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Die Zerstörung des Slavoj Ž.

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Die Zerstörung des Slavoj Ž.

Eine Kritik an Slavoj Žižeks Kritik von Giorgio Agambens Warnung vor einer Gewöhnung an

den Ausnahezustand

Von Tom Radau

[Teil 4 meiner Serie "Philosophen tanzen auf dem glatten Eis der Aktualität" widmet sich

Slavoj Žižek.] Der slowenische Starphilosoph beteiligt sich an der regen Debatte, die

Agambens Interpretation der gegenwärtigen Umwälzungen im Lichte seiner von Schmitt und

Foucault entliehenen und zu zentralen Topoi seines philosophischen Œuvres verzwirbelten

Begriffe vom "Ausnahmezustand" und "Biopolitik" getriggert hat.

Žižeks Text in der Neuen Zürcher Zeitung plätschert anfangs eher lustlos vor sich hin, vergibt

Großchancen kläglich und arbeitet sich vor allem daran ab, Agamben ein "reg‘ dich nicht auf,

Opa, wird schon wieder, irgendwie" entgegenzuhalten. Wenn dies eines aufzeigt, dann wie

stumpf das marxistische analytische Besteck mittlerweile geworden ist angesichts in

Auflösung begriffener nationalstaatlicher Strukturen, die unterminiert oder gleich ganz

übernommen werden durch hypermobile, globalisierte Kapitalagglomerationen, während

die wirklich wichtigen Entscheidungen in unzähligen nichtstaatlichen Konstrukten und

informellen Zirkeln ausgehandelt werden. Heute weiterhin mit dem Begriffspaar von Kapital

und Staatsmacht, so wie Marx es einst beschrieben und seine Lehren daraus gezogen hat, zu

hantieren erscheint mir jedenfalls seltsam hilflos und vorgestrig.

Die staatlichen Eingriffe in die Bewegungsfreiheit hält Žižek für alternativlos angesichts der

unhinterfragt für real gehaltenen viralen Gefahr. Und dann – unversehens und unvorbereitet

– wird per Zwischenüberschrift nichts geringeres als eine "philosophische Revolution"

angekündigt. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuße, der Vielschreiber kreißt und gebiert

eine Maus:

"Dinge, die wir gewöhnlich als Teil unseres Alltags erlebt haben, werden nicht mehr

als normal gelten; wir werden gelernt haben, ein weit zerbrechlicheres Leben mit

ständigen Bedrohungen zu führen. Wir werden unsere gesamte Einstellung

gegenüber dem Leben anpassen – gegenüber unserer Existenz als Lebewesen

inmitten anderer Lebensformen."

Dass sich eine Menge für uns ändern wird, dürfte vielen interessierten Zeitgenossen - und

der kollektive lockdown gibt hierfür mehr als reichlich Anlass und Gelegenheit - inzwischen

bereits als Binse vorkommen. Dass Žižek dies allerdings, wie wir sehen werden,

metaphernreich und kenntnisarm allein dem Virus unterschiebt, halte ich für mehr als

phantasielos. Menschliche Akteure und deren Motive und Strategien zu benennen, das

versäumt er komplett. Und weiter:

"Anders gesagt: Wenn wir Philosophie als Bezeichnung für unsere Grundorientierung

im Leben verstehen, werden wir eine echte philosophische Revolution erfahren. Wir

werden nach Corona anders über uns selbst denken als zuvor. Nur wie?"

Auf der Suche nach Inspiration, wie die uns dräuende Zukunft wohl aussehen könnte, hat

Žižek anscheinend nachgeschlagen, was denn solch ein "Virus" überhaupt sei. Die dürren


Sätze, die er uns stolz mitteilt, hätten auch bei Wikipedia abgeschrieben sein können. Sie

stammen zwar von Daniel Dennett, doch dessen Werk kann er kaum umfänglich gelesen,

geschweige denn gedanklich durchdrungen haben. Warnen können hätte ihn zum Beispiel

der folgende Satz ...

"Don’t make the common mistake of thinking that all viruses are bad; for every toxic

virus there are millions in us that are apparently harmless, and some may be helpful

or even essential."

... aus Dennets Buch "From Bacteria to Bach and Back". Doch wozu! Lieber greift Žižek sich

das banale Schnipselchen an Information, wonach Viren sich nicht einpassen lassen in die

menschengemachte Taxonomie alles Lebendigen, und schwingt sich damit rasch wieder auf

zu Höhenflügen über gewohntem Terrain: über Schelling und den unvermeidlichen Hegel

landet er schlussendlich bei Tolstoi.

Unterwegs wird noch die Dawkinssche Gen-Mem-Analogie aufgegriffen, mit der auch

Dennet sich im oben erwähnten Buch abmühte und die umso nerviger wird, je mehr ihrer

Fans der Verlockung erliegen, durch deren Verwendung das eigene limitierte Verständnis

entweder kultureller oder evolutionärer oder beider Vorgänge zu offenbaren. Hier lässt auch

Žižek sich nicht lumpen.

Und Tolstoi – vermutlich mit seinem auf geringe zeitgenössische Gegenliebe gestoßenen

essayistischen Spätwerk "Was ist Kunst?" aus dem Jahr 1897; für eine genauere Überprüfung

ist mir draußen gerade zu viel im Fluss – Tolstoi also muss als Zeuge herhalten für ein

furioses Fazit voll kruder Infektionsmetaphern aus dem vorletzten Jahrhundert:

"Die Grundkategorie von Tolstois Anthropologie ist die Infektion. Er sieht das

menschliche Wesen als ein passives leeres Medium, das von affektbeladenen

kulturellen Elementen infiziert ist, die wie ansteckende Bazillen sich von einem

Individuum zum anderen ausbreiten. Und Tolstoi geht hier bis ans Ende: Dieser

Ausbreitung affektiver Infektionen setzt er keine echte geistige Autonomie entgegen;

er schlägt keine heroische Vision einer Selbsterziehung zu einem autonomen

ethischen Subjekt vor, das sich zu diesem Zweck der ansteckenden Bazillen entledigt.

Es gibt allein den Kampf zwischen guten und schlechten Infektionen: das Christentum

selbst ist eine Infektion, wenn auch – für Tolstoi – eine gute."

"Das [ist] die verstörendste Lektion, die die anhaltende Virus-Epidemie für uns

bereithält: Der Mensch ist viel weniger souverän, als er denkt. Er trägt weiter, was

ihm zugetragen wird. Er spricht und weiss nicht, was er sagt. Er taucht auf – und

irgendwann verschwindet er wieder von der Erdoberfläche. Das muss er aushalten

können, ohne verrückt zu werden."

... wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand, könnte der Poststrukturalist ergänzen, ich bin so

gerührt! Nicht. Statt solch hilflosen Geschwurbels könnte man beispielsweise aufklären, dass

die zahlreichen, zusammen mit dem wissenschaftlichen Fortschritt des 18. Jahrhunderts

geprägten medizinischen und mikrobiellen Metaphern eine bis heute prägende,

kulturhistorisch eher ambivalent zu beurteilende Rolle gespielt haben und deren

fortdauernder Gebrauch auch heute noch den Blick auf mittlerweile erlangten

Kenntnisgewinn verstellt. Ebenso, dies nur nebenbei, sind auch wesentliche Elemente des im


18. Jahrhundert ausgeprägten gesellschaftlichen Subsystems der Medizin bis in die

Gegenwart wenig hinterfragt tradiert worden.

Statt also auf eine aktuelle Problemstellung mit heillos veralteten Bezügen in die ferne

Vergangenheit zu antworten, hätte man wunderbar Parallelen und Widersprüche zwischen

damals und heute aufzeigen können: Die zu Zeiten nach Robert Kochs Entdeckung des

Tuberkel-Bazillus geprägte Auffassung von Bakterien als feindlichen Eindringlingen, die es

mit einem Arsenal radikaler medizinischer Interventionen zu vernichten galt, ist

wissenschaftlich längst überholt. Denn längst wissen wir um die lebenswichtige Rolle

mikrobieller Besiedelung innerer wie äußerer Grenzflächen unseres gesamten Organismus,

ja der gesamten Biosphäre, und erkennen immer mehr koevolutionäre und symbiotische,

aber auch parasitäre Interaktion. Die Metaphorologie des 18. Jahrhunderts prägt jedoch

leider bis heute ein Paradigma medizinisch-pharmakologischer Praxis! Dies liegt wenig

überraschend natürlich an den Beharrungskräften des pharmazeutisch-medizinischen

Komplexes, dem an einer ganzheitlicher orientierten Medizin aus ökonomischem

Selbsterhaltungstrieb nicht gelegen sein kann.

Exkurs zur Virologie im Lichte der Aktualität

Bakterien verfügen über eine Zellhülle inklusive eingebauter Energieversorgung. Dies

unterscheidet sie von den rudimentär ausgestatteten Viren. Ein Virus ist im wesentlichen

lediglich eine Nukleinsäure, auf der die Informationen zur Steuerung des Stoffwechsels einer

Wirtszelle enthalten sind. Dies erklärt, weshalb die Forschung hier erst mit dem

Fortschreiten der Gentechnik so richtig in Schwung gekommen ist.

Leider hat sich auf diesem Gebiet längst eine Kaste hochspezialisierter Technologen

herausgebildet, die mit sündhaft teurem High-Tech arbeiten und denen noch viel stärker als

in den meisten Bereichen der Medizin der Blick fürs große Ganze in der Regel eher abgeht,

dezent formuliert. Später mehr dazu. Dabei böten sich hier reichlich Ansatzpunkte, auch um

unser Gesamtbild von Evolution zu erweitern, denn Viren sind in der Lage, über

Artengrenzen hinweg genetische Informationen zu transportieren, und sie wandeln sich

dabei in einem permanenten, sparringsartigen Wechselspiel mit dem Immunsystem ihrer

Wirte. Nur ein geschwächter Wirt kann dadurch ernsthaft ausgeknockt werden. Dies kann

aber gar nicht in der evolutionären Strategie der Viren liegen, ist also eher als Unfall zu

bewerten, geht ihnen doch so ihr Replikationswerkzeug verlustig. Einen Vorteil könnte man

daran hingegen für die Wirtsspezies in ihrer Gesamtheit erkennen, durch die geleistete

Selektionsarbeit - auf uns Menschen bezogen: Viren zeigen uns unsere Schwachstellen auf,

und sie sorgen mit dafür, dass unangepasstes Verhalten weniger Reproduktionserfolg hat.

Und auf unsere Viren bezogen – Achtung, nichts für zart Besaitete –: Stirbt ihr Wirt, und mit

ihm auch dessen viraler Gast, so stellt dies ein Opfer der Viren zu Wohle der höheren Spezies

Mensch dar.

Disclaimer: Ich finde es nicht gut, dass dies anscheinend so ist wie es ist! Ich wünschte, wir

lebten in einer besseren Welt, in der ich solche Beobachtungen nicht machen müsste. Ich

distanziere mich vorsorglich von jeder denkbaren und undenkbaren Lesart, ich befürwortete

in jeglicher Form, dass Menschen an Vireninfektionen stürben!


Die Gründe für die stetig intensivierte Virenforschung liegen aber gewiss nicht im Gewinn

philosophisch-spiritueller Einsichten über ein Gaia, welches im beständigen, schranken- und

klassenlosen Wechselspiel aller mit allen schwelgt.

Und auch die medizinischen Anwendungen zum Schutz vor Infektionen ließen sich mit etwas

Boswillen als Sekundärnutzen interpretieren, sofern denn überhaupt ein tatsächlicher

Nutzen entsteht. Vielmehr drängt sich mir angesichts der alle paar Jahre von den üblichen

Verdächtigen generierten Virenpanik der Verdacht auf, dass diese zuvörderst der Akquise

von Forschungsmitteln und dem Umsatz der Impfstoffhersteller dient.

Einsatzbereiche zuhauf bietet hierfür auch die Gentechnologie, und Viren spielen darin nach

wie vor eine wichtige Rolle: Als sogenannte Vektoren oder "Genfähren" dienen Viren als

Transportvehikel für das gezielte Einschleusen von Genabschnitten in alle denkbaren

biologischen Systeme des Pflanzen- und Tierreiches sowie von Bakterien. Denn das ist ihre

Spezialisierung! Ihr einziges Talent! Viren hängen zwar merkwürdig im Zwischenreich

zwischen leblos und lebendig – doch dies kümmert sie wenig, das belegt bloß, dass wir nicht

wirklich begriffen habe, was für Dienste sie für das Reich des Lebendigen leisten. Tatsächlich

sind Viren geniale und wandlungsfähige Manipulatoren - und genau das macht ihre wahre

Faszination aus!

Niemanden könnten solch schöngeistige Gedankenspielerei weniger tangieren als die

Virologie selbst. Denn die Virologenzunft, so viel ist mir nach Jahren der kritischen

Beschäftigung mit deren Inhalten und Methoden deutlich geworden, ist eine wahre

Natterngrube! Gott zu spielen, in allen denkbaren Schattierungen Macht über Leben zu

erlangen – darin liegt die ultimative Verlockung für manipulative Charaktere! Und hierin liegt

auch der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, ob die hohen Summen, all die Milliarden, die

unsere Gesellschaften in die Förderung dieses Forschungszweiges im Gefolge der kollektiven

Hysterien um HIV, SARS, Vogel- und Schweinegrippe, Rinderwahn und Ebola locker machen,

wirklich ausschließlich lauteren Zielen dienen, wie man uns permanent weiszumachen

versucht.

Und dank CRISPR/Cas9 im Erbgut vieler Bakterien und Archaeen nimmt die Gen-Revolution

gerade erst richtig Fahrt auf ...

Keinesfalls unterschlagen werden darf auch der militärische Bereich der Biowaffenforschung

- natürlich bloß zu defensiven Zwecken, da die Anwendung ja international streng verpönt

ist. Doch man will schließlich wissen, was der Gegner Perfides aushecken könnte ...

Und damit wären wir bei verschiedenen – denkbaren – Szenarien, was hinter der

grassierenden Coronaviren-Pandemie möglicherweise tatsächlich stecken könnte: Handelt es

sich um ein Virus aus dem Kriegswaffenarsenal? Wenn ja, spricht es chinesisch oder

englisch? Warum wurde Fort Detrick vergangenen Sommer so hastig geschlossen?

Oder, und dies zeichnet sich für mich dieser Tage immer deutlicher ab als wahrscheinlichste

Erklärung, da der Nebel sich lichtet und aufgrund der Erfahrung mit vorangegangenen

kollektiven Hysterien, die durch mediale Verstärkerschleifen geschickt wurden: Handelt es

sich vor allem um eine Testepidemie, bei der immer bessere Nachweismethoden erst den

Bedarf erzeugen, wo zuvor einfach bedauernd, aber schulterzuckend ein jahreszeitliches

Ansteigen der Sterbefälle hinzunehmen gelernt worden war? Und haben hyperventilierende


Öffentlichkeiten womöglich infolge einer self fulfilling prophecy am Ende mehr Tote

generiert, als wäre niemals getestet worden? Meinetwegen abzüglich der verhinderten

Todesfälle aufgrund durch die Schutzmaßnahmen vermiedenen Infektionen? Zuzüglich der

Suizide wegen ruinierter Existenzen! Genauer werden wir das, soviel steht fest, nie wissen

können.

Zum Schluss noch einmal zurück zu Žižek, den hätte ich fast vergessen ... Was mir nicht nur

bei ihm, sondern auch bei vielen anderen großkopfigen Vorturnern auffällt: Die Unfähigkeit –

oder ist es Unwillen? –, in evolutionären Kategorien zu denken: Hierin scheint mir ein

grundlegendes Problem zu liegen und eine Schwäche insbesondere marxistisch geschulter

Soziologen und Philosophen!

Deren Furcht vor einer erneuten Konjunktur sozialdarwinistischer Verirrungen, die einst in

Rassenwahn und Weltenbrand gipfelten, scheint mir so fest in ihre DNA eingebaut, dass sie

sich als konstruktionsbedingt unfähig zu einer Öffnung für neuere Erkenntnissen der

modernen Evolutionsbiologie erweisen. Dabei hat die heutige Biologie der Evolution – ein

paar scientific turns nach "On the Origins of Species" – mit den Ursprüngen nur noch wenig

gemein. Und so wird ein aufs andere Mal die Chance vergeben, diese Forschung für ein

tieferes Verständnis gesellschaftlicher, technologischer und naturwissenschaftlicher

Entwicklungen aus geisteswissenschaftlicher Perspektive fruchtbar zu machen. Geschweige

denn etwas Reflektiertes, Erhellendes, Orientierendes in Zeiten globaler mikrobieller

(Pseudo-)Notlagen beizusteuern.

Ganz im Gegenteil, diverse Gelegenheiten, Natur- und Geisteswissenschaften anzunähern

bzw. mittels durch- und überdachter Übergänge an einem einzigen, größeren

Gedankengebäude voller anschlussfähiger Querverbindungen mitzubauen, sind terminal vor

die Wand gefahren worden. Kein Fach erschiene mir geeigneter eine Scharnierfunktion

einzunehmen als die Evolutionsbiologie, zusammen mit der in der Verhaltensbiologie

angesiedelten Soziobiologie. Doch bei jeder wichtigen, wegweisenden Debatte kämpften

Vertreter der oben erwähnten geisteswissenschaftlichen Geschmacksrichtung mit

erbittertem Furor in der vordersten Abwehrreihe. Ich halte dies für hochsymptomatisch, und

es dürfte Gründe haben – diese zu beleuchten würde jedoch den Rahmen meiner kleinen

Denkmalsschändung endgültig sprengen.

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