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Gedicht: In Comenii obitum

(Leibniz notierte hierzu: Versus, quos Hesenthalero misi.)

Fortunate senex, veri novus incola mundi,

Qvem pictum nobis jam tua cura dedit.

Seu res humanas insanaqve jurgia, liber

Despicis, et nostris usqve movere malis;

Sive Apicem Rerum et mundi secreta tuenti,

Interdicta solo, nunc data Pansophie;

Spem ne pone tuam, superant tua carmina mortem,

Sparsaqve non vanè semina servat humus.

Posteritas non sera metet, jam messis in herba est,

Articulos norunt fata tenere suos.

Paulatim natura patet, felicibus unâ,

Si modò conatûs jungimus, esse licet.

Tempus erit qvo te, COMENI, turba bonorum,

Factaqve, spesqve tuas, vota qvoqve ipsa, colet.

Glückseliger Greis, neuer Bewohner der wahren Welt,

von der uns deine Sorge (dein forschendes Mühen) schon jetzt ein Bild gegeben hat;

ob du nun frei auf die menschlichen Verhältnisse und die heillosen Streitigkeiten

herabblickst und noch immer von unseren Leiden (oder Übeln) berührt wirst,

oder ob dir jetzt, da du das Wesen der Dinge und die Geheimnisse der Welt schaust,

die Allweisheit (die Pansophie), die dem Erdenleben versagt ist, zuteil wurde,

gib deine Hoffnung nicht auf, deine Werke überleben den Tod,

und der Ackerboden bewahrt den nicht vergeblich ausgesäten Samen.

Nicht allzu spät wird die Nachwelt ernten, schon reift die Ernte heran,

das Schicksal weiß den rechten Zeitpunkt einzuhalten.

Allmählich offenbart sich die Natur. Wir dürfen gemeinsam glücklich sein,

wenn wir nur unsere Anstrengungen vereinen.

Es wird die Zeit kommen, da eine Vielzahl guter Menschen, dich, Comenius, ehren,

deine Werke und deine Hoffnungen schätzen, ja selbst deine innigsten Wünsche verwirklichen wird. 34

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Mitteilungen &

Veranstaltungen

9. Literaturwissenschaftliches

Propädeutikum der

Klassischen Gräzistik

Die Klassische Gräzistik am Institut für Griechische

und Lateinische Philologie lädt ab dem

02.03. bis zum 30.03.2020 in fünf Sitzungen jeweils

montags, 18:15–19:45 Uhr, zum 9. Literaturwissenschaftlichen

Propädeutikum ein.

Das Thema lautet diesmal:

Unterweltsmythen. Erzählungen über das

Leben nach dem Tod in antiker Literatur

Ob auf Fahrt in die Unterwelt über den Fluss Styx

mit dem Fährmann Charon, vor dem Totengericht,

bei den Frevlern im Tartaros oder bei den

glücklichen Seelen im Elysion – Bilder und Mythen

über ein Leben nach dem Tod begegnen uns

immer wieder und in vielfältigen Formen in den

Erzählungen der antiken Literatur. Sie sind Teil

der Handlungen und Geschichten, die in Dichtungswerken

erzählt werden. Doch sie haben

auch darüber hinaus Bedeutung für die, die sie

geschrieben und erzählt, gehört und gelesen haben.

Manchmal als Spiegelung eines noch praktizierten

Kultes oder einer religiösen Überzeugung,

manchmal als Erinnerung an ferne Vergangenheiten

der eigenen Kultur. Und auch uns erzählen die

Unterweltsmythen etwas: Sie lassen das Verhältnis

von Leben und Tod, von Handeln und Strafe,

von Religion und Unsterblichkeitserwartung, wie

es in den antiken Kulturen begegnete, lebendig

werden.

Mit diesem Gedicht und besonders mit den letzten Zeilen hat sich Leibniz schon in jungen Jahren als

„visionärer Denker” 35 erwiesen, als der er auch heute noch in vieler Hinsicht gilt.

34 Das letzte Wort des Gedichtes colet vom Verbum colĕre (von dem unser Wort Kultur abstammt) hat hier eine fast alle nur

denkbaren Schattierungen umfassende Bedeutung: bebauen, bestellen, bearbeiten; hegen, pflegen, ausbilden; sorgfältig üben

oder betreiben; Sorge tragen für etwas; hochhalten, verehren.

35 Vgl. den Flyer der BBAW zum 370. Geburtstag 2016, oben Anm. 22.

Gesehen im Neuen Museum, Berlin Museumsinsel

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LGBB 01 / 2020 · JAHRGANG LXIV

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