Dance for You Magazine 81 (Nov/Dec 2017)
The international dance magazine is dedicated to the dance world. Dance for You is published six times per year in German and English Language. It is our intention to make current dance events transparent and to inform objectively about facts and newest developments. With a unique mixture of topics and a modern, clear appearance, technically competent and understably presented, Dance for You Magazine is read by theatres, dance companies, dancers, choreographers, performers, show business, dance schools, associated clubs, dancewear manufacturers, retailers, dance competitons,dance festivals, agencies, show organziers and more.
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46 DANCEforYOU magazine
Hommage an ein düsteres filmisches Genre
Gonzalo Galgueras „America Noir“
fesselt Magdeburgs Zuschauer
Ensemblefoto von Andreas Lander
Shot The Sheriff?“ als Western-Ballett
in Schwerin, Agatha
„Who
Christies „Mord im Orient-Express“
beim NRW-Juniorballett, und in Magdeburg
„America Noir“ als Hommage an den Film
noir aus den USA der 1940/50er. Ballettchef
Gonzalo Galguera reizt daran die zwielichtige
Atmosphäre um desparate Figuren, Mord,
realen oder geträumten, um Schuld ohne
nähere Begründung und Flucht - vor echten
Verfolgern oder den Qualen in sich. Seine
Story knüpft der kubanische Choreograf
an Musik US-amerikanischer Komponisten
aus sieben Jahrzehnten. In den fünf Episoden
von „America Noir“, was hier eben nicht
die Hautfarbe meint, hetzt ein Mann durchs
Land, auf der Suche nach einer Bindung und
somit Erlösung von jenen Schuldgefühlen,
ohne dass sie ihm zuteil wird.
Denn ihm lastet in nebliger Weite zur schroffen
Rhythmik von Joan Towers „Tambor“ eine
Tote auf der Schulter. Ob er Täter ist oder sie
bloß eine Versagensmetapher, bleibt in der
Manier des Film noir unklar. Zwei Polizisten
drangsalieren den Mann im Verhör, er kann
fliehen, auch, von einer schwingenden Lampe
umflackert, aus seinem inneren Gefängnis.
Angst treibt ihn um. Drei Frauen begegnet er
in seiner Unrast, mit keiner kommt es zu einer
dauerhaften Begegnung. Erste Station ist die
Scheinwelt des Films. Vor dem Standbild eines
Kusses flirtet er zu jazzigen Klängen von
William Grant Still mit der Diva, sie elegant
tändelnd, er ein seelisch Zerrissener, der sich
ihr mehr verzweifelt als begehrend nähert.
Der Traum zerplatzt ebenso wie die nächste
Illusion in der nächtlichen Bläue eines Fantasieparks.
Hier fährt er mit einem Cabrio ein,
hier erwartet ihn eine sanfte junge Frau voller
Hingabe - so sehr, dass sie ihn vor den verfolgenden
Polizisten versteckt. Teilen aus Aaron
Coplands „Appalachian Spring“, entstanden
America Noir (Ch. Gonzalo Galguera) Andreas Loos und Narissa Course, Foto Andreas Lander
einst für Martha Graham, als nervösem Einstieg
schließt sich ein zaghaftes Liebesduett
voller Hebe-, Schleuder- und Drehformen
an, dessen schmerzliches Uneinssein der
Gefühle Samuel Barbers „Adagio for Strings“
umflort: in Bühnenbild und Choreografie die
stimmigste Episode.
Auch im hektischen New York, von Projektionen
markiert, findet der Mann keine
Partnerin. Inmitten uniformer, puppenhaft
funktionierender Wesen, an den filmischen
Meilenstein „Metropolis“ erinnernd, verwickelt
ihn eine Kokette ohne wirkliche Absichten
in ein Werbespiel, das ihn in tiefere Unruhe
stürzt. John Adams‘ „Chairman Dances“,
peitschend dann Philip Glass' „The Canyon“
befeuern das. Als Wahnbild bedrängen den
Mann seine drei Favoritinnen und lassen ihn
zwischen Gittern mit der Toten des Beginns
zurück: Jedem seine Leiche auf dem Kreuz,
dies die Botschaft eines gelungenen Ausflugs
in düstere filmische Gefilde, virtuos neoklassisch
in der Bewegungssprache, mit Andreas
Loos als prägnantem Mann und der kontraststark
musizierenden Magdeburgischen Philharmonie
unter ihrer russischen Gastdirigentin
Anna Skryleva.
Volkmar DRAEGER
www.danceforyou-magazine.com