25 Bioenergie-Regionen im Porträt - Biobeth
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<strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-<strong>Regionen</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Porträt</strong><br />
Gewinner des Bundeswettbewerbs –<br />
Vorbilder in Sachen <strong>Bioenergie</strong>
2 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
3 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
die energiequelle Biomasse eröffnet große Zukunftschancen insbesondere<br />
für den ländlichen raum. gemeinsam mit den anderen<br />
erneuerbaren energien leistet die erzeugung und nutzung von<br />
Biomasse einen maßgeblichen Beitrag zum Kl<strong>im</strong>aschutz. gleichzeitig<br />
verbinden sich mit ihr auch vielfältige positive wirtschaftliche und<br />
soziale Folgen für eine region.<br />
Die Biomassebereitstellung ist dabei nur das erste glied in einer<br />
langen Kette von Dienstleistungen, zu der die Veredelung ebenso<br />
wie am ende die nutzung gehören. Alle Akteure dieser Wertschöpfungskette<br />
können und sollen sich <strong>im</strong> ländlichen raum ansiedeln,<br />
um von kurzen Wegen zu profitieren und vor ort ein max<strong>im</strong>um an<br />
Wertschöpfung und Arbeitsplätzen zu generieren. Voraussetzung<br />
ist, dass die potenziellen partner voneinander wissen, miteinander<br />
in Kontakt treten und kooperieren. Der Wettbewerb <strong>Bioenergie</strong>regionen<br />
des Bundesministeriums für ernährung, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz (BmeLV) leistet hierzu einen entscheidenden<br />
Beitrag. ganz bewusst fördern wir in den <strong>25</strong> regionen maßnahmen<br />
zur information, Vernetzung und Qualifizierung. Dadurch sollen<br />
neue und verlängerte regionale <strong>Bioenergie</strong>-Wertschöpfungsketten<br />
ermöglicht werden.<br />
in dieser Broschüre werden ihnen vielfältige und innovative Konzepte<br />
zum Ausbau der <strong>Bioenergie</strong>produktion und –nutzung vorgestellt.<br />
Die projekte beruhen auf Kriterien wie nachhaltigkeit,<br />
effizienzsteigerung und Wissenstransfer, die bei der Auswahl der<br />
<strong>25</strong> Förderprojekte eine entscheidende Rolle gespielt haben.<br />
Ursprünglich hatten sich an dem Wettbewerb insgesamt 210 regionen<br />
beteiligt. Diese überaus große resonanz zeigt, dass die Zeit reif<br />
ist für das thema <strong>Bioenergie</strong> und dass gleichzeitig ein Bedürfnis nach<br />
Vernetzung der Aktivitäten und Austausch der erfahrungen besteht.<br />
ich würde mich freuen, wenn diese Broschüre möglichst viele weitere<br />
regionen, Akteure und interessierte dazu anregt, sich noch mehr auf<br />
die eigenen Stärken und potenziale <strong>im</strong> Bereich <strong>Bioenergie</strong> zu besinnen.<br />
Lassen sie uns die Chancen für eine zukunftsfähige energieversorgung<br />
nutzen.<br />
ihre<br />
ilse Aigner<br />
Bundesministerin für ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
4 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
5 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Inhalt<br />
Vorwort<br />
Ausgangslage<br />
Wettbewerb<br />
Wissenschaftliche Begleitforschung<br />
<strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Ausblick<br />
<strong>im</strong>pressum<br />
3<br />
6<br />
8<br />
11<br />
15<br />
66<br />
68
6 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt 7 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Ausgangslage<br />
Drei Viertel der in Deutschland benötigten energieträger werden<br />
zurzeit aus dem Ausland <strong>im</strong>portiert. Das ist teuer, und es ist anzunehmen,<br />
dass die preise für erdöl, erdgas und Kohle in Zukunft steigen<br />
werden. Zudem sind die reserven der meisten energieträger endlich<br />
und auf wenige, teilweise politisch unstabile Länder begrenzt.<br />
Anders als fossile energiequellen verursachen Strom, Wärme und<br />
Kraftstoffe aus erneuerbaren energien kaum treibhausgase und sind<br />
fast überall verfügbar. Durch den Ausbau von umweltfreundlichen<br />
energien kann also nicht nur das Kl<strong>im</strong>a geschont werden, sondern<br />
die <strong>im</strong>portabhängigkeit verringert und gleichzeitig die energieversorgung<br />
gesichert werden.<br />
Die europäische Union hat sich darauf geeinigt, die treibhausgasemissionen<br />
bis 2020 gegenüber 1990 um 20 prozent zu senken und<br />
den Anteil an erneuerbarer energie am gesamten europäischen energieverbrauch<br />
auf 20 prozent zu steigern. Die mitgliedsstaaten tragen<br />
mit jeweils individuellen Zielen zur erreichung dieser Vorgaben bei:<br />
So will Deutschland seine treibhausgasemissionen bis 2020 sogar um<br />
40 prozent verringern und den Anteil der erneuerbaren energien am<br />
gesamten endenergieverbrauch auf mindestens 18 prozent erhöhen.<br />
Konkret sollen mindestens 30 prozent erneuerbarer energie an der<br />
Strom- und 14 % an der Wärmebereitstellung erreicht werden. 2009<br />
haben die regenerativen energien <strong>im</strong>merhin schon gut ein Zehntel<br />
des gesamten deutschen endenergieverbrauchs gedeckt – rund 70<br />
prozent dieser energie stammte aus Biomasse. Damit konnten mit<br />
erneuerbaren energien bis ende 2009 107,3 millionen tonnen Co 2<br />
eingespart werden. trotzdem sind die he<strong>im</strong>ischen Biomasseressourcen<br />
bei weitem noch nicht ausgeschöpft. insgesamt verfügt Deutschland<br />
über 17 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche, davon<br />
11,8 Mio. Hektar Acker- und 5 Mio. Hektar Grünland und 11 Mio. Hektar<br />
Waldfläche. <strong>im</strong> Jahr 2009 wurden für den energiepflanzenanbau<br />
lediglich ca. 1,7 Mio. Hektar verwendet. Fachstudien weisen darauf<br />
hin, dass 2020 theoretisch 2,5 - 4 Mio. Hektar der Ackerfläche für<br />
stoffliche und energetische nutzung der Biomasse genutzt werden<br />
könnten.<br />
Biomasse ist die vielseitigste erneuerbare energiequelle und kann<br />
als fester, flüssiger oder gasförmiger energieträger in Wärme, Strom<br />
oder Kraftstoff umgewandelt werden. ein großer pluspunkt der<br />
<strong>Bioenergie</strong> ist ihre Speicherfähigkeit – sie kann bei Bedarf abgerufen<br />
werden und ist nicht wie Wind- oder Solarenergie darauf angewiesen,<br />
dass der Wind weht oder die Sonne scheint. Auch finanziell<br />
lohnt es sich, auf <strong>Bioenergie</strong> zu setzen: Die deutlichsten Zuwächse<br />
bei den investitionen in erzeugung erneuerbarer energien liegen<br />
<strong>im</strong> Bereich der Stromerzeugung aus Biomasse. Und schließlich hat<br />
<strong>Bioenergie</strong> nicht nur für den Kl<strong>im</strong>aschutz entscheidende Bedeutung:<br />
Von 300.500 Arbeitsplätzen <strong>im</strong> Bereich der erneuerbaren energien in<br />
2009 trägt die Biomasse mit rund 36 % auch weiterhin einen großen<br />
teil zur Bruttobeschäftigung bei („entwicklung der erneuerbaren<br />
energien in Deutschland <strong>im</strong> Jahr 2009“, märz 2010, BmU).<br />
mit unterschiedlichen maßnahmen ebnet das Bundesministerium<br />
für ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BmeLV)<br />
den Weg für mehr <strong>Bioenergie</strong>. es gilt, neue, bislang ungenutzte<br />
rohstoffpotentiale zu erschließen und die nutzung von Biomasse<br />
in allen drei Bereichen – Wärme, Strom und Kraftstoff – zu erhöhen.<br />
Die wichtigsten instrumente des BmeLV sind hierbei die einflussnahme<br />
bei entsprechenden gesetzesvorhaben und die Förderung von<br />
Forschung und entwicklung entlang der gesamten Bereitstellungskette,<br />
vom Anbau über die Aufbereitung, die Umwandlung bis hin<br />
zum Verbrauch. Aber auch auf Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung<br />
setzt das ministerium, der Bundeswettbewerb <strong>Bioenergie</strong>-regionen<br />
ist ein Beispiel hierfür. Dabei zielen alle Fördermaßnahmen darauf,<br />
dass möglichst nachhaltige und effiziente Anbau-, Aufbereitungs-<br />
und nutzungsverfahren entwickelt werden. Denn Biomasse ist zwar<br />
nachwachsend, die Fläche dennoch nicht unbegrenzt vorhanden –<br />
die Herausforderung ist, sie so sparsam wie möglich einzusetzen.
8 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt 9 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Wettbewerb<br />
Ziele<br />
Der Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>-regionen“ ist ein instrument, das zur<br />
erfüllung der Kl<strong>im</strong>aschutzziele der Bundesregierung beitragen kann.<br />
Daneben unterstützt das BmeLV weitere regionale maßnahmen wie<br />
die regionale <strong>Bioenergie</strong>-Beratung, den Leitfaden und das internetportal<br />
‚Wege zum <strong>Bioenergie</strong>dorf’ oder den Wettbewerb ‚<strong>Bioenergie</strong>dörfer<br />
2010’. Alle diese sowie zahlreiche weitere instrumente <strong>im</strong><br />
Kontext ‚Ausbau der Biomassenutzung’ sind <strong>im</strong> Aktionsprogramm<br />
„energie für morgen – Chancen für ländliche räume“ des BmeLV<br />
zusammengefasst.<br />
Der Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>-regionen“ zielt darauf, funktionierende<br />
<strong>Bioenergie</strong>-netzwerke in den regionen zu etablieren. netzwerke<br />
können potenzielle partner, auch investoren, an einen tisch holen,<br />
Wissenstransfer und Weiterbildung initiieren oder bei Konflikten<br />
vermitteln. ganz bewusst fördert das BmeLV mit dem Wettbewerb<br />
keine investitionen in Anlagen und maschinen, denn das wäre relativ<br />
kostenintensiv und würde nur einige wenige projekte begünstigen.<br />
mit funktionierenden netzwerken wird hingegen ein nährboden<br />
geschaffen, auf dem investitionen in der Folge quasi „von selbst gedeihen“<br />
können.<br />
gelingt es, über die netzwerke den Ausbau der <strong>Bioenergie</strong> anzustoßen,<br />
sind regionale Wertschöpfungsketten und neue Arbeitsplätze<br />
die positiven Folgen – für die Bewohner des ländlichen raumes<br />
bedeutet das neue Perspektiven und mehr Lebensqualität. Heute sind<br />
ländliche regionen leider häufig strukturschwach und von Abwanderung<br />
und einem Abbau der infrastruktur geprägt. Dabei sollte die<br />
Bevölkerung so weit wie möglich in die Umbauprozesse mit einbezogen<br />
werden. Bürger, die an sich an entscheidungen und investitionen<br />
beteiligen können, sind eher bereit, Veränderungen zu akzeptieren.<br />
neutrale netzwerke vermögen viel besser als private investoren,<br />
menschen vor ort mit einzubeziehen und zu motivieren.<br />
Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Unser wichtigstes Kapital<br />
ist unser Wissen, unser technologisches Know-how. ein weiteres Ziel<br />
des Wettbewerbes ist es deshalb, das Wissen <strong>im</strong> Bereich <strong>Bioenergie</strong><br />
aufzubauen, die Branche zu stärken und damit letztlich auch exportchancen<br />
zu generieren. nicht zuletzt sollen die <strong>im</strong> Wettbewerb<br />
ausgewählten <strong>Bioenergie</strong>-regionen als Leuchttürme fungieren und<br />
andere regionen motivieren, ebenfalls den Weg in richtung energie-Wende<br />
einzuschlagen.<br />
Bundesministerin Ilse Aigner und Vertreter<br />
der Gewinner-<strong>Regionen</strong> bei der Prämierung<br />
der Sieger<br />
Foto: FNR/Christiane Tessmann<br />
Umsetzung<br />
<strong>im</strong> Februar 2008 wurde der Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>-regionen“<br />
vom BmeLV ausgelobt und die Fachagentur nachwachsende rohstoffe<br />
e.V. (FNR) mit der Übernahme der Geschäftsstelle betraut.<br />
<strong>im</strong> Laufe eines einjährigen prozesses wählte eine unabhängige Fachjury<br />
unter insgesamt 210 Bewerbern <strong>25</strong> regionen aus. Bewertungsgrundlage<br />
waren die erstellten <strong>Bioenergie</strong>-regionalentwicklungskonzepte.<br />
<strong>im</strong> märz 2009 prämierte schließlich die Bundesministerin<br />
für ernährung, Land wirtschaft und Verbraucherschutz ilse Aigner<br />
die <strong>25</strong> ausgewählten regionen. Diese wer den insgesamt drei Jahre<br />
lang mit jeweils bis zu 400.000 euro bei der Umsetzung ihrer regionalen<br />
entwicklungs konzepte gefördert.<br />
Die Fördermittel sind für den Aufbau von netzwerk- und Kooperationsstrukturen<br />
und das entsprechende personal, für regionalmanagement,<br />
moderation oder Konfliktmanagement, Veranstaltungen<br />
und Öffentlichkeitsarbeit, Qualifizierungsmaßnahmen und Studien<br />
abrufbar. Die projekte werden alle zu unterschiedlichen Anteilen<br />
durch eigen- oder Drittmittel mitfinanziert.<br />
Seit Juni 2009 sind die <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen dabei, ihre regionalentwicklungskonzepte<br />
umzusetzen. ein großteil der regionen hat<br />
neues personal für die netzwerkarbeit eingestellt, zum teil in eigens<br />
eingerichteten geschäftsstellen oder neu gegründeten gesellschaften.<br />
Die einzelnen regionen gingen dabei mit ganz unterschiedlichen<br />
Ausgangssituationen an den Start: Flächenmäßig reicht das<br />
Spektrum von der Kleinstadt Ludwigsfelde bis zur größten region<br />
mecklenburgische Seenplatte, die aus drei Landkreisen besteht.<br />
manche haben langjährige erfahrung <strong>im</strong> Bereich <strong>Bioenergie</strong> oder<br />
regionalentwicklung, andere nahmen den Wettbewerb zum Anlass,<br />
um die themen Kl<strong>im</strong>aschutz und regenerative energien erstmals<br />
anzugehen. Und auch thematisch sind die projekte sehr breit angelegt.<br />
Sie beinhalten die verschiedensten Biomassearten und Umwandlungstechnologien.<br />
Sowohl die Biogasgewinnung als auch die<br />
Biomasseverbrennung spielen in den meisten Konzepten eine rolle.<br />
Bei den rohstoffen liegt der Schwerpunkt zum einen auf Festbrennstoffen.<br />
Es wird Holz aus dem Forst oder aus Kurzumtriebsplantagen<br />
genutzt. Zum Anderen möchte man neben energiepflanzen stärker<br />
landwirtschaftliche reststoffe, Abfallstoffe, grünschnitt und Landschaftspflegematerial<br />
einsetzen. Das erzeugte Biogas soll nicht nur<br />
in Strom und Wärme umgewandelt, sondern auch ins erdgasnetz eingespeist<br />
oder als Kraftstoff genutzt werden. Viele regionen initiieren<br />
und unterstützen die entstehung von <strong>Bioenergie</strong>dörfern.
10 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt 11 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
2. Workshop, September 2009 in Fulda<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region Altmark/<br />
Gerhard Faller-Walzer<br />
Geschäftsstelle<br />
Die bei der Fachagentur nachwachsende rohstoffe e.V. (Fnr) angesiedelte<br />
geschäftsstelle des Wettbewerbs steht den regionen für<br />
fachliche und organisatorische Fragen zur Verfügung. Von hier aus<br />
erfolgen die Koordination des Wettbewerbs, die Auszahlung der<br />
Fördermittel, die Beratung der regionen sowie die organisation von<br />
Veranstaltungen und übergreifender Öffentlichkeitsarbeit. Um alle<br />
Beteiligte zu vernetzen, organisiert die geschäftsstelle regelmäßige<br />
Workshops. Zwei bis drei mal jährlich kommen Vertreter aus den<br />
<strong>Bioenergie</strong>-regionen in einer gastgeber-region zusammen, um sich<br />
über themen wie regionale Wertschöpfung und netzwerke, technik<br />
oder Öffentlichkeitsarbeit zu informieren und auszutauschen.<br />
Auch die <strong>im</strong> Wettbewerb nicht ausgewählten regionen und die breite<br />
Öffentlichkeit bekommen die Chance, sich ausführlich über die<br />
entwicklung in den modellregionen und die damit zusammenhängenden<br />
themen zu informieren. Dazu organisiert die geschäftsstelle<br />
übergreifende Veranstaltungen wie den Fachkongress „<strong>Bioenergie</strong>regionen<br />
– Chancen für ländliche räume“ <strong>im</strong> Jahr 2010.<br />
eine weitere informationsquelle ist die Website www.bioenergie-<br />
regionen.de, eine zentrale plattform sowohl für die regionen selbst<br />
als auch für die Öffentlichkeit. Unter anderem werden hier in einer<br />
Datenbank die projekte der einzelnen regionen vorgestellt. ergänzend<br />
berichtet der newsletter „news <strong>25</strong> – <strong>Bioenergie</strong>-regionen<br />
aktuell“ alle drei monate über neuigkeiten aus den regionen, der<br />
geschäftsstelle und von der Begleitforschung.<br />
Wissenschaftliche Begleitforschung<br />
Die <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen wurden aus einer Vielzahl von Bewerbern<br />
als modellregionen ausgewählt. Das bedeutet, sie stehen nun<br />
modell: modell für den regionalen Ausbau der <strong>Bioenergie</strong>, modell<br />
für eine stra tegisch ausgerichtete regionalentwicklung anhand von<br />
regionalen entwicklungskonzepten; modell auch für den Umgang<br />
mit der Förderung von regionalentwicklung. Der Wettbewerb und<br />
die <strong>25</strong> regionen werden daher wissenschaftlich begleitet, um für die<br />
Zukunft zu lernen. Dafür sollen prozesse, Wirkungen und erfolge erfasst,<br />
untersucht und bewertet werden. ein entscheidendes produkt<br />
wird der „Leitfaden Bio energie-regionen“ sein, der am ende die ergebnisse<br />
umsetzungsorientiert aufbereitet und für andere regionen<br />
Deutschlands verfügbar machen soll.<br />
Diese wissenschaftliche Begleitforschung ist in zwei Bereiche aufgeteilt.<br />
Mit einer sozialwissenschaftlich ausgerichteten Herangehensweise<br />
untersucht die projektgemeinschaft der politischgesellschaft<br />
lichen Begleitforschung bestehend aus nova-institut<br />
GmbH und SPRINT GbR die regionalen Prozesse und Netzwerke sowie<br />
das Förderinstrumentarium selbst. Die technisch-ökonomische Begleitforschung,<br />
bearbeitet durch das Deutsche BiomasseForschungs-<br />
Zentrum (DBFZ), dagegen untersucht die „harten“ Fakten. Die regionalen<br />
Anteile der <strong>Bioenergie</strong> und die damit verbundenen Stoffströme<br />
werden hier untersucht. Das thema regionale Wertschöpfung ist für<br />
beide Bereiche relevant und wird unter den Aspekten der netzwerkstrukturen<br />
durch die politisch-gesellschaftliche Begleitforschung<br />
sowie unter dem Aspekt der Stoffströme durch die technisch-ökonomische<br />
Begleitforschung bearbeitet.<br />
Politisch-gesellschaftliche Entwicklungs-<br />
und Steuerungsprozesse<br />
Wie hängen netzwerke, Arbeitsplätze und Kl<strong>im</strong>aschutz zusammen –<br />
so lautet vereinfacht gesagt die Frage dieses Begleitforschungsbereichs.<br />
idee des Wettbewerbs ist es, aktive Akteursnetzwerke aufzubauen<br />
und zu pflegen, welche die <strong>Bioenergie</strong>nutzung in der region<br />
voranbringen. Aber funktioniert das auch? Wie sich diese regionalen<br />
netzwerke verändern und entwickeln, und ob diese tatsächlich erfolge<br />
für die <strong>Bioenergie</strong>-regionen bringen, wird zu zeigen sein.<br />
Die elemente dieser Fragestellung werden mit verschiedenen, vor<br />
allem sozialwissenschaftlichen, methoden beleuchtet und die ergebnisse<br />
zusammengeführt. Bereits zu projektbeginn wurde eine erste<br />
netzwerkanalyse in allen <strong>25</strong> regionen durchgeführt, für die insgesamt<br />
etwa 700 telefoninterviews geführt wurden. Anhand dieser<br />
Analyse konnten 8 typen sozialer netzwerke identifiziert werden.
12 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt 13 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Beispiel für ein offenes, über viele Außenkontakte<br />
verfügendes und ein geschlossenes,<br />
auf sich bezogenes Netzwerk.<br />
Durch den Farbcode ist das Arbeitsfeld<br />
des einzelnen Akteurs gekennzeichnet.<br />
Einfarbige Gruppen deuten auf einseitige<br />
Themenwahl, gemischte Gruppen auf<br />
Themenvielfalt hin.<br />
Ansprechpartner<br />
Dirk Schubert<br />
nova-Institut GmbH<br />
Tel: 0228/538 8438<br />
E-Mail: Dirk.Schubert@nova-Institut.de<br />
www.nova-institut.de<br />
Dr. Sebastian Elbe<br />
SPRINT GbR<br />
Tel: 06151/66 77 801<br />
E-Mail: elbe@sprintconsult.de<br />
www.sprintconsult.de<br />
Bislang deuten die ergebnisse darauf hin, dass offene netzwerkstrukturen<br />
(s. Abb.) günstigere Ausgangsbedingungen für Regionalentwicklungsprozesse<br />
bieten.<br />
ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen netzwerkstruktur und<br />
entwicklungserfolg nachweisbar ist, werden die weiteren Untersuchungen<br />
bis zum ende der Förderlaufzeit zeigen.<br />
Mit Hilfe sogenannter Erfolgsfaktoren wurde zudem eine erste<br />
einschätzung der regionalentwicklungsprozesse durch die Akteure<br />
in allen <strong>25</strong> regionen durchgeführt und ausgewertet. Die ergebnisse<br />
dienen über die einbindung in die Selbstevaluierung in den regionen<br />
der gezielten Verbesserung der dortigen prozesse ebenso wie der<br />
Verbesserung des Wettbewerbs als solchem. Beide Analysen werden<br />
kontinuierlich fortgesetzt und mit einer zweiten umfangreichen<br />
erhebung und vergleichenden Auswertung zum ende der Laufzeit<br />
abgeschlossen.<br />
Beispiel einer schematisiertenWertschöpfungskette<br />
für Biogas mit<br />
Spezifizierungen der einzelnenWertschöpfungsstufen<br />
sowie möglichen<br />
Kennzahlen, die für eine<br />
Erhebung herangezogen<br />
werden können.<br />
<strong>im</strong> nächsten Schritt steht die Durchführung sogenannter „Fokusgruppen“<br />
an. Hier soll das Expertenwissen aus der Begleitforschung<br />
gezielt mit dem praktischen erfahrungswissen der regionalen<br />
Akteure zusammengeführt und weiterentwickelt werden. in diesem<br />
Zusammenhang hat die Begleitforschung für die regionen bereits<br />
weiterführende informationen über das management von <strong>Bioenergie</strong>-regionen<br />
und über Qualifizierungsmöglichkeiten in einem<br />
Leitfaden aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Die Fokusgruppen<br />
werden fünf themenfelder vom Konfliktmanagement bis zur Verstetigung<br />
der prozesse über die Förderlaufzeit hinaus bearbeiten.<br />
Technisch-ökonomische Aspekte<br />
<strong>im</strong> mittelpunkt der Forschungsarbeiten stehen die Bewertung der<br />
technischen Aspekte und die Untersuchung der regionalen Biomasse-Wertschöpfungsketten.<br />
Ziel ist es, festzustellen, wie sich die energetische<br />
<strong>Bioenergie</strong>nutzung in den regionen innerhalb der projektlaufzeit<br />
weiterentwickelt und welche effekte dies auf die regionale<br />
Wertschöpfung hat.<br />
Zu Beginn des Wettbewerbs hat das team des DBFZ die regionalen<br />
Konzepte ausgewertet. Die technischen ideen und planungen der<br />
regionen wurden anhand verschiedener Kriterien wie Umwandlungsart,<br />
neuheitsgrad und rohstoffeinsatz eingeordnet und evaluiert.<br />
Um Aussagen darüber treffen zu können, welche Wirkung die<br />
regionalen Biomasse-netzwerke auf die entwicklung der <strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
haben können, wird die Umsetzung der Konzepte über den<br />
gesamten Wettbewerbsverlauf beobachtet.
14 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Deutsches BiomasseForschungs<br />
Zentrum gemeinnützige GmbH (DBFZ)<br />
Torgauer Straße 116<br />
04347 Leipzig<br />
www.dbfz.de<br />
Dr. Daniela Thrän<br />
Tel.: 03 41/24 34-435<br />
E-Mail: daniela.thraen@dbfz.de<br />
Thilo Seidenberger<br />
Tel: 03 41/24 34-461<br />
E-Mail: thilo.seidenberger@dbfz.de<br />
Ruth Offermann<br />
Tel.: 03 41/24 34-453<br />
E-Mail: ruth.offermann@dbfz.de<br />
Die erste Grafik zeigt ein Beispiel für regionale<br />
Stoffströme bei verhältnismäßig<br />
geringen <strong>Bioenergie</strong>aktivitäten innerhalb<br />
des Netzwerks. Das zweite Bild zeigt hingegen<br />
Stoffströme einer Region bei stärkeren<br />
regionalen <strong>Bioenergie</strong>aktivitäten<br />
des Netzwerks.<br />
neben den technischen untersucht das DBFZ auch ökonomische<br />
„<strong>Bioenergie</strong>aktivitäten“ der regionen. ein Kernthema der Forschungsarbeit<br />
stellt hierbei die Analyse bioenergiebezogener<br />
regionaler Wertschöpfung innerhalb der netzwerkaktivitäten dar.<br />
Dazu werden die einzelnen Stufen z. B. einer regionalen Biogas-<br />
Wertschöpfungskette erfasst. Die Basis bilden dabei Befragungen<br />
des regionalmanagement über vorhandene Wertschöpfungsstufen<br />
und den geplanten Ausbau der Wertschöpfungsketten, die sich<br />
vom rohstoffproduzierenden Landwirt bis hin zum Wärmekunden<br />
erstrecken. Die beteiligten <strong>Bioenergie</strong>anlagenbetreiber und Brennstoffproduzenten<br />
werden nach in- und output befragt und auf diese<br />
Weise die Stoffflüsse erfasst. Mit Hilfe dieser Stoffstromanalyse<br />
können rückschlüsse auf die regionale Wertschöpfung gezogen<br />
werden. Die entwicklung der Anlagenbestände und Stoffströme wird<br />
während des gesamten Förderzeitraums verfolgt. Die Auswirkungen<br />
der geförderten netzwerke und kommunikativen maßnahmen auf<br />
den tatsächlichen Ausbau der <strong>Bioenergie</strong> können auf diese Weise<br />
abgeschätzt werden.<br />
<strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-<strong>Regionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Porträt</strong><br />
Auf den folgenden Seiten stellen sich die<br />
gewinner des Wettbewerbs „<strong>Bioenergie</strong>regionen“<br />
vor. Alle texte wurden von Journalisten<br />
aus den jeweiligen regionen verfasst.<br />
Zur orientierung und zum Vergleich dienen<br />
Steckbriefe mit den wichtigsten Daten und<br />
Ansprechpartnern aus den regionen.<br />
Lesen Sie über <strong>25</strong> deutsche regionen auf<br />
dem Weg hin zur energieunabhängigkeit<br />
und besserer Lebensqualität.<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Nordfriesland Nord 16<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Burg-St. Michaelisdonn<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
18<br />
„natürlich rügen“ – Voller energie<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
20<br />
mecklenburger Seenplatte 22<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Wendland-Elbetal 24<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Südoldenburg 26<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Weserbergland plus 28<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Altmark 30<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Landkreis märkisch-oderland 32<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Ludwigsfelde 34<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Kulturland Kreis-Höxter 36<br />
• BioEnergieDialog Oberberg Rheinerft 38<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Eifel (Koop. NRW/RLP)<br />
• naturkraft-region<br />
40<br />
Hersfeld-Rotenburg/Schwalm-Eder 42<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Mittelhessen 44<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Jena-Saale-Holzland 46<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Thüringer Vogtland<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
48<br />
Sächsische Schweiz-osterzgebirge 50<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Cochem-Zell 52<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Bayreuth 54<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Straubing-Bogen 56<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Oberland 58<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Achental<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
60<br />
Hohenlohe-Odenwald-Tauber 62<br />
• <strong>Bioenergie</strong>-Region Bodensee 64
16 <strong>Bioenergie</strong>-region norDFrieSLAnD norD<br />
Verschiedene erneuerbare Energieträger<br />
kombinieren: Windenergie und Biomasse.<br />
Foto: A. Birresborn<br />
Regionalmanager Dr. Torsten Schmidt-<br />
Baum (r.) be<strong>im</strong> Abst<strong>im</strong>mungsgespräch.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Bau einer Biogasanlage.<br />
Foto: A. Birresborn<br />
20 Jahre Kompetenz in<br />
Sachen Erneuerbare<br />
Windkraft-Region Nordfriesland Nord will<br />
Deutschlands Erneuerbare-Energien-<br />
Region Nr. 1 werden<br />
in der Windenergie war sie Vorreiter, jetzt hat sich die Aktivregion<br />
nordfriesland nord aufgemacht, Deutschlands „erneuerbare-energien-Region<br />
Nr. 1“ – soll heißen: „Nullemissions-Region bis zum Jahr<br />
2015“ – zu werden. ein ehrgeiziges Ziel, für das man hier, <strong>im</strong> äußersten<br />
Nordwesten Schleswig-Holsteins, seit Jahrzehnten Vorarbeit<br />
geleistet hat und nun mit der Anerkennung als <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
belohnt wurde.<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>-region nordfriesland nord ist geprägt von gegensätzen:<br />
raue Küstenlandschaft und liebliche geesthügel, bäuerliche<br />
Baukultur in beschaulichen Dörfern und Windenergie-Hightech, die<br />
menschen traditionsbewusst und zugleich bereit, unerschlossene<br />
wirtschaftliche Chancen zu erkennen und zu ergreifen. Der tourismus,<br />
vor allem aber die erneuerbaren energien haben die Landwirtschaft<br />
als zentrale einkommensquelle abgelöst oder bieten zumindest<br />
ein stabiles zweites Standbein.<br />
Die bundesweit ersten Windkraftanlagen wurden hier bereits ende<br />
der 1980er errichtet, und von Beginn an kam mehrheitlich das modell<br />
des Bürgerwindparks zur Anwendung. Das heißt, die menschen<br />
vor ort haben – als gesellschafter – teil, sowohl an der erzeugung von<br />
Co 2 -freiem Strom, als auch an den daraus resultierenden erlösen.<br />
17 <strong>Bioenergie</strong>-region norDFrieSLAnD norD<br />
„Für viele in unserer gemeinde ist die Windenergie zur bedeutenden<br />
erwerbsquelle geworden, die die einkommensschwankungen in der<br />
Landwirtschaft ausgleicht“, erklärt der Bürgermeister der reußenköge<br />
Johannes Volquardsen.<br />
Vielleicht haben diese positiven erfahrungen mit der Windenergie<br />
der region mut gemacht, das rollenmodell als „erneuerbare-energie-Region<br />
Nr. 1“ für sich zu entwerfen. „Wir haben die Kompetenz,<br />
und wir haben das Know-how“, ist der <strong>Bioenergie</strong>-projektmanager<br />
Dr. torsten Schmidt-Baum überzeugt. Beharrlich werden weitere<br />
potenziale <strong>im</strong> Bereich erneuerbare erschlossen, in der photovoltaik<br />
und vor allem in der <strong>Bioenergie</strong>.<br />
ein Beispiel ist die hochmoderne Biogasanlage in dem zur gemeinde<br />
Bordelum gehörenden Dorf Dörpum. Sie erzeugt nicht nur Strom,<br />
sondern auch Fernwärme für 90 Prozent der Dörpumer Haushalte.<br />
Auch andere Biogasanlagen wie „rAn“ – benannt nach den Dörfern<br />
rodenäs, Aventoft und neukirchen – sorgen mit Fernwärmekonzepten<br />
dafür, dass die menschen unabhängig werden von fossilen<br />
energiequellen. Und die gesamte Wertschöpfung von der Substratlieferung<br />
über den Stromerlös bis zum Verkauf der Wärme bleibt in der<br />
Hand der örtlichen Betreiber.<br />
insgesamt sind in nordfriesland nord rund 35 Biogasanlagen in Betrieb<br />
und weitere geplant. Angesichts dieser Dichte bleiben Konflikte<br />
nicht aus. Aber in der mit demokratischen Beteiligungsprozessen erfahrenen<br />
Aktivregion ist man überzeugt, diese probleme bewältigen<br />
zu können, indem man alle Beteiligten an einen tisch holt. „gemeinsam<br />
vielleicht sogar modellhafte Lösungen zu finden ist eine Herausforderung,<br />
der wir uns stellen“, so projektmanager Schmidt-Baum.<br />
Schließlich soll die entwicklung der <strong>Bioenergie</strong> nachhaltig gestaltet<br />
und dabei die vorhandenen potenziale ausgeschöpft werden. Verfahren<br />
zu entwickeln, um auch Stoffe wie gärreste, Abfälle und Stroh zu<br />
verwertbarer Biomasse zu machen, ist Aufgabe der Forschung. ein<br />
Glück, dass es der <strong>Bioenergie</strong>-Region nicht an Kontakten zu Hochschulen<br />
mangelt, etwa zum Fachbereich Biotechnologie-Verfahrenstechnik<br />
der FH Flensburg.<br />
Auch Handlungsfeldern wie dem Energiesparen widmet sich die<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region. mit Christoph Brockmann etwa arbeitet ein Liegenschaftsmanager<br />
und energieberater <strong>im</strong> Amt Bredstedt-Land am<br />
energie-Controlling für rund 100 öffentliche Liegenschaften, das die<br />
Basis bilden soll für ein umfassendes Sparkonzept. Und an weiteren,<br />
auf praktizierten Kl<strong>im</strong>aschutz und dezentrale energieversorgung<br />
ausgerichteten projekten mangelt es nicht in nordfriesland nord. So<br />
sollen Wind-, Solar- und Biogasanlagen als Stromtankstellen für den<br />
Betrieb von elektromobilen hergerichtet werden. Die genossenschaft<br />
ee4mobile mit dem Ziel, die transformation der idee in ein wirtschaftlich<br />
tragfähiges modell zu sichern, wurde gegründet.<br />
Heike Wells, Freie Journalistin, Husum<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Nordfriesland Nord<br />
Bundesland: Schleswig-Holstein<br />
Landkreise: Nordfriesland<br />
(Ämter Mittleres Nordfriesland und Südtondern,<br />
Gemeinde Reußenköge)<br />
Größe: 900 km2 Einwohnerzahl: 60.000<br />
Flächennutzung: Waldanteil von nur ca. 4,3 %<br />
(Land SH ca. 10 %), 42 % Ackerland, 31 % Grünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
ca. 33 Biogasanlagen, weitere 5 beantragt,<br />
3 Holzhackschnitzelheizanlagen<br />
Langfristige Ziele:<br />
Reduzierung des CO -Ausstoßes bis zum Jahr<br />
2<br />
2013 um 15.000 t/Jahr <strong>im</strong> Wettbewerbszeitraum<br />
Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in<br />
der Schlüsselbranche „Erneuerbare Energien“<br />
Förderung der Kompetenz der Akteure als zentrale<br />
Schlüsselqualifikation<br />
Aufbau regionaler Netzwerke und Wirtschaftskreisläufe<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Holzhackschnitzel<br />
Strategien:<br />
Im Schulterschluss mit allen Beteiligten – Landwirtschaft,<br />
Unternehmen, Verwaltung, Naturschutz<br />
und allen Menschen in der Region – arbeiten<br />
wir an Lösungen für eventuelle Konflikte,<br />
an der Opt<strong>im</strong>ierung der Anlagen und an neuen<br />
Anbaumethoden, am Transfer wissenschaftlicher<br />
Ergebnisse an die Praktiker vor Ort.<br />
Leitprojekte:<br />
Versorgung städtischer Liegenschaften in Niebüll<br />
über ein Nahwärmenetz<br />
Reduzierung von Erdgasverbrauch und Schadgasemmissionen<br />
durch Abwärmenutzung aus<br />
Biogas-BHKW über kommunales Nahwärmenetz<br />
in Leck<br />
100%ig autarke Energieversorgung des Ortsteiles<br />
Dörpum, Gemeinde Bordelum<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Dr. Torsten Schmidt-Baum<br />
Institution: LAG AktivRegion Nordfriesland Nord<br />
Anschrift: Marktstraße 7-9, <strong>25</strong>917 Leck<br />
Tel.: 04661-601-572<br />
Fax: 04661-601-570<br />
E-Mail: t.schmidt-baum@aktivregion-nfnord.de<br />
Homepage: www.aktivregion-nf-nord.de
18 BIOENERGIE-REGION BURG-ST. MICHAELISDONN<br />
Projektleiter der <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Andreas de Vries und Bürgermeister<br />
St. Michaelisdonn Volker Nielsen (r.).<br />
Foto: Julia Janssen/<strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Treibsel-Ernte: Mitarbeiter des Landesamtes<br />
für Küstenschutz laden nach Winterstürmen<br />
angelandete Treibselmassen<br />
auf. Foto: Beate Meißner<br />
Geschäftsführer der Biogasanlage<br />
St. Michaelisdonn Broder Schütt<br />
(Mitte, zeigend) mit einer<br />
Besuchergruppe.<br />
Foto: Hermann Böttiger<br />
David und der<br />
Energiemüll aus dem Meer<br />
Wie und womit eine Gemeinde an der<br />
Nordseeküste sich selbst versorgen will<br />
Für touristen, Bürgermeister und Deichschützer bildet der Unrat ein<br />
ärgernis: reste von krautigen pflanzen und Algen, gras, Kleinholz,<br />
reet, Schilf verschandeln die Strände und gefährden die Küstenschutzanlagen.<br />
treibsel nennt man das Zeug. rund 22.000 tonnen<br />
davon werden jährlich an nordseeküste und elbe angeschwemmt.<br />
Bislang wird es abgefahren, von müll gesäubert, fein gehäckselt und<br />
dann wieder auf die Deiche und ins Vorland geblasen. Damit soll nun<br />
Schluss sein. „Das ist wertvolle Biomasse, die wir für die energieproduktion<br />
nutzen wollen“, sagt Andreas de Vries. Der 47-Jährige leitet<br />
die noch jungfräulichen Gemeindewerke St. Michel Energie GmbH.<br />
Vor einem Jahr gegründet, gewinnen sie langsam Konturen: gerade<br />
haben die Kommunalpolitiker des 3.600 einwohner zählenden ländlichen<br />
Zentralorts beschlossen, den 2011 mit der E.ON Hanse endenden<br />
Konzessionsvertrag für Strom nicht zu erneuern, stattdessen den<br />
Netzbetrieb in die Hände der Gemeindewerke zu geben. Nach fast 90<br />
Jahren eine Zäsur und ein mutiger Schritt.<br />
David gegen goliath – der Bürgermeister von St. michaelisdonn,<br />
Volker nielsen, hat keine Angst vor den schwierigen Verhandlungen<br />
zum netzkauf. „Die energieversorgung war einmal originäre Aufgabe<br />
der Kommunen, jetzt haben wir die Chance, diese Kompetenz<br />
zurückzuerobern“, sagt er selbstbewusst. Und weil Wind und fruchtbare<br />
Böden der geest- und marschlandschaft reichlich vorhanden<br />
sind und auch die Sonne hier häufiger scheint als anderswo, will sich<br />
die gemeinde spätestens ab dem Jahr 2038 zu 100 prozent aus erneuerbaren<br />
energien versorgen.<br />
19 <strong>Bioenergie</strong>-region BURG-ST. MICHAELISDONN<br />
ein ehrgeiziges projekt, aber die Voraussetzungen sind da, denn<br />
bereits jetzt wird in dem ort in einem mix unterschiedlicher technologien<br />
– Windkraft, photovoltaik, Biomasse – kräftig erneuerbare<br />
energie produziert, be<strong>im</strong> Strom schon jetzt mehr, als man selbst<br />
verbraucht. Hauptsächlich profitieren jedoch wenige Betreibergesellschaften<br />
und der e.on-Konzern. Die Wertschöpfung geht an der<br />
region vorbei.<br />
ein team aus politik, Verwaltung und ortsansässigen Fachbetrieben<br />
für erneuerbare energien will das ändern, die neuen gemeindewerke<br />
sollen den prozess vorantreiben. gemeinsam bewarb man sich be<strong>im</strong><br />
Bundeswettbewerb <strong>Bioenergie</strong>-regionen und gehört nun zu den<br />
<strong>25</strong> geförderten Projekten.<br />
Zu den ersten Schritten des <strong>Bioenergie</strong>-netzwerkes zählt die Umsteuerung<br />
bei der Wärmeversorgung der rund 1.660 Haushalte. Sie<br />
soll künftig auf der grundlage der Biogaserzeugung aus reststoffen<br />
erfolgen. Für die erste Ausbaustufe kann auf die Abwärme der bereits<br />
seit 1996 bestehenden Biogasanlage der BEA Dithmarschen GmbH<br />
zurückgegriffen werden. geschäftsführer Broder Schütt freut sich,<br />
dass die Wärme endlich genutzt wird. „Wir stehen gewehr bei Fuß“,<br />
sagt er. Bereits <strong>im</strong> Sommer 2010 sollen die Bagger anrücken, um die<br />
rohre für den ersten Abschnitt eines nahwärmenetzes in die erde zu<br />
verlegen.<br />
Aber weil die Anlage, in der gülle sowie Speiseabfälle verarbeitet<br />
werden, den Wärmebedarf allein nicht decken kann, ist die errichtung<br />
mindestens einer weiteren Biogasanlage geplant. Außer mit<br />
treibsel könnte diese mit anderer, bislang ungenutzter Biomasse beschickt<br />
werden: grünschnitt von naturschutzflächen, Weg-, Straßen-<br />
und grabenrändern, Kompost von privathaushalten sowie gemüse-<br />
und Kohlresten – schließlich gehört Dithmarschen zu den größten<br />
Kohlanbaugebieten europas. generell gilt: Der landwirtschaftlichen<br />
Futter- und nahrungsmittelproduktion soll keine Konkurrenz gemacht<br />
werden. Auch wirtschaftlich erscheint die nutzung pflanzlicher<br />
Abfall- und reststoffe angesichts steigender preise für klassische<br />
Substrate wie mais mittlerweile lukrativ.<br />
Allerdings stellen treibsel & Co die Anlagentechnik aufgrund ihrer<br />
inhomogenen Zusammensetzung vor große Herausforderungen.<br />
„nach Jahren der Forschung und umfangreichen testläufen ist mittlerweile<br />
der Durchbruch gelungen“, sagt Professor Urban Hellmut<br />
vom Kompetenzzentrum Biomassenutzung Schleswig-Holstein, das<br />
die Dithmarscher wissenschaftlich unterstützt und berät. So hat zum<br />
Beispiel die Hanseatische Umwelt GmbH aus Sandhagen bei Rostock<br />
ein spezielles Vergärungsverfahren entwickelt, mit dem sich die<br />
heterogenen Zell- und Faserstoffe aufschließen und zu einer homogenen<br />
Biomasse transformieren lassen. Das Unternehmen prüft derzeit<br />
die errichtung einer pilotanlage in Dithmarschen, Baubeginn noch<br />
2010. Als einsatzstoff hat es sich die treibselmassen an nord- und ostsee<br />
in einer Vereinbarung mit der Kieler Landesregierung langfristig<br />
gesichert.<br />
Funktioniert das Verfahren der Sandhagener, hätten sie tatsächlich<br />
das geschafft, wovon viele träumen: müll in energie zu verwandeln.<br />
Hermann Böttiger, Journalist, Meldorf<br />
Bundesland: Schleswig-Holstein<br />
Landkreise: Amt Burg-St. Michaelisdonn und<br />
Stadt Brunsbüttel <strong>im</strong> Kreis<br />
Dithmarschen<br />
Größe: 218 km2 <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Burg-St. Michaelisdonn<br />
Einwohnerzahl: ca. 30.000<br />
Flächennutzung: 40 % Ackerland,<br />
40 % Dauergrünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
erst 1 Biogasanlage<br />
Langfristige Ziele:<br />
Versorgung der Region mit Energie zu 100 %<br />
aus erneuerbaren Quellen bis spätestens 2038.<br />
Etablierung regionaler Wertschöpfung in den Bereichen<br />
Strom, Wärme und Mobilität.<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Wind, Biomasse<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Umsetzung von Leitprojekte ausgehend von einer<br />
Pilotgemeinde, Gründung von Gemeindewerken<br />
1. Biomassepotenzialanalyse (Schwerpunkt Reststoffe,<br />
Landschaftspflege etc.)<br />
2. Wärmenetz<br />
3. Energiespeicherung (Opt<strong>im</strong>ale Energiebereitstellung<br />
durch zeitlichen Ausgleich zwischen<br />
Erzeugung und Verwendung).<br />
4. Stromnetzübernahme (vollständige dezentrale<br />
Stromversorgung)<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Volker Nielsen<br />
Institution: Bürgermeister Gemeinde<br />
St. Michaelisdonn<br />
Anschrift: Poststr. 4, <strong>25</strong>693 St. Michaelisdonn<br />
Tel.: 0171/380 39 47<br />
Fax: 048 53/80 02 50<br />
E-Mail: nielsen@st-michaelisdonn.de<br />
Homepage: www.energieregion-stmichaelisdonn.de
20 BIOENERGIE-REGION „NATÜRLICH RÜGEN“ – VOLLER ENERGIE<br />
Kl<strong>im</strong>a-Erlebnisbauernhof Kliewe<br />
Foto: Holger Vonberg<br />
Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft<br />
Uwe Ambrosat, Landrätin von<br />
Rügen Kerstin Kassner, Projektleiterin<br />
Dr. Sarah Gehrig und Projektkoordinator<br />
Dominique Diederich (v.l.).<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Nachbarinsel Hiddensee.<br />
Foto: Tourismuszentrale/Dieter Lindemann<br />
Natürlich Rügen –<br />
Voller Energie<br />
Wie sich ein Urlaubsparadies zur Vorzeigeregion<br />
für erneuerbare Energien<br />
wandelt<br />
Blauer H<strong>im</strong>mel, weiße Kreidefelsen, gelbe Rapsfelder, grüne Buchenwälder,<br />
glockenklares ostseewasser, gesunde Luft und kilometerlange<br />
Sandstrände: Deutschlands größte insel wirbt mit natur pur<br />
und hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem bundesweit<br />
herausragenden tourismusziel entwickelt. Wer nach rügen fährt,<br />
möchte keine rauchenden Schlote oder riesige industrieanlagen sehen,<br />
sondern möchte die Sonne, ein erfrischendes Bad in der ostsee<br />
und die Weite des ländlich geprägten inselwestens abseits der Urlauberströme<br />
genießen.<br />
Kein Licht ohne Schatten: ende 2008 lebten knapp 70.000 menschen<br />
auf der insel. <strong>im</strong> Jahr 2020 werden es wohl nur noch knapp 60.000<br />
sein. Während die Jugend auf der Suche nach Arbeit und perspek tive<br />
die insel verlässt, wird sie von Senioren aus der gesamten Bundesrepublik<br />
als gesunder Altersruhesitz entdeckt. etwa die halbe insel<br />
steht unter besonderem Schutz mit zwei nationalparks, einem Biosphärenreservat,<br />
<strong>25</strong> naturschutz- und drei Landschaftsschutzgebieten.<br />
Während Landwirtschaft und Fischerei einst die dominierenden<br />
Wirtschaftszweige auf Deutschlands größter insel waren, ist es heute<br />
der tourismus. etwa 13.000 rüganer (44 prozent aller Beschäftigten)<br />
21 <strong>Bioenergie</strong>-region „NATÜRLICH RÜGEN“ – VOLLER ENERGIE<br />
arbeiten in dieser Branche. Hohe Saisonabhängigkeit und ein niedriges<br />
Arbeitseinkommen sind charakteristisch für diesen Arbeitsmarkt.<br />
Mehr als eine Million Gäste pro Jahr und Übernachtungszahlen von<br />
rund sieben millionen sprechen für die Urlaubsregion rügen. Damit<br />
verbunden sind aber auch große Verkehrsprobleme, Umweltbelastungen<br />
sowie ver- und entsorgungstechnische Herausforderungen.<br />
Kilometerlange Staus in der Hauptreisezeit <strong>im</strong> Sommer gehören auch<br />
nach dem Bau der zweiten rügenbrücke zur normalität. Dazu kommen<br />
parkplatzprobleme, riesige müllmengen, erhöhter Wasserverbrauch<br />
in den Sommermonaten und erheblicher elektroenergiebedarf.<br />
nachhaltige Lösungen sind gefragt. gelingt die Umsetzung des<br />
regionalen entwicklungskonzeptes (reK) „natürlich rügen – Voller<br />
energie“, kann rügen sich als europäische Vorzeigeregion für erneuerbare<br />
energien etablieren. Unzählige mosaiksteine aber sind nötig,<br />
bis dieses Bild zusammengefügt ist.<br />
Zwei Beispiele: Der Bauernhof Kliewe mit Ferienwohnungen und<br />
Hofladen <strong>im</strong> Westen der Insel wird sich zu einem Kl<strong>im</strong>a-Erlebnisbauernhof<br />
weiterentwickeln. Der Bauernhof mit Blockheizkraftwerk,<br />
geothermie und Solaranlagen als Lernort, Schwerpunkt: „Kl<strong>im</strong>a und<br />
Zukunftsenergien“. „Wir müssen uns einfach mit dem Kl<strong>im</strong>a wandeln“,<br />
so Holger Kliewe. Das will auch Till Jaich, Marina-Betreiber<br />
aus Lauterbach. Bei der erweiterung seiner Wasserferienwelt rügen<br />
mit pfahlbauten und schw<strong>im</strong>menden Ferienhäusern setzt er auf ein<br />
nahwärme-Versorgungsnetz mit Wärmepufferspeicher, gespeist<br />
durch ein mit rapsöl befeuertes Blockheizkraftwerk. 160 tonnen<br />
Kohlendioxid will der Unternehmer pro Jahr sparen, ökologisch und<br />
ökonomisch pluspunkte sammeln und weiter an <strong>im</strong>age gewinnen.<br />
Als Wassersportler weiß Jaich, wie wichtig Leuchttürme sind. Sie<br />
senden Signale zur orientierung weithin sichtbar übers meer. Auch<br />
andere rügener Leuchtturmprojekte haben eine solche Wirkung: die<br />
Umstellung des rügener personennahverkehrs auf den Biogasbetrieb,<br />
die Verbesserung der regionalen Kreisläufe bei der Abfallverwertung<br />
oder das neue Energiekonzept von Rügens Schwesterinsel Hiddensee.<br />
Allein die jährlich nutzbare Biomasse in diesem rund 300 Hektar großen<br />
FFH-Gebiet könnte 22 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs von<br />
Hiddensee decken. „Uns muss es gelingen, diese Ideen wirkungsvoll<br />
als marketinginstrument einzusetzen. <strong>Bioenergie</strong> ist der Schlüssel zur<br />
Schaffung regionaler Wertschöpfung, weil sowohl das gewerbe, die<br />
Land- und Forstwirtschaft als auch die Bürger profitieren können“,<br />
sagte thomas Wuitschik vom tourismusverband rügen e.V. auf dem<br />
3. Kl<strong>im</strong>atag am 05. Februar 2010 in Bergen.<br />
rügen ist der einzige Landkreis in Deutschland, dessen Kreisgrenze<br />
auch gleichzeitig Küstenlinie ist. ein ensemble einzigartiger natur.<br />
ideale Voraussetzung für eine modellregion, die knapp 1.000 Quadratkilometer<br />
groß ist. Jeder kann helfen, unsere Kl<strong>im</strong>aziele anzusteuern,<br />
rügen als <strong>Bioenergie</strong>region für einhe<strong>im</strong>ische und touristen<br />
erlebbar zu machen. Handwerksbetriebe, Energieunternehmen,<br />
tourismusanbieter, Landwirte, Kommunen und Schulen sitzen mit<br />
<strong>im</strong> Boot.<br />
Holger Vonberg, Freier Journalist, Dranske<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Rügen<br />
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern<br />
Landkreise: Rügen<br />
Größe: 977 km²<br />
Einwohnerzahl: 68.872 (Stand: 31.12.2008)<br />
Flächennutzung:<br />
17 % Wald, 69 % Landwirtschaftsfläche, davon<br />
11 % Dauergrünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
5 bestehende Biogasanlagen, 1 weitere <strong>im</strong> Bau,<br />
sowie 1-2 Biogasanlagen in der Planungsphase<br />
Langfristige Ziele:<br />
energetische Verwertung von Biomasse zur<br />
Deckung von 1/3 des Pr<strong>im</strong>ärenergiebedarfs der<br />
Region bis 2020<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Reststoffe/Landschaftspflegematerial/<br />
Treibsel, Holz, Rapsöl<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Senkung des Wärmebedarfs und verstärkte Nutzung<br />
von <strong>Bioenergie</strong> in Verbindung mit anderen<br />
erneuerbaren Energien Entwicklung intelligenter<br />
Verwertungslösungen für alle regional anfallenden<br />
Biomasseströme Verringerung des Individualverkehrs<br />
und Umstellung des ÖPNV mit<br />
Biotreibsstoffen aus regionaler Biomasse Kompetenzentwicklung<br />
und Qualifizierungsmaßnahmen<br />
Nachhaltigen Tourismus Erneuerbare Energien als<br />
Marketingstrategie der Insel Rügen<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Name: Dr. Sarah Gehrig,<br />
Dominique Diederich<br />
Institution: <strong>Bioenergie</strong>region Rügen<br />
Tel.: 0151/54 40 51 35<br />
Fax: 0511/35 77 16 19<br />
E-Mail: info@ruegen-voller-energie.de<br />
Homepage: www.ruegen-voller-energie.de
22 BIOENERGIE-REGION MECKLENBURGISCHE SEENPLATTE<br />
Anlagenwart Hans-Werner Krey und<br />
Landwirt Jochen Mewes an der Biogasanlage<br />
Rechlin. An die 10.000 Tonnen der<br />
Kolben liefert der Landwirt <strong>im</strong> Jahr als<br />
erneuerbare Energie.<br />
Foto: Susanne Müller<br />
Projektleiter Falk Roloff-Ahrend hält<br />
die Fäden zwischen den Einzelprojekten<br />
zusammen.<br />
Foto: Susanne Müller<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Garten zwischen den<br />
Metropolen<br />
Regional statt global in der Region<br />
Mecklenburgische Seenplatte<br />
„Wir haben uns von der globalisierung gelöst“, sagt Landwirt<br />
Andreas tornow vom gutswerk in Varchentin, einem 200-Seelen-<br />
ort mit viel Wald, Feld und Flur. Der Biomassehof verknüpft gutsprägende<br />
traditionen mit moderner Landwirtschaft und innovativer<br />
technologie. traktoren fahren hier mit rapsöl. Der raps wächst auf<br />
dem eigenen Acker, die Ölmühle steht vor der Haustür. Eichen aus<br />
dem umliegenden Wald verbrennen <strong>im</strong> Holzvergaser. Das gibt Strom<br />
und Wärme und spart 20.000 Liter Heizöl <strong>im</strong> Jahr.<br />
Landwirte schaffen regionale Kreisläufe, sind mehr und mehr auch<br />
energiewirte. magere Sandböden und fallende preise auf dem nahrungsmittelmarkt<br />
bringen konventionelle Bauern in existenznöte.<br />
Da können nachwachsende rohstoffe der rettungsanker sein. <strong>im</strong><br />
ergebnis: eine beinah autarke energieversorgung. Umsatzplus, zusätzliche<br />
Arbeitsplätze, mehr Steuern. Kommunale Unabhängigkeit.<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>region mecklenburgische Seenplatte ist dafür paradebeispiel:<br />
Es ist das platte Land zwischen den Metropolen Hamburg,<br />
Stettin, Berlin. Strukturschwach mit faszinierenden Landschaften.<br />
ein garten zum erholen, zur selbstbesinnenden Zuflucht, für hochwertige<br />
landwirtschaftliche produkte, für erneuerbare energien, ort<br />
des Lernens und entdeckens.<br />
Aus Schwäche wird Stärke. Weil die initiatoren rund um die Seenplatte<br />
– Stadtwerke Neustrelitz GmbH, ARGE <strong>Bioenergie</strong> Bollewick<br />
gbr, müritz Biomassehof gbr und Kompetenzzentrum regiostrom<br />
Ivenack GmbH – Leistungsfähigkeit und Funktionalität des ländli-<br />
23 <strong>Bioenergie</strong>-region MECKLENBURGISCHE SEENPLATTE<br />
chen raumes erkannt haben. Sie nutzen ihn, entwickeln ihn weiter.<br />
„Wir schaffen regionale Wertschöpfung und zeigen berufliche<br />
perspektiven auf, um den trend des Bevölkerungsrückganges zu<br />
durchbrechen“, sagt Falk roloff-Ahrend. Als projektleiter der initiative<br />
<strong>Bioenergie</strong>region hält er die Fäden zwischen den einzelprojekten<br />
zusammen. Durch Vernetzen und multiplizieren soll ein kommunal-<br />
und bürgerbest<strong>im</strong>mtes Versorgungswerk entstehen.<br />
Die mecklenburgische Seenplatte ist eine der größten unter den<br />
<strong>Bioenergie</strong>-regionen in Deutschland und bindet viele Akteure der<br />
unterschiedlichsten ebenen als entscheidungsträger mit ein – aus<br />
Verwaltung, Bildung, tourismus, Wirtschaft, Wissenschaft, politik,<br />
Zivilgesellschaft. eine inhaltliche Klammer für sie alle bildet das<br />
geplante „Landeszentrum für erneuerbare energien mecklenburg<br />
Vorpommern“. es ist eine der wichtigsten netzwerkaufgaben der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region und soll auf 1.000 Quadratmetern einsatz und<br />
möglichkeiten von erneuerbaren energien, energieeffizienz und<br />
energieeinsparungen aufzeigen.<br />
Hinzu kommen viele Einzelprojekte, die die Netzwerkpartner in<br />
ihrem jeweiligen einzugsbereich umsetzen. Wie Frank Schmetzke,<br />
geschäftsführer der Stadtwerke neustrelitz. er hat seine Unternehmensstrategie<br />
auf erneuerbare energien ausgerichtet: „energie muss<br />
dezentral verfügbar sein“, sagt Schmetzke und schafft tatsachen: Biomasseheizkraftwerk,<br />
Biogasanlage, Solardächer/Umweltboni. Damit<br />
sind die Stadtwerke neustrelitz regionaler Vorreiter und Schrittmacher<br />
in der nutzung von <strong>Bioenergie</strong> und vereinen zugleich Ökologie<br />
und Ökonomie.<br />
Die mit dem Umweltpreis des Landtages mecklenburg-Vorpommern<br />
ausgezeichneten ivenacker ziehen am gleichen Strang. eine zweite<br />
Biogasanlage <strong>im</strong> ort soll eine künftige großküche mit Warmwasser<br />
und Wärme versorgen. in der großküche werden 14 Leute Arbeit<br />
finden. Das ist Wertschöpfung pur. neben dem 626-Kilowatt-Biogas-<br />
System betreibt die gemeinde auch eine 140-Kilowatt-photovoltaik-<br />
Anlage. An die 80.000 euro schafft allein die Sonne so jährlich in die<br />
gemeindekasse.<br />
ebenso handhaben es die Bewohner von Bollewick. gemeindeeigene<br />
gebäude ernten Sonnenstrom. in ein künftiges nahwärmenetz<br />
sollen demnächst zwei örtliche Biogasanlagen einspeisen. Der geschäftsführer<br />
der Arge <strong>Bioenergie</strong> Bollewick, olaf Schätzchen, und<br />
Bürgermeister Bertold Meyer leisten Überzeugungsarbeit, schärfen<br />
Bewusstsein, erzeugen nachfrage.<br />
Auch bereits bei den Kleinsten: Solarzellen auf dem Kita-Dach liefern<br />
Strom für ferngesteuerte Autos. ein energie- und Umweltmobil gibt<br />
Anregung und Anleitung, beispielsweise einen Solarkocher selbst zu<br />
bauen. mit dem wird an Wandertagen Kaffee gekocht.<br />
<strong>im</strong>mer wieder in die Köpfe rein. investitionen in güter, Dienstleistungen<br />
und Wissen. investitionen in die Zukunft. Die Zukunft ist jetzt.<br />
Susanne müller, Freie Journalistin für Wirtschaft und Wissenschaft,<br />
neubrandenburg<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Mecklenburgische Seenplatte<br />
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern<br />
Landkreise: Mecklenburg-Strelitz, Müritz,<br />
Demmin, kreisfreie Stadt Neubrandenburg<br />
Größe: 5.812 km²<br />
Einwohnerzahl: 297.662<br />
Flächennutzung: 24 % Wald, 60 % Landwirtschaft,<br />
9 % Seen<br />
Vorhandene Biomassenutzung: 44 Biogasanlagen,<br />
3 Biomasse-Heizkraftwerke 5-10 MWel,<br />
1 Biomasse-ORC-Kraftwerk, 2 Biomasse-Heizwerke,<br />
1 Biodieselraffinerie<br />
Langfristige Ziele:<br />
• CO -Vermeidung<br />
2<br />
• Erhöhung der Nachfrage nach <strong>Bioenergie</strong>-<br />
Produkten und KWK<br />
• Kaufkraft und Lebenswert der Region stärken<br />
• Arbeitsplätze schaffen<br />
• Steigerung der Wertschöpfung<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogasanlagen, Kraft-Wärme-Kopplung<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
• Netzwerkbildung von Bürgern, Unternehmen<br />
und Kommunen<br />
• Bewusstseinsbildung, Motivation, Bildung und<br />
Qualifizierung<br />
• Sozioökonomie des Energiekonsums zur Förderung<br />
des kl<strong>im</strong>abewussten Energiekonsums<br />
• Ermittlung des Biomassepotentials und Ausbauszenarien<br />
unter Kriterien der Nachhaltigkeit<br />
• Stärkung der Vermittlungskompetenzen für nach<br />
haltige Entwicklung, Landnutzung und Energie<br />
• Stofflich und energetische Mehrfachnutzung von<br />
alternativen Öl-, Faser- und Energiepflanzen<br />
• Stoffliche und energetische Opt<strong>im</strong>ierung innerund<br />
überbetrieblicher Kreisläufe der Bio-<br />
Geflügelhaltung<br />
• Kommunaler Kl<strong>im</strong>aschutz durch Effizienz und<br />
erneuerbare Energien<br />
• Nutzung von erneuerbaren Energien zur Kraft-<br />
Wärme-Kopplung und Wärmenutzung in kommunalen<br />
Fernwärmenetzen<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Falk Roloff-Ahrend<br />
Institution: ARGE Initiative <strong>Bioenergie</strong>region<br />
Mecklenburgische Seenplatte GbR<br />
c/o Stadtwerke Neustrelitz GmbH<br />
Anschrift: Wilhelm-Stolte-Str. 90<br />
17235 Neustrelitz<br />
Tel.: 039 81/47 41 24<br />
Fax: 039 81/47 41 38<br />
E-Mail: info@seenplatte-bioenergie.de<br />
Homepage: www.seenplatte-bioenergie.de
24 <strong>Bioenergie</strong>-region WenDLAnD-eLBetAL<br />
Biogasfachkongress in Hitzacker (Elbe).<br />
Host Seide, 1. Vorsitzender von Region<br />
Aktiv Wendland-Elbetal e.V.,<br />
Ileana Weber (r.), Projektleiterin <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Wendland-Elbetal,<br />
Martina Grud, Wirtschaftsförderung<br />
Lüchow-Dannenberg<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Erste Biogastankstelle Deutschlands in<br />
Jameln<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Lübeln: Rundlingsdörfer sind<br />
eine regionale Besonderheit<br />
Foto: Elbtalaue Wendland-<br />
Touristik GmbH<br />
Mit sanften Paukenschlägen<br />
Die Traditions-<strong>Bioenergie</strong>-Region Wendland-Elbetal<br />
pflegt kreative Streitkultur<br />
mitte der 1990er-Jahre produzierten Landwirte <strong>im</strong> Wendland-elbetal<br />
das erste Biogas aus pflanzen und Agrarabfällen. 1999 wurde das<br />
ehrgeizige Ziel formuliert: „Wir wollen langfristig die region zu hundert<br />
prozent mit erneuerbaren energien versorgen.“ 2006 öffnete die<br />
erste Biogastankstelle Deutschlands in Jameln ihre Zapfhähne und<br />
etablierte den Landstrich als „europäische Kompetenzregion“.<br />
2009 startete an der international arbeitenden „Akademie für erneuerbare<br />
energie“ in Lüchow der erste masterstudiengang.<br />
es sind die „sanften paukenschläge“, die die <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
Wendland-elbetal <strong>im</strong>mer wieder ins gespräch bringen. „Wir produzieren<br />
einen zukunftsfähigen rohstoff, veredeln ihn mit innovativer<br />
technik zu produkten und vermarkten sie. Die Wertschöpfung der<br />
regionalen energieerzeugung soll einmal bei 58 millionen euro pro<br />
Jahr liegen“, beschreibt ileana Weber als projektleiterin ein langfristiges<br />
Ziel. in Arbeitsgruppen wird die bioenergetische Zukunft<br />
vorausgedacht und geplant. Noch in diesem Herbst wird in Dannenberg<br />
die zweite Biogastankstelle eröffnet werden, <strong>im</strong> Wettbewerb<br />
„<strong>Bioenergie</strong>dörfer“ werden regionale ressourcen gehoben und in<br />
einer Marketingkampagne soll Holz als he<strong>im</strong>ischer Wärmelieferant<br />
mehr ins Bewusstsein kommen. mit den Autohäusern wird zudem<br />
eine mobilitätskampagne inszeniert, um Biogas als Kraftstoff für den<br />
privaten und öffentlichen Verkehr zu fördern. Die „Akademie für<br />
erneuerbare energie“ wird das Know-how weit über die regionalen<br />
grenzen hinaus verfügbar machen. Zurzeit etabliert sich die energiemanagement-Agentur<br />
„emma“, die wie das Lüneburger „Kl<strong>im</strong>awerk“<br />
<strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-region WenDLAnD-eLBetAL<br />
Unternehmen, Kommunen und privathaushalte berät. ileana Weber<br />
selbstbewusst: „Wir stärken unsere Kompetenzen und netzwerk-<br />
Strukturen und wir transportieren das Wissen.“<br />
Das Biosphärenreservat „niedersächsische elbtalaue“, der „naturpark<br />
elbufer-Drawehn“ und die wendländischen rundlingsdörfer<br />
sind zum Synonym für den dünn besiedelten Landstrich <strong>im</strong> östlichen<br />
niedersachsen geworden. Verträumt, aber nicht verschlafen erscheint<br />
die Landschaft, in der die Menschen 1977/78 mit dem politischen<br />
paukenschlag „Atomare Wiederaufarbeitung und endlager<br />
gorleben“ aus dem beschaulichen Leben aufgeschreckt worden<br />
waren. Der trotzige, macht- und phantasievolle Widerstand fand<br />
sein echo weit über die Landesgrenzen hinaus. „Wir wollen Zeichen<br />
für eine sanfte, nachhaltige energiegewinnung setzen“, ist zu einem<br />
Leitmotiv in der wirtschaftlich strukturschwachen region geworden.<br />
mehr als 30 Biogasanlagen produzieren inzwischen Strom und<br />
Wärme. Ausgerechnet in gorleben haben peter Bosse, erfinder eines<br />
Zündstrahlmotors für Biogasanlagen, und elektromeister Diethelm<br />
Dreyer, mit der Herstellung von Biogas-Blockheizkraftwerken begonnen.<br />
Das erfolgreiche Unternehmen hat seitdem weltweit mehr als<br />
500 Anlagen installiert.<br />
Die legendäre kreative Streitkultur und das „Wir-gefühl“ sind die<br />
triebkräfte für projekte, die der region den Stempel aufdrücken.<br />
So sind <strong>im</strong> Verein „region Aktiv Wendland-elbetal“ 120 Akteure<br />
organisiert. <strong>im</strong> Lenkenden Vorstand arbeiten Vertreter der Landwirtschaftskammer,<br />
des Landkreises, des Biosphärenreservats, energie-<br />
und Biolandwirte mit Künstlern und naturschützern, managern<br />
und engagierten Bürgern zusammen. Das eingespielte team hat<br />
den Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>-region“ vorbereitet. Am „offenen<br />
Bio gas stamm tisch“ versammeln sich Biogasbetreiber zum erfahrungsaustausch,<br />
am „runden tisch energiepflanzen“ wird über die<br />
interessenskonflikte rund um den Anbau von Biomasse, emissionen,<br />
trinkwasser- und naturschutz diskutiert und angestrebt, ökologische<br />
und ökonomische Lösungen zu finden. <strong>im</strong>pulse für die nachhaltige<br />
energiepflanzenproduktion kommen auch aus dem Biosphärenreservat<br />
„niedersächsische elbtalaue“. in modellprojekten und in Studien<br />
wird mit naturschonenden methoden be<strong>im</strong> Anbau, der pflege und<br />
ernte exper<strong>im</strong>entiert.<br />
Die WirtschaftsFörderung Lüchow-Dannenberg ist die Spinne <strong>im</strong><br />
<strong>Bioenergie</strong>-netzwerk. Als projektleiterin zieht ileana Weber moderierend<br />
die Fäden, sie veranstaltet mit wechselnden teams Kongresse<br />
und tagungen, berät über finanzielle Förderungen und initiiert projekte.<br />
mit den vielen hundert Akteuren wurden die Ziele als weitere<br />
sanfte paukenschläge formuliert: Die Biogasproduktion wird erhöht<br />
und als energierohstoff für die Kraft-Wärme-Kopplung oder durch<br />
einspeisung ins erdgasnetz opt<strong>im</strong>al genutzt. Für die umweltschonende<br />
mobilität wird das Biogastankstellennetz erweitert, als zukunftsfähig<br />
wird die nachhaltige Nutzung von Holz als Rohstoff für he<strong>im</strong>ische<br />
Wärme angesehen. Und wichtig ist den Akteuren, das vielfältige<br />
Know-how als Bildungs- und Beratungsangebot in der region und<br />
über deren grenzen hinaus weiterzugeben.<br />
Maria Horn, Freie Journalistin, Hitzacker<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Wendland-Elbetal<br />
Bundesland: Niedersachsen<br />
Landkreise, Gemeinden: 8 Gemeinden in den<br />
Landkreise Lüchow-Dannenberg und Lüneburg<br />
Größe: 202.000 ha<br />
Einwohnerzahl: 100.585<br />
Flächennutzung: 52 % Landwirtschaftsfläche<br />
(davon 76 % Ackerland, 24 % Dauergrünland),<br />
34 % Waldfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
30 Biogasanlagen, <strong>Bioenergie</strong>dörfer mit Nahwärmenetz<br />
und Hackschnitzelheizung, Hackschnitzelheizung<br />
für Schule Altenhe<strong>im</strong> Gastronomie<br />
Langfristige Ziele:<br />
100 % des Pr<strong>im</strong>ärenergiebedarfs durch regenerativ<br />
und regional erzeugte Energie und Einsparungen.<br />
<strong>Bioenergie</strong> regionalisiert mind. 58 Mio.€ jährliche<br />
Wertschöpfung bei 15%iger Effizienzsteigerung,<br />
schafft die Wende <strong>im</strong> Mobilitätssektor mit 10 %<br />
Marktanteil und profiliert die Region als Kompetenzregion<br />
nach innen und außen<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Holzwärme, Bildung & Energie<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Wettbewerb <strong>Bioenergie</strong>dörfer/Modelldörfer in<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-Region Wendland-Elbetal, Mobilitätskampagne,<br />
Holzenergiekampagne, Energietourismusprojekt,<br />
Etablierung der Akademie für<br />
Erneuerbare Energien Lüchow-Dannenberg GmbH,<br />
Studien: Opt<strong>im</strong>ierung von Biogasanlagen, Reststoffe,<br />
Wirtschaftlichkeitskennzahlen, Biogasnetz<br />
und Biogasnutzung<br />
Ansprechpartnerin<br />
Name: Ileana Weber<br />
Institution: Wirtschaftsförderung<br />
Lüchow-Dannenberg<br />
Anschrift: Seerauer Straße 27, 29439 Lüchow<br />
Tel.: 058 41/9 78 67 17<br />
Fax: 058 41/9 78 67 20<br />
E-Mail: iweber@bioenergie-region-we.de<br />
Homepage: www.bioenergie-wendland-elbetal.de
26 <strong>Bioenergie</strong>-region SÜDOLDENBURG<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Südoldenburg setzt<br />
auf die Veredelung landwirtschaftlicher<br />
Nebenprodukte.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
IdeenExpo in Hannover 2009: Der Niedersächsische<br />
Ministerpräsident Christian<br />
Wulff und Geschäftsführer des Agrar- und<br />
Ernährungsforums Bernard Schomaker<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Thülsfelder Talsperre.<br />
Foto: Eckhard Albrecht, Cloppenburg<br />
Silicon Valley Südoldenburg<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>-Region setzt auf Energie-<br />
Veredelung mit neuer Technologie<br />
Arm war sie, bitterarm. Die region zwischen oldenburg und osnabrück,<br />
heute als Südoldenburg oder oldenburger münsterland bekannt,<br />
bestand vor gut 100 Jahren aus weiten Heideflächen, Mooren<br />
und sporadischem Waldbewuchs. nur hier und da lohnte sich eine<br />
Weide- und Ackerwirtschaft zur Selbstversorgung, ansonsten lebten<br />
die menschen von Schafzucht und torfabbau und von der Fremdarbeit<br />
als sogenannte Hollandgänger oder als Matrosen auf Fischfang-<br />
und Handelsschiffen. Nicht wenige trieb die Not zur Auswanderung.<br />
Lange her und lange vorbei. in den heutigen niedersächsischen<br />
Landkreisen Vechta und Cloppenburg geschah ein Wirtschaftswunder<br />
der besonderen Art. Die Vorreiterrolle übernahmen engagierte<br />
Landwirte. Sie nutzten die möglichkeiten moderner Verkehrstechniken<br />
wie eisenbahn und später den Lkw-Verkehr, um ihre produkte<br />
zu erschwinglichen preisen den menschen in den Ballungsgebieten<br />
anzubieten. eierproduktion, Schweinemast und rinderzucht, das<br />
waren die ersten Standbeine. Findige Agrarier und Agrartechniker<br />
entwickelten <strong>im</strong>mer wieder neue methoden und maschinen, um die<br />
produktion zu verbessern und auszuweiten. Aufgebaut wurde eine<br />
Veredelungswirtschaft, die heute europaweit führend ist und die<br />
zusammen mit weiteren Wirtschaftszweigen dafür sorgt, dass die Bevölkerungszahl<br />
(heute rund 300.000 einwohner) und die Bruttowertschöpfung<br />
<strong>im</strong> bundesweiten Vergleich überproportional steigen.<br />
in wissenschaftlichen Kreisen wird die region bereits seit Jahren als<br />
„Silicon Valley der Agrar- und ernährungswirtschaft“ bezeichnet.<br />
gestiegen sind allerdings über die Jahrzehnte auch die tierzahlen.<br />
Die vielen Schweine, Puten, Enten und Hühner, verbunden mit einer<br />
27 <strong>Bioenergie</strong>-region SÜDOLDENBURG<br />
intensiven Bewirtschaftung der Ackerflächen, sind für die region<br />
mittlerweile zu einem problem geworden: Wohin mit den nährstoffen,<br />
die vor allem durch die exkremente der tiere anfallen?<br />
Der bisherige Lösungsansatz sieht vor allem die Verbringung dieser<br />
gülle in andere regionen des Landes vor. Doch dieser Ansatz stößt<br />
an grenzen. Der weite transport wird unrentabel und ist wenig umweltfreundlich.<br />
Für Südoldenburg stellt sich die Frage, wie diese nebenprodukte<br />
sinnvoll verwertet werden können, wirtschaftlich und<br />
gleichzeitig kl<strong>im</strong>averträglich. Das ist zugleich die spannende Frage<br />
danach, wie die Wirtschaftskraft der region erhalten werden kann<br />
und ob es eine modellhafte entwicklung gibt, die sich auf ähnliche<br />
gelagerte problemgebiete anwenden lässt – weit über die grenzen<br />
Südoldenburgs hinaus.<br />
„Veredelung“ war die idee, die dazu geboren wurde. in themenforen<br />
des projektes „integriertes Ländliches entwicklungskonzept“ wurden<br />
ende 2005 unter experten-Beteiligung Vorschläge entwickelt, wie<br />
die region sich weiterentwickeln sollte. „ein Vorschlag aus diesen Foren<br />
heraus war die stärkere nutzung – die Veredelung – der Biomasse<br />
zu <strong>Bioenergie</strong>“, so Bernard Schomaker, der zunächst als geschäftsführer<br />
des Vechtaer Kreislandvolkverbandes seinen fachlichen rat in<br />
diese Diskussion einbrachte und der heute eine der treibenden Kräfte<br />
der „<strong>Bioenergie</strong>-region Südoldenburg“ ist. mit der Anerkennung als<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region <strong>im</strong> märz 2009 und der damit verbundenen finanziellen<br />
Förderung begann so die Umsetzung eines ambitionierten<br />
Konzeptes, dass unter dem oberbegriff „energie veredeln mit neuer<br />
technologie“ zukunftsweisende modelle entwickeln soll. Als projektmanagerin<br />
wurde die Diplom-Ökonomin Kathrin Albers eingestellt.<br />
Die Kernziele der „<strong>Bioenergie</strong>-region Südoldenburg“ sind eine<br />
wirtschaftlich tragfähige nutzung der „Biomassepotentiale landwirtschaftlicher<br />
nebenprodukte“, ein Abbau der probleme durch<br />
die gülleüberschüsse und eine entschärfung des Flächenkonfliktes<br />
durch den Anbau nachwachsender rohstoffe für die <strong>Bioenergie</strong>. „Wir<br />
wollen, dass das thema <strong>Bioenergie</strong> in unserer region nicht mehr in<br />
Frage gestellt wird“, sagt Schomaker, „und ich bin überzeugt, dass<br />
wir das hinbekommen.“ Wichtig für ihn sind beispielhafte Anlagekonzepte.<br />
Sie werden von der „<strong>Bioenergie</strong>-region Südoldenburg“ besonders<br />
ausgezeichnet. So wurde erst kürzlich eine neue Anlage der<br />
Firma Agro Thermodirekt GmbH in Langförden zur bioenergetischen<br />
Verwertung von Trockenpellets aus der Hühnerhaltung und anderen<br />
nebenprodukten als vorbildlich präsentiert. Be<strong>im</strong> transportunternehmen<br />
Luhmann in Holdorf wird Biogas als Biokraftstoff verwendet.<br />
Und in den ortschaften Bakum, Vestrup und Lüsche sorgen neue<br />
Verbundsysteme zwischen Anlagenbetreibern, der Kommune und<br />
privathaushalten dafür, dass mit <strong>Bioenergie</strong> Fernwärmenetze zu<br />
günstigen Konditionen versorgt werden können.<br />
„Wir stehen zwar noch am Anfang“, sagen Albers und Schomaker,<br />
„aber schon jetzt können wir sagen: <strong>Bioenergie</strong> ist weit mehr als Biogas,<br />
birgt für unsere region enorme Chancen und ist ein wertvoller<br />
Beitrag zum Kl<strong>im</strong>aschutz.“<br />
Andreas Kathe, redakteur, Vechta<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Südoldenburg<br />
Bundesland: Niedersachsen<br />
Landkreise: Cloppenburg, Vechta<br />
Größe: 2.231 km2 Einwohnerzahl: 297.141 (Stand: 06/2008)<br />
Flächennutzung: 70 % Landwirtschaftsfläche,<br />
12 % Waldfläche,<br />
5 % Verkehrsfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
115 Biogasanlagen, 1 Holzhackschnitzelkraftwerk,<br />
1 Strohverbrennungsanlage, 1 Biomasse-Gaserzeugungsanlage,<br />
1 Biodieselraffinerie<br />
Langfristige Ziele:<br />
Verstärkte Nutzung der Biomassepotenziale landwirtschaftlicher<br />
Nebenprodukte zur Steigerung<br />
der Wertschöpfung; Entschärfung der Problematik<br />
der Nährstoffüberschüsse und des Anbaues von<br />
nachwachsenden Rohstoffen für die <strong>Bioenergie</strong>;<br />
Erhöhung der Akzeptanz für die Veredlung und<br />
die Erzeugung von Energie aus Biomasse; Lösung<br />
lokal-regionaler Konflikte; Abbau von regionalen<br />
Imagedefiziten; Aufbau von Wärmenetzen beruhend<br />
auf Biomasseanlagen<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas und Synthesegas aus landwirtschaftlichen<br />
Nebenprodukten, Herstellung von Pellets aus<br />
landwirtschaftlichen Nebenprodukten, Aufbau von<br />
Wärmenetzen<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Maßnahmenbereiche:<br />
1. Lösung der regionalen Nährstoffüberschussproblematik<br />
2. Modellregion zur Umsetzung des EEG 2009<br />
3. Umweltschonender Anbau von Energie- und<br />
Futterpflanzen<br />
4. Modellgebiete für Konfliktmanagement<br />
5. Lernende <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
1 bis 3: Die Maßnahmen werden unterstützt<br />
durch verschiedene Studien und Expertisen der<br />
Hochschule Vechta<br />
Leitprojekte siehe „Schwerpunkt Wertschöpfung“<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Name: Bernard Schomaker, Geschäftsführer<br />
Institution: agrar+ernährungsforum Oldenburger<br />
Münsterland<br />
Tel.: 044 41/92 37-13<br />
Fax: 044 41/92 37-11<br />
Name: Kathrin Albers, Projektmanagerin<br />
Anschrift: Rombergstraße 53, 49377 Vechta<br />
Tel.: 044 41/92 37-64<br />
Fax: 044 41/92 37-11<br />
E-Mail: kathrin.albers@aef-om.de<br />
Homepage: www.bioenergie-suedoldenburg.de
28 <strong>Bioenergie</strong>-region WeSerBergLAnD pLUS<br />
<strong>Bioenergie</strong>Region<br />
Weserbergland plus<br />
Marlon hat Spaß <strong>im</strong> Mais. Das Labyrinth in<br />
Bremke hat <strong>im</strong> letzten Jahr viele Besucher<br />
in den „ökologischen Freizeitpark“ am<br />
Fuß des Ithes gelockt.<br />
Foto: Thorsten Sienk<br />
Auch Auszubildende interessieren sich<br />
für alternative Energiegewinnung durch<br />
Biogasanlagen.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Biogasanlage Hemeringen,<br />
Foto: Thorsten Sienk<br />
Der Mais macht‘s<br />
In der Region, für die Region. Damit alle<br />
etwas davon haben.<br />
marlon läuft. gerade mal halb so groß ist der Blondschopf, verglichen<br />
mit der Höhe der grünen Wände rechts und links des schmalen<br />
Wegs. Lachend biegt der Vierjährige um die nächste ecke – eine<br />
Sackgasse. Umdrehen, weiter rennen. <strong>im</strong>mer vorne weg, die beiden<br />
größeren geschwister dicht hinterher. mais macht Spaß. in Bremke,<br />
dem kleinen ort am Fuß des ith, spricht die Dorfgemeinschaft selbstbewusst<br />
vom ökologischen Freizeitpark. Wenn der mais hoch genug<br />
steht, dann gehört das zweieinhalb Kilometer lange Labyrinth zu den<br />
beliebten Ausflugszielen in der Weserberglandregion. Fünf Hektar<br />
platz, um sich herrlich zu verirren.<br />
Auch Jörg pape findet gefallen an der grünpflanze – zugegeben weniger<br />
aus gründen der Freizeitgestaltung. Der Landwirt aus Aerzen<br />
steckt seine ganze energie mit Vorliebe in nachwachsende energie.<br />
2007 ging die erste Biogasanlage in Hemeringen, in der Nähe von<br />
Bremke, ans netz. 10.000 tonnen mais, Festmist, grassilage und<br />
grünroggen dienen jeder der beiden Anlagen pro Jahr als Futter für<br />
die mikroorganismen. „90 prozent ist mais”, erzählt pape – und der<br />
kommt von Feldern, die in einem radius von drei bis vier Kilometern<br />
um den verkehrstechnisch günstig gelegenen Standort herum liegen.<br />
nur mit kurzen rohstoffwegen lassen sich Biogasanlagen rentabel<br />
betreiben. Und schließlich müssen die vergorenen Substrate ja wieder<br />
zurück auf die Felder. „Auf die Flächen, wo sie ursprünglich her<br />
kamen.” pape betreibt die Anlage gemeinsam mit Falk rekate und<br />
torsten meier. Beide sind ebenfalls Landwirte. 80 prozent der eingesetzten<br />
Biomasse stammt aus eigener ernte. „Für uns ist das ein ganz<br />
29 <strong>Bioenergie</strong>-region WeSerBergLAnD pLUS<br />
wichtiger Aspekt bei der rohstoffsicherheit”, unterstreicht der Familienvater.<br />
parallel dazu gehe es aber auch um die Wertschöpfung. Sie<br />
soll innerhalb des Betreiber-trios möglichst hoch sein. Die Abwärme<br />
der Blockheizkraftwerke werde etwa zur Beheizung eines nebenan<br />
gelegenen Schweinestalls genutzt. Zudem stehen die planungen für<br />
ein Nahwärmenetz in Hemeringen kurz vor der Realisierung.<br />
in der region, für die region. „Wir brauchen Win-Win-Situationen.<br />
Hemeringen ist dafür ein Paradebeispiel”, sagt Hans-Jürgen Hesse,<br />
projektleiter der 2009 gegründeten <strong>Bioenergie</strong>-region innerhalb der<br />
regionalen entwicklungskooperation Weserbergland plus. Bei allen<br />
Bemühungen, regenerative energieformen zu fördern, stehe für ihn<br />
neben punkten wie Kl<strong>im</strong>aschutz und Liefersicherheit ganz oben auf<br />
der Liste, „die Wertschöpfung in der region zu behalten, damit alle<br />
etwas davon haben.”<br />
Vor diesem Hintergrund haben sich die Landkreise Holzminden,<br />
Hameln-Pyrmont, Schaumburg und Nienburg das Ziel gesetzt,<br />
<strong>Bioenergie</strong>potenziale nachhaltig auszubauen und die Bevölkerung<br />
möglichst breit zu informieren und zu sensibilisieren. Dafür sei es<br />
notwendig, ein regionales netzwerk zu schaffen. Die ersten ergebnisse<br />
einer mit projektbeginn gestarteten Begleitforschung zeigten hier<br />
nämlich sehr schnell die Defizite. Statt Vernetzung herrsche eine mischung<br />
loser Strukturen und engerer Kontakte unter den befragten<br />
Akteuren. investitionen in ein engmaschigeres <strong>Bioenergie</strong>-netzwerk<br />
seien durchaus geeignet, die Binnennachfrage einer region anzukurbeln.<br />
„gehen Sie hier einfach einmal von jährlichen Kosten von<br />
1.500 Euro für Energie pro Kopf aus”, unterstreicht Jörg Pape. „Der<br />
markt ist da, sofern sich investitionen nachhaltig betriebswirtschaftlich<br />
rechnen.”<br />
Sein Wissen gibt pape innerhalb der region als einer von zur Zeit<br />
35 <strong>Bioenergie</strong>beauftragten weiter, die dabei von zentralen Partnern<br />
wie dem Landvolk Weserbergland oder der Handwerkskammer<br />
unterstützt werden. Dieser Wissenstransfer gehört zu den Kernaufgaben<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-region. Jörg pape hat schon weitere pläne: mit<br />
gleichgesinnten Landwirten soll in Aerzen ein Biogasnetz mit dezentralen,<br />
wärmegeführten Blockheizkraftwerken entstehen – ohne<br />
den Umweg über eine aufwändige gasaufbereitung zu Bioerdgas.<br />
es gilt, geld zu verdienen und sich nicht <strong>im</strong> Labyrinth technischer<br />
Spielereien zu verirren. Was er sich für die Zukunft wünscht? mehr<br />
pragmatismus und entscheidungsfreudigkeit bei den he<strong>im</strong>ischen<br />
Wirtschaftsbetrieben. „Hier wird trotz kurzer Return-of-Investment-<br />
Zeiten zögerlich agiert.”<br />
Konflikte mit Anwohnern wegen größer gewordener mais-Anbauflächen<br />
gibt es in dieser region bislang übrigens nicht. Vielleicht trägt<br />
der mais-irrgarten zu der Akzeptanz bei. Die Dorfgemeinschaft in<br />
Bremke freut sich jedenfalls ganz pragmatisch darüber, dass der Spaß<br />
<strong>im</strong> Labyrinth durchaus geld in die Kasse gebracht hatte. Vom erlös<br />
der irrgartensaison 2009 wurden tische für das Dorfgemeinschaftshaus<br />
angeschafft. Aus der region für die region – ein geschlossener<br />
Wirtschaftskreislauf.<br />
thorsten Sienk, Dipl.-Sozialwirt, Freier Fachredakteur, Bodenwerder<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Weserbergland plus<br />
Bundesland: Niedersachsen<br />
Landkreise: Hameln-Pyrmont, Holzminden,<br />
Nienburg, Schaumburg<br />
Größe: 3.563 km²<br />
Einwohnerzahl: 524.600<br />
Flächennutzung: 56,76 % Landwirtschaftsfläche<br />
(davon 83,3 % Acker und 16,4 % Dauergrünland),<br />
27,63 % Wald, 1,88 % Wasser<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
53 Biogasanlagen (43,5 MWel),<br />
2 Holzheizkraftwerke (35 MW),<br />
1 gr. Pellets-Heizanlage (64 kWel),<br />
7 gr. Holzhackschnitzelheizungen (2.180 kWel),<br />
2 Ölmühlen<br />
Langfristige Ziele:<br />
Ausbau der <strong>Bioenergie</strong> als wirtschaftliches<br />
Standbein, Weitere Implementierung von<br />
<strong>Bioenergie</strong> projekten, Aufbau eines regionalen<br />
<strong>Bioenergie</strong>netzwerkes und Ausbau bestehender<br />
Kommunika tionsstrukturen, Sensibilisierung und<br />
Bewusstseins bildung für <strong>Bioenergie</strong>nutzung sowie<br />
Steigerung der Akzeptanz, Erhöhung des regionalen<br />
Wissensstandes<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Wertschöpfungsketten Ackerland/Energiepflanzen<br />
und Holz, Wärmenutzung bei Biogasanlagen,<br />
neue Energiepflanzen und Anbaumethoden, Effizienzsteigerung<br />
von <strong>Bioenergie</strong>anlagen<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Aufbau einer <strong>Bioenergie</strong>agentur für Konzeption,<br />
Monitoring/Weiterentwicklung und Umsetzung<br />
des Regionalentwicklungsprozesses, Auf- und<br />
Ausbau der Wertschöpfungsketten, Unterstützung<br />
der Agentur durch Experten aus Handwerk,<br />
Landwirtschaft, Verwaltung und einem Netzwerk<br />
„<strong>Bioenergie</strong>beauftragter bzw. -experten“, Öffentlichkeitsarbeit<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Hans-Jürgen Hesse<br />
Institution: Weserbergland AG<br />
Anschrift: HefeHof 8, 31785 Hameln<br />
Tel.: 051 51/5 85 10 04<br />
Fax: 051 51/5 85 10 99<br />
E-Mail: h-j.hesse@weserberglandag.de<br />
Homepage: www.bioenergie-weserberglandplus.de
30 <strong>Bioenergie</strong>-region ALtmArK<br />
Exkursion mit Landwirten aus der Region<br />
zu einer Energieholzplantage in Soltau.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Das Land der tausend Gräben: Allein der<br />
Naturpark Drömling wird von 1.275 Kilometern<br />
Gräben und Flüssen durchzogen.<br />
Foto: Andreas Müller<br />
Hansestadt Havelberg an der Havel.<br />
Foto: Andreas Müller<br />
Die Alte Mark auf<br />
neuen Wegen<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>-Region <strong>im</strong> Norden<br />
Sachsen-Anhalts<br />
tau liegt noch auf den weiten Wiesen, als sich eine gruppe reiter in<br />
Wolterslage bei Stendal auf den Weg macht. ein Stückchen knallen<br />
die Hufe noch über uraltes Kopfsteinpflaster, dann geht es unter<br />
knorrigen Weiden am Bach entlang, bis die männer und Frauen am<br />
Horizont in der Altmärkischen Wische verschwinden. Sie wollen<br />
die natur in Sachsen-Anhalts schönem norden heute hoch zu ross<br />
erkunden.<br />
Die ländliche Altmark ist so groß wie das Saarland und Luxemburg<br />
zusammen. Und sie gehört zu den am dünnsten besiedelten regionen<br />
Deutschlands. Das flache Land bezeichnet sich selbst als die Wiege<br />
preußens. Schließlich hatte die errichtung der mark Brandenburg<br />
in der „Antiqua marchia“ (Alte mark) ihren Ursprung.<br />
Die Altmark ist jedoch nicht nur ein ursprüngliches Land, sie beherbergt<br />
auch eine moderne Landwirtschaft mit Spitzen-milchleistungen<br />
und hat sich nicht zuletzt als junges Urlaubsgebiet etabliert.<br />
Doch die region zwischen der magdeburger Börde <strong>im</strong> Süden und der<br />
elbe <strong>im</strong> norden kann sich darauf nicht ausruhen. Der regionalverein<br />
Altmark verfolgt eine frische idee. er will die Altmark zur „<strong>Bioenergie</strong>-region“<br />
entwickeln. Schon mit dem Bundesmodellvorhaben<br />
„regionen Aktiv“ schlug er diesen Kurs ein.<br />
31 <strong>Bioenergie</strong>-region ALtmArK<br />
„Die Altmark ist ein schlummerndes energiedepot in Sachsen-<br />
Anhalt“, sagt Projektmanager Henning Kipp. „Wir müssen es nur<br />
erschließen“. eine buchdicke Studie belegt das. Sachsen-Anhalts<br />
norden verfügt über das größte Biomassepotenzial <strong>im</strong> Bundesland.<br />
Wälder, Wiesen und Felder prägen die Landschaft. Dazwischen<br />
schlängeln sich zahlreiche Bachläufe und Wege, gesäumt von rasch<br />
wachsenden Bäumen und üppigen Büschen. Allein der naturpark<br />
Drömling zwischen gardelegen und Wolfsburg in niedersachsen<br />
wird von 1.275 Kilometern gräben und Flüssen durchzogen.<br />
„Das projekt <strong>Bioenergie</strong>-region Altmark kümmert sich vor allem um<br />
jene ressourcen, die nicht in Konkurrenz zur nahrungsmittelproduktion<br />
oder zur stofflichen Verwertung stehen“, sagt projektmitarbeiter<br />
gerhard Faller-Walzer. es gehe nicht darum, weitere Agrarerzeugnisse<br />
wie mais, gras oder rüben fürs Kraftwerk zu produzieren,<br />
sondern die ohnehin vorhandene Biomasse besser zu nutzen. ganz<br />
besonders hat projektmanager Kipp dabei Landschaftspflegeflächen<br />
als rohstoff-Lieferant <strong>im</strong> Blick. „Das ist kein Widerspruch“, versichert<br />
er. Als Beispiel nennt er das „grüne Band“ an der einstigen innerdeutschen<br />
grenze. Dort hat sich <strong>im</strong> Schatten der früheren Sperranlagen<br />
eine einzigartige natur entwickelt, die gezielt gepflegt werden muss.<br />
„Jedes Jahr fallen hier große mengen an grün- und Strauchschnitt<br />
an, die doch nicht <strong>im</strong>mer nur gehäckselt und zurückgelassen werden<br />
müssen“, blickt Kipp voraus.<br />
Auch <strong>im</strong> Stadtforst von Salzwedel mit einer Fläche von über 1.000 Hektar<br />
möchten die experten eine angepasste Form der nutzung etablieren,<br />
von der sowohl die natur als auch die region profitieren. Bislang<br />
brachte die forstliche pflege des Waldes an diesem schwierigen Standort<br />
für die Stadt eher ökonomische Defizite. Jetzt gibt es die Chance,<br />
das anfallende Holz als Rohstoff oder als Energielieferant zu nutzen.<br />
Eine Variante könnte der Bau einer Holzvergaseranlage zur Stromerzeugung<br />
mit Wärmeversorgung etwa des Hallenbades sein.<br />
in der Kleinstadt Seehausen wiederum wird die Verwertbarkeit von<br />
Straßenbegleitgrün untersucht. Den planern schweben Lösungen<br />
vor, die bundesweit nachgeahmt werden könnten.<br />
Schließlich nehmen die pioniere der „<strong>Bioenergie</strong>-region Altmark“<br />
auch die vorhandenen landwirtschaftlichen Biogasanlagen ins Visier.<br />
Viele dieser Kleinkraftwerke besitzen prozesstechnisch als auch ökonomisch<br />
reserven – vor allem bei der nutzung der Wärme. Derzeit<br />
wird ermittelt, wie das verbessert werden kann.<br />
Bis 2020 möchten beide Landkreise den regionalen Wärmebedarf zu<br />
30 prozent aus <strong>Bioenergie</strong> decken. Wenn dann touristen die region<br />
erkunden, sollen sie nicht etwa auf mega-Kraftwerke stoßen, sondern<br />
auf eine nach wie vor einzigartige und harmonische Landschaft, die<br />
ihre energie nachhaltig zu nutzen versteht.<br />
Andreas müller, Freiberuflicher Journalist, Wolmirstedt<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Altmark<br />
Bundesland: Sachsen-Anhalt<br />
Landkreise: Altmarkkreis Salzwedel,<br />
Landkreis Stendal<br />
Größe: 4.715 km2 Einwohnerzahl: 220.787 (2007)<br />
Flächennutzung: <strong>25</strong> % Wald, 43 % Ackerland,<br />
15 % Grünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
60 Biogasanlagen, 2 Heizkraftwerke, 1 Biodieselfabrik,<br />
1 Bioethanolanlage, 1 Zellstoffwerk mit<br />
95 MWel Netzeinspeisung<br />
Langfristige Ziele:<br />
• Regionale Wertschöpfung & Schaffung v. Arbeitsplätzen<br />
durch Erschließung des regionalen Potentials<br />
zur stofflichen & energetischen Nutzung<br />
• Daseinsvorsorge <strong>im</strong> ländlichen Raum durch<br />
Sicherung einer preisstabilen Wärmeversorgung<br />
• 30 %iger Beitrag der <strong>Bioenergie</strong> zur Deckung des<br />
regionalen Wärmebedarfs bis 2020<br />
• Schutz und angepasste Entwicklung von Kulturund<br />
Naturlandschaft als Teil einer nachhaltigen<br />
Raumentwicklung<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, biogene Festbrennstoffe<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Modellprojekt Seehausen<br />
Strategiewechsel von der Biomassevermeidung<br />
zur Biomassemax<strong>im</strong>ierung – Gewinnung und Verwertung<br />
von Biomasse aus der Bewirtschaftung<br />
des regionalen öffentlichen Verkehrswege – und<br />
des Gewässernetzes in Verbindung mit effizienter<br />
Gehölzbewirtschaftung und ökonomischer Gewässerunterhaltung<br />
Modellprojekt Salzwedel<br />
Etablierung einer rentablen Bewirtschaftung sensibler<br />
Gebiete unter Beachtung der Anforderungen<br />
des Natur- und Landschaftsschutzes<br />
Modellprojekt Repowering landwirtschaftlicher<br />
Biogasanlagen der Altmark<br />
Verbesserung der technisch und ökonomischen<br />
Leis tung durch Erfassung der Ursachen von Minderfunktionen<br />
und die Erarbeitung von Lösungsansätzen<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Henning Kipp, Gerhard Faller-Walzer<br />
Institution: Regionalverein Altmark e.V. – Projekt -<br />
büro <strong>Bioenergie</strong>-Region Altmark<br />
Anschrift: Arneburger Straße 24, Haus II<br />
Tel.: 039 31/<strong>25</strong> 80 99<br />
Fax: 039 31/<strong>25</strong> 81 06<br />
E-Mail: h.kipp@altmark.eu<br />
E-Mail: g.fallerwal@altmark.eu<br />
Homepage: www.altmark.eu
32 BIOENERGIE-REGION MäRKISCH-ODERLAND<br />
Gleich <strong>im</strong> Wald werden mit der mobilen<br />
Maschinenkombination von Jan Sommer<br />
Hackschnitzel produziert<br />
Holz wird umweltschonend mit dem<br />
Rückepferd zu Sammelplatz transportiert<br />
Anlieferung von Hackschnitzeln<br />
be<strong>im</strong> Kunden<br />
Fotos: Carmen Becker (3)<br />
Konsequent<br />
auf dem Holzweg<br />
1.000 neue Holzheizungen bis 2012<br />
in Märkisch-Oderland<br />
ein kleines Stückchen ziehen und <strong>im</strong>mer wieder loben. So kriegt<br />
Liane einen guten halben Festmeter-Stamm aus dem für maschinen<br />
unwegsamen Wäldchen bei Lebus gezogen. „ist wie be<strong>im</strong> menschen.<br />
Das pferd braucht die Bestätigung, dass es gut gearbeitet hat“, sagt<br />
Jan Sommer über seine thüringer Kaltblutstute. Liane ist eines von<br />
insgesamt drei rückepferden, mit denen sich der Agraringenieur aus<br />
der Nähe von Seelow buchstäblich auf den Holzweg gemacht hat. Im<br />
Landkreis märkisch-oderland sieht er eine menge potential. in Waldgebieten,<br />
deren Besitzer auf eine schonende Bewirtschaftung Wert<br />
legen und auf kleinen Flächen, die sich für den maschineneinsatz<br />
ohnehin kaum lohnen.<br />
Gerade mal die Hälfte der für die Energieholzgewinnung geeigneten<br />
Flächen werde derzeit in der Region genutzt, bestätigt Heiner<br />
grienitz von der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises. Bei<br />
privatwäldern sei es noch weniger. 34.000 Festmeter fallen allein<br />
bei der Landschaftspflege an. ein noch größeres potenzial sieht der<br />
Projektleiter in Kurzumtriebsplantagen. Heiner Grienitz schätzt, dass<br />
sich aus all diesen potenzialen zusammen jährlich 35.000 tonnen<br />
Co 2 sparen lassen – „ohne das Ökosystem Wald zu gefährden“. mehr<br />
noch: Mit der Kampagne „Märkisch-Oderland geht den Holzweg“ biete<br />
sich die Chance, ganze Wertschöpfungsketten in gang zu setzen:<br />
Vom Waldbesitzer bis zum Kunden. Dazwischen Dienstleister wie Jan<br />
Sommer mit seinen rückepferden, Landwirte, energieberater, Spediteure,<br />
Installateure, Händler. Hackschnitzel, Pellets oder Stückholz<br />
müssen gewonnen, gelagert, getrocknet, transportiert werden.<br />
33 <strong>Bioenergie</strong>-region MäRKISCH-ODERLAND<br />
Bis vor kurzem mussten Besitzer von Hackschnitzel-Heizungen ihr<br />
Brennmaterial noch aus weit entfernten regionen ordern. Jetzt<br />
kommt es aus nächster Nähe. Ein Verein aus Hermersdorf in der Märkischen<br />
Schweiz hatte dort als erstes einen Betrieb zur Brennholzgewinnung<br />
gegründet, inzwischen sind Förstereien und andere Dienstleister<br />
in das geschäft eingestiegen. „Schön sauber, schön trocken,<br />
kaum Grünzeug“, lobt Thomas Winkelkotte, Heizer eines Wohn- und<br />
Atelierhauses <strong>im</strong> Dörfchen reichenow das material.<br />
mindestens 45 neue Jobs sind das Ziel der <strong>Bioenergie</strong>-region bis mitte<br />
2012. „gerade für gering qualifizierte Arbeitskräfte könnte das<br />
ein einstieg sein“, sagt martin merk. Der energieberater aus Wulkow<br />
bei Frankfurt (oder) begann vor zwei Jahren, Akteure auf dem markt<br />
der Biofestbrennstoffe miteinander ins gespräch und schließlich ins<br />
geschäft zu bringen. Das so geschaffene netzwerk Biofestbrennstoffe<br />
machte es erst möglich, gemeinsam mit der kreiseigenen Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
das Holzweg-Konzept für die <strong>Bioenergie</strong>region<br />
zu entwickeln. Sitz des netzwerks ist der Ökospeicher e.V.<br />
Wulkow, ein Verein, der sich frühzeitig nachhaltiger Dorfentwicklung<br />
verschrieben hat. Die bislang rund 50 netzwerker kümmern<br />
sich unter anderem um günstige Lieferketten. Bald soll es einen<br />
zentralen Biomassehof geben. Als Know-How-Beschaffer kooperiert<br />
das netzwerk mit den nahegelegenen Fachhochschulen Wildau und<br />
eberswalde, aber auch mit regionalen ingenieurbüros. Weil es vielen<br />
Kunden an Lagerplatz fehlt, ist zum Beispiel die idee einer Komplettanlage<br />
entstanden: Einer Kombination zwischen Heizung und<br />
Brennstofflager in Containerbauweise. Christian Baumann, der ein<br />
ingenieurbüro bei Seelow betreibt, hat sie entwickelt. Das netzwerk<br />
hilft, Partner für Vertrieb und Herstellung zu finden.<br />
gemeinsam mit dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung<br />
in müncheberg wird zudem ein regionallabel entwickelt.<br />
Das Holzweg-Siegel soll den Kunden nicht nur Nachhaltigkeit, Qualität<br />
und besten technischen Stand der produkte belegen. mit dem<br />
Label werden auch soziale Standards nachgewiesen: Wer „auf dem<br />
Holzweg“ arbeitet, muss davon leben können.<br />
Zu mindestens 1.000 neuen Holzheizungen hat sich die <strong>Bioenergie</strong>-<br />
Region bis Mitte 2012 verpflichtet. Der Anteil von Hackschnitzel- und<br />
pelletanlagen soll sich verdoppeln. Der Landkreis hilft mit einem<br />
politischen Beschluss: Alle kreiseigenen gebäude, in denen künftig<br />
Heizanlagen ersetzt werden, sollen nach Möglichkeit auf Holz umrüsten.<br />
mitte 2011 könnte sich aus dem netzwerk heraus ein sogenanntes<br />
Contracting-Unternehmen gründen. Arbeitstitel: Biowärme oderland.<br />
Das Konzept sieht vor, be<strong>im</strong> Kunden eine komplette Heizanlage<br />
zu planen, zu installieren, mit regionalem Brennstoff zu versorgen,<br />
zu betreiben und zu warten. Statt Heizanlage, Brennstoff, Betrieb und<br />
Wartung bezahlt der Kunde nur die Wärme, die er tatsächlich nutzt.<br />
Jan Sommer mit seinen Rückepferden glaubt an den Erfolg des Holzwegs<br />
und hat über den Waldpferdebetrieb hinaus investiert. mit<br />
einer mobilen maschinenkombination kann er die von ihm geworbenen<br />
Baustämme nun selbst in Hackschnitzel verwandeln.<br />
martin Walther, Freier Journalist, Lebus<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Märkisch-Oderland<br />
Bundesland: Brandenburg<br />
Landkreise: Märkisch-Oderland<br />
Größe: 2.128 km2 Einwohnerzahl: 192.000<br />
Flächennutzung: 63 % landwirtschaftl. Nutzfläche<br />
22,5 % Wald<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
Etwa 100 Pelletheizungen, 30 Hackschnitzelheizungen<br />
und <strong>25</strong>0 moderne Stückholzkessel sowie<br />
hunderte alte ungeeignete Festbrennstoffkessel<br />
Langfristige Ziele:<br />
Durch Verdopplung der Holzheizungen jährliche<br />
CO -Einsparung von 35.000 Tonnen, regionale<br />
2<br />
Wertschöpfung, Nachhaltigkeit, Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Energiebüro MOL: Gesamtleitung, Clustermanagement,<br />
Leitbildentwicklung; Marketing,<br />
Wissenstransfer<br />
Netzwerkbüro: Aufbau von Wertschöpfungsketten<br />
von der Holzernte bis zum Vertrieb von Stückholz<br />
und Hackschnitzeln sowie von der Heizungsplanung<br />
bis zur Installation und zum Service, Qualitätsmanagement,<br />
Regionallabel.<br />
Erfassung der Energieholzressourcen,<br />
Biofestbrennstoffhof, Kurzumtriebsplantagen,<br />
Wärme-Contracting<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Projektleiter<br />
Dipl.-Ing. Heiner Grienitz<br />
Institution: Energiebüro MOL c/o STIC Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
Märkisch-Oderland mbH<br />
Anschrift: Garzauer Chaussee 1a,<br />
15344 Strausberg<br />
Tel.: 033 41/3 35 37 22<br />
Fax: 033 41/3 35 216<br />
E-Mail: energiebuero@stic.de<br />
Homepage: www.holzweg-mol.de<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Netzwerkkoordinator<br />
Dipl.-Ing. Martin Merk<br />
Institution: Netzwerk BIOFestbrennstoff MOL e.V.<br />
Anschrift: Am Gutshof 1 (<strong>im</strong> Ökospeicher),<br />
15326 Lebus OT Wulkow<br />
Tel.: 03 36 02/5 81 00<br />
E-Mail: info@biofestbrennstoff.de<br />
Homepage: www.biofestbrennstoff.de
34 <strong>Bioenergie</strong>-region LUDWigSFeLDe<br />
Das Team der ARGE <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Ludwigsfelde.<br />
Foto: Heino Maß<br />
Till Belusa (TU Berlin) erläutert be<strong>im</strong> Kreiserntefest<br />
2009 in Ahrensdorf Biomassepotenziale<br />
und -nutzungsmöglichkeiten.<br />
Foto: Rachel Michels<br />
Foto: Dr. Clemens Schwender<br />
Vor den Toren der Großstadt<br />
Altlasten-Sanierung durch <strong>Bioenergie</strong><br />
Ludwigsfelde ist eine Stadt in Brandenburg, jung an Jahren und<br />
durch ihre industrielle entwicklung geprägt. Das „moderne“ Ludwigsfelde<br />
entstand erst, als 1841 die Berlin-Anhaltinische eisenbahn<br />
durch die region gebaut und hier ein Bedarfshaltepunkt errichtet<br />
wurde. 1936 kam dann Da<strong>im</strong>ler-Benz und baute das damals größte<br />
und modernste Flugzeugmotorenwerk europas – die industrielle<br />
geschichte Ludwigsfeldes nahm ihren Anfang.<br />
Heute sind in der Kleinstadt rund 600 Unternehmen angesiedelt.<br />
Schwerpunktbranchen sind Automobile, Luft- und raumfahrttechnik<br />
sowie Logistik. Angesichts dieses derart industriell geprägten<br />
Charakters erscheint das Konzept, Ludwigsfelde zu einer <strong>Bioenergie</strong>region<br />
entwickeln zu wollen, eher fehl am platz. Aber nur auf den<br />
ersten Blick. Denn zur Kernstadt gehören elf ortsteile ländlicher<br />
prägung. Sie liegen, einer perlenkette gleich, rund um die Stadt der<br />
Automobile und behe<strong>im</strong>aten mehr als 20 landwirtschaftliche Unternehmen.<br />
Ungefähr die Hälfte des Stadtgebietes ist landwirtschaftliche<br />
nutzfläche, teile davon sind als naturpark-Flächen ausgewiesen.<br />
„Durch das projekt ‚<strong>Bioenergie</strong>-region Ludwigsfelde’“, betont der<br />
projektinitiator und Leiter der Stadtentwicklung Wilfried thielicke,<br />
„besteht die Chance, auch die ländlichen Bereiche wieder<br />
langfristig zu fördern.“ Bis 2020 sollen fossile energieträger so weit<br />
wie möglich durch hier verfügbare biogene rohstoffe und andere<br />
erneuerbare energien ersetzt werden. Dazu will man alle für einen<br />
regionalen energiekreislauf benötigten Akteure ins Boot holen: Von<br />
den rohstoffproduzenten in der Landwirtschaft über die produzenten<br />
der energie bis hin zu deren Konsumenten. tatsächlich konnte<br />
man unter anderem bereits die Stadtverwaltung Ludwigsfelde, den<br />
Landkreis Teltow-Fläming, die Agrargenossenschaft Löwenbruch/<br />
Kerzendorf und weitere landwirtschaftliche Betriebe, die Stadtwerke<br />
Ludwigsfelde, enro Ludwigsfelde energie sowie die Ludwigsfelder<br />
Wohnungsgenossenschaft und die Wohnungsgesellschaft „märkische<br />
He<strong>im</strong>at“ als Partner gewinnen.<br />
„man muss umdenken“, beschreibt Ökobauer erhard thäle die<br />
Situation der hier ansässigen Landwirte. „Die entwicklung geht vom<br />
Land- zum energiewirt. Wir sind schon seit 2002 kein marktfruchtbetrieb<br />
mehr, sondern ein Betrieb, der die Kulturlandschaft pflegt und<br />
erhält.“ Und Frau regina Siebecke, Vorstandsvorsitzende der Agrargenossenschaft<br />
Löwenbruch, betont: „Wir in Löwenbruch streben neben<br />
der klassischen produktion von milch, Fleisch und markfrüchten ein<br />
weiteres stabiles Standbein mit der erzeugung von energiepflanzen<br />
an.“ Die roh- und reststoffe in der region erfasst die tU Berlin – wie<br />
alle anderen Biomassequellen auch – in einem geoinformationssystem.<br />
per modellrechnung best<strong>im</strong>men die Wissenschaftler, mit<br />
35 <strong>Bioenergie</strong>-region LUDWigSFeLDe<br />
welcher technik die jeweilige Biomasse am effizientesten in Wärme<br />
oder Strom umzuwandeln ist, gleichzeitig analysieren sie den Wärmebedarf<br />
jeder region. Auf dieser Basis erfolgt schließlich die Anlagend<strong>im</strong>ensionierung<br />
und –standortwahl, mit dem Ziel, die bei Biogas-<br />
Anlagen in großer menge entstehende Abwärme so gut wie möglich<br />
zu nutzen und so die regionale Wertschöpfung zusätzlich zu steigern.<br />
neben den „klassischen“ roh- und reststoffen will die <strong>Bioenergie</strong>region<br />
Ludwigsfelde aber auch ganz neue Quellen erschließen: ende<br />
des 19. Jahrhunderts wurden in Berlin und Umgebung rieselfelder<br />
zur reinigung der Abwässer der metropole angelegt. 1928 wurden<br />
rund 10.000 Hektar zur Abwasserreinigung genutzt, heute wird diese<br />
Aufgabe von Klärwerken übernommen. Zurück blieben Böden, die<br />
mit großen mengen Schwermetall und organischen Schadstoffen<br />
angereichert sind. Die ehemaligen rieselfelder, <strong>im</strong> norden Ludwigsfeldes<br />
rund 3.000 Hektar, gelten bis heute als Altlastenverdachtsflächen.<br />
Da sie für die nahrungsmittelproduktion nicht geeignet sind,<br />
wird <strong>im</strong> rahmen des projektes <strong>Bioenergie</strong>-region Ludwigsfelde unter<br />
anderem untersucht, wie in Kurzumtriebsplantagen Schwermetalle<br />
durch geeignete gehölze aufgenommen und so die Bodenqualität<br />
verbessert werden kann.<br />
nachhaltig bessere Böden und damit ein künftig höheres Biomassepotenzial<br />
sind auch das Ziel bei der prüfung neuer Verfahren. Dazu zählt<br />
die Herstellung eines Terra Preta ähnlichen Bodens durch die Einbringung<br />
hydrothermal erzeugten Kohlenstoffs. Unter terra preta do indio<br />
– „schwarzer indianererde“ – versteht man einen durch jahrhunderte<br />
lange menschliche Kultivierung erzeugten, sehr fruchtbaren Boden,<br />
der etwa zehn prozent des Amazonasgebietes bedeckt. Die Zufuhr von<br />
organischen Abfällen der indios – durch die unvollständige Verbrennung<br />
pflanzlichen Materials erzeugte Holzkohle, Pflanzenreste, Exkremente,<br />
Algen und Knochen – ermöglichten vor 500 bis 7.000 Jahren<br />
diese nachhaltige Bodenverbesserung. in der <strong>Bioenergie</strong>-region will<br />
man nun untersuchen, inwieweit sich der prozess nachahmen lässt<br />
und welche einhe<strong>im</strong>ischen rohstoffe sich dafür eignen. An Stelle von<br />
Holzkohle zieht man so genannte HTC-Kohle in Betracht. HTC ist ebenfalls<br />
ein neues Verfahren und steht für hydrothermale Carbonisierung.<br />
Kurz gesagt wird dabei der natürliche entstehungsprozess von Kohle<br />
unter hohem Druck und temperatur <strong>im</strong> Zeitraffer nachvollzogen.<br />
„Ludwigsfelde ist eine region, die, was die nutzung der <strong>Bioenergie</strong><br />
angeht, erst am Anfang steht“, beschreibt die projektleiterin iris<br />
Feldmann den Stand in der brandenburgischen industriestadt.<br />
„Es ist Chance und Herausforderung, Ludwigsfelde zu dem zu machen,<br />
was es dem Status nach schon ist: eine <strong>Bioenergie</strong>-region.“<br />
manfred mohr, Journalist, Zeesen<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Ludwigsfelde<br />
Bundesland: Brandenburg<br />
Landkreise: Stadt Ludwigsfelde <strong>im</strong> Landkreis<br />
Teltow-Fläming<br />
Größe: ca.139 km2 :<br />
109 km2 Stadtgebiet,<br />
30 km2 zusätzl. ehemalige<br />
Rieselfelder<br />
Einwohnerzahl: 23.994<br />
Flächennutzung:<br />
34 % Landwirtschaftliche Nutzflächen, davon<br />
60 % Ackerland und<br />
40 % Grünland<br />
14 % Wald<br />
21 % ehemalige Rieselfelder<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
1 Frischholzheizkraftwerk<br />
Langfristige Ziele:<br />
effiziente Nutzung der nachhaltig zur Verfügung<br />
stehenden Biomasse<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Festbrennstoffe, HTC<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Biomassepotenzialstudie, Nutzungspfadbetrachtung,<br />
Energiebedarfsanalyse, Logistikmodell,<br />
Standortwahl und Anlagend<strong>im</strong>ensionierung<br />
anhand der Ergebnisse unter Berücksichtigung<br />
partizipativer Beteiligungsmodelle für Bevölkerung<br />
und Akteure<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Name: Iris Feldmann und Wilfried Thielicke<br />
Institution: ARGE <strong>Bioenergie</strong>-Region Ludwigsfelde<br />
Anschrift: Potsdamer Str. 31,<br />
14974 Ludwigsfelde<br />
Tel.: 033 78/86 06 63 oder<br />
033 78/82 71 02<br />
Fax: 033 78/337 86 93<br />
E-Mail: i.feldmann@bioenergie-regionludwigsfelde.de<br />
wilfried.thielicke@svludwigsfelde.<br />
brandenburg.de<br />
Homepage: www.bioenergie-regionludwigsfelde.de
36 BIOENERGIE-REGION KULTURLAND KREIS HÖxTER<br />
Norbert Hofnagel, Leiter des Biomassehofes,<br />
präsentiert einen Ausschnitt aus<br />
der Produktpalette.<br />
Foto: Sandra Wamers<br />
Landrat des Kreises Höxter<br />
Friedhelm Spieker, Projektkoordinator<br />
Alexander Hake und Biomassehof-Leiter<br />
Norbert Hofnagel präsentieren zum ersten<br />
Mal die neue <strong>Bioenergie</strong>-Region der<br />
Presse (v.l.).<br />
Foto: Tanja Sauerland<br />
Kopfweiden bei Oeynhausen.<br />
Foto: Kreis Höxter/Frank Grawe<br />
Was Hauseigentümer<br />
Mietern voraus haben<br />
Im Kreis Höxter lernen Bürger<br />
<strong>Bioenergie</strong> begreifen<br />
Ackerbau und Viehzucht – das klassische Wirtschaften auf dem<br />
Lan de. Allemal <strong>im</strong> Kreis Höxter, wo die Böden der Warburger und<br />
Steinhe<strong>im</strong>er Börde satt und schwer sind. Dort gedeiht die Königin der<br />
Ackerfrüchte, die Zuckerrübe. Zwischen den Anbauflächen weiden<br />
die Kühe mit prallen eutern. Auch die milchbauern sind <strong>im</strong> Kreis<br />
Höxter zu Hause – noch. Das klassische Wirtschaften auf dem Lande<br />
befindet sich <strong>im</strong> rapiden Wandel. Vielen Bauern fällt dieses Wirtschaften<br />
zwischen melkmaschine und mähdrescher <strong>im</strong>mer schwerer.<br />
Das weiß auch der geschäftsführer des Biomassehofes Borlinghausen<br />
und diplomierte Agrar-Ingenieur Norbert Hofnagel, ein Nebenerwerbslandwirt<br />
mit Sinn für netzwerke und rohstoffe.<br />
mit rohstoffen kennt man sich in der gegend um Borlinghausen<br />
aus – schon seit Jahrhunderten. „teutonia“ haben die malocher <strong>im</strong><br />
19. Jahrhundert das gebiet am rande des eggegebirges genannt.<br />
Sie schürften damals nach eisenerz, einem rohstoff aus dem Schoß<br />
der erde. Seit 2007 herrscht wieder reger Betrieb in dem 400 Seelen<br />
zählenden Dorf Borlinghausen. Der rohstoff, den die Lkws jetzt zu<br />
tonnen anliefern, stammt auch aus der erde, aber in einem anderen<br />
Sinne – es handelt sich um nachwachsende rohstoffe, in diesem Fall<br />
um Holz. Auf dem Biomassehof Borlinghausen werden die Hölzer<br />
gehackt, gebrochen, geschreddert, gesiebt und getrocknet und als<br />
Biomassepellets, Holzhackschnitzel und Briketts wieder verkauft.<br />
Aber nicht nur Aufbereitung, Lagerung und Verkauf finden hier statt,<br />
37 <strong>Bioenergie</strong>-region KULTURLAND KREIS HÖxTER<br />
auch die Öffentlichkeitsarbeit für die neuartigen<br />
Energieträger hat auf dem Hof ihren<br />
Anfang genommen. Denn hier ist auch<br />
die geschäftstelle der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
Kulturland Kreis Höxter angesiedelt mit<br />
Norbert Hofnagel als Leiter und Alexander<br />
Hake als Koordinator eines anspruchsvollen<br />
projekts, das unter der Federführung<br />
des Kreises Höxter die intelligente <strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
in der region fördert.<br />
„Bei uns bekommt die <strong>Bioenergie</strong>nutzung ein Gesicht“, sagt Hofnagel.<br />
es wurde ein Freigelände mit einem pflanzenschaugarten<br />
angelegt. Weiden, pappeln, eschen und erlen wachsen dort. Käufer<br />
können so die <strong>Bioenergie</strong>lieferanten buchstäblich begreifen: Vom<br />
Baum bis zum heizfertigen Holzhackschnitzel. Die Bürger sollen<br />
verstehen, dass es sich um energieträger „aus der region für die region“<br />
handelt. Aufklärungs- und informationsarbeit ist wichtig, weiß<br />
Hofnagel, denn nur wer die Angebotspalette kennt, kann wählen.<br />
„Und auf dem Land hat der Bürger die Wahl“, betont er: Heize ich mit<br />
endlichen rohstoffen wie gas oder Öl? oder steige ich auf nachwachsende,<br />
regionale Energieträger um? „Das kann der Hauseigentümer<br />
auf dem Lande für sich entscheiden, der Mieter <strong>im</strong> städtischen Hochhaus<br />
hingegen nicht“, sagt Hofnagel.<br />
Dabei eignet sich Biomasse auch als Heizmittel für große Wohnlandschaften.<br />
Das beweist das Heilpädagogische Therapie- und Förderzentrum<br />
St. Laurentius in Warburg, eine einrichtung für mehr als<br />
400 Menschen mit Behinderung. Dort wurde bereits die Heizanlage<br />
teilweise auf Hackschnitzel umgestellt. Rund 30 Kilometer entfernt<br />
wird das Holzhackschnitzel-Heizwerk des Nahwärmeverbunds Brakel<br />
betrieben. Davon profitieren he<strong>im</strong>ische Unternehmen sowie benachbarte<br />
Schulen und das Kolpingberufsbildungswerk. in jedem Quartal<br />
wird der aktuelle marktpreis für die energie ermittelt. „Und der preis<br />
ist gegenüber dem der fossilen energieträger wettbewerbsfähig“,<br />
betont Hofnagel. Aus der Region für die Region – das muss also nicht<br />
teuer sein, wenn das netzwerk st<strong>im</strong>mt.<br />
Der Biomassehof soll wesentlich zur erreichung der festgesteckten<br />
Ziele der <strong>Bioenergie</strong>-region beitragen: Das Biomasseaufkommen<br />
und die produktionskapazität will man um 30 prozent steigern, den<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Anteil <strong>im</strong> regionalen Wärmemarkt verdoppeln.<br />
Zu den mitgliedern des entstehenden netzwerks gehören auch<br />
Professoren und Studenten der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Sie<br />
arbeiten an der „effizienzsteigerung von Biogasanlagen“ – sowohl <strong>im</strong><br />
Hightech-Labor des Fachgebiets als auch vor Ort mit den Anlagenbetreibern.<br />
Das ist praxisnaher Wissenstransfer.<br />
Bauernsohn Norbert Hofnagel liebt dieses Land. Er will die Wertschöpfung<br />
und Wirtschaftskraft vor ort halten – so wie schon seine Vorfahren.<br />
„Wir haben große Flächen mit wenig Bevölkerung, aber vielen<br />
Rohstoffen“, sagt Hofnagel und blickt über das grüne Gelände des<br />
Biomassehofs nahe dem Waldrand: „Dieses pfund werden wir nutzen.“<br />
Sandra Wamers, Freie Journalistin, Westhe<strong>im</strong><br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Kulturland Kreis Höxter<br />
Bundesland: Nordrhein-Westfalen<br />
Landkreise: Kreis Höxter<br />
Größe: ca. 1.200 km2 Einwohnerzahl: 149.800<br />
Flächennutzung:<br />
29,4 % Waldfläche, 55,7 % landwirtschaftl. genutzte<br />
Fläche (davon 78 % Ackerland und 21,7 % Grünland)<br />
und 14,9 % sonstige Fläche, wie Gebäude-, Frei-,<br />
Betriebs- oder Verkehrsfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
17 Biogasanlagen, 4 Biomasseheizwerke,<br />
3 Biomasseheizkraftwerke,<br />
insg. 1.617 Holzfeuerstätten<br />
Langfristige Ziele:<br />
Erhöhung des Biomasseaufkommens um 30 %,<br />
Erhöhung der Produktionskapazitäten um 30 %,<br />
Erhöhung der Effizienz aller Verwertungspfade,<br />
Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am<br />
regionalen Wärmemarkt von 20 auf 40 %,<br />
Aufbau eines Biomassenetzwerkes<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Hackschnitzel, Mischpellets<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Opt<strong>im</strong>ierung und Qualifizierung des Anlagenbetriebes<br />
von Biogasanlagen, Biomassereststoffkataster,<br />
Opt<strong>im</strong>ierung von Logistik und Konfektionierung<br />
von Biomasserohstoffen, Energielehrpfad,<br />
Energieanlagenschau, Biomassepotential auf landwirtschaftlichen<br />
Grenzstandorten, Biomassepotential<br />
auf Dauergrünland für energetische Zwecke<br />
nutzen, Wärmekataster für Biogasanlagen, Landschafts-<br />
und Biodiversität be<strong>im</strong> Biomassebau<br />
Ansprechpartner Biomassekoordinator<br />
Name: Alexander Hake<br />
Institution: <strong>Bioenergie</strong>region Kulturland Kreis Höxter<br />
Anschrift: Bohlenweg 3, 33034 Brakel<br />
Tel.: 052 72/35 57 55<br />
Fax: 052 72/10 00<br />
E-Mail: a.hake@mr-hoexter-warburg.com<br />
Homepage: www.bioenergieregion.kreis-hoexter.de<br />
Ansprechpartner Projektleiter<br />
Name: Norbert Hofnagel<br />
Institution: BHD & MR Höxter Warburg e.V.<br />
Anschrift: Bohlenweg 3, 33034 Brakel<br />
Tel.: 052 72/54 02<br />
Fax: 052 72/10 00<br />
E-Mail: norbert.hofnagel@mr-hoexterwarburg.com<br />
Homepage: www.bhd-mr-hoexter.de
38 BIOENERGIEDIALOG OBERBERG RHEINERFT<br />
Holzernte in Oberberg.<br />
Foto: ZeBiO e.V.<br />
Braunkohle-Tagebau <strong>im</strong> Rhein-Erft-Kreis.<br />
Foto: Wikipedia<br />
Rübenernte läuft gut.<br />
Foto: Peter Hensch,<br />
Landwirtschaftskammer NRW<br />
Unterschiedliche Stärken bündeln<br />
<strong>im</strong> ehemaligen Kohle-Land<br />
Zwei räumlich getrennte Teilregionen<br />
tun sich zusammen<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>-region oberberg–rhein-erft ist eine Ausnahme unter<br />
den <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen. in ihr kooperieren 2 teilregionen in<br />
nordrhein-Westfalen, die rund 70 Kilometer auseinander liegen und<br />
deren <strong>Bioenergie</strong>-Voraussetzungen äußerst unterschiedlich sind.<br />
Auf der einen Seite das oberbergische: 70 prozent sind durch Wald-<br />
oder grünlandflächen geprägt, mit entsprechend großen Biomassepotenzialen.<br />
Das thema <strong>Bioenergie</strong> stößt durch die Vorarbeiten des<br />
Vereins Zebio e.V. und vieler lokaler Akteure bereits auf positive<br />
resonanz. Auf der anderen Seite rhein-erft, ein Kreis, in dem fossile<br />
energieträger eine lange tradition haben. <strong>im</strong> rhein-erft-Kreis wird<br />
seit Beginn des 19. Jahrhunderts Braunkohle abgebaut und es existieren<br />
mehrere große gaskraftwerke sowie ein so genanntes ersatzbrennstoff-Kraftwerk,<br />
das z.B. produktionsabfälle verbrennt. es gibt<br />
aber auch Ackerland mit hervorragender Bodenqualität. Zudem sind<br />
zahlreiche Logistik-Unternehmen mit enormem Fachwissen hier behe<strong>im</strong>atet.<br />
<strong>im</strong> Kreis ist es der Verein Biotecrheinerft e.V., der sich für<br />
den <strong>Bioenergie</strong>-Ausbau einsetzt.<br />
Wie soll zwischen diesen beiden unterschiedlichen partnern eine<br />
fruchtbare Zusammenarbeit möglich sein, wird sich mancher fragen?<br />
Doch gerade die Unterschiedlichkeit soll letztlich zu einer<br />
Win-Win-Situation für alle Beteiligten führen. So wird die Logistik-<br />
Kompetenz des rhein-erft-Kreises dafür sorgen, dass die potenziale<br />
<strong>im</strong> oberbergischen besser genutzt und der endverbraucher rascher<br />
zum Umstieg zu bewegen ist. <strong>im</strong> gegenzug will das oberbergische<br />
seine <strong>Bioenergie</strong>-Kompetenz <strong>im</strong> Bereich Holz in das Netzwerk der<br />
39 BIOENERGIEDIALOG OBERBERG RHEINERFT<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region – den so genannten „<strong>Bioenergie</strong>Dialog“ – einfließen<br />
lassen, mit dem Ziel, die Akzeptanz bei Bürgern, Verwaltungen<br />
und Waldbauern zu verbessern. Am ende erhoffen sich beide Seiten<br />
von diesem Wissenstransfer Synergie-effekte, Zeitgewinn und Kostenersparnis.<br />
Auf welche rohstoffe will man setzen? Da in beiden Kreisen die<br />
Wirtschaftlichkeit bei der Biomasse-nutzung priorität hat, sind die<br />
oft kostengünstig anfallenden reststoffe besonders interessant. Als<br />
solche kommen <strong>im</strong> oberbergischen unter anderem restholz aus der<br />
Wald- und Landschaftspflege und <strong>im</strong> rhein-erft-Kreis die nutzung<br />
von Stroh, gartenabfällen und grünschnitt aus der Bewirtschaftung<br />
öffentlicher Flächen in Frage.<br />
Das ende des Bergbaus bringt für die region rhein-erft große Anpassungsprobleme<br />
mit sich, beinhaltet aber auch die Chance zum neubeginn:<br />
in nächster Zeit werden nämlich große Flächen aus dem ehemaligen<br />
tagebau frei, die geradezu prädestiniert für den gezielten<br />
Anbau von Biomasse sind. Landwirten bietet sich hier die möglichkeit,<br />
neben der Herstellung von Nahrungsmitteln zum Energiewirt<br />
zu werden. Das rettet zwar keine Braunkohle-Arbeitsplätze, sichert<br />
und vermehrt aber solche in der Landwirtschaft. Denn die milchbauern<br />
<strong>im</strong> oberbergischen befinden sich genauso in einer wirtschaftlich<br />
schwierigen Lage wie die Zuckerrüben und Vieh-Betriebe <strong>im</strong> rheinerft-Kreis.<br />
in beiden teilregionen sollen zudem neue Jobs in Verarbeitung<br />
und Verteilung von Biomasse und <strong>Bioenergie</strong> entstehen.<br />
Ein Beispiel ist die <strong>im</strong> Februar 2010 neu eingeweihte Holzhackschnitzelanlage<br />
in erftstadt, die künftig über ein nahwärmenetz das Schulzentrum,<br />
die dazugehörigen Sporthallen, grundschule und Kindergarten,<br />
das Freibad und weitere angrenzende gebäude beheizen<br />
wird.<br />
Im Oberbergischen spielt die Holzwirtschaft aufgrund der hohen<br />
Waldholzvorräte eine vorherrschende rolle. Derzeit wird aufgrund<br />
nicht ausgereifter Logistik-Konzepte für die Holzenergie nur etwa<br />
die Hälfte des Waldholz-Zuwachses genutzt. Mit Modellprojekten<br />
versucht der <strong>Bioenergie</strong>Dialog, mobilisierungs- und nutzungsmöglichkeiten<br />
dafür aufzuzeigen. Dazu zählt unter anderem das nahwärmenetz<br />
der energiegenossenschaft Lieberhausen, an das seit 2001<br />
rund 80 Haushalte angeschlossen wurden. Ziel ist es, eine regionale<br />
Wertschöpfungskette zu etablieren, von der neben Land- und Forstwirten<br />
auch regionale Betriebe profitieren.<br />
erneuerbare energien könnten bis 2020 gut <strong>25</strong> prozent des regionalen<br />
energiebedarfs decken. ein ehrgeiziges Ziel, das nur erreichbar<br />
ist, wenn die Akteure ein hohes maß an Kompetenz mitbringen<br />
und ihre Zusammenarbeit weiter verbessern. Schließlich gilt es, die<br />
Überzeugungsarbeit noch stärker zu forcieren, um eine möglichst<br />
wachsende Zahl an menschen mitzunehmen auf dem Weg der energiewende.<br />
Dass dies möglich ist und der fachliche Austausch auch zu<br />
konkreten ergebnissen führt – davon sind die protagonisten <strong>im</strong> oberbergischen<br />
wie <strong>im</strong> rhein-erft-Kreis zutiefst überzeugt.<br />
Bernd Vorländer, Journalist, gummersbach<br />
BioEnergieDialog Oberberg-Rhein-Erft<br />
Bundesland: Nordrhein-Westfalen<br />
Landkreise: Oberbergischer Kreis,<br />
Rhein-Erft-Kreis<br />
Größe: 1.623 km2 Einwohnerzahl: 748.951<br />
Flächennutzung: 27,7 % Wald und 45,5 % Landwirtschaft<br />
davon 26,8 % Acker, 18 % Grünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
3 gr. Biogasanlagen, 3 Deponiegasanlagen,<br />
1 Nahwärmenetz Holzhackschnitzel,<br />
ca. 30 Holzenergieheizanlagen größer 50 kW<br />
Langfristige Ziele:<br />
Nutzung des Biomassepotentials in den Regio nen;<br />
Sicherstellung der Energieversorgung weitestgehend<br />
aus regionaler, regenerativer Energie;<br />
Entwicklung ertragreicher, regionaler Wertschöpfungsketten;<br />
Ausbau der <strong>Bioenergie</strong> und Energieeffizienz;<br />
Kl<strong>im</strong>a- und Umweltschutz; Kompetenzen<br />
austauschen und Vernetzungsvorteile nutzen<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Holzenergie, Biogas, Energieeffizienz<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Logistikkonzept Holzenergie für Oberberg, Biomassekonzept<br />
für Rhein-Erft, regionsübergreifender<br />
Mehrgenerationen-Wissenstransfer, Initiierung<br />
von Leuchtturmprojekten<br />
Ansprechpartnerin Oberberg<br />
Name: Regina Schulte<br />
Institution: ZebiO e.V.<br />
Anschrift: Bunsenstr. 5, 51645 Gummersbach<br />
Tel.: 022 61/81 41 44<br />
Fax: 022 61/81 49 00<br />
E-Mail: info@zebio.de<br />
Homepage: www.zebio.de<br />
Ansprechpartner Rhein-Erft<br />
Name: Markus Becht<br />
Institution: BioTec Rhein-Erft e.V.<br />
Anschrift: Goldenbergstr. 1, 50354 Hürth<br />
Tel.: 022 33/80 48 0<br />
Fax: 022 33/80 48 1<br />
E-Mail: projektbuero@biotec-rhein-erft.de<br />
Homepage: www.biotec-rhein-erft.de
40 BIOENERGIE-REGION EIFEL (KOOP. NRW/RLP)<br />
Steuerungsgruppe der <strong>Bioenergie</strong>-Region.<br />
Schornsteinfeger bei Abgasmessung<br />
an Biomasse-Heizung.<br />
Landschaft bei Mechernich-<br />
Lorbach-Galgennück.<br />
Fotos: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Auf die regionale<br />
Identität kommt es an<br />
Grenzübergreifend auf dem Weg zu<br />
mehr Wertschöpfung<br />
„Die eifel hat ihresgleichen nicht in der Welt“, so schrieb schon<br />
1320 Leopold von Buch. Der geologe meinte damit insbesondere<br />
den Vulkanismus. Doch seine Aussage trifft auch in manch anderer<br />
Beziehung zu. Dazu zählen die vielfältigen Landschaftsformen. Während<br />
der südliche teil der eifel, der zu rheinland-pfalz gehört, einen<br />
Anteil von 48 % landwirtschaftlich genutzter Fläche, davon wiederum<br />
60 % Grünland, aufweist, dominiert <strong>im</strong> nördlichen Bereich der<br />
nordrhein-westfälischen Eifel der Wald mit einem Anteil von 41 %.<br />
Hier Grünland, dort Wald – ein insgesamt hohes Potenzial an Biomasse,<br />
das bisher nur unzureichend genutzt wurde.<br />
Die Strukturschwäche einerseits und die ausgeprägte regionale<br />
identität der menschen andererseits zwangen von je her zum<br />
gemeinsamen Handeln; das spiegelt sich heute noch <strong>im</strong> Zusammenschluss<br />
„Zukunftsinitiative eifel“ und in der Beteiligung am<br />
LeADer-programm wider. Diese Bündnisse führten jetzt auch zu<br />
dem gewählten Zuschnitt der „<strong>Bioenergie</strong>-region eifel“. Für manche<br />
Betrachter eine Besonderheit, da die <strong>Bioenergie</strong>-region eifel teile<br />
von rheinland-pfalz und nordrhein-Westfalen erfasst, nicht jedoch<br />
für die Region selbst. Markus Pesch, seit dem 1. September 2009<br />
netzwerkmanager, umreißt das Vorhaben: „gemeinsamkeit macht<br />
bekanntlich stark; das bewahrheitete sich auch bei den erfolgreichen<br />
entwicklungskonzepten der drei eifeler LeADer-regionen,<br />
bestehend aus den Landes-Aktionsgruppen ‚Bitburg-prüm’ und<br />
41 <strong>Bioenergie</strong>-region EIFEL (KOOP. NRW/RLP)<br />
‚Vulkaneifel’ auf der rheinland-pfälzischen Seite und ‚eifel’ in nordrhein-Westfalen.<br />
Die Zauberformel für unsere region liegt in der<br />
Umsetzung solcher netzwerkorientierten Ansätze. Letztlich wollen<br />
wir mit Hilfe erneuerbarer Energien energietechnisch autark werden.<br />
Schwerpunkte unseres Konzeptes sind die entwicklung von<br />
regionalen Wertschöpfungspartnerschaften in den Bereichen energieholz,<br />
Biogaseffizienz und Biomassehöfe sowie die Vernetzung der<br />
lokalen Akteure und initiativen der eifel, um damit Synergieeffekte<br />
zu erzielen.“<br />
noch mangelt es an Kontakten zwischen den verschiedenen <strong>Bioenergie</strong>-Akteuren,<br />
deren Zahl auf über 100 geschätzt wird. Dementsprechend<br />
fehlt derzeit noch der gesamtüberblick über das vorhandene<br />
<strong>Bioenergie</strong>potenzial; die gemeinsame erschließung neuer Quellen ist<br />
noch Zukunftsmusik.<br />
Handlungsbedarf gibt es aber auch bei der effizienteren Nutzung<br />
bereits bestehender energieanlagen, ohne die die Ziele der region<br />
nicht erreichbar sind. Dies betrifft z.B. die bessere Verwertung der<br />
Abwärme von Biogasanlagen. Als gelungenes Beispiel sieht pesch<br />
die energieversorgung des Klosters Steinfeld, das die Abwärme eines<br />
nahe gelegenen landwirtschaftlichen Betriebes nutzt. es ist aber<br />
nicht nur der Biogasbereich, der weiter gefördert werden soll. Auch<br />
die Wertschöpfungskette der holzartigen Biomasse will man ausbauen.<br />
Ziel sind kleine Holzfabriken, die ebenfalls Biogas-Abwärme<br />
nutzen könnten. So wäre es möglich, Bäume, die in der eifel gefällt<br />
werden, auch in der Eifel zu trocknen, zu Pellets oder Hackschnitzeln<br />
zu verarbeiten und zu verkaufen. Damit wäre dann eine regionale<br />
Wertschöpfung von der produktion bis zum endkunden abgedeckt.<br />
Nun muss Pesch in die Hände spucken. Nicht nur, um das große Netzwerk<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-region eifel auf die Beine zu stellen, sondern<br />
auch, um die flankierenden vielfältigen maßnahmen in die Wege zu<br />
leiten. Zunächst gilt es für ihn und die region, eine aktuelle Bestandsaufnahme<br />
der projekte, initiativen und potenziale vorzunehmen.<br />
Was ist vorhanden, was geplant, welche netzwerke existieren, wo<br />
fehlt es an einer konkreten Unterstützung z. B. durch projekt be gleitende<br />
Studien? geplant ist auch ein jährliches <strong>Bioenergie</strong>-Forum, um<br />
Wissensaustausch zu ermöglichen, sowie die Schaffung regionaler<br />
investitionsmöglichkeiten. „Denkbar wäre zum Beispiel die Beteiligung<br />
der menschen aus der region an der gründung eines energiedorfes<br />
nach dem genossenschaftlichen prinzip“, erklärt pesch.<br />
„Am ende der dreijährigen projektphase“, gibt sich der netzwerkmanager<br />
opt<strong>im</strong>istisch, „wird das thema <strong>Bioenergie</strong> positiv besetzt und<br />
mit funktionierenden Strukturen ausgestattet sein“.<br />
Michael Hamacher, Freier Journalist, Hellenthal<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Eifel<br />
Bundesland: Nordrhein-Westfalen und<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Landkreise: Bernkastel-Wittlich (RLP), Bitburg-<br />
Prüm (RLP), Düren (NRW), Euskirchen (NRW),<br />
Vulkaneifel (RLP), Städteregion Aachen (NRW)<br />
Größe: ca. 4.500 km2 Einwohnerzahl: ca. 370.000<br />
Flächennutzung: ca. 48 % landwirtschaftliche<br />
Fläche (davon 60 % Grünland), ca. 41 % Waldfläche,<br />
ca. 10 % Gebäude- und Verkehrsfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
• ca. 55 Biogasanlagen<br />
• mehrere Energieholzproduzenten<br />
• zahlreiche auf Biomasse basierende Heizanlagen<br />
Langfristige Ziele:<br />
• Entkopplung der Energieversorgung in der<br />
Mittelgebirgsregion-Eifel von nicht-regenerativen<br />
Energieträgern (Mittelfristig: 20 % Steigerung<br />
bis 2020)<br />
• Bündelung der Aktivitäten und Informationen<br />
- zur <strong>Bioenergie</strong>erzeugung/-nutzung<br />
- zum Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
- zum Stoff- und Ressourcenmanagement<br />
• Verstetigung/Erweiterung der regionalen WSK´s<br />
„Biogas“ und „Energieholz“<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Entwicklung und Ausbau der regionalen Wertschöpfungspartnerschaften<br />
in den Bereichen<br />
Energieholz (Pellets, Hackschnitzel, Scheitholz),<br />
Biogaseffizienz (inkl. Abwärmenutzung) und Biomassehöfen.<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
• Gesamträumliche Bestandsaufnahme, hierauf<br />
aufbauend Identifizierung regionaler Leuchtturmprojekte/Ideen/Initiativen<br />
• Installation des Forums <strong>Bioenergie</strong> als Fachveranstaltung<br />
• Installation eines nachhaltig funktionierenden<br />
Netzwerks (Dachmarkenbildung)<br />
• Schaffung regionaler Investitionsmöglichkeiten<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Markus Pesch<br />
Institution: <strong>Bioenergie</strong>region Eifel c/o Naturpark<br />
Nordeifel e.V.<br />
Anschrift: Steinfelder Str. 8, 53947 Nettershe<strong>im</strong><br />
Tel.: 024 86/80 19 22<br />
Fax: 024 86/91 11 16<br />
E-Mail: pesch@bioenergie-eifel.de<br />
Homepage: www.bioenergie-eifel.de
42 naturkraft-region HERSFELD-ROTENBURG/SCHWALM-EDER<br />
Startklar: Mit einem Zertifikat der<br />
naturkraft-region haben diese Teilnehmer<br />
ihre Schulung zum Energiefuchs<br />
abgeschlossen.<br />
Foto: naturkraft-region<br />
Holzhackschnitzel-Container an der<br />
Erich-Kästner-Schule in Homberg/Efze.<br />
Foto: Christian Seeger<br />
Landschaft bei Neuenstein-Obergeis,<br />
hier hat die Geschäftsstelle der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region ihren Sitz.<br />
Foto: Zweckverband Knüllgebiet<br />
Mit 100 regionalen Schritten<br />
zum globalen Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
Die naturkraft-region in Deutschlands<br />
waldreicher Mitte<br />
Ganz gleich, aus welcher H<strong>im</strong>melsrichtung man die geografische<br />
mitte Deutschlands quert, die großen Verkehrsachsen durchschneiden<br />
stets ausgedehnte Waldgebiete einer mittelgebirgslandschaft,<br />
die man naturräumlich als Knüllgebirge und Fulda-Werra-Bergland<br />
bezeichnet. Naheliegend, dass diese Region vom Land Hessen schon<br />
2003 zur „BIOREGIO Holz“ erkoren wurde: In den Landkreisen<br />
Hersfeld-Rotenburg und Schwalm-Eder sollten exemplarisch die<br />
möglichkeiten einer effizienten nutzung des regenerativen energieträgers<br />
Holz ausgelotet werden. Sieben Jahre später können sich die<br />
Erfolge des abgelaufenen Projekts durchaus sehen lassen: In 69 Heizungskellern<br />
kommunaler bzw. kreiseigener einrichtungen haben<br />
hocheffiziente Holzfeuerungs-Anlagen mit bis zu 990 kW Leistung<br />
die alten, kl<strong>im</strong>aschädlichen Öl- und gasbrenner ersetzt – der effekt<br />
fürs Weltkl<strong>im</strong>a: pro Jahr rund 7.000 tonnen Kohlendioxid weniger.<br />
Daneben werden jährlich zur Befeuerung der Anlagen 2.700 tonnen<br />
Pellets sowie über 30.000 Schüttraummeter Holzhackschnitzel aus<br />
der region bereitgestellt – das sichert ca. 15 Arbeitsplätze.<br />
Doch damit ist man noch längst nicht am L<strong>im</strong>it, die region könnte<br />
problemlos weitere mengen energieholz liefern.<br />
in der gesamten „naturkraft-region“, besonders aber <strong>im</strong> Schwalmeder-Kreis<br />
mit seiner fruchtbaren Westhessischen Senke, fallen<br />
außer Holz auch große Mengen Biomasse aus der Landwirtschaft an.<br />
Bislang wurden diese nur zum kleinsten teil energetisch genutzt –<br />
43 naturkraft-region HERSFELD-ROTENBURG/SCHWALM-EDER<br />
lediglich ein Dutzend Biogasanlagen gibt es in der gesamten <strong>Bioenergie</strong>-region.<br />
in letzter Zeit erkennen aber <strong>im</strong>mer mehr Landwirte<br />
eine Zukunftsperspektive in der erzeugung von Strom aus Biogas. in<br />
Zukunft sollen kleine, lokale Lösungen dieser Art mit dem nötigen<br />
Know-how und praktikablen Finanzierungsmodellen vorrangig unterstützt<br />
werden.<br />
in ganz anderen größenordnungen wird dagegen seit Sommer 2009<br />
in Homberg/ Efze Biogas erzeugt: Die derzeit größte Anlage Nordhessens<br />
leistet 1,4 megawatt und speist aufbereitetes gas direkt ins<br />
erdgas-netz ein. Die geglückte Kooperation zwischen den Kasseler<br />
Stadtwerken, dem Kreisbauernverband Schwalm-eder und dem dortigen<br />
maschinenring zeigt deutlich, wie erfolgreich eine Vernetzung<br />
unterschiedlicher Beteiligter sein kann. genau hier wird die „naturkraft-agentur“<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-Region Hersfeld-Rotenburg/Schwalmeder<br />
ansetzen, die <strong>im</strong> Februar 2010 gegründet wurde. Sie initiiert,<br />
koordiniert und vernetzt sämtliche regionalen maßnahmen, initiativen<br />
und Aktivitäten <strong>im</strong> Bereich der <strong>Bioenergie</strong>. neben den repräsentanten<br />
der Landkreise und Kommunen, der Land- und Forstwirtschaft<br />
sowie der energieversorger, ingenieure und Fachberater sind hier<br />
auch interessenvertreter von Vereinen und Verbänden, Finanzinstituten,<br />
Bildungseinrichtungen sowie der regionalen industrie- und<br />
Wirtschaftsunternehmen vertreten. „es geht darum, auf regionaler<br />
ebene eine möglichst breite Bewegung für einen aktiven Beitrag zum<br />
Kl<strong>im</strong>aschutz anzustoßen. Und dazu müssen auch bestehende Vorbehalte<br />
ernst genommen werden“, betont Dr. Brigitte Buhse, geschäftsführerin<br />
des Zweckverbandes Knüllgebiet, der die bewährte Kooperation<br />
der beiden Landkreise auch weiter federführend begleiten<br />
wird. „information und Aufklärung stehen deshalb ganz oben auf der<br />
Agenda.“ erste Aktionen in diese richtung sind bereits angelaufen:<br />
die Ausbildung von „energiefüchsen“. Diese ehrenamtlichen energieexperten<br />
sollen ihr neu erworbenes Wissen in der nachbarschaft<br />
und <strong>im</strong> Bekanntenkreis, bei lokalen Vereinen und Verbänden einbringen,<br />
wenn hier modernisiert, gebaut oder investiert werden soll.<br />
Ziel ist es, rund 100 energiefüchse mit fundierten grundkenntnissen<br />
in Sachen Kl<strong>im</strong>aschutz, Stromeinsparung, Heizung oder Wärmeisolation<br />
auszustatten.<br />
Der erfolg des projektes „naturkraft-region“ wird sich vor allem an<br />
ganz handfesten entwicklungen vor ort bemessen: Werden genügend<br />
privatpersonen und Unternehmer zur erzeugung von Wärme<br />
und Strom in kleine, dezentrale Holzfeuerungs- und Biogasanlagen<br />
investieren und dafür regional erzeugte Biomasse verwenden? Wird<br />
es gelingen, die Wertschöpfungsketten der energieerzeugung zu<br />
einem relevanten teil in die region zurück zu holen? Wenn ja, so<br />
werden die Auswirkungen weit über die unmittelbar entstehenden<br />
Arbeitsplätze hinaus reichen. Die entstandenen Strukturen werden<br />
zu einer „Win-win-Situation“ zwischen dem öffentlichen, privaten<br />
und gewerblichen Bereich führen. Das projekt „naturkraft-region“<br />
bietet den menschen die möglichkeit, sich und ihre region als Vorreiter<br />
einer zukunftsweisenden und beispielhaften Form des Umgangs<br />
mit den natürlichen ressourcen dieser Welt zu definieren.<br />
Eckart Büxel M.A, Freier Redakteur, Bad Hersfeld<br />
Bundesland: Hessen<br />
Landkreise: Landkreis Hersfeld-Rotenburg<br />
Schwalm-Eder-Kreis<br />
Größe: 2.636 km2 naturkraft-region<br />
Hersfeld-Rotenburg/Schwalm-Eder<br />
Einwohnerzahl: 312.269 (Stand 31.12.2007)<br />
Flächennutzung: 46 % Landwirtschaftsfl., davon<br />
72 % Ackerland und<br />
28 % Dauergrünland,<br />
40 % Waldfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
69 Holzfeuerungsanlagen <strong>im</strong> kommunalen Bereich,<br />
868 Holzpelletfeuerungsanlagen, Holzvergaseranlage<br />
mit BHKW als Pilot- und Demonstrationsanlage<br />
<strong>25</strong>0 kWel, mehrere Holzfeuerungsanlagen<br />
<strong>im</strong> gewerblichen Bereich<br />
13 Biogasanlagen, darunter Biogasanlage<br />
mit 1,4 MW und Einspeisung<br />
Langfristige Ziele:<br />
Vollständige Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern<br />
durch den Einsatz von erneuerbaren<br />
Energien bei gleichzeitiger Steigerung der Energieeffizienz<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Ausbau der bereits vorhandenen Wertschöpfungsketten<br />
„Energieholz“ und „Biogas“<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Auf der Basis eines regionalen <strong>Bioenergie</strong>konzeptes<br />
sind Informations- und Kommunikationsmaßnahmen<br />
die tragenden Säulen der naturkraftregion.<br />
Insbesondere die Schulung zum „Energiefuchs“,<br />
die Energiebildung von Kindern und<br />
Ju gendlichen durch qualifizierte Seniortrainer und<br />
die Erarbeitung von Lernkonzepten für Schulen<br />
tragen zur Wissensvermittlung bei. Die intensive<br />
Öffentlichkeitsarbeit setzt auf gute Beispiele, die<br />
in einem dezentralen Informationszentrum gebündelt<br />
sind. Durch die Gründung der naturkraft-agentur<br />
werden die Akteure vernetzt. Alle Maßnahmen<br />
tragen zur Verbesserung der regionalen Wertschöpfung<br />
durch den Einsatz von <strong>Bioenergie</strong> bei.<br />
Ansprechpartnerin<br />
Name: Dr. Brigitte Buhse<br />
Institution: naturkraft-agentur<br />
Anschrift: c/o Zweckverband Knüllgebiet<br />
Raiffeisenstr. 8, 36286 Neuenstein<br />
Tel.: 066 77/91 90 30<br />
Fax: 066 77/91 90 31<br />
E-Mail: info@naturkraft-region.de<br />
Homepage: www.naturkraft-region.de
44 BIOENERGIE-REGION MITTELHESSEN<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Forum Mittelhessen am<br />
9. Juli 2009: Etwa 120 Teilnehmer hören<br />
den Ausführungen von Peter Momper zu.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region Mittelhessen<br />
Interessierte Personen aus der <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Mittelhessen besichtigen eine<br />
Kurzumtriebsplantage der Firma Viessmann<br />
in Allendorf.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region Mittelhessen<br />
Energie statt Kuhweiden<br />
Neue Konzepte für den Strukturwandel<br />
Wälder, Wiesen und Vulkane – die Landschaft der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
mittelhessen hält, was sie verspricht. Wir werden eingeschlossen<br />
in ein sanftes grün, welches uns die gesamte reise durch die rund<br />
2.300 km² große Region nicht mehr verlässt. Dass dieses enorme Potenzial<br />
nicht nur touristisch genutzt werden sollte, liegt dabei auf der<br />
Hand. Wir wollen erfahren, welche Potenziale und Lösungsansätze<br />
die <strong>Bioenergie</strong>-Region bietet und fahren deshalb nach Heuchelhe<strong>im</strong>.<br />
Hier hat die Kl<strong>im</strong>aschutz- und Energieagentur Mittelhessen – kurz:<br />
Kem – ihren Sitz. Das team um geschäftsführer peter momper managt<br />
den Zusammenschluss und ist verantwortlich für die Umsetzung<br />
des dazugehörigen regionalen entwicklungskonzeptes. momper<br />
empfängt uns <strong>im</strong> Kreise der projektbeteiligten, neben der Kem sind<br />
darin auch Vertreter der Landkreise gießen und Vogelsberg sowie<br />
deren regionalentwicklungsorganisationen vertreten. Zusätzlich<br />
wurde das institut für ländliche Strukturforschung (iFLS) mit Sitz in<br />
Frankfurt am main eng in das projekt miteingebunden.<br />
Zufrieden beschreibt momper die erfolgsgeschichte aus der entwicklung<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-region mittelhessen. An den gewinn des<br />
Bundeswettbewerbs und die Übergabe der Urkunde durch Bundesministerin<br />
ilse Aigner erinnert er sich dabei gerne: „Der Wettbewerb<br />
war ein wirklich hartes Stück Arbeit. Wir haben verdient gewonnen,<br />
weil unser Konzept die richtige mischung aus Ökologie, Ökonomie<br />
und sozialer Verantwortung bietet“. Was er mit diesem mix meint,<br />
wird deutlich, wenn man sich die Ziele der region vergegenwärtigt:<br />
Als Hauptziel haben sich die Handelnden den Erhalt der Natur- und<br />
Kulturlandschaft auf die Fahnen geschrieben. mit dem rückgang der<br />
Bevölkerung – der Vogelsbergkreis erwartet bis zum Jahr 20<strong>25</strong> ein<br />
minus von über zwölf prozent – wird auch der Strukturwandel in der<br />
Foto:<br />
<strong>Bioenergie</strong>-<br />
Region Mittelhessen<br />
45 <strong>Bioenergie</strong>-region MITTELHESSEN<br />
Landwirtschaft weiter beschleunigt. Klassische Betriebe verschwinden<br />
und hinterlassen ungenutzte Wiesen und Weiden. trotz der<br />
landschaftsprägenden und damit tourismusfördernden eigenschaften<br />
dieser Flächen fehlte bislang eine wirtschaftlich tragbare perspektive.<br />
„genau hier setzt unser regionales entwicklungskonzept<br />
an. Wir wollen beispielsweise grünschnitt in energie verwandeln“,<br />
erläutert Lorenz Kock vom Amt für den ländlichen raum des Vogelsbergkreises.<br />
Hier gebe es bereits erste konkrete Projekte, die in den<br />
kommenden monaten in Zusammenarbeit gemeinsam mit der Universität<br />
Kassel umgesetzt werden sollen.<br />
Apropos gemeinsam: Das team begreift sich vor allem als netzwerkinitiative<br />
und setzt darauf, alle regionalen Akteure des Handlungsfeldes<br />
nachhaltig und wirtschaftsfördernd miteinander zu vernetzen.<br />
Zusammenarbeit, Forschung, entwicklung und der Aufbau von<br />
Wertschöpfungsketten seien laut momper der Schlüssel zur Zukunft<br />
der region. Zwar gebe es bereits ein großes bioenergetisches potenzial<br />
sowie Know-how in der region, aber die wirkliche Vernetzung<br />
innerhalb solcher Kettensysteme sei lückenhaft oder fehle ganz,<br />
bestätigt auch Dr. Ulrich gehrlein vom Frankfurter iFLS. neben der<br />
logistischen Komponente stehe daher auch die einbindung von<br />
wissenschaftlichen Akteuren mit auf der Agenda. Das größte Wachstumspotenzial<br />
der region liege in der mischung aus Wissenschaft,<br />
praxis und ressourcen. Dafür sei die konsequente Beteiligung der<br />
Bevölkerung von <strong>im</strong>menser Wichtigkeit. „Wir bieten unseren partnern<br />
verschiedene möglichkeiten der partizipation, angefangen von<br />
Arbeitsgruppen bis hin zu <strong>Bioenergie</strong>foren. Dadurch profitieren wir<br />
vom fachlichen input und die teilnehmer erfahren, was ihre Kollegen<br />
gerade erarbeiten. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Vernetzung<br />
und einer unserer Schwerpunkte“, verdeutlicht Kem-mitarbeiterin<br />
Anette Kurth den Beteiligungsprozess. Alleine das letzte <strong>Bioenergie</strong>forum<br />
wurde von mehr als einhundert interessierten besucht.<br />
eine zukünftige rolle für die Bevölkerung sieht momper nicht nur als<br />
Abnehmer, sondern auch in der regionalen energieproduktion: „Die<br />
mitbürger sollen sich auch monetär an energieprojekten beteiligen.<br />
Ziel muss es sein, dass die menschen nach und nach zu ihren eigenen<br />
energieversorgern werden“. mindestens zwei <strong>Bioenergie</strong>dörfer sollen<br />
auf diese Weise entstehen und sich <strong>im</strong> rahmen des Dorferneuerungsprogramms<br />
aus Bürgerkapital finanzieren. „Finanziell rechnet<br />
sich die investition in <strong>Bioenergie</strong> schon lange und das müssen wir in<br />
die Köpfe der menschen kriegen“, schlussfolgert momper. „<strong>im</strong>merhin<br />
haben wir uns vorgenommen, mindestens 500 neue Arbeitsplätze in<br />
den kommenden Jahren zu schaffen – da brauchen wir jede Unterstützung!“<br />
Dennis pucher, redakteur, gießen<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Mittelhessen<br />
Bundesland: Hessen<br />
Landkreise: Landkreis Gießen und<br />
Vogelsbergkreis<br />
Größe: 2.400 km2 Einwohnerzahl: 340.549<br />
Flächennutzung: 37 % Wald<br />
49 % Landwirtschaft, davon<br />
56 % Ackerland<br />
44 % Dauergrünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
4 Biogasanlagen,<br />
14 Holzhackschnitzelanlagen (HHS-Heizwerke),<br />
7 Pelletheizungen (Pelletsanlagen) in öffentlichen<br />
oder kommunalen Gebäuden.<br />
Langfristige Ziele:<br />
Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft; Abst<strong>im</strong>mung<br />
mit Energieeffizienzstrategien; Vernetzung<br />
und Nutzung regionaler Wissens-, Technik- und<br />
Biomassepotenziale <strong>im</strong> Sinne der Nachhaltigkeit;<br />
Entwicklung regionaler Stoffkreisläufe, Erhöhung<br />
regionaler Wertschöpfung und Schaffung zukunftsfähiger<br />
Arbeitsplätze; Verwirklichung innovativer<br />
Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Grünlandaufwuchs, Integration von<br />
FuE-Vorhaben<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
• Hydrothermale Karbonisierung: Herstellung von<br />
Naturkohle aus Biomasse unter Nutzung der entstehenden<br />
Abwärme<br />
• Energie-Effizienz-Dörfer<br />
• Vorhabensgemeinschaften/Bürgergesellschaften<br />
• „Modellprojekt KUP“<br />
• Ausbau der <strong>Bioenergie</strong>nutzung in Kommunen<br />
• Kampagne zur Bewusstseinsbildung<br />
• Wanderausstellung<br />
• Vortragsreihe<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Name: Peter Momper, Anette Kurth<br />
Institution: Kl<strong>im</strong>aschutz- und Energieagentur<br />
Mittelhessen<br />
Anschrift: Ludwig-Rinn-Str. 14-16<br />
Tel.: 06 41/9 69 85-10<br />
Fax: 06 41/9 69 85-28<br />
E-Mail: info@bioenergie-regionmittelhessen.de<br />
Homepage: www.bioenergie-regionmittelhessen.de
46 BIOENERGIE-REGION JENA-SAALE-HOLZLAND<br />
Ina John, die Projektleiterin der <strong>Bioenergie</strong>region,<br />
am Thüringen-Stand auf der<br />
Internationalen Grünen Woche 2010.<br />
Mit dem von Projektmanager Ronny Kilian<br />
entwickelten „Energie-Fahrrad“ konnten<br />
die Besucher eine virtuelle Radtour auf<br />
dem geplanten „Erneuerbare-Energien-<br />
Radweg“ unternehmen.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-<strong>Regionen</strong><br />
Biomasse-Heizkraftwerk Schkölen.<br />
Foto: RAG e.V./Tourismusverband<br />
Saaleland<br />
Eisenberger Mühltal.<br />
Foto: RAG e.V./Tourismusverband Saaleland/Bock<br />
Leuchtturm <strong>im</strong> Saaleland<br />
Die Region Jena-Saale-Holzland stellt sich<br />
dem Wandel<br />
Am mittellauf der Saale liegt die traditionsreiche Universitätsstadt<br />
Jena, umrahmt vom Saale-Holzland <strong>im</strong> östlichen Teil Thüringens.<br />
Den besonderen Reiz der <strong>Bioenergie</strong>-Region Jena-Saale-Holzland<br />
macht die Kombination aus dem Hochtechnologiestandort Jena und<br />
dem stark land- und forstwirtschaftlich geprägten Landkreis aus.<br />
<strong>im</strong> nordosten der region überwiegt die ackerbauliche nutzung auf<br />
nährstoffreichen Böden, während <strong>im</strong> Südosten große Waldflächen<br />
dominieren. Überregional bekannt ist das Naturschutzgroßprojekt<br />
„orchideenregion Jena-muschelkalkhänge mittleres Saaletal“.<br />
Vernetzung ist seit langem eine der Antworten des Saale-Holzlandes<br />
auf die Herausforderungen, die der demographische Wandel <strong>im</strong><br />
ländlichen raum erfordert. Schon vor dem Start der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
existierten verschiedene netzwerke wie die Standortinitiative<br />
„JenArea21“, die gemeinsame Dachmarke „thüringer Saaleland“<br />
oder die regionale Aktionsgruppe e. V. (rAg). „Darüber hinaus<br />
verfügt die region mit der thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft<br />
(TLL), der <strong>Bioenergie</strong>beratung Thüringen (BIOBETH) und den<br />
Stadtwerken Jena-pößneck über eine geballte Kompetenz in Sachen<br />
<strong>Bioenergie</strong>. Zusammen mit den leistungsfähigen Landwirtschaftsbetrieben<br />
können wir nahezu die gesamte Wertschöpfungskette <strong>im</strong> <strong>Bioenergie</strong>bereich<br />
darstellen,“ erklärt ina John, netzwerkmanagerin der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region. Und funktionierende Strukturen sind notwendig,<br />
um die ambitionierten Ziele zu erreichen. 30 % des Strom- und Wär-<br />
Holzplatz in<br />
Schkölen.<br />
Foto: RAG e.V./<br />
Tourismusver-<br />
band Saaleland<br />
47 <strong>Bioenergie</strong>-region JENA-SAALE-HOLZLAND<br />
mebedarfes sollen bis zum Jahr 2020 durch die <strong>Bioenergie</strong> abgedeckt<br />
werden, d. h. eine Verdopplung der aktuellen Nutzung, zudem 75 %<br />
des Kraftstoffbedarfes der ansässigen Landwirtschaft.<br />
ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung ist das kaum zu erreichen.<br />
Bildungsangebote und Öffentlichkeitsarbeit haben deshalb<br />
einen hohen Stellenwert in der <strong>Bioenergie</strong>-region. innovatives Denken<br />
für erneuerbare energien, kurz iDee, ein in Kooperation mit dem<br />
Schulamt durchgeführter Schülerwettbewerb ist ein Beispiel hierfür,<br />
ein <strong>Bioenergie</strong>lehrpfad für radtouristen ein weiteres.<br />
Wie man Stroh zwar nicht zu gold spinnen, aber doch in wertvolle<br />
energie verwandeln kann, das wurde in Deutschland bislang vor allem<br />
<strong>im</strong> Raum der <strong>Bioenergie</strong>-Region Jena-Saale-Holzland erforscht.<br />
Seit 15 Jahren beschäftigt sich die tLL mit diesem thema. in einem<br />
aktuellen projekt untersucht sie zum Beispiel, wie groß die Strohmenge<br />
ist, die man für die <strong>Bioenergie</strong>gewinnung nutzen kann, ohne<br />
die Humusbilanz zu gefährden. Denn ein Teil des Strohs muss wieder<br />
untergepflügt werden, um den Boden mit nährstoffen zu versorgen.<br />
Am ende will die region auf Basis dieser Studie die Standort-entscheidung<br />
für ein Heizkraftwerk fällen, das Stroh verfeuert.<br />
nicht nur der reststoff Stroh wird zum energielieferant, auch die<br />
palette der angebauten energiepflanzen soll sich erweitern, wenn es<br />
nach den Vorstellungen der thüringer geht. es muss ja nicht <strong>im</strong>mer<br />
mais und raps sein. Bislang weitgehend unbekannte pflanzen, wie<br />
die mehrjährige Durchwachsene Silphie, bieten große potenziale,<br />
ebenso reihen aus schnellwachsenden Baumarten auf dem Acker, in<br />
der Fachsprache Agroforstsysteme genannt.<br />
Die kombinierte Nutzung von Biogas und Holzhackschnitzeln ist<br />
die meist gewählte Variante in so genannten <strong>Bioenergie</strong>dörfern, die<br />
den großteil ihres Wärme- und Strombedarfs aus eigener Biomasse<br />
erzeugen. Ziel der <strong>Bioenergie</strong>-region ist es, möglichst viele solcher<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfer auf ihrem gebiet zu initiieren, den Anfang macht<br />
die gemeinde Schlöben.<br />
An diesem Beispiel wird das langfristige Ziel der region deutlich, die<br />
Unabhängigkeit von fossilen ressourcen. ein entsprechendes Leitbild<br />
Energie soll dafür die Grundlagen schaffen. 100 % Erneuerbare Energien,<br />
d. h. die konsequente Ausnutzung der potenziale verbunden mit<br />
einem Höchstmaß an Effizienz unter Ausschöpfung aller Einsparpotenziale,<br />
lautet die Vision für den ländlichen raum. ein geeignetes<br />
energiemanagement, das neben der erzeugung zukünftig auch den<br />
Strombedarf steuert, ist dafür unerlässlich. Die 100 %-Vision will man<br />
zunächst <strong>im</strong> kleinen maßstab auf dem rittergut nickelsdorf erproben.<br />
Hier soll als erstes das Leitmotiv der Region mit Leben erfüllt<br />
werden: „Autark macht stark!“<br />
Denis Peisker, Leiter <strong>Bioenergie</strong>beratung Thüringen (BIOBETH)<br />
Bundesland: Thüringen<br />
Landkreise: Jena/Saale-Holzland-Kreis<br />
(95 Gemeinden, 9 Städte)<br />
Größe: 931 km2 (114 km2 Bereich Jena,<br />
817 km2 <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Jena-Saale-Holzland<br />
SHK)<br />
Einwohnerzahl: 191.700 (102.750 Bereich Jena,<br />
88.950 SHK)<br />
Flächennutzung: 51 % landwirtschaftliche Nutzfläche,<br />
35 % forstwirtschaftliche Nutzfläche, Ackerbau<br />
<strong>im</strong> Nordosten, Waldflächen <strong>im</strong> Südosten (Holzland),<br />
Saaletal (mittleres Saaletal) <strong>im</strong> Westen<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
9 Biogasstandorte mit 11 Biogasanlagen,<br />
4 Holzhackschnitzelheizkraftwerke derzeit <strong>25</strong>MW<br />
Langfristige Ziele: Ziele 2020:<br />
• Anteil der <strong>Bioenergie</strong> am Strommix von 15 % auf<br />
30 % verdoppeln<br />
• Anteil der <strong>Bioenergie</strong> bei der Wärmeerzeugung<br />
von 16 % auf 30 % erhöhen<br />
• Biokraftstoffanteil in der Landwirtschaft auf 75 %<br />
steigern<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung: Holz, Stroh, Energiepflanzen,<br />
Grünschnitt, Bioabfälle<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
1. Netzwerk Schaffung dauerhafter Netzwerkstruktur<br />
zur Nutzung der Synergien der Akteure<br />
2. Akzeptanz intensive/offensive Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Qualifizierung & Weiterbildung, Zusammenarbeit<br />
mit Schulen, Aufbau einer Plattform für<br />
Kommunikation und Wissenstransfer<br />
3. Leitprojekte<br />
• Energiepflanzenforschung geht in die Praxis<br />
• Effizienzsteigung von Biomasseanlagen<br />
• Umsetzung des „<strong>Bioenergie</strong>dorfes Schlöben“<br />
• Thermische Nutzung halmgutartiger Biomasse<br />
• Umstellung Erdgas-BHKW auf Biogas<br />
4. Innovation/F&E<br />
• Eruierung eines KWK-Standortes auf Basis Stroh<br />
• Kaskadennutzung von Biomasse<br />
• stetiger Ausbau der Erneuerbare Energie<br />
Ansprechpartner/-in<br />
Name: Ina John, Ronny Kilian,<br />
Thomas Winkelmann<br />
Institution: Regionale Aktionsgruppe<br />
Jena Saale-Holzland e.V.<br />
Anschrift: Nickelsdorf 1, 07619 Crossen<br />
Tel.: +49 (0)366 93/2 30 9 - 0/ 44/ 45<br />
Fax: +49 (0)366 93/2 30 79<br />
E-Mail: i.john@laendlichekerne.de<br />
r.kilian@bioenergie-region.de<br />
Th.Winkelmann@bioenergie-region.de<br />
Homepage: www.bioenergie-region.de
48 BIOENERGIE-REGION THÜRINGER VOGTLAND<br />
Die Durchwachsene Silphie, eine neue<br />
Energiepflanze.<br />
Foto: Ilka Plötner/FNR<br />
Peter Kunzelmann <strong>im</strong> Hanffeld der Pahren<br />
Agrar GmbH: Der Anbau von Faserpflanzen<br />
hat in der <strong>Bioenergie</strong>-Region lange<br />
Tradition. Hanfpflanzen werden zu Hanffasern<br />
verarbeitet, welche das Ausgangsprodukt<br />
für Dämmstoffe sind.<br />
Foto: Dr. Jürgen Paulitz<br />
Das schöne Elstertal.<br />
Foto: Regionalmanagement<br />
der Region Greiz<br />
Kräfte bündeln<br />
Neue Kooperationen in der <strong>Bioenergie</strong>region<br />
„Thüringer Vogtland“<br />
Bewaldete Hügelkuppen, Flusstäler mit engen Felsdurchbrüchen,<br />
weite Auen und sanfte Hochflächen: Das Thüringer Vogtland – eine<br />
Mittelgebirgs- und Hügellandschaft – fasziniert dank seiner Topografie<br />
und seiner einzigartigen Kulturlandschaft. traditionell dominieren<br />
Forstwirtschaft und tierhaltung auf den nur mäßig ertragreichen<br />
Schieferverwitterungsböden in den Landkreisen Saale-orla und<br />
greiz. „Wir sind kein Superstandort“, räumt Dr. Albrecht Broßmann,<br />
Vorsitzender der Pahren Agrar GmbH, ohne Umschweife ein. Dennoch<br />
belegt das thüringer Vogtland landwirtschaftliche Spitzenplätze.<br />
in den Ställen der Agrargenossenschaften niederpöllnitz, Linda<br />
oder Rüdersdorf beispielsweise befinden sich die besten Hochleistungs-milchkühe<br />
Deutschlands. mit ihrem Dung werden nicht nur<br />
die Böden mit wertvollem Humus versorgt, zahlreiche Biogasanlagen<br />
wandeln die gülle inzwischen auch in Strom und Wärme um. Zudem<br />
wachsen derzeit auf rund einem Fünftel der Ackerflächen der beiden<br />
Landkreise nachwachsende rohstoffe. <strong>im</strong> oberland, dem thüringer<br />
Schiefergebirge, dominiert hingegen die Forstwirtschaft. nicht ohne<br />
grund steht in Blankenstein mit der Zellstoff- und papierfabrik<br />
Rosen thal GmbH (ZPR) eines der modernsten Zellstoffwerke Europas;<br />
in Saalburg-ebersdorf wiederum investierte die Klausner-gruppe<br />
hunderte millionen euro in ein Sägewerk: Schließlich findet sich der<br />
begehrte Rohstoff Holz sozusagen vor der Tür, 34 Prozent der Region<br />
sind bewaldet.<br />
49 <strong>Bioenergie</strong>-region THÜRINGER VOGTLAND<br />
Die Pahren Agrar GmbH ist ein innovativer Landwirtschaftsbetrieb,<br />
sie exper<strong>im</strong>entiert mit neuen energiepflanzen jenseits des etablierten<br />
Raps oder Mais. Auf einer Fläche von einem Hektar haben die<br />
pahrener die „Durchwachsene Silphie“ angebaut. Das ca. zehn Jahre<br />
lang erntbare Korbblütler-gewächs könnte auf den steinigen Böden<br />
in der region eines tages nicht nur den maisanbau ersetzen, sondern<br />
sich als kostengünstige pflanze sogar nachhaltig auf den <strong>Bioenergie</strong>-<br />
Bezugspreis auswirken.<br />
neue energiepflanzen sind eines der Schwerpunktthemen der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
thüringer Vogtland. ein anderes beschreibt Jürgen<br />
Kepke, geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft ostthüringen<br />
mbH und Manager der <strong>Bioenergie</strong>-Region: Biogasanlagen und<br />
Hackschnitzel-Heizwerke sollen sich künftig zusammen tun. Läuft<br />
alles nach plan, liefert zum Beispiel die Biogasanlage der Agrar e.g.<br />
rothenacker ihr Biogas künftig über eine 3,7 Kilometer lange Leitung<br />
an das Holzhackschnitzel-Heizwerk der Fernwärme Tanna GmbH. Die<br />
grundlast für die Fernwärmeversorgung von tanna stellt dann künftig<br />
ein mit Biogas betriebenes Blockheizkraftwerk sicher, während<br />
der Hackschnitzel-Brenner nur noch bei Spitzenzeiten zugeschaltet<br />
wird. Die Abwärme der Biogas-Anlage lässt sich so deutlich effizienter<br />
nutzen, die Kooperation ist für beide Seiten wirtschaftlicher als<br />
die jetzige Lösung.<br />
Auch in niederpöllnitz rückt die Wärme-Versorgung von 150 Wohneinheiten<br />
nebst gemeinde-objekten durch ein noch zu bauendes<br />
Holzhackschnitzel-Blockheizkraftwerk in greifbare Nähe. Die Agrargenossenschaft<br />
niederpöllnitz legte dafür bereits auf einer Fläche<br />
von vier Hektar eine Plantage mit schnell wachsenden Pappelarten<br />
an.<br />
Ziel in der Endstufe ist der Anbau von Energieholz auf ca. 35 - 40 Hektar.<br />
Die Bäume können 20 Jahre lang alle drei Jahre beerntet werden,<br />
auch ist dies eine neue Form des energiepflanzen-Anbaus.<br />
Broßmann und auch Kepke sehen in diesen beiden projekten nur den<br />
Beginn der Vernetzung. Bis 2020 will sich die region thüringer Vogtland,<br />
in der auf rund 2.000 Quadratkilomtern rund 204.000 menschen<br />
leben, komplett aus erneuerbaren energien versorgen.<br />
Frank Kalla, redakteur, gera<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Thüringer Vogtland<br />
Bundesland: Thüringen<br />
Landkreise: Greiz, Saale-Orla-Kreis<br />
Größe: 1991 km2 Einwohnerzahl: 203.592<br />
Flächennutzung: 34 % Wald<br />
49 % Landwirtschaftsfl., davon<br />
78 % Acker und<br />
22 % Grünland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
21 Biogasanlagen,<br />
1.717 kl. Biomasseanlagen,<br />
3 Kraftstoff/Ölmühle<br />
Langfristige Ziele:<br />
100 % Erneuerbare Energieversorgung durch Energieeinsparungen,<br />
technische Innovationen und<br />
einem intelligenten Mix. In einigen Gemeinden<br />
und Unternehmen ist das Ziel bereits erreicht!<br />
Initiierung/Umsetzung von 7 <strong>Bioenergie</strong>dörfern,<br />
4 innovativen <strong>Bioenergie</strong>anlagen, 4 Nahwärmenetzen,<br />
5 Forschungsvorhaben<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Holz, biogene Reststoffe, Kraftstoffe,<br />
Nachwachsende Rohstoffe zur Wärmedämmung<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
1. <strong>Bioenergie</strong> als Kernstück der regionalen<br />
Eigenversorgung (Strom, Wärme, Treibstoff) in<br />
Verbindung mit einem Strukturwandel der<br />
Energienutzung und -einsparung durch Unternehmen,<br />
Kommunen und Bürger<br />
2. Nutzung der vorhandenen Investitionen in Biodiesel-<br />
und Biogasanlagen der ersten Generation<br />
welche durch eine ständige Verbesserung<br />
der Wirtschaftlichkeit weiterhin genutzt<br />
werden sollen<br />
3. Weiterentwicklung von Wertschöpfungsketten,<br />
durch die Initiierung und Begleitung von<br />
12 investiven Pilotprojekten.<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Herr Dr. Albrecht Broßmann<br />
Institution: Pahren Agrar Verw. u. Verm. GmbH &<br />
Co. Prod. KG/BTV<br />
Anschrift: Pahren, Hainweg 11,<br />
07937 Zeulenroda-Triebes<br />
Tel.: 03 66 28/69 80<br />
Fax: 03 66 28/69 817<br />
E-Mail: schulz@pahren-agrar.de<br />
Homepage: www.bioenergieregion-thüringervogtland.de
50 BIOENERGIE-REGION SäCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE<br />
Energiewälder von Kerstin Böhme werden<br />
von Schafen gepflegt: Shropshire-Schafe<br />
fressen das Gras ab und verschonen dabei<br />
Energieholz wie Pappeln.<br />
Foto: Lutz Weidler/Abdruck mit<br />
freundlicher Genehmigung von ENSO<br />
Regionale Auftaktveranstaltung<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region am 29.10.2009.<br />
Foto: Burkhard Zschau<br />
Foto: Frank Richter, Bad Schandau/<br />
Tourismusverband Sächsische Schweiz-<br />
Osterzgebirge<br />
Mit Wir-Gefühl<br />
<strong>Bioenergie</strong> – das verbindende Element<br />
in Sachsens Süden<br />
Von den Sachsen heißt es, sie seien „helle“. „Für uns ist das ein wichtiger<br />
punkt: Die mentalität der menschen st<strong>im</strong>mt“, meint Dr. Uwe mixdorf.<br />
mut und Kreativität seien gefragt, vor allem aber – Wir-gefühl.<br />
mixdorf ist zuversichtlich, dieses gefühl in der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
Sächsische Schweiz-osterzgebirge wecken zu können. „es gibt ein<br />
engagiertes Kernteam, das sich seit Jahren mit erneuerbaren energien<br />
beschäftigt“, sagt er. es werde nicht lange dauern, bis sich diesem<br />
team weitere menschen anschließen. Dafür werde schon der sprichwörtliche<br />
wache Verstand der Sachsen sorgen. „Die Leute merken,<br />
dass <strong>Bioenergie</strong> der region zu wirtschaftlicher prosperität verhelfen<br />
kann“, ist mixdorf überzeugt.<br />
Uwe mixdorf bildet gemeinsam mit dem projektleiter Burkhard<br />
Zschau das regionalmanagement der <strong>Bioenergie</strong>-region Sächsische<br />
Schweiz-osterzgebirge, die südlich von Dresden beginnt und sich bis<br />
zur tschechischen grenze erstreckt. Zu den Akteuren in der region,<br />
die sich schon seit Jahren mit dem thema beschäftigen, zählen Vereine<br />
wie der „Landschaf(f)t Zukunft e.V.“, der träger des projektes <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
ist, aber auch die Wirtschaftsförderung des Landkreises<br />
Sächsische Schweiz-osterzgebirge, der energietisch Altenberg<br />
e.V. oder interessierte privatpersonen. „es gibt Strukturen“, befindet<br />
Zschau, „aber es fehlt noch der entscheidende Schritt hin zum funktionierenden<br />
netzwerk.“<br />
noch wird auch das erhebliche Biomasse-potenzial in der ländlich<br />
geprägten region zu wenig genutzt. ein erster wichtiger Schritt ist es<br />
daher, zu analysieren, warum dies so ist. „Kooperationen anzustoßen,<br />
wird hier eine große rolle spielen“, so mixdorf. erste partner haben<br />
51 <strong>Bioenergie</strong>-region SäCHSISCHE SCHWEIZ-OSTERZGEBIRGE<br />
sich bereits zusammen gefunden: Die Biogasanlage in reinhardtsdorf<br />
wird künftig Wärme zur Trocknung von Holzhackschnitzeln<br />
liefern, welche wiederum zur Wärmeerzeugung in der grundschule<br />
von papstdorf eingesetzt werden können.<br />
Zschau benennt als eine weitere wichtige netzwerk-Aufgabe, technische<br />
Lösungen aufzuzeigen. etwa, wie Biogas als Kraftstoff für Fahrzeuge<br />
Verwendung finden und auf diese Weise ein höheres maß an<br />
Wertschöpfung in der region verbleiben kann.<br />
Auch die Verwertung von biogenen Abfällen und reststoffen wollen<br />
die Akteure in der <strong>Bioenergie</strong>-region prüfen. „ein großer teil unseres<br />
territoriums wird von naturschutzgebieten und dem nationalpark<br />
Sächsische Schweiz bedeckt“, verdeutlicht Zschau. Das potenzial,<br />
energiepflanzen anzubauen, sei daher sehr beschränkt. Deshalb denke<br />
man auch darüber nach, Landschaftspflegematerial zu verwerten.<br />
„eine besondere Kulturlandschaft stellt besondere Ansprüche“, sagt<br />
mixdorf. „Wir suchen Lösungen, die zu unserer region passen.“ Dazu<br />
zählt es auch, den Bedarf an elektrischer und thermischer energie zu<br />
ermitteln und Schlussfolgerungen zu ziehen, wo man welche energieträger<br />
effizienter einsetzen kann. eine solche Analyse ist Anfang<br />
2010 begonnen worden. „Wir reduzieren uns dabei nicht nur auf<br />
<strong>Bioenergie</strong>“, betont Zschau. „Wo es möglich ist, sollen in gemeinsamer<br />
Betrachtung mit energieeffizienzmaßnahmen ökonomisch und<br />
ökologisch sinnvolle <strong>Bioenergie</strong>-projekte auch mit anderen regenerativen<br />
energiequellen gekoppelt werden.“ Die konkreten projekte<br />
und Anlagen will man später mit Unterstützung einer regionalen<br />
energieagentur umsetzen und <strong>im</strong> Sinne eines monitorings betreuen.<br />
ihr Aufbau ist eines der zentralen projekte des <strong>Bioenergie</strong>-netzwerkes.<br />
Derzeit analysieren die netzwerker die Aufgabenfelder und die<br />
möglichen träger- und Finanzierungsalternativen. Aufgrund der Finanzsituation<br />
in den Kommunen und <strong>im</strong> Landkreis zeichnet sich eine<br />
privatwirtschaftliche trägerschaft ab.<br />
Dass sie vor keiner leichten Aufgabe stehen, ist den beiden netzwerkmanagern<br />
klar. man kämpfe an etlichen Fronten, meint mixdorf.<br />
Beispiel Forstwirtschaft: ein großer teil der hiesigen Waldflächen ist<br />
in unzählige nur wenige Hektar kleine Parzellen aufgesplittert, die<br />
privaten Eigentümern gehören. Das Holz-Potenzial für die energetische<br />
nutzung ist riesig. „Aber zunächst müssen wir eine Vielzahl von<br />
Interessen unter einen Hut bringen“, verdeutlicht der promovierte<br />
Forstwissenschaftler. Die vorhandenen Forstbetriebsgemeinschaften<br />
in der region werden dabei als wichtiger Schlüssel gesehen. in ersten<br />
Gesprächen wurde signalisiert, den Aufbau einer Holzhackschnitzel-<br />
Wertschöpfungskette zu forcieren.<br />
An Zuversicht mangelt es weder mixdorf noch Zschau: „Wir kennen<br />
die Schwierigkeiten und Hemmnisse“, sagen sie. „Aber wir wollen sie<br />
als Herausforderungen betrachten, die wir gemeinsam lösen werden.“<br />
Karsten Bär, Freier Journalist, Bad Liebenwerda<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Sächsische Schweiz-Osterzgebirge<br />
Bundesland: Sachsen<br />
Landkreise: Landkreis Sächsische Schweiz-<br />
Osterzgebirge<br />
Größe: 1.654 km2 Einwohnerzahl: <strong>25</strong>7.655<br />
Flächennutzung: 9 % Siedlungs- und Verkehrsfläche,<br />
36 % Waldfläche, 53 % Landwirtschaftsfläche,<br />
davon 65 % als Ackerland, 33 % als Dauergrünland<br />
und 2 % für Dauerkulturen<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
10 Biogasanlagen, 23 Biomasseanlagen (BHW/<br />
BHKW) auf Basis fester Energieträger (Holz) und<br />
geschätzte 10.000 Kleinfeuerungsanlagen <strong>im</strong> Bereich<br />
Scheitholz und Holzpellets<br />
Langfristige Ziele:<br />
Energiestrategie 2020 – Ausbau des Anteils Erneuerbarer<br />
Energieträger gegenüber dem Stand von<br />
2008 in den Bereichen:<br />
Wärme von 8 % auf 17 %,<br />
Strom von 7,5 % auf 35 %,<br />
Kraftstoff/Mobilität von 0 % auf 17 %,<br />
Gesamt von 4,12 % auf 18,4 %<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
unternehmensorientierte Netzwerke Biogas und<br />
Energieholz<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Aufbau und Etablierung einer regionalen, privatwirtschaftlich<br />
geführten Energieagentur;<br />
Internet-Plattform <strong>Bioenergie</strong> (Biomassepool);<br />
Entwicklung eines regionalen und branchenoffenen<br />
Clusters; Kommunale <strong>Bioenergie</strong>projekte:<br />
Nahwärmenetz mit BHKW & Pelletanlage (Stadt<br />
Königstein), Begleitung Biogasanlage mit Wärmenutzung<br />
<strong>im</strong> Freizeitbad (Neustadt/Sa.),<br />
Ansiedlung Pelletproduzent (Pirna),<br />
Wärmecontractinganlagen;<br />
Beratung zur Be<strong>im</strong>engung von Landschaftspflegematerial<br />
in Biogasanlagen<br />
Anbau und der Verwendung von Kurzumtriebsholz<br />
in einem Öko-Landwirtschaftsbetrieb<br />
Imagekampagne „<strong>Bioenergie</strong> – Kopf des Monats“<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Burkhard Zschau<br />
Institution: ERN – Energie-Ressourcen-Netzwerk<br />
GmbH<br />
Anschrift: Am Sauberg 1,<br />
09427 Ehrenfriedersdorf<br />
Tel.: 03 73 41/4 85 60<br />
Fax: 03 73 41/4 85 69<br />
E-Mail: info@ern-gmbh.com<br />
Homepage: www.bioenergienetzwerk.net
52 BIOENERGIE-REGION COCHEM-ZELL<br />
Kinder-Kl<strong>im</strong>aschutzkonferenz.<br />
Foto: Kreisverwaltung Cochem-Zell<br />
Das Gymnasium in Cochem heizt<br />
mit Holzhackschnitzeln.<br />
Foto: Kreisverwaltung Cochem-Zell<br />
Moselschleife bei Bremm.<br />
Foto: Kreisverwaltung Cochem-Zell<br />
<strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
zwischen Weinbergen<br />
Cochem-Zell will schlummernde<br />
Potenziale wecken<br />
malerisch fließt die mosel durch das enge tal. Vorbei an Weinbergen,<br />
vorbei an Dörfern und kleinen Städten, die sich mit ihren Häusern an<br />
die Steilhänge schmiegen. Zahlreiche maler haben dies auf die Leinwand<br />
gebracht, viele Dichter es beschrieben. es ist dieses Bild, das<br />
Jahr für Jahr über 500.000 touristen an die mosel lockt.<br />
Doch nun sorgt der Kreis Cochem-Zell auch be<strong>im</strong> Umwelt- und Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
für Aufsehen. Seit Jahren wird hier auf regenerative energien<br />
gesetzt. Schon heute erzeugt die region mit ihren knapp 65.000<br />
ein wohnern mehr Strom aus erneuerbaren energien, als sie selbst<br />
verbraucht. rund dreizehn prozent des regenerativen Stroms stammt<br />
dabei aus Biomasse, während der Löwenanteil aus Wasserkraft<br />
kommt. Vom Wärmebedarf kann Biomasse 12 prozent bereitstellen.<br />
Dies alles soll in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden.<br />
„Das Biomassepotenzial an der Mosel, in der Eifel und <strong>im</strong> Hunsrück<br />
ist enorm hoch, aber es wird heute noch zu 80 prozent nicht genutzt“,<br />
sagt Landrat manfred Schnur. „Dabei führt die nutzung der <strong>Bioenergie</strong><br />
zu mehr regionaler Wertschöpfung in der region“, ist er sich<br />
sicher. „Biomasse ist ein Angebot an die Landwirtschaft und ein wichtiger<br />
Beitrag zur Unterstützung der Betriebe.“<br />
53 <strong>Bioenergie</strong>-region COCHEM-ZELL<br />
Denn auf dem umkämpften Agrarmarkt mit den stark schwankenden<br />
milch-, getreide- und Fleischpreisen haben es die Landwirte derzeit<br />
nicht leicht. Der Strukturwandel ist auch in der Eifel und <strong>im</strong> Hunsrück<br />
zu spüren. Seit 2003 haben rund 100 Betriebe <strong>im</strong> Kreis Cochem-<br />
Zell aufgehört, die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist seit 1978<br />
um zirka sieben Prozent zurückgegangen. Hier könnte die <strong>Bioenergie</strong><br />
zu einer sinnvollen Alternative werden. Viele Bauern haben dies<br />
bereits erkannt, so sind in den vergangenen Jahren von den örtlichen<br />
Landwirten mehrere Biogasanlagen errichtet worden.<br />
Dem Kreis geht es aber nicht in erster Linie um den Anbau von energiepflanzen<br />
auf frei werdenden Flächen. Vielmehr will er die ohnehin<br />
anfallenden nebenprodukte besser nutzen, wie Bioabfälle aus<br />
kommunaler Sammlung, Stroh, trester oder den rebschnitt. Sogar<br />
das Biomassepotenzial aus privatgärten ist für die <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
von interesse. Bislang wird der grünschnitt von den gärtnern meist<br />
mit energieaufwand zerkleinert und dann kompostiert, obwohl nur<br />
eine kleine menge davon wirklich als Dünger in den gärten benötigt<br />
wird. Zukünftig soll ein neues Dienstleistungsunternehmen überschüssige<br />
Biomasse aus privaten gärten einsammeln.<br />
<strong>im</strong> Bereich der Forstwirtschaft hat man insbesondere die Wälder von<br />
privateigentümern <strong>im</strong> Visier, da hier noch größere reserven schlummern,<br />
die in Form von Pellets oder Holzhackschnitzeln nutzbar sind.<br />
ein geplanter Biomassehof soll künftig zur regionalen Drehscheibe<br />
für das energieholz werden. insgesamt, so das ergebnis einer Abschätzung,<br />
entspricht das ungenutzte potenzial an reststoffen und<br />
Holz einem Energiewert von 33,8 Millionen Litern Heizöl.<br />
ein weiterer plan ist es, die gemeinden Schmitt und gillenbeuren zu<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfern zu entwickeln, die ihren Wärmebedarf mit der<br />
Abwärme einer Biogasanlage decken. modell dafür ist der in unmittelbarer<br />
nähe befindliche nAto-Flugplatz Büchel, der seit 2007 mit<br />
Wärme aus einer gemeinschafts-Biogasanlage von vier Landwirten<br />
versorgt wird.<br />
„Cochem-Zell hat viele Potenziale“, ist sich Professor Dr. Peter Heck<br />
vom Umweltcampus Birkenfeld sicher. Sein institut für angewandtes<br />
Stoffmanagement (ifaS) begleitet das projekt null-emissions-Landkreis.<br />
Für ihn ist es wichtig, dass die Bürger be<strong>im</strong> prozess energiewende<br />
mitgenommen werden und ihnen der nutzen der <strong>Bioenergie</strong><br />
verdeutlicht wird. „ein solches Ziel können wir nur gemeinsam erreichen“,<br />
so der Wissenschaftler, für den Cochem-Zell in Sachen Ökologie<br />
längst ein Vorbild für andere Kommunen ist.<br />
Dieter Junker, Freier Journalist, Uhler<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Cochem-Zell<br />
Bundesland: Rheinland-Pfalz<br />
Landkreise: Cochem-Zell<br />
Größe: 720 km2 Einwohnerzahl: ca. 65.000<br />
Flächennutzung: 48,9 % Wald,<br />
37,7 % Landwirtschaftsfläche<br />
11,3 % Siedlungs-/Verkehrsfl.<br />
1,7 % Wasserfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
6 Biogasanlagen, 2 Holzhackschnitzelheizungen,<br />
1 Pelletheizung, rund 200 private Pelletheizungen<br />
Langfristige Ziele:<br />
Ausgewogene stoffliche und energetische Nutzung<br />
der Biomasse, nachhaltige Nutzung von<br />
Biomassepotenzialen, max<strong>im</strong>ale regionale Wertschöpfung,<br />
auf dem Weg zum Null-Emissions-<br />
Landkreis Reduzierung der CO – Emissionen um<br />
2<br />
50 % bis zum Jahr 2020 (Bezugszeitpunkt 1990)<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Privatholz, Landschaftspflegematerial,<br />
Biomassepotenzial aus Haushalten (Biomüll/<br />
Grünschnitt aus Privatgärten)<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Errichtung Biomassehof – Zur Erhöhung der<br />
Ver fügbarkeit und Opt<strong>im</strong>ierung der vorhandenen<br />
Biomassepotenziale vor allem für Waldholz<br />
und sonstige kommunale und private Resthölzer<br />
soll ein zentrales Biomasseaufbereitungsund<br />
Vermarktungszentrum entstehen<br />
<strong>Bioenergie</strong>atlas – Schaffung eines Wärme-, Flächen<br />
und Gebäudekatasters<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfer – Ausbau der Ortsgemeinden<br />
Gillenbeuren und Schmitt zu <strong>Bioenergie</strong>dörfern<br />
Abfallwirtschaftsmanagement – Bioabfallkonzept<br />
mit Einführung Biotonne, Nutzung Speiseabfälle<br />
(Gastronomie), Nutzung Grünschnitt und<br />
Biomassepotenziale aus Privatgärten, Erstellung<br />
Grünschnittkonzept, Nutzung Landschaftspflegematerial<br />
Landnutzungsmanagement – Privatwaldmobilisierung,<br />
Reststoffnutzung aus Weinbau (Trester)<br />
Ansprechpartnerin<br />
Name: Bianca Kutscheid<br />
Institution: Kreisverwaltung Cochem-Zell<br />
Anschrift: Brückenstraße 2, 56812 Cochem<br />
Tel.: 026 71/61-6 94<br />
Fax: 026 71/61-56 94<br />
E-Mail: bianca.kutscheid@cochem-zell.de<br />
Homepage: www.bionergieregion-cochem-zell.de
54 BIOENERGIE-REGION BAyREUTH<br />
Soviel Spaß kann <strong>Bioenergie</strong> machen:<br />
Planung eines energy-in-art-Projektes.<br />
v.l.: Eva Rundholz, Brigitte Bilo-Jäger,<br />
Andreas Laubert, Bernd Rothammel.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Thomas Z<strong>im</strong>mermann bei Performance<br />
„Die Energie bin ich“<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Kunst – ist Energie –<br />
in ihrer schönsten Form<br />
Neue Sicht der Dinge: In Bayreuth gehen<br />
<strong>Bioenergie</strong> und Kunst eine ungewöhnliche<br />
Symbiose ein<br />
Kunst und <strong>Bioenergie</strong> – zwei Bereiche, die auf den ersten Blick nur<br />
wenig gemeinsam haben? Das sehen die regionalmanager der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region Bayreuth ganz anders: „energy-in-art: <strong>Bioenergie</strong><br />
| information | netzwerk | Kunst “ heißt das Konzept, mit dem die<br />
Bayreuther einen besonderen Akzent setzten. „Die <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
Bayreuth verknüpft energiekunstprojekte mit <strong>Bioenergie</strong>-Fachvorhaben.<br />
Dabei sollen an dem prozess der inhaltlichen und künstlerischen<br />
Auseinandersetzung möglichst viele verschiedene Akteure<br />
mitwirken. Künstler und Laien gestalten energiekunstwerke, die <strong>Bioenergie</strong><br />
aus einer völlig neuen perspektive zeigen“, beschreiben die<br />
regionalmanager Bernd rothammel und eva rundholz die grundidee<br />
von „energy-in-art“.<br />
Doch warum überhaupt Kunst und <strong>Bioenergie</strong> verknüpfen? „Für<br />
einen neuen Umgang mit energie sind ideen gefragt“, sagt Bernd<br />
rothammel. „Die energiekunstwerke sollen Anlass sein, das thema<br />
mit anderen Augen, neu und unvoreingenommen zu sehen. Kunst<br />
kann eine öffentliche Diskussion zum thema energiewende in gang<br />
setzen.“ Die Bayreuther wollen den Aspekt der Kunst auch mit gesellschaftlichen<br />
Aspekten verbinden. „Soziale Skulpturen“ lautet das<br />
Stichwort. Der prozess der entstehung ist dabei selbst teil des Kunstwerks.<br />
Schulen, lokale initiativen und andere gesellschaftliche gruppen<br />
werden in die entwicklung mit eingebunden.<br />
Ausschnitt aus den Skizzen von<br />
S<strong>im</strong>on Müller für das Kunstwerk an<br />
den Bayreuther Landwirtschaftlichen<br />
Lehranstalten.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
55 <strong>Bioenergie</strong>-region BAyREUTH<br />
Das zentrale Kunstwerk auf der Fläche der Landwirtschaftlichen<br />
Lehranstalten des Bezirks oberfranken ist das erste Kunstprojekt, das<br />
in die tat umgesetzt wird. <strong>im</strong> Sommer 2009 wurde ein Wettbewerb<br />
zu dessen gestaltung ausgeschrieben. Der Siegerentwurf vereint in<br />
sich einen ort, der zum einen informieren soll und zum anderen auch<br />
gelegenheit zum entspannen bietet. Zentralmotiv ist eine abstrahierte<br />
Sonne. einer der Strahlen wird zu einem geschwungenen Weg, der<br />
an infopunkten vorbei zum Ausgangspunkt zurück führt. nicht nur<br />
aufgrund der hohen Besucherfrequenz sind die Landwirtschaftlichen<br />
Lehranstalten in Bayreuth der ideale platz für das zentrale energiekunstwerk.<br />
Auf dem gelände erzeugen ein Biomasseheizkraftwerk,<br />
eine photovoltaikanlage und eine Biogasanlage regenerative energie.<br />
Die eigenen gebäude, angrenzende Schulen, Büros und ein<br />
Hochhaus mit 380 Wohneinheiten werden von hier aus mit Strom<br />
und Heizenergie versorgt. Die alternativen Energiekonzepte sind zudem<br />
wesentlicher Bestandteil <strong>im</strong> Unterricht für die bis zu 1.000 Schüler<br />
der Landmaschinenschule.<br />
<strong>Bioenergie</strong> sollte jedoch nicht nur allein unter dem Aspekt des direkten<br />
nutzens für den mensch gesehen werden. mit dem Kunstprojekt<br />
„plant power – power plant“ wollen die Akteure den Blick auf ein<br />
Kunstwerk der natur lenken: ein vom Stadtgartenamt in der nähe<br />
der Landwirtschaftlichen Lehranstalten aufgeschichteter totholzhaufen<br />
soll von Jugendlichen einen künstlerischen rahmen erhalten.<br />
Über längere Zeit unberührt hat dieses Holz dort begonnen zu verrotten<br />
und wird mittlerweile von unzähligen Lebewesen bewohnt. Das<br />
Holz dient als Nahrung und Energielieferant für Pionier-Lebewesen<br />
wie Bakterien, pilze und insekten. Auch höhere organismen wie reptilien<br />
oder mäuse können sich dort ansiedeln. ohne menschliches Zutun<br />
entsteht hier <strong>im</strong> natürlichen Kreislauf aus dem scheinbar toten<br />
neues Leben: <strong>Bioenergie</strong> in seiner ureigensten Form. „plant power-<br />
Power Plant“ ist ein Projekt der Jugendwerkstatt des Vereins Horizonte,<br />
in der benachteiligte Jugendliche bei der sozialen und beruflichen<br />
integration unterstützt werden. Damit leitet dieses Kunstprojekt zum<br />
Fachvorhaben infonetz-Umweltbildung über, das unter dem motto<br />
„Entflammt für Energie“ Hauptschüler zu einer ganzheitlichen, inhaltlichen<br />
und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem thema<br />
<strong>Bioenergie</strong> führen soll. Als ergänzung sind unter anderem materialien<br />
zum unterhaltsamen Lernen geplant, die das Bayreuther <strong>Bioenergie</strong>-edutainment-programm<br />
konzipiert.<br />
So wirkt das Kunstprojekt als inspirationsquelle und Werbemaßnahme<br />
für die insgesamt sieben Fachvorhaben, die von der energetischen<br />
nutzung organischer Abfall- und reststoffe über die <strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
in Altbauten bis hin zur Forschung zu ökologisch verträglichen<br />
energiepflanzen reichen.<br />
noch steht die ungewöhnliche und spannende idee erst am Anfang<br />
ihrer Umsetzung. ob die Kunstwerke tatsächlich einen neuen Blick<br />
auf <strong>Bioenergie</strong>-Anlagen ermöglichen, oder <strong>Bioenergie</strong> gar selbst zum<br />
Kunstwerk wird, das zeigen die nächsten Jahre.<br />
Heike Schwandt, Freie Journalistin, Thurnau<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Bayreuth<br />
Bundesland: Bayern<br />
Landkreise: Stadt Bayreuth, Landkreis<br />
Bayreuth, Landkreis Forchhe<strong>im</strong> (teilweise)<br />
Größe: 1.545 km2 Einwohnerzahl: ca. 200.000<br />
Flächennutzung: 43 % Forstwirtschaft,<br />
24 % Ackerbau,<br />
16 % Dauergrünland,<br />
6 % sonst. landw. Nutzung<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
45 Biogasanlagen, 6 Biomasseheizwerke,<br />
ca. 220 landwirtschaftl. Hackschnitzelheizungen,<br />
6.000 bis 12.000 private Biomasseheizungen<br />
Langfristige Ziele:<br />
Umweltverträglicher Ausbau der <strong>Bioenergie</strong>,<br />
Steigerung der Nachfrage, Verbesserung der<br />
Information, Erhöhung des <strong>Bioenergie</strong>anteils am<br />
Energiemix der Privathaushalte von 18 auf 50 %,<br />
Wertschöpfung von 50 Mio. Euro jährlich durch<br />
Nutzung regionaler <strong>Bioenergie</strong>quellen<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Hackschnitzel, Biogas, Bildung<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Das Dachprojekt energy-in-art – <strong>Bioenergie</strong>|Info|<br />
Netz werk|Kunst verknüpft Energiekunstprojekte<br />
mit folgenden Fachvorhaben:<br />
• Stoffstrommanagement für die energetische<br />
Verwertung organischer Abfälle und Reststoffe<br />
• Steigerung der Effizienz von <strong>Bioenergie</strong>anlagen<br />
• Kulissenplan Energie|Nahrung|Natur<br />
• Initiative „Heizen mit Holz“<br />
(für Gebäudebestand)<br />
• Kommunales Informationssystem<br />
„Erneuerbare Energien“<br />
• Umweltbildung – Edutainment<br />
• Erforschung umweltverträglicher Energie -<br />
pflanzen<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Bernd Rothammel<br />
Institution: Regionalmanagement Stadt und<br />
Landkreis Bayreuth GbR<br />
Anschrift: Markgrafenallee 5, 95448 Bayreuth<br />
Tel.: 09 21/7 28-340<br />
Fax: 09 21/7 28-88-340<br />
E-Mail: bioenergie@region-bayreuth.de<br />
Homepage: www.bioenergieregion-bayreuth.de
56 <strong>Bioenergie</strong>-region StrAUBing-Bogen<br />
3. Energieforum Straubing-Bogen,<br />
November 2009: Landrat Alfred Reisinger,<br />
Oberbürgermeister Markus Pannermayr,<br />
Rita Kienberger (Leiterin Zukunftsbüro/<br />
LAG-Geschäftsführerin <strong>im</strong> Landratsamt)<br />
und Josef Gr<strong>im</strong>m (Leiter der Abteilung 1A<br />
des Landratsamtes) (v.l.n.r.).<br />
Foto: Straubinger Tagblatt<br />
Wallfahrtkirche Sankt Maria H<strong>im</strong>melfahrt<br />
auf dem Bogenberg.<br />
Foto: Landratsamt Straubing-Bogen<br />
„BioCubator“: Unternehmenszentrum für<br />
Nachwachsende Rohstoffe am Donauhafen<br />
Straubing-Sand.<br />
Foto: BioCampus Straubing GmbH<br />
Donau, Wald und Flur<br />
Region der Nachwachsenden Rohstoffe<br />
es sind ganz wesentlich drei landschaftliche elemente, die der region<br />
Straubing-Bogen ein prägendes Bild geben. Der Bayerische Wald,<br />
als teil des riesigen Waldstreifens <strong>im</strong> osten Bayerns hin zu den grenzen<br />
Tschechiens und Österreichs, ist ein gigantisches Holzreservoir.<br />
Daneben gehört der gäuboden mit seinen mächtigen Lößkrumen<br />
zu den fruchtbarsten Ackerstandorten in ganz Deutschland. Und<br />
schließlich ist die Donau seit jeher eine der wichtigsten Verkehrsadern<br />
europas.<br />
Die <strong>Bioenergie</strong>-region Straubing-Bogen fängt nicht bei null an. Sie<br />
kann, neben den beschriebenen natürlichen ressourcen, ihre wirtschaftliche<br />
Struktur und ihre wissenschaftlichen Kompetenzen ins<br />
rennen schicken. So haben sich am Donauhafen Straubing-Sand<br />
mehrere Firmen aus dem Branchensektor „nachwachsende rohstoffe“<br />
angesiedelt. Ölmühle und Pelletherstellung spiegeln z. B. die<br />
naturräumliche Ausstattung Feld und Wald wider. Auch die einrichtung<br />
des Unternehmerzentrums für nachwachsende rohstoffe „Bio-<br />
Cubator“ durch den Zweckverband industriegebiet mit dem Donauhafen<br />
Straubing-Sand zeigt die strategische grundausrichtung der<br />
region.<br />
Das ist jedoch noch lange nicht alles. Unter dem Dach des Kompetenzzentrums<br />
für nachwachsende rohstoffe hat der Freistaat Bayern<br />
gleich drei institutionen aus diesem Bereich gebündelt: Das Wissen-<br />
57 <strong>Bioenergie</strong>-region StrAUBing-Bogen<br />
schaftszentrum Straubing, das technologie- und Förderzentrum und<br />
C.A.r.m.e.n. e.V.. in der region ist also eine geballte Forschungs- und<br />
Beratungskompetenz zuhause.<br />
Aufbauend auf dem Agenda21-prozess, der in einen intensiven LeA-<br />
Der-prozess mündete, hat auch der Landkreis das thema <strong>Bioenergie</strong><br />
stets in den mittelpunkt gestellt und schließlich <strong>im</strong> regionalen<br />
entwicklungskonzept für die aktuell laufende LeADer-initiative als<br />
Schwerpunkt verankert. Vom zuständigen Zukunftsbüro des Landkreises<br />
Straubing-Bogen ging dann auch die initiative zur teilnahme<br />
am Wettbewerb <strong>Bioenergie</strong>-regionen aus. „Das tragfähige netzwerk,<br />
das wir in lang angelegten Beteiligungsprozessen aufgebaut haben,<br />
ist sicherlich auch ein wesentlicher grund für unseren erfolg be<strong>im</strong><br />
Wettbewerb“ meint rita Kienberger, die geschäftsführerin der LeA-<br />
Der-Aktionsgruppe.<br />
Alle diese Aktivitäten haben dazu geführt, dass sich die marke „Straubing<br />
– region der nachwachsenden rohstoffe“ entwickelt, deren Bekanntheitsgrad<br />
stetig wächst.<br />
Durch die teilnahme am Wettbewerb <strong>Bioenergie</strong>-regionen ist das<br />
dichte netzwerk der region noch enger zusammengerückt und<br />
st<strong>im</strong>mt die weiteren Ziele jetzt ganz bewusst gemeinsam ab. „Auf<br />
einen nenner gebracht lauten diese Ziele ‚opt<strong>im</strong>ale nutzung unserer<br />
reichhaltigen naturressourcen durch eine starke Wirtschaft<br />
<strong>im</strong> Verbund mit kompetenter Wissenschaft’ – in Straubing nennt<br />
man das dann nAWAro-opt<strong>im</strong>A,“ erklärt Landrat Alfred reisinger.<br />
„Dazu brauchen wir neben rohstoffen, Unternehmen und Wissenschaft<br />
aber auch Qualifikation.“ Die einrichtung des masterstudiengangs<br />
„nachwachsende rohstoffe“ in Zusammenarbeit mit der<br />
Fachhochschule Weihenstephan und der tU-münchen lenkt weitere<br />
„Bio“energie in diese richtung. Die Zusammenfassung dieses Bildungsweges<br />
lautet in Straubing NAWARO-HOW.<br />
Laura osterholzer, seit September 2009 am Landratsamt als netzwerkmanagerin<br />
beschäftigt, liegt es besonders am Herzen, die<br />
Bevölkerung bei den anstehenden Veränderungen mitzunehmen.<br />
„information und Bewusstseinsbildung sind zentrale Bausteine eines<br />
Hauses, in dem schließlich auch gelebt werden soll“ meint sie. Und<br />
dann zählt sie Beispiele auf aus dem großen Fächer der geplanten<br />
Vorhaben. Seien es die kommunalen energiemodelle, die jeder Kommune<br />
<strong>im</strong> Landkreis ein paket von möglichkeiten vorstellen, wie die<br />
Anteile an <strong>Bioenergie</strong> und erneuerbarer energie zu steigern sind.<br />
Seien es Qualifizierungsreihen mit den Handwerkern der Region<br />
oder die Ausbildung zum energy Scout, der in der gemeinde als erster<br />
Ansprechpartner und „Vertrauter“ fungieren soll. Seien es touristische<br />
Aktivitäten unter dem motto energie-pfad.<br />
Zusätzlich baut die <strong>Bioenergie</strong>-region auf eine starke <strong>im</strong>agekampagne.<br />
Örtliche presse, radio und ein gemeinsam mit allen netzwerkpartnern<br />
abgest<strong>im</strong>mter Aktionsplan soll das thema <strong>Bioenergie</strong> so<br />
richtig erlebbar machen. Landauf – landab könnte man vielleicht sagen<br />
und damit dann auch die Berge und täler Bayerns meinen. in der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-region Straubing-Bogen sagt man dazu nAWAro-top!<br />
Herbert Hofberger, Dipl. Agraringenieur, Regenstauf<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Straubing-Bogen<br />
Bundesland: Bayern<br />
Landkreise: Straubing-Bogen und kreisfreie<br />
Stadt Straubing<br />
Größe: rd. 1.270 km 2<br />
Einwohnerzahl: 142.430<br />
Flächennutzung: 63 % Landwirtschaftsfläche<br />
(davon 80 % Ackerland und 20 % Grünland),<br />
26 % Waldfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
17 Biogasanlagen, 5 Biomasseheizwerke<br />
Langfristige Ziele:<br />
1. Nawaro-OPTIMA Die Opt<strong>im</strong>ierung der Biomasse-Stoffströme<br />
und deren Verwertung in<br />
technischen Anlagen zur Erhöhung der regionalen<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Wertschöpfungsketten<br />
2. Nawaro-HOW Der konsequente Ausbau zu<br />
einem führenden Qualifizierungs-, Forschungs-,<br />
und Wissenszentrum<br />
3. Nawaro-TOP Die Positionierung der <strong>Bioenergie</strong>region<br />
Straubing sowohl <strong>im</strong> Binnen- als auch<br />
<strong>im</strong> Außenmarketing als „Region der Nachwachsenden<br />
Rohstoffe“<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas und Hackschnitzel<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
• Kommunale Energiemodelle<br />
• Qualifizierung Handwerk<br />
• Energy Scouts<br />
• Energie-Pfad<br />
• Imagekampagne und Markenbildung<br />
Ansprechpartnerin<br />
Name: Laura Osterholzer<br />
Institution: Landratsamt Straubing-Bogen:<br />
Zukunftsbüro/Netzwerkmanagement<br />
<strong>Bioenergie</strong><br />
Anschrift: Leutnerstraße 15, 94315 Straubing<br />
Tel.: 094 21/9 73-319<br />
Fax: 094 21/9 73-419<br />
E-Mail: osterholzer.laura@landkreisstraubing-bogen.de<br />
Homepage: www.bioenergie.straubing-bogen.de
58 <strong>Bioenergie</strong>-region oBerLAnD<br />
Bundesministerin Ilse Aigner mit Projektleiter<br />
Gerald Ohlbaum (l.), <strong>Bioenergie</strong>-<br />
Berater Andreas Scharli und Projektmanagerin<br />
Elisabeth Kohlhauf.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Foto: ©Oberland-Kuh: Alois Pribil,<br />
Miesbach, www.ap-foto.de<br />
Idyllisch: Das Oberbayerische<br />
Urlaubsdorf Münsing.<br />
Foto: Gemeinde Münsing<br />
Traditionsbewusst<br />
in die Zukunft<br />
Entscheidung für die Dorfheizung<br />
auf bayerisch<br />
Eine Wirtsstube in Oberbayern. Große Holztische, Weißbiergläser,<br />
Schweinswürstl mit Sauerkraut. Hitze strahlt aus dem Kachelofen,<br />
darauf ein kupferner teekessel und ein eisernes Bügeleisen. Urig und<br />
traditionell.<br />
Der grund, aus dem sich gut 50 Bürger der gemeinde münsing <strong>im</strong><br />
Landkreis Bad tölz-Wolfratshausen an diesem Abend hier eingefunden<br />
haben, ist allerdings ein Schritt in die Zukunft: Am nördlichen<br />
Rand des Ortsteils Degerndorf soll eine Biomasse-Heizzentrale errichtet<br />
werden. nun werden die machbarkeitsstudie vorgestellt und<br />
Fragen beantwortet.<br />
Auch elisabeth Kohlhauf von der Koordinationsstelle der Bürgerstiftung<br />
energiewende oberland sitzt unter den Zuhörern. münsing<br />
ist eine von zwei pilotgemeinden der <strong>Bioenergie</strong>-region oberland.<br />
„münsing und otterfing haben sich auf die Fahnen geschrieben,<br />
Vorreiter-gemeinden zu sein“, erklärt die 27-jährige Umweltingenieurin.<br />
„Sie wollen die ersten sein, die es schaffen, sich aus eigener<br />
Kraft mit energie zu versorgen.“ Bis 2035 sollen dann alle gemeinden<br />
der <strong>Bioenergie</strong>region oberland, die die Landkreise Bad tölz-<br />
Wolfratshausen und miesbach umfasst, dieses Ziel erreicht haben.<br />
Fast alle Kommunen sind mit ins Boot der energiewende oberland<br />
gekommen. Von den 38 gemeinden sind 36 Stifter und haben sich<br />
daher auch dem Ziel der energiewende oberland verpflichtet.<br />
Holz ist das große Potenzial der beiden Landkreise. 52 Prozent der<br />
Flächen sind bewaldet. Holz fällt auch bei der Pflege der Grünanla-<br />
59 <strong>Bioenergie</strong>-region oBerLAnD<br />
gen und parks an. „Diese Biomasse kann genutzt werden“, so elisabeth<br />
Kohlhauf. „Darauf setzen wir.“<br />
Auf Holz setzt auch die Biomasse-Heizzentrale, um die sich die Informationsveranstaltung<br />
in Degerndorf dreht. 48 interessenten für<br />
einen Anschluss an die Stückholz-Anlage gibt es bereits. So etwa Josef<br />
Mayerhöfer. Sein Heizkessel sei schon alt, sagt der 66-Jährige. „Und<br />
das Öl bringt schlechte Luft ins Haus.“ Aber auch grundsätzlich befürwortet<br />
er erneuerbare energien. Schon über 30 Jahre lang heizt<br />
er sein Warmwasser mit Solarenergie. Würde die Stückholz-Anlage<br />
nicht gebaut, wäre er wahrscheinlich auf Holzpellets umgestiegen,<br />
sagt er.<br />
in der zweiten pilotgemeinde, otterfing <strong>im</strong> Landkreis miesbach,<br />
ist der Arbeitskreis „Lawine“ (Landwirtschaft, Wirtschaft, natur,<br />
energie) schon seit elf Jahren äußerst aktiv. Zwar gab es einige Anfangsschwierigkeiten,<br />
sagt der Vorsitzende der „Lawine“, rudolf<br />
Brenninger. „Aber seit 2003/2004 haben wir eine gute Akzeptanz bei<br />
den Bürgern.“ Die Zusammenarbeit mit der energiewende oberland<br />
gibt dem Arbeitskreis die möglichkeit, sich zu vernetzen. „Wir haben<br />
einen engen Kontakt mit der anderen pilotgemeinde münsing“, sagt<br />
Brenninger.<br />
Die nähe zu den gemeinden ist essenziell für die energiewende<br />
oberland. Denn nur so kann die Bürgerstiftung etwa erfahren, wenn<br />
ein Baugebiet erschlossen werden soll. Und damit könnten die Hausbesitzer<br />
rechtzeitig gefragt werden, ob sie sich einem regionalen<br />
Wärmenetz anschließen wollen.<br />
nun werden in der bayerischen Wirtsstube Listen ausgeteilt, in die<br />
sich interessenten für einen Vorvertrag eintragen sollen. 26 der Anwesenden<br />
entscheiden sich schließlich dafür. Unter ihnen sind auch<br />
ein Kindergarten und ein gasthof. <strong>im</strong> nachhinein stellt sich heraus,<br />
dass die Wärmeabnahme-menge damit ausreichend ist, der investor<br />
wird wohl tatsächlich bauen.<br />
Dass es mit der energieversorgung durch Stückholz problemlos klappen<br />
wird, daran hat Annett Svejkosky keinen Zweifel. Sie kenne den<br />
Betreiber persönlich sehr gut. „Und er ist auf jeden Fall zuverlässig.“<br />
Für die Waldbesitzer unter den Unterzeichnern spielt außerdem eine<br />
Rolle, dass der zukünftige Wärmeversorger das Holz direkt in der Region<br />
ankaufen will.<br />
in der oberbayrischen region sind traditionen fest verwurzelt. Die<br />
menschen sind skeptisch gegenüber großen <strong>Bioenergie</strong>-Anlagen, das<br />
berücksichtigt auch die Bürgerstiftung bei ihrer projektarbeit in der<br />
<strong>Bioenergie</strong>region oberland. „Wir setzen auf einen behutsamen Ausbau.<br />
Die <strong>Bioenergie</strong> soll so dezentral wie möglich in kleinen Anlagen<br />
genutzt werden. Wichtig ist auch, dass die Wertschöpfung den menschen<br />
vor ort zugute kommt“, erklärt elisabeth Kohlhauf. „Wir wollen<br />
wirtschaftliche entwicklung, aber ohne dabei das Landschaftsbild zu<br />
beeinträchtigen.“ nicht zuletzt wegen dieses charakteristischen Landschaftsbildes<br />
ist das oberland ein beliebtes Urlaubsziel. „Wir wollen<br />
den Charme und die identität der region erhalten,“ sagt die Umweltingenieurin<br />
Kohlhauf. „Das oberland soll das oberland bleiben.“<br />
Stefanie reiffert, Freie Journalistin, münchen<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Oberland<br />
Bundesland: Bayern<br />
Landkreise: Bad Tölz-Wolfratshausen,<br />
Miesbach<br />
Größe: 1.948 km2 Einwohnerzahl: 216.000<br />
Flächennutzung: 51,4 % Wald,<br />
27,6 % Dauergrünland, 1,8 % Ackerland<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
6 Biomasse-HKW (300 - 2.000 MW)<br />
mehrere Hackschnitzel-Heizwerke<br />
einige kleinere Biogasanlagen<br />
Langfristige Ziele:<br />
• Opt<strong>im</strong>ieren v. Rohstoff-Bereitstellung u. Logistik<br />
• Steigern des Wissenstransfers durch Ausbau von<br />
Netzwerken<br />
• Auf-/Ausbau der regionalen Wertschöpfung<br />
• Schaffen regionaler Arbeitsplätze <strong>im</strong> Bereich<br />
<strong>Bioenergie</strong><br />
• Verstärken der Nachfrage nach <strong>Bioenergie</strong>produkten<br />
• Steigern der Produktion biogener Brennstoffe<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Scheitholz, Hackschnitzel, Pellets und Briketts aus<br />
Restholz, Granulat, Presslinge, Pellets, Briketts<br />
aus Grünschnitt, Landschaftspflegematerial, Fermentierungsabfällen,<br />
Laub, Pferdemist, Biogas aus<br />
Garten-/Bioabfällen, Landschaftspflegematerial,<br />
Golfrasenschnitt und Festmist (Trockenfermentierung)<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Gewinnen von Erfahrungen für den Einsatz geeigneter<br />
Technologien, Verfahren und Strukturen zur<br />
opt<strong>im</strong>alen Nutzung von <strong>Bioenergie</strong> durch Begleitung<br />
von Pilot-/ Modellprojekten anderer Träger,<br />
Knowhow-Transfer in die Region über Kommunikations-<br />
und Marketingmaßnahmen, Aufbau eines<br />
Energie-Kompetenzzentrums<br />
Ansprechpartner/-innen<br />
Name: Elisabeth Kohlhauf, Chiara Kury,<br />
Andreas Scharli<br />
Institution: Bürgerstiftung Energiewende<br />
Oberland<br />
Anschrift: Hans-Urmiller-Ring 17a,<br />
8<strong>25</strong>15 Wolfratshausen<br />
Tel.: 081 71/38 96 08<br />
Fax: 081 71/48 88 26<br />
E-Mail: bioenergieregion@energiewendeoberland.de<br />
Homepage: www.bioenergieregion-oberland.de
60 BIOENERGIE-REGION ACHENTAL<br />
Zeit genug für ein nettes Gespräch mit<br />
Kunden, während das Lieferfahrzeug<br />
Pellets in die Pelletskammer bläst.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Hackschnitzelproduktion.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Eröffnung des Biomassehofes am<br />
15. September 2007.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Ein Bergtal wird autark<br />
Am Rand der Alpen setzt man mehr<br />
und mehr auf Biomasse<br />
Das Achental <strong>im</strong> südlichen Landkreis traunstein in oberbayern<br />
erstreckt sich vom südlichen Chiemsee-Ufer (520 m ü. nn) bis zu den<br />
nördlichen Kalkalpen (1.800 m). Vor rund 15.000 Jahren formte der<br />
Chiemsee-gletscher den flachen talkessel mit großen moorgebieten,<br />
Streuwiesen und Auwäldern entlang der tiroler Achen, die auf einer<br />
Länge von 24 Kilometern das Tal durchfließt. Etwa die Hälfte des<br />
gesamten gebietes ist von Wald bedeckt. traditionell dominieren<br />
Milch- und Forstwirtschaft sowie kleinere Handwerksbetriebe. Wichtiges<br />
Standbein ist seit Jahrzehnten der tourismus.<br />
Das Herz der <strong>Bioenergie</strong>-Region Achental liegt in der Gemeinde<br />
Grassau. Hier entstand bereits 2007 der „Biomassehof Achental“, der<br />
Holzbrennstoffe wie Hackschnitzel, Pellets und Scheitholz aus der<br />
region für die region bereitstellt. Wolfgang W<strong>im</strong>mer, geschäftsführer<br />
der „Biomassehof Achental GmbH & Co. KG“, leitet nun auch<br />
das projekt <strong>Bioenergie</strong>-region, das seine prioritäten auf die für die<br />
Region besonders relevanten Holzhackschnitzel, Agrarpellets und<br />
die dezentrale Biogas-gewinnung legt. Die ehrgeizige Vision ist es,<br />
bis zum Jahr 2020 den energiebedarf der Achental-gemeinden an<br />
Strom und Heizung vollständig aus eigenen regionalen Energiequellen<br />
abzudecken.<br />
Den Ausbau der Wertschöpfungskette für Hackschnitzel von der<br />
Bereitstellung bis zum Verbrauch übern<strong>im</strong>mt der Biomassehof<br />
61 <strong>Bioenergie</strong>-region ACHENTAL<br />
Achental als „public private partnership“. in ihr sind wesentliche<br />
Kooperationspartner wie Waldbesitzer, Dienstleister und Sägewerke<br />
zusammen geschlossen. Von Landschaftspflege-einrichtungen<br />
übern<strong>im</strong>mt der Biomassehof auch material von schwacher Qualität.<br />
Und über den in der region ansässigen Verein „Ökomodell Achental“<br />
unterstützt er die pflanzung traditioneller energiehecken, die<br />
das verfügbare potenzial weiter vergrößern sollen. Ziel <strong>im</strong> Bereich<br />
Hackschnitzel ist die Verdopplung der heutigen Produktionsmenge.<br />
potenzielle Kunden dafür gibt es genug, so hat in grassau ein Fernwärme<br />
Heizwerk vor kurzem seinen Betrieb aufgenommen und <strong>im</strong><br />
Weiler „Winkl“ der gemeinde grabenstätt ein mini-Wärmenetz für<br />
ein Appartementhotel und die umliegenden Liegenschaften. Die gemeinde<br />
Bergen will sogar Kraftstoffe über Holzvergasung herstellen,<br />
eine bislang so gut wie nicht etablierte technik.<br />
<strong>im</strong> Bereich Biogas wird vordringlich auf dezentrale Lösungen gesetzt.<br />
insbesondere den Landwirten soll ermöglicht werden, ihr eigenes organisches<br />
material in Kleinanlagen in Strom und Wärme umzuwandeln.<br />
Schon die gülle von 40 Kühen reicht, um die eigenen gebäude<br />
und Stallungen zu beheizen. Weitere Schwerpunkte sind die Verbesserung<br />
der bestehenden Biogasanlagen bis hin zur treibstoffherstellung<br />
sowie die Verwertung von sonstigem organischen Abfall.<br />
Auch Agrarpellets aus derzeit ungenutzten ressourcen sollen dezentral<br />
in kleinen pelletierungsanlagen produziert werden. Als rohstoff<br />
kommt zum Beispiel mähgut von Schilfflächen am rand von mooren<br />
und Seen in Frage, oder Stroh und obst-maische. Als Abnehmer der<br />
Agrarpellets bieten sich nahe gelegene Liegenschaften an, die allerdings<br />
über geeignete Öfen verfügen müssen.<br />
insgesamt plant die <strong>Bioenergie</strong>-region 15 gipfelprojekte in den verschiedenen<br />
gemeinden des Achentales. Zwölf befassen sich konkret<br />
mit der nutzung von <strong>Bioenergie</strong>. Drei der gipfelprojekte dienen der<br />
präsentation, der information und multiplikation der erfahrungen.<br />
„Der Ausbau zur <strong>Bioenergie</strong>-region Achental wird auch den tourismus<br />
positiv beeinflussen“, betont W<strong>im</strong>mer. Dabei denkt er an Fachbesucher<br />
ebenso wie an normale touristen. Während für erstere eine<br />
Dauerausstellung in den räumen des Biomassehofes eingerichtet<br />
wird, können letztere künftig den erlebnispark marquartstein besuchen,<br />
der in Kürze zu einem <strong>Bioenergie</strong>-erlebnispark umgebaut wird.<br />
Barbara reichenbach, Freie Journalistin, Schleching<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Achental<br />
Bundesland: Bayern<br />
Landkreise: 7 Gemeinden des Achentals <strong>im</strong><br />
Landkreis Traunstein<br />
Größe: 474 km2 Einwohnerzahl: 29.592<br />
Flächennutzung: 49,6 % Wald, 14,5 % Acker,<br />
27,8 % Grünland, 8,1 % Siedlungsfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
5 Biogasanlagen, 6 % Scheitholzfeuerungen,<br />
3,1 % Hackgut- bzw. Pelletheizungen bei Privatheizanlagen<br />
Langfristige Ziele: Energieautarkie bis 2020<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Hackschnitzel und Pellets, Agrarabfall und Biogas<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
1. Produktion und Vertrieb von Premium-Hackschnitzeln<br />
über den Biomassehof, Effektive und<br />
umfassende Mobilisierung und Verwertung der<br />
regionalen Holzabfälle über den zentralen Biomassehof<br />
2. Entwicklung von Energiehecken, Wiederbelebung<br />
des traditionellen Anbaus von Energiehecken<br />
entlang von Feldgrenzen, Privatgrundstücken<br />
und Bachrainen<br />
3. Verwertung von Hackschnitzel in hocheffizienten<br />
Mini-Wärmenetzen, Aufbau eines<br />
wärme geführten Min-Netzes in einem in sich<br />
geschlossenen historisch gewachsenen Weiler<br />
4. Verwertung von Hackschnitzeln in einem Fernwärmenetz<br />
mit Verstromung, Aufbau eines modular<br />
aufgebauten wärmegeführten Fernwärmenetzes<br />
mit Anbindung einer Verstromung<br />
5. Holzvergasung zur Treibstoff-Gewinnung,<br />
Aufbau einer dezentralen Holzvergasung zur<br />
Produktion von synthetischem Gas<br />
6. Ausbau einer bestehenden Biogasanlage zur<br />
Biogas-Tankstelle<br />
7. Dezentrale Pelletierung von Agrarreststoffen<br />
8. Verwertung von Agrarpellets in dezentralen<br />
Öfen bis 300 kW<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Wolfgang W<strong>im</strong>mer<br />
Institution: Biomassehof Achental GmbH & Co.KG<br />
Anschrift: Eichelreuth 20, 83224 Grassau<br />
Tel.: 086 41/69 41 43-0<br />
Fax: 086 41/69 41 43-21<br />
E-Mail: w.w<strong>im</strong>mer@biomassehof-achental.de<br />
Homepage: www.achental.com
62 BIOENERGIE-REGION HOHENLOHE-ODENWALD-TAUBER<br />
Die Landräte Helmut M. Jahn (Hohenlohekreis),<br />
Dr. Ach<strong>im</strong> Brötel (Neckar-<br />
Odenwald-Kreis), Reinhard Frank (Main-<br />
Tauber-Kreis) und der Geschäftsführer der<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Hohenlohe-Odenwald-<br />
Tauber Sebastian Damm (v.l.n.r.) be<strong>im</strong><br />
Startschuss zum CO 2 -Countdown.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Hier wird die Energiewende deutlich:<br />
Vor dem abgeschalteten Kernkraftwerk<br />
Obrighe<strong>im</strong> steht heute ein neues<br />
Bio masseheizkraftwerk.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Ein Energiewald.<br />
Foto: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Drei Kreise –<br />
ein Energiemanagement<br />
Vom Kernkraftwerk zum <strong>Bioenergie</strong>-<br />
Zentrum<br />
es ist genau 7.58 Uhr, als der mann seinen Finger auf den Knopf legt<br />
und langsam nach unten drückt. Dann ist es still. Der reaktor fährt<br />
nach unten, das Atomkraftwerk obrighe<strong>im</strong> <strong>im</strong> neckar-odenwald-<br />
Kreis geht für <strong>im</strong>mer vom netz. 37 Jahre lang hat es mehr als 800.000<br />
menschen mit Strom versorgt. obrighe<strong>im</strong> war der erste kommerziell<br />
betriebene reaktor in Deutschland. Die mitarbeiter sitzen mit hängenden<br />
Köpfen in der Kantine, Bürgermeister roland Lauer ist stiller<br />
Zeuge. „es herrschte ‚Beerdigungsst<strong>im</strong>mung‘“ sagt der obrighe<strong>im</strong>er<br />
Rathauschef später. Das war am 11. Mai 2005.<br />
rund viereinhalb Jahre später wird nicht weit entfernt wieder ein<br />
Knopf gedrückt, doch diesmal strahlen die Beteiligten. Feierlich<br />
starten die drei Landräte Dr. Ach<strong>im</strong> Brötel, Helmut M. Jahn und Reinhard<br />
Frank in rosenberg den Co 2 -Countdown der <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
Hohenlohe-Odenwald-Tauber. Bis Mitte 2012 will man zusätzlich<br />
30.000 tonnen Co 2 einsparen, langfristig sogar 100.000 tonnen. Verfolgt<br />
werden kann der aktuelle Stand des Co 2 -Zählers auf der eigenen<br />
internetseite www.bioenergie-hot.de. nicht nur privatbürger sollen<br />
dabei von der <strong>Bioenergie</strong> überzeugt werden, sondern auch kommunale<br />
Einrichtungen, wie das Kreiskrankenhaus in Öhringen (Hohenlohekreis).<br />
Das Krankenhaus ist das erste projekt be<strong>im</strong> Co 2 -Countdown.<br />
Im Gebäude hat man eine neue Holzpelletheizung installiert<br />
und reduziert nun den Co 2 -Ausstoß jährlich um rund 1.000 tonnen.<br />
Die pläne <strong>im</strong> nördlichen Baden-Württemberg sind ehrgeizig. Der<br />
Hohenlohekreis, der Neckar-Odenwald-Kreis und der Main-Tauber-<br />
Kreis wollen zur null-emissions-region werden. Unter dem motto<br />
63 <strong>Bioenergie</strong>-region HOHENLOHE-ODENWALD-TAUBER<br />
„Drei Kreise - ein energiemanagement“ wurde bereits <strong>im</strong> Dezember<br />
2008 ein entsprechendes positionspapier unterzeichnet. Der Co 2 -<br />
Countdown ist nur ein projekt auf dem Weg zur null-emissions-<br />
re gion. Schon in einigen Jahren soll der gesamte private Stromverbrauch<br />
durch erneuerbare energien gedeckt werden. rein rechnerisch<br />
sind bisher der neckar-odenwald-Kreis und der main-tauber-<br />
Kreis schon energieautark. Be<strong>im</strong> Wärmebedarf will man die nutzung<br />
regenerativer energieträger weiter ausbauen und zumindest punktuell<br />
eine 100 %-ige Deckung erreichen.<br />
Der Wirtschaftsfaktor soll dabei nicht nur am rande berücksichtigt<br />
werden, in den Landratsämtern spricht man von einer „kl<strong>im</strong>aschutzbasierten<br />
Wirtschaftsförderungsstrategie“. Denn strukturell stehen<br />
die drei Landkreise vor den gleichen Herausforderungen: Im nördlichsten<br />
Zipfel Baden-Württembergs gibt es fast nur kleine industriebetriebe,<br />
es fehlen gewerbezentren, die region ist strukturschwach.<br />
Dafür hat man riesige forst- und landwirtschaftliche gebiete mit über<br />
4.600 entsprechenden Betrieben. Die Waldgebiete machen rund ein<br />
Drittel der Fläche aus.<br />
„<strong>Bioenergie</strong> spart geld“, sagt Sebastian Damm, der geschäftsführer<br />
der <strong>Bioenergie</strong>-Region H-O-T GmbH. Ein Satz, den man gerade <strong>im</strong><br />
Ländle gerne hört. „es wird nur etwas gemacht, wenn es sich auch<br />
rechnet!“, meint Damm. So spart das Kreiskrankenhaus in Öhringen<br />
mit seiner neuen Holzpelletheizung mehrere tausend Euro <strong>im</strong> Jahr.<br />
„Wir wollen den Leuten zeigen, dass <strong>Bioenergie</strong> mehr als nur eine<br />
Alternative ist“, sagt Damm. inzwischen hat die <strong>Bioenergie</strong>-region<br />
H-O-T in allen drei Landkreisen Regionalbüros eröffnet. In den Landratsämtern<br />
begleiten jeweils zwei mitarbeiter die projekte vor ort.<br />
in osterburken <strong>im</strong> neckar-odenwald-Kreis will man nun sogar einen<br />
ganzen industriepark auf erneuerbare energien umstellen. rund<br />
30 Firmen mit mehr als 600 mitarbeitern sind hier angesiedelt, von<br />
der Autolackiererei bis zum Sportbelag-recycler. Die Unternehmen<br />
sehen in dem projekt nicht nur die Chance Kosten zu senken, sondern<br />
durch ein offensives Umweltbewusstsein durchaus auch einen<br />
<strong>im</strong>agegewinn. Wenn alles klappt, sollen <strong>im</strong> „regionalen industriepark<br />
osterburken“ in spätestens fünf Jahren innovative energiesysteme<br />
für Strom und Wärme aus erneuerbaren energien sorgen.<br />
Ein weiteres Vorzeigeprojekt der <strong>Bioenergie</strong>-Region H-O-T liegt <strong>im</strong><br />
Hohenlohekreis: Das Dorf Siebeneich. Die 205 Einwohner wollen zum<br />
ersten <strong>Bioenergie</strong>dorf <strong>im</strong> nördlichen Baden-Württemberg werden.<br />
Schon jetzt versorgen zwei Landwirte mehrere Wohnhäuser mit<br />
Ener gie, der eine mit einer Holzhackschnitzelanlage, der andere baut<br />
auf seinen Feldern Chinaschilf an. nun plant man in Siebeneich noch<br />
eine Biogasanlage.<br />
Auch das ehemalige Atomkraftwerk obrighe<strong>im</strong> ist mittlerweile ein<br />
mosaikstein auf dem Weg zur null-emissions-region. Auf dem gelände<br />
ist in den Jahren nach dem finalen Knopfdruck ein <strong>Bioenergie</strong>zentrum<br />
entstanden. Und dort, wo Jahrzehnte lang die Fußballmannschaft<br />
des Atomkraftwerks trainiert hat, auf dem Betriebssportplatz,<br />
steht heute ein Biomasseheizkraftwerk.<br />
Daniel Ernst, Redakteur, Heidelberg<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Hohenlohe-Odenwald-Tauber<br />
Bundesland: Baden-Württemberg<br />
Landkreise: Hohenlohekreis,<br />
Neckar-Odenwald-Kreis,<br />
Main-Tauber-Kreis<br />
Größe: 3.207 km2 Einwohnerzahl: ca. 400.000<br />
Flächennutzung: 54 % Landwirtschaftsfläche<br />
(davon 80 % Ackerflächen,<br />
18 % Dauergrünland),<br />
34 % Waldfläche,<br />
11 % Siedlungs- u. Verkehrsfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
Rd. 30 Biogasanlagen,<br />
3 große Biomasseheizkraftwerke (15 MWel),<br />
zahlreiche kleinere Hackschnitzel- oder Pelletanlagen<br />
o.ä.<br />
Langfristige Ziele:<br />
100 % Strom aus Erneuerbare Energien, Ausbau<br />
Wärme, Auslösen von 100 Millionen Euro Investitionen<br />
in Erneuerbare Energien, CO -Einsparung<br />
2<br />
von 100.000 t<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Pellets, Hackschnitzel, Nahwärmenetze,<br />
mobile Wärmenutzung, Kurzumtriebsplantagen<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Schaffung energieautarker Räume hinsichtlich der<br />
Strom- und Wärmeversorgung;<br />
Entkopplung der kommunalen Wärmeversorgung<br />
von fossilen Energieträgern;<br />
Aktivierung nicht genutzter Potenziale (Grünschnitt,<br />
Anbauflächen);<br />
Entwicklung einer Kompetenzregion (u.a. zum<br />
Thema KUP und durchw. Silphie);<br />
Bürger als Lieferant von <strong>Bioenergie</strong>trägern<br />
(Biomasse aus Privathaushalten, Privatwald)<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Sebastian Damm<br />
Institution: <strong>Bioenergie</strong>-Region<br />
Hohenlohe-Odenwald-Tauber GmbH<br />
Anschrift: Sansenhecken 1, 74722 Buchen<br />
Tel.: 062 81/90 68 00<br />
Fax: 062 81/90 62 21<br />
E-Mail: info@bioenergie-hot.de<br />
Homepage: www.bioenergie-hot.de
64 <strong>Bioenergie</strong>-region BoDenSee<br />
Besichtigung der Biogasanlage Hof Schönbuch,<br />
welche zum Gesamtkonzept des<br />
<strong>Bioenergie</strong>dorfes Lippertsreute gehört.<br />
Foto: solarcomplex<br />
Heizzentrale Mauenhe<strong>im</strong><br />
Foto: solarcomplex<br />
Kraftwerk Mauenhe<strong>im</strong><br />
Foto: solarcomplex<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfer <strong>im</strong><br />
Halbjahrestakt<br />
Wie ein Bürgerunternehmen die<br />
Energie wende in der Bodenseeregion<br />
vorantreibt<br />
Landwirt Artur martin Jäkle hatte Wärme zu verschenken – denn seine<br />
Biogasanlage blies täglich so viel Energie in die Luft, wie in 500 Litern<br />
Heizöl steckt. „Wir brauchten sogar noch elektrische Energie,<br />
um den Kühler zu betreiben“, sagt der Landwirt, „das war ziemlich<br />
absurd“. Und deswegen setzte er dieser unsinnigen praxis <strong>im</strong> vergangenen<br />
Jahr ein ende.<br />
Jäkle betreibt auf seinem Hof in Schlatt, einem Ortsteil von Hilzingen<br />
<strong>im</strong> Landkreis Konstanz, eine Biogasanlage mit zwei Blockheizkraftwerken.<br />
Doch wie so oft bei Biogasanlagen konnte er die Wärme der<br />
beiden Aggregate auf seinem Hof nur zu einem geringen Teil verwerten.<br />
Und deswegen reifte bald die idee, mit der Wärme per nahwärmenetz<br />
große teile des Dorfes zu beheizen; die ortschaft nämlich<br />
liegt nur wenige hundert Meter vom Hof entfernt.<br />
Die solarcomplex Ag aus dem badischen Singen entwickelte darauf<br />
hin ein entsprechendes Konzept und finanzierte es auch. Im Herbst<br />
2009 konnte dann die Versorgung beginnen: 90 der 100 Hauseigentümer<br />
<strong>im</strong> Dorf entschieden sich für die Biowärme und warfen ihre<br />
Heizung raus – seither kann Schlatt sich <strong>Bioenergie</strong>dorf nennen.<br />
Für solarcomplex – und das ist einmalig in Deutschland – sind solche<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfer inzwischen routine. 2006 realisierte die Firma das<br />
erste <strong>Bioenergie</strong>dorf in mauenhe<strong>im</strong> <strong>im</strong> Landkreis tuttlingen, das<br />
erste seiner Art in Baden-Württemberg. 2008 folgte Lippertreute bei<br />
Überlingen, 2009 kamen Schlatt und außerdem Randegg dran, 2010<br />
65 <strong>Bioenergie</strong>-region BoDenSee<br />
werden Lautenbach (Landkreis Sigmaringen) und 2011 Weiterdingen<br />
(Landkreis Konstanz) folgen.<br />
Damit ist auch die Latte gelegt für die kommenden Jahre: „Unser Ziel<br />
sind künftig zwei <strong>Bioenergie</strong>dörfer pro Jahr“, sagt Bene müller, Vorstandsmitglied<br />
des Unternehmens. Für die Wärmekunden sind die<br />
projekte attraktiv, denn stets wird die Biowärme billiger angeboten<br />
als die fossilen energien.<br />
Vor allem wegen des engagements von solarcomplex wurde die<br />
region Bodensee zur <strong>Bioenergie</strong>-region gekürt; die projektleitung<br />
liegt nun auch in den Händen der <strong>Bioenergie</strong>-Dorf-Experten. Neben<br />
solarcomplex haben aber auch andere Akteure das thema längst<br />
aufgegriffen und beteiligen sich am netzwerk: Die Bodensee-Stiftung<br />
ebenso wie die Stadtwerke radolfzell, die gerade das <strong>Bioenergie</strong>dorf<br />
möggingen realisieren. eine Bürgergesellschaft in Kaltbrunn, einem<br />
ortsteil von Allensbach, will ihr Dorf unterdessen in Zukunft mit<br />
Heu aus der Landschaftspflege heizen, während die Insel Mainau ein<br />
Holzkraftwerk plant.<br />
Dabei steht <strong>im</strong>mer auch die regionale Wertschöpfung <strong>im</strong> Fokus. inzwischen<br />
hat solarcomplex – mittlerweile zur nicht-börsennotierten<br />
Ag umgewandelt – <strong>im</strong> Bodenseeraum schon 58 millionen euro in<br />
saubere energien investiert, den großteil davon in Form von Bürgerkapital.<br />
Das heißt, die gewinne bleiben vor ort, in der region.<br />
es werden auch Solaranlagen auf Dächern oder auf Brachflächen<br />
finanziert, eine der Kernkompetenzen ist jedoch die Umsetzung von<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfern. Die rahmenbedingungen, die es braucht, um ein<br />
projekt rentabel zu realisieren, kann Vorstandsmitglied müller mittlerweile<br />
präzise benennen: Bis zu einem Kilometer weit könne man<br />
die Wärme zum Dorf transportieren. ist die entfernung größer, sei es<br />
sinnvoller, das Biogas per Leitung in den ort zu führen und erst dort<br />
zu verstromen – unbedingt als Biogas, nicht als erdgas, denn die Aufbereitung<br />
ist teuer. notwendig sei ferner, dass sich mindestens die<br />
Hälfte der Häuser an die Nahwärme anschließen lassen.<br />
Weil dies Bedingungen sind, die man in vielen Dörfern vorfindet,<br />
wollen nun <strong>im</strong>mer mehr gemeinden <strong>im</strong> Bodenseeraum auch zum<br />
<strong>Bioenergie</strong>dorf werden. Bis 2011 sei man bereits ausgelastet, sagt<br />
Hanspeter Walz, solarcomplex-Regionalmanager für die <strong>Bioenergie</strong>region<br />
Bodensee. Und auch für 2012 gibt es schon interessenten:<br />
„Wir führen inzwischen eine Warteliste.“<br />
Bernward Janzing, Freier Journalist, Freiburg<br />
<strong>Bioenergie</strong>-Region Bodensee<br />
Bundesland: Baden-Württemberg<br />
Landkreise: Bodenseekreis und Konstanz<br />
Größe: 1.482 km2 Einwohnerzahl: 481.879<br />
Flächennutzung: 7,98 % Gebäude u. Freiflächen,<br />
5,20 % Verkehrsfläche,<br />
52,91 % Landwirtschaftsfläche,<br />
30,87 % Waldfläche<br />
Vorhandene Biomassenutzung:<br />
ca. 60 Biogasanlagen; ca. 35.000 fm/Jahr Brennholznutzung;<br />
Kombinationen dieser beiden Biomassearten<br />
in <strong>Bioenergie</strong>dörfern<br />
Langfristige Ziele:<br />
Bis 2030 Umbau der Energieversorgung weitgehend<br />
auf erneuerbare Energien. Dabei spielt die<br />
<strong>Bioenergie</strong> eine zentrale Rolle: Erweiterung und<br />
Ausschöpfung der regionalen Potentiale; Steigerung<br />
der Effizienz bei der Biogasnutzung; Nachhaltige<br />
Nutzung der <strong>Bioenergie</strong> u.a.<br />
Schwerpunkt Wertschöpfung:<br />
Biogas, Holzhackschnitzel, Pellets,<br />
<strong>Bioenergie</strong>dörfer/-kommunen<br />
Strategien/Leitprojekte:<br />
Kommunikation und Aufklärung; Etablierung eines<br />
Regionalmanagements <strong>Bioenergie</strong>;<br />
bis Projektende: zehn <strong>Bioenergie</strong>dörfer <strong>im</strong> Projektgebiet,<br />
Effizienzsteigerung bei fünf Biogasanlagen<br />
durch Abwärmenutzung, Bildung eines <strong>Bioenergie</strong>-Netzwerkes,<br />
Aufbau zusätzlicher Regionaler<br />
Wertschöpfungsketten, Entwicklung einer regionalen<br />
Nachhaltigkeitsstrategie für die <strong>Bioenergie</strong>nutzung<br />
Ansprechpartner<br />
Name: Hanspeter Walz<br />
Institution: solarcomplex AG<br />
Anschrift: Ekkehardstrasse 10, 78224 Singen<br />
Tel.: 077 31/82 74-<strong>25</strong><br />
Fax: 077 31/82 74-29<br />
E-Mail: walz@solarcomplex.de<br />
Homepage: www.bioenergie-region-bodensee.de<br />
Name: Kromrey, Volker<br />
Institution: Bodensee-Stiftung<br />
Anschrift: Fritz-Reichle-Ring 4,<br />
Tel.: 077 32/99 95-40<br />
Fax: 077 32/99 95-49<br />
E-Mail: volker.kromrey@bodensee-stiftung.org<br />
Homepage: www.bioenergie-region-bodensee.de
66 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt 67 <strong>25</strong> <strong>Bioenergie</strong>-regionen <strong>im</strong> porträt<br />
Ausblick<br />
Zu guter Letzt...<br />
Die in dieser Broschüre vorgestellten regionalen Ansätze zeigen,<br />
dass der <strong>Bioenergie</strong>ausbau nicht nur Chancen für den Kl<strong>im</strong>aschutz<br />
und für eine sichere und unabhängige energieversorgung bietet,<br />
sondern auch für die entwicklung des ländlichen raums selbst: Land-<br />
und Forstwirte werden gemeinsam mit privaten oder kommunalen<br />
partnern zu energieversorgern, Kommunen und Stadtwerke übernehmen<br />
wieder Versorgungsaufgaben, die sie bereits abgegeben<br />
hatten. Die Bewohner der gemeinden beteiligen sich vielerorts an<br />
den Umbauprozessen und machen so die erfahrung, ihr Lebensumfeld<br />
aktiv beeinflussen zu können.<br />
Alles in allem gibt es in den <strong>Bioenergie</strong>-regionen einen trend –<br />
vorsichtig noch, aber doch schon deutlich erkennbar – hin zu einem<br />
energieautarken ländlichen raum, verbunden mit einer neuen positiven<br />
Lebensqualität, dort, wo bis vor kurzem häufig noch Strukturschwäche<br />
und perspektivlosigkeit dominierte.<br />
in Folge der begonnenen entwicklung besteht ein großer informationsbedarf.<br />
Die Fnr bringt deshalb als projektträger des BmeLV<br />
neben dem Wettbewerb <strong>Bioenergie</strong>-regionen weitere Angebote für<br />
regionen und Kommunen auf den Weg: mit der internetplattform<br />
www.wege-zum-bioenergiedorf.de und dem Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>dörfer<br />
2010“ www.bioenergie-dörfer.de werden gezielt<br />
kleinere Kommunen mit geplanten oder bereits umgesetzten alternativen<br />
energiekonzepten angesprochen und gute Ansätze belohnt.<br />
Die regionale <strong>Bioenergie</strong>-Beratung (www.bioenergie-portal.info)<br />
richtet sich direkt an Land- und Forstwirte sowie <strong>im</strong> Bereich energiepflanzen<br />
auch an die breite Öffentlichkeit, um die Akzeptanz und die<br />
effiziente erzeugung und nutzung von <strong>Bioenergie</strong> voranzutreiben.<br />
in den projekten geht es <strong>im</strong>mer auch darum, den <strong>Bioenergie</strong>ausbau<br />
möglichst nachhaltig zu gestalten und ohnehin anfallende, bisher<br />
ungenutzte rohstoffe einzusetzen, um Flächenkonkurrenzen<br />
gering zu halten. Dafür haben die regionen vielfältigste Konzepte<br />
entwickelt, von der grünschnittpelletierung bis hin zur Vergärung<br />
von treibgut an der Küste. Zusätzlich setzen fast alle Förderprojekte<br />
auf eine Kombination mit anderen erneuerbaren energien und auf<br />
maßnahmen zur energieeffizienz und -einsparung. Die wertvollen erfahrungen,<br />
die die regionen mit diesen Ansätzen machen, wollen wir<br />
auch anderen Akteuren weitergeben. So wird die Begleitforschung<br />
ihre Ergebnisse in einem Leitfaden in Form von Handlungsempfehlungen<br />
veröffentlichen. Am ende des Förderzeitraums bietet zudem<br />
ein Abschlusskongress, der allen interessierten personen und regionen<br />
offensteht, gelegenheit, die Förderprojekte kennen zu lernen.<br />
Im bundesweiten Wettbewerb<br />
„<strong>Bioenergie</strong>dörfer 2010“ werden<br />
besonders innovative <strong>Bioenergie</strong>dörfer<br />
prämiert, die die effiziente Nutzung von<br />
<strong>Bioenergie</strong> in hervorragender Weise mit<br />
regionaler Entwicklung verknüpfen.<br />
Foto: Fotolia/Carsten Steps,<br />
Sonja Demmler<br />
mit 210 Bewerbungen war die resonanz auf die Ausschreibung des<br />
Wettbewerbs groß. Viele der nicht ausgewählten Bewerber wollen<br />
ihre ideen und Kooperationsprozesse auch ohne Förderung weiterverfolgen,<br />
dies gaben sie <strong>im</strong> rahmen einer Befragung an. Damit ist<br />
ein teilziel des Wettbewerbs schon jetzt erreicht: möglichst viele<br />
Akteure in ganz Deutschland zur konstruktiven Auseinandersetzung<br />
mit dem thema <strong>Bioenergie</strong> anzuregen.<br />
Lassen auch Sie sich inspirieren! Wir hoffen, dass diese Broschüre<br />
ihnen ein paar motivierende Beispiele dafür geliefert hat.<br />
Herzlichst,<br />
ihre geschäftsstelle des Wettbewerbs „<strong>Bioenergie</strong>-regionen“<br />
bei der Fnr
Herausgeber<br />
Bundesministerium für ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BmeLV)<br />
11055 Berlin<br />
Kontakt<br />
geschäftsstelle Wettbewerb „<strong>Bioenergie</strong>-regionen“<br />
Fachagentur nachwachsende rohstoffe e.V. (Fnr)<br />
Daniela Rätz, Zdenka Hajkova<br />
Hofplatz 1, 18276 Gülzow<br />
Tel.: 0 38 43 / 69 30-2 45<br />
info@bioenergie-regionen.de<br />
www.bioenergie-regionen.de<br />
www.fnr.de<br />
Stand<br />
Juni 2010<br />
Redaktion<br />
Fachagentur nachwachsende rohstoffe e.V. (Fnr)<br />
Autoren:<br />
FNR: Zdenka Hajkova, Nicole Paul, Daniela Rätz; Begleitforschung: Judith Elbe/<br />
Dirk Schubert, Ruth Offermann/ Thilo Seidenberger; externe Autoren: Karsten Bär,<br />
Herrmann Böttiger, Eckart Büxel, Daniel Ernst, Michael Hamacher, Herbert Hofberger,<br />
Maria Horn, Bernward Janzing, Dieter Junker, Frank Kalla, Andreas Kathe,<br />
manfred mohr, Andreas müller, Susanne müller, Denis peisker, Dennis pucher,<br />
Barbara Reichenbach, Stefanie Reiffert, Heike Schwandt, Thorsten Sienk,<br />
Holger Vonberg, Bernd Vorländer, Martin Walther, Sandra Wamers, Heike Wells<br />
Druck und Verarbeitung<br />
www.druckerei-weidner.de, rostock<br />
Gestaltung und Herstellung<br />
www.tangram.de, rostock<br />
Foto-/Bildnachweis<br />
Titel: solarcomplex AG, Kreisverwaltung Cochem-Zell/Edi Reiz, Andreas Birresborn,<br />
Susanne Müller; S. 2 ©istockphoto.com/AVTG; S. 3 BMELV; S. 5 ©istockphoto.com/PeterAustin;<br />
S. 6 BMELV; S. 7 <strong>Bioenergie</strong>-Region Weserbergland plus;<br />
S. 8 oben BMELV, unten Holger Vonberg; S. 10 FNR; S. 15 ©istockphoto.com/foto-<br />
Voyager; S. 66 oben BmeLV, unten Fnr<br />
Weitere Informationen finden Sie <strong>im</strong> Internet unter<br />
www.bmelv.de