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Antje Haugg: Auf geht´s, Minitigers! Eine spannende Geschichte für Kinder

Endlich wieder aufs Eis! Jonas hat sich so auf den Saisonbeginn gefreut, aber jetzt ist plötzlich alles Mist: zu wenig Spieler für eine Turniermannschaft, eine Neue, die voll herumzickt. Und dann müssen die Minitigers sich auch noch mit einer Menge Vorurteile herumschlagen: dass Brasilianer immer Fußball spielen, dass Mädchen nur Eiskunstlauf machen oder dass Wölfe und Tiger keine Freunde sein können. Aber ob das alles stimmt? --------------------------------------------------------------------------------- Lieber Bücherfreund, gerne stelle ich mich und meine Geschichten hier vor: 1965 in Bayreuth geboren, verheiratet und Mutter von vier Kindern, begann ich schon während meiner Schulzeit zu schreiben. Anfangs waren es Gedichte und Liedtexte, später kamen Kurzgeschichten dazu sowie ein erster Entwurf meiner Teufelsbraten. 1982 gewann ich den regionalen Lyrikpreis des »goldenen Liebri«, 1988 kam es zu einer ersten Veröffentlichung in der Anthologie »Meine Gefühle schlagen Purzelbäume« (ISBN 398-0200302, vergriffen). Anschließend jedoch sorgte meine Tätigkeit in der Finanzverwaltung und als Steuerberaterin für eine lange kreative Pause. Erst durch meine Kinder kam ich wieder zum Schreiben und durfte bereits mehrere Bücher veröffentlichen. Da meine Zielgruppe heranwuchs, änderten sich auch die Themen meiner Bücher und Geschichten von Kinder- und Jugendbüchern hin zu regionalen Krimis, die alle in meiner Heimatstadt Bayreuth spielen.

Endlich wieder aufs Eis! Jonas hat sich so auf den Saisonbeginn gefreut, aber jetzt ist plötzlich alles Mist: zu wenig Spieler für eine Turniermannschaft, eine Neue, die voll herumzickt.
Und dann müssen die Minitigers sich auch noch mit einer Menge Vorurteile herumschlagen: dass Brasilianer immer Fußball spielen, dass Mädchen nur Eiskunstlauf machen oder dass Wölfe und Tiger keine Freunde sein können. Aber ob das alles stimmt?
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Lieber Bücherfreund,

gerne stelle ich mich und meine Geschichten hier vor:

1965 in Bayreuth geboren, verheiratet und Mutter von vier Kindern, begann ich schon während meiner Schulzeit zu schreiben. Anfangs waren es Gedichte und Liedtexte, später kamen Kurzgeschichten dazu sowie ein erster Entwurf meiner Teufelsbraten. 1982 gewann ich den regionalen Lyrikpreis des »goldenen Liebri«, 1988 kam es zu einer ersten Veröffentlichung in der Anthologie »Meine Gefühle schlagen Purzelbäume« (ISBN 398-0200302, vergriffen). Anschließend jedoch sorgte meine Tätigkeit in der Finanzverwaltung und als Steuerberaterin für eine lange kreative Pause. Erst durch meine Kinder kam ich wieder zum Schreiben und durfte bereits mehrere Bücher veröffentlichen. Da meine Zielgruppe heranwuchs, änderten sich auch die Themen meiner Bücher und Geschichten von Kinder- und Jugendbüchern hin zu regionalen Krimis, die alle in meiner Heimatstadt Bayreuth spielen.

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[1]<br />

<strong>Auf</strong> <strong>geht´s</strong>, <strong>Minitigers</strong>!<br />

<strong>Eine</strong> <strong>spannende</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>für</strong> <strong>Kinder</strong><br />

von<br />

<strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong><br />

Mag sein, dass der eine oder andere beim Lesen dieses<br />

Buches meint, sich selbst zu erkennen und sich darüber<br />

freut. Diese Freude sei ihm gegönnt, aber allen anderen<br />

Lesern sei gesagt, dass alle Personen und alle Erlebnisse<br />

frei erfunden sind – mit einer Ausnahme, und<br />

die heißt Janine Steeger. Viel Spaß beim Lesen!<br />

______________<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Genehmigte Publikation <strong>für</strong> YUMPU: ELVEA<br />

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf, auch teilweise,<br />

nur mit Genehmigung der Autorin weitergegeben werden.


[2]<br />

Kapitel 1<br />

Jonas bekam den Puck noch im eigenen Drittel<br />

zugespielt und startete sofort zu einem sehenswerten<br />

Alleingang durch. 1:1 stand es in einem unglaublich<br />

<strong>spannende</strong>n Endspiel um die deutsche Meisterschaft.<br />

Jonas spielte den ersten Verteidiger der Berliner<br />

Eisbären aus, gleich darauf den zweiten. Jetzt fuhr er<br />

ganz alleine aufs Tor der Eisbären zu, er ließ sich Zeit<br />

mit dem Schuss. In seinen Ohren rauschte das wilde<br />

Geschrei der Nürnberger Fans, er sah, wie der Torwart<br />

rückwärts fuhr, näher an den Kasten heran, die<br />

Fanghand bereit. Mit einem zufriedenen Grinsen<br />

täuschte Jonas an, bevor er aufzog und den Puck etwa<br />

zwei Finger breit an der Maske des Torwarts vorbei ins<br />

rechte obere Eck schoss ...<br />

Die Berliner erstarrten vor Entsetzen, zeitgleich mit<br />

dem Jubel der Nürnberger ertönte die Schlusssirene.<br />

Jonas drehte sich um, warf die Arme nach oben – und<br />

ließ sie entgeistert wieder sinken! Jetzt hörte er das<br />

schrille Pfeifen des Schiedsrichters, und fassungslos<br />

starrte Jonas auf das Zebra: Der zeigte Abseits an! Kein<br />

Tor!<br />

Das konnte doch nicht wahr sein! Das war doch sein<br />

Alleingang gewesen! Woher sollte denn das Abseits<br />

kommen? Jonas spürte kalte Wut in sich hochsteigen –<br />

er, Jonas Meier, Kapitän der Nürnberger Ice Tigers, er<br />

hatte gerade das Siegtor geschossen! Er hatte sie zur<br />

DEL-Meisterschaft geschossen! Er ballte die Fäuste<br />

und wollte auf den Schiri losgehen, als der laut rief:<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[3]<br />

„Abseits!!!“<br />

„Nein, das war kein Abseits, du Schieber!“,<br />

brüllte Jonas empört. Aber der Schiri riss ihm<br />

kurzerhand den Schläger aus den Händen. Jonas<br />

versuchte ihn wieder zu erwischen und fuchtelte wild<br />

mit den Armen, aber der Schiri rief nur nochmals:<br />

„Abseits!“, und dann plötzlich: „Nix Abseits –<br />

aufstehen!“<br />

Jonas schüttelte verwirrt den Kopf und öffnete die<br />

Augen. Sein Wecker piepte immer noch, und seine<br />

Mutter stand fröhlich grinsend vor seinem Bett, die<br />

Bettdecke im Arm.<br />

„Na – wieder mal in der NHL mitgespielt?“, fragte<br />

sie gutgelaunt und warf seine Decke wieder auf ihn<br />

drauf. Jonas rollte sich darunter zusammen wie eine<br />

Katze und fauchte:<br />

„Nein, bei den Ice Tigers. Und du und der blöde<br />

Wecker, ihr habt mein Siegtor vermasselt!“<br />

Sie lachte und ging zu seiner Zimmertür.<br />

„Na, ein Glück, dass heute das Training wieder<br />

anfängt. Da kannst du heute Nachmittag genügend Tore<br />

schießen!“<br />

Damit lief sie in Richtung Küche. Jonas war mit<br />

einem Schlag hellwach und flitzte ins Bad. Endlich war<br />

der Sommer vorbei – endlich wieder Eiszeit! Der Tag<br />

war gerettet, pfeif doch auf die sechs Stunden Schule<br />

zuvor!<br />

Gleich nach dem Mittagessen füllte er seine Trinkflasche<br />

voll Zitronentee, schleppte die schwere<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[4]<br />

Eishockeytasche in den Hausflur und kontrollierte noch<br />

mal, ob wirklich alles drin war.<br />

„Brustschutz, Tiefschutz, Schoner, Stutzen,<br />

Handschuhe, Hose ... Halskrause, Helm, Ellbogenschoner,<br />

Schweißanzug – alles da!“<br />

„Wirklich?“, fragte seine Mutter. Sie grinste schon<br />

wieder und hielt ihm seine Schlittschuhe hin.<br />

„Oh nein – danke!“, rief Jonas und riss ihr die<br />

Schlittschuhe aus der Hand. Noch den Schläger – von<br />

ihm aus konnte es losgehen.<br />

Leider war seine Mutter anderer Meinung:<br />

„Jonas, wir haben noch eine Stunde Zeit, da kannst<br />

du locker deine Hausaufgaben schaffen!“<br />

Mist! Jonas fand Schule oberlästig. Dummerweise<br />

war sich seine Mutter mit Trainer Jan einig: Schule<br />

geht vor Eishockey. Wer nicht lernen wollte, durfte<br />

auch nicht spielen. So was Blödes! Als ob die vierte<br />

Klasse <strong>für</strong> irgendwas wichtig wäre! Na ja, abgesehen<br />

vom Übertritt. Schimpfend und meuternd trabte Jonas<br />

an seinen Schreibtisch.<br />

<strong>Eine</strong> gute Stunde und 25 Rechenaufgaben später<br />

hielt Mutter Meier mit ihrem Corsa vor dem Bayreuther<br />

Eisstadion. Jonas flitzte ums Auto herum und öffnete<br />

den Kofferraum, damit seine Mutter die Tasche<br />

herausheben konnte. Gott sei Dank war es eine Tasche<br />

mit Rollen – nicht auszudenken, wenn er seine<br />

Ausrüstung plus Duschsachen hätte tragen müssen!<br />

Natürlich hatte er so gedrängelt, dass sie viel zu früh<br />

dran waren. Weder die Betreuerin Inge noch Trainer<br />

Jan ließen sich blicken, und so stellte Jonas Tasche und<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[5]<br />

Schläger vor dem Eingang des Eisstadions ab und<br />

setzte sich auf das Metallgeländer neben der Kasse. Die<br />

Septembersonne schien ihm angenehm warm auf den<br />

Rücken, und während er seiner davonfahrenden Mutter<br />

noch mal kurz zuwinkte, spürte er, wie <strong>Auf</strong>regung und<br />

Vorfreude in ihm brodelten wie eine leckere Gulaschsuppe<br />

im Kochtopf.<br />

Es dauerte nicht lange, bis er das Geräusch einer<br />

rollenden Tasche hinter sich hörte. Neugierig drehte<br />

sich Jonas um: Moritz kam um die Ecke. Moritz, der<br />

genialste Verteidiger der Kleinschülermannschaft. Er<br />

setzte alles daran, keinen Gegner durchzulassen – im<br />

Zweifel warf er sich der Länge nach aufs Eis und<br />

versuchte, zwischen Puck und Tor zu schlittern.<br />

„Hi, Jonas!“<br />

Moritz ließ seine Tasche auf den Boden gleiten und<br />

warf seinen Schläger obendrauf. Dann setzte er sich<br />

neben Jonas.<br />

„Ist die Inge noch nicht da?“<br />

Jonas schüttelte den Kopf. Seit in der letzten Saison<br />

mal ein Puck in einer Fensterscheibe gelandet war<br />

(obwohl es ja eigentlich verboten war, vor den Kabinen<br />

Fußball oder Eishockey zu spielen), durften die Jungs<br />

erst ins Stadion, wenn Inge oder Jan da waren.<br />

Nach einigen Minuten kamen noch Ricky und Lukas<br />

um die Ecke, und dann endlich fuhr Inge auf einen<br />

Parkplatz direkt am Eingang. Sie stieg pfeifend aus,<br />

winkte den Jungs zu und holte einen Korb voller<br />

Trainingstrikots aus ihrem Auto.<br />

„Na, alles klar? Dann kommt mit!“<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[6]<br />

Mit diesen Worten ging sie ins Stadion und sperrte<br />

die Tür von Kabine 3 auf.<br />

„Puuuh! Hier mieft es genauso wie vor der<br />

Sommerpause!“, prustete sie los und klemmte einen<br />

Holzkeil unter die weit geöffnete Tür, damit frische<br />

Luft hereinkonnte.<br />

›Klar mieft es – wir spielen Eishockey und nicht<br />

Halma!‹, dachte Jonas. Die Ausrüstungen waren nach<br />

jedem Training klatschnass geschwitzt, und an<br />

Waschen war bei dem Zeug nicht zu denken, außer bei<br />

den Schweißanzügen. Er ließ seine Tasche vor der Tür<br />

stehen und sauste schnell zur Eisfläche hinüber.<br />

Andächtig schaute er auf das frisch aufbereitete Eis. Es<br />

wartete auf ihn – na dann, nichts wie los!<br />

Blitzschnell zogen die Jungs sich um, aber Inge war<br />

unerbittlich:<br />

„Ohne Trainer geht keiner aufs Eis! Lasst euch<br />

lieber eure Schlittschuhe nachschnüren!“<br />

Mittlerweile waren noch einige <strong>Kinder</strong> gekommen,<br />

und endlich, endlich dröhnte die vertraute Stimme von<br />

Trainer Jan durch die Kabine:<br />

„Hallo Jungs! Na, seid ihr fit <strong>für</strong>s Eis?“<br />

Er setzte sich auf eine Bank und warf seine<br />

Schlittschuhe neben sich. Sein Gesicht war ungewöhnlich<br />

ernst.<br />

„Trainer, was ist denn los?“, fragte Jonas. Irgendetwas<br />

war da im Busch, das spürte er. Jan seufzte.<br />

„Ich muss euch etwas sagen. Und das ist nichts<br />

Gutes. Die Zwillinge kommen nicht mehr. Ihr Vater hat<br />

mich gestern angerufen und es mir gesagt. Sie spielen<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[7]<br />

in Zukunft nur noch Fußball, da ist der Platz gleich<br />

neben ihrer Haustür. Und er hätte sie nicht mehr zum<br />

Eisstadion fahren können, wegen seiner neuen Arbeit.<br />

Das geht jetzt alles nicht mehr so einfach.“<br />

Die Jungs redeten wild durcheinander. Das war ein<br />

herber Verlust!!! Jo war ein gnadenlos guter Torwart,<br />

und sein Bruder Ronny hatte nach Jonas die meisten<br />

Tore geschossen in der letzten Saison. Wer um<br />

Himmels willen sollte denn jetzt ins Tor? Jan seufzte<br />

noch einmal, bevor er in die Hände klatschte. Als die<br />

Jungs ruhig waren, redete er weiter:<br />

„Leider haben wir aktuell nicht genügend Spieler <strong>für</strong><br />

eine meldefähige Kleinschülermannschaft. So sieht´s<br />

aus ...“<br />

Albert, der nicht unbedingt der Hellste ist – wenn<br />

auch ein super Kumpel - fragte verwirrt:<br />

„Und was heißt das?“<br />

Bevor Trainer Jan antworten konnte, legte Philip<br />

schon los:<br />

„Dass wir in dieser Saison keine Turniere spielen<br />

können, sondern nur trainieren. Für eine<br />

Turniermannschaft braucht man zwölf Feldspieler und<br />

einen Torwart.“<br />

Er kannte alle Regeln und sämtliche Vorschriften<br />

vom Bayerischen Eissportverband. Und auch heute<br />

hatte er leider recht. Jan nickte düster.<br />

„Die Großen unter euch können vielleicht ab und zu<br />

auf ein Knabenspiel mitfahren. Aber macht euch nicht<br />

allzu große Hoffnungen: René hat eigentlich mehr als<br />

genug Spieler. Und die meisten sind ziemlich gut ...“<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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Mihai und Vlad redeten halblaut auf tschechisch<br />

miteinander, und dann meinte Vlad auf deutsch: „Also<br />

müssen wir neue Spieler finden, oder?“<br />

Er schaute erwartungsvoll in die Runde. Das klang<br />

gut! Fieberhaft überlegten alle, wen sie fragen könnten.<br />

Aber es fiel ihnen niemand ein. Sie hatten alle schon so<br />

oft ihre Schulfreunde gefragt, ohne dass jemand<br />

mitgezogen hätte. Für Eishockey brauchte man immer<br />

Eltern oder Großeltern, die einen zum Training fuhren.<br />

Mit der großen schweren Tasche konnte man weder mit<br />

dem Fahrrad noch mit dem Bus zum Training fahren.<br />

Schon gar nicht, wenn man grad erst neun oder zehn<br />

Jahre alt war. Und dann die teure Ausrüstung. Auch<br />

nicht jedermanns Sache ...<br />

Jonas fühlte sich genau wie in dem Moment, als der<br />

Schiri in seinem Traum Abseits gezeigt hatte.<br />

Ungläubig, fassungslos, traurig und wütend zugleich.<br />

André, der Jüngste, fing an zu schniefen und heulte<br />

dann richtig los. Aber keiner wollte ihn aufmuntern.<br />

Erstens heulte André sowieso ständig und zweitens war<br />

den anderen auch zum Heulen zumute. Nur dass sie es<br />

nicht zugaben ...<br />

Schließlich hielt Inge ihm ein Taschentuch unter die<br />

Nase, und Jan begann mit energischen Bewegungen<br />

seine Schlittschuhe zu schnüren.<br />

„Hilft nix, wir müssen aufs Eis und trainieren. Und<br />

vielleicht passiert ja noch ein Wunder und wir kriegen<br />

von irgendwo Spieler hergezaubert. Wenn’s gar nicht<br />

anders geht, müssen eben ein paar Kleinstschüler<br />

raufspielen.“<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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Er stand auf und nahm seinen Schläger und die<br />

Handschuhe. „Los jetzt!“<br />

Seine Mannschaft folgte ihm in Richtung Kabinentür.<br />

Philip murmelte düster: „Klasse, am ersten Oktober<br />

ist Meldeschluss. Da müsste wirklich ein Wunder<br />

passieren – neun Tage ...“<br />

In diesem Augenblick fiel ein Schatten auf die<br />

Türöffnung, sie hörten das vertraute Geräusch von den<br />

Rollen einer Eishockeytasche, und eine helle Stimme<br />

rief:<br />

„O Mann, so ein Mist! Gleich am ersten Tag zu spät!<br />

´Tschuldigung, Trainer – soll nicht mehr vorkommen!<br />

Da<strong>für</strong> bin ich schon fast fertig.“<br />

Jonas und die übrigen Jungs blieben wie vom<br />

Donner gerührt stehen und starrten auf das, was gerade<br />

durch die Tür kam: Brustschutz, Schoner, Hose,<br />

Stutzen schon angezogen. Dazu silbern glitzernde<br />

Turnschuhe, eine Eishockeytasche im Schlepptau,<br />

einen pink lackierten Schläger in der Hand. Und als<br />

Krönung zwei lange blonde Zöpfe!!!<br />

„Hallo Leute! Ich bin Marcella. Und ich will bei<br />

euch mitspielen. Falls ihr den Mund wieder zubringt<br />

und euch aufs Eis traut ...“<br />

Zielstrebig zog sie ihre Tasche in die Kabine. Die<br />

Jungs wichen völlig entgeistert zur Seite und starrten<br />

immer noch. Sie starrten auf Marcella, ihren<br />

pinkfarbenen Schläger und die pinkfarbenen Schnürsenkel<br />

ihrer Schlittschuhe. Trainer Jan starrte ebenfalls.<br />

Nur Inge schob sich an den Jungs vorbei und schnürte<br />

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Marcella wortlos die Schlittschuhe nach. Sie warf Jan<br />

einen vielsagenden Blick zu, worauf dieser endgültig in<br />

Richtung Eis verschwand. Die Jungs bewegten sich<br />

nicht aus der Kabine, keiner sagte ein Wort. Sie<br />

starrten. Sie starrten Marcella an, die mit einem Ruck<br />

aufstand, das Trainingstrikot anzog, das Inge ihr<br />

hinhielt, und ihren Helm aufsetzte. Dann nahm sie<br />

Handschuhe und Schläger und ging zwischen den<br />

immer noch starrenden, schweigenden Jungs nach<br />

draußen. Als sie vorbeiging, sah Jonas einen kleinen<br />

pinkfarbenen Totenschädel auf ihrem Helm. Und jetzt<br />

hätte er am liebsten losgebrüllt. Die neue Saison war ja<br />

wohl total im Eimer! Und dabei fing sie heute erst an ...<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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Kapitel 2<br />

Kaum war Marcella um die Ecke verschwunden, als die<br />

Jungs ihre Sprache wiederfanden. Kopfschüttelnd<br />

meinte Moritz:<br />

„Habt ihr das gesehen? Schläger und Schnürsenkel<br />

in pink! Soll sie doch zu den Schnörkseldrehern gehen<br />

– da gehört sie hin. Ein Mädchen und Eishockey, dass<br />

ich nicht lache!“<br />

Inge sah ihn tadelnd an.<br />

„Ach, und was ist mit Janine? So weit musst du es<br />

erst mal bringen!“<br />

Janine war die Junioren-Torhüterin und hatte es bis<br />

in die U18-Nationalmannschaft geschafft. Sie war der<br />

lebende Beweis da<strong>für</strong>, dass Mädchen super Eishockey<br />

spielen konnten. Aber Moritz konterte sofort:<br />

„Das ist doch ganz was anderes. Janine ist cool. Und<br />

die kann was. Aber Marcella? Schau sie doch an.<br />

Pinkfarbener Schläger!“<br />

Er spuckte die beiden letzten Worte regelrecht aus,<br />

so verächtlich sagte er sie. Die anderen nickten<br />

zustimmend und ließen ähnliche Kommentare los, die<br />

alle irgendwie mit Barbie, Schnörkseldrehern und<br />

Eistanz zu tun hatten. Aber Inge scheuchte sie kurzerhand<br />

aus der Kabine.<br />

„Los jetzt, ab aufs Eis! Dann werdet ihr ja sehen, ob<br />

sie was kann.“<br />

Jonas und Moritz liefen voraus an die Bande. Jan<br />

stand schon an der Tür, Marcella dicht neben ihm.<br />

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„Wo bleibt ihr denn? Meint ihr, ihr habt kein<br />

Training mehr nötig?“, knurrte Jan und öffnete endlich<br />

die Tür. „Zwei Runden laufen, dann Spurt bis zur<br />

Mittellinie, und dort machen wir uns warm. Ohne<br />

Schläger.“<br />

Jonas wollte aufs Eis, aber Marcella war schneller<br />

als er und flitzte als Erste los. Frechheit! Er fuhr immer<br />

voraus! Schließlich war er der Kapitän der Kleinschüler.<br />

Na warte! Wütend sauste er hinter Marcella her<br />

und überholte sie. Ihr Kichern war nicht zu überhören,<br />

und obwohl er jetzt knapp vor ihr war, ließ sie sich<br />

nicht abhängen. Sie schien an seinen Kufen zu kleben.<br />

Jonas spurtete bis zur Mittellinie und bremste<br />

haarscharf vor Trainer Jan. Eiskristalle stoben zur Seite<br />

weg, und es hörte sich an, als würde ein Stück Stoff<br />

zerrissen. Und fast zeitgleich noch ein zweites Stück<br />

Stoff – auch Marcella war schon hier. Jan lächelte sie<br />

an.<br />

„Du bist ganz schön schnell“, meinte er völlig ohne<br />

Knurren.<br />

Dann drehte er sich zu den Jungs um: „Eingerostet<br />

über den Sommer, oder was? Los, noch eine Runde und<br />

Spurt hierher!“<br />

Während sie wieder losfuhren, spürte Jonas kalte<br />

Wut aufsteigen. Er war vor Marcella dort gewesen!<br />

Aber zu ihm hatte der Trainer nichts gesagt! Wahrscheinlich<br />

stand sie jetzt an der Mittellinie und kicherte<br />

wieder so albern! Aber er sollte sich täuschen: Auch<br />

Marcella drehte ihre Runde, wie alle anderen. Als sie<br />

wieder an der roten Linie bremsten, warf Jonas ihr<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


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einen kurzen Blick zu. Schnell war sie ja wirklich. Aber<br />

zum Eishockey gehörte mehr ...<br />

Als sie ihre <strong>Auf</strong>wärmübungen gemacht hatten, holte<br />

Jan die Pucks.<br />

„Ich will, dass ihr saubere Pässe übt. Ständig nur<br />

Alleingänge, das bringt auf Dauer nichts. Also, immer<br />

zu zweit zusammen. Jonas, komm her, wir machen es<br />

vor. Loslaufen, passen – passen – passen und Torschuss.<br />

Alles klar?“<br />

Als sie wieder zu den anderen kamen, waren alle<br />

schon zu zweit zusammengegangen. Nur Marcella<br />

stand allein dort. Jan nickte zu ihr hin.<br />

„Marcella, du kannst jetzt mit Jonas üben. Zeig mal,<br />

was du kannst!“<br />

Und Jonas raunte er zu:<br />

„Schieß nicht zu scharf, gib ihr eine Chance.“<br />

Jonas packte seinen Schläger fester und wartete<br />

darauf, dranzukommen. Er kochte vor Wut auf Moritz,<br />

der mit André übte und nicht auf ihn gewartet hatte.<br />

Am liebsten hätte er so auf den Puck draufgehauen,<br />

dass Marcella mitsamt der Scheibe an die Bande<br />

klatschte! Leider ging das nicht, das hätte Ärger mit Jan<br />

gegeben. Also tippte er nur leicht mit dem Schläger<br />

gegen den Puck, der gar nicht bei Marcella ankam,<br />

sondern unterwegs liegen blieb. Kopfschüttelnd<br />

spurtete sie hin und passte zurück. Jonas war nicht auf<br />

so einen harten Schlag gefasst. Der Puck knallte gegen<br />

seinen Schläger und prallte wieder ab, bevor er<br />

reagieren konnte. Wütend lief er hinterher, haute drauf<br />

und wünschte sich, Marcella wäre der Puck. Aber die<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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[14]<br />

nahm seinen Pass ohne mit einer Wimper zu zucken an<br />

und versenkte den Puck im Tor. Trainer Jan grinste<br />

belustigt, sagte aber nichts. Jonas murmelte in seinen<br />

Helm hinein:<br />

„Kunststück, Jo ist ja nicht mehr da. Das leere Tor<br />

treffen kann jeder ...“<br />

Da hatte er recht. Sogar André traf das Tor und riss<br />

jubelnd seinen Schläger hoch, als wäre es um<br />

irgendetwas gegangen.<br />

Zweiter Durchgang. Diesmal hatte Marcella den<br />

Puck, aber Jonas passte besser auf als vorhin und nahm<br />

ihn sauber an. Rückpass zu ihr, wieder angenommen<br />

und Schuss aufs Tor. Schon beim Schießen wusste er<br />

es: Das war nichts gewesen ...<br />

Kleinlaut sah her zu, wie der Puck etwa zwanzig<br />

Zentimeter am Tor vorbei und gegen die Bande<br />

trudelte. Immerhin kicherte Marcella nicht los – sonst<br />

wäre er wahrscheinlich heimgegangen! Mann, Mann,<br />

Mann! War das ein grauenhafter Tag! Wortlos übte er<br />

weiter, wortlos fuhr er zur Trinkpause vom Eis. Jan<br />

klopfte ihm im Vorbeifahren auf die Schulter, aber das<br />

half auch nichts. Es war und blieb ein rabenschwarzer<br />

Tag ...<br />

Später, nachdem sie scheinbar endlos den Puck um<br />

orangefarbene Hütchen geführt hatten, rief Jan:<br />

„<strong>Auf</strong>räumen! Wir spielen noch zwanzig Minuten!“<br />

Sie sammelten Pucks und Hütchen ein, und in Jonas<br />

kam Vorfreude auf. Endlich richtig spielen! Als er am<br />

Bullypunkt stand, Nase an Nase mit Marcella, dachte er<br />

nicht mehr daran, dass sie ein Mädchen war. Er wollte<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[15]<br />

nur den Puck holen! Und den kriegte er auch! Er<br />

stürmte aufs gegnerische Tor zu, zog auf und schoss<br />

das 1:0 <strong>für</strong> sein Team. Aber Marcella machte es ihm<br />

nach, auch sie schnappte sich den Puck. Kein Problem,<br />

mit Moritz in der Abwehr ...<br />

Schon schlitterte der bäuchlings vors eigene Tor,<br />

aber Marcella wartete einfach ab, bis er am Boden lag,<br />

und lupfte dann den Puck im Abschuss ein wenig nach<br />

oben. Zack – segelte die Scheibe über Moritz hinweg in<br />

den Kasten. Die Jungs waren beeindruckt, auch wenn<br />

ihnen das Ganze nicht gefiel: Ein Mädchen sollte ihnen<br />

zeigen, wie man gut schießt???<br />

<strong>Auf</strong> dem Weg zur Kabine fragte Jonas missmutig:<br />

„Sag mal, Marcella: Wo hast du eigentlich<br />

Eishockey gelernt?“<br />

Sie nahm ihren Helm ab und grinste Jonas an.<br />

„In Straubing. Bei den Tigers. Und jetzt zu den<br />

Bayreuth Tigers. Einmal Tiger, immer Tiger. Sagt mein<br />

Vater auch.“<br />

„Und warum bist du jetzt in Bayreuth?“, hakte<br />

Moritz nach.<br />

Tief aufatmend ließen sie sich auf die Kabinenbänke<br />

fallen.<br />

„Weil mein Vater jetzt hier <strong>für</strong> die erste Mannschaft<br />

spielt.“<br />

„Wow!“, rief Philip, das Lexikon.<br />

„Martin Stanford ist dein Vater? Deutschkanadier,<br />

spielte bis Mitte der vorletzten Saison <strong>für</strong> die Straubing<br />

Tigers in der DEL. Dann hat er sich den Knöchel<br />

gebrochen und seitdem nicht mehr seine alte Form<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

Alle Rechte vorbehalten


[16]<br />

gefunden. Hat aber trotzdem noch Format. Sagen die<br />

Experten. Ein Glücksgriff <strong>für</strong> die Bayreuther. Sagt<br />

mein Vater.“<br />

Marcella war ein wenig rot geworden.<br />

„Na ja, und wie’s aussieht, ist seine Tochter ein<br />

Glücksgriff <strong>für</strong> die Mini-Tigers“, meinte Jan gutgelaunt.<br />

Jonas wollte schon wieder sauer werden, aber<br />

eigentlich wusste er es ganz genau: Jan hatte recht.<br />

Marcella war nicht schlecht. Falsch – Marcella war<br />

wirklich gut!<br />

„Hilft nix: Uns fehlt trotzdem noch ein Torhüter.<br />

Sonst gibt´s keine Turniere ...“, brummte er trotzig.<br />

Jan nickte.<br />

„Wie sieht´s aus? Will jemand freiwillig ins Tor? An<br />

der Ausrüstung liegt es nicht, die Sachen von Jo und<br />

Ronny kriegt der Verein gespendet.“<br />

Moritz prustete los und stieß Jonas den Ellbogen in<br />

die Seite.<br />

„Wie wäre es mit Marcella? Wenn sie die Beinschienen<br />

pink färbt, traut sich kein Mensch mehr aufs<br />

Tor zu schießen!“<br />

Brüllendes Gelächter folgte, und sogar Trainer Jan<br />

musste mitlachen. Jonas schaute zu Marcella rüber. Sie<br />

war nicht etwa eingeschnappt, sondern kicherte mit den<br />

Jungs mit. Jan winkte schließlich ab.<br />

„Nein, Marcella brauche ich im Sturm. André, was<br />

ist mit dir? Du bist der Jüngste, du hättest noch am<br />

meisten Zeit, das zu lernen ...“<br />

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[17]<br />

André schaute verstört aus. Nach einigen Sekunden<br />

meinte er leise:<br />

„Nur, wenn sonst keiner will. Lieber würde ich<br />

draußen bleiben ...“<br />

Jan klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.<br />

„Versuch es einfach mal beim nächsten Training.<br />

Mir wäre das am liebsten. Ich besorg dir die<br />

Ausrüstung.“<br />

Marcella hatte mittlerweile alles bis runter zum<br />

Schweißanzug ausgezogen und schnappte sich aus ihrer<br />

Tasche einen Rucksack in Neonpink.<br />

„Ich geh als erste duschen. Habt ihr da ein Problem<br />

damit?“<br />

Den Jungs fiel wieder mal keine Antwort ein, und so<br />

trabte sie ab, während der Rest der Mannschaft warten<br />

durfte<br />

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Kapitel 3<br />

Als Paulos Vater, sein Pai, von der Arbeit kam, wurde<br />

er schon an der Wohnungstür von seinem Sohn überfallen.<br />

„Hallo Pai, ich muss unbedingt was mit dir<br />

besprechen. Komm bitte mit in die Küche!“<br />

Paulo zerrte am Ärmel und schob seinem Vater<br />

einen Stuhl hin.<br />

„Was ist denn so wichtig?“, fragte sein Vater. Er<br />

wirkte müde von dem langen Arbeitstag in der<br />

Universität. Paulo schob ihm schnell ein volles<br />

Limoglas hin, und während sein Vater in durstigen<br />

Zügen trank, rückte er mit seiner Idee raus.<br />

„Du sagst doch immer, ich soll Sport machen. Und<br />

seit heute weiß ich, was ich machen will: Eishockey.“<br />

Paulos Vater verschluckte sich und musste husten.<br />

Als er wieder Luft bekam, fing er an zu schimpfen.<br />

„Eishockey – bist du verrückt??? Da musst du erst<br />

mal richtig Schlittschuh laufen lernen! Warum spielst<br />

du nicht Fußball? Du weißt genau, wie sehr ich mir das<br />

wünsche! Alle Männer in unserer Familie haben<br />

Fußball gespielt, schon immer. Das ist unsere Religion!<br />

Eishockey!!! Brasilianer spielen Fußball, das können<br />

wir! Denk an Pelé, denk an Ronaldo, Ronaldinho und<br />

wie sie alle heißen. Aber die Welt hat noch nie etwas<br />

von einem brasilianischen Eishockeyspieler gehört!<br />

Und warum? Ich sage es dir: weil Gott das nicht will!<br />

Hätte er das gewollt, dann hätte er Brasilien solche<br />

Winter geschenkt wie in Kanada! Mit zugefrorenen<br />

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Seen, einem zugefrorenen Amazonas und viel Schnee.<br />

Hat Gott nicht getan. Deshalb gibt es keine<br />

brasilianischen Skispringer, keine Biathleten und auch<br />

keine Eishockeyspieler! Du willst etwas tun, was gegen<br />

Gottes Willen ist - “, er schnappte nach Luft, und Paulo<br />

nutzte die Gelegenheit, seinen Vater zu unterbrechen.<br />

„Hör mir doch erst einmal zu, Pai! Wir waren heute<br />

mit der Schulklasse Schlittschuh laufen, und sooo<br />

schwer ist das gar nicht. Ich fahr doch eh ständig<br />

Inliner, das ist ganz ähnlich. Und da war so ein Mann<br />

vom Sportamt dabei, der hat uns gezeigt, wie’s geht.<br />

Und zu denen, die halbwegs gut laufen, hat er gesagt,<br />

wir könnten nächste Woche mal zum Eishockeytraining.<br />

Da sind Schulsportwochen, da darf man<br />

kostenlos alles mögliche probieren. Und ich will<br />

Eishockey probieren. Bitte!“<br />

„Paulo, du bist verrückt! Willst du dich wirklich<br />

lächerlich machen? Ein cappuccinofarbener Eishockeyspieler<br />

– willst du wirklich, dass alle ihre Witze<br />

über dich reißen?“<br />

Paulo schluckte seine Antwort runter. Stattdessen<br />

musterte er seinen Pai, seinen Vater. Stimmt, Paulos<br />

Hautfarbe war wirklich wie Cappuccino. Aber sein<br />

Vater war dunkelster Espresso. Und dazu hieß er mit<br />

Vornamen Jesus. Im Vergleich dazu war Paulo als<br />

Eishockeyspieler nicht wirklich komisch. Aber das<br />

hätte er seinem Vater natürlich nie sagen dürfen. Also<br />

beschloss er, seinen letzten Trumpf auszuspielen:<br />

„Sandro will ja auch mitmachen. Und sein Vater<br />

erlaubt es.“<br />

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[20]<br />

Als Jesus da Silva das hörte, legte er den Kopf in<br />

den Nacken und begann zu lachen. Er lachte und lachte,<br />

die Tränen liefen ihm schon übers Gesicht. Erst nach<br />

ein paar Minuten beruhigte er sich wieder und krächzte:<br />

„Paulo da Silva, der Brasilianer und Alessandro<br />

Kirkiakis, die griechische Geheimwaffe! Geht hin und<br />

blamiert euch – meinen Segen habt ihr!“<br />

***<br />

Als Paulo und Alessandro dann tatsächlich zum<br />

Training kamen, wirkten sie nicht halb so selbstbewusst<br />

wie Marcella neulich. Zögernd blieben sie am Eingang<br />

des Eisstadions stehen und tuschelten, ob sie da<br />

reingehen sollten oder lieber doch nicht.<br />

Glücklicherweise kam in diesem Moment gerade<br />

Trainer Jan daher und vermutete sofort richtig, als er<br />

die beiden mit ihren Schlittschuhen herumlungern sah.<br />

„Na, ihr zwei! Wollt ihr wohl mal beim<br />

Eishockeytraining reinschnuppern?“<br />

Als sie unsicher nickten, scheuchte er sie gleich<br />

hinein.<br />

„Dann kommt mal mit. Da vorne, in die Kabine 3<br />

müsst ihr. Habt ihr außer Schlittschuhen was dabei?<br />

Nein? Na, ich schau mal, was ich <strong>für</strong> euch finde. <strong>Eine</strong><br />

Spielerausrüstung hab ich grad bekommen, die könnte<br />

passen. Und wenn wir Glück haben, hat unser neuer<br />

Torwart André seine Spielersachen auch dabei.“<br />

Sie waren an Kabine 3 angekommen, und Jan rief<br />

polternd und dröhnend:<br />

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„Jungs – wir haben zwei Neue! André, hast du deine<br />

Spielerausrüstung dabei? Super! Ich hab die<br />

Torhütersachen von Ron hier, und deine eigenen<br />

Sachen leihst du heute bitte - “, er warf einen prüfenden<br />

Blick auf die beiden Neulinge und zeigte dann auf<br />

Alessandro, „ – ihm! Wie heißt ihr denn eigentlich?“<br />

„Sandro ...“<br />

„Paulo ...“<br />

Ganz leise und zögernd sagten sie das und setzten<br />

sich auf die Bank. Sie wussten überhaupt nicht mehr,<br />

was sie eigentlich hier wollten, aber Jan und Inge<br />

brachten ihnen die Ausrüstungen und erklärten ihnen,<br />

in welcher Reihenfolge sie die ganzen Sachen anziehen<br />

sollten. Während sie unbeholfen hineinstiegen,<br />

begannen die Jungs zu flüstern und zu kichern. Es war<br />

Marcella, die Paulo anredete:<br />

„Bist du Amerikaner?“<br />

„Nein, Brasilianer.“<br />

Alle starrten ihn ungläubig an, und Marcella meinte:<br />

„Ich glaub, du bist hier falsch. Das Fußballstadion<br />

ist da drüben, auf der anderen Seite vom Main.“<br />

Paulo lief knallrot an, was aber bei seiner dunklen<br />

Haut nicht auffiel.<br />

Trainer Jan warf Marcella einen grimmigen Blick<br />

zu.<br />

„Mädchen, so was will ich nicht mehr hören. Wer<br />

hier trainieren will, der darf kommen. Außerdem haben<br />

wir immer noch nicht genügend Leute <strong>für</strong> eine<br />

Turniermannschaft.“<br />

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Marcella senkte den Kopf und begann ihre Schlittschuhe<br />

zu schnüren.<br />

Plötzlich sagte Sandro:<br />

„Und gleich noch was - ich heiße nicht Sandro,<br />

sondern eigentlich Alessandro. Das ist ein griechischer<br />

Name. Und ich glaube, wir Griechen haben auch nicht<br />

grad die tollsten Eishockeyspieler. Aber ich will auch<br />

hier trainieren!“<br />

Jetzt war er derjenige, der knallrot wurde, aber Paulo<br />

grinste ihn breit an und knuffte ihm den Ellbogen in die<br />

Rippen. Jan verkniff sich ein Grinsen und sagte:<br />

„Na, dann ist ja alles geklärt. Ab aufs Eis!“<br />

Als sie alle auf dem Eis waren, rief Jan:<br />

„Zwei Runden um die Wette – los!“<br />

Jonas und Marcella lagen natürlich wieder vorne,<br />

aber sie schauten ziemlich dumm aus der Wäsche, als<br />

sie etwa bei der Hälfte der langen Geraden plötzlich<br />

von Paulo überholt wurden! Verblüfft schauten ihm alle<br />

hinterher. Wow, konnte der spurten! Kurz vor der<br />

ersten Kurve war schon klar: Keiner würde ihn<br />

einholen können. Aber dann passierte etwas, womit<br />

nicht mal Paulo gerechnet hatte: Er fuhr nicht in die<br />

Kurve, sondern kerzengerade weiter und – knallte<br />

ungebremst an die Bande!<br />

Natürlich fuhren alle zu ihm hin. Paulo schüttelte<br />

benommen seinen Kopf und rappelte sich auf. Dann<br />

begann er, laut zu lachen. Das wirkte ziemlich<br />

ansteckend auf die ganze Mannschaft, und als er dann<br />

noch kicherte:<br />

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„Ich sollte vielleicht als erstes lernen, wie man<br />

bremst und wie man Kurven fährt ...“, da lachten alle<br />

los und beruhigten sich erst, als Jan sie zur ersten<br />

Übung scheuchte.<br />

Für Sandro lief es nicht so lustig. Er konnte zwar<br />

besser Schlittschuh fahren als Paulo, aber er hatte<br />

ziemliche Probleme mit dem Puck. Jan schaute ihm<br />

eine Zeitlang zu, zeigte, verbesserte und schüttelte<br />

schließlich zweifelnd den Kopf.<br />

„Na ... ich weiß nicht ... das wird ein hartes Stück<br />

Arbeit.“<br />

In diesem Moment kam André aus dem Tor<br />

gefahren. Er sah aus wie ein Häufchen Elend, denn auf<br />

dem Feld gefiel es ihm viel, viel besser.<br />

„Trainer – kann ich nicht doch aufs Feld zurück?<br />

Torwart ist schrecklich!!!“<br />

Jan wollte ihn schon zurück ins Tor scheuchen, als<br />

sein Blick wieder auf Alessandro fiel.<br />

„André, bleib mal hier. Willst du wirklich kein<br />

Torwart werden?“<br />

Wild entschlossenes Kopfschütteln.<br />

„Sandro, willst du es mal probieren?“<br />

Der Grieche überlegte kurz, dann meinte er:<br />

„Okay. Jetzt gleich?“<br />

Jan schaute auf die Uhr.<br />

„Nein, heute nicht mehr. Aber beim nächsten<br />

Training. André, du darfst am Donnerstag wieder aufs<br />

Feld.“<br />

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Die beiden Jungs grinsten sich an, bevor André<br />

wieder zurück ins Tor fuhr und Sandro noch mal<br />

versuchte zu passen.<br />

Als sie nach dem Training in die Kabine gingen, lag<br />

eine neugierige Anspannung in der Luft. Keiner dachte<br />

daran sich umzuziehen. Stattdessen schauten alle<br />

erwartungsvoll zu Paulo, Alessandro und Trainer Jan.<br />

Schließlich erbarmte der sich und stellte die alles<br />

entscheidende Frage:<br />

„Und – habt ihr Spaß dran gehabt? Kommt ihr<br />

wieder?“<br />

Alle hielten die Luft an vor Spannung. Sie brauchten<br />

noch einen Spieler, um eine Mannschaft melden zu<br />

können!<br />

Paulo und Alessandro schauten sich kurz an und<br />

begannen zu grinsen.<br />

„Wenn wir dürfen?“, meinte Sandro, worauf Jan und<br />

seine Truppe alle nickten.<br />

Marcella rief: „Und wollt ihr auch richtige Spiele<br />

mitspielen? Turniere und so?“<br />

Die beiden grinsten noch mehr.<br />

„Na klar!“<br />

Jan gab Inge ein Zeichen, und sie holte ihre Mappe<br />

mit Papierkram heraus.<br />

„Schaut mal her, diese Mitgliedsanträge müssen eure<br />

Eltern ausfüllen und hier die Anträge <strong>für</strong> Spielerpässe<br />

auch. Die müsst ihr selbst auch mit unterschreiben. Und<br />

hier sind die Trainingspläne und die Telefonnummern<br />

von Jan und mir. Wenn eure Eltern Fragen haben,<br />

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[25]<br />

können sie uns gerne anrufen. Ausrüstungen kriegt ihr<br />

vorerst ausgeliehen.“<br />

Und Jan dröhnte los:<br />

„Wenn ihr beim nächsten Training die ganzen<br />

Anträge wieder mitbringt, kann ich die<br />

Kleinschülermannschaft der Bayreuth Tigers melden!“<br />

Was er sonst noch sagen wollte, ging in dem ohrenbetäubenden<br />

Jubel seines Teams unter.<br />

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Kapitel 4<br />

Beim nächsten Training waren Paulo und Sandro<br />

tatsächlich wieder dabei, und ihre Väter waren sogar<br />

persönlich mitgekommen, um die Anträge abzugeben.<br />

Während die Kleinschüler auf dem Eis waren, saßen<br />

Jesus da Silva und Michael Kirkiakis kopfschüttelnd<br />

auf der Tribüne und schauten zu. Sandro war diesmal<br />

im Tor, und es war sonderbar: Es kam ihm so vor, als<br />

hätte das Tor nur auf ihn gewartet, als würde er einfach<br />

da rein gehören. Es war, als ob er schon immer<br />

Torhüter gewesen wäre, so gut fühlte er sich dabei!<br />

Sogar Trainer Jan schaute ihm verwundert zu und<br />

meinte dann:<br />

„Sandro, dich lasse ich nicht mehr aus dem Tor! Du<br />

bist supergut <strong>für</strong>s erste Mal.“<br />

Sandro strahlte und winkte mit dem breiten<br />

Torwartschläger in Richtung Tribüne. Sein Vater<br />

winkte zurück, aber er sah nicht wirklich begeistert aus.<br />

Na, egal! Erlaubt hatte er es, das war die Hauptsache!<br />

In der Pause fing Marcella plötzlich an:<br />

„Na ja, gut und schön. Wir haben jetzt genug Spieler<br />

<strong>für</strong> eine Turniermannschaft. Aber was ist, wenn jemand<br />

krank wird? Ich meine richtig lang. Oder wegzieht?<br />

Dann ist wieder nichts mehr. Wir brauchen dringend<br />

noch mindestens einen Spieler und einen Torhüter.“<br />

Jonas seufzte genervt:<br />

„Meinst du, das wissen wir nicht? Nur – woher<br />

sollen die denn kommen? Wir haben alle schon in der<br />

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Schule rumgefragt. Da hat eben keiner Lust. Frag doch<br />

du bei dir.“<br />

„Werd ich schon machen!“, antwortete Marcella<br />

schnippisch.<br />

Trainer Jan klatsche in die Hände.<br />

„Wir müssen eben sehen, wie wir über die Runden<br />

kommen. Ich gebe heute noch unsere Mannschaftsmeldung<br />

ab, und wenn ihr noch jemanden auftreiben<br />

könnt, wäre das super. Wenn nicht, dann müssen wir<br />

eben so zurechtkommen. Und jetzt ab aufs Eis. Heute<br />

spielen wir mal länger als sonst. Ach ja: Am Freitag ist<br />

das erste Heimspiel von den Großen. Kommt ihr und<br />

sammelt <strong>für</strong> den Nachwuchs?“<br />

Ohrenbetäubendes Geschrei war die Antwort – klar<br />

wollten alle die erste Mannschaft sehen! Und sammeln<br />

war gar nicht schlecht, <strong>für</strong> ein Drittel Büchsentragen<br />

gab es hinterher eine Tüte Chips als Dankeschön.<br />

Während ihre Eltern auf der Tribüne saßen und sich<br />

das Freundschaftsspiel der Bayreuth Tigers gegen die<br />

Hochbergener Wölfe ansahen, trafen sich die Kleinschüler<br />

am Fanstand, wo sie auch ihre Sammelbüchsen<br />

bekamen. In Dreiergruppen liefen sie los und sagten ihr<br />

Sprüchlein auf:<br />

„Bitte eine Spende <strong>für</strong> unseren Eishockey-Nachwuchs!“<br />

Marcella war wie selbstverständlich mit Jonas und<br />

Moritz unterwegs und wurde von Moritz gleich über<br />

alle wichtigen Dinge aufgeklärt:<br />

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„Die Hochbergener Fans sind ... na ja ... extrem gut<br />

drauf. Ich würde mich nicht trauen, zum Sammeln<br />

hinzugehen.“<br />

Er zeigte zum Hochbergener Fanblock hinüber.<br />

Unter der Anzeigetafel leuchtete es richtig blau, die<br />

Wölfe waren leicht zu erkennen. Immerhin sind richtige<br />

Tiger schwarzgelb!<br />

„Dort drüben, auf der Zusatztribüne, siehst du die<br />

Jungs da oben? Das sind die unbesiegbaren Sieger. Das<br />

Schülerteam von Trainer Richard. Die haben in der<br />

letzten Saison kein einziges Spiel verloren und nur drei<br />

Mal unentschieden gespielt. Und seitdem nennen wir<br />

sie die unbesiegbaren Sieger.“<br />

Jonas verdrehte genervt die Augen. Musste Moritz<br />

Marcella denn so vollquasseln?<br />

„He! Laber-Lars lässt grüßen!“, knurrte er Moritz<br />

an. Laber-Lars, so nannten sie Lars Müller, weil der<br />

bisher noch bei jedem Spiel die Gegner beim<br />

Warmlaufen vollgequatscht hatte. Sogar beim Spiel<br />

redete er ständig, und eigentlich war es ihm egal, ob<br />

jemand zuhörte oder nicht. Die Gegner brachte das<br />

manchmal so richtig aus dem Tritt. Und deshalb<br />

schimpfte nicht einmal Trainer Jan mit Lars ...<br />

Während Jonas also schlecht gelaunt neben Moritz<br />

herlief, fragte Marcella plötzlich:<br />

„Mensch, der Blonde dort, gehört der auch zu den<br />

Schülern? Der sieht ja schnuffig aus ...“<br />

Moritz und Jonas starrten Marcella wieder mal<br />

verständnislos an.<br />

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„Schnuffig???“<br />

Sie grinste ein wenig verlegen und meinte:<br />

„Na, ist doch wahr ...“<br />

Jonas schüttelte den Kopf und sagte:<br />

„Das ist Micha, der Kapitän von den Schülern. Der<br />

spielt wirklich klasse.“<br />

Und Moritz brummte:<br />

„Marcella, der ist vierzehn! Was willst du denn mit<br />

dem?“<br />

Marcella lachte nur und hielt einem älteren Herrn<br />

die Sammelbüchse unter die Nase.<br />

„Würden Sie bitte etwas <strong>für</strong> den Tigers-Nachwuchs<br />

spenden?“, fragte sie und klimperte mit den Wimpern,<br />

worauf der Mann doch tatsächlich einen Schein zückte!<br />

Die beiden Jungs trabten hinter Marcella her wie<br />

zwei Leibwächter, und Jonas zischelte:<br />

„Also von allen blöden Mädchen ist die ja wohl die<br />

größte Zicke!“<br />

Moritz brummelte eine unverständliche Antwort, die<br />

im allgemeinen „TOOOOOOR!“-Geschrei unterging,<br />

als die Tigers es tatsächlich schafften, einen<br />

Ehrentreffer zu schießen! Und das, obwohl die Wölfe<br />

eine Liga höher spielten!<br />

Nach der zweiten Pause hatten alle ihre<br />

Sammelbüchsen wieder abgegeben und saßen Chips<br />

kauend auf der Tribüne. 3:1 <strong>für</strong> Hochbergen stand es<br />

mittlerweile, und damit konnten die Bayreuther<br />

wirklich zufrieden sein. Marcella beugte sich gespannt<br />

nach vorne, denn gerade kam ihr Vater wieder aufs Eis<br />

gefahren. Ein Bayreuther Verteidiger luchste dem<br />

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Hochbergener Stürmer den Puck ab und passte nach<br />

vorne zu Martin Stanford. Der spielte einen<br />

Hochbergener Verteidiger aus, passte zu Kapitän<br />

Andreas Schmitt. Schmitt zog auf und schoss aufs Tor,<br />

der Puck prallte vom Torhüter ab. Stanford war da und<br />

– TOOOR <strong>für</strong> die Tigers! Marcella hüpfte herum wie<br />

ein Gummiball, so sehr freute sie sich! Natürlich tobten<br />

auch alle anderen Tigers-Fans vor Begeisterung. Und<br />

obwohl es beim 2:3 blieb, war die Stimmung großartig.<br />

Kurz vor Schluss fragte Marcella plötzlich:<br />

„Sagt mal – wer ist denn eigentlich der Junge da<br />

unten, direkt neben der Spielerbank?“<br />

Moritz grantelte: „Die hat wohl nur Jungs im Kopf,<br />

oder was?“<br />

Jonas schaute seinen Freund verwirrt an. Was war<br />

denn heute nur mit Moritz los? Philip hatte nichts<br />

davon mitgekriegt und erklärte bereitwillig:<br />

„Das? Das ist Florian Schmitt. Der Sohn vom<br />

Kapitän.“<br />

Marcella zog die Augenbrauen hoch.<br />

„Der ist doch so alt wie wir, oder?“<br />

Philip nickte. „Mein Jahrgang.“<br />

„Und warum spielt der nicht bei den Kleinschülern<br />

mit?“<br />

Diesmal wusste Philip keine Antwort. Marcella<br />

stemmte entschlossen die Arme in die Hüften.<br />

„Los, kommt mit!“, rief sie den Jungs zu.<br />

Und die schauten sich ratlos an, bevor sie hinter<br />

Marcella nach unten liefen. Marcella baute sich neben<br />

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[31]<br />

Florian auf, fast die komplette Kleinschülermannschaft<br />

hinter sich.<br />

„He, du! Du heißt doch Florian, oder?“<br />

Er drehte sich überrascht zu den <strong>Kinder</strong>n um.<br />

„Was gibt´s?“, fragte er und musterte sie interessiert.<br />

„Ich bin Marcella Stanford, die Neue bei den<br />

Kleinschülern. Ich hab grad die Jungs gefragt, warum<br />

du nicht bei uns mitspielst, und sie wussten es nicht.<br />

Und jetzt wollte ich es von dir wissen.“<br />

Florian grinste.<br />

„Weil ich nicht gut bin, und weil ich lieber Fußball<br />

spiele. Reicht das?“<br />

Marcella schüttelte den Kopf.<br />

„Nein. Wenn du nur halb so viel Talent hast wie<br />

dein Vater, dann ist es unfair, wenn du nichts daraus<br />

machst. Wir brauchen jeden Mann. Wir haben einen<br />

griechischen Torhüter und einen brasilianischen<br />

Stürmer, der keine Kurven fahren kann und bremsen<br />

kann er auch nicht – entschuldige, Paulo! Also erzähl<br />

mir nichts von wegen du bist nicht gut genug. Wann ist<br />

dein nächstes Fußballspiel?“<br />

Jetzt musste Florian richtig loslachen.<br />

„Morgen Nachmittag. In Laineck, um zwei.“,<br />

gluckste er.<br />

„Okay. Hier ist mein Angebot: Wir kommen morgen<br />

nach Laineck und feuern dich an. Und da<strong>für</strong> kommst du<br />

am Dienstag zu unserem Training. Und danach verhandeln<br />

wir neu. Einverstanden?“<br />

Florian versuchte sich zu beruhigen, aber er musste<br />

immer noch lachen. Jedenfalls nickte er.<br />

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„Einverstanden. Aber du wirst schon sehen: Ich bin<br />

kein Eishockeyspieler.“<br />

Marcella drehte sich zu ihrer Mannschaft um.<br />

„Und ihr? Auch einverstanden?“<br />

Tja, was blieb den Jungs schon anderes übrig – sie<br />

nickten zögernd.<br />

„Okay. Morgen um zwei in Laineck.“<br />

In diesem Moment ertönte die Schlusssirene, und<br />

kurz darauf hatten sich die Kleinschüler auch schon<br />

zerstreut.<br />

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[33]<br />

Kapitel 5<br />

Es war kurz vor zwei am Samstagnachmittag, und weit<br />

mehr als die Hälfte der Kleinschüler hatten sich schon<br />

am Rand des Lainecker Sportplatzes zusammengefunden.<br />

Von Marcella fehlte noch jede Spur, und<br />

Jonas war ziemlich sauer auf sie.<br />

„Da macht sie so einen Quatsch aus, und wir stehen<br />

jetzt ohne sie rum. Na, super! Überhaupt, mir gefällt es<br />

nicht, wie sie sich aufspielt. Die tut ja grade so, als<br />

wäre sie Trainer und Kapitän in einer Person. Dabei ist<br />

sie bloß ein Mädchen!“<br />

„Aber ein verflixt gut Eishockey spielendes<br />

Mädchen! Und sie versucht eben alles, damit wir eine<br />

gute Mannschaft haben in den Turnieren!“, fauchte<br />

Moritz.<br />

Jonas starrte ihn überrascht und verständnislos an.<br />

„Dich hat sie wohl schon komplett um den Finger<br />

gewickelt, oder wie?“, knurrte er zurück, aber bevor die<br />

beiden richtig anfangen konnten zu streiten, rief Philip:<br />

„Da drüben kommt Marcella!“<br />

Tatsächlich kam sie zusammen mit Paulo und<br />

Sandro von der Bushaltestelle herübergelaufen und<br />

winkte den Jungs schon von weitem zu. Sogar Jonas<br />

musste zugeben, dass ihre gute Laune und ihr<br />

Optimismus ansteckend waren. Und als Florian auf den<br />

Platz kam, klatschte und schrie sie, als ginge es um die<br />

deutsche Eishockeymeisterschaft. Florian schaute zu<br />

den Tigers herüber, grinste und schüttelte den Kopf.<br />

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[34]<br />

Und Jonas fand Marcellas Getue mehr als peinlich, und<br />

zwar <strong>für</strong> sie alle!<br />

Aber in einem Punkt waren sie sich alle einig:<br />

Fußball mochte zwar ganz nett sein, aber Eishockey<br />

war einfach schneller und spritziger! Da gab es gar<br />

keine Diskussion drüber, obwohl Albert, Lukas und<br />

Ricky nebenbei selbst noch Fußball spielten. Sie<br />

schauten sich also das Spiel an und feuerten anstandshalber<br />

auch alle Florians Lainecker Mannschaft an,<br />

aber als Marcella gar zu sehr kreischte, legte ihr Moritz<br />

die Hand auf den Mund und sagte leise:<br />

„Übertreib’s lieber nicht – auf diese Art überzeugst<br />

du Florian garantiert nicht.“<br />

Als das Spiel aus war, winkte Florian kurz zu den<br />

Tigers herüber, aber er kam nicht zu ihnen. Stattdessen<br />

liefen sie seinem Vater direkt in die Arme, als sie sich<br />

auf den Heimweg machten.<br />

„Na, was macht ihr denn hier statt im Eisstadion?“,<br />

fragte er gutmütig. Die kleinen Tigers grinsten ihn an,<br />

aber wie meistens war es Marcella, die ihm antwortete:<br />

„Hat Florian das nicht erzählt? Wir haben sein Spiel<br />

angeschaut, und da<strong>für</strong> kommt er am Dienstag zu uns<br />

aufs Training!“<br />

Andreas Schmitt grinste zurück.<br />

„Na, dann seht mal zu, dass ihr ihn überzeugen<br />

könnt! Ich würde ihn natürlich auch gerne auf dem Eis<br />

sehen!“<br />

Paulo seufzte laut.<br />

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[35]<br />

„Na, das müsste mein Vater mal sagen! Der hätte<br />

mich am liebsten in der brasilianischen Fußball-<br />

Nationalmannschaft ...“<br />

Andreas Schmitt klopfte ihm auf die Schulter.<br />

„Ach, weißt du - ich lasse das Florian selbst<br />

entscheiden, egal was mir lieber wäre. Und dein Vater<br />

sieht das hoffentlich genauso. Jedenfalls bist du der<br />

einzige brasilianische Eishockeyspieler, den ich kenne.<br />

Und darauf kannst du stolz sein!“<br />

„Ach, ich kann immer noch nicht vernünftig<br />

bremsen, und Kurven klappen auch nicht richtig ...“,<br />

meinte Paulo frustriert.<br />

„Das wird schon noch werden - einfach fleißig<br />

weitertrainieren!“<br />

***<br />

Am Dienstag waren alle sehr gespannt: Wie würde<br />

Florian sich wohl anstellen? Würde er überhaupt<br />

kommen oder lieber kneifen? Aber als Inge zum<br />

<strong>Auf</strong>sperren kam, stand er schon vor der Kabine. Sie<br />

nickte ihm zu.<br />

„Na, Florian – willst du jetzt doch bei uns<br />

mitmachen? Gute Idee!“<br />

Er schüttelte energisch den Kopf.<br />

„Nee, nur heute. Ist so eine Art Wette. Ich bin doch<br />

viel zu schlecht, und außerdem spiele ich Fußball.“<br />

Inge musste lachen.<br />

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[36]<br />

„Na ja, Fußball spielen noch einige von den Jungs.<br />

Und schlecht spielen ... auch da wärst du nicht der<br />

Einzige.“<br />

Nein, das änderte trotzdem nichts daran, dass Florian<br />

keine Lust hatte, ein schlechter Eishockeyspieler zu<br />

sein. Noch dazu, wo sein Vater so gut war! Außerdem<br />

fand er es schrecklich, ständig mit seinem Vater<br />

verglichen zu werden ...<br />

Die übrigen Kleinschüler kamen nach und nach in<br />

die Kabine und zogen sich um, aber Florian saß schon<br />

längst in voller Montur da und fühlte sich sichtlich<br />

unwohl. Jonas nickte ihm aufmunternd zu.<br />

„Cool, dass du wirklich gekommen bist!“<br />

Florian zuckte mit den Schultern.<br />

„War doch abgemacht. Aber nur heute.“<br />

„Moooment!“<br />

Marcella ließ sich neben ihm auf die Bank fallen und<br />

fuchtelte mit ihrem pinkfarbenen Schläger vor seiner<br />

Nase herum. Florian war heilfroh, schon seinen Helm<br />

aufzuhaben!<br />

„Danach wird verhandelt, hatten wir gesagt!“<br />

„Ja, ja ...“<br />

Florian stand auf und ging hinter Jonas her in<br />

Richtung Eis. Marcella war sofort an seiner Seite.<br />

„Wie jetzt – ja, ja?“, wollte sie wissen, aber sie<br />

bekam keine Antwort.<br />

Trainer Jan war nicht unzufrieden mit dem, was<br />

Florian auf dem Eis zeigte. Na ja, Kunststück! Auch<br />

wenn Florian nicht in einer Mannschaft spielte: Mit<br />

seinem Vater und dessen Freunden war er schon oft nur<br />

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[37]<br />

so zum Spaß auf dem Eis gewesen, und die hatten ihm<br />

eine ganze Menge beigebracht. Er war zwar nicht so<br />

gut wie Jonas, Moritz oder Marcella, aber hinter den<br />

anderen brauchte er sich nicht zu verstecken!<br />

Klar, dass Jan nach dem Training fragte:<br />

„Und – sehen wir dich jetzt öfter hier?“<br />

Florian überlegte kurz, während Marcella schon<br />

wieder auf ihn einredete:<br />

„Ach komm – gib dir einen Ruck und mach mit! So<br />

schlecht wie du getan hast bist du doch gar nicht.“<br />

„Okay, unter zwei Bedingungen“, antwortete er<br />

schließlich, an Jan gewendet.<br />

Marcella schaute er gar nicht an dabei. Jan zog eine<br />

Augenbraue hoch und schluckte sein Grinsen runter.<br />

„Aber so gut, dass du Bedingungen stellen kannst,<br />

bist du auch wieder nicht.“, knurrte er.<br />

Florian zeigte mit dem Daumen auf Marcella.<br />

„Aber sie hat doch gesagt, nach dem Training wird<br />

verhandelt. Ich brauch das hier nicht unbedingt ...“<br />

Marcella schaute Jan mit dem gleichen<br />

Augenaufschlag an, den sie beim Sammeln drauf hatte.<br />

„Jan, bitte! Hör dir doch wenigstens an, was er will.“<br />

„Okay. Also – was willst du?“<br />

Florian holte tief Luft:<br />

„Zwei Sachen: erstens eine Rolle Klebeband <strong>für</strong><br />

Marcellas Mund, wenn sie nicht aufhört mich zu<br />

bequatschen. Ich kann das nicht haben.“<br />

Marcella wurde rot und schaute ihn mit wütend<br />

funkelnden Augen an. Trainer Jan konnte sein Grinsen<br />

jetzt nicht mehr zurückhalten, er nickte und sagte:<br />

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[38]<br />

„Einverstanden. Und was noch?“<br />

„Vergleicht mich nie, hört ihr? Nie! Mit meinem<br />

Vater. Wenn ihr das macht, bin ich sofort weg. Klar?“<br />

Jan musterte ihn lange und nachdenklich, bevor er<br />

wieder nickte.<br />

„Klar. Und das gilt <strong>für</strong> euch alle, verstanden?“<br />

Die Kleinschüler brüllten: „Jaaa!“, und damit war<br />

der Fall wirklich klar.<br />

Florian schaute sich um und sagte:<br />

„Ihr könnt Flo sagen!“, bevor er in der Dusche<br />

verschwand.<br />

Als die ersten gehen wollten, rief Jan mit seiner<br />

tiefen Stimme durch die Kabine:<br />

„Bleibt mal noch hier! Es gibt was zu besprechen.“<br />

Neugierig umzingelten sie ihn.<br />

„Hört zu: Ich habe den Turnierplan <strong>für</strong> die Hinrunde<br />

bekommen und <strong>für</strong> jeden von euch kopiert. Wir spielen<br />

gegen Schweinfurt, Hassfurt und Hochbergen, und das<br />

erste Turnier ist am ersten November in Hochbergen.<br />

Unser Heimturnier ist am Wochenende vor<br />

Weihnachten. Mal sehen, wie hoch wir alle schlagen!“<br />

Alle redeten wild durcheinander. Erster November,<br />

das waren nur noch knappe drei Wochen bis dahin!<br />

Paulo und Sandro bekamen richtig Panik bei dem<br />

Gedanken daran, der Rest sah das Ganze etwas<br />

gelassener. Paulo rammte seinem Freund den Ellbogen<br />

in die Rippen.<br />

„Ab sofort so oft wir möglich zum öffentlichen<br />

Eislauf und üben, okay?“<br />

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Sandro nickte, er hatte einen Blick drauf wie ein<br />

verängstigtes Karnickel. Da half es auch nicht viel, dass<br />

Trainer Jan ihm aufmunternd zuzwinkerte. Er bekam<br />

richtig Bauchweh bei der Vorstellung, ein Tor nach<br />

dem anderen zu kassieren ...<br />

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<strong>Eine</strong>n Moment bitte …<br />

Kennst Du schon die Teufelsbraten?<br />

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<strong>Kinder</strong>banden sind out? Wer das denkt, kennt die Teufelsbraten<br />

noch nicht! Fast zwei Jahre lang erleben sie<br />

gemeinsam mit den Drachen ihre Abenteuer. Ärger mit<br />

den Drachen: Es herrscht ein erbitterter Bandenkrieg zwischen<br />

Marc Teufelsbraten und Henriks Drachen, als Babsi<br />

in die Stadt zieht und bei den Teufelsbraten beitritt. Sie<br />

versteht den Sinn der Streitigkeiten nicht und versucht zu<br />

vermitteln. Als sich Henrik vermeintlich auf ihre Seite<br />

schlägt, hofft sie, den Streit beilegen zu können – dabei<br />

geht der Ärger jetzt erst richtig los! Erst als Marc einen<br />

schweren Unfall hat, fangen alle mal an, nachzudenken.<br />

Hoffentlich ist es noch nicht zu spät… Die Teufelsbraten<br />

bewähren sich: Babsi und ihre Mutter Susanne laden kurzerhand<br />

Marc und seinen Vater Ingo über Weihnachten zu<br />

sich ein. Doch plötzlich fängt das Durcheinander erst richtig<br />

an: Babsis Vater will seine Tochter über die Feiertage<br />

zu sich holen – obwohl Babsi dazu überhaupt keine Lust<br />

hat! Die beiden Banden, Teufelsbraten und Drachen, wollen<br />

Babsi helfen und ihn mit allen Mitteln und vereinten<br />

Kräften daran hindern. Obendrein beschließen die Teufelsbraten,<br />

unter die Detektive zu gehen. Ob das so eine<br />

gute Idee ist?<br />

AMAZON<br />

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[42]<br />

… und schon es geht weiter.<br />

<strong>Auf</strong> <strong>geht´s</strong>, <strong>Minitigers</strong>!<br />

_______________<br />

Kapitel 6<br />

Gesagt, getan: Paulo und Sandro schnürten ihre<br />

Schlittschuhe und gingen zum öffentlichen Lauf. Es<br />

war am Donnerstagnachmittag, draußen war es noch<br />

mal richtig warm, und fast niemand hatte bei diesem<br />

Wetter Lust zum Schlittschuh laufen. Also waren die<br />

beiden fast allein auf dem Eis.<br />

Wenn mehr los gewesen wäre, dann wären ihnen<br />

bestimmt nicht die beiden streitenden Frauen draußen<br />

an der Bande aufgefallen. So jedoch spitzten sie die<br />

Ohren, um zu erfahren, worum es da wohl ging. Aber<br />

leider hatten sie keine Chance, obwohl das Geschimpfe<br />

immer lauter wurde: Die Frauen redeten in einer<br />

Sprache, die sie nicht verstanden. Vermutlich russisch<br />

oder so was.<br />

Plötzlich drehte sich die eine Frau um und ging mit<br />

schnellen Schritten davon. Sogar von hinten sah sie<br />

wütend aus! Die andere Frau sagte etwas zu einem<br />

Mädchen, das auf der Bank saß. Aber sie bekam keine<br />

Antwort, sondern das Mädchen sprang auf und rannte<br />

auf die Eisfläche, wo sie mit schnellen Schritten zum<br />

Mittelkreis fuhr und dort wütende Pirouetten drehte.<br />

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[43]<br />

Paulo stieß Sandro an und grinste: Sie hatte ein<br />

kurzes Kleidchen an und dicke hellbraune Strumpfhosen,<br />

sie war eindeutig eine von den kleinen<br />

Eiskunstläuferinnen. Die beiden Jungs fuhren etwas<br />

näher hin, als sie sahen, dass das Mädchen weinte. Die<br />

Frau rief ihr etwas zu, aber als sie eine offenbar recht<br />

trotzige Antwort bekam, drehte sie sich ebenfalls um<br />

und ging in Richtung Kiosk. Als das Mädchen sie nicht<br />

mehr sah, ließ sie sich aufs Eis fallen und heulte noch<br />

mehr.<br />

Schließlich sprach Sandro sie einfach an:<br />

„He, du! Ist alles in Ordnung?“<br />

Blöde Frage – natürlich nicht. Und prompt bekam er<br />

ein pampiges „Nein!“ an den Kopf geworfen. Aber er<br />

ließ nicht locker.<br />

„Was ist denn los mit dir?“<br />

Sie schaute die beiden Jungen an und wischte sich<br />

mit einer trotzigen, schnellen Bewegung eine Träne von<br />

der Backe.<br />

„Das kann euch doch egal sein ...“, schniefte sie.<br />

„Okay, hast ja recht.“, brummte Sandro und drehte<br />

sich weg. Sollte sie doch dort hocken, bis sie festfror!<br />

Doch in diesem Augenblick rief sie:<br />

„Nein, wartet! Ich sag’s euch. Das war meine<br />

Mutter, sie hat sich mit meiner Trainerin gestritten. Ich<br />

mach Eiskunstlauf, wisst ihr?“ – die Jungs grinsten<br />

etwas spöttisch, sagten aber nichts – „Und jetzt muss<br />

ich damit aufhören ...“<br />

Sie begann wieder zu weinen.<br />

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[44]<br />

„Aber warum denn? Schlechte Noten in der<br />

Schule?“, fragte Paulo.<br />

Sie schüttelte den Kopf.<br />

„Ich habe Probleme mit den Gelenken, ständig tun<br />

sie mir weh. Der Arzt sagt, ich darf nicht springen, das<br />

ist nicht gut <strong>für</strong> meine Gelenke. Und meine Trainerin<br />

sagt, wenn ich nicht springen übe, wird nichts aus mir.<br />

Und jetzt hat meine Mutter ihr gesagt, dass ich nicht<br />

mehr kommen darf. Aber ich gehöre doch aufs Eis ...“<br />

Sie schluchzte laut auf. Sandro und Paulo<br />

wechselten einen kurzen Blick, bevor Sandro sagte:<br />

„Na, dann komm doch zu uns. Da springt keiner.“<br />

Sie schaute hoch, starrte ihn verblüfft an und fragte:<br />

„Wie – zu euch? Was soll ich da machen?“<br />

Paulo grinste breit.<br />

„Eishockey spielen. Ich bin Paulo, und das ist mein<br />

Freund Sandro. Er ist unser Torwart. Wie sieht´s aus?“<br />

„Ihr spinnt! Übrigens – ich heiße Katharina. Und<br />

Mädchen spielen nicht Eishockey.“<br />

„So ein Quatsch! Wir haben ja sogar eins in der<br />

Mannschaft. Also, was ist? Kommst du mal auf<br />

Training? Morgen um Viertel fünf?“<br />

In diesem Moment bremste neben ihm jemand mit<br />

einem lauten „Ratsch!“, und Katharina wurde einen<br />

kurzen Augenblick lang von funkelnden Eiskristallen<br />

eingestäubt.<br />

„Seid ihr noch zu retten?“, erklang Marcellas erboste<br />

Stimme direkt an Paulos Ohr.<br />

„Das ist eine Schnörkseldreherin – was soll die denn<br />

bei uns? Pausenclown spielen?“<br />

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Marcella musterte voll Verachtung Katharinas<br />

kurzes Röckchen und die weißen Schlittschuhe mit den<br />

Zacken dran. Paulo blitzte sie wütend an.<br />

„Ich schätze mal, sie kann besser Kurven fahren als<br />

ich!“, knurrte er gefährlich leise.<br />

Sandro, der ihn gut genug kannte, wusste, dass er<br />

gleich explodieren würde, aber Marcella achtete nicht<br />

auf seinen Tonfall.<br />

„Zum Kuckuck! Wir brauchen gute Stürmer, keine<br />

Pirouettendreher! Was soll der Quatsch?“, fauchte sie.<br />

Und jetzt passierte es - Paulo ging hoch.<br />

„Ja klar, deswegen sprichst du ja nur <strong>Kinder</strong> von<br />

guten Eishockeyspielern an. Du denkst wohl, sonst hat<br />

keiner Talent dazu! Wie war das doch gleich – ›das<br />

Fußballstadion ist dort drüben!‹“, äffte er sie nach. „Du<br />

meinst wohl, Brasilianer dürfen nur Fußball spielen und<br />

Italiener nur Pizza backen und andere Mädchen nur<br />

Ballett machen!?!“<br />

Marcella starrte ihn an, einen kurzen Moment lang<br />

fassungslos, aber dann fauchte sie:<br />

„Schau sie dir doch an: hockt hier in ihrem<br />

Prinzessinnenkleid und heult! Was wollt ihr denn mit<br />

der? Außerdem haben wir keine Leihausrüstungen<br />

mehr, und so kann sie ja wohl kaum auflaufen ...“<br />

Damit fuhr sie davon.<br />

Paulo und Sandro schauten sich verlegen an.<br />

„Tut uns leid – wir denken nicht so ...“, murmelte<br />

Sandro, und Paulo hielt Katharina die Hand hin.<br />

„Komm, steh auf, sonst erkältest du dich noch.“<br />

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Zögernd nahm sie seine Hand und zog sich hoch.<br />

Dann schaute sie ihm fest in die Augen und sagte leise:<br />

„Morgen um Viertel fünf, das ist 16 Uhr 15, oder?“<br />

Er nickte verblüfft.<br />

„Ich werde kommen. Und ich werd’s der da“ – sie<br />

deutete kurz mit dem Daumen in Richtung Marcella –<br />

„zeigen! Wollen wir zusammen laufen?“<br />

Die Jungs wechselten wieder einen schnellen Blick.<br />

Es war ihnen nicht ganz wohl dabei, vor allem, weil<br />

Marcella sie so böse anfunkelte, dass sie es quer über<br />

die Eisfläche merkten. Aber schließlich fuhren sie mit<br />

Katharina los. Es war sonderbar: Sie fuhr irgendwie<br />

ganz anders als die Eishockeyspieler, aber trotzdem –<br />

beim Fangen spielen entkam sie ihnen jedes Mal, weil<br />

sie im letzten Moment einen Haken schlagen konnte<br />

wie ein Hase.<br />

Als sie später am Kiosk einen Zitronentee tranken,<br />

meinte Paulo nachdenklich:<br />

„Wenn ich nur wüsste, woher wir eine Ausrüstung<br />

<strong>für</strong> dich kriegen sollen. Höchstens wenn ich nicht<br />

mittrainiere ... ich hab ja eine Leihausrüstung, und am<br />

Samstag wollten meine Eltern mir eine eigene<br />

Ausrüstung kaufen. Dann gebe ich die Leihausrüstung<br />

eh zurück.“<br />

Katharina sah ihn ernst an und antwortete:<br />

„Kommt nicht in Frage – du musst noch viel üben!<br />

Mach dir keine Gedanken: Ich werde kommen und ich<br />

werde eine Ausrüstung haben!“<br />

Damit verabschiedete sie sich und lief zu ihrer<br />

Mutter, auf die sie aufgeregt einredete, während sie<br />

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immer wieder auf die beiden Jungen zeigte. Ihre Mutter<br />

schüttelte zuerst energisch den Kopf, aber schließlich<br />

zuckte sie mit den Schultern und nickte, worauf ihr<br />

Katharina um den Hals fiel. Offenbar hatte sie das<br />

Probetraining erlaubt!<br />

Kaum war Katharina bei ihrer Mutter, als Marcella<br />

wieder auftauchte. Sie war immer noch stinksauer.<br />

„Müsst ihr unbedingt da<strong>für</strong> sorgen, dass alle über<br />

uns lachen?“, fragte sie bissig. „Ein Brasilianer im<br />

Sturm, ein Grieche im Tor, eine Schnörkseldreherin in<br />

der Abwehr - wen wollt ich denn als nächstes<br />

anschleppen? <strong>Eine</strong>n Afrikaner vielleicht, oder lieber<br />

einen Mexikaner? <strong>Eine</strong> Opernsängerin? Und in<br />

Australien wird auch nicht viel Eishockey gespielt,<br />

vielleicht treibt ihr dort jemanden auf!“<br />

Alessandro schaute sie traurig an.<br />

„Marcella, warum bist du so böse? Wir können nun<br />

mal nicht alles so gut wie du, aber Spaß macht es uns<br />

trotzdem. Reicht das nicht?“<br />

„Nein!“ – sie musterte ihn wütend von Kopf bis Fuß<br />

– „Das reicht eben nicht! Gewinnen ist wichtig, sonst<br />

nichts!“<br />

Damit ließ sie die beiden stehen und marschierte<br />

davon. Sandro seufzte.<br />

„Arme Marcella. Die ist ja richtig verbissen. Meinst<br />

du, es macht ihr echt keinen Spaß, wenn wir nicht<br />

gewinnen?“<br />

Paulo zuckte mit den Schultern.<br />

„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich mich erst mal<br />

aufs Verlieren einstelle. Sonst kann ich gleich wieder<br />

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[48]<br />

aufhören. In dem einen Punkt könnte sie jedenfalls<br />

recht haben: dass erst mal alle lachen ...“<br />

Während Sandro und Paulo schlecht gelaunt den<br />

Heimweg antraten, redete Katharina wie ein Wasserfall<br />

auf ihren Vater ein, bis der endlich nickte und auf<br />

russisch etwas sagte, was so viel bedeutet wie „in<br />

Ordnung!“.<br />

Sie brachte ihm das Telefon, und er rief einen guten<br />

Freund an, der wieder einen anderen guten Freund hatte<br />

und so weiter. Jedenfalls hatte der Sohn von einem<br />

dieser Freunde früher mal Eishockey gespielt und die<br />

Ausrüstung lag auf dem Dachboden.<br />

Zwei Stunden später stand diese Eishockeytasche<br />

bei Katharinas Eltern im Wohnzimmer, und sie zog mit<br />

ungläubigen Blicken ein Teil nach dem anderen heraus.<br />

„Das soll ich alles anziehen? Wie soll das denn<br />

gehen?“<br />

Mit einem verlegenen Grinsen erklärte ihr der Sohn<br />

dieses Freundes, wie sie die Sachen anziehen musste.<br />

Es war ihr noch etwas zu groß, das Zeug, und seine<br />

Schlittschuhe waren auch nicht mit dabei, aber egal!<br />

Sie war jetzt bereit <strong>für</strong> morgen, und Marcella würde<br />

sich wundern!<br />

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Kapitel 7<br />

Marcella stand in der Kabine und lästerte. Die meisten<br />

Jungs taten so, als würden sie ihr gar nicht zuhören,<br />

aber jeder hatte die Ohren gespitzt.<br />

„<strong>Eine</strong> Schnörkseldreherin hätten die beiden<br />

angeschleppt – das muss man sich mal vorstellen! Da<br />

merkt man eben, dass die keine Ahnung von Eishockey<br />

haben! Wie doof kann man eigentlich sein?“<br />

Inge funkte dazwischen:<br />

„Aber Marcella! Findest du nicht, dass deine<br />

Sprüche unfair sind? Und außerdem wissen wir alle,<br />

dass wir zu wenig Spieler haben.“<br />

Marcella setzte mit einer trotzigen Bewegung ihren<br />

Helm auf und sagte schnippisch:<br />

„Na, aber so verzweifelt sind wir auch noch nicht,<br />

dass wir jeden nehmen!“<br />

In diesem Augenblick wurde die Kabinentür<br />

schwungvoll aufgestoßen, und Trainer Jans Stimme<br />

dröhnte vorwurfsvoll herein:<br />

„Glaubst du nicht, dass ich das zu entscheiden habe?<br />

Oder hast du jetzt seit Neustem die Personalentscheidungen<br />

zu treffen?“<br />

Marcella schnappte sich ihren Schläger und<br />

murmelte halblaut:<br />

„Phh – hat sich ja eh erledigt.“<br />

„Von wegen!“, rief Paulo kampflustig von der Tür<br />

herüber.<br />

Er schleppte eine fremde Tasche (was aber außer<br />

Inge und Marcella keiner bemerkte), stellte sie vor eine<br />

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Bank, rannte hinaus und kam gleich darauf mit seiner<br />

eigenen Tasche zurück in die Kabine.<br />

„Los, kommt endlich!“, rief er hinaus, und<br />

tatsächlich kam Sandro mit seiner Tasche herein, und<br />

gleich hinter ihm drückte sich Katharina wie ein<br />

Schatten in die Kabine.<br />

„Das - “, rief Paulo mit einer weitausholenden<br />

Handbewegung, „ – ist Katharina. Sie will mal hier<br />

reinschnuppern.“<br />

Katharina wurde rot und wusste nicht, wohin sie<br />

schauen sollte.<br />

„Hallo ...“, flüsterte sie, setzte sich schnell hin und<br />

begann, in ihrer Tasche zu wühlen.<br />

Die Jungs tuschelten leise miteinander, und Jan warf<br />

Inge bedeutungsvolle Blicke zu, die Augenbrauen<br />

hochgezogen. Marcella schaute eine Zeitlang wütend<br />

auf ihre Schlittschuhe, dann schüttelte sie den Kopf und<br />

wollte raus aufs Eis, aber Jan hielt sie zurück.<br />

„Moooment! Allein <strong>geht´s</strong> nicht aufs Eis, das weißt<br />

du. Hilf lieber Katharina mit ihren Sachen, sie wird sich<br />

noch nicht auskennen damit!“<br />

Marcella verdrehte genervt die Augen, aber<br />

Katharina sagte überraschend laut:<br />

„Nein danke - ich komme schon klar!“<br />

Jan und Marcella drehten sich zu ihr um und starrten<br />

sie verdattert an – sie hatte sich in Rekordzeit<br />

angezogen und ließ sich gerade von Inge ein Trikot<br />

geben. Inge schnürte ihr kopfschüttelnd die<br />

Schlittschuhe – weiß mit Zacken vorne dran! – und Jan<br />

brummte:<br />

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„Wow! Wenn nur alle so schnell wären!“<br />

Katharina lächelte schüchtern, aber dass sie gestern<br />

noch zwei Stunden lang heimlich das An- und<br />

Ausziehen geübt hatte, das sagte sie nicht. Inge fragte<br />

sie, warum sie vom Eiskunstlauf hierher wechseln<br />

wollte, und Katharina erzählte von ihren Gelenken und<br />

dass sie nicht mehr springen durfte.<br />

„Aber was soll ich machen? Ohne Eis bin ich nichts,<br />

wie ein Fisch ohne Wasser ...“<br />

Marcella hatte ihr aufmerksam zugehört, und jetzt<br />

tat es ihr plötzlich leid, so ekelhaft gewesen zu sein. Sie<br />

versuchte sich auszumalen, wie es wäre, wenn sie nicht<br />

mehr Eishockey spielen dürfte. Als ihr Vater sich<br />

damals den Knöchel gebrochen hatte und hinterher<br />

nichts mehr so gut ging wie vor der Verletzung, da war<br />

er wochenlang nicht ansprechbar gewesen, so sehr hatte<br />

ihn das frustriert. Und dabei hatte er ja gewusst, er<br />

würde über kurz oder lang wieder spielen dürfen ...<br />

<strong>Auf</strong>hören zu müssen, das war bestimmt schrecklich,<br />

beim Eiskunstlauf genauso wie bei Eishockey. Mit<br />

einem verlegenen Grinsen zog Marcella die<br />

Handschuhe aus, ging zu Katharina und hielt ihr die<br />

Hand hin.<br />

„Tut mir leid, das habe ich nicht gewusst. Das ist<br />

sicher schlimm <strong>für</strong> dich, nicht mehr springen zu dürfen<br />

...“<br />

Katharina schaute auf die hingehaltene Hand, dann<br />

in Marcellas Gesicht, und schließlich schlug sie ein und<br />

sagte:<br />

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„Schon in Ordnung. Du willst gewinnen. Das wollte<br />

ich auch immer. Jetzt weiß ich, dass das Mitmachen<br />

mehr zählt als das Gewinnen. Vielleicht merkst du das<br />

irgendwann auch noch.“<br />

Bevor Marcella sich eine Antwort überlegt hatte, rief<br />

Jan:<br />

„<strong>Auf</strong> <strong>geht´s</strong>!“, und lief voraus zum Eis.<br />

Das Training war längst nicht so schrecklich, wie<br />

Katharina be<strong>für</strong>chtet hatte. Es war zwar nicht ganz<br />

einfach <strong>für</strong> sie, mit Schläger und Puck umzugehen, aber<br />

immerhin konnte sie ja super Schlittschuh laufen und<br />

konnte sich deshalb voll auf den Puck konzentrieren.<br />

Und als sie zum ersten Mal das Tor traf, wirbelte sie<br />

mit einer fröhlichen Pirouette übers Eis. Trainer Jan sah<br />

ihr nachdenklich zu und winkte sie dann zu sich.<br />

„Sag mal, kannst du das auch mit dem Puck?“<br />

Katharina überlegte kurz.<br />

„Das müsste ich üben. Versuchen könnte ich´s.“<br />

Jan nickte.<br />

„Okay. Du gehst mit Jonas zusammen und versuchst<br />

ihm den Puck abzujagen. Und dann machst du mit dem<br />

Puck zwei oder drei schnelle Drehungen. Meinst du,<br />

das geht?“<br />

Sie zuckte mit den Schultern.<br />

„Ich probier’s.“<br />

„Okay. Und Jonas, du lässt dir den Puck abnehmen,<br />

klar? Sie ist noch nicht so geschickt mit dem Schläger<br />

wie du.“<br />

Sie begannen zu üben, während der Rest der<br />

Mannschaft das Zuspiel trainierte. Anfangs hatte<br />

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Katharina Schwierigkeiten, aber mit der Zeit wurde sie<br />

immer sicherer und schaffte es problemlos, den Puck<br />

bei der Drehung mitzunehmen. Jan grinste.<br />

„Na – wenn das unsere Gegner nicht verwirrt, dann<br />

weiß ich auch nicht. Okay, Jungs! Wir spielen!“<br />

„Ach, und wir?“, fragte Marcella lachend.<br />

Sie rammte Katharina den Ellbogen in den<br />

Brustschutz und zwinkerte ihr zu.<br />

„Oberste Regel: Lass dich hier nicht unterbuttern,<br />

nur weil du ein Mädchen bist.“<br />

„Na, bei dir müssen wir uns ja keine Sorgen machen.<br />

Dir passiert das garantiert nicht, oder?“, knurrte Jonas,<br />

aber Marcella lachte nur.<br />

Als sie geduscht und umgezogen waren, sahen sie<br />

alle miteinander noch den Junioren beim Training zu.<br />

Alessandro beobachtete fasziniert Janine, die im Tor<br />

lauerte wie eine Spinne im Netz. Es war unglaublich,<br />

wie sie die Pucks regelrecht aus der Luft pflückte.<br />

„Boah, die ist so gut ...“, murmelte Sandro.<br />

„Klar, deswegen ist sie ja auch in der<br />

Nationalmannschaft. Schau genau hin, da kannst du<br />

eine ganze Menge lernen!“, antwortete Marcella.<br />

Sandro schüttelte traurig den Kopf.<br />

„So gut werde ich nie, und wenn ich hundert Jahre<br />

lang übe ...“<br />

„Quatsch! Mit der Einstellung darfst du gar nicht<br />

erst rangehen, dann wird das freilich nichts. Frag sie<br />

doch mal, ob sie dir was beibringt!“<br />

Katharina mischte sich jetzt ein.<br />

„Wie – Nationalmannschaft? Mit lauter Männern?“<br />

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Sie starrte Janine mit großen Augen an. Marcella<br />

lachte belustigt.<br />

„Nein, es gibt doch auch Dameneishockey. Nur halt<br />

nicht überall. Janine ist im U18-Damenteam. Sie war<br />

letztes Jahr in Kanada mit dabei, bei der WM. Ich sag<br />

euch: So weit will ich auch mal kommen ...“<br />

Ihr Blick wurde ganz verträumt, und Jonas<br />

brummelte trocken, aber doch mit Anerkennung in der<br />

Stimme:<br />

„Na, wenn eine das schafft, dann du!“<br />

Paulo rammte Sandro den Ellbogen in die Rippen.<br />

„Los, komm! Wir verschwinden.“<br />

Aber Sandro schüttelte nur unwillig den Kopf und<br />

winkte ab.<br />

„Nicht, so lange Janine noch auf dem Eis ist. Ich<br />

will was lernen, ich hab´s dringend nötig ...“<br />

Also blieben sie auf der Tribüne sitzen. Die meisten<br />

Kleinschüler machten Quatsch und alberten herum.<br />

Aber Sandro und Katharina ließen keinen Blick von<br />

Janine.<br />

***<br />

Nur noch zwei Wochen bis zum ersten Turnier! Und<br />

ausgerechnet in Hochbergen ...<br />

„Mist! Gegen die gewinnen wir eh nicht. Wisst ihr<br />

noch? Letztes Jahr? Die hatten Spieler, die waren durch<br />

die Bank zwei Köpfe größer als wir!“, jammerte Albert.<br />

Und in seiner Erinnerung wuchsen die Hochbergener<br />

gleich noch mal um zwanzig Zentimeter.<br />

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[55]<br />

Aber Philip lachte ihn aus.<br />

„Mann, du hast mal wieder keinen Plan! Die sind<br />

doch jetzt alle rauf zu den Knaben, deswegen waren die<br />

so groß. Und deswegen müssen wir heuer auch keine<br />

Angst vor ihnen haben, da sind jetzt bestimmt lauter<br />

Knirpse aufgerückt.“<br />

„Bist du da sicher?“, fragte Moritz erwartungsvoll.<br />

„Na ja, bei den Großen schon. Was nachkommt,<br />

weiß ich natürlich auch nicht so genau ...“<br />

„Und was weißt du über die anderen Mannschaften?<br />

Schweinfurt und Hassfurt?“<br />

Philip überlegte kurz.<br />

„Aaalso: Schweinfurt, die waren letztes Jahr<br />

ziemlich stark. Hassfurt nicht so. Aber wie das heuer<br />

aussieht, das kann ich euch erst nach dem Turnier<br />

sagen.“<br />

Jan mischte sich ein:<br />

„Jungs – und Mädels -, es ist ganz egal, wie gut oder<br />

schlecht die anderen sind. Ich will, dass jeder Einzelne<br />

von euch sein Bestes gibt! Alles andere ist nicht so<br />

wichtig.“<br />

Marcella blitzte ihn wütend an.<br />

„Von wegen! Dass wir gewinnen – das ist wichtig!<br />

Gewinnen, das ist das tollste Gefühl der Welt!<br />

Verlieren, das ist voll Mist! Wenn du fünf Tore schießt<br />

und deine Mannschaft verliert, was zählen dann die<br />

Tore noch? Gar nichts!“<br />

Viele von den Jungs nickten zustimmend, aber Jan<br />

schüttelte ganz energisch den Kopf.<br />

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„Habt ihr schon vergessen – vorletzte Saison? Das<br />

allerletzte Spiel? Es stand 1:1, und der Schiri hat<br />

plötzlich einen Penalty <strong>für</strong> Schweinfurt gepfiffen, der<br />

gar keiner war. Und da haben sie ihr zweites Tor<br />

geschossen.“<br />

Als ob irgendjemand das vergessen könnte! Jo war<br />

damals im Tor gewesen, und er hatte so sehr geweint<br />

nach diesem Treffer. Wenn die Schweinfurter hinterher<br />

den Puck nur noch einmal vor das Bayreuther Tor<br />

gebracht hätten – er wäre drin gewesen! Jo hätte nichts<br />

mehr gehalten nach diesem blöden Penalty! Das Spiel<br />

hatten sie also 1:2 verloren, aber ihre Eltern hatten auf<br />

der Tribüne geklatscht und sich so gefreut, als wäre es<br />

der erste Sieg gewesen.<br />

„Und warum?“, fragte Trainer Jan. „Weil ihr ein<br />

Superspiel gespielt habt. Man muss nicht unbedingt<br />

gewinnen, um ein Sieger zu sein. Natürlich ist es toll zu<br />

gewinnen. Aber wichtiger ist es, sein Bestes zu geben.<br />

Für die Mannschaft. Dann kann man den Kopf oben<br />

halten, wenn man vom Eis geht. Und alles andere findet<br />

sich. Denkt mal drüber nach!“<br />

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Kapitel 8<br />

Der Bus stand am Eingang des Volksfestplatzes und<br />

glitzerte im Nieselregen, jedes Mal wenn die<br />

Scheinwerferfinger eines vorbei fahrenden Autos ihn<br />

trafen. Das kam nicht besonders oft vor: Es war der<br />

erste November, Allerheiligen, Feiertag und es war<br />

sieben Uhr morgens. Da stand keiner auf und fuhr<br />

durch die Gegend, wenn er nicht musste oder grad auf<br />

dem Weg zum ersten Turnier dieser Saison war.<br />

Trainer Jans Mannschaft war fast komplett, und alle<br />

redeten aufgeregt durcheinander. Sie hatten<br />

schwarzgelbe Trainingsanzüge an – sah cool aus: Alle<br />

in den gleichen Klamotten - und fast alle hatten ihre<br />

Nintendos dabei. Etliche Eltern wollten mitfahren, sie<br />

standen gähnend vor dem Bus, zum Teil eine Zigarette<br />

in der Hand oder im Mundwinkel. Endlich bog das<br />

Auto von Florians Vater um die Ecke, er war der<br />

Letzte, der noch gefehlt hatte. Jan grinste den<br />

gähnenden Andreas Schmitt breit an und fragte:<br />

„Na, ausgeschlafen?“<br />

Andreas holte mit Schwung die Eishockeytasche aus<br />

dem Kofferraum und meinte nur:<br />

„Na, Gott sei Dank muss die erste Mannschaft<br />

immer abends spielen ...“<br />

Er verstaute die Tasche im Bus, und die Erwachsenen<br />

traten ihre Zigaretten auf dem nassen<br />

Asphalt aus, bevor alle einstiegen. Im Bus herrschte<br />

helle <strong>Auf</strong>regung. Alle Spieler hüpften herum und<br />

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schrien sich ständig irgendwelche Sachen zu. Inge rief<br />

laut:<br />

„Alle sofort hinsetzen und anschnallen, sonst fahren<br />

wir nicht los!“<br />

Na ja, losfahren wollten sie natürlich schon, und so<br />

wurde es wirklich etwas ruhiger. Nervös war jeder, aber<br />

keiner wollte es sich anmerken lassen. Jonas und<br />

Moritz schalteten ihre Nintendos an, aber so richtig bei<br />

der Sache waren sie nicht. Paulo kaute nachdenklich<br />

auf seinem linken Daumennagel herum. Eigentlich<br />

hatte er ja nichts zu verlieren: Es war sein erstes Spiel<br />

überhaupt, und er würde einfach versuchen, sein Bestes<br />

zu geben. Trotzdem hatte er ein flaues Gefühl in der<br />

Magengrube. Irgendeiner würde vermutlich schon<br />

darüber lachen, dass ein Brasilianer Eishockey spielte!<br />

Hoffentlich lachten sie nicht auch noch über seine<br />

Kurven! Zumindest bremsen konnte er ja mittlerweile –<br />

immerhin etwas ...<br />

Alessandro saß neben ihm und starrte zum Fenster<br />

hinaus. Die Regentropfen wurden vom Fahrtwind nach<br />

hinten gedrückt. Ein Großer, fünf Kleine, wieder ein<br />

Großer, der auseinanderplatzte ... Er war der Torwart –<br />

wenn der Gegner durchkam bis zu ihm, dann war ganz<br />

allein er verantwortlich ... Noch ein paar Kleine, die<br />

sich sammelten und zu einem Großen wurden ... Was,<br />

wenn die Hochbergener Stürmer ihn in Grund und<br />

Boden schossen? Wieder zwei, drei Große ... Was,<br />

wenn die Tigers ihn dann nicht mehr wollten?<br />

Plötzlich schreckte er hoch – Paulo hatte ihn<br />

geknufft.<br />

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[59]<br />

„Das wird schon irgendwie werden!“, meinte Paulo,<br />

und Sandro nickte betont fröhlich.<br />

„Na klar doch!“<br />

Katharina saß neben Marcella und tauschte mit ihr<br />

Winx-Karten. Lange Zeit redeten die beiden nur über<br />

ihre Karten, aber irgendwann sah Katharina hoch und<br />

fragte leise:<br />

„Meinst du, ich komme da lebend raus?“<br />

Marcella kicherte ein wenig.<br />

„Na klar. Ich kenne jedenfalls keinen, der auf dem<br />

Eis gestorben wäre. Zumindest nicht bei den<br />

Kleinschülern. Knaben aufwärts, auf dem Großfeld, da<br />

<strong>geht´s</strong> schon härter zu, klar. Aber das hier überleben<br />

wir – versprochen!“<br />

Endlich kamen sie in Hochbergen an und hielten<br />

wenig später vor der Eishalle. Jonas atmete tief durch<br />

und rief: „<strong>Auf</strong> <strong>geht´s</strong>!“, während Inge aufstand.<br />

„Okay, <strong>Kinder</strong>! Taschen holen und ab in die Kabine,<br />

hinter mir her.“<br />

Mit diesen Worten stieg sie aus dem Bus, zog ihre<br />

Kapuze über den Kopf und öffnete die unteren<br />

Klappen, um die Taschen aus dem Bus zu holen. Die<br />

<strong>Minitigers</strong> sausten hinterher, aufgeregt<br />

durcheinanderredend, jeder schnappte sich seine<br />

Tasche, und dann ging’s hinein in die Eishalle. Sie<br />

hatten gar keine Zeit, sich großartig umzusehen, denn<br />

sie waren spät dran. Schnell noch eine Viertelstunde<br />

Trockentraining, um warm zu werden, und dann zogen<br />

sie sich möglichst schnell um, damit sie aufs Eis<br />

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[60]<br />

konnten. Die anderen Mannschaften waren schon alle<br />

auf dem Eis. Philip zeigte aufs Hochbergener Team:<br />

„Hab ich doch gesagt: Die großen Kerle spielen jetzt<br />

fast alle bei den Knaben!“<br />

Tatsächlich waren die Spieler aus Hochbergen nicht<br />

größer als die Bayreuther. Ein kurzer Blick zu den<br />

Schweinfurtern – wie immer sahen die riesig aus und<br />

unbesiegbar ... die Hassfurter waren kleiner, aber sie<br />

wirkten zäh und schnell. Jan rief die Mannschaft zu<br />

sich.<br />

„Also, denkt dran: Es geht nicht darum, alles zu<br />

gewinnen. Es geht darum, einen guten Eindruck zu<br />

machen. Gebt alles, und bleibt fair. Verstanden?“<br />

„Jaaaa!“, gellte es übers Eis, und gleich darauf der<br />

Schlachtruf der <strong>Minitigers</strong> hinterher.<br />

Und endlich, endlich ging es los!<br />

Alessandro fuhr mit großen Schritten auf sein Tor zu<br />

– keiner sollte merken, dass er Magenkrämpfe hatte vor<br />

Angst! Seine Hand zitterte ein wenig, als er seine<br />

Trinkflasche oben aufs Tor legte. Er drehte sich<br />

zögernd um, fuhr zwei, drei Schritte nach vorne und<br />

wartete auf den Anpfiff. Die erste Tigers-Reihe kam zu<br />

ihm gefahren: Jonas, der Kapitän, neben Mihai im<br />

Sturm. Moritz und André in der Verteidigung.<br />

Der Schiri legte den Puck auf die Mittellinie und<br />

pfiff – das Spiel ging los! Beide Mannschaften<br />

spurteten von der Torlinie zum Puck, ein Hassfurter<br />

Stürmer erwischte die Scheibe und griff an. Moritz<br />

jagte ihm den Puck ab und passte zu Mihai nach vorne.<br />

Der startete durch, zog auf und schoss. Der Hassfurter<br />

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Torhüter machte sich lang und begrub den Puck unter<br />

seiner Fanghand. Er gab nach hinten zu seinen<br />

Verteidigern ab, aber schon war Jonas da, fuhr ums Tor<br />

herum, passte zu Mihai. Der schoss noch mal, der Puck<br />

prallte an der Torwartschiene ab, Jonas stand<br />

goldrichtig, zog auf und schoss ins kurze Eck – 1:0 <strong>für</strong><br />

die Tigers!<br />

Sie hatten keine Zeit zum Jubeln, sondern mussten<br />

sofort zurück in die eigene Hälfte fahren, da die<br />

Hassfurter jetzt im Puckbesitz waren. Plötzlich eine<br />

Sirene: Wechsel!<br />

Die zweite Reihe sauste aufs Eis, mit Flo und<br />

Marcella im Sturm und als Verteidiger Ricky und<br />

Philip. Hassfurt hatte immer noch den Puck, sie<br />

kreuzten direkt vor dem Tor der Tigers, Ricky war<br />

einen Tick zu langsam, und plötzlich war ein Hassfurter<br />

Stürmer allein vor dem Tor. Sandro spürte, wie sein<br />

Herzschlag einen Moment lang ins Stolpern kam. Er<br />

fuhr zurück bis direkt vor die Torlinie und spürte mehr,<br />

wohin der Puck flog, als dass er es gesehen hätte.<br />

Hinterher hätte er nicht sagen können wie – aber er<br />

hatte den Puck in der Fanghand.<br />

Ein Stein fiel ihm vom Herzen! Mit einem<br />

erleichterten Seufzer gab er die Scheibe an seine<br />

Verteidiger ab. Jetzt war er drin im Spiel, er hatte den<br />

ersten Schuss gehalten: Er war gut! Wieder die<br />

Wechselsirene. Jetzt kamen Vlad und Paulo als Stürmer<br />

sowie Katharina und Lukas als Verteidiger. Katharina<br />

jagte einem Hassfurter Stürmer den Puck ab und drehte<br />

eine Pirouette damit. Die Hassfurter blieben einen<br />

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Moment lang verwirrt stehen, aber da hatte sie schon zu<br />

Vlad gepasst, der den Pfosten traf.<br />

Als das Spiel zu Ende war, liefen die <strong>Minitigers</strong><br />

verschwitzt, aber zufrieden in ihre Kabine. 5:3 hatten<br />

sie gewonnen! Klar, dass Marcella ein Tor geschossen<br />

hatte. Jonas noch ein zweites, und die anderen beiden<br />

hatten Flo und Vlad gemacht.<br />

Paulo klopfte Sandro mit dem Schläger an die<br />

dicken Torwartschienen.<br />

„Gut gehalten!“, meinte er. Sandro nickte. Okay, das<br />

zweite hätte er verhindern können, da war ihm der Puck<br />

zwischen den Beinen durchgeflutscht. Sein Fehler - er<br />

hatte den Schläger nicht aufs Eis aufgesetzt gehabt.<br />

Aber die anderen beiden Tore hatte die Nummer 5 der<br />

Hassfurter geschossen, und der haute drauf, dass einem<br />

ganz anders wurde!<br />

Die Tigers naschten von dem bereitgestellten Obst<br />

und tranken ein paar Schluck Zitronentee, aufgeregt<br />

durcheinanderredend. Bis Trainer Jan ihnen erzählte,<br />

was seiner Meinung nach gut und was weniger gut<br />

geklappt hatte. Und ruck-zuck war die Spielpause auch<br />

schon vorbei. Es ging wieder aufs Eis, diesmal gegen<br />

Schweinfurt. Da taten sich die kleinen Tigers schon<br />

wesentlich härter, aber ihre Abwehr stand gut, und auch<br />

Alessandro wurde immer sicherer. Als die<br />

Schlusssirene ertönte, trennten sich die beiden Teams<br />

2:2 unentschieden. <strong>Eine</strong> tolle Leistung <strong>für</strong> die<br />

Bayreuther! Immerhin hatten sie vier neue Feldspieler,<br />

die sich erst in die Mannschaft finden mussten. Und<br />

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[63]<br />

Sandro stand überhaupt erst seit ein paar Wochen im<br />

Tor.<br />

Trotzdem war Trainer Jan nicht vollkommen<br />

glücklich. Obwohl er die <strong>Kinder</strong> lobte und anfeuerte <strong>für</strong><br />

das Spiel gegen Hochbergen, stand eine steile Falte<br />

über seiner Nase. Und als die Mannschaft zurücklief<br />

aufs Eis, raunte er Inge zu:<br />

„Die müssten irgendwie zusammenfinden als Team<br />

... Ich hab das Gefühl, da denken ganz viele nur an sich<br />

selbst.“<br />

Inge nickte.<br />

„Es sind halt auch viele Neue dabei. Und die Saison<br />

hat grade erst angefangen. Das wird schon noch!“<br />

Nachdenklich folgten die beiden den <strong>Minitigers</strong><br />

zurück auf die Eisfläche.<br />

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Kapitel 9<br />

„Siehst du – bis jetzt hat keiner gelacht!“, rief Paulo<br />

fröhlich, als er neben Sandro von der Kabine zurück<br />

aufs Eis lief.<br />

„Ja, und wenn wir so weiterspielen, werden die<br />

Hochbergener auch nichts zu lachen haben!“, kicherte<br />

Marcella hinter den beiden. Sie betraten die Eisfläche<br />

und setzten ihre Helme auf. Dabei bemerkte keiner von<br />

ihnen, dass einige Hochbergener Spieler Paulo<br />

anstarrten und zu tuscheln begannen.<br />

Wieder stellte sich die erste Reihe an der Torlinie<br />

auf und wartete auf den Anpfiff. Wieder wurde<br />

gewechselt, wenn die Sirene losheulte. Und wieder<br />

gingen die Tigers in Führung, diesmal schoss Flo das<br />

erste Tor. Als die dritte Reihe aufs Eis kam und die<br />

Hochbergener angriffen, hörte Sandro plötzlich, wie<br />

einer der Hochbergener im Vorbeifahren fragte:<br />

„Aus welcher Hütte habt ihr denn den komischen<br />

Typen geholt? War der zu lang in der Sonne gelegen?<br />

Könnt ihr euch keine richtigen Spieler leisten?“<br />

Er spürte Wut wie eine heiße Welle in sich<br />

hochsteigen und rief laut:<br />

„Paulo, los zeig´s ihnen!“<br />

Paulo, der nur Sandro gehört hatte, winkte ihm mit<br />

dem Schläger zu und spurtete in Richtung Puck.<br />

Plötzlich aber wurde er gecheckt und fiel hin. Der<br />

Schiri schüttelte den Kopf und rief dem Hochbergener<br />

Stürmer zu:<br />

„Noch mal so was und ich stell dich raus!“<br />

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Aber das war alles, er pfiff nicht. Paulo hatte sich<br />

mittlerweile wieder aufgerappelt, aber da kam schon<br />

das Signal zum Wechsel.<br />

Als die dritte Reihe wieder aufs Eis kam, schoss<br />

Paulo tatsächlich ein Tor! Und kaum waren die<br />

Hochbergener wieder vor Sandros Tor, als er schon<br />

wieder hässliche Sprüche über Paulo mitbekam. Wieder<br />

dieser blöde Kerl mit der 7 auf dem Rücken!<br />

Lukas nahm ihm den Puck ab und passte zu Vlad,<br />

der gemeinsam mit Paulo losstürmte.<br />

Sandro sah total rot.<br />

„Du da! Siebener!“, rief er dem Hochbergener zu<br />

und lief aus dem Torraum rüber zu dem Kerl.<br />

Vergessen war das Spiel – er warf Schläger, Stockhand<br />

und Fanghand aufs Eis und schubste den verblüfften<br />

Stürmer so, dass der stolperte und um ein Haar<br />

hingefallen wäre. Klar, dass der sich sofort wehrte und<br />

zurückschubste.<br />

Das schrille Pfeifen des Schiris hörten die beiden gar<br />

nicht, aber der packte sie kurzerhand am Kragen und<br />

trennte sie. Und dann durften sie sich was anhören,<br />

denn das Zebra schimpfte nicht schlecht von wegen<br />

Disziplinlosigkeit und so weiter.<br />

Das Ganze endete damit, dass jeder der beiden auf<br />

die Strafbank musste. Und da Sandro ja im Tor war,<br />

würde Ricky seine Strafe <strong>für</strong> ihn absitzen müssen. Sehr<br />

kleinlaut zog Sandro die Handschuhe wieder an und<br />

fuhr zurück zu seinem Tor. Trotzdem spitzte er die<br />

Ohren, ob wieder jemand über Paulo lästern würde.<br />

Aber er hörte nichts mehr.<br />

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Das Spiel ging denkbar knapp aus, aber am Ende<br />

stand es 3:2 <strong>für</strong> die Tigers. Begeistert rissen sie die<br />

Arme hoch: Sie hatten nicht nur die Wölfe besiegt,<br />

sondern wären auch um ein Haar Turniersieger<br />

geworden! Das allerdings hatten sie nicht ganz<br />

geschafft, denn auch Schweinfurt hatte wie Bayreuth<br />

zweimal gewonnen – allerdings ein Tor mehr<br />

geschossen.<br />

Jonas fuhr zu Sandro und fragte leise:<br />

„Was war denn los?“<br />

Sandro vergewisserte sich, dass Paulo nicht zuhörte,<br />

und murmelte:<br />

„Der Mistkerl hat Paulo beleidigt.“<br />

Jonas nickte, er hätte gerne mehr erfahren. Aber jetzt<br />

mussten sie sich erst mal in einer Reihe aufstellen zum<br />

obligatorischen Händeschütteln mit den Hochbergener<br />

Spielern.<br />

Als die beiden Mannschaften aneinander vorbei<br />

fuhren, hörte Sandro plötzlich, wie diese Mistnummer 7<br />

zu einem anderen Spieler sagte:<br />

„Nix wie raus und Hände waschen, am Ende färbt<br />

die Blödheit von dem komischen Vogel noch ab.“<br />

Wieder warf Sandro seine Handschuhe von sich und<br />

stürzte sich auf den Kerl. Aber diesmal mischten sich<br />

gleich ein paar andere Hochbergener ein. Jonas wirbelte<br />

herum, begriff sofort, was los war, und rief:<br />

„He, der lästert über Paulo!“<br />

Als hätten sie nur darauf gewartet, ließen alle<br />

Tigersjungs die Handschuhe fallen und stürzten sich ins<br />

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[67]<br />

Getümmel. Katharina sah Marcella entgeistert an, aber<br />

die rief nur:<br />

„Los, wir auch!“, und warf sich auf den<br />

Hochbergener Torhüter. Und obwohl Katharina es<br />

eigentlich überhaupt nicht wollte, stieß sie einen<br />

schrillen Schrei aus und hängte sich an die andere Seite<br />

des Torwarts.<br />

Nur Paulo stand noch da und brüllte:<br />

„Hört doch auf, ihr Idioten! <strong>Auf</strong>hören!“<br />

Aber da war die Nummer 7 plötzlich neben ihm und<br />

verpasste ihm einen Hieb in die Magengrube, der sich<br />

gewaschen hatte. Da konnte er ja nicht anders als sich<br />

zu wehren ...<br />

Es gab ein unglaubliches Tohuwabohu auf dem Eis:<br />

Überall lagen Handschuhe und Schläger herum, und<br />

sämtliche Spieler – Tigers wie Wölfe – wirbelten<br />

prügelnd durcheinander, was das Zeug hielt! Jeder<br />

wurden von irgendjemand anderem geknufft, geschubst<br />

oder am Trikot gepackt.<br />

Der Schiri sah einen Moment lang entgeistert zu,<br />

bevor er seine Pfeife wieder aus der Tasche<br />

herauskramte (die hatte er nämlich schon weggeräumt<br />

gehabt). Energisch pfeifend versuchte er, die<br />

Streithähne zu trennen, aber es war aussichtslos: Egal<br />

wen er am Kragen packte, sobald er wieder losließ,<br />

ging das Prügeln weiter.<br />

Jan und Inge sahen sich fassungslos an, dann<br />

stürmten sie aufs Eis. Die Betreuer der Wölfe kamen<br />

von der anderen Seite angerannt, und mit vereinten<br />

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[68]<br />

Kräften versuchten sie alle, dem Schiedsrichter zu<br />

helfen. Jans tiefer Bass dröhnte über die Eisfläche:<br />

„Zum Donnerwetter! Werdet ihr wohl aufhören!“<br />

Und tatsächlich – als die <strong>Kinder</strong> ihn hörten, ging ein<br />

Ruck durch das Tigers-Team. Die kleinen Wölfe<br />

schauten ebenfalls irritiert hoch, und als ihr Trainer<br />

rief:<br />

„Gilt auch <strong>für</strong> euch, zum Kuckuck! Spinnt ihr denn<br />

komplett?“, ließen auch sie von den Tigers ab.<br />

Wie begossene Pudel standen sie auf dem Eis herum<br />

und hörten sich die Standpauke ihres Trainers an:<br />

„Zum Kuckuck! Was soll denn der Mist? Könnt ihr<br />

denn nicht einmal gegen die Tigers spielen ohne<br />

Ärger? Zum Kuckuck, Kuckuck, Kuckuck!“<br />

Die Jungwölfe zogen die Köpfe ein, und Marcella tat<br />

es ihnen nach - damit keiner merkte, dass sie kichern<br />

musste. So viel Gekuckucke aber auch!<br />

Der Kapitän der Hochbergener sagte leise:<br />

„Die haben angefangen. Die sind auf Torben<br />

losgegangen.“<br />

Sandro fuhr hoch.<br />

„Weil der Sch...kerl meinen Freund beleidigt hat!“<br />

Jan wirbelte herum und brüllte ihn an:<br />

„Schnabel halten!“<br />

Er warf dem Schiri einen fragenden Blick zu, und<br />

der winkte die beiden Trainer zu sich heran.<br />

„Was soll ich machen? Das Turnier ist rum, und ich<br />

kann ja wohl schlecht zwei komplette Teams sperren.<br />

Also werde ich einen Bericht an den Verband schreiben<br />

– sollen die entscheiden, ob das Konsequenzen hat.<br />

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[69]<br />

Aber euch beiden würde ich raten: Klärt mit euren<br />

Jungs ab, was da los war. Sonst geht es beim nächsten<br />

Spiel wieder rund!“<br />

Mit diesen Worten ließ er die Trainer stehen und<br />

fuhr kopfschüttelnd vom Eis.<br />

Jan dröhnte los:<br />

„Jonas, komm her! Der Rest geht duschen. Und<br />

wehe, es gibt noch was!“<br />

Der Hochbergener Trainer rief seinen Kapitän Chris<br />

herüber, und dann wollten die Männer wissen, worum<br />

es eigentlich gegangen war. Chris zuckte mit den<br />

Schultern.<br />

„Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass der Tigers-<br />

Torwart vorhin im Spiel schon ausgerastet ist und jetzt<br />

grad ist er wieder auf Torben los. Wir haben uns nur<br />

gewehrt! Oder sollen wir zusehen, wie Torben von ein<br />

paar durchgeknallten Bayreuthern verprügelt wird?“<br />

Jan schaute Jonas streng an.<br />

„Und warum habt ihr geprügelt?“<br />

„Der Kerl hat Paulo beleidigt. Sandro hat’s mir<br />

vorhin erzählt. Und beim Handschlag muss er schon<br />

wieder was gesagt haben. Wir lassen uns doch nicht<br />

von den Wölfen beleidigen, keinen von uns. Und schon<br />

gar nicht, weil er Cappuccino ist ...“<br />

Jans Unterkiefer zuckte, und man konnte nicht<br />

sagen, ob er so sauer war oder ob er sich das Lachen<br />

verbeißen musste.<br />

„Geh duschen!“, knurrte er und sah den<br />

Hochbergener Trainer ratlos an.<br />

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[70]<br />

„Und was machen wir mit ihnen? Ich kann meine<br />

Jungs verstehen, dass sie sich das nicht gefallen lassen.<br />

Aber das ist kein Grund <strong>für</strong> eine Massenschlägerei ...<br />

Hmmm, eure Eishalle sieht ziemlich wüst aus, habt<br />

wohl gestern Abend den Sieg von eurer ersten<br />

Mannschaft gefeiert. Wie wär´s, wenn die Jungs alle<br />

zusammen nach dem Duschen hier aufräumen? Immer<br />

zu zweit - ein Jungwolf und ein Minitiger? Vielleicht<br />

werden sie dann vernünftiger.“<br />

Der Hochbergener Trainer nickte nachdenklich.<br />

„Klingt ganz gut- auch wenn es von einem<br />

Bayreuther kommt ... Okay, ich sag’s meiner Truppe.“<br />

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[71]<br />

Kapitel 10<br />

Jan stiefelte gedankenverloren in Richtung Umkleidekabinen.<br />

Bevor er zu den Tigers ging, klopfte er kurz an<br />

der Tür zum Schiedsrichterraum und sagte dem Zebra,<br />

was die Trainer ausgehandelt hatten. Dann lief er<br />

weiter, schloss die Tür hinter sich und rief seine<br />

mittlerweile frisch geduschte Mannschaft zu sich.<br />

„So – und jetzt will ich von euch ganz genau wissen,<br />

was da los war auf dem Eis. Sandro! Du hast angefangen.<br />

Warum?“<br />

Sandro schaute auf seine Fußspitzen. Er wollte nicht<br />

recht mit der Sprache herausrücken, denn es war ihm<br />

peinlich, vor Paulo zu wiederholen, was dieser Torben<br />

gesagt hatte. Endlich verriet er es, ganz leise flüsterte<br />

er:<br />

„Der hat im Spiel schon so verächtlich gefragt ›Aus<br />

welcher Hütte habt ihr denn den komischen Typen<br />

her?‹ und dann beim Handschlag hat er gesagt, die<br />

Blödheit färbt vielleicht ab und er muss jetzt schnell<br />

die Hände waschen. Soll ich da so tun, als hätte ich<br />

nichts gehört? Der hat meinen Freund beleidigt, und<br />

zwar nicht irgendwie, sondern weil es anders aussieht.<br />

Das ist voll ausländerfeindlich und volle Kanne<br />

unsportlich!“<br />

Jan nickte.<br />

„Da hast du recht. Aber losprügeln ist auch unsportlich.<br />

Und weil ihr alle mitgemacht habt, werdet ihr jetzt<br />

alle zusammen das Stadion aufräumen. Kehren und<br />

Müll ausleeren. Vorher fahren wir nicht heim.“<br />

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[72]<br />

Natürlich fingen alle sofort an zu nörgeln.<br />

„Die Hochbergener haben auch geprügelt! Das ist<br />

voll unfair, wenn wir ihren Dreck wegräumen sollen!“,<br />

schimpfte Marcella.<br />

„Stimmt.“, nickte Jan. „Und weil wir nicht unfair<br />

sein wollen, haben wir beschlossen, dass sie auch<br />

helfen. Immer ein Wolf und ein Tiger bilden ein<br />

Zweimannteam. Und wer noch mal stänkert, bleibt<br />

beim nächsten Turnier daheim. Ich hoffe, ich hab mich<br />

klar und deutlich ausgedrückt! Also los, kommt mit!“<br />

Die Tigers schauten ihn entgeistert an. Das konnte<br />

doch nicht sein Ernst sein! Mit den Wölfen<br />

zusammenarbeiten? Ausgerechnet mit denen?<br />

Aber Jan war es bitterernst. Er marschierte aus der<br />

Kabine, und seine <strong>Minitigers</strong> schlichen wie geprügelte<br />

Hunde hinter ihm her. Die Jungs aus Hochbergen<br />

standen schon am Eingang. Auch sie sahen nicht gerade<br />

begeistert aus.<br />

„Kommt mit, ich gebe euch Besen und Müllsäcke.“,<br />

sagte der Hochbergener Trainer.<br />

„Immer zu zweit zusammen. Torben, du gehst zum<br />

Bayreuther Goalie – wie heißt du? Sandro? Okay. Und<br />

Chris, du gehst zu Paulo. Ihr anderen sucht euch selbst<br />

einen Partner. Und ich will keinen Ärger mehr, klar?“<br />

Widerwillig fingen die <strong>Kinder</strong> an aufzuräumen. In<br />

der Zwischenzeit standen die Trainer und Betreuer<br />

beieinander und redeten leise über etwas, wovon die<br />

Mannschaften nichts mitbekommen sollten. Schließlich<br />

nickten alle zufrieden, und der Hochbergener Betreuer<br />

ging zu den wartenden Eltern, um sie heimzuschicken.<br />

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[73]<br />

Sandro und Torben leerten Mülleimer aus. Schweigend.<br />

Keiner wollte mit dem anderen Mistkerl was<br />

reden. Erst als sie den großen Müllsack zusammen nach<br />

draußen geschleppt und in einen Container gewuchtet<br />

hatten, brach Sandro das Schweigen.<br />

„Du kennst Paulo überhaupt nicht. Du hast ihn<br />

beschimpft, nur weil er anders ist.“<br />

Torben knallte mit voller Wucht den Deckel zu, dass<br />

es nur so schepperte.<br />

„Na und? Wäre er nicht schwarz, dann hätte ich über<br />

seine Frisur gelästert oder über seine Art zu bremsen.<br />

Das ist doch völlig egal!“<br />

„Eben nicht. Weil: Erstens ist er nicht schwarz,<br />

sondern braun. Und nicht mal dunkelbraun. Und<br />

zweitens ist er so geboren. Für seine Frisur kann er was.<br />

Die hat er, weil sie ihm gefällt. Und wenn sie ihm nicht<br />

mehr gefällt, kann er zum Frisör gehen und sagen<br />

›mach mal anders!‹. Seine Hautfarbe kann er nicht<br />

ändern. Egal ob sie ihm gefällt oder nicht. Deswegen ist<br />

es nicht egal, sondern was anderes!“<br />

Torben musterte ihn verächtlich.<br />

„Du liebe Zeit! Werd doch Pfarrer! Seid ihr alle<br />

solche Mimosen bei euch im Tal?“<br />

Sandro blitzte zurück.<br />

„Lass einfach meinen Freund in Ruhe, klar?“<br />

„Und wenn nicht?“<br />

„Dann geht alles von vorne los und wir werden uns<br />

wieder prügeln. Und beim nächsten Turnier werden wir<br />

nicht mitdürfen. Meinst du, das ist es wert?“<br />

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„Das würdest du nicht machen. Wenn ich wieder<br />

was sagen würde, dann würdest du nicht prügeln. Weil<br />

du Angst hast, gesperrt zu werden.“<br />

Sandro starrte ihr düster an und sagte dann, nach<br />

einer langen Pause:<br />

„Doch, ich würde. Weil Paulo mein Freund ist, und<br />

den lasse ich nicht beleidigen. Aber du, du wirst nichts<br />

mehr sagen. Weil es <strong>für</strong> dich nur um den Spaß geht, ein<br />

wenig zu stänkern. Und das ist es nicht wert, gesperrt<br />

zu werden. Aber Paulo, der ist mir das wert ...“<br />

Torben trommelte mit der Fußspitze an den<br />

Container.<br />

„Okay, Waffenstillstand. Aber dass er keine Kurven<br />

fahren kann, das darf ich sagen! Das ist ja wohl nicht<br />

ausländerfeindlich. Das ist einfach nur die Wahrheit.<br />

Klar?“<br />

„Klar.“<br />

Langsam liefen sie zurück in die Eishalle.<br />

Schweigend.<br />

Chris und Paulo kehrten in der Zwischenzeit die<br />

Stufen auf der Stehtribüne. Chris fragte:<br />

„Was hat Torben eigentlich zu dir gesagt?“<br />

Paulo schaute hoch, und seine Augen leuchteten<br />

groß und weiß in dem dunklen Gesicht.<br />

„Zu mir? Gar nichts. Dazu war er wohl zu feig. Aber<br />

gesagt hat er wohl, aus welcher Hütte ich komme und<br />

ob ich zu lange in der Sonne gelegen habe. Und dass er<br />

Angst hat, meine Blödheit färbt beim Händeschütteln<br />

ab.“<br />

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„Deine Blödheit färbt ab???“ – Chris musste ein<br />

Grinsen unterdrücken und bückte sich schnell nach<br />

einem leeren Becher, damit Paulo es nicht merkte.<br />

„So viel Fantasie hätte ich Torben gar nicht<br />

zugetraut. Der ist sonst eher grad an. Entschuldige – <strong>für</strong><br />

dich ist das sicher oberblöd. Aber wahrscheinlich hat er<br />

sich gar nichts dabei gedacht. Torben lästert immer<br />

über die Gegner. Das war nichts persönliches gegen<br />

dich. Tut mir leid, dass es dich so verletzt hat.“<br />

Paulo nickte.<br />

„Schon gut!“<br />

Marcella und Katharina waren, weil es nicht<br />

aufging, zusammen mit dem Hochbergener Torhüter<br />

unterwegs. Katharina weinte und erklärte zum<br />

zwanzigsten Mal, wie leid es ihr täte.<br />

„Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. So<br />

was habe ich noch nie gemacht. Oh mein Gott – meine<br />

Eltern werden mich nie wieder spielen lassen!“<br />

Marcella und Goalie Dennis schauten sich an und<br />

verdrehten in überraschender Einigkeit die Augen.<br />

„Cat!“ – Marcella sagte immer Cat zu Katharina,<br />

weil sie fand, dass eine Katze zumindest ein wenig mit<br />

einem Minitiger zu tun hatte – „Cat, sie werden dich<br />

spielen lassen. Wir haben alle mitgemischt. Für Paulo.<br />

Das werden sie schon verstehen. Du bist jetzt keine<br />

Einzelkämpferin mehr. Du bist in einer Mannschaft.<br />

Und außerdem sind sie ja nicht mitgefahren, wer weiß,<br />

ob sie es überhaupt erfahren.“<br />

Katharina schniefte weiter.<br />

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„Ich bin auf einen Jungen losgegangen. Dennis, ich<br />

hab mit der Faust auf dich eingedroschen! Es tut mir so<br />

leid ... Und wie soll ich das meinen Eltern erklären?“<br />

Dennis zuckte mit den Schultern.<br />

„Erstens hast du nicht mit der Faust auf mich<br />

eingedroschen, sondern auf meine Torwartweste. Und<br />

die ist dick gepolstert. Hat mir also nichts ausgemacht.<br />

Und deinen Eltern sagst du einfach, ich sehe so gut aus,<br />

dass du mich irgendwie auf dich aufmerksam machen<br />

wolltest.“<br />

„Was?“<br />

Katharina hörte vor Schreck auf zu schniefen, und<br />

Marcella prustete neben ihr los vor Lachen. Dennis<br />

grinste die beiden ein wenig schief an und murmelte<br />

was von ›verrückte Weiber aus dem Tal‹. Und wurde<br />

ein wenig rot.<br />

Schon nach einer halben Stunde waren alle fertig<br />

und räumten die Besen zurück in die Besenkammer.<br />

Als die <strong>Minitigers</strong> zum Bus wollten, winkte ihr Trainer<br />

ab.<br />

„Ihr bleibt jetzt so beisammen, wie ihr gearbeitet<br />

habt. Und steigt zusammen in den Bus. Es ist genug<br />

Platz, weil eure Eltern laufen werden. Nämlich zu<br />

MacDonalds. Wo wir alle zusammen noch was essen<br />

und trinken werden.“<br />

Na, das war doch mal eine gute Idee!<br />

Schnell liefen alle zum Bus und stiegen ein. Und<br />

erstaunlicherweise kamen sie ganz gut miteinander aus<br />

– offenbar konnten Tigers und Wölfe sich doch<br />

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vertragen, wenn sie wollten. Obwohl Chris das Ganze,<br />

mit vollen Backen kauend, auf den Punkt brachte:<br />

„Aber das sag ich euch: Nächstes Mal gibt´s Rache<br />

<strong>für</strong> heute – noch mal besiegt ihr uns nicht. Dieser eine<br />

Sieg muss euch reichen, von dem könnt ihr später euren<br />

Enkeln erzählen. Und wir von unseren 99!“<br />

Alle lachten, und als eine Stunde später ihre Eltern<br />

kamen, fanden sie es fast ein wenig schade, schon<br />

gehen zu müssen. Na ja, sie waren vielleicht nicht<br />

gerade die besten Freunde geworden, aber auch keine<br />

richtigen Feinde mehr!<br />

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Kapitel 11<br />

Obwohl Jan kein einziges Wort mehr über das Turnier<br />

in Hochbergen verloren hatte, war seitdem alles anders<br />

geworden. Die <strong>Minitigers</strong> waren keine Einzelkämpfer<br />

mehr – durch die Prügelei war aus ihnen eine richtige<br />

Mannschaft geworden. Das fiel beim Training auf, weil<br />

sie miteinander spielten und nicht mehr jeder <strong>für</strong> sich.<br />

Und das fiel auch sonst auf, zum Beispiel wenn sich die<br />

gesamte Mannschaft zum öffentlichen Lauf verabredete<br />

oder am Samstagnachmittag plötzlich alle im<br />

Rotmaincenter vor der Eisdiele auftauchten, sich jeder<br />

eine Kugel Eis kaufte und dann alle zusammen das<br />

Spielwarengeschäft unsicher machten. Bei den Spielen<br />

der ersten Mannschaft versammelten sie sich<br />

einträchtig auf der Haupttribüne, und als Lukas<br />

Probleme in Mathe hatte, war es klar, dass Philip ihm<br />

half. Jan sagte nichts dazu, aber er war ziemlich<br />

zufrieden. Wenigstens hatte der ganze Stress in<br />

Hochbergen etwas Gutes gehabt, also war es die Sache<br />

wert gewesen.<br />

Was die Hochbergener Wölfe betraf, sollte Chris<br />

recht behalten: Offenbar hatte seine Mannschaft damals<br />

wirklich nur einen grottenschlechten Tag gehabt, denn<br />

seit diesem ersten Turnier waren die Jungwölfe<br />

ungeschlagen geblieben. Und nach drei von vier<br />

Turnieren in der Hinrunde war es vor dem Heimturnier<br />

der <strong>Minitigers</strong> spannend wie selten zuvor. Hochbergen<br />

stand schon so gut wie fest als <strong>Auf</strong>steiger <strong>für</strong> die<br />

Rückrunde, aber zwischen den Tigers und der<br />

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Mannschaft aus Schweinfurt war es ziemlich knapp.<br />

Wenn die Tigers beim Heimspiel einen guten Tag<br />

hätten und alles geben könnten ... dann würden sie es<br />

vielleicht schaffen, in der neu zusammengewürfelten<br />

Gruppe der Erst- und Zweitplatzierten mitzuspielen.<br />

Wenn nicht, dann würden sie als Dritter der Hinrunde<br />

ab Januar mit drei Mannschaften spielen, die es auch<br />

nicht geschafft hatten. Die ganze Situation war ziemlich<br />

verflixt. Schafften sie den <strong>Auf</strong>stieg, dann konnte es<br />

ihnen blühen, im neuen Jahr fast nur zu verlieren. Dann<br />

würden alle Gegner etwa so stark sein wie Hochbergen.<br />

Blieben sie unten, hatten sie eine reelle Chance,<br />

Rückrundensieger zu werden. Trotzdem wollten sie<br />

oben mitspielen und waren optimistisch, das auch noch<br />

zu schaffen. Jonas feuerte sein Team immer wieder an:<br />

„Denkt dran: Wenn ihr irgendwann entdeckt werden<br />

wollt, dann müssen wir so gut wie nur möglich spielen.<br />

Talentsucher sind garantiert öfter bei Siegern als bei<br />

Verlierern ...“<br />

Abends vor dem Einschlafen träumte er oft ein<br />

wenig vor sich hin, und in seinen wildesten Fantasien<br />

kam der Trainer der Ice Tigers von Nürnberg nach<br />

Bayreuth gefahren, um ihn vom Fleck weg<br />

abzuwerben. Dann wäre er am Ziel all seiner Wünsche<br />

– Jonas Meier bei den Ice Tigers! Wie hatte Marcella<br />

vor vielen Wochen gesagt? Einmal Tiger – immer<br />

Tiger. Marcella hatte kein Anfeuern nötig. Sie wollte ja<br />

sowieso nichts anderes als gewinnen. Klar, dass der<br />

<strong>Auf</strong>stieg <strong>für</strong> sie ein Muss war!<br />

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Und Katharina? Eigentlich wäre es ihr egal gewesen,<br />

gegen wen sie in der Rückrunde spielten. Aber<br />

dummerweise – jedes Mal wenn jemand die<br />

Hochbergener Wölfe erwähnte, sah sie den Torhüter<br />

Dennis vor sich, mit seinen weizenblonden Haaren und<br />

den leuchtenden blauen Augen. Sie ärgerte sich<br />

gewaltig darüber. Dieser Knallkopf gab ja auch noch<br />

mit seinem Aussehen an! Was der damals in<br />

Hochbergen <strong>für</strong> einen Quatsch von sich gegeben hatte!<br />

Nein, es wäre garantiert besser <strong>für</strong> Katharina, wenn sie<br />

nicht mehr aufeinandertreffen würden in der<br />

Rückrunde! Aber deswegen konnte sie ja schlecht ihre<br />

Mannschaft im Stich lassen ... Sie grübelte hin und her,<br />

aber sie kam zu keinem vernünftigen Ergebnis.<br />

Drei Wochen noch bis zu ihrem Heimturnier, und<br />

bis dahin stand nur noch Training an. Da kam das Fax<br />

gerade richtig, das Trainer Jan aus dem Büro<br />

mitbrachte: eine Einladung nach Pegnitz, zu einem<br />

Freundschaftsturnier. Klar, dass alle <strong>Kinder</strong> aufgeregt<br />

durcheinanderredeten! Aber wie immer sorgte Jans<br />

tiefer Bass schnell <strong>für</strong> Ruhe in der Kabine. Und dann<br />

erzählte er alle Einzelheiten: Außer den Tigers und den<br />

Wölfen waren die Kleinschüler aus Weiden und<br />

Nürnberg angeschrieben worden. Und natürlich<br />

Schweinfurt.<br />

„Fragt möglichst schnell eure Eltern, ob die<br />

einverstanden sind. Termin ist genau eine Woche vor<br />

eurem<br />

Heimturnier.“<br />

Ehrensache, dass die Tigers fast komplett nach Pegnitz<br />

fahren durften. Und das, obwohl ihre Eltern mit Autos<br />

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hinfahren mussten, denn der Bus vom Verein war nur<br />

<strong>für</strong> offizielle Spiele und nicht <strong>für</strong> Fahrten zu<br />

Freundschaftsspielen. Gott sei Dank war Pegnitz nicht<br />

allzu weit weg von Bayreuth! Sie verabredeten sich<br />

also wie sonst auch am Volksfestplatz, nur dass diesmal<br />

Fahrgemeinschaften gebildet wurden. Alle waren<br />

ziemlich aufgeregt, denn mit Pegnitz und Nürnberg<br />

kamen gleich zwei Gegner auf sie zu, die sie überhaupt<br />

nicht einschätzen konnten. Weiden hatte leider<br />

abgesagt.<br />

„Das wird eine tolle Vorbereitung auf unser alles<br />

entscheidendes Heimturnier. Kämpft, Leute!“, hielt<br />

Jonas nach dem letzten Training noch eine<br />

Anfeuerungsrede. Aber dann machte ihnen das Wetter<br />

einen dicken Strich durch die Rechnung. In der Nacht<br />

vor dem Turnier begann es stark zu schneien, und auch<br />

am Morgen schneite es immer noch, was das Zeug<br />

hielt. Zur vereinbarten Zeit waren noch lange nicht alle<br />

beim Volksfestplatz, weil die Straßen noch nicht<br />

vernünftig freigeräumt waren.<br />

Jan lief nervös hin und her, das Handy hielt er unter<br />

seiner Fellmütze ans rechte Ohr gepresst.<br />

„Die Autobahn ist wohl ziemlich freigeräumt, haben<br />

sie vorhin im Radio gemeldet.“, rief er den frierenden<br />

Eltern zu, die sich schon bis hierher durchgekämpft<br />

hatten. Dann redete er weiter halblaut ins Handy, tippte<br />

eine andere Nummer ein und drehte sich so, dass ihm<br />

der Wind nicht ins Gesicht pfiff.<br />

Einige Minuten später steckte er erleichtert das<br />

Handy ein und strahlte die Tigers an.<br />

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„Okay, das Turnier findet auf alle Fälle statt. Die<br />

Nürnberger sind schon unterwegs nach Pegnitz, bei<br />

denen schneit es wohl nicht ganz so stark. Nur von<br />

Hochbergen hat noch keiner was gehört. Da werden wir<br />

abwarten müssen. Vielleicht sagen sie ab, weil sie erst<br />

mal so eine lange Strecke Landstraßen fahren müssen.<br />

Und bei denen liegt garantiert noch viel mehr Schnee<br />

als hier.“<br />

Katharina biss sich auf die Unterlippe. ›Gut‹, dachte<br />

sie sich. ›Dann sehe ich den Knallkopf wenigstens<br />

nicht. Umso besser!‹<br />

Aber eigentlich war es gar nicht besser, sie hatte<br />

plötzlich gar keine Lust mehr auf das Turnier ...<br />

„Ein Problem haben wir noch: In Pegnitz gibt es ja<br />

keine überdachte Eishalle. Das bedeutet, wir werden<br />

zwischendrin Schnee schippen müssen, wenn es so<br />

weiter schneit.“<br />

Allgemeines Gemurre und Gemecker war die<br />

Antwort, und schließlich war es Andreas Schmitt, der<br />

ein Machtwort sprach. Und zwar nicht mit den <strong>Kinder</strong>n,<br />

sondern mit den Eltern.<br />

„Also, das kommt nicht in Frage! Die <strong>Kinder</strong> sollen<br />

Eishockey spielen, die sind doch völlig platt, wenn sie<br />

zwischendrin ständig Schnee schaufeln. Da müssen wir<br />

Eltern ran!“<br />

Endlich, mit über einer Viertelstunde Verspätung,<br />

fuhren sie los. Und überraschenderweise war die<br />

Autobahn wirklich fast frei, so dass sie fast pünktlich<br />

am Eisstadion ankamen, wo sie mit großem Hallo<br />

begrüßt wurden. Die Mannschaft aus Nürnberg war<br />

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auch gerade erst angekommen, und die Pegnitzer Eltern<br />

hatten die Eisfläche schon freigeräumt. Jan polterte aus<br />

dem Auto heraus:<br />

„Und – was ist mit Hochbergen?“<br />

Ein Betreuer aus Pegnitz schüttelte den Kopf.<br />

„Die haben angerufen, dass sie nicht kommen<br />

können. Die Landstraßen da oben sind so was von zu,<br />

da bräuchten sie drei Stunden bis hierher. Grad<br />

rechtzeitig zur Siegerehrung!“<br />

Er lachte, aber es klang eher missmutig als fröhlich.<br />

Jan nickte traurig und meinte:<br />

„Na ja, das konnte ja keiner wissen, dass es<br />

ausgerechnet heute so ein Schneechaos gibt – nicht mal<br />

im Wetterbericht haben sie das angekündigt.“<br />

Zweimal mussten sie die Spiele unterbrechen, damit<br />

die Erwachsenen Schnee schippen konnten. Aber mit<br />

der Zeit ließ der Schneefall nach, bis schließlich nur<br />

noch vereinzelte Flocken durch die Luft tanzten.<br />

Als die Siegerehrung war, konnten sich die<br />

<strong>Minitigers</strong> als Turniersieger feiern lassen. Aber alle<br />

waren sich einig, dass die Platzierungen Nebensache<br />

waren. Viel wichtiger war ihnen die Schneeschipperei<br />

und natürlich die große Schneeballschlacht nach der<br />

Siegerehrung – jeder gegen jeden. Das war definitiv das<br />

lustigste Turnier, das sie jemals mitgemacht hatten!<br />

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Kapitel 12<br />

Marcella und Katharina saßen ganz oben auf der<br />

Tribüne und sahen den unbesiegbaren Siegern beim<br />

Training zu. Trainer Richard scheuchte seine Jungs<br />

ganz schön herum, und Katharina war froh, dass sie Jan<br />

als Trainer hatten und nicht Richard. Aber Marcella<br />

lachte nur.<br />

„Die sind ja auch älter als wir. Wenn wir mal bei<br />

den Schülern spielen, dann müssen wir auch anders ran<br />

als jetzt. Am liebsten würde ich fragen, ob ich mal<br />

mittrainieren darf ...“<br />

Katharina starrte sie entgeistert an.<br />

„Spinnst du? Die machen dich doch platt!“<br />

„So ein Quatsch! Außerdem könnte ich dann endlich<br />

mal mit Micha plaudern ...“<br />

Sie verdrehte die Augen in Richtung Schülerkapitän,<br />

doch Katharina schüttelte nur den Kopf.<br />

„Du bist doch komplett verrückt. Was willst du denn<br />

von dem? Erstens sind wir viel zu jung <strong>für</strong> so was, und<br />

zweitens ist der vier Jahre älter als wir!“<br />

„Cat, was meinst du denn mit so was?“<br />

„Na, einen Freund. Meine Eltern würden mir den<br />

Kopf abreißen ...“<br />

„Dann war es ja gut, dass sie in Hochbergen nicht<br />

dabei waren.“, stellte Marcella fest und beobachtete aus<br />

den Augenwinkeln, dass Katharina ein wenig rot<br />

wurde.<br />

„Hör auf! Das mit der Schlägerei war oberpeinlich!“<br />

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„Ich meine ja nicht die Schlägerei. Ich meine diesen<br />

Dennis ...“<br />

Katharina fuhr herum und fauchte lauter als nötig:<br />

„Der mit seinem angeberischen Gerede!“<br />

Marcella grinste.<br />

„Meine Mutter sagt immer: Wer schreit, hat unrecht!<br />

Ich habe euch beobachtet, in Schweinfurt und in<br />

Hassfurt. Er schaut ständig zu dir rüber ...“<br />

„Aber ich nicht zu ihm!“<br />

„Doch. Vielleicht merkst du es nicht. Aber du<br />

machst es.“<br />

Katharina sprang wütend von der Bank und stapfte<br />

davon. Über die Schulter rief sie Marcella noch zu:<br />

„Du redest heute nur Schwachsinn!“<br />

Aber Marcellas Lachen verfolgte sie, bis sie<br />

draußen vor dem Stadion stand. Stinksauer lief sie nach<br />

Hause. Und jetzt stand ihr Entschluss fest: Sie würde<br />

sich kein Bein ausreißen beim Heimturnier. Sie würde<br />

sich freuen, wenn sie die Rückrunde in der<br />

Absteigergruppe spielen würden. Alles, nur nicht noch<br />

öfter gegen Hochbergen spielen!<br />

Marcella dagegen blieb noch im Stadion, und als die<br />

unbesiegbaren Sieger vom Eis kamen, stellte sie sich in<br />

den Schlittschuhgang und rief ihnen zu:<br />

„Hört mal, ihr habt doch am Samstag kein Spiel,<br />

oder? Wie wär´s, wenn ihr zu unserem Heimturnier<br />

kommt und uns anfeuert? Wir müssen unbedingt Erster<br />

oder Zweiter werden, sonst schaut die Rückrunde mau<br />

aus.“<br />

Die Schüler grinsten belustigt, und Micha sagte:<br />

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„Na, mal sehen. Wenn wir´s einrichten können, dann<br />

sind wir dabei. Versprochen. Du bist doch die Tochter<br />

von Martin Stanford, oder?“<br />

Marcella nickte aufgeregt.<br />

„Spielst du auch so gut wie dein Vater?“<br />

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie schluckte kurz<br />

und nahm allen Mut zusammen.<br />

„Komm am Samstag und schau’s dir an. Dann weißt<br />

du’s!“!<br />

Erschrocken über ihren eigenen Mut schlug sie sich<br />

mit der Hand auf den Mund, dann spurtete sie los und<br />

lief aus dem Stadion, während die großen Jungs<br />

grinsend und kopfschüttelnd in ihre Kabine gingen.<br />

***<br />

Jonas saß wie versteinert vor dem Fernseher. Seine<br />

Mutter rief zum Abendessen, aber er war unfähig<br />

aufzustehen und in die Küche zu gehen. Er hörte den<br />

Sprecher des Sportkanals reden, ohne wirklich zu<br />

verstehen, was er eigentlich meinte, so komische<br />

Sachen von Insolvenzverwalter und Übergangslösung<br />

und so weiter. Das Einzige, was er kapiert hatte, war,<br />

dass die Nürnberger pleite waren und in der nächsten<br />

Saison voraussichtlich nicht mehr in der DEL spielen<br />

würden. Seine Ice Tigers! Der Sprecher mischte sich<br />

wieder in die entsetzten Gedanken von Jonas:<br />

„...ist noch unklar, ob und wie lange die Nürnberger<br />

in der laufenden Saison überhaupt noch spielen. Als<br />

sicher gilt, dass sie an diesem Wochenende noch gegen<br />

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[87]<br />

Düsseldorf und Ingolstadt antreten werden. Gut<br />

möglich, dass nach dem Heimspiel am Sonntag zum<br />

letzten Mal die Lichter in der Nürnberger Eisarena<br />

ausgehen.“<br />

Frau Meier kam ungeduldig herüber.<br />

„Jonas, zum Donnerwetter! Kommst du jetzt endlich<br />

zum Essen?“<br />

Er reagierte nicht. Als sie sich zu ihm herunterbeugte<br />

und ihn am Arm nehmen wollte, sah sie, dass<br />

seine Backen nass waren von Tränen.<br />

„Um Himmels Willen, du weinst ja! Was ist denn<br />

passiert?“<br />

Jonas hatte gar nicht bemerkt, dass er weinte. Er<br />

fühlte sich wie in eiskalte Watte gepackt, und erst als<br />

seine Mutter ihn an den Schultern nahm und rüttelte,<br />

strampelte er sich aus dem Wattetunnel frei und kam<br />

zurück ins Wohnzimmer.<br />

„Mama, die Ice Tigers sollen aufgelöst werden. Die<br />

sind pleite ... Wo soll ich denn jetzt spielen?“<br />

Er sah sie völlig verzweifelt an, aber erstaunlicherweise<br />

konnte Mutter Meier die Erschütterung ihres<br />

Sohnes nicht nachvollziehen.<br />

„Na, wo du jetzt auch spielst – hier in Bayreuth. Wo<br />

liegt denn da ein Problem?“<br />

Er schüttelte den Kopf.<br />

„Aber ich will doch in die DEL. Und alle anderen<br />

Vereine sind so weit weg von Bayreuth. Da könnte ich<br />

ja nicht mehr bei euch wohnen ...“<br />

Seine Mutter schob ihn energisch in Richtung<br />

Küche.<br />

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[88]<br />

„Du bist jetzt in der vierten Klasse – mach erst mal<br />

deinen Übertritt auf die Realschule und dann kannst du<br />

noch jahrelang hier in der Nachwuchsabteilung spielen.<br />

Wenn du gut bist, sogar in der ersten Mannschaft. Und<br />

dann ... Kommt Zeit, kommt DEL!“<br />

Jonas stocherte missmutig in seinem Essen herum.<br />

Was wusste seine Mutter denn schon von der DEL ...<br />

Warum hatte er sich eigentlich die ganze Zeit so<br />

angestrengt, wenn es jetzt keine Ice Tigers mehr gab,<br />

deren Kapitän er werden sollte? Er schob seinen Teller<br />

weg, stand auf und murmelte:<br />

„Mir ist nicht gut ...“<br />

Dann schlich er in sein Bett. Um 18 Uhr 36.<br />

Am Freitag ging er nicht zum Training. Er rief Inge<br />

an und sagte ihr auf den Anrufbeantworter, dass er<br />

krank wäre. Zum Turnier auch. Und vielleicht würde er<br />

ja gar nicht mehr kommen ...<br />

Als Inge das in der Kabine erzählte, wusste keiner,<br />

was er sagen sollte. Endlich meinte Moritz:<br />

„Ich glaub, ich weiß warum.“<br />

Jan sah ihn ernst an.<br />

„Und warum?“<br />

Moritz druckste ein wenig herum, er wollte nicht<br />

ausplaudern, was Jonas ihm unter dem Siegel der<br />

Verschwiegenheit erzählt hatte.<br />

„Ich weiß nicht, ob ich es sagen darf ... Ich habe<br />

versprochen, dass ich nichts weitersage ... Aber es geht<br />

doch um unser Heimturnier. Und um unsere<br />

Mannschaft ... Ich glaube, es ist wegen den Nürnbergern.<br />

Weil die pleite sind. Und er wollte immer<br />

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[89]<br />

unbedingt dort mitspielen. Das kann er jetzt nicht mehr.<br />

Also wo<strong>für</strong> sollte er weitermachen?“<br />

Jan nickte nachdenklich. So etwas Ähnliches hatte er<br />

sich schon gedacht.<br />

„Okay, ab aufs Eis. Ich werde mir mal überlegen,<br />

wie ich euch aufstelle, damit wir im Zweifel ohne Jonas<br />

klarkommen. <strong>Eine</strong>n blöden Termin haben die sich<br />

ausgesucht mit ihrer Insolvenz ...“<br />

Die <strong>Kinder</strong> wussten nicht, was Insolvenz bedeutet,<br />

aber keiner fragte nach. Vermutlich hatte es mit<br />

Nürnberg zu tun ... Frustriert und lustlos gingen sie aufs<br />

Eis. Wie sollten sie nur ohne Jonas den <strong>Auf</strong>stieg<br />

schaffen? Das war doch so gut wie unmöglich!<br />

Jan sah seine Truppe an, aber er brachte es nicht<br />

übers Herz, ihnen zu sagen, wie grottenschlecht sie<br />

heute spielten. Wenn morgen kein Ruck durch die<br />

Mannschaft ging, dann gute Nacht. Dann würde er sich<br />

wohl damit anfreunden müssen, auf das Saisonziel<br />

„Rückrundensieger in der Abstiegsrunde“<br />

hinzuarbeiten.<br />

Nach dem Duschen rief er alle zu sich.<br />

„Also, passt auf: Albert, du rückst in den Sturm vor<br />

und spielst morgen mit Mihai zusammen. Habt ihr ja<br />

jetzt im Training auch schon gemacht. Und Flo, du bist<br />

morgen Kapitän.“<br />

Florian starrte ihn an.<br />

„Nein! Ich will nicht!“<br />

„Aber warum denn nicht? Natürlich machst du das.“<br />

„Nein!!!“<br />

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[90]<br />

Florian versetzte seiner Tasche einen wütenden Tritt<br />

und funkelte Jan böse an. Bevor der verblüffte Trainer<br />

etwas sagen konnte, wollte Albert vermitteln und sagte<br />

aufmunternd:<br />

„Ach, jetzt sei doch nicht so. Kapitän ist doch was<br />

Tolles, und dein Vater macht das doch auch ganz<br />

klasse. Warum willst du denn nicht?“<br />

Im nächsten Augenblick dachten Jan, Inge und<br />

Philip gleichzeitig: „Scheiße!“, weil ihnen schlagartig<br />

die Abmachung mit Flo einfiel. Und während sie das<br />

noch dachten, sprang er auch schon auf und rief:<br />

„Ich hab euch doch gesagt: Vergleicht mich nicht<br />

mit meinem Vater!“<br />

Damit rannte er hinaus, Hals über Kopf. Inge<br />

spurtete hinterher und rief:<br />

„Flo, bleib stehen! Bleib hier!“<br />

Aber er wollte nicht hören. Er sauste durch den<br />

Schlittschuhgang und rannte zum Eingang hinaus.<br />

Dabei rempelte er zwei kleine Mädchen an, die grade<br />

zum öffentlichen Eislauf wollten, aber das merkte er<br />

nicht mal.<br />

„Na prima ...“, knurrte Jan und versuchte ruhig zu<br />

bleiben. Albert war feuerrot geworden und stotterte:<br />

„Ich ... ich hab´s doch nicht bös gemeint ... das<br />

wollte ich nicht, wirklich!“<br />

Tränen schossen ihm in die Augen, als ihm klar<br />

wurde, was er angerichtet hatte. Jan schnaufte tief<br />

durch, dann ging er zu Albert und klopfte ihm auf die<br />

Schulter.<br />

„Schon gut, das wissen wir doch.“<br />

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[91]<br />

Dann drehte er sich um und rief:<br />

„Noch einer, der nicht Kapitän sein will? Nein?<br />

Okay. Moritz, du bist morgen Kapitän. Lars, du rückst<br />

von der Verteidigung in den Sturm auf. Nicht reden,<br />

schießen – verstanden? Hoffentlich kommt ihr gut klar,<br />

du und Marcella. Trainieren könnt ihr ja dummerweise<br />

nicht mehr vor dem Turnier. So, und jetzt heim mit<br />

euch, schaut zu, dass ihr morgen fit seid!“<br />

Die <strong>Kinder</strong> gingen hinaus, und Jan nahm mit einem<br />

tiefen Seufzer Florians Tasche, um sie ihm<br />

heimzubringen.<br />

Aber plötzlich fuhr ihm eine Idee durch den Kopf.<br />

Er stellte die Tasche ab, zückte sein Handy und wählte<br />

Martin Stanfords Nummer.<br />

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[92]<br />

Kapitel 13<br />

Marcella und Katharina liefen durch den Schlittschuhgang,<br />

ihre Taschen hinter sich herziehend.<br />

„Mann o Mann! Viel schlimmer kann es nicht mehr<br />

kommen, oder?“, schniefte Katharina.<br />

Marcella blieb stehen.<br />

„Na, wenigstens eine gute Nachricht habe ich.<br />

Micha kommt morgen wahrscheinlich zum Anfeuern.<br />

Ich habe mich getraut und ihn gefragt ...“<br />

„Ernsthaft? Los, erzähl alles!“<br />

„Okay. Gehen wir noch zum Kiosk auf einen heißen<br />

Zitronentee, dann kriegst du die ganze <strong>Geschichte</strong> zu<br />

hören.“<br />

Katharina nickte, und so stellten sie ihre Taschen ab<br />

und schwenkten rüber zum Kiosk.<br />

Gleich darauf hielten sie ihre Becher mit spitzen<br />

Fingern und stellten sie schnell auf einen Tisch, bevor<br />

sie sich noch die Hände verbrannten.<br />

„Aaaalso...“, fing Marcella an und setzte sich hin.<br />

Aber der Rest blieb ihr im Hals stecken. Sie bekam<br />

große Augen und wurde erst blass, dann knallrot.<br />

Katharina drehte sich um, damit sie sehen konnte, was<br />

Marcella so aus der Fassung gebracht hatte: Da hinten<br />

stand Micha mit einem Mädchen. Sie lief auf ihren<br />

Leihschlittschuhen tollpatschig wie auf rohen Eiern<br />

durch den Gang des Anschnallraumes, kicherte albern<br />

und tat vor Michas Nase so, als wäre sie gestolpert. Er<br />

fing sie grinsend auf, gab ihr einen Kuss auf die Backe<br />

und sagte:<br />

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[93]<br />

„Los, komm – ich zeig dir, wie’s geht!“<br />

Als die beiden an Marcella und Katharina<br />

vorbeikamen, winkte er herüber und rief:<br />

„Hallo Stanford! Wir kommen morgen!“<br />

Marcella sah ihm fassungslos hinterher, dann<br />

flüsterte sie:<br />

„Ich aber nicht ... Cat, ich geh heim. Bleib ruhig<br />

hier, ich muss allein sein. Ciao!“<br />

Katharina schüttelte traurig den Kopf und schaute<br />

Marcella nach, die hektisch ihre Tasche packte und<br />

davonlief, wobei sie Moritz fast über den Haufen<br />

rannte. Der sah Katharina sitzen und kam herein.<br />

„Cat, was hat sie denn?“<br />

Moritz sah verwirrt und unglücklich aus. Katharina<br />

seufzte. Dass Moritz immer in Marcellas Nähe zu<br />

finden war, das war kein Geheimnis. Wenn sie ihm<br />

jetzt die Wahrheit sagte, dann konnte es passieren, dass<br />

er auch noch alles hinwarf. Aber dann hatte sie eine<br />

Idee.<br />

„Moritz, sie hat Liebeskummer. Und sie will morgen<br />

nicht spielen. Du bist der Einzige, der sie vielleicht<br />

doch dazu bringen kann. Du musst ihr sagen, wie<br />

wichtig es <strong>für</strong> dich ist, dass sie spielt, nicht <strong>für</strong> die<br />

Mannschaft, sondern <strong>für</strong> dich. Nicht <strong>für</strong> den Kapitän<br />

Moritz, sondern <strong>für</strong> ihren Freund Moritz. Machst du<br />

das?“<br />

Er sah sie düster an.<br />

„Liebeskummer? Warum? Jonas oder Flo?“<br />

„Keiner von beiden. Ist doch auch egal. Muss dir<br />

egal sein. Bitte geh heute noch hin und rede mit ihr.<br />

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[94]<br />

Sonst haben wir morgen keine spielfähige Mannschaft,<br />

und Marcella kann nie mehr in den Spiegel sehen, ohne<br />

sich zu schämen.“<br />

„Schämen? Wo<strong>für</strong>?“<br />

„Da<strong>für</strong>, dass sie uns alle im Stich gelassen hat <strong>für</strong><br />

irgend einen Idioten. Und glaub mir: Es wird nicht<br />

lange dauern, bis sie das auch so sieht ...“<br />

Moritz seufzte und griff nach dem nur noch<br />

lauwarmen Tee.<br />

„Ist der übrig?“<br />

Als sie nickte, trank er den Becher in einem Zug leer<br />

und stiefelte davon.<br />

„Ich werde sehen, was ich machen kann!“<br />

***<br />

Jan hatte Bauchschmerzen, wenn er an das Heimturnier<br />

dachte. Und dabei hatte er noch gar nicht mitgekriegt,<br />

was mit Marcella los war. Aber auch so reichte es ihm<br />

völlig: Noch – dachte er zumindest – hatten sie eine<br />

spielfähige Mannschaft von zwölf Feldspielern plus<br />

Torhüter. Wenn jetzt auch nur einer krank wurde,<br />

hatten sie ein Riesenproblem. Entweder es spielte von<br />

den Kleinstschülern jemand hoch, oder sie mussten<br />

Strafgeld an den Verband zahlen. Seufzend nahm er<br />

sein Handy, um mit dem Trainer der Kleinstschüler die<br />

Lage zu besprechen. Aber es sah übel aus: Die<br />

Kleinstschüler fuhren nach Amberg zu einem Turnier.<br />

Und weil in ihrer Mannschaft die Windpocken wüteten,<br />

brachten sie selbst nur mit Hängen und Würgen<br />

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[95]<br />

genügend Spieler auf die Beine. Im Klartext: keine<br />

Hilfe <strong>für</strong> Jan.<br />

Frustriert nahm er Florians Tasche und machte sich<br />

auf den Weg zu ihm.<br />

Wenig später klingelte er, und Andreas machte ihm<br />

die Tür auf.<br />

„Kannst du mir mal sagen, was mit meinem Sohn<br />

los ist? Ohne Tasche heulend hier angekommen und<br />

sofort in sein Zimmer gerannt. Und dort hat er sich<br />

eingesperrt.“<br />

Andreas schaute Jan vorwurfsvoll an, aber der<br />

antwortete nur:<br />

„Weißt du, warum Florian so ausflippt, wenn man<br />

ihn mit dir vergleicht?“<br />

Kopfschütteln.<br />

„Kann ich mal mit ihm reden?“<br />

Andreas ging einen Schritt zur Seite, damit Jan<br />

hereinkonnte.<br />

„Gradaus durch. Bin gespannt, ob du Glück hast.“<br />

Jan klopfte an der Zimmertür:<br />

„Flo, ich bin´s. Lässt du mich rein?“<br />

„Nein!“<br />

„Bitte, mach auf.“<br />

Er hörte Schritte, dann drehte der Schlüssel im<br />

Schlüsselloch.<br />

„Was ist denn noch? Ich komm nicht mehr zu euch<br />

...“<br />

Jan ging in Florians Zimmer und zog die Tür hinter<br />

sich zu. Er lehnte sich an den Schreibtisch und schaute<br />

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[96]<br />

Flo lange an, ohne etwas zu sagen. Schließlich fragte er<br />

ihn:<br />

„Warum explodierst du immer so, wenn dein Vater<br />

ins Spiel gebracht wird?“<br />

Schulterzucken. Jan fragte weiter:<br />

„Kann es sein, du hast Angst davor, schlechter zu<br />

sein als er?“<br />

Wieder Schulterzucken, doch dann schüttelte Flo<br />

den Kopf, ganz energisch. Jan seufzte.<br />

„Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du hast<br />

Angst, auf dein Eishockeyspiel reduziert zu werden.“<br />

Flo sah ihn fragend an.<br />

„Wie meinst du das?“<br />

„Na ja, dass <strong>für</strong> die Leute nur noch der<br />

Eishockeyspieler Florian interessant ist, der Sohn vom<br />

tollen Andreas. Aber <strong>für</strong> den Jungen Florian<br />

interessieren sie sich nicht ...“<br />

„Was die Leute denken, ist mir egal.“, brummte Flo<br />

verächtlich.<br />

„Aber was dein Vater denkt, ist dir nicht egal,<br />

oder?“, hakte Jan nach.<br />

„Jan, er spielt so klasse. Er wird das von mir auch<br />

erwarten. Und irgendwann wird er sich nur noch <strong>für</strong><br />

den EishockeyFlo interessieren, nicht mehr <strong>für</strong> den<br />

FußballFlo. Oder <strong>für</strong> den Flo, der Nintendo spielt. Ich<br />

bin aber das alles ...“<br />

„Das bleibst du auch!“, tönte es von der Tür herüber.<br />

Andreas hatte sie unbemerkt geöffnet und mitgehört.<br />

„Flo, ich freu mich drüber, dass du endlich<br />

Eishockey spielst. Und zwar nicht, weil ich will, dass<br />

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[97]<br />

du in meine Fußstapfen trittst. Sondern weil ich dir<br />

gerne dabei zusehe und auch gern mit dir spiele. Aber<br />

genauso gern mache ich was anderes mit dir.<br />

Hauptsache, wir machen was zusammen! Und egal wie<br />

gut oder schlecht du spielst, deswegen vergleiche ich<br />

dich nicht mit mir. Und ich hab dich auch nicht mehr<br />

oder weniger lieb.“<br />

Flo merkte, dass ihm schon wieder Tränen in die<br />

Augen schossen. Trotzig biss er auf seine Lippe.<br />

„Aber du bist enttäuscht, wenn ich nicht so gut bin<br />

wie du!“, rief er.<br />

Sein Vater schluckte. Jetzt musste er erst mal<br />

nachdenken.<br />

Schließlich antwortete er langsam:<br />

„Nein ... Ich bin nur enttäuscht, wenn du nicht dein<br />

Bestes gibst. Egal, was du machst. Eishockey, Schule,<br />

Fußball ... Du solltest immer versuchen mit dem ganzen<br />

Herzen das zu machen, was du dir vorgenommen hast.<br />

Dann bin ich nicht enttäuscht, und du auch nicht. Auch<br />

wenn du mal einen schlechten Tag hast. Aber wenn du<br />

etwas lustlos und halbherzig machst, dann bin ich<br />

unzufrieden. Und du wahrscheinlich auch.“<br />

Damit ging Andreas wieder hinaus, und auch Jan<br />

machte Anstalten zu gehen.<br />

„Denk mal drüber nach, was dein Vater gesagt hat.<br />

Und wir würden uns alle freuen, wenn du morgen dabei<br />

wärst. Wir brauchen dich nämlich. Gute Nacht!“<br />

***<br />

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[98]<br />

Ungefähr zu gleichen Zeit klingelte Martin Stanford bei<br />

Familie Meier.<br />

„Ich wollte einen Krankenbesuch bei Jonas<br />

machen.“, erklärte er der verblüfften Mutter Meier.<br />

„Und wer sind Sie bitteschön?“, fragte sie.<br />

Sie interessierte sich nicht wirklich <strong>für</strong> Eishockey,<br />

und deshalb erkannte sie Marcellas Vater nicht.<br />

„Oh – entschuldigen Sie, ich bin Martin Stanford<br />

von den Bayreuth Tigers. Darf ich reinkommen?“<br />

Sie nickte und ging voraus.<br />

„Jonas – Besuch <strong>für</strong> dich!“<br />

Jonas saß im Schlafanzug auf seinem Bett und sah<br />

wirklich schlecht aus. Nicht weil er tatsächlich krank<br />

gewesen wäre, sondern weil ihm die Sache mit den Ice<br />

Tigers so nachhing. Überall auf dem Fußboden lagen<br />

DEL-Poster herum. Er hatte alle voll Wut von der<br />

Wand gerissen. Und sein zerbrochener Schläger lag<br />

irgendwo dazwischen ...<br />

Martin sah sich um und runzelte die Stirn.<br />

„Hi Jonas. Ich wollte mal nach dir sehen. Marcella<br />

hat erzählt, dass du krank bist.“<br />

Das stimmte nicht. Jan hatte ihn angerufen. Marcella<br />

hatte gerade ganz andere Probleme, aber davon wussten<br />

weder Martin noch Jonas etwas.<br />

„Ich find´s auch schade mit den Nürnbergern.“<br />

Martin kam zu Jonas heran und versuchte, dabei<br />

nicht auf die Poster zu treten. Jonas drehte das Gesicht<br />

zur Wand.<br />

„Nett, dass du gekommen bist.“<br />

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[99]<br />

Zu mehr konnte er sich nicht aufraffen. Martin setzte<br />

sich auf das Bett.<br />

„Ich wollte dir was erzählen, Jonas. Als ich ein Kind<br />

war, da wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass ich je<br />

in der DEL spielen würde. Ich hab in einem kleinen<br />

Verein gespielt, von den Kleinstschülern bis rauf zu<br />

ersten Mannschaft. Immer im gleichen kleinen Verein.<br />

Und als meine Eltern und ich nach Deutschland<br />

gezogen sind, habe ich vor Ort in einem kleinen Verein<br />

weitergespielt. Nach einem Jahr hat mich ein Oberliga-<br />

Verein abgeworben, und dann ging es rauf zu den<br />

Straubing Tigers. Aber die meisten DEL-Vereine<br />

kümmern sich nicht selbst um Nachwuchs. Die kaufen<br />

sich fertige gute Spieler. Egal wo du spielst: Wenn du<br />

gut genug bist, kommst du groß raus. Und du hast das<br />

Zeug dazu. Auch wenn es die Ice Tigers nicht mehr<br />

gibt. Was aber noch gar nicht so sicher ist. Vielleicht<br />

geht es ja irgendwie weiter in Nürnberg. Aber wenn du<br />

ganz rauf willst, dann darfst du niemals aufgeben.<br />

Vergiss das nicht. Gute Besserung!“<br />

Martin ging, und Jonas blieb nachdenklich auf<br />

seinem Bett sitzen. Nach einer Weile hob er die Poster<br />

auf und legte sie sorgfältig zusammen.<br />

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[100]<br />

Kapitel 14<br />

Marcella lag weinend auf ihrem Bett. Katharina saß<br />

neben ihr und fühlte sich überhaupt nicht wohl. Sie<br />

wusste nicht, was sie sagen sollte.<br />

„Hör mal, Micha ist vier Jahre älter als wir. Für den<br />

wirst du immer ein kleines Mädchen sein. Er wird sich<br />

auch nicht <strong>für</strong> dich interessieren, wenn du bei den<br />

Schülern mittrainierst. Und wenn du irgendwann mal in<br />

der Schülermannschaft spielst, dann schnuppert Micha<br />

schon, wie es in der ersten Mannschaft ist. Und du bist<br />

<strong>für</strong> ihn immer noch nur die Kleine. Sei doch nicht so<br />

traurig – wahrscheinlich merkt er ja nicht mal, was mit<br />

dir los ist. ..“<br />

Marcella schluchzte und schniefte.<br />

„Wenn er wenigstens eine hätte, die okay ist. Aber<br />

dieses Huhn ... Nicht einmal auf Schlittschuhen kann<br />

sie stehen. Was will er denn mit der?“<br />

Katharina musste grinsen.<br />

„Na, siehst du – das geht eh nicht lang gut mit der.<br />

Aber eines sag ich dir: In unserer Mannschaft bist du<br />

vermutlich jedem Einzelnen wichtiger als <strong>für</strong> Micha.<br />

Bleib nicht wegen dem Kerl daheim!“<br />

Marcella schniefte weiter.<br />

„Das sagst du. Aber sonst keiner.“<br />

Als hätten sie es abgesprochen, klingelte genau in<br />

diesem Moment Moritz an der Tür. Marcellas Mutter<br />

ließ ihn herein, und da stand er im Türrahmen von<br />

Marcellas Zimmer und schaute verlegen auf das<br />

weinende Mädchen.<br />

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[101]<br />

„Marcella, du darfst uns nicht auch noch im Stich<br />

lassen. Dann können wir morgen nicht spielen ...“<br />

Marcella fuhr herum und fauchte:<br />

„Da hast du’s, Cat! Das ist der einzige Grund – dass<br />

dann zu wenig Leute da sind!“<br />

Moritz biss sich auf die Lippe. Na, das war ja wohl<br />

komplett daneben gewesen. Er versuchte einen neuen<br />

Anlauf.<br />

„Also, egal wegen wem du nicht kommen willst ...<br />

Uns ist es wichtig, dass du dabei bist. Auch wenn Jonas<br />

und Flo nicht ausfallen würden. Weil es Spaß macht,<br />

mit dir zu spielen. Weil du uns toll anfeuerst, und weil<br />

wir alle nicht einfach ein Mannschaft sind, sondern<br />

Freunde. Und wenn es einem Freund schlecht geht,<br />

dann kümmert man sich um ihn. Ich glaub nämlich<br />

außerdem, dass es dir gut tun wird morgen zu spielen<br />

und den Schweinfurtern ein paar Tore reinzuwürgen.<br />

Bitte lass uns nicht im Stich!“<br />

Er wurde ein wenig rot, und er hätte gern noch<br />

gesagt, dass <strong>für</strong> ihn das Turnier ohne Marcella ziemlich<br />

öde wäre, aber er traute sich nicht. Also drehte er sich<br />

einfach um und lief wieder hinaus ...<br />

***<br />

Am nächsten Morgen waren Jan und Inge schon sehr<br />

früh im Eisstadion. Sie schnippelten Obst <strong>für</strong> sämtliche<br />

Mannschaften, füllten die Trinkflaschen auf und<br />

hängten die Trikots an die Haken über den Bänken der<br />

Umkleidekabine. Dabei fühlten sie sich ziemlich mies.<br />

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[102]<br />

Keiner wusste, wer kommen würde und wer nicht, aber<br />

Jan be<strong>für</strong>chtete das Schlimmste, und Inge, die ihm<br />

einen kurzen Blick zugeworfen hatte, erschrak derartig<br />

über sein grimmiges Gesicht, dass sie ihn gar nicht erst<br />

anredete.<br />

Dann hörten sie das Geräusch von Rollen auf dem<br />

Schlittschuhgang, und die Kabinentür ging langsam<br />

auf. Jonas steckte sehr kleinlaut den Kopf durch den<br />

Türspalt und fragte:<br />

„Darf ich reinkommen?“<br />

Jan schaute nicht mehr ganz so grimmig aus wie<br />

noch vorhin, und er knurrte:<br />

„Klar!“<br />

Jonas schluckte und lief zu seinem Platz.<br />

„Ich hab keinen Schläger ... der ist kaputt ...“<br />

„Wird sich schon was finden. Irgendwer hat<br />

bestimmt zwei dabei.“<br />

Nach und nach trudelten alle Tigers ein, sogar<br />

Florian stand irgendwann in der offenen Tür. Er kam<br />

nicht herein und sagte kein Wort. Als Jan einen kalten<br />

Luftzug spürte, drehte er sich zu Tür um und grinste<br />

Flo an.<br />

„Komm schon rein – Moritz ist Kapitän, keine<br />

Angst!“<br />

Flo grinste verlegen und zog seine Tasche zu seinem<br />

Platz. Kurz darauf huschte Marcella in die Kabine, aber<br />

weil außer Moritz und Katharina niemand<br />

mitbekommen hatte, dass sie eigentlich nicht hatte<br />

spielen wollen, fiel das gar nicht weiter auf. Nur Moritz<br />

lächelte sie an und wurde gleich wieder ein wenig rot.<br />

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[103]<br />

Katharina winkte ihr kurz zu und versank dann wieder<br />

in schlechter Laune. Prima, alle waren gekommen. War<br />

ja toll, aber ihr wäre es am liebsten, wenn sie trotzdem<br />

absteigen würden ... Dann würde sie diesen Dennis<br />

heute noch mal sehen und Ende! Jan scheuchte sie aus<br />

ihren trübsinnigen Gedanken hoch:<br />

„Los, alle raus und warmlaufen!“<br />

Missmutig stand sie auf und trabte hinter den<br />

übrigen Tigers her, von denen jeder einzelne zehnmal<br />

mehr Begeisterung zeigte als Katharina.<br />

<strong>Eine</strong> dreiviertel Stunde später waren sie schon<br />

umgezogen und auf dem Eis zum Warmlaufen<br />

gewesen. Jetzt standen alle vor der Kabine, während<br />

Jan letzte Anweisungen gab. Er hatte einen<br />

Stadionsprecher organisiert, der jeden Minitiger einzeln<br />

aufs Eis rufen würde.<br />

„Also, ihr wartet im Schlittschuhgang hinter der<br />

Bande, bis ihr aufgerufen werdet. Dann fahrt ihr raus<br />

und grüßt, wie die Großen. Alles klar?“<br />

Während Katharina noch nickte, spürte sie plötzlich,<br />

dass jemand sie am Ärmel zupfte. Sie drehte sich um –<br />

Dennis stand hinter ihr und raunte ihr zu:<br />

„Los, komm mit!“<br />

Sie schaute sich unauffällig um, aber offenbar hatte<br />

kein Tiger etwas bemerkt. Nach kurzem Zögern folgte<br />

sie Dennis um die Ecke. Er grinste sie an, und seine<br />

Augen leuchteten blau hinter dem Gitter seiner<br />

Torwartmaske, die er jetzt mit Schwung nach oben<br />

schob, um Katharina ohne Gitter ansehen zu können.<br />

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[104]<br />

„Ich hab was <strong>für</strong> dich, damit du nicht vergisst, mit<br />

wem du deine erste Prügelei gehabt hast. Gib mal deine<br />

Hand!“<br />

Obwohl sie es eigentlich gar nicht wollte, hielt sie<br />

Dennis ihre rechte Hand hin. Er warf die Fanghand und<br />

die Stockhand auf den Boden und zog ihr den<br />

Handschuh aus, den er gleich daneben warf. Dann<br />

fingerte er ein dünnes geflochtenes Bändchen aus<br />

seinem Ärmel und knotete es um Katharinas<br />

Handgelenk. <strong>Eine</strong> winzige Perle mit einem „D“ darauf<br />

war mit eingeflochten. Als Katharina das sah, wurde sie<br />

knallrot und starrte Dennis an.<br />

„Nur, damit du die Prügelei nicht vergisst.“, beeilte<br />

er sich zu beteuern.<br />

Katharina glaubte ihm kein Wort.<br />

„Ich vergesse sie sowieso nicht, ist ja wohl klar!“,<br />

schob er hinterher.<br />

Diesmal glaubte sie ihm und lächelte ihn zaghaft an.<br />

„Danke!“, flüsterte sie und hob ihren Handschuh<br />

auf. Während er seine Fang- und Stockhand wieder<br />

anzog, sagte er noch:<br />

„Und strengt euch gefälligst an! Ich will dich in der<br />

Rückrunde wieder treffen – das wäre so öde, wenn wir<br />

euch da nicht vom Eis fegen könnten!“<br />

Ein Ruck, die Maske saß wieder ordentlich auf<br />

seinem Kopf, er knuffte Katharina freundschaftlich auf<br />

die Schulterpolster und verschwand.<br />

Katharina lief schnell zu den Tigers zurück und<br />

versuchte, diese verflixten blauen Augen zu vergessen.<br />

Aber dann spürte sie das Freundschaftsband, das unter<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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[105]<br />

dem Handschuh ein wenig drückte. Und da wurde ihr<br />

mit einem Mal klar, dass sie eigentlich auch lieber in<br />

der <strong>Auf</strong>stiegsrunde spielen wollte als in der<br />

Abstiegsrunde.<br />

Marcella stupste sie an:<br />

„Sag mal, wo warst du denn?“<br />

Doch noch bevor sie antworten konnte, begann der<br />

Stadionsprecher zu reden, er begrüßte alle Gäste, die<br />

Mannschaften und die Schiedsrichter. Und dann rief er<br />

nacheinander die Namen der <strong>Minitigers</strong>, und sie fuhren<br />

aufs Eis, drehten sich zur Tribüne und winkten hinauf<br />

zu ihren Eltern, die klatschten und eine schwarzgelbe<br />

Fahne schwenkten.<br />

Und als sie zum Tor fuhren und sich im Kreis um<br />

Sandro aufstellten, um ihren Schlachtruf zu rufen, da<br />

waren sie sich alle ganz sicher: Heute würden sie es<br />

schaffen! Sie würden Turniersieger werden und in der<br />

<strong>Auf</strong>stiegsrunde weiterspielen. Weil sie unschlagbar<br />

waren. <strong>Eine</strong> tolle Mannschaft, und supergute Freunde!<br />

ENDE<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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[106]<br />

Danke<br />

Allen, die mich bei der <strong>Geschichte</strong> über die <strong>Minitigers</strong><br />

unterstützt haben, ein herzliches Dankeschön!<br />

Angefangen natürlich bei den echten <strong>Minitigers</strong>, mit<br />

denen ich viele Stunden verbracht habe und die mich<br />

inspiriert haben.<br />

Danke an ihren Trainer, der die Idee zu diesem Buch<br />

hatte.<br />

Danke an meinen Mann, der mir geduldig bei der<br />

Verwirklichung zur Seite stand und viele doppelte<br />

Leerzeichen aus dem Text fischte.<br />

Danke an meine Mädels, die als allererste Probeleser<br />

<strong>für</strong> mich da waren.<br />

Danke an meine Nachbarn, die mich bei der<br />

Überarbeitung beraten haben.<br />

Und vielen Dank auch dir, liebe Barbara, dass meine<br />

<strong>Minitigers</strong> wieder zum Leben erweckt wurden!<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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[107]<br />

Die Autorin: <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong><br />

Lieber Bücherfreund,<br />

gerne stelle ich mich und meine <strong>Geschichte</strong>n hier vor:<br />

1965 in Bayreuth geboren, verheiratet und Mutter von vier<br />

<strong>Kinder</strong>n, begann ich schon während meiner Schulzeit zu<br />

schreiben. Anfangs waren es Gedichte und Liedtexte, später<br />

kamen Kurzgeschichten dazu sowie ein erster Entwurf der<br />

»Teufelsbraten«. 1982 gewann ich den regionalen Lyrikpreis<br />

des »goldenen Liebri«, 1988 kam es zu einer ersten Veröffentlichung<br />

in der Anthologie »Meine Gefühle schlagen Purzelbäume«.<br />

Anschließend jedoch sorgte meine berufliche<br />

Tätigkeit <strong>für</strong> eine lange kreative Pause. Erst durch meine<br />

<strong>Kinder</strong> kam ich wieder zum Schreiben und konnte bereits<br />

mehrere Bücher veröffentlichen.<br />

Die Themen sind dabei breit gefächert:<br />

»Prinzessin Mandarina« ist speziell <strong>für</strong> Leseanfänger gedacht.<br />

»<strong>Auf</strong> geht's, <strong>Minitigers</strong>« handelt von Freundschaft und Vorurteilen<br />

in einem Eishockeyteam.<br />

Bei den »Teufelsbraten« geht es um erste Liebe, Patchworkfamilien<br />

und zwei anfangs verfeindete Banden, die sich mit<br />

der Zeit aber zusammenraufen und sogar gemeinsam Detektiv<br />

spielen.<br />

»Sternenstaub über Bayreuth« ist ein romantisches Buch<br />

über die erste Liebe, Schutzengel und die Suche nach einer<br />

verschollenen Mutter.<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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[108]<br />

Gänsehaut ist dagegen bei der »Mordsfreundin« garantiert -<br />

zwei junge Mädchen zerbrechen an den düsteren Seiten des<br />

Lebens und reißen ihr Umfeld mit in den Abgrund.<br />

Der Bayreuthkrimi »Blutige Kufen« ist wieder im Eishockeymilieu<br />

angesiedelt. Kommissarin Julia Lehmann muss<br />

ermitteln und begeht dabei den Fehler, sich in einen Tatverdächtigen<br />

zu verlieben.<br />

Daneben habe ich bereits <strong>für</strong> mehrere Anthologien Kurzgeschichten<br />

zu verschiedenen Themen verfasst. Aktuell arbeite<br />

ich an einem weiteren Bayreuthkrimi, der Mord und Musik<br />

verknüpft und voraussichtlich 2017 erscheinen wird.<br />

Fast ebenso wichtig und lieb wie das Schreiben sind mir die<br />

Lesungen geworden, die ich regelmäßig v.a. in Schulen der<br />

Region Bayreuth durchführe. Mein Hauptaugenmerk liegt<br />

dabei - wie auch beim Schreiben meiner Bücher - darin,<br />

Leute <strong>für</strong>s Lesen zu begeistern, die bisher nichts mit Büchern<br />

anfangen können. Als logischer Schritt daraus resultiert<br />

auch meine Beteiligung am Leicht-Lesen-Projekt des Elvea<br />

Verlags, wo bereits »die Teufelsbraten«, »Prinzessin Mandarina«<br />

sowie »blutige Kufen« (in Großdruck) erschienen<br />

sind.<br />

Autorenprofil von<br />

<strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> bei AMAZON<br />

© <strong>Antje</strong> <strong>Haugg</strong> 2020<br />

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