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Umzugs der Rüstkammer ins Residenzschloss genau
an jenen Ort, für den sich Semper seine berückende
Lichtregie hatte einfallen lassen. Diese
kann man nun im neubenannten „Antikensaal“
wieder genießen. Das
mit dem Tagesverlauf
wandernde Sonnenlicht,
das am Nachmittag den
Saal geradezu flutet, bescheint
aber nicht mehr
Gipsabgüsse – die werden
alsbald, prachtvoll
restauriert, im Erdgeschoss
des angrenzenden
„Deutschen Pavillons“
ausgestellt –, sondern
Originale: die überreiche
Dresdner Antikensammlung,
begründet durch
August den Starken in
den Jahren 1723 bis
1733, als er die zwei römischen
Kollektionen der
Adelsfamilien Chigi und
Alberti erwarb.
Im ersten Raum steht die
sogenannte Dresdner
Symplegma im Zentrum.
Ein Hermaphrodit und ein
Satyr ringen miteinander,
und es bleibt doch sehr
zweifelhaft, ob die erotisch-akrobatische
Verstrickung
einvernehmlich
ist. Im Kontrast dazu stehen
die drei einst von
Winckelmann so gerühmten
Herkulanerinnen in vornehmer Ruhe in ihren
vornehmen Gewändern und blicken auf das Geschehen.
In der neuen Zusammenstellung von Bild
und Skulptur zeigen sich mitunter überraschende
Referenzen: Ein marmorner Kindskopf, der Hendrik
de Keyser zugeschrieben wird, taucht in Rembrandts
Gemälde Ganymed in den Fängen des Adlers
wieder auf. Antike Skulpturen werden häufig
als Vorbilder für Renaissance-Gemälde sichtbar.
Der sächsische Reichtum mit seinen Handelsstädten
und innovativen Manufakturen hatte es August
dem Starken und seinem Sohn August III. ermöglicht,
eine ungeheure Flut an Meisterwerken
zu erwerben. Vor allem in der ersten Hälfte des
18. Jahrhunderts war zeitweise ein regelrechtes
Netz an Agenten und Kunsthändlern europaweit
für die Dresdener Herrscher tätig, um Bilder von
Tizian, Raffael, Correggio, Tintoretto, von Jan
van Eyck, Rubens, Rembrandt, Vermeer, El Greco,
Velázquez, von Tournier, Lorrain und Poussin
herbeizuschaffen. In beispiellos kurzer Zeit, in nur
vier, fünf Jahrzehnten, wurde eine Sammlung von
Giorgione/Tizian, Schlummernde Venus, um 1508/10 © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Estel/Klut
Weltrang erstanden. Spätestens um 1800 war
Dresden der Pilgerort schlechthin für Kunstbegeisterte.
Vor allem romantische Schriftsteller,
aber auch noch Dostojewski erstarrten regelrecht
begeistert vor dem bis heute bekanntesten Gemälde
der Sammlung: Raffaels Sixtinischer Madonna.
Die zwei nachdenklich-lustigen Putten
am unteren Bildrand sind zum profanen Postkarten-
und Bettwäschemotiv geworden. Die Stadt
verdankt August III kunsthistorisch noch mehr als
seinem Vater. Er kaufte 1736 die bekanntesten
Dresdner Antiken, die
drei sogenannten Herkulanerinnen:
drei 1711 in
Herculaneum ausgegrabene
lebensgroße Frauenskulpturen
aus dem
ersten nachchristlichen
Jahrhundert, deren Eleganz
und Bearbeitungssorgfalt
ihresgleichen
suchen. Winckelmann
schmolz vor ihnen dahin.
Gemeinsam mit der
Sixtinischen Madonna
bilden sie das Quartett
der schönsten Frauen
von Dresden, und nun
ist es erstmals auf Dauer
im selben Haus vereint.
Neue Sonderausstellungsflächen
ermöglichen
nun wechselnde
Präsentationen von
Kunstschätzen aus den
Beständen sowie nationalen
und internationalen
Leihgaben. Das Winckelmann-Forum
bietet
eine große Wechselausstellungsfläche,
die das
gesamte Erdgeschoss
des Westflügels umfasst.
Ab 3. April 2020
wird diese mit der Sonderausstellung „Raffael –
Die Macht der Bilder. Die Tapisserien und ihre
Nachwirkung“ eröffnet. Das Semper-Kabinett im
ersten Obergeschoss bietet Gelegenheit, kleine
und fokussierte Präsentationen zu sehen. Parallel
zur Wiedereröffnung wird dort die Schau „Begegnung
mit einem Gott. Der Dresdner Mars von
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