chinesische

Marken wie Build Your Dream (BYD), Great

Wall, Lynk & Co, Xiaopeng oder auch Weltmeister,

Erfolge zu feiern. Sie punkten bei den jungen

Kunden mit schickem Design, guter Verarbeitungsqualität

und einer beeindruckenden

Digi talität sowie Vernetzung. Hinzu kommen

Show räume, in die es Spaß macht zu gehen.

Sie sind trendig gestylt, transportieren ein

Lebensgefühl von Freiheit und strahlen ein

cooles Image ab. Zum anderen schicken sich die

SHORT

STORIES

JUNGE CHINESISCHE

MARKEN PUNKTEN BEI

DEN JUNGEN KUNDEN

MIT SCHICKEM DESIGN,

GUTER VERARBEITUNGS-

QUALITÄT UND EINER

BEEINDRUCKENDEN

DIGI TALITÄT.

Synchron zur weltweiten Wirtschaftsschwäche

bricht auch der Automarkt

in China ein. Für die deutschen

Hersteller ist das schmerzhaft –

kommen doch bis zur Hälfte der

Gewinne aus dem Reich der Mitte.

Bislang wird das hierzulande als

eine Konjunkturdelle angesehen,

doch die Hoffnung könnte täuschen.

Ein Gespräch mit Christian Malorny,

einem der einfluss reichsten Berater

der Automobil industrie.

Chinesen an, Premiummarken auf die Beine

zu stellen. NIO oder BYTON stehen dafür

exemplarisch. Beide entwickeln und verkaufen

SUV, die außen und innen eine ausgesprochen

hohe Wertanmutung besitzen, einen besonders

kundenfreundlichen Service bieten und ein

Lebensgefühl der Geborgenheit vermitteln.

Das geht schon los bei der Ausstattung der

Showräume, wo warme Farben und viel Holz

vorherrschen. Schicke, bequeme Möbel und

dezentes Licht bieten eine einladende Wohnzimmeratmosphäre,

in der der Kunde dem rauen

Alltag entfliehen und sich in Ruhe mit seinem

Fahrzeug beschäftigen kann. Gleichwohl sind

diese Showräume technisch hochgerüstet.

VTR-Brillen, Fahrsimulatoren und große

Bildschirme ermöglichen eine Erlebniswelt, wie

sie aus dem chinesischen Internet und damit

dem Alltag bekannt ist.

Sie wollen also sagen, dass die Chinesen immer

stärker auf Markenimage, also Begehrlichkeit und

Lifestyle, Coolness und Stolz, sowie auf Premium

setzen. Doch hält das Produkt, also die Fahrzeuge

selbst, was die Marken versprechen, wirklich?

Malorny: Ja, es ist so. Die chinesischen Hersteller

schicken sich an, immer akzentuierter die

Markenentwicklung voranzutreiben. Das ist

neu. Dazu gehört die Ausprägung eines Markenkerns.

Da ist das Produkt, das Fahrzeug selbst,

natürlich der Schlüssel zum Erfolg. Alle chinesischen

Marken setzen dabei auf den Elektroantrieb

mit Batteriegrößen zwischen 65 und 90

kWh bei Reichweiten von 250 bis 520 Kilometern.

Die Antriebstechnologie wird verpackt in

attraktive, dynamisch gestylte SUV-Karosserieformen,

die eine sehr ordentliche Verarbeitungsqualität

und Solidität ausstrahlen. Spaltmaße,

Passgenauigkeit der Teile, Material- und

Oberflächenanmutung haben sich in den letzten

fünf Jahren enorm entwickelt und stehen den

deutschen Herstellern kaum noch nach. Das,

was wir bei uns als Premiumanmutung im

Innenraum empfinden, wie z.B. Oberflächen

aus schwarz gefärbter Glasoptik, ein Schalthebel,

der einem Joystick entspricht, üppig wirkende

Sitzbezüge oder gesteppte Nähte auf

Lederoptik, gibt es heute in China im Mittelklassebereich.

Schauen sie sich mal den G3 von

Xiaopeng oder den Tang von BYD an. Das sind

Fahrzeuge, die haben umgerechnet einen Preis

zwischen 20 und 35 Tausend Euro. Wohlgemerkt

E-Fahrzeuge mit über 350 Kilometern

Reichweite.

Hinzu kommt ein weiteres Schlüsselelement,

nämlich die Digitalität. Es gibt quasi kein

chinesisches Fahrzeug mehr, das nicht ein

digitales Cockpit besitzt. Die Mittelkonsole trägt

immer ein iPad-großes Display, welches wie im

Fall von BYD ein offenes Android-System bietet.

Auf diesem Display können sie nicht nur wie an

ihrem Computer zu Hause agieren. Auch sämtliche

Fahrzeugfunktionen lassen sich über das

Display ansteuern. Mittlerweile besitzen die

Fahrzeuge auch eine sehr gut funktionierende

Sprachsteuerung. Und das alles, ohne ihr Handy

dabeihaben zu müssen. Quasi »ein fahrender

Computer«.

SCHAUEN SIE SICH MAL

DEN G3 VON XIAOPENG

ODER DEN TANG VON BYD

AN. DIE E-FAHRZEUGE

KOSTEN ZWISCHEN 20

UND 35 TAUSEND EURO.

MIT ÜBER 350 KILOME-

TERN REICHWEITE.

In Ordnung, die Chinesen holen auf und machen bei

Design und Verarbeitungsqualität große Fortschritte.

Doch das können die deutschen Hersteller doch auch.

Malorny: Ja natürlich. Aber es ist noch etwas

anderes, was die chinesischen Hersteller immer

besser hinbekommen: Sie personalisieren das

Fahrzeug und sprechen extrem stark den Familiensinn

der Chinesen an. Dabei muss man

wissen, dass Familien in China wieder größer

werden, weil zwei Einzelkinder, die heiraten,

jetzt zwei eigene Kinder bekommen können (statt

bisher nur eines), womit es immer mehr vierköpfige

Familien gibt. Ein gutes Beispiel ist der NIO

es6, ein elektrisch betriebener SUV, der auf der

Armaturentafel eine tennisballgroße Kugel mit

Display sitzen hat, die mit den Insassen spricht,

sich zu einem dreht und über die Sprachsteuerung

Fahrzeugfunktionen auslöst. Die Kugel

heißt NOMI und wirkt wie ein Familienmitglied,

das sich um das Auto und seine Insassen kümmert.

Es hat eine menschliche Anmutung mit

Augen, einem Lächeln und einer sympathischen

Stimme. Das mögen wir kitschig finden. Dem

chinesischen Geschmack kommt es entgegen.

Des Weiteren lieben es die Chinesen, sich

untereinander in sogenannten digitalen Communities

auszutauschen und dort ihre soziale

Bestätigung, ihr Sozialprestige zu erhalten.

Auch hier ist die Marke NIO mit der »NIO Auto

Community«, die regional organisiert wird, ein

exemplarisches Beispiel. Mal ganz abgesehen

davon, dass »Words of Mouth«, also persönliche

Produktberichte und -empfehlungen, einen

extrem hohen Stellenwert bei der Kaufentscheidung

haben.

Was bedeutet das für die deutschen Hersteller?

Malorny: Zunächst müssen wir erkennen, dass

es nicht mehr reichen wird, ein deutsches

Fahrzeug ohne Anpassungen an den chinesischen

Markt zu verkaufen. Ich meine dabei nicht

das Angebot der L-(Long) Versionen und den



158 Short Stories ramp #49

Higgledy Piggledy

Dating Reports

159

FOLGE

30

DATING

REPORTS

Sehr schnelle Treffen mit einem Blatt

im Wind, einem Stromspender und

einem Sitzriesen – zufälligerweise

waren alle rot.

Einbau eines speziellen Luftfilters oder die

Übersetzung der Navigation von deutscher in

chinesische Sprache. Das ist sowieso Standard in

China und bietet jeder Hersteller. Die deutschen

Autohersteller müssen ihre gesamte Digitalität

und Ausstattung auf den chinesischen Kunden

zuschneiden. Es geht hier nicht um die Anpassung

einer hiesigen, deutschen Lösung, wo

vergleichsweise kleine Displays und eine sehr

eingeschränkte Digitalität und Vernetzung

immer noch der Stand der Technik sind. Es geht

um die Vernetzung mit dem chinesischen

Internet und dessen Funktionalität. Es ist ein

anderes Internet als das, was wir hier im Westen

gewohnt sind. Und es hat in China einen sehr

hohen Stellenwert bei der jungen Bevölkerung,

die es in ihrem Auto schlichtweg erwartet. Das

alles ist in den Fahrzeugen der deutschen

Hersteller nicht verfügbar. Sie wirken durch ihre

weitgehend fehlende Digitalität wie aus einer

anderen Welt. Es fehlen zudem Personalisierungsmöglichkeiten,

die gerade digitale Lösungen

bieten.

Und der Markenauftritt?

Malorny: Nun, wenn Sie in Shanghai in den

Showroom von Mercedes, BMW oder Porsche

gehen, werden Sie feststellen, dass sich die

Räume fast nicht unterscheiden. Die Architektur

und Farbgestaltung sind ziemlich gleich. Zudem

sind sie mit Fahrzeugmodellen vollgestopft und

gleichen eher Parkhäusern als Premium-

Showräumen. Die Raumfarben sind kalt (grauer

Fliesenbelag, kalkweiße Wände und dunkle

Decken bei gleißend hellem OP-Licht),

Gesprächs ecken unpersönlich, Verkäufer

zuweilen gelangweilt. Fast hat man das Gefühl,

dass die Marken »ausgecasht« werden – solange

es gut geht. Nach dem Motto: Warum soll man

sich mit der chinesischen Kultur und dem

chinesischen Kunden näher beschäftigen? Nur,

diese Phase geht jetzt vorbei. Die deutschen

DEUTSCHE MARKEN

MÜSSEN RADIKAL

WEITERENTWICKELT

WERDEN UND NEUE

BEGEHRLICHKEITEN

WECKEN.

CHRISTIAN MALORNY

studierte an der

Technischen Universität

Berlin Maschinenbau und

entwickelte sich während

seiner Promotion zum

Spezialisten für

Qualitätsmanagement in

der Autoindustrie. Schon

bevor er 1996 zu

McKinsey ging, schrieb

er mehrere Bücher. Seit

2018 ist er Chef der

Autosparte bei A.T.

Kearney, zu den Klienten

gehören alle großen

Autohersteller und Zulieferer.

Wenn Malorny

nicht im Flugzeug (oder

im Kleinwagen) sitzt,

verbringt er die Zeit mit

seiner Frau und den

beiden Töchtern.

Marken müssen sich viel stärker auf den chinesischen

Geschmack und auf die Bedürfnisse

ausrichten sowie mit der chinesischen Kultur

verzahnen.

Was heißt das denn für die Aufstellung der deutschen

Hersteller in China?

Malorny: Unseres Erachtens müssen sämtliche

kundennahen Aktivitäten entlang der gesamten

Wertschöpfungskette in China abgebildet werden.

Das heißt insbesondere, dass die Produktdefinition

mit der Festlegung der Funktionalitäten und

Spezifikationen im Lastenheft, die Konzeptphase

sowie die gesamte Entwicklung der Software für

digitale Lösungen in China installiert und dort

vor Ort ausgeführt werden. Wir können nicht

erwarten, dass hiesige Ingenieure, die ein ganz

anderes Internet nutzen als jenes, das in China

existiert, digitale Lösungen für Fahrzeuge für

China entwickeln werden.

Auch eine Personalisierung, also ein maximales

Zuschneiden des Autos auf den Kunden, wird

nur wirksam funktionieren, wenn Entwickler

aus der Kultur kommen und innerhalb des

Marktes agieren, für die das Fahrzeug gemacht

wird – also aus China für China. Zudem müssen

die deutschen Marken radikal weiterentwickelt

werden und neue Begehrlichkeit wecken. Dazu

gehört auch, den Markenauftritt, also unter

anderem das Showroom-Konzept, die Kommunikation

und die Kontaktpunkte mit dem

Kunden, neu zu gestalten und dem chinesischen

Kunden ein ganz neues Gefühl der Wertschätzung

entgegenzubringen. Und schließlich muss

der Designbereich ein Design-Zentrum vor Ort

führen. Asiatisches Design wird genauso gefragt

sein wie heute schon asiatische, insbesondere

chinesische Kunst. Dabei geht es nicht nur um

das Design dortiger Fahrzeuge, sondern auch um

den zunehmenden Einfluss asiatischer Designsprache

auf hiesige Designlösungen.

HINTER DEN SIEBEN SITZEN

Text Matthias Mederer

Foto Mercedes

Es gibt eine interessante Entwicklung bei Autos

und Filmen. Früher existierten viele verschiedene

Genres, es wurden Western, Komödien, Kriegsoder

Liebesfilme gedreht. Heute gibt es Blockbuster,

ab und an einen Independent-Film – und

Tarantino. Aber vor allem Blockbuster.

Bei den Autos ist es ähnlich. Früher gab es

viele Autos. Luxuslimousinen, Klein-, Geländeund

Sportwagen, irgendwann sogar einen

Lamborghini Countach. Und heute? Heute gibt es

SUV. Mal sind sie luxuriös und repräsentativ, mal

flauschig-weich oder krawallhart.

Und jetzt wartet da der neue Mercedes-AMG

GLB 35 4MATIC, ein Kompakt-SUV mit bis zu

sieben Sitzen. Das Kompakt-SUV ist jetzt keine

Neuerfindung, vielmehr ist es schon ein Dauerbrenner

im SUV-Blockbuster-Segment des

Daimler-Universums. Und deshalb ist die

Erwähnung der sieben Sitzmöglichkeiten so

wichtig. Zumindest aus Sicht von Mercedes.

Weil es sich um das Alleinstellungsmerkmal des

AMG GLB 35 handelt. Seine Rivalen – VW T-Roc R,

BMW X2 M35i, Audi RSQ3 – bieten keine sieben

Sitze. Und es gibt noch einen Punkt, der für den

Mercedes spricht: Die Konkurrenz nutzt variabel

einsetzbare Plattformen, was dazu führt, dass

die Autos der verschiedenen Marken zwar

verschieden aussehen, technisch aber oftmals

gleich oder ähnlich sind. Bei Mercedes bekommt

AUSWERTUNG

man nach wie vor einen Mercedes. Was auffällt:

Die Schulterlinie wirkt sehr tief. Ein echter

Offroader nutzt eine tiefe Schulterlinie, damit

man sich als Fahrer im Gelände besser aus dem

Fenster lehnen kann, um auf das Vorderrad zu

schauen. Der Fahrer eines GLB 35 wird es vor

allem dann zu schätzen wissen, wenn er sich im

Parkhaus für das Ticket zum Automaten aus

dem Fenster lehnen muss. Dieser »Kundenwunsch«

war allerdings nicht das Entwicklungsziel.

Vielmehr wollte man durch das Design

Höhe darstellen und das Auto optisch »kürzen«.

Die Siebensitz-Option geht nur mit Zugeständnissen

bei der Länge. Denn ein bisschen mehr

Parklücke braucht der GLB 35 dann doch im

Vergleich zur Konkurrenz. Und wie fährt sich

der GLB 35? Der Motor ist ein alter Bekannter,

im GLB allerdings deutlich zivilisierter als in der

A-Klasse, was dazu führt, dass man tatsächlich

auch erwachsener fährt. Ganz großes Kino,

möchte man sagen.

MERCEDES-AMG GLB

35 4MATIC

MOTOR

Vierzylinder-Turbomotor

HUBRAUM

1.991 ccm

LEISTUNG

306 PS (225 kW)

MAX. DREHMOMENT

400 Nm

bei 3.000–4.000 U/min

0–100 KM/H

5,2 s

VMAX

250 km/h

(elektr. abgeregelt)

SHORT

STORIES

Erster Eindruck? Ein Mercedes SUV. Okay.

♥♥♥♥

Wahrscheinlichkeit für ein zweites Date? Wurde nicht eben schon der neue GLA vorgestellt?

♥♥♥♥

Ich-kann-vor-meinen-Freunden-angeben-Faktor? Hmmm ... die sind doch sehr auf den AMG GT C fixiert. ♥♥ ♥♥

Mutter-wird-nichts-dagegen-haben-Faktor? Na, das ist mal gesetzt.

♥♥

Wat für länger? Mit den sieben Sitzen? Sollten mal Kinder da sein ... ♥♥ ♥♥

Würde dem Händler meine Nummer geben? Sicher ist sicher.

♥♥♥ ♥



160 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Dating Reports

161

WUNDERKISTE

Text Natalie Diedrichs

Foto Mitsubishi Motors

Plug-in-Hybride sind schon ganz praktisch.

Noch mal kurz für diejenigen, die sich nicht

jeden Tag mit automobiler Antriebstechnik

beschäftigen: Ein Hybrid ist ein Benziner, der

von einem Elektromotor unterstützt wird.

Die hierfür notwendige Batterie wird größtenteils

beim Bremsen aufgeladen. Damit sind dann

kurze Strecken von zwei bis drei Kilometern rein

elektrisch möglich. Ein Plug-in-Hybrid hat im

Gegensatz dazu eine größere Reichweite, weil er

sich nicht zwingend selbst aufladen muss, zumal

man ihn auch an eine Steckdose oder Ladestation

stöpseln kann. Plug-in halt. Der Mitsubishi

Outlander schafft dadurch beispielsweise bis

zu 57 Kilometer rein elektrisch. Zwei Elektromotoren,

jeweils einer an der Vorder- und einer

an der Hinterachse, ergänzen hier den Vierzylinder-Benziner.

Während wir den japanischen Plug-in-

Hybrid-SUV ausgiebig testeten, fielen uns noch

andere recht hilfreiche Eigenschaften an ihm

auf: Zum Beispiel kann man ihn dank seines

E-Kennzeichens auf öffentlichen Parkplätzen in

Stuttgart umsonst parken – was bei Preisen von

bis zu drei Euro pro Stunde eine effiziente

Sparmaßnahme darstellt. Das Einparken an sich

verläuft ebenfalls unproblematisch, da die

Basisvariante des Outlander Plug-in-Hybrids

bereits eine Rückfahrkamera enthält. Und wenn

man erst mal aus der Stadt aufs Land fährt,

meistert er dank seines Allradantriebs auch

unbefestigte, verschneite oder steile Strecken.

Dazu sitzt es sich auf den gesteppten Ledersitzen

äußerst bequem und das digitale Cockpit vermittelt

leicht verständlich, wie viel elektrische

Reichweite noch vorhanden ist und wann die

Batterie beim Bremsen oder Bergabfahren

geladen wird.

So weit, so nützlich. Richtig lässig wird’s aber

jetzt erst: Neben all dem technologisch

anspruchs vollen Klimbim sind im Outlander

Plug-in-Hybrid nämlich noch zwei 230-Volt-

Steckdosen installiert. Also so richtige, wie zu

Hause. Laut Mitsubishi versorgen sie bis zu

1.500 Watt starke Elektrogeräte mit Strom –

Haare trocknen, rasieren oder sogar ein Gericht

im Thermomix zubereiten geht damit also auch

unterwegs. Wenn man’s denn braucht. Theoretisch

ließe sich mit der Steckdose im Outlander

sogar ein Elektroauto aufladen. Da wundert es

uns jetzt auch nicht mehr, dass er der beliebteste

Plug-in-Hybrid-SUV der Welt ist.

MITSUBISHI

OUTLANDER

PLUG-IN-HYBRID

MOTOREN

Vierzylinder-Saugmotor

+ zwei Elektromotoren

HUBRAUM

2.360 ccm

SYSTEMLEISTUNG

312 PS (229 kW)

SYSTEMMOMENT

543 Nm

bei 4.000 U/min

0–100 KM/H

10,5 s

VMAX

170 km/h

SHORT

STORIES

STÜRMISCHE ZEITEN

Text Natalie Diedrichs

Foto Nissan

Montagmorgen. Sturmtief Sabine tobt sich über

den Köpfen der Berufspendler aus. Die Ampelanlagen

an den Stuttgarter Hauptverkehrsadern

quittierten nach einer Stromspitze ihren Dienst,

Blätter und Äste fliegen herum. Fünf Polizisten

regeln im peitschenden Regen den Verkehr.

Die armen Schweine. Ich würde ihnen ja gerne

einen Tee anbieten, habe aber leider keine

Thermoskanne dabei.

Dafür einen Nissan Leaf e+. Das »e+« steht

für die leistungs- und akkustärkere Variante

des japanischen Elektroautos. 217 PS und eine

62 kWh große Batterie – macht 385 Kilometer

WLTP-Reichweite. Die sich exorbitant verringert,

weil ich mich bei den Ampelstarts einfach

nicht zusammenreißen kann. Fuß aufs Gas,

Kickdown! Das Drehmoment liegt sofort an und

der Leaf wirbelt wie ein Blatt durch den Sturm.

So flott, dass sogar der Bauch kribbelt. Definitiv

ein probates Mittel gegen wöchentlich auftretende

Montagsdepressionen. Und ein wirksames

Argument gegen die Kritik jener Mäkler, die

»rein elektrisch« immer noch für ein Synonym

für »spaßbefreit« halten.

Ich gerate ins Grübeln, während ein paar

Kilometer weiter eine Gruppe Straßenmeister

einen Baumstamm von der Strecke räumt. Was

passiert eigentlich, wenn ein Elektroauto vom

Blitz getroffen wird? Ist es dann auf einen Schlag

wieder aufgeladen? Wahrscheinlich nicht.

Faradayscher Käfig und so. Und was, wenn bei

so einem Sturm mal der Strom ausfällt? Dann

hätte man zumindest eine plausible Ausrede,

nicht zur Arbeit zu kommen. Es sei denn, eine

Bahn fährt. Ha ha.

Doch abgesehen von solchen Schreckensszenarien

schlägt sich der Leaf hervorragend,

macht sogar richtig Spaß. Und dank seiner

Mörder- Reichweite entpuppt er sich als absolut

alltagstauglich. Vorausgesetzt, man findet eine

Ladestation, die genug Power für ihn hat, um ihn

schnell aufzuladen. Die hier in unserem Reutlinger

Parkhaus lädt mit 11 kW. Heute Nacht um

3:50 Uhr wäre der Leaf dann abstöpselbereit.

Diesmal pack’ ich die Thermoskanne ein.

NISSAN LEAF E+

TEKNA

MOTOR

Wechselstrom-

Synchronmotor

BATTERIE

62 kWh

LEISTUNG

217 PS (160 kW)

DREHMOMENT

340 Nm

0–100 KM/H

6,9 s

VMAX

157 km/h

SHORT

STORIES

AUSWERTUNG

AUSWERTUNG

Erster Eindruck? Mit dem kann man sich auch auf der Schwäbischen Alb zeigen.

Wahrscheinlichkeit für ein zweites Date? Parken ist umsonst. Er bleibt einfach hier.

Ich-kann-vor-meinen-Freunden-angeben-Faktor? »Wir könnten eine PlayStation anschließen!«

Mutter-wird-nix-dagegen-haben-Faktor? »Doch, der ist schon an, Mama. Der fährt elektrisch.«

Wat für länger? Wie gesagt: Er bleibt hier.

Würde dem Händler meine Handynummer geben? Ist ’ne Kabeltrommel inklusive?

♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥

Erster Eindruck? Wie süß, ein Nasenlader.

Wahrscheinlichkeit für ein zweites Date? Ein romantisches Dinner am CHAdeMO-Ladepunkt.

Ich-kann-vor-meinen-Freunden-angeben-Faktor? »Also ich bin ja jetzt nachhaltig. Und ihr so?«

Mutter-wird-nix-dagegen-haben-Faktor? »Beim EDEKA kann man den jetzt auch laden, Mama.«

Wat für länger? Acht Jahre Garantie!

Würde dem Händler meine Handynummer geben? Wenn er mir eine Wallbox schenkt.

♥♥♥♥♥

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♥♥♥♥♥

♥♥♥♥♥



162 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Skills, Freunde!

163

SKILLS,

FREUNDE!

250, 400 oder gar 625 PS – stark kann heute jeder. Dabei liegt die wahre

Kunst im zügigen Umsetzen geringer Ressourcen. Darum: Schwung mitnehmen!

Text David Staretz

Es klingt provokant, ist aber schwer zu widerlegen:

Unsere Autos sind übermotorisiert, das

heißt, ihr Leistungsangebot übertrifft bei Weitem

die Notwendigkeit zügiger Fortbewegung. Dabei

sprechen wir nicht vom Audi Avant RS mit 600 PS,

sondern vom üblichen Renault oder Volkswagen,

Kia wie Mercedes, Ford oder Volvo.

Die teilweise sportlich, teilweise als Maßnahme

der Vernunft begründete Hochrüstung der

letzten Jahrzehnte lässt heute biedere Stoßzeiten­

Pendler über jene tobenden Feuermaschinen

herrschen, von denen einst die Anhänger von

Filippo Tommaso Marinetti, dem Begründer

des Futurismus, schwärmten. Allerdings sind

deren brennenden Manifeste eher allegorisch

zu verstehen: Niemand konnte sich Anfang des

20. Jahrhunderts vorstellen, dass man im zivilen

Straßenverkehr tatsächlich mehr als siebzig

Pferde beherrschen würde, um damit (siebzigspännig!)

durch die Gassen zu preschen.

Stark können heute alle. Damit ist im

Main stream kaum noch zu reüssieren.

Sucht man aber sparsam motorisierte Autos

in den Katalogen, findet man kaum ein Modell,

das weniger als 60 PS hat. Selbst der minderste

Lada, früher ein Garant für Untermotorisierung,

bringt 83 PS. Und der Fiat Panda, einst

unterste Kiste, stemmt mit seinen zwei Zylindern

69 PS. Einzig der VW eco up! ist mit

60-PS-Motorisierung zu haben.

Kurios: Der schwächste Aston Martin hat

98 PS. (Es ist das Modell Cygnet – Schwänchen –,

das man als eine Art Schlüsselanhänger zu

NIEMAND KONNTE SICH

ANFANG DES 20. JAHR ­

HUNDERTS VORSTELLEN,

DASS MAN IM ZIVILEN

STRASSENVERKEHR

TATSÄCHLICH MEHR

ALS SIEBZIG PFERDE

BEHERRSCHEN WÜRDE,

UM DAMIT (SIEBZIG­

SPÄNNIG!) DURCH DIE

GASSEN ZU PRESCHEN.

einem V8 Vantage oder DB9 Coupé dazubekommen

sollte. Allerdings ist das Toyota-IQ-Derivat

seit 2013 mangels Nachfrage eingestellt.) Der

kleinste Peugeot/Citroën/Toyota hat 68 PS, der

schwächste BMW üppige 140, der schwächste

Bugatti 1.001 PS (somit immerhin 199 PS

weniger als der stärkste).

Aber im Ernst: Wo sind heute noch richtig

schwach motorisierte Autos zu finden außer bei

Leichtkraftfahrzeugen – oder kurz: Mopedautos?

Marktführer Aixam aus Aix-les-Bains bietet seine

Klein-Dieselchen mit führerscheinbefreiter Spar ­

leistung an; selbst der großspurig als City GTO

bezeichnete Kleinstwagen hat nicht mehr als

8,1 PS, aber damit sollte man nicht freiwillig

kokettieren.

Also, was hat es mit meinem Spleen des

Untermotorisierten auf sich? Klimarettung in

kleinen Dosen? Ganz geheuer ist mir das selber

nicht, dennoch beschleicht mich manchmal das

Gefühl, dass unser Projekt Weltrettung von den

Autoherstellern auf einem zu hohen Niveau

abgefeiert wird, dass Autos mit 250-PS-Dieselmotoren

und vom Werk angegebenen 6,0 Litern

Normverbrauch nicht wirklich unsere Probleme

lösen werden, genauso wenig wie fahrende

Umspannwerke mit absurden Höchstleistungen.

Meine Theorie (und meine Praxis) lautet,

dass hohe Motorleistung keine Frage der

Notwendigkeit ist, sondern vielmehr eine der

Relation – nämlich zu anderen Fahrzeugen,

die in irgendeiner Art von Wettbewerb stehen.

Das ist wie beim Hochrüsten bei Slotcars.

Die hochgegitzten Folienrenner haben nur mehr

zwei Antriebsräder und eine Aerofolie als

Karosserie. Sie flitzen so schnell, dass man sie

mit bloßem Auge nicht mehr sieht.

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten,

dass der Volkswagen Golf GTI dafür verantwortlich

ist. Durch ihn wurde vor 44 Jahren der

Rennsport in den Straßenverkehr hineindemokratisiert,

gefolgt von den anderen kleinen,

süßen, frechen Giftspritzen.

Ich fand es nie ganz in Ordnung, dass

elegante Sportwagen, die sich so sehr bemühten,

mit allem, was sie darstellten, und allem, worauf

sie verzichteten, sich plötzlich von biederen

Familienbüchsen, die äußerlich nicht mehr als

ein paar verschämte Sportzitate aufbrachten,

»verblasen« lassen mussten, wie man das damals

anerkennend nannte.

Heute ist alles viel schlimmer. Heute sind es

die scheußlichen weißen Lieferwagen, die uns

auf der Autobahn hartnäckig im Nacken sitzen

und den absoluten Linke-Spur-Anspruch fordern,

ganz gleich, ob wir im Mercedes AMG GT, im MG B

von 1968 mit 90 PS oder im VW Golf R der aktu ­

ellen Generation mit mittlerweile 310 PS fahren.

Heute regelt sich die Geschwindigkeitsfrage

meist nur danach, wer den besseren Radarsensor

besitzt, die bessere Ortskenntnis oder die

stärkeren Nerven.

Ende des Exkurses.

Was ich mir in meiner Theorie (und aus der

Praxis heraus) wünsche, sind Autos, die ihre

Motorleistung aus dem Verhältnis zur Umgebung

holen und aus dem absoluten Verständnis,

dass jegliches Vorankommen ein grandioser

Fortschritt gegenüber dem Stillstand ist und

dass wir es uns eigentlich nicht mehr leisten

können, exzeptionelle Motorstärke als Deko­ und-

Ego-Material mitzuführen. Ferrari, Lamborghini,

Lotus etc. bleiben natürlich ausgenommen, denn

die betreiben Motorleistung und das ganze

Sportwagen-Commitment auf überzeugend

integrale Weise. Aber ich will keinen BMW X6 M

Competition mit 625 PS unter dem Zeichen der

Vernunft betrachten müssen. Das gilt umso

mehr für Power-Hybrids und Power-Elektriker.

Uns imponieren wohl die theatralischen Aspekte,

Opulenz und Dekadenz, aber wenn sich

ICH WÜRDE SOGAR SO

WEIT GEHEN ZU BEHAUP­

TEN, DASS DER VOLKS­

WAGEN GOLF GTI DAFÜR

VERANTWORTLICH IST.

DURCH IHN WURDE VOR

44 JAHREN DER RENN­

SPORT IN DEN

STRASSEN VERKEHR

HINEINDEMOKRATISIERT,

GEFOLGT VON DEN

ANDEREN KLEINEN,

SÜSSEN, FRECHEN

GIFTSPRITZEN.

ES IST IN GEWISSER

WEISE AUCH EIN

ENTSPANNENDES

GEFÜHL, VOLL AUF DEM

GASPEDAL ZU STEHEN

UND ZU WISSEN, DASS

MAN STÄRKER ALS DAS

AUTO IST.

einerseits der Mainstream aufmotorisiert, wir

andererseits eine Zukunft ermöglichen wollen,

müssen wir die Sache anders angehen.

An einem Kipppunkt der Übersättigung

angelangt, setzt angesichts des neuerlich sich

abzeichnenden Wettrüstens per E-Motorisierung

eine gewisse Nachdenklichkeit ein: Ob nicht

abgerüstete Motorleistung die wirklich nachhaltigen

Ergebnisse brächte und uns nebenbei alle

zu besseren Autofahrern (bei geringerem

Kraftstoffverbrauch) machte?

Skills, Freude! Denn mit wenig Leistung

auszukommen erscheint mitunter anspruchsvoller,

als immer nur dröge ins Volle zu steigen.

Reduzierte Motorleistung verdammt nicht zum

Dahinzuckeln. Im Gegenteil, erst mit untermotorisierten

(und abgespeckten) Fahrzeugen kann

man wirklich Fahrtalent beweisen, indem man

die spärlichen Ressourcen mit Schwung,

Geschicklichkeit und Vorausschau so einsetzt,

dass man zügig unterwegs ist. Es ist in gewisser

Weise auch ein entspannendes Gefühl, voll auf

dem Gaspedal zu stehen und zu wissen, dass

man stärker als das Auto ist. Dass man es selber

besser könnte, aber das Maschinchen eben nicht.

Man spürt wieder Steigungen, erfreut sich an

Gefällen, berechnet Kurven voraus und fühlt die

Kraft der Abendkühle, wenn die Zylinderfüllung

dichter wird.

Den Nebeneffekt der Kraftstoffeinsparung

und Abgasreduktion können wir uns als Elektroverzicht

anrechnen lassen.

In gewisser Weise rührt mich das und

erinnert an Zeiten, als 21 PS im Renault 4CV

(mein erstes Auto) die Welt waren und ein auf

70 PS frisierter Puch 500 als Granate galt.

Nostalgiealarm? Vielleicht. Aber oft ist es nur

eine Sache des sogenannten Wordings. So spricht

man heute in der modernen Motorentechnik von

Downsizing – und sobald ein cooles englisches

Idiom für eine Sache gefunden wurde, ist es ja

schon fast wieder ein Hype.

SHORT

STORIES



164 Short Stories ramp #49

Higgledy Piggledy Alternative Facts

165

Er sah den langen, langsamen Pazifikwellen zu,

die über den Sand heranrollten, und wartete

und wartete auf das Nichts, das, wie er wusste,

jeden Moment passieren würde. Als die

Zeit kam, dass es nicht passierte, passierte es

pflichtgemäß nicht, und so verläpperte sich der

Nachmittag, die Sonne ging hinter der langen

Horizontlinie des Meeres unter, und der Tag war

zu Ende.

Aus Douglas Adams, »Macht’s gut, und danke

für den Fisch«

Schweigend hing eine Katastrophe um ihn herum

in der Luft und wartete, dass er sie bemerkte.

Aus Douglas Adams, »Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele«

WENN MAN EINE KATZE AUSEI-

NANDERNEHMEN WILL, UM ZU

SEHEN, WIE SIE FUNKTIONIERT,

HAT MAN ALS ERSTES EINE

NICHT FUNKTIONIERENDE KATZE

IN DEN HÄNDEN.

Douglas Adams

STRASSEN? WO WIR HINFAHREN, BRAUCHEN WIR KEINE STRASSEN!

Aus »Zurück in die Zukunft II«

Die Basis einer

gesunden Ordnung ist

ein großer Papierkorb.

Kurt Tucholsky

I accept chaos. I’m not sure

whether it accepts me.

Bob Dylan

AUCH DAS CHAOS

GRUPPIERT SICH UM

EINEN FESTEN PUNKT,

SONST WÄRE ES NICHT

EINMAL ALS CHAOS DA.

Arthur Schnitzler

DAS IST KEINE UNORD­

NUNG, HIER LIEGEN NUR

ÜBERALL IDEEN HERUM!

Unbekannt

FÜR VIELE MÄNNER IST AUTO­

FAHREN WIE SEX: DIE FRAU

SITZT TEILNAHMSLOS DANEBEN

UND RUFT IMMER: »NICHT SO

SCHNELL, NICHT SO SCHNELL!«

Harald Schmidt

Wenn ein unordentlicher

Schreibtisch einen unordentlichen

Geist repräsentiert, was

sagt dann ein leerer Schreibtisch

über den Menschen, der

ihn benutzt, aus?

Albert Einstein

Umgehungsstraßen sind sinnreiche Gebilde, die es einigen Leuten erlauben,

sehr schnell von Punkt A nach Punkt B zu sausen, während andere Leute sehr

schnell von Punkt B nach Punkt A sausen. Leute, die am Punkt C wohnen, der

genau in der Mitte dazwischen liegt, fragen sich oft verzweifelt, was an Punkt

A so phantastisch ist, dass so viele Leute von Punkt B so versessen darauf

sind, unbedingt dahin zu wollen. Oft wünschen sie sich, die Leute würden sich

einfach mal endgültig entscheiden, wo sie denn, verdammt noch mal, sein

möchten.

FRAUEN TUN FÜR IHR ÄUSSE-

RES DINGE, FÜR DIE JEDER

GEBRAUCHTWAGENHÄNDLER INS

GEFÄNGNIS KOMMT.

Nick Nolte

EIN KOPF VOLLER

KRAUT UND RÜBEN –

MIT MANCHERLEI

TOLLHEITEN AUCH –

IST DER BESTE NÄHR-

BODEN KREATIVER

PROZESSE.

Erwin Koch

SHORT

STORIES

Wenn du

immer alle

Regeln befolgst,

verpasst du den

ganzen Spaß.

EINES DER BESTEN MITTEL GEGEN DAS ALTWERDEN IST DAS DÖSEN AM

STEUER EINES FAHRENDEN AUTOS.

Juan Manuel Fangio

Katharine Hepburn

Aus Douglas Adams, »Per Anhalter durch die Galaxis«



166

NACHGEFAHREN

ROUND ABOUT

Text Michael Petersen

Illustration Sandra Stephan

Eine Formel 1-Rennstrecke mit Zebrastreifen. Fuß vom Gas,

weil eine Dame im Pünktchenkleid passiert. Wo wir sind,

wird der eine oder andere bereits erraten haben: mitten auf

dem Boulevard Albert 1er, oder anders gesagt, auf der

Start-und-Ziel-Geraden der Formel 1-Rennstrecke von

Monaco. Nirgendwo sonst lässt sich ein Grand Prix-Kurs so

leicht nachfahren, noch dazu kostenlos. Nach der Sainte-

Dévote geht es steiler bergauf, als es das TV-Bild vermittelt.

Beau Rivage, Massenet, schon schauen wir auf eine Versammlung

von Supersportwagen vor dem Kasino. Obwohl der VW

California frisch gewaschen ist, fordert ein streng dreinschauender

Herr mit nachdrücklichem Winken zur Weiterfahrt

auf.

Zwischen Mirabeau Haute und Mirabeau Bas das Grandhotel

Hairpin. Die Formel 1-Fahrer schalten in den ersten

Gang zurück. Wenig später der Tunnel unter dem Fairmont

Hotel hindurch. Die Rennwagen schaffen knapp 300 km/h.

Wir nicht. Tabac und Piscine. Mit Schwimmbad ist nicht der

Jachthafen gemeint. Ihn sehen wir zur Linken, bis es gilt, die

Rascasse anzubremsen. Zweimal rechts herum, der Kreis ist

geschlossen. So eindrucksvoll die Runde ist, frei ist sie

keinesfalls. Vespas und Wohnmobile, Skoda Kombi-Diesel und

Lamborghini Aventador SVJ, Linien- und Reisebusse, alle

vereint im Schneckentempo.

In der Formel 1 teilen sich nur 20 Rennwagen 3,337 Kilometer

Piste. Wie chaotisch muss man sich das vorstellen?

Schnell mal bei Bernd Mayländer, Fahrer des Safety Car,

nachfragen. Mayländer absolvierte in zwanzig Jahren 368

Safety Car-Einsätze und schüttelt sofort eine Geschichte aus

dem Ärmel: »Skurril war ein Einsatz 2004. Vor dem Tunnel

hatte ich das Feld im Rückspiegel, danach keinen mehr.« Nach

Momenten der Ungewissheit sah Mayländer einen Ferrari mit

abgeknicktem linkem Vorderrad aus der Dunkelheit schlittern.

Was war passiert? Michael Schumacher hatte stark

verzögert, um die Bremsen aufzuwärmen. Juan Pablo Montoya

im Williams-BMW schob den Ferrari in die Leitplanken.

Da war das Rad ab.

Der VW California beendet seine Runde auf allen vier

Rädern. Wir suchen erst einen Parkplatz (Glück gehabt) –

dann einen Kaffeehaustisch im Viertel La Condamine, unweit

des Boulevard Albert 1er. Noch mehr Glück gehabt.

SHORT

STORIES

WAS BRAUCHE ICH?

→→

→→

→→

→→

Boulevard du Larvotto

Rue Grimaldi

Start/Ziel

19

Anthony

Noghés

Boulevard Albert 1er

Sainte Dévote

16

17

15

13

14

Avenue de la Porte Neuve

Boulevard de la Princesse Charlotte

12

Louis Chiron

Piscine

18

La Rascasse

Geduld. Dass für 3,337 Kilometer viel Zeit vergeht, liegt

weniger an mangelnder Streckenkenntnis als an den vielen

Konkurrenten auf der Strecke.

Kohle. Man will sich in Monte Carlo ja auch mal was gönnen.

Einen Kaffee oder eine halbe Stunde parken oder so.

Ordentliche Klamotten oder ein starkes Selbstbewusstsein.

Zwei oder vier Räder. Für die Rundenzeit spielt die Fahrzeugwahl

überhaupt keine Rolle.

1

Tabac

Port Hercule

Beau Rivage

11

2

10

Nouvelle

Chicane

Boulevard des Moulins

MIT WELCHEN PROBLEMEN

MUSS ICH RECHNEN?

→→

→→

→→

Streckensperrungen. Beim

Aufbau des Kurses mit

Leitplanken oder Tribünen

und den Rennen.

Großer Preis von Monaco:

21.–24. Mai 2020. Startzeit

15:20 Uhr.

Grand Prix Historique:

8. – 10. Mai 2020.

Casino

4

Massenet

3

Grand Hotel

Hairpin

6

WAS SOLLTE ICH MINDESTENS

EINMAL MACHEN?

→→

→→

Einen Orangensaft im

Yacht Club de Monaco

bestellen. Das fürstliche

Ambiente ist weit mehr als

15 Euro wert.

Auf YouTube eine Onboard-Runde

mit Ayrton

Senna anschauen. Wilder

geht Monaco nicht.

5

9

Mirabeau

Haute

Mirabeau

Bas

7

Tunnel

W

N

S

WORAUF MUSS ICH

VERZICHTEN?

→→

8

Portier

E

Auf eine gute Rundenzeit.

Zum Vergleich: Die

Trainingsbestzeit von

Lewis Hamilton im

Mercedes ist 1:10,116

Minuten. Nicht Stunden,

wie bei uns mit dem VW

California.

SOUNDTRACK?

→ →

→ →

»Time Is on My Side«

(Rolling Stones)

»Der Spieler«

(Achim Reichel)

167



168 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Schöner Parken

169

SCHÖNER

PARKEN

Er ist einer der erfolgreichsten Start-up-Unternehmer Deutschlands –

und er hatte eine neue Idee. Der Mann heißt Nikita Fahrenholz, die Firma

nannte er Fahrengold und das Produkt ist eine High-End-Garage.

Übrigens: Einen Businessplan gab es nie.

Text

Matthias Mederer

Foto

Fahrengold

SHORT

STORIES

Nichts Digitales. Sondern etwas ziemlich Analoges,

Schönes – und tatsächlich Neues. 2010

gründete der Berliner Nikita Fahrenholz den

Bringdienst Lieferheld, der von Delivery Hero

übernommen wurde, danach die Firma Book A

Tiger, eine Plattform für Reinigungsdienstleistungen

– und nun eben Fahrengold. Dabei geht es

natürlich nicht um irgendwelche Nullachtfünfzehn­

Carports. Sondern um konfigurierbare

Luxus­ Garagen, deren Design vom Apple inspiriert

ist, mit großen Glasflächen, vier Millimeter

starken, Pulver-beschichteten Aluminium-Wänden

– und mit einer Temperaturregelung auf

Nachkommastelle, die natürlich per App steuerbar

ist. Gegründet hat Fahrenholz das Unternehmen

mit dem Architekten Michael Schultz, später kam

Maximilian Knüppel als Managing Partner dazu.

Herr Fahrenholz, den Witz müssen wir jetzt machen:

Die Idee zur Garage hatten Sie nicht zufällig auch

noch in einer Garage?

Nikita Fahrenholz: Nein. Um ehrlich zu sein, eine

legendentaugliche Geschichte gibt es gar nicht.

Letztendlich basiert Fahrengold auf Beobachtungen:

Schon während ich noch bei Book A Tiger

war, fielen mir immer wieder Häuser auf, die

zwar architektonisch schön waren, aber Standardgaragen

hatten, manche sogar lediglich

einen unansehnlichen Carport. Gleichzeitig

standen darin oftmals Premiumautos. Ich rede

jetzt nicht von Luxusvillen, die komplett samt

Garage entworfen wurden, sondern vom Einfamilienhausbereich.

Und irgendwann stand da

die Frage im Raum: Warum gibt es kein Unternehmen,

bei dem ich mir eine coole Garage

konfigurieren kann und die nach drei Wochen

geliefert wird?

Und dann macht man das einfach selber? Ist das Ihr

typischer Start-up-Spirit?

Fahrenholz: Sagen wir so, als ich bei Book A

Tiger raus bin und mir eine Auszeit nahm, baute

ich zunächst mein Haus um und beschäftigte

mich darum mit meinem Architekten Michael

Schultz sehr viel mit dem Design und der

»WARUM GIBT ES KEIN

UNTERNEHMEN, BEI DEM

ICH MIR EINE COOLE

GARAGE KONFIGURIEREN

KANN UND DIE NACH

DREI WOCHEN GELIEFERT

WIRD?«

Funktionalität eines Gebäudes. Anschließend

fragte ich ihn: »Wie schaut’s aus, hast Du Lust,

mir mal eine Garage zu entwerfen?« Das Lustige

daran ist, dass Micki überhaupt keinen Bezug zu

Autos hat. Man muss sich nur anschauen, was er

fährt.

Verraten Sie, was es ist?

Fahrenholz: Ich weiß es gar nicht genau.

Max, weißt Du das?

Maximilian Knüppel: Ich glaube, es ist so ein

asiatisches Familienauto. Ein Daihatsu?

Fahrenholz: Das Raumangebot ist jedenfalls

exzellent. Ich war ganz überrascht.

Und trotzdem war und ist Michael Schultz nach wie

vor dabei.

Fahrenholz: Ja. Er fand die Idee sehr spannend,

denn für gewöhnlich entwirft er Individuallösungen,

große Villen, solche Dinge. Er fing an,

ein paar Skizzen anzufertigen und gab sie mir;

ich habe dann selber ein bisschen darin rumgekritzelt.

Diese Beschreibung trifft es am ehesten,

denn ich kann nicht wirklich zeichnen. Wir

spielten uns dann den Ball hin und her – und da

ich zu der Zeit eh nichts zu tun hatte, sagten wir

irgendwann: Komm, wir bauen das Ding jetzt

einfach mal, im schlimmsten Fall wird es

irgendeine hässliche Kiste, die ich mir dann eben

in den Garten stelle.

Es hätte eine sehr teure hässliche Kiste werden

können.

Fahrenholz: Das stimmt. So ein Experiment

– und es war tatsächlich ein Schuss ins Blaue –

muss man sich natürlich leisten können, aber

hier bin ich in der glücklichen Situation, dass so

etwas geht, ohne dass ich mich dafür verschulden

müsste. Und so suchten wir nach einem

Konstrukteur, zogen einen Metallbauer hinzu

und fingen an. Rückblickend kann ich schon

zugeben, dass ich da mit der Arroganz eines

Softwareentwicklers heranging und mir schnell

eingestehen musste, dass so eine Konstruktion

vielleicht doch ein bisschen mehr Zeit benötigt.



170 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Schöner Parken

171

Woran lag das?

Fahrenholz: Ich habe mir zu jedem Detail

Gedanken gemacht: Welches Material nehmen

wir, wie müssen die Spaltmaße sein, welche

Schrauben benutzen wir? Es war von Leidenschaft

getrieben und wir arbeiteten for free.

Am Ende war es eine fast eineinhalbjährige

Prototypisierungsphase. Und schließlich kam

der Tag, an dem wir davorstanden, ein bisschen

wie die drei von der Tankstelle. Und wir fanden

es super! Schon der Prototyp war extrem hochwertig,

alle Kanten, Spalten, Flächen passten wie

bei einem MacBook Pro. Das war auch der Punkt,

an dem wir beschlossen, die Garage jemandem

zu zeigen. Wir dachten: Wenn wir jemanden

finden, der Lust drauf hat und es kaufen will,

freuen wir uns.

Es gab und gibt bis heute keinen Businessplan?

Fahrenholz: Nein, gab es nie. Ich habe nie einen

geschrieben, keine Investorengespräche geführt,

keine Kalkulationen oder Prognosen aufgestellt.

Nichts. Es war und ist die reine Arbeit am

Produkt; immer designgetrieben und gleichzeitig

auf Funktionalität ausgelegt. An dem Punkt

wollten wir keine Kompromisse machen. Es geht

uns darum, das Auto zu präsentieren, für seinen

Besitzer, aber auch für andere, je nachdem, was

der Kunde möchte. Wir wollen nicht über die

technischen Features verkaufen. Die Garage hat

zwar alles und kann mehr als eine normale

Garage – so gibt es sogar eine eigene App für die

Steuerung aller Funktionen. Aber es geht vor

allem darum, dass man etwas sieht und es

schön finden darf. Wir wollen den Wow-Effekt.

Knüppel: Und trotz geringer Werbemaßnahmen

– ein bisschen Social Media, ein, zwei

kleinere Events – bekamen wir schon richtig

gutes Kundenfeedback. Da ist zum Beispiel ein

Kunde aus Schweden, der sagte, mein Wohnzimmer

ist komplett verglast mit Blick auf den

Fjord, und ich hätte jetzt gerne eine Garage

daneben, in der das Auto geschützt hinter Glas

steht, sodass ich es von meinem Sofa aus sehen

kann.

»IM GRUNDE BIETEN

WIR DAS KLEINSTE

AUTO-MUSEUM DER

WELT AN.«

Sie haben nie recherchiert, ob es nicht irgendwo auf

der Welt schon ein ähnliches Geschäftsmodell gibt?

Fahrenholz: Zu Beginn nicht, nein. Irgendwann

ging es dann darum, ob wir weiter Geld in das

Projekt investieren. An diesem Punkt haben wir

selbst ein bisschen gegoogelt und festgestellt,

dass es nichts Vergleichbares gibt. Aber das war

nie der Primärtreiber. Ich will es einfach

machen, weil es sinnvoll ist. Manche mögen

sagen, das ist naiv oder kindlich, aber ich fand es

immer schon gerechtfertigt.

Knüppel: Hinzu kommt ja, dass es einen Milliardenmarkt

rund ums Automobil gibt. Der setzt

sich aus Herstellern, Zulieferern, Kunden,

Liebhabern, Restauratoren oder Medien zusammen.

Aber dieser Markt dreht sich primär um

das Auto selbst. Dieser Wunsch, dem Auto auch

eine Plattform zur individuellen Präsentation zu

bieten, dieser Markt wird aus unserer Sicht

aktuell nicht bedient.

Fahrenholz: Im Grunde bieten wir das kleinste

Auto-Museum der Welt an.

Knüppel: Es gibt wie gesagt die Individuallösungen

von Architekten, die das bei der Planung

eines Hauses berücksichtigen, aber im Bereich

Fertiggaragen gibt es keine High-End-Angebote,

sondern lediglich Betonfertiggaragen, die per

Lkw angeliefert werden, immer gleich aussehen

und mit einer DIN-Breite von rund 2,50 Metern

produziert werden. Wir dagegen verwenden

kaum Standardteile, zudem ist der Fahrengold

FG1 fast vier Meter breit. Wir bewegen uns damit

genau in der Nische zwischen Standardgarage

und Individuallösung. Und wir sind auch erst

am Anfang. Wir nehmen uns bewusst Zeit,

haben keinen Druck, rasch wachsen zu müssen,

und müssen keine Investoren glücklich machen.

Wir wollen ein gutes, handwerklich hergestelltes

Produkt anbieten.

Lassen sich mehrere Garagen zu einer größeren

kombinieren?

Knüppel: Der Fahrengold FG1 ist ein Produkt für

ein Auto. Das hat auch statische Gründe. Wir

arbeiten aber natürlich an weiteren Lösungen.

Fahrenholz: Es kommt auch auf den Kundenwunsch

an: Ein Kunde aus Berlin hat gerade drei

FG1 geordert und stellt sie sich nebeneinander.

Gab es auch schon verrücktere Anfragen?

Fahrenholz: Einen FG1 komplett aus Gold für den

solventen Kunden aus Abu Dhabi – so etwas in

der Art? Nein, das hatten wir noch nicht. Was

aber schon angefragt wurde, war die Möglichkeit,

einen Autoaufzug in unseren FG1 zu

integrieren – als Zugang zu einer unterirdischen

Großraumgarage. Da mussten wir absagen. Wir

arbeiten aber aktuell mit einem Partner an einer

Lösung.

Fahrengold-Gründer

MICHAEL SCHULTZ (links)

und NIKITA FAHRENHOLZ.

→ fahrengold.com



172 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Cybertruck Typ DiY

173

CYBERTRUCK

TYP DIY

SHORT

STORIES

Nix LED – eine Neonröhre tut

es auch.

Für die großzügig bemessenen

Scheiben ist Plexiglas die

richtige Wahl.

Wer es schnell, einfach und

billig mag, greift zur Schere.

Bei »Fold Up Toys« lässt sich

sogar ein echter Papier-Tesla

herunterladen.

Text

Michael Petersen

Illustration

Carmen Krafft

Der Tesla Cybertruck soll von Ende 2021 an ausgeliefert werden.

Wer so lange nicht warten möchte, sollte eine russische Vorlage aufgreifen.

Das Plagiat ist so gut gemacht, dass die Ähnlichkeit mit dem Original

unverkennbar ist. Immerhin. DiY – do it yourself!

Plattenbauten sind in Russland weit verbreitet.

Passend dazu mag man sich die Garagen und

Werkstätten vorstellen, die zu ihren Füßen

zusammengeschustert wurden. In so einer

Mini-Factory haben sich tapfere Männer versammelt,

um ihren ganz eigenen Cybertruck auf

die Straße zu bringen. So viel vorweg. Erstens:

das ist gelungen. Und zweitens: Wenn diese

Herren das schaffen ... Also: frisch ans Werk!

Um dem Vorgehen des Teams nachzuspüren,

bedarf es keiner Industriespionage. In einem

48:14 Minuten währenden Videoclip geben die

Enthusiasten preis, was sie neben einer großen

Portion an Idealismus für die Erfüllung ihres

Tesla Traums benötigen: schwere Hämmer, eine

robuste Flex, ein Autogenschweißgerät, eine

stattliche Lieferung an Vierkantstahlrohren

sowie einige Quadratmeter Blech. Ach ja, fahren

soll der Apparat ja auch noch. Als technische

Basis haben unsere russischen Freunde einen

Lada auserkoren, vermutlich ist es ein arg

GUT, ZUGEGEBEN, EINEN

GROSSEN UNTERSCHIED

ZU ELEKTRO-PIONIER

TESLA GIBT ES BEI

DEM RUSSISCHEN

PLAGIAT: DEN VORTRIEB

BESORGT EIN VERBREN-

NUNGSMOTOR.

heruntergekommener Typ 110. In der Preislage

um 500 Euro lässt sich gewiss in so ziemlich

jedem Landstrich ein Gefährt ähnlich robuster

Bauart finden.

Die Flex trennt das Dach ab und schafft in den

Radhäusern Raum für fettere Räder. Das

Schweißgerät verbindet die Vierkantrohre

oberhalb der Gürtellinie des Fahrzeugs zu einem

Sicherheits(?)-Käfig. Die Bleche werden über

dieses Gestell gestülpt, mit Schweißpunkten

fixiert und an den Kanten feingeschliffen.

Weil wir das Thema Elektromobilität weit

umfahren, bedarf es Kühlschlitzen im Bereich

der Front.

Die russische Interpretation stört die klaren

Linien nicht, ist dem Augenschein nach aber für

eher sibirische Temperaturen ausgelegt. Fehlt

noch die Beleuchtung. Dafür könnten Neonröhren

verwendet worden sein, vorne weiß, hinten

orange eingefärbt. Für die Radkappen genügen

kreisförmig ausgeschnittene Blechformen. Das

unveränderte Lada Interieur ist durch passend

zurechtgeschnittene und per Bemalung abgedunkelte

Kunststoffscheiben einigermaßen gut

erkennbar. Ohne Furcht vor Markenrechtsverfahren

haben die russischen Tesla Fans darauf

das Tesla Wappen eingraviert. Ach ja, keinerlei

Türen bieten Zugang, das Kraxeln durch die

Heckklappe aber schon.

Tatsächlich, der Cybertruck 0.2 lässt sich in

Bewegung setzen, und das sogar recht flott. Per

Videobeweis lässt sich die belegen und ebenso,

dass ein zweites Ziel erreicht wurde: das

Erzielen der größtmöglichen Aufmerksamkeit

aller Passanten.

Wer darauf nicht so viel Wert legt, aber dafür

auf Sauberkeit und rasche Erfolge, dem sei ein

Bastelbogen von »Fold Up Toys« empfohlen. Der

lässt sich aus dem Netz herunterladen. Ausdrucken,

falten, schneiden, kleben, fertig.

IM NETZ WIRD VER-

MELDET, DASS DER

FUTURISTISCHE RUS-

SEN-SCHLITTEN

KÄUFLICH ERWORBEN

WERDEN KANN. AUF-

GERUFEN SIND 666.666

RUBEL. DAFÜR LASSEN

SICH 190 QUADRAT-

METER STAHLBLECH

ERSTEHEN. DAS REICHT

FÜR 19 CYBER- TRUCK-

REPLIKAS. FEHLEN NUR

NOCH 19 LADAS ALS

UNTERSATZ.

Kotflügelverbreiterungen

bieten Platz für Breitreifen –

und schon ist das Lada

Fahrverhalten vergessen.

Alles nur Fake? Wer nicht alles glauben mag,

dem sei die Autorevue-Story samt Video ans

Herz gelegt:

→ autorevue.at/kurioses/tesla-cybertruckrussland



174 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Myle & More

175

MYLE & MORE

Sie sind Anfang zwanzig, hatten eine Idee und setzten sie um. MYLE heißt das Festival, das

in diesem Jahr zum ersten Mal in München stattfindet. Dabei geht es um nichts weniger als

die Zukunft.

Text

Michael Petersen

Fotos

MYLE

»Das Festival mit dem Schönsten, Schnellsten und

Spannendsten, das uns bewegt.« So lautet die

Unterzeile und das Versprechen von MYLE –

Munich’s Mobility Festival. Das klingt vielversprechend.

Auf dem Event, das in diesem Jahr zum

ersten Mal stattfindet, geht es um das Betrachten

oder sogar Probefahren von Produkten der

Premiumhersteller Koenigsegg, BMW, McLaren,

Harley-Davidson, Brabus, Automobili Pininfarina,

Bugatti oder Pagani und einigen mehr. Und

natürlich geht es nicht nur um Fahrzeuge:

»Zwischen Betrachten, Diskutieren und Informieren

bleibt auf jeden Fall Zeit für ein gutes Glas

Wein«, sagt Organisator Fabian Steindorf. Auch

die Location ist nicht unspannend: Im Kesselhaus

& Kohlebunker in München finden sonst vorrangig

Konzerte statt.

So neu wie das Konzept ist, so jung sind auch ihre

Erfinder. Robin Tiburtius, Lennart Vogt und

Fabian Steindorf, alle zwischen 22 und 24 Jahre

alt, lernten sich an der Universität kennen.

Zwischen ihren Vorlesungen kümmerte sich das

Trio um das Vermieten von Luxussportwagen, das

Handeln mit Privatjets und um das Thema Messe.

Die Idee zu MYLE wurde geboren, Klausuren

wurden trotzdem geschrieben, die Notenschnitte

blieben gut.

In den Anfängen lag der Schwerpunkt zunächst

auf Sportwagen, allerdings soll es bei

MYLE auch um die Zukunft der Fortbewegung

gehen. Und im Gespräch wird deutlich, dass das

Auto von den Dreien nicht uneingeschränkt als

zukunftsfähig angesehen wird. »Es geht um

Mobilität und den Spaß daran«, so Fabian

Steindorf, »heute wie morgen.« Und das mit vier

oder zwei Rädern – oder ganz ohne. Harley zeigt

SHORT

STORIES

den Elektroantrieb, Luxusboote von Frauscher

Yachten docken an. »Mit den Prototypen der TUM

Hyperloop greifen wir sogar eine Mobilität auf,

wie sie in drei oder vier Jahrzehnten aussehen

kann«, sagt Initiator Steindorf.

Ob es leicht war, die namhaften Marken ins

Festival einzubinden? Rasche Antwort von

Steindorf: »Das kann ich absolut verneinen!« Jeder

wollte der Letzte sein, der mitmacht, keiner der

Erste. Es ist wohl der Hartnäckigkeit der Macher

und des engagierten Beirats mit guten Kontakten

zur Industrie zu verdanken, dass sich in München

eine stattliche Liste an hochkarätigen Unternehmen

vorstellen wird.

Begleitet wird die Schau von Gesprächsrunden zur

Mobilität der Zukunft. Dabei gehört das Thema

E-Fuels ebenso dazu wie das innerörtliche Reisen

durch die Luft. »In den nächsten zwei, drei Jahren

werden Lufttaxis wohl noch nicht abheben«, ist

Steindorf überzeugt, »aber früher oder später

werden wir das erleben.«

Natürlich sehen Robin Tiburtius, Lennart Vogt und

Fabian Steindorf in dem Konzept von MYLE selbst

jede Menge Zukunft. So soll es nicht bei dieser

ersten Ausgabe des Mobilitätsfestivals bleiben, ein

Jahres-Turnus ist bereits fest eingeplant, weitere

Projekte außerhalb dieses Events sollen hinzukommen.

»Jetzt schauen wir voller Elan, Begeisterung

und Freude auf den 17. bis 19. April«, sagt Fabian

Steindorf. Wie sagte Sartre so schön? »Die Jugend

hat Heimweh nach der Zukunft.«

Alle Informationen zum Event auf

→ myle-festival.com

»ES GEHT UM MOBILITÄT

UND DEN SPASS DARAN,

HEUTE UND MORGEN«

Vom 17. bis 19. April geht es im Norden Münchens um Träume,

Leidenschaft und Emotionen. Mittendrin bieten exklusive

Caterer kulinarische Höhepunkte, DJs aus ganz Deutschland

bringen MYLE sogar zum Tanzen.

Mobility von morgen in einem spektakulären

Ambiente: Von dem rund hundert Jahre alten

Kesselhaus ist nicht nur die Hülle

erhalten. Aus der einzigartigen Architektur

aus Stahl und Glas ragen Rohre hervor,

Kessel sind zu erkennen, antike Armaturen

scheinen für den nächsten Einsatz bereit.

Bei dem diesem Kesselhaus vorgelagerten

Kohlebunker handelt es sich um Reste der

1916 gegründeten Bayerischen Geschützwerke

Friedrich Krupp, einer Waffenschmiede

mit damals 2.000 Mitarbeitern.



176 Short Stories

ramp #49

Higgledy Piggledy

Erleuchtet

177

ERLEUCHTET

Die Reise beginnt mit einem Schauspieler, den man nicht vergessen sollte,

in einer sehr hellen Nacht auf einer Gracht in Amsterdam. Und sie geht

weiter im neuen Superb iV von Škoda bis nach Den Haag.

SHORT

STORIES

Text Michael Sönke

Fotos Škoda

Von dem Schauspieler Harry Dean Stanton

stammt der Satz: »Silence is the most powerful

state.« Für alle, die nicht sofort wissen, woher sie

den Namen kennen: Stanton stolperte in »Paris,

Texas« durch die texanische Wüstenlandschaft,

suchte in »Alien« seine Katze, spielte in »The

Green Mile« oder »Die Klapperschlange«. Als

»eine der bedeutenden Randfiguren des amerikanischen

Kinos« wurde er einmal bezeichnet

und der US-Filmkritiker Roger Ebert formulierte

die »Stanton-Regel«, nach der ein Film, in

dem Harry Dean Stanton eine Nebenrolle spielt,

nicht völlig schlecht sein kann. Wohl wahr. In

jedem Fall wusste der Schauspieler, der vor drei

Jahren mit 91 Jahren starb und bei dem selbst die

»New York Times« nicht wusste, ob es Frauen

oder Kinder gibt, die in diesem Moment besonders

um ihn trauern, sehr viel über Licht und

Schatten und über die Intensität von Stille.

Vielleicht hätte ihm diese Reise gefallen, die

auf dem Wasser beginnt, mit einer Fahrt durch

die Grachten der niederländischen Hauptstadt.

Von Wellenschlag keine Spur, dafür leuchtet es

an allen Ecken und Enden – gerade findet das

Amsterdam Light Festival statt. Zum achten Mal

haben die Stadt, Architekten und Lichtkünstler

zusammengearbeitet, um der Öffentlichkeit die

spektakulärsten Werke zu präsentieren. Brücken

erstrahlen wie Regenbögen, Schriftzüge phosphoreszieren

in der Dunkelheit, das Wasser

reflektiert die illuminierten Fassaden aus dem

17. Jahrhundert. Mit gedämpften Stimmen

weisen wir uns gegenseitig auf einzelne Glanzlichter

hin. Natürlich ertappt man sich beim

Gedanken, dass es dieses Lichterfestival ohne

Strom nicht geben würde – und dass der

Umstieg in ein Elektroauto am nächsten Morgen

darum besonders passend erscheint. Dabei

handelt es sich um den Superb iV von Škoda. Im

reinen E-Betrieb geht es hinaus aus der Stadt.

85 kW (115 PS) Leistung und 330 Nm Drehmoment

des E-Motors reichen vollkommen aus, um

im Verkehr mitzuschwimmen. Das Spitzentempo

liegt bei 140 km/h. Na also. Alles läuft wie

SILENCE IS THE MOST

POWERFUL STATE.

selbstverständlich ab, die Frau am Steuer nutzt

den Begriff »solide« als Kompliment. Der Mann

daneben spricht vom Gefühl des vertrauten

Vertrauens, das auch dieser Škoda bietet. Viel

Komfort, sehr viel Platz, prima Verarbeitung.

Wir überlegen, ob wir das Album »Partly

Fiction« von Harry Dean Stanton hören sollen,

entscheiden uns aber dagegen. Stanton war auch,

was wenige wissen, ein sehr guter Musiker. Aber

vielleicht braucht man für seine blueslastige

Musik ein wenig mehr Wüste. Aber zurück zum

Auto, zurück nach Europa:

Der Superb iV ist der erste Plug-in-Hybrid

aus Tschechien, der Octavia iV steht bereits in

den Startlöchern. Škoda Vorstandschef Bernhard

Maier hält fest: »Wir haben uns vorgenommen,

die CO 2 -Emissionen unserer Fahrzeugflotte bis

2025 um 30 Prozent gegenüber 2015 zu reduzieren.«

Einen Beitrag dazu leistet der rein elektrische

Citigo-e-iV. »Bis Ende 2022 werden wir

mehr als 30 neue Modelle vorstellen«, sagt

Bernhard Maier, »davon werden wir zehn

Modelle komplett oder teilweise elektrifizieren.«

Im Superb iV hat die Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie

eine Kapazität von 37 Ah und 13 kWh

Energie. Der riesige Kofferraum wird von dem

im Unterboden vor der Hinterachse untergebrachten

Energiespeicher kaum geschmälert.

Wir erfahren, dass der Akku zu Hause an der

normalen Steckdose binnen fünf Stunden auf -

geladen wird. Über eine Wallbox mit einer Lade -

leistung von 3,6 kW klappt das in 3,5 Stunden.

War da was? Nach 50 Kilometern geht ein

leiser Ruck durch den Wagen. Nun spielt der

Verbrenner mit. Wir spielen wenig später auch.

Vom Hybrid-Modus wechseln wir in den

Sport-Modus. Noch hat die Batterie Reserven.

Die gebündelte Power von E-Antrieb und dem

1,4-Liter-TSI mit 115 kW (156 PS) liefert eine

Systemleistung von 160 kW (218 PS) und 400 Nm

Drehmoment. Es geht echt flott voran. Ein Blick

aufs Datenblatt verrät: 0 bis 100 km/h in 7,8

Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h.

Den ersten Wert glaubt man nach einem kräfti-



178 Short Stories ramp #49

178

ŠKODA SUPERB IV

MOTOR

Vierzylinder-Turbomotor

+ Elektromotor

HUBRAUM

1.395 ccm

LEISTUNG

218 PS (160 kW)

Drehmoment

400 Nm

0–100 KM / H

7,7 s

VMAX

224 km/h

DER RIESIGE KOFFER­

RAUM WIRD VON DEM IM

UNTERBODEN VOR DER

HINTERACHSE UNTER­

GEBRACHTEN ENERGIE­

SPEICHER KAUM

GESCHMÄLERT.

gen Spurt gerne, den zweiten kann – oder besser:

will – man in den Niederlanden nicht überprüfen.

Die letzten Meter legen wir im E-Modus

zurück. Nun übernimmt die E-Maschine die

ganze Arbeit. Welch ein Glück, am Stadtrand von

Den Haag findet sich eine freie Ladesäule. Beim

Gang rund ums Auto fällt einem allerdings keine

Ladebuchse auf. Also noch ein Blick ins Bordbuch.

Alles klar – die entsprechende Klappe befindet

sich gut getarnt links in der Kühlermaske. Škoda

hält sich somit beim optischen Auftritt der

Elektromobilität zurück. Auch sonst unterscheidet

sich der Hybrid optisch vom anderen Superb

der aktuellen Generation nur durch dezente

Hinweise auf die Škoda Submarke »iV«.

Nahe am Meer verschlucken die Dünen alle

lauten Geräusche. Wir unterhalten uns leise.

Wie immer auf dieser Reise.

Vielleicht sollte man mal wieder »Paris, Texas«

gucken. Ist ja auch ein sehr stiller Film.

THE ESSENTIALS.

Sartorial Calendars, Notebooks and Leather Goods

www.treuleben.com



3

© Sarah Bahbah / The Licensing Project

Alles

halb so

wild!



182 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

183

Hautnah

Sagen wir an dieser Stelle einfach mal: Danke,

Marlon Brando. Ohne ihn hätte es wesentlich länger

gedauert, die Biker-Jacke salonfähig zu machen.

Wer seine Ergebenheit auch im Alltag zeigen

möchte, sollte das mit diesem Modell von Heinz

Bauer tun. Aus echten Lamm-Nappa mit verstärkten

Schultern und Ellbögen sowie praktischen Reißverschlüssen.

So wird man der Legende mehr als

gerecht.

→ heinzbauer.com

G-Punkt

Außergewöhnliche Partnerschaften bringen

außergewöhnliche Dinge hervor. Aus der

Zusammenarbeit der Schweizer Uhrenmanufaktur

Richard Mille und der französischen

Rallye-Legende Sébastien Loeb entstand der

RM 36-01 Tourbillon Sébastien Loeb. Das

Besondere: In der Mitte des Zeitmessers aus

Karbonröhrenverbundstoff und Titan befindet

sich ein Beschleunigungssensor, der die

Fliehkraft bis auf 6g genau messen kann.

→ richardmille.com

Schlafmittel

Fortschritt

Neues Jahr, neuer Trend. Mussten

Sneaker im vergangenen Jahr noch

all-white sein, sind 2020 wieder

Farbakzente erlaubt – aber bloß nicht

zu viel. Gut beraten ist man dabei mit

dem Cosmo Nero von Scarosso, der über

einen schwarzen Fersentap verfügt und

eine drei Zentimeter dicke Off- white-

Gummisohle. Der Schuh selbst wurde aus

weißem Kalbsleder handgefertigt.

→ scarosso.com

Packstation

»Das Equipment, welches wir gebrauchen, spielt

nur eine kleine Rolle.« So lautet das Credo des

amerikanischen Fotografen Sam Abell. Gut

möglich, dass er noch nie was vom Evoc CP 35l

gehört hat, mit dem sich dank intelligenter

Polsterung jede Fotoausrüstung und selbst

Drohnen einfach und sicher transportieren

lassen. Weiteres Plus: Er verfügt über zusätzliche

Fächer für Geländekarten, Lawinenausrüstung,

Laptop sowie eine Drei-Liter-Trinkblase.

→ evocsports.com

Hyper, Hyper

Ein würdevoller Auftritt ist mit einem E-Scooter nicht

möglich. Anders sieht es da schon mit dem Dragonfly

von D-Fly aus. Den Hyperscooter gibt es, gefertigt aus

Kohlefaser und kohlenstofffaserverstärktem Paulowina-

Holz, als Drei- oder Vierradvariante – angetrieben von

einem Doppelvordermotor mit 1.800 Watt Leistung und

einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 61 km/h.

Träumen Architeken von bauhausartigen Schachteln?

Oder werden sie von Wohnparadiesen im

Toskana-Stil verfolgt? Man weiß es nicht. Wo sie

aber am liebsten nächtigen, steht in dem Buch von

Sarah Miller »Where Architects Sleep«.

250 Architekten geben hier weltweit Tipps für die

besten Hotels.

→ phaidon.com

Short Cuts – 03

→ d-fly.com

Text Martin Trockner

Kraut und Rüben, die dritte: Hatten wir uns für diese

Seiten ein System überlegt? Eher nicht so.



184 Alles halb so wild!

ramp #49

Higgledy Piggledy

185

© Vince Perraud

© Vince Perraud

Wild

at Heart

Klar, so ein Porsche ist natürlich ein verdammt guter Sportwagen. Superinnovativ,

superingeniös, superperfekt und so. Fein. Der eigentliche Grund,

warum wir Porsche lieben, ist aber ein anderer.

Porsche war schon immer die etwas andere Sportwagenmarke. Unkonventioneller,

wilder, rebellischer – und damit auch irgendwie deutlich cooler. Zur

Belohnung begeistert Porsche gerade Helden, Rebellen und Avantgardisten

längst als zeitlos-aktuelles Lebensgefühl.

Na ja, und jetzt gibt es eben auch endlich ein etwas anderes Porsche Buch

zur Angelegenheit.

Schließlich sind auch wir etwas verrückt nach Porsche.



186 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Wild at Heart

187

© ssszphoto.com

Open-minded and down to earth:

You’ll find all kinds of people here,

people with a passion for Porsche

but who don’t take themselves and

the at times quite complicated

Porsche world too seriously.

Wir geben es ohne Wenn und Aber zu: Wir sind befangen. Porsche

ist für uns ein perfekter, ein idealer Sportwagen – was wiederum

sehr viel damit zu tun hat, dass hier längst nicht nur Idee, Design

und Produkt begeistern.

Es sind die Menschen und Bilder, die Geschichten und die

Geschichtchen, die sich hier in Verbindung mit den Autos immer

wieder zu einer äußerst reizvollen, facettenreichen Welt verweben.

Der Mythos Porsche lebt für uns in relevanten Zusammenhängen,

und in der Bandbreite von Lebensfreude bis Lebensgefühl passt

hier alles ebenso intensiv und sinnlich wie anregend und stimmig.

Wie wäre es also mit einer Plattform, deren Community genau

die Themen, Geschichten und Bilder anregend bis übermütig

realisiert, sammelt und bündelt, die uns in Verbindung mit

Porsche besonders gut gefallen? Das hatte sich Michael Köckritz,

unser Herausgeber und Chefredakteur, vor etwa einem Jahr überlegt.

Ein paar Tage später haben wir diese Plattform mit »Crazy

About Porsche« einfach mal in die Welt gebracht.

Eine Community-Plattform, auf der sich die besten Geschichten

und Bilder der Porsche Welt finden, kuratiert von Michael Köckritz

und der »ramp«-Redaktion. Nach einem Jahr sind inzwischen über

97.000 Leser des Blogs und über 30.000 Follower bei Instagram

völlig »Crazy About Porsche«. Und siehe da: Die Lebenswelt entwickelt

sich selbst zu einer Marke, die auf den wichtigsten Events

vertreten ist und von vielen Menschen geschätzt wird.

Und jetzt? Gibt’s die allerbesten Geschichten von »Crazy About

Porsche« auch zum Blättern. Als – wie man sagt – ziemlich

lesenswertes, 448 Seiten starkes Coffeetable-Bookazine, ein Mix

aus Buch und Magazin, das den Status quo der Porsche Literatur

etwas aushebelt. Großformatig, bildgeprägt, mit hochwertiger

Optik und vier verschiedenen Covern. Ein unkonventioneller,

frischer Mix und durchaus auch ein Regelbruch, der Konventionen

verweigert, dafür aber Lust und Spaß macht. Wie im echten

Porsche Leben.



188 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Wild at Heart

189

© Matthias Mederer ∙ ramp.pictures

© Adriano Cimarosti

© Pascal Frei



190 Alles halb so wild!

ramp #49

Higgledy Piggledy

Wild at Heart

191

Foto: Marc Goldbaum

Model: Brittney Lee Hamilton

Fahrzeug: AutoKennel / Paul Kramer

»Do you have a

script yet? Two

pages? An idea?«

From the film »8 ½«

Collector’s Edition »RE/CAP – Crazy About

Porsche«, 448 Seiten, Format 230 x 300 mm,

4 verschiedene Cover, erschienen im Verlag

ramp.space, Reutlingen, 50 Euro zzgl. Versand.

Mehr Infos unter → shop.ramp.space

Folgt uns auf Instagram:

@crazyaboutporsche



»It’s moving,

even when it’s not.«

Otl Aicher

© Trevor Dalton



194 Alles halb so wild! ramp #49

CAR

EST.

2010

Interview

Michael Köckritz

Fotos

Matthias Mederer

ramp.pictures

Es gibt nur zwölf Fahrzeuge dieses Typs – und

keines davon wird dem anderen ähneln, so

Stefan Sielaff, Chefdesigner von Bentley.

Ein Carwash-Talk.



196 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

197

Herr Sielaff, welches Modell waschen wir

gerade?

Stefan Sielaff: Dieser Bentley ist ganz neu,

womöglich wird er zum allerersten Mal

gewaschen. Er trägt den Namen Bacalar.

Wir sprechen von einem »one-of-twelveproject«.

Das bedeutet, dass wir nur zwölf

Autos dieses Typs bauen. Übrigens: Alle

Fahrzeuge sind bereits reserviert.

Ein schicker Wagen, wie würden Sie ihn

beschreiben?

Sielaff: Die Fachleute sprechen von einem

Barchetta, dabei handelt es sich um einen

Zweisitzer ohne Dach. Das birgt beim

Waschen schon mal eine gewisse Herausforderung

in sich. Ein Gartenschlauch

wäre somit ungeeignet. Es ist ein Bentley

mit einem Design, bei dem wir einen

Schritt nach vorn gegangen sind. Er ist

modern, hat ungewöhnliche und wunderschöne

Proportionen.

Haben Sie schon viele Jahre lang an dem

Design gefeilt?

Sielaff: Ganz im Gegenteil! Das Design ist

sozusagen wie in einer Time Machine

entstanden, in gerade mal neun Monaten.

Und mich freut es sehr, dass wir trotz

dieser immens kurzen Entwicklungszeit

Anfang des nächsten Jahres ein fahrbares

Auto ausliefern werden. Von der ersten

Skizze bis zum Einsatz auf der Straße sind

nur zwei Jahre vergangen. Das ist für

einen Designer ein außergewöhnlicher,

aber sehr befriedigender Vorgang. So

etwas gibt es in den normalen Abläufen in

der Autoindustrie sonst nicht. Da nehmen

die Entwicklungszyklen vier oder auch

fünf Jahre in Anspruch. Wenn man als

Designer sein Produkt dann endlich auf

der Straße sieht, ist man im Kopf schon

ein gutes Stück weiter.

Bei so einem Tempo sollte der erste Wurf

sitzen, oder wurde die Form nach dieser

ersten Skizze noch weiterentwickelt?

Sielaff: Wir haben sogar sehr viel an den

Proportionen arbeiten müssen. Auch

deswegen, weil sich hinter den Sitzen

Überrollbügel befinden, die während

einem Unfall emporschnellen. Dieses

Sicherheitsfeature bedingt eine gewisse

Höhe, mit der wir zurechtkommen

mussten. Im Lastenheft stand natürlich

auch eine Weiterentwicklung der Bentley

Design-Formensprache. Es sollte kein

Aufguss von bekannten Linien sein, wir

wollten das Design nach vorne pushen.

Dafür haben wir lange am Plastilinmodell

gearbeitet.

Woran erkenne ich den klassischen

Bentley?

Sielaff: Jeder Bentley hat ganz typische

Proportionen. Darf ich einen kühnen

Vergleich ziehen? Intern sprechen wir

manchmal von einem »resting tiger«. Also

von einem Tiger, der gerade ruhig auf

dem Boden liegt, bei dem aber jeder sofort

»Dieser Bentley ist

ganz neu, womöglich wird

er zum allerersten Mal

gewaschen. Er trägt den

Namen Bacalar.«

die Sprungbereitschaft erkennt. Das Raubtier

ist eben nicht völlig entspannt, vielmehr

sind seine Muskeln voller Spannung.

Im übertragenen Sinn soll jeder Betrachter

sofort spüren, dass der Bentley voller

Power steckt. So weit das Grundsätzliche.

Und die Details?

Sielaff: Jeder Bentley hat einen prägenden

Grill und runde, elliptische Frontleuchten,

die in ihren Proportionen mit dem Grill

korrespondieren. Typisch ist, dass die

Leuchten sich stets knapp unterhalb der

Oberkante des Grills befinden. Die Seitenlinie

entspringt dem vorderen Kotflügel,

zieht sich durch die Tür oder die Türen

nach hinten. Wer einen Bentley von leicht

schräg oben betrachtet, erkennt eine

Schulter oder eben einen Muskel. Diese

Dreidimensionalität zeichnet einen

Bentley aus. Das Heck ist auch betont

dreidimensional, bei diesem Bacalar

deuten wir auch bei den hinteren

Leuchten eine elliptische Form an. Die

erkennt man besonders gut, wenn das

Licht eingeschaltet ist oder der Fahrer auf

die Bremse tritt.

Wie modern ist das Interieur?

Sielaff: Zunächst gibt es da viele gesetzliche

Vorgaben, die man einhalten muss.

Ein Bentley soll innen ein großzügiges

Raumgefühl vermitteln, aber zugleich ein

Gefühl der Umschlossenheit. Hinzu

zeichnen einen Bentley Details aus, ich

denke da an die runden Luftdüsen. Die

Luftzufuhr wird mechanisch gesteuert. An

diesen Hebeln muss man regelrecht

ziehen und drücken, um Luft ins Fahrzeug

zu lassen oder eben nicht. Solche mechanischen

Trompetenventile strahlen in

einer digitalen Welt viel Charme aus.

Anders gesagt: Einen Bentley zeichnet die

Mischung aus digitaler Technik und

analoger Handwerkskunst aus.

Darf ich mal ganz grundsätzlich fragen: Wie

wichtig ist das Design für eine Marke wie

Bentley?

Sielaff: Sehr wichtig natürlich! Die Hauptargumente

für den Kauf eines Bentley ist

einmal die Marke selbst – und dann

kommt schon die Emotionalität des

Designs. Unseren ja recht anspruchsvollen

Kunden möchten wir ein breites

»Jeder Bentley hat

typische Proportionen.

Darf ich

einen kühnen

Vergleich ziehen?

Intern sprechen wir

von einem ›resting

tiger‹.«



198 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

199

STEFAN SIELAFF zählt zu den einflussreichsten

Autodesignern der Branche. Unter

seiner Ägide entstanden neben vielen

anderen Modellen der Audi A1, der A7 und

Bentleys Luxus-SUV Bentayga. Seine

Karriere begann der heute 58-jährige

Sielaff 1984 bei Audi als Volontär. Nach

einem Studium am renommierten Londoner

Royal College of Arts arbeitete er bei

Volkswagen und Audi, wo er ab 1997 das

Audi Design Center leitete. Vor fünf Jahren

übernahm der geborene Münchner die

Leitung von Bentley Design.



200 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

201

»Ich sehe den Bacalar als eine

Anregung, sein Gelbton ist

durchaus extrovertiert.«

Spektrum an Wahlmöglichkeiten bieten.

In enger Absprache mit Designern soll der

Kunde seinen Wagen konfigurieren

können. Mit einer speziellen Lackierung

zum Beispiel kann jeder Bentley

Continental oder Flying Spur individualisiert

werden. Das setzt sich im Innenraum

bei der Auswahl der Materialien fort. Diese

Individualisierung treiben wir im Bacalar

auf die Spitze. Jedes dieser zwölf Autos

wird in einer engen Kooperation zwischen

Kunde und Designer gestaltet. Keines

dieser Fahrzeuge wird dem anderen

gleichen. Luxuskunden wollen Einzelstücke,

wir wollen ein Auto, das es in

dieser Ausführung kein zweites Mal gibt.

Gerade für eine Marke wie Bentley ist es

wichtig, immer größeren Wert auf diese

Individualität zu legen. Die Kunden wollen

Liebhaberstücke. Auf diese Weise wollen

wir auch neue und jüngere Kunden

gewinnen. Die liebenswerten traditionellen

Käufer werden wir weiterhin glücklich

machen. Aber wir müssen uns neu

erfinden, um junge Kunden für Bentley zu

gewinnen: Das können nur wir Designer

leisten. Die Leute lieben die Marke, aber

vor allem die Jüngeren wollen ein

frischeres Design.

Ist unser Bacalar, den wir gerade waschen,

sozusagen ein Vorschlag, wie so ein

Bentley aussehen könnte?

Sielaff: Wir zeigen mit ihm, wie das geht.

Dazu sehe ich ihn als eine Anregung, sein

Gelbton ist durchaus extrovertiert. Im

Innenraum ist nicht nur Leder zu finden,

sondern auch manches textile Material.

Die 5.000 Jahre alte Moor-Eiche zeigen

wir offenporig. Der Eindruck des Interieurs

ist modern. Ob die Kunden ein Auto

mit diesen Stilmerkmalen wollen, ist eine

ganz andere Frage. Vielleicht besteht ein

Käufer auf dem traditionellen Racing-

Green mit cognacfarbener Lederausstattung.

Natürlich ist und bleibt der Kunde

der König. Er bekommt, was er möchte.

Waschen Sie häufig ein Auto von Hand?

Sielaff: Ja, aber nur die Autos, zu denen ich

ein emotionales Verhältnis habe. Beim

Waschen möchte ich die Form fühlen,

möchte die Details fühlen. Wer sein Auto

per Hand wäscht, lernt es in- und

auswendig kennen. Sozusagen kennst du

an dem Body jeden Leberfleck.

Wir bitten um einen Expertentipp: Worauf

sollte man beim Autowaschen achten?

Sielaff: Also gut, gehen wir ins Detail:

Regel eins: von oben nach unten (lacht

herzlich). Regel zwei: Ein Auto muss man

immer im Schatten waschen oder in

einem Raum. Zu Beginn weiche ich erst

einmal die ganze Karosserie mit Wasser

samt entsprechenden Zusätzen ein.

Danach greife ich zu einem Schwammhandschuh

und seife den ganzen Body ein.

Dabei muss ich auch in die Ecken gehen,

wo sich der Dreck lange hält. Nach einer

sehr gründlichen Reinigung wasche ich

die Seife vorsichtig ab. Vor allem für meine

historischen Autos nutze ich ein Gebläse,

mit dem ich das Wasser auch aus den

Fugen und Ritzen herausföhnen kann.

Dort kann sich schnell Rost bilden. Nach

dem Abblasen kommt das Abledern, dann

vielleicht noch ein Nachtrocknen in der

Sonne für ein oder zwei Stunden.

Wie wäre es mit ein oder zwei Stunden

fahren?

Sielaff: Dann fallen, je nach Wagenfarbe,

so kleine Wasserfäden auf, die sich aus

den Ritzen über die Karosserie ziehen.

Das ist nicht so schön.

Sie haben Ihre historischen Autos erwähnt,

dürfen wir fragen, wer in der Garage steht?

Sielaff: Es geht um einen Porsche 356 A

aus dem Jahr 1958, einen Aston Martin

DBS von 1968, der mit den vier Frontscheinwerfern.

Eher semihistorisch ist ein

Morgan 4/4 Sport. Der ist beim Waschen

eine echte Herausforderung, weil das

Wasser überall hinfließt, auch nach innen.

Die Interpretation von Luxus ändert sich

ständig. Wie definiert Bentley Luxus?

Sielaff: Inzwischen legen wir nicht nur bei

der Herstellung, sondern auch bei der

Wahl der Materialien großen Wert auf

Nachhaltigkeit. Soziale Verantwortung

und lokale Quellen lauten da die Stichworte.

Warum soll die Wolle für den

Teppich nicht aus unserer Nachbarschaft

kommen statt aus, sagen wir mal, Australien?

Auch bei einem Fahrzeug der Luxusklasse

zählt der ökologische Fußabdruck.

Als Luxus empfinden unsere Kunden

zudem die Handwerkskunst, die für einen

Bentley aufgebracht wird. Auch hier ein

Beispiel: Die Ummantelung eines Lenkrades

näht ein Mensch mit viel Herzblut

einen ganzen Tag lang. Und er nimmt

exakt den Faden, den der Kunde ausgewählt

hat.

Erhält ein Bentley durch diese viele

Handarbeit einen Wert, der nicht nur von

finanziellen Aspekten bestimmt wird?

Sielaff: Lassen Sie mich es so ausdrücken:

Wenn die Besitzer von irgendeinem

Objekt spüren, dass viel Handwerkskunst

drinsteckt, dann werfen sie es nicht

einfach weg. Von meinem Urgroßvater

wurde über den Großvater und Vater nun

an mich ein Zigarren-Etui von 1903

weitergereicht. Von diesem Stück werde

ich mich niemals trennen. Das gilt auch

für manche Autos: Mehr als achtzig

Prozent aller Bentleys befinden sich in

Familienbesitz. Die verkauft man nicht so

einfach. Auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit

– wer sich etwas Besonderes

leistet, möchte es auch behalten. Es ist zu

schön und zu gut und zu vertraut, um es

wegzuwerfen.



202 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

203

In der Musik steht der Begriff »Mashup« für Songs, die aus mehreren zusammengemischt

wurden. In der Fotografie könnte man den Begriff anhand der Bilder

von Paul Fuentes erklären – der die Welt auch ein bisschen anders arrangiert.

Interview

Wiebke Brauer

Fotos

Paul Fuentes

Playa del Carmen. One

of my favorite beaches

in Mexico. If you wake

up early, you can find

this paradise beach

without any tourists, all

for yourself and your

camera.

It’s in the Mix

Tiger Motel. This image is one of my new favorites. It

has everything at once: a classic car, a tiger and the

desert mountains in the background.



204 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

It’s in the Mix

205

Porsche. That mid-century

vibe, with a white Porsche

Speedster, set up the perfect

feeling of a California

Dreaming house in the middle

of the summer.

Twin Palms Estate. Also

known as the Frank Sinatra

House, designed by E. Stewart

Williams. This is one of my

favorite houses in Palm

Springs. Given my obsession

with big cats, I thought a

jaguar could represent Frank

Sinatra very well.



206 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

It’s in the Mix

207

sind. Pop Art ist meiner Meinung nach Kunst, die

sich an die breite Masse richtet. Die Einschränkung

auf »mexikanisch« erscheint mir deshalb

unpassend.

PAUL FUENTES nur als

Fotograf und Grafikdesigner

zu bezeichnen,

wäre zu kurz gegriffen.

Fuentes wuchs in

Mexiko-Stadt auf,

arbeitete nach seinem

Studium als Designer für

die Universidad Anáhuac

México, reiste nach

Europa, kam zurück und

startete mit neuen Ideen

auf Instagram. Seine

surrealen Bilder von

Lebensmitteln, Tieren

und Objekten machten ihn

berühmt – so berühmt,

dass er in London eine

eigene Designagentur

gründete und unter

anderem für Apple oder

Dior arbeitete. Sein

Credo: die Menschen zum

Lachen zu bringen.

→ paulfuentesdesign.com

Sie schmücken Giraffen mit Luftballons, lassen

Lamas Taxi fahren und inszenieren Donuts in der

Wüste. Mal vorsichtig gefragt: Was bedeutet Realität

für Sie?

(lacht) Ich denke, dass das jeder selbst entscheiden

muss, wir leben jedoch sicher nicht alle in derselben

Realität. Menschen haben verschiedene Wahrnehmungen.

Zudem identifizieren sich Menschen je

nach Persönlichkeit mit verschiedenen Tieren, was

der Kunst große Möglichkeiten eröffnet.

Sie fingen aber nicht mit Tieren an, sondern mit

Lebensmitteln. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich kann nicht genau sagen, woher die kam.

Grundsätzlich interessierte ich mich aber schon

immer für Lebensmittelwerbung. Meistens ist das

beworbene Essen gar kein Essen, und das machte

mich damals verrückt. Ich beschloss also, dasselbe

aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Würden Sie sagen, dass Ihre bizarren Kombinationen

ein Musterbeispiel für Kreativität sind?

Für mich ist Kreativität die Verbindung erwartbarer

Ideen auf eine Weise, die etwas Neues und

Interessantes schafft. Ich stimme also zu, dass

meine Kunst in gewisser Weise die Realität

verzerrt, was der Definition von bizarr durchaus

entspricht.

Was man jetzt nicht vermutet hätte: Ihr Lieblingskünstler

ist Caravaggio. Warum gerade ein Maler des

Frühbarocks?

Als Stilllebenfotograf male ich mit Licht. Wenn

man Caravaggios Bilder betrachtet, erkennt man

sein herausragendes Talent, Licht und Schatten

perfekt einzusetzen. Darüber hinaus sind seine

Bilder nicht rein religiös. Er ging hier andere

Wege, was für Künstler seiner Zeit alles andere als

einfach war. Damals malte man Religion oder die

Aristokratie. Diesen Aspekt seiner Malerei schätze

ich sehr.

Wie sehen Sie die Rolle des Künstlers in der

heutigen Zeit, in der die Digitalisierung immer

rasanter voranschreitet?

Für mich hat die Digitalisierung positive und

negative Seiten. Es gibt viele Künstler, die großartige

Werke schaffen und einen sehr professionellen

Feed gestalten. Sie erfüllen damit die

wichtigste Voraussetzung, nämlich sich mit den

auftretenden Veränderungen weiterzuentwickeln.

Leider sehe ich auch viele Menschen, die

Künstler sein wollen, außer ihrem Streben nach

Aufmerksamkeit in den sozialen Medien jedoch

keinerlei Botschaft haben. Sie passen sich laufend

an, um im Trend zu bleiben. Und es gerät immer

mehr in Vergessenheit, dass man die Technik

beherrschen muss. Jeder hat heute eine Kamera

auf seinem Smartphone und kann einfach einen

Stil kopieren, Voreinstellungen und Filter nutzen.

Meine Karriere wäre ohne Instagram sicher

langsamer verlaufen – und man muss ganz offen

sagen, dass Instagram Künstlern unglaubliche

Chancen eröffnet.

Letzte Frage: Sie sagten, dass Sie Menschen gerne

It’s in the Mix

New York Alpaca. Inspired by

one of the most iconic images

by Inge Morath, A Llama in

Times Square (1957), I felt

encouraged to do a remake

with an alpaca riding a cab in

New York City.

zum Lachen bringen. Halten Sie Humor heute für

Sie haben einmal gesagt: »Die leuchtenden Pastell-

wichtiger denn je?

farben in meinen Werken sind eine direkte Referenz

zu Mexiko.« Würden Sie Ihre Kunst als mexikanische

Pop Art bezeichnen?

Ich empfinde meine Kunst nicht als besonders

mexikanisch. Ich bin jedoch sicherlich von der

Architektur, dem Essen und der Kunst meines

Landes inspiriert, weil diese humorvoll und bunt

Ich versuche tatsächlich, Menschen zum Lachen

zu bringen, aber eigentlich möchte ich sie glücklich

machen. Und ich denke auch, dass wir in

einem Zeitalter des Humors leben. Die Kunst war

noch nie so voller komischer Elemente wie heute.

Es ist eine gute Zeit zu lachen, besonders wenn

die Welt so verrückt ist.



208 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy Creative Space

209

Smart Climate? Kein Problem. Wir empfehlen hier mal

einen lockeren Mix aus aktueller Bade- und Herbstmode.

Oder gleich den neuen Golf GTI. Oder beides.

It’s hot,

Fotos

Peter Schreiber

baby

Produktion

Antonietta Procopio,

Cedric Pfaus,

Ann-Katrin Reinhard

Fotoassistenz

Martin Kula,

Florian Lankes

Styling

Mirjana Hecht

Hair & Make-up

Stephan Schmied

Models

Thayna Brito De Jesus,

Paolo Obermüller,

Nuria Oliu Sanchez,

Elias Sträter

→ NURIA

Sonnenbrille / MIU MIU

Badeanzug / Hermès

→ ELIAS

Shorts / Calvin Klein

Beachballs / Frescobol Carioca

über Mr. Porter

→ PAOLO

Shorts / Hermès

→ THAYNA

Badeanzug / Eres

Sonnenbrille / Boss

Tuch / Roeckl

Ohrringe / Swarovski

→ THAYNA

Badeanzug / Perfect Suit

Sonnenbrille / Boden



210 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy Creative Space

211

»Cool town, evening in the city

Dressed so fine and looking so pretty

Cool cat lookin’ for a kitty

Gonna look in every corner of the city«

»Summer in the City«

JOE COCKER

→ NURIA

Jumpsuit / Guess

Men’s Jacket / Acne über Bungalow

Schuhe / Paul Smith

Sonnenbrille / Escada

Armreif / Cartier

→ ELIAS

Anzug / Sandro Paris

Sonnenbrille / Jimmy Fairly

Chelsea Boots / Scarosso

Hemd / Marciano for Guess

→ PAOLO

Hose / Paul Smith

Shirt / Tom Ford

Jacke / Amy über Bungalow

Chelsea Boots / Scarosso

Handschuhe / Roeckl



212 Alles halb so wild!

ramp #49

213

→ THAYNA

Trenchcoat / Schneiders

Schuhe / Dondup

Regenschirm / Hermès

»No clouds in my stones

Let it rain, I hydroplane into fame

Comin’ down at the Dow Jones

When the clouds come, we gone

We Rocafella

We fly higher than weather«

→ NURIA

Blazer / Armani

Hose / Armani

»Umbrella«

RIHANNA



214 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Creative Space

215

»Ain’t no sunshine when she’s gone

It’s not warm when she’s away

Ain’t no sunshine when she’s gone

And she’s always gone too long

Anytime she goes away«

»Ain’t No Sunshine«

BILL WITHERS

→ PAOLO

Sakko / Everyday Holiday

T-Shirt / Phyne

Hose / Hackett London

Tuch / Hermès

→ THAYNA

Blazer / Polo by Ralph Lauren

Shorts / Second Female

Schuhe / Guess

Strickshirt / 8 By Yoox

→ NURIA

Schuhe / Charles & Keith

→ THAYNA

Badeanzug / Eres

Schuhe / Charles & Keith

Sonnenbrille / Boss

Tuch / Roeckl

Ohrringe / Swarovski



216

ramp #49

Higgledy Piggledy

Creative Space

217

»And I’ve got a long way to go (such a long way to go)

To make it to the border of Mexico

So I’ll ride like the wind

Ride like the wind

Gonna ride like the wind«

»Ride Like The Wind«

CHRISTOPHER CROSS

Und nun zum Golf 8 GTI, beziehungsweise zu

dessen intelligenter Klimaanlage, in deren Smart

Climate-Menü fünf vordefinierte Klimatisierungs-Einstellungen

hinterlegt sind. Die steuert

man mit Sprachbefehlen. So dreht die Air Care

Climatronic bei dem Satz »Mir ist kalt!« die

Temperatur auf der Fahrer- oder Beifahrerseite

hoch, bei »Mir ist heiß!« entsprechend herunter.

Auf den Befehl »Freie Sicht« sorgt das System

für Durchblick, dazu gibt es die Kommandos »Füße

wärmen« und »Füße kühlen« oder mal ganz

konkrete Ansagen wie: »Mach es vier Grad

wärmer«. Eine Sache noch: natürlich erkennt das

System, ob ein Befehl von der Fahrer- oder

Beifahrerseite aus erteilt wurde. Sonst würde es

auch sehr ungemütlich werden.

→ ELIAS

Pullover / Polo by Ralph Lauren

Uhr / Omega

Handschuhe / Roeckl



218 Alles halb so wild! ramp #49

219

ZENITH EL PRIMERO

um 7.900 Euro

Alles in

Ordnung

SINN CHRONOGRAPH 936

um 2.900 Euro

In einer Welt, in der die

Dinge in unendlicher Anzahl

verfügbar sind, erscheinen

perfekte Objekte umso kostbarer.

Sie liegen gut in der

Hand, sie funktionieren, sie

sparen Zeit – und diese zu

bemessen gelingt mit diesen

Uhren ganz wunderbar.

Fotos

Steffen Jahn

Produktion

Antonietta Procopio, Ann-Katrin Reinhard

Beratung

Martin Thom (Juwelier Depperich)

Accessoires und Werkzeug

Manufactum Warenhaus Stuttgart und Heldberg GmbH



220

221

TUDOR BLACK BAY DARK

um 4.310 Euro

ROLEX OYSTER PERPETUAL

SUBMARINER DATE

um 35.900 Euro

TUDOR PELAGOS LHD

um 4.260 Euro

ROLEX OYSTER PERPETUAL

COSMOGRAPH DAYTONA

um 36.800 Euro



222 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Alles in Ordnung

223

HUBLOT BIG BANG UNICO

BLACK MAGIC

um 18.600 Euro

CHOPARD L.U.C XPS

um 8.020 Euro

LANGE & SÖHNE SAXONIA MONDPHASE

um 27.900 Euro

IWC PORTUGIESER CHRONOGRAPH

um 7.450 Euro



224 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Alles in Ordnung

225

BREITLING PREMIER B01 –

CENTENARY LIMITED EDITION

um 9.650 Euro

OMEGA SPEEDMASTER RACING

um 7.900 Euro

GARMIN MARQ ADVENTURER

TOOL WATCH

um 1.750 Euro

TAG HEUER MONACO

um 5.400 Euro



226 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

227

Hoch

oben

Die Debatte über das SUV wird aktuell in

Deutschland hochemotional und selten differenziert

geführt. Vorschlag zur Güte: eine

ruhige Nachtfahrt durch die leere Stadt im

teilelektrischen Range Rover Sport P400e.

Text

Matthias Mederer

Fotos

Kirill Kirsanov

Die Stille im Innenraum des Range

Rover Sport P400e ist beinahe gespenstisch.

Dank des Plug-in-Hybrid-Antriebs

rolle ich für den ersten Moment rein

elektrisch ohne irgendwelche Antriebsgeräusche.

Die Doppelverglasung,

Response-Luftfahrwerk und ein beinahe

schon exzessiver Einsatz diverser

Dämmmaterialien schaffen eine maximale

Entkopplung von der Fahrbahn,

von dem Draußen, wenn man es so

abgrenzen möchte. Also schnell das

Radio an und die Lautstärke des optionalen

Meridian-Systems eine Stufe

höhergedreht: »Sound of Silence« von

Disturbed. Ist das britischer Humor?

Oder schlicht eine neue Stufe von

Geräuschkomfort?

Angst kommt jedenfalls keine auf –

am Steuer eines über 2,5 Tonnen

schweren Fahrzeugs, in dessen DNA

sich tatsächlich so etwas wie echte



228 Kolumnentitel ramp #49 Higgledy Piggledy

Hoch oben

229

Es liegt ein kindliches Vergnügen

darin, sich am Steuer eines

Range wie ein Lord zu fühlen,

hoch über den Dingen thronend.

Geländetauglichkeit findet. Da zudem

allerlei elektronische Assistenten den

Prozess des Fahrens überwachen, gleite

ich vornehm durch die ruhige Nacht. Die

Straßen der Stadt, die sich noch wenige

Stunden zuvor durch die ruhelose Nervosität

der gestauten Rushhour auszeichneten,

verwandeln sich jetzt in feine Alleen.

Gefühltes Ziel: der Duke of Marlborough.

Es liegt ein kindliches Vergnügen

darin, sich am Steuer eines Range wie ein

Lord zu fühlen, so hoch oben über den

Dingen thronend; auch wenn die Käuferschicht

in der Realität natürlich weit

breiter gestreut ist, wie Jeremy Clarkson

einst sehr fein analysierte. Der umriss sie

wie folgt: Fußballspieler, die Frauen von

Fußballspielern, die Geliebten von Fußballspielern,

Drogendealer, Landwirte,

Amerikaner und Geschäftsleute. Für

Letztere – zumindest in Deutschland –

ist gerade der P400e mit seinem

Plug-in-Hybrid sehr interessant, fällt er

doch in die gegenwärtigen Subventionierungsmaßnahmen

der Bundesrepublik.

Es bleibt abzuwarten, ob in dieser Politik

nicht ein schleichender Kobra-Effekt versteckt

ist. Sicher wird es dann die entsprechenden

Lautschreier geben, die

sich, die deutsche Motz-Tradition wahrend,

entsprechend zu Wort melden werden.

Das SUV wird sicher auch das

überleben. Robust genug ist es ja. Und

Kritiker-erprobt, immerhin bietet so ein

Range Rover neben all seinen Annehmlichkeiten

den neuesten Stand an Sicherheitsfeatures,

sowohl aktiv als auch

passiv. Ein paar Schläge hier und da

steckt er lässig weg, unebenes Gelände

oder gar Wasserdurchfahrten sind kein

Problem, auch weil die Akkus nicht im

Boden, sondern im Kofferraum verbaut

sind.

Mit fast schon stoischer Gelassenheit

klettern die Absatzzahlen des SUV nach

oben, es stemmt auf seinen breiten

Schultern die wirtschaftliche Rentabilität

von immer mehr Automobilherstellern,

die ohne diese Fahrzeuge nicht mehr

existieren könnten; sichert darüber Abertausende

Arbeitsplätze. Doch was ist in

den Medien zu lesen? Man verflucht, verteufelt

gar das SUV als metallgewordene

Trutzburg, als rücksichtslose, ignorante

Abschottung einer Gesellschaft gegen

sich selbst. Beim Menschen sagt man, er

brauche ein dickes Fell, wenn die Kritik

gar zu arg einprasselt. Das Bild lässt sich

prima auf den Range Rover Sport übertragen.

Die behagliche Atmosphäre im

Inneren erinnert fast schon an das luxusbelederte,

holzvertäfelte Designambiente

eines entlegenen Ferienhauses in den

Rocky Mountains. Und das nun schon

seit einigen Jahrzehnten stringent fortgeführte

Design ist in seiner Zeitlosigkeit

nahezu ebenso unverwüstlich wie der

Range selbst. Mag draußen ein Schneesturm

toben, drinnen ist es angenehm

warm. Und eines ist sicher: Bisher ist

noch jeder Schneesturm vorübergegangen.



230 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

Hoch oben

231

Im Radio läuft »Sound of Silence«

von Disturbed. Ist das britischer

Humor? Oder schlicht eine neue

Stufe von Geräuschkomfort?

Range Rover Sport P400e

MOTOR

Vierzylinder-Turbo + Elektromaschine

HUBRAUM

1.997 ccm

SYSTEMLEISTUNG

404 PS (297 kW) kombiniert

SYSTEMDREHMOMENT

640 Nm bei 1.500 – 3.000 U/min

0 – 100 KM / H 6,7 s

VMAX

220 km/h



232 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

233

Fabulous

Fifties

Text

Michael Petersen

Fotos

aus dem Buch »Weekend Heroes 2.0«

von Tony Adriaensens

Automobile Begeisterung,

kalifornische Sonne und die Energie

der Nachkriegszeit – das alles führte

zu einer goldenen Ära des

Rennsports, deren Faszination bis

heute anhält.



234 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

235

Racing pur – zur Renn vorbereitung

gehörte der offene

Sportwagen und der Halbschalenhelm.

Die Luft flirrt von den heißen Abgasen immer höher drehender

Motoren. Die Piste scheint zu vibrieren, der Puls rast, sein

Hall füllt den Helm von innen. Mit einem Krachen rastet der

erste Gang ein. Der Blick fällt auf den Drehzahlmesser, die

Konkurrenten, die Flagge. Sie muss doch gleich fallen, jetzt

gleich … Start! Los geht die Hatz, nur die Gedanken bleiben

zurück.

»Fast and Furious« würde als Titel bestens auf die Rennen

in Kalifornien in den Fünfzigern passen. Mancher GI hatte aus

England eine kleine MG in die USA verschifft, andere einen

Jaguar XK 120. Kaum noch bekannt waren die Allards, leichte

Sportwagen, wie geboren für die Rennerei. Dafür standen in

den Garagen Ferrari, Alfa Romeo oder Maserati, später viele

Porsche 356, erst als American Roadster begehrt, dann als

leichter Speedster.

Selbst heute, sieben Jahrzehnte später, findet man noch

Rennstrecken von einst. Ovale, Dirt Tracks, Straßenkurse –

um die dreißig Einrichtungen kommen da leicht zusammen.

Wie viele mögen es damals gewesen sein? Auf Flugplätzen

wurden mit ein paar hundert Strohballen für einen Tag Strecken

geschaffen; steil und verwinkelt ansteigende Staubwege

gesperrt und flugs als Bergrennpiste deklariert.

Hierhin zog es diejenigen, die mit einer angeborenen

Mischung aus Mut und Tollkühnheit, gepaart mit Siegeswillen

ausgestattet waren. Der Einsatz von Körper wie Gehirn

forderte den ganzen Menschen und lieferte einen besonderen

Kick. Talent gehörte auch dazu. Ein Daytona-Sieger war sich

sicher: »Man kann das schnelle Autofahren lernen, aber das

Fahren im Grenzbereich kann man oder man kann es eben

nicht.« Geld verdiente in diesen Starterfeldern keiner, im

Gegenteil, der Rennsport kostete Geld. Viel Geld. Wer das nicht

hatte, oder die kostspielige Hingabe nicht nachvollziehen

konnte, erlag zumindest der Faszination auf passive Art – und

begnügte sich mit der Rolle des Zuschauers.



236 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

237

Einst im Mai – Jaguar XK 120 oder Porsche 356 Speedster gehörten

1957 ins Fahrerlager von Flugplatzrennen wie dem des Santa Barbara

Roadrace auf dem Goleta Airport.

Ob Porsche, Jaguar, MG oder

Ferrari – das Gros der Fahrzeuge

am Start stammte aus Europa.



Zu den schnellen Strecken im Kalender zählte der Rundkurs von

Pomona. Im Oktober 1956 wurde dieser Ex-Phil-Hill-Jaguar XKC 007

Elfter des Hauptrennens. Fahrer CARLYLE BLACKWELL JR. ist der

Sohn des damals sehr bekannten Stummfilmschauspielers CARLYLE

BLACKWELL (»Der Hund von Baskerville«).

Kalifornien sei Dank – wer in den

Bänden der Weekend Heroes

blättert, stößt auf so gut wie

keine Regenrennen.



240 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

241



242 Alles halb so wild! ramp #49 Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

243

Buntes Starterfeld Ende August 1957 auf dem Arcata Airport

nörd lich von San Francisco. Der weiße Porsche 550 Spyder von

SAM WEISS gewinnt vor PETE LOVELY im roten Ferrari 500 TR.

Viele Jahre später fährt LOVELY einige Formel 1-Rennen auf

Cooper und Lotus.

In Kalifornien damals rückten alle Speedjunkies nah aneinander.

Fahrer, Mechaniker, Zuschauer, Helfer, Girls, die paar

Offiziellen – alle vereint im Happening mit Namen Motor

Racing. Es war so herrlich unkompliziert. Startklar war der

Sportwagen, sobald der Fahrer seinen Halbschalenhelm

aufsetzte. Übrigens: Der »California Sports Car Club« feiert in

diesem Jahr sein 70. Jubiläum mit dem Motto: »Join the Fun at

California’s Place to Race!« Zugegeben, die Rennen sind

weniger geworden. Die Rennstrecken ebenso. Der »Cal Club«

nutzt heute vor allem die Strecke vor seiner Haustür, den

Buttonwillow Raceway Park, gut 120 Meilen nordwestlich von

Los Angeles.

Von den goldenen Jahren wird überliefert, dass die Soldaten

auf ihrem Weg zurück in die Zivilgesellschaft nur zu gern

Ablenkung auf der Rennstrecke suchten und dort auch fanden.

Vielleicht kam auch dazu, dass viele junge Männer – und

einige Frauen – den Optimismus der Nachkriegszeit in unbändige

Energie umsetzten und auf der Piste ließen.

Wie gut die Fahrer waren? Für die allermeisten reichte es,

dabei gewesen zu sein. Aber ein paar Namen zeugen davon,

dass hier internationale Karrieren starteten: Masten Gregory,

die Rodriguez-Brüder, Carroll Shelby, Ken Miles oder Richie

Ginther gelang der internationale Durchbruch. Phil Hill wurde

1961 mit dem Ferrari 156 »Sharknose« sogar Formel 1-Weltmeister.

Die Zielflagge fällt, alles ist vorbei. Der Zeiger des Drehzahlmessers

bewegt sich weit nach links, der Motor dreht

einige tausend Umdrehungen weniger. Die Temperaturen von

Ganz nah dabei – die Zuschauer

sehen die Wagen, hören sie,

riechen sie und spüren das Beben

beim Start.

Wasser, Ölen, Getriebe und der Reifen erreichen wieder

Normalwerte. Der Puls ebenso. Das Leben hat wieder Normalgeschwindigkeit.

Ein Tourenwagenfahrer sagte einmal: »Der

schönste Moment eines Rennens ist die Auslaufrunde, wenn

alles gut gegangen ist.«

Wer mehr – oder auch sehr viel mehr – über das Racing in Kalifornien

wissen will, sollte zu den druckfrischen Bänden »Weekend

Heroes 2.0« von TONY ADRIAENSENS greifen. 2007 kam die erste

Ausgabe von »Weekend Heroes« auf den Markt, ein 700 Seiten

dickes Buch – die drei Folge-Werke des Belgiers umfassen

zusammen 1.560 Seiten und 911 Fotos, aufgeteilt in die Jahre 1950

bis 1953, 1954 bis 1956 sowie 1956 bis 1957 plus Drivers Section.

»Weekend Heroes 2.0«, herausgegeben von »Corsa Research«, ist

auf 750 Exemplare limitiert und kostet 449 Euro.



Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

245

MASTEN GREGORY ist einer der ersten amerikanischen

Rennfahrer, die von Kalifornien aus

Europas Renn strecken erobern. 1965 gewinnt er

gemeinsam mit Jochen Rindt im Ferrari ​250 LM

die 24 Stunden von Le Mans.



Higgledy Piggledy

Fabulous Fifties

247

Zu den Stars in Kalifornien gehört KEN MILES (linke Seite), dessen Geschichte 2019 in

»Le Mans 66 – Gegen jede Chance« verfilmt wurde. Zu einer der schnellsten Damen im

Feld gehört RUTH LEVY (unten links). Sie startet auf Ferrari und Aston Martin, bevor

sie eine Karriere als Sängerin ansteuert.





250 Alles halb so wild! ramp #49

Higgledy Piggledy

251

Rennfahrer

wie wir

Sportauspuff-Endrohre, Zusatz-Scheinwerfer,

ver breiterte Reifen unter herausgedengelten

Kot flügeln – die Liste der Motorsport-Zitate am

modernen Automobil ist länger als man denkt.

Am Ziel sind wir damit noch lange nicht.

Text

David Staretz

Unlängst entdeckte ich an der Zapfsäule

einen Kraftstoff mit der Bezeichnung

»Racing Super 98«, der perfekt in meine

Sammlung »Rennaffine Merkmale am

zivilen Automobil« passt. Wahr ist, dass

der Autorennsport einen deutlich größeren

Einfluss auf den täglichen Pendlerverkehr

hat als die Nebenprodukte

der Raumfahrt auf Alltäglichkeiten –

wie Casual Cleaning (Handstaubsauger),

Casual Contact (Klettverschluss)

und Casual Pricing (Strichcode). Nun

könnte man sich über die Racing-Anleihen

echauffieren, müssten wir nicht

einsehen, dass das moderne Automobil

ein natürliches Kind des Rennsports ist.

Junge Adelige und wohlhabende Sportskanonen

der vorletzten Jahrhundertwende

entdeckten die Faszination des

Neuen, die Sensation der Geschwindigkeit,

die Herausforderung des Wettbewerbs

in den feschen Fahrmaschinen

– wie auch bei schnellen

Pferden, wackeligen Aeroplanes und

wahnwitzigen Cresta-Bobs. Und Automobilhersteller

versuchten, die Qualität

ihrer Erzeugnisse im Motorsport zu

demonstrieren.

Freilich hätte die Geschichte des Autos

auch anders verlaufen können, typischerweise

militärisch bis kriegerisch,

vielleicht zu praktischen Transportverbänden

gekoppelt oder dekorativ und

verspielt als Fashion-Statement. Man

hätte Kurvensteuer verlangen oder

Rückwärtsgänge verbieten können. Das

Elektroauto stand schon einmal vor dem

großen Durchbruch, die Voraussetzungen

waren verhältnismäßig sogar besser

als heute.

In den Zwanzigerjahren machte die

weltgrößte Eisenbahnindustrie in den

USA (per Ripley’s Plan) letzte Anstrengungen,

den Schienenverkehr gegenüber

den Highways konkurrenzfähig zu

halten. Wären die nicht an der Uneinigkeit

der Bahnmagnaten gescheitert,

Freilich hätte die

Geschichte des Autos

auch anders verlaufen

können, typischerweise

militärisch bis kriegerisch

oder dekorativ

und verspielt

als Fashion-Statement.

Solange das

Elektroauto keine

subversive, sozusagen

aus dem Schlamm

geborene Funktion

aufweisen kann, wird

es genau so weit

laufen, wie man es

schiebt. Natürlich im

übertragenen Sinne.

hätten wir jetzt ein bahnorientiertes

Verkehrswesen.

Blicken wir auf die Automodelle seit den

Sechziger-, Siebzigerjahren bis heute

zurück, so lässt sich eine museale

Menagerie von Motorsport-Zitaten

zusammentragen: karierte Zielflaggenmotive

als Steinschlagschutz über drögen

VW Käfer-Hauben, grotesk

vergrößerte Sport auspuff-Endrohre am

biederen Opel Kadett, dekorative Rallyestreifen

am Fiat, Sportfanfaren (gern mit

der Tonfolge von La Cucaracha),

Zusatz-Scheinwerfer, verbreiterte Reifen

unter herausgedengelten Kotflügeln, eine

schwarz abgemattete Motorhaube am

Ford Escort, die natürlich mit Gummi-Spannverschlüssen

niedergehalten

wurde. Der Drehzahlmesser als unverzichtbarer

Maschinen tele graf begann

einen Siegeszug, der bis heute anhält.

Bodennahe, bodenharte Kübelsitze, Überrollkäfige,

Plexiglas-Scheiben, grüne

Sonnenblenden-Streifen und natürlich

der völlig unangebrachte, oft selbst montierte

Heckspoiler zählten zu den Insignien

fortgeschrittener Straßenmobilität.

Sport lenkräder erkannte man an drei

Speichen, knackigem Lederbezug und

dem Durchmesser einer Langspielplatte.

Der Schalthebel musste stummelkurz

sein, der Knauf hingegen massiv und

grifffest. Bisweilen schlug er durch Vibrationen

die Gänge von selber wieder raus.

Wenn wir heute darüber lächeln und denken,

wir seien längst über solche Kindereien

hinaus, so muss man einwenden,

dass der Rennbetrieb viel professioneller

und deshalb geschmeidiger in unsere

Autos eingezogen ist.

Turbobefeuerte, kurzhubige Vierventilmotoren

mit obenliegender Nockenwelle

sind der Normalstand, wie auch

Dreieckquerlenker-Sportfahrwerke mit

Querstabilisatoren, oft versteifbar bis hin

zum Sport- oder Track-Modus. Elektronische

Sperrdifferenziale samt Torque

Vectoring zum idealen Momentenaufbau

am kurvenäußeren Rad findet man selbst

an gehobenen SUV. Schließlich erzielt

man Motorleistungen über 500 PS bei

den massigen Bügeleisen von Porsche,

Jaguar, Audi, BMW und bis hin zu 600 PS

beim Bentley Bentayga. Motoren geben

automatisch Zwischengas beim Runterschalten,

was gerne auch mit entsprechender

(künstlicher) Klangkulisse aus

dem Auspuff oder der Soundbox kommentiert

wird.

Schon der Blick macht alles klar: Herabhängende

Lefzen zum Ansaug- und Kühlluft-Inhalieren

wie beim Rennsport,

NACA-Lufteinlässe, wie sie am 3er-BMW

(Ausstattung Sport Line) den Rennsport

zitieren, leiten über in seitliche Air-Vents

hinterm Vorderrad. Appetitlich aufgeräumte

Diffusor-Heckpartien findet man

schon beim Kia Proceed, wo die Rippen

zumindest optisch für mehr Bodendruck

durch beschleunigte Luftströmung am

Unterboden sorgen.

Weitere Beispiele staugewordenen Motorsports

ließen sich anführen, doch einen

Gedanken möchte ich noch einbringen:

Wo setzt wohl das Elektroauto an? Hier

gibt es keine sportliche Grundlage, kein

prometheisches Bändigen des Feuers wie

beim Verbrennungsmotor. Die synthetische

Formel E als Vorbild? Dagegen muss

man halten, dass Motorsport bisher

immer von unten, aus der Volksbegeisterung

kam. Beiwagenrennen gab es,

solange die Leute Beiwagenmaschinen

fuhren. Heute hat das bestenfalls Exotenstatus.

Meine Theorie: Solange das Elektroauto

keine subversive, sozusagen aus

dem Schlamm geborene Funktion aufweisen

kann, wird es genau so weit laufen,

wie man es schiebt. Natürlich im

übertragenen Sinne.



Higgledy Piggledy

Fahrkultur

253

Fahrkultur

Text

Iris Soltau

Dirk Behlau: Squeezed Up – Tales of Polynesian Pop and

Kustom Kulture, Dokumentarfilm als Video-on-Demand oder DVD

für 25 Euro und Bildband mit 378 Seiten für 59 Euro, beides

über → thepixeleye-shop.com/de

California Dreaming

Grafikdesigner, Fotograf und Filmemacher Dirk »The Pixeleye«

Behlau macht keine halben Sachen. Und so bringt er mit

»Squeezed Up« nicht nur einen Dokumentarfilm, sondern

gleich einen XXL-Bildband mit heraus. Worum es geht? Um all

das, was Spaß macht. Hot Rodding, polynesischer Pop, Tiki-

Kultur, Tattoos und Kustom Kulture. Der Bonner reiste mit

vier Freunden durch Südkalifornien und traf sich mit Malern,

Surfern, Tätowierern, Barkeepern und anderen schrägen

Vögeln. Premiere feiert der Film übrigens nicht in L.A.,

sondern in Helsinki. Dort werden mit Sicherheit auch die

Leningrad Cowboys dabei sein. Als Behlau die Finnen vor

Jahren fotografierte, ließen sie ihn nicht nach Hause fahren,

sondern nahmen ihn direkt mit nach Mexiko, wo er sie drei

Wochen lang bei der Carrera Panamericana begleitete.

© Dirk Behlau



254 Alles halb so wild!

ramp #49 Higgledy Piggledy

Fahrkultur

255

Lesen

© Vince Perraud

Ist das Kunst oder fährt das weg?

»Jeder Oldtimer ist weit mehr als ein Automobil. Er ist ein Stück Kunst, das zufälligerweise

fährt.« Das sagt der Grazer Richard Kaan – und der muss es wissen. Der ehemalige Renn-Fahrlehrer,

Konstrukteur und Prototypenbauer gilt heute als einer der angesehensten Sachverständigen

für historische Autos. Zusammen mit dem Fotografen Daniel Reinhard brachte er mit

»Passion Oldtimer« ein Kompendium heraus, das keine Fragen mehr offenlässt. Neben einer

Fülle an Infos begeistern vor allem die Detailbilder-Mosaike, die zum Beispiel Kühlerfiguren,

Technikdetails oder Karosserieformen zeigen.

Richard Kaan und Daniel Reinhard: Passion Oldtimer – Die Welt der klassischen Automobile,

GeraMond-Verlag, 69 Euro

Die ramp Buchcharts

Um die Ecke gedacht

Für Menschen, die sich immer schon gefragt haben, wie

man einen Lavagraben anlegt, gibt es den schlauen und

superkomischen Ratgeber »How to – Wie man’s

hin kriegt« von Randall Munroe. Der erklärt jedoch nie den

einfachen, sondern immer den absurdesten Weg: digitale

Daten versenden? USB-Sticks an Zugvögeln befestigen,

zack, fertig. Starthilfe geben? Einfach mal elf Jahre auf

eine Sonneneruption warten. »Selbst die mieseste Idee«,

findet der Autor, »bringt uns vielleicht auf einen besseren

Denkansatz.«

Randall Munroe: How to – Wie man’s hinkriegt, Penguin,

16 Euro

Die Letzten ihrer Art

Vom Bugatti EB110 wurden keine 130 Exemplare gebaut,

obwohl er das Zeug dazu gehabt hätte, das beste Auto

seiner Zeit zu werden. Warum dieses Projekt der

Superlative so gnadenlos scheiterte, ist auch eine

spannende Geschichte. Das Buch »The Last Bugatti

Racing Cars« feiert dagegen noch einmal die Großartigkeit

des Fahrzeugs: Mit Hunderten von unveröffentlichten

Fotografien, Zeichnungen und Rennberichten rund um die

beiden letzten Werksrennwagen EB110S Le Mans und

EB110S IMSA. Zurück bleibt die traurige Frage: Was hätte

nicht alles werden können?

Johann Petit, Pascal Van Mele: The Last Bugatti Racing

Cars, Hortons Books Limited, 459 Euro (blau gebundene

Le Mans-Edition und silbern gebundene IMSA-Edition,

jeweils nur 110 Exemplare). theeb110book.com

Liebe und Staub

Einst fotografierte Vince Perraud die BMX- und Skater-Szene, heute eher

kostspielige Fahrzeuge. Aber: Die Bildsprache ist geblieben. Für den Bildband

»Get In« begab sich der Franzose auf einen staubigen Roadtrip durch

Europa, die USA und Japan und fotografierte klassische Porsche Modelle.

»Ich liebe den Klang und den Geruch. Wenn du einen Porsche hörst, drehst

du dich automatisch um.« Gerade restauriert Perraud übrigens einen

heruntergerockten Porsche 912 von 1968, den er »Cactus« nennt. »Sie

braucht jede Menge Liebe«, erklärt er, »aber so langsam kommt sie zurück

ins Leben.«

Vince Perraud: Get in, L’Écurie, 60 Euro,

→ lecurie.bigcartel.com

Welt retten für Anfänger

Die Liste der Probleme ist lang: Klimawandel, Verkehrskollaps,

Artensterben. Was tun? Jammern ist eine Möglichkeit,

wir empfehlen aber das Buch »Es gibt keinen Planet

B«. Autor Mike Berner-Lee nimmt das Drama aus der

Diskussion und bietet wissenschaftlich fundierte

Lösungsansätze an, die pragmatisch und motivierend

sind. Zuerst aber, so der britische Soziologe, sollten wir

eine Vision entwickeln, wie die perfekte Welt in Zukunft

aussehen könnte: »Teilen Sie diesen Traum und leben Sie

für ihn.«

Mike Berner-Lee: Es gibt keinen Planet B: Das Handbuch

für die großen Herausforderungen unserer Zeit, Midas

Sachbuch, 25 Euro

Der gute Ruf

Seit 1939 stellt RUF einige der begehrtesten Performance-Autos

der Welt her. Jetzt wird die Geschichte von

Alois Ruf und seiner Familie in einem 520-seitigen,

zweiteiligen Buch erzählt. Ein Teil widmet sich dem

berühmtesten Ruf von allen – dem Yellowbird. Cool: Die

limitierten Bände (356 Exemplare) stecken in einem

Luxus-Schuber, der mit original Ruf-Sitzstoff bezogen ist.

Aber nicht draufsetzen, bitte.

RUF – The very very limited one. Waft Books. 550 Euro.

waft.be



256 Alles halb so wild!

ramp #49

Higgledy Piggledy

Fahrkultur

257

sich zu informieren. Das ist, als ob man ein Rudel gut ausgebildeter

Hunde hätte und einen neuen Welpen dazubringt – dann

lernt der Welpe, wie sich das Rudel verhält und fühlt sich zugehörig.

Nachdem wir die Kerngruppe aufgebaut hatten,

begannen wir, diese Vision auf andere Kategorien wie Kunst,

Design, Reisen und Architektur auszuweiten.

Bilder spielen heute eine zentrale Rolle. Instagram ist das beste

Beispiel dafür. Brauchen wir überhaupt noch Texte?

Ohne Kontext ist Schönheit nur pornografisch, und das wird

ziemlich schnell langweilig. Obwohl unsere Aufmerksamkeitsspanne

heute als Gesellschaft kürzer ist, sehnen wir uns

noch immer nach einer guten Geschichte. »Type 7« möchte

diese Lücke schließen, indem wir genau die richtige Menge an

Story für den Kontext bieten, den wir gewohnt sind.

»Ohne Kontext ist Schönheit

nur pornografisch.«

Jemand beschrieb Ted Gushue einmal als »allgegenwärtigen

Fotografen und Influencer«, letztes Jahr brachte er mit »Type 7«

einen der erfolgreichsten Social Media-Accounts an den Start,

ein nur auf Instagram erscheinendes Magazin, das sich ganz

Porsche verschrieben hat. Ein Gespräch über geerbte Leidenschaften

– und sein neues Buch.

Herr Gushue, woher rührt Ihre Faszination für Autos?

Ich bin in Connecticut auf dem Land aufgewachsen, in einem

jener Orte, an denen es toll ist, Kind zu sein, die dann aber im

Alter von sechzehn langweilig werden. Wir waren nicht reich,

daher war es für uns unmöglich, die neuesten und besten

Fahrzeuge zu besitzen – aber sie waren immer interessant.

Das Auto, das ich heute fahre, ein 911S von 1976, hat mein

Vater 1992 für genau fünftausend Dollar gekauft.

begann, die Welt der Oldtimer wirklich zu erkunden. Einige

Jahre lang ging ich zu jedem Oldtimer-Event und knipste alles,

was mir vor die Linse kam. Es war die beste Entscheidung

meines Lebens.

Und wie kam es zu »Type 7«?

Das entstand aus einem Gespräch mit meinen Kollegen bei

Porsche Marketing in Zuffenhausen heraus. Es startete als

Online-Magazin, aber im Laufe von vierzehn Monaten und

vielen Meetings entfernten wir uns davon und konzentrierten

unsere Energie auf Instagram.

Jetzt gibt es auch ein Buch. Haben Sie eine Lieblingsgeschichte?

Vielleicht die der Familie Holbert, die Todd Holbert, der Sohn

des verstorbenen Al Holbert, zur Verfügung gestellt hat. Er

ging das persönliche Familienarchiv durch, holte nie zuvor

gesehene Bilder heraus und schrieb ausführliche Bildunterschriften,

die noch nie zuvor erzählt worden waren.

Gibt es einen persönlichen Porsche Moment, an den Sie sich

besonders gut erinnern?

Als ich sechzehn Jahre alt war, nahm ich den 911S, der jetzt

mir gehört, für eine Spritztour, ohne dass mein Vater es

wusste. Ich war mir einiger Getriebeprobleme nicht bewusst

und brachte ein paar Schaltvorgänge wirklich durcheinander,

wodurch der dritte Gang bis zu dem Punkt heruntergeschliffen

wurde, dass er ersetzt werden musste. Ich werde nie vergessen,

wie ich das meinem Vater erklären musste.

Mehr dazu auf Instagram:

@type7

Es liegt also in der Familie?

Ja, in der meines Vaters. Man kaufte ständig zu Schrott gefahrene

Porsche und andere Sportwagen, um sie gemeinsam zu

restaurieren. Bis vor Kurzem war das ein ziemlich übliches

Hobby.

Und wie kamen Sie dann zur Fotografie?

Ich hatte einen Universitätsabschluss in Fotografie, mit dem

ich nichts anzufangen wusste. Na ja, eigentlich hatte ich zwei

Abschlüsse, mit denen ich nichts anzufangen wusste. Ich

wohnte damals in New York und kam dann eher per Zufall

zum Journalismus. Als ich als Redaktionsleiter von petrolicious.com

eingestellt wurde, griff ich wieder zur Kamera und

Was sagt uns dieser Name eigentlich?

Wir entschieden uns aufgrund der Bedeutung für die Entwicklung

des 911ers dafür. Es war das erste Design, das die Lücke

zwischen dem 356er und dem 911er (oder 901er) überbrückte.

Ein sehr seltsam anmutendes Fahrzeug mit viel Charakter.

Außerdem waren alle Namen und Domänen verfügbar, und

das ist, wenn man etwas über die Einführung einer Marke

weiß, von großem Vorteil!

Wie hat sich die Idee seit den Anfängen entwickelt?

»Type 7« ist seit der Einführung ziemlich schnell gewachsen.

Zunächst wollten wir traditionelle Porsche Fans zum Gespräch

einladen. Wenn man die hat, wird es für neue Fans einfacher,

Type 7: The Porsche Lifestyle

Channel @Instagram Vol. one.

Delius Klasing, 49,90 Euro



258 Alles halb so wild!

ramp #49

Hingehen

Hopper entdecken

Es gibt wohl kaum ein Bild, das die Verlorenheit von Großstädtern

besser symbolisiert wie Edward Hoppers »Nighthawks«.

So ikonisch, dass es die anderen Werke des US-Künstlers

komplett überschattet. Darum legt die Baseler Fondation

Beyeler mit ihrer Hopper-Ausstellung den Schwerpunkt auf

unbekanntere Aquarelle und Ölgemälde. Weiteres Highlight:

der 3D-Kurzfilm »Two or Three Things I Know About Edward

Hopper« von Wim Wenders. Der Regisseur ist ein riesiger

Hopper-Fan und sagt: »Ich finde, dass er gemalt hat, als ob er

erwarten würde, dass daraus ein Film wird.«

Edward Hopper. Fondation Beyeler. 16.01. bis 17.05.20

→ fondationbeyeler.ch

© Heirs of Josephine Hopper / 2019, ProLitteris, Zürich

Foto: © 2019 Digital image, The Museum of Modern Art, New York / Scala, Florence

© Heirs of Josephine Hopper / 2019, ProLitteris, Zürich

Foto: © 2019. Digital image Whitney Museum of American Art / Licensed by Scala

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260 Alles halb so wild!

ramp #49

Higgledy Piggledy

Fahrkultur

261

Hören

Sehen

Leaving Las Vegas

The Killers aus Las Vegas haben keine Angst vor Pailletten,

hymnischen Refrains oder Texten, die knapp am Kitsch

vorbeischrammen. Und trotzdem (oder gerade deshalb?) sind

sie eine großartige Rockband. Mit dem sechsten Album »Imploding

the Mirage« zeigen sich die Jungs politischer denn je: Im

Song »Land of the Free« prangern sie Trumps Asyl- und

Waffenpolitik an, Regisseur Spike Lee inszenierte das Video

dazu. Aber keine Bange, wenn die Killers im Sommer auf Tour

kommen, wird es auf der Bühne wieder funkeln. Wie heißt es

doch so schön? Du kriegst mich aus der Hood, doch die Hood

nicht aus mir.

© Paramount Pictures / MoviestillsDB

Top Gun 2: Maverick,

Paramount Pictures,

Kinostart: 16.07.

© 2007 Press Here Productions

Hotspot Berlin

Songs der Pet Shop Boys sind ein Garant, jede noch so lahme

Party sofort auf Vordermann zu bringen. Auf »Hotspot«

präsentiert sich das Brit-Duo jetzt ungewohnt melancholisch.

Vielleicht liegt’s daran, dass es das Album in den Berliner

Hansa-Studios aufnahm, wo schon legendäre Werke von

Bowie, U2 oder Depeche Mode entstanden? Ach ja, getanzt

werden darf auch. Zum Beispiel zu dem pumpenden Electro -

Track »Will-o-the-wisp«.

The Killers: Imploding the Mirage, Universal, 20 Euro (Album-VÖ tba)

© Phil Fisk

Helden der Lüfte

Es gibt Menschen, bei denen läuft der Filmtrailer von »Top

Gun 2: Maverick« seit Juli in Dauerschleife. Weil ein Leben

ohne den Kinohit von 1986 nicht denkbar ist und sie noch

immer für Kelly McGillis schwärmen. Und es gibt Menschen,

die das sehr seltsam finden. Trotzdem sollten auch die sich die

Fortsetzung im Kino ansehen: Weil es Spaß macht, Cruise als

Elite-Piloten Pete »Maverick« Mitchell, der es allen noch mal

zeigen will, zuzuschauen. Weil die Flugszenen spektakulär

sind und man sich daran erinnert, warum Cruise als coolster

Typ der 80er galt. »Iceman« (Val Kilmer) sitzt übrigens auch

wieder mit im Cockpit, Harold Faltermeyer komponierte

erneut den Soundtrack – einzig Kelly McGillis musste zu

Hause bleiben.

Lebe deinen Baum

Ernsthaft, ein Film über stämmige Kerle, die sich nicht vom Fleck bewegen und auch schon

reichlich Moos angesetzt haben? Ganz genau! Die Verfilmung des Bestsellers »Das geheime

Leben der Bäume« ist eine fesselnde Doku, in der sich spektakuläre Naturaufnahmen mit

Einblicken in das Leben des Försters Peter Wohlleben abwechseln. Mal besucht er Demonstranten

im Hambacher Forst, dann führt er eine koreanische Delegation durch die Eifel – oder

reist nach Vancouver Island, wo er ein indigenes Waldprojekt unterstützt. Und wir lernen:

Ohne Wald ist nichts los. Nirgendwo.

Pet Shop Boys: Hotspot. Rough Trade.

14 Euro

Das geheime Leben der Bäume.

Im Stream erhältlich



Vorschau

ramp #50 erscheint 09.07.2020

Lieber Von-hinten-Leser,

es ist ja eine seltsame Sache, dass der Mensch alles in der Welt

vermessen muss. Vielleicht, um sie besser zu verstehen, um

eine behagliche Ordnung zu schaffen. Und dieses Bestreben

macht natürlich auch nicht vor dem Himmel halt – oder besser

gesagt vor Wolken, ausgerechnet den Gebilden, die scheinbar

willkürlich entstehen und vergehen. Ein Gerät zur Vermessung

heißt Ceilograph, die Faustformel, die auf den deutschen

Physiker Fritz Henning zurückgeht, lautet in Fuß

h = 400(t − td). Diese dient der »näherungsweisen Berechnung

des Konvektionskondensationsniveaus«. Oder anders gesagt:

Sie bemisst die Untergrenze, an der sich Wolken bilden. Dabei

wird die Differenz zwischen Temperatur (t) und Taupunkt (tp)

auch »Spread« genannt. Sind die Temperatur am Boden und

der Taupunkt identisch, ist auch die Wolkenuntergrenze gleich

null. Und das nennt man schlicht und ergreifend: Nebel.

Also ein ausgesprochen hübsches Phänomen, das sich nicht in

exakte mathematische Formeln fassen lässt, ein vergnügliches

Durcheinander – und damit genau das, was man auch über

dieses Heft sagen kann.

Viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe!



VON ZELL AM SEE NACH LOS ANGELES.

AUF KNOPFDRUCK.

Allzeit bereit – weltweit. Der innovative Porsche Design

1919 Globetimer UTC definiert eine neue Generation

von Reiseuhren und begeistert durch einen innovativen

Schaltmechanismus, der Maßstäbe setzt: Über einen

Drücker kann die aktuelle Zeitzone im 1-Stunden-Takt

ohne Verlust der exakten Zeiteinstellung [Min./Sek.]

verstellt werden.

1919 GLOBETIMER UTC

PORSCHE DESIGN KALIBER WERK 04.110

www.porsche-design.com/GlobetimerUTC

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