Neues aus dem Bundestag
Das Magazin von Joana Cotar und Uwe Schulz.
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WENN WAHLEN
RÜCKGÄNGIG
GEMACHT WER-
DEN MÜSSEN
Es gibt Momente und Aussagen, die hätte ich
– trotz all der Merkeljahre – in Deutschland für
unmöglich gehalten. Als die Kanzlerdarstellerin
vor laufenden Kameras erklärte, dass die Wahl
von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten
von Thüringen unverzeihlich war und „wieder
rückgängig gemacht werden muss“, war das
so ein Moment.
Es sei ein „schlechter Tag für die Demokratie“,
sagte sie. Und ausnahmsweise hatte die Frau
damit Recht. Ja mehr noch, wenn freie Wahlen
in Deutschland rückgängig gemacht werden,
weil das Ergebnis nicht passt, dann hat die Demokratie
nicht nur einen schlechten Tag, dann
wird Demokratie zerstört.
Was war passiert? Nicht der Vertreter der Mauermörderpartei,
Ramelow, sondern der FDPler
Kemmerich wurde mit Stimmen der AfD im
dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt.
Wer sich zur Wahl stellt, geht halt immer
das Risiko ein, auch tatsächlich gewählt zu werden.
Kemmerich schien das nicht bewusst gewesen
zu sein. Nach anfänglichem Schock nahm
er die Wahl trotzdem an und trat damit eine beispiellose
Lawine los.
Die Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow bewies
ihre gute Kinderstube und warf ihm beleidigt
den Blumenstrauß vor die Füße, Ramelow
twitterte ein Hitler-Zitat, AKK gab die Kanzlerkandidatur
auf, ganz Deutschland stürzte sich
auf ihn und die FDP – vorneweg die Kanzlerin.
Die Presse lief Amok. Man hatte das Gefühl,
Deutschland müsse wegen dieser Wahl auf der
Stelle untergehen. Und anstatt den Rücken ge-
rade zu machen und Haltung zu zeigen, knickten
die Möchtegern-Liberalen in Lichtgeschwindigkeit
ein. Lindner persönlich reiste nach Thüringen,
um Kemmerich zum Rücktritt zu bewegen.
Innerhalb kürzester Zeit war dieser Geschichte.
Doch die Altparteien hatten die Demokratie
noch nicht genug beschädigt. Der Verlierer Bodo
Ramelow stellte sich erneut zur Wahl. Und diesmal
wollten die umbenannte SED auch sicher
gehen, dass er gewählt wird. So forderte Hennig-Wellsow
dann auch konsequent, die „Dokumentation“
der Wahl Ramelows. „Wir müssen
dokumentieren, dass er von Demokraten gewählt
wurde“, sagte sie. Freie, geheime Wahlen?
Überbewertet. So kennen wir die Linken. Die
CDU, die eigentlich schon bei der ersten Wahl
versprochen hatte, einige CDUler „aufs Klo“ zu
schicken, damit Ramelow durchkommt, signalisierte
die Bereitschaft zur Wahl des Linken. Das
wiederum löste einen Aufschrei bei den letzten
verbliebenen Konservativen in der CDU aus. Ein
herrliches Spektakel.
Es kam wie es kommen musste: Ramelow wurde
wieder Ministerpräsident, Deutschland atmete
auf. Und kaum einer bemerkte, wie die
Demokratie in diesem Land mit Füßen getreten
wurde.
Im Bundestag konnte man danach ein wirklich
unwürdiges Schauspiel erleben. Die FDP litt unter
den Nazi-Vorwürfen und wollte unbedingt
wieder „dazu“ gehören. So sah man einen Christian
Lindner, der sich in der Debatte um Thüringen
aufrichtig entschuldigte. Wörtlich sagte er:
„Wir sind verletzt, weil wir Zweifel an unserer
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