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Top fit for Job

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Anja Keyser

Top fit for Job

Warum die Evangelische Jugendbildungsstätte in Neukirchen

Berufsorientierungsseminare für Jugendliche anbietet

Bei meinem Opi war es noch ganz selbstverständlich

und klar. Dein Vater ist

Schreiner, dann wirst du das auch. Ob

er das wollte? Eigentlich nicht, aber die

Firma hatte einen guten Ruf und war zu

Fuß erreichbar. Damit war die Entscheidung

getroffen.

Heute wird Jugendlichen die Frage „Was

willst du werden?“ früh gestellt und sie

werden immer wieder daran erinnert,

wie wichtig ihr Zutun ist. Schon in der

Grundschule steigert sich der Notendruck

ins Unermessliche, nur, damit sich

die Kinder ja nichts verbauen. Je höher

der Schulabschluss ist, desto größer ist

doch die Auswahl an möglichen Studiengängen

und Ausbildungsberufen.

Ich kann Jugendliche gut verstehen, deren

Augen groß werden, wenn sie mit

solchen Themen konfrontiert werden.

War ich mit 14 Jahren gedanklich doch

eher damit beschäftigt mich zu fragen,

wie ich es schaffe, meine Mutter davon

zu überzeugen, dass ich am Wochenende

unbedingt zu dieser Party muss und ob

mein Taschengeld noch reichen könnte,

dass ich mir die neuartige Pickelcreme

kaufe.

Was ich werden möchte? Bohr ey, keine

Ahnung!

50 baugerüst I Mai 2020

Genau in dieser Zeit wird es aber richtig

ernst. Spätestens ab der 7. Klasse wird

darauf hingewiesen, dass es wichtig ist,

sich Gedanken zu machen, wie denn

nun die berufliche Laufbahn aussehen

soll. Schließlich geht es um die ökonomische

und soziale Absicherung und die

gesellschaftliche Anerkennung. Absolvent_innen

der Mittelschulen trifft es

besonders hart. Sie müssen sich bereits

mit dem Zeugnis der 8. Klasse bewerben

und können bei Abbruch ihrer Ausbildung

selten auf so viel Verständnis hoffen,

wie die vielen Studienabbrecher und

-wechsler.

Mehr offene Ausbldungsstellen

als Bewerber

Die Evangelische Jugendbildungsstätte

in Neukirchen hat sich ganz bewusst für

Seminarangebote mit Jugendlichen in

dieser Übergangsphase entschieden. Seit

Bestehen der Einrichtung ist die Berufsorientierung

ein Schwerpunkt in ihrem

Bildungsprogramm. Auch heute noch,

obwohl sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt

im Laufe der Zeit sehr

verändert hat. Die Jugendarbeitslosigkeit

ist so gering wie noch nie. Es gibt mehr

offene Ausbildungsstellen als Bewerber,

die auf der Suche sind, weshalb eher die

Arbeitgeber um Auszubildende kämpfen,

als Jugendliche um einen Ausbildungsplatz.

„Warum macht ihr da eigentlich

noch Berufsorientierungsseminare?“

Das werden die Pädagog_innen von der

Evangelischen Jugendbildungsstätte in

Neukirchen öfter gefragt.

Jugendliche bei dem Übergang von der

Schule in die Arbeitswelt zu begleiten,

ist eine der wichtigen gesellschaftlichen

Aufgaben unserer Zeit. Und dieser Übergang

wird für Jugendliche trotz alledem

zunehmend schwieriger. Gesellschaftliche

Tabus schwinden mehr und mehr,

Mobilität macht es möglich, große Strecken

zum Ausbildungsbetrieb zu überwinden,

das Schulsystem inklusive G8

richtet alles darauf aus, zeitnah produktiv

und effektiv auf dem Arbeitsmarkt Fuß

zu fassen und die Vielfalt der Ausbildungsberufe

ist in den vergangenen Jahren

nicht nur durch die Digitalisierung

immens gestiegen. Wer hätte schon vor

fünf Jahren gewusst, womit ein Influencer

sein Geld verdient?

Braucht es Beratung? Das Internet ist

doch voll mit Tests, Analysen und Informationen

zu Berufen. Gut aufbereitet

mit der Möglichkeit, über einen Klick

ein Video anzuschauen und hautnah dabei

zu sein, wenn z.B. ein Bäcker Bröt-


chen backt oder ein Hausarzt seinen

Alltag vorstellt. Wer sich informieren

möchte, hat also jederzeit die Möglichkeit

dazu und ein bisschen Eigeninitiative

und Selbstverantwortung darf man

von Jugendlichen auch erwarten.

Die zeigen sie auch. Doch ist es die erste

wichtige Entscheidung in der Lebensplanung,

die Jugendliche selbst treffen müssen.

Für den Kindergarten melden die

Eltern an, das Vorrücken in der Schule

funktioniert fast automatisch. Behütet

in Mitten der Peergroup. Kommt es zu

einer Trennung durch Schulwechsel hat

man schnell neue Klassenkammerad_innen

kennen gelernt. Doch jetzt ist das

anders. Es gibt so viele Möglichkeiten.

Die Auswahl des Wunschberufs, des

richtigen Ausbildungsbetriebs, der richtigen

Hochschule. Man muss sich auf

Ziel ist sinndeutende,

hinterfragende und

spirituelle Begleitung in

dieser Lebensphase.

eine Option festlegen, wird in Zukunft

beim Familientreffen, beim Date, im

Lebenslauf immer wieder darauf angesprochen

und das Schlimmste ist: Wenn

die Entscheidung getroffen ist, weiß man

noch nicht einmal, ob es klappt. Was ist,

wenn ich den Ausbildungsplatz nicht bekomme?

Was, wenn ich ihn bekomme

und es mir nicht gefällt?

Die Bedeutung der Begleitung im Rahmen

der Berufsorientierung hat auch

die Agentur für Arbeit erkannt und

schreibt zum Beispiel seit dem Schuljahr

2011/2012 die Maßnahmen zur erweiterten

vertieften Berufsorientierung (e)

vBO) für Mittelschulen in Zusammenarbeit

mit den Schulämtern über das Regionale

Einkaufszentrum Bayern (REZ)

aus. Über die Vergabe ist ein Markt entstanden,

welcher von Weiterbildungsträgern

mittlerweile hart umkämpft ist.

Begriffe wie Optimierung der Strategien

bei der Berufswahl und Potentialanalysen

prägen die Ausschreibungen.

„Macht das überhaupt Sinn, als

Jugendbildungsstätte Seminare

auszuschreiben?“

Wenn die Evangelische Jugendbildungsstätte

in Neukirchen Berufsorientierungsseminare

organisiert, enthalten

diese viele Bausteine und Methoden, die

auch andere Träger durchführen, zudem

bindet sie in ihrem modularen Seminarkonzept

immer wieder Bildungspartner

wie zum Beispiel Ausbildungsbetriebe,

die Agentur für Arbeit oder auch kommunale

Behörden, die in vielen Fragen

fachkompetenter sind, mit ein.

Doch ist ihr Hauptanliegen nicht das

perfekt formulierte Anschreiben oder

der unterschriebene Ausbildungsvertrag.

Natürlich ist es schön, wenn Jugendliche

die fertigen Schriftstücke in den Händen

halten und unterstützt sie beim nötigen

Handwerkszeug auf dem Weg dorthin.

Doch ist ihr vielmehr eine sinndeutende,

hinterfragende und spirituelle Begleitung

in einer Lebensphase, in der so

viele grundsätzliche Lebensfragen gestellt

werden, so wichtig. Denn es geht nicht

nur um den Beruf, sondern vielmehr um

die Persönlichkeit und das Leben der Jugendlichen

im ganzheitlichen Sinne.

Den eigenen Lebensweg aktiv zu gestalten

zu können, ist ein Geschenk

und – eine Herausforderung zugleich.

forum

das baugerüst

( Einzelheft € 5.- zzgl. Versandkosten)

• Junge Erwachsene

• Träume

• „...for future” – Aspekte

nachhaltiger Bildung

• Kinder, Kinder, Kinder

• Was bedeutet eigentlich Ostern?

• Sehnsucht

• Übergänge schaffen zwischen

Konfirmanden- und Jugendarbeit

• good news, bad news, fake news – und

wie sich die Kommunikation verändert

• Leben im Sozialraum

• Den Glauben weitergeben

• Gerechtigkeit

• Landschaften und Inseln in der Arbeit

mit Kindern und Jugendlichen

• Zukunft - was kommt da auf uns zu?

• Heldinnen und Helden

• Ich, Ich, Ich!

• Jugendarbeit im Verband

• ZusammenLeben

• Protest

• Freiheit

• Übergänge

• Jugend. Glaube. Kirche

• Heimat

• Sünde

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• Das Kreuz mit dem Kreuz

• Frieden und Gerechtigkeit

• Jugendarbeit im Angebot

• Bilder von Jugendlichen

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• Zeitlos

• Verletzungen und Narben

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• Demokratie online

• Beruflich in der Jugendarbeit

• Freizeiten und Reisen

• Die Stille und der Lärm

• Alles Fassade? Inszenierungen

• Umkehr wohin?

• Dialog der Religionen

• Jugendarbeit im Jahr 2017

• Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft

• KinderLeben

• Sprache und Kommunikation

• Kirche wohin?

• Leben im Wohlstand

• Abschied und Neubeginn

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Telefon 0911 4304278

Mai 2020 I baugerüst 51


forum

„Hat jemand die Gabe, zu ermahnen

und zu trösten, so ermahne

und tröste er. Wer gibt,

bebe mit lauterem Sinn. Wer

leitet, tue es mit Eifer. Wer

Barmherzigkeit übt, tue es

mit Freude.“ (Röm 12,8)

geht es im Wirken der Pädagogen

vor Ort um die

Gaben der Einzelnen.

Dafür braucht es Zeit. Es geht um Veränderungen,

ein Abwägen von Möglichkeiten,

das Finden von Lösungen für

das Individuum. Das bedeutet manchmal

auch, es anders zu machen, als es

erwartet wird. Von der Frage „Wo habe

ich meine Begabungen?“ bis hin zur

Unterschrift des Ausbildungsvertrages

sind viel mehr dahinterliegende Schritte

zu bewältigen.

Wie gut ist es da, mal raus zu kommen,

den Druck beiseite zu schieben und von

einem ganz anderen Blickwinkel an das

Thema heran zu gehen? Eine schwierige

Aufgabe, die wir wie folgt lösen:

• Außerhalb des 45-Minuten-Takts

und ohne Ablenkung durch soziale

Medien Zeit geben. Die Fragen

wirken und arbeiten im Kopf. In

Pausen und in der Nacht auf dem

Zimmer besteht die Möglichkeit,

mit Freunden zu diskutieren.

• Außerhalb der gewohnten Umgebung

Raum geben, welcher anregen

soll, gewohnte Muster und feste

Denkstrukturen zu durchbrechen.

• Jugendbildungsstätten schaffen Diskurs-

und Begegnungsräume, in denen

die Teilnehmenden Reflexion

erfahren und aneinanderwachsen

können.

52 baugerüst I Mai 2020

• Nutzung von Methoden aus der

Jugendarbeit und Auseinandersetzung

in der Gruppe z.B. im Pädagogischen

Seilgarten, um zu prüfen,

welche Rolle man gerne übernimmt?

Die Leitung? Beisteuerung von kreativen

Ideen? Die Umsetzung?

• Die Öffnung des Blicks auf die

Gemeinschaft. Jede_r trägt seinen/

ihren Teil zur Gemeinschaft bei

und nur indem alle Aufgaben erfüllt

werden, kann das gemeinsame

System gelingen. Das verändert den

Blick auf die Tätigkeiten und stellt

für Aufgaben den Wertschöpfungsaspekt

heraus.

Diese Aspekte ergänzen im Rahmen der

aktiven und selbstbestimmten Berufswahl

das Erkennen und die Formulierung

von Lebenszielen und Perspektiven

für deren Umsetzung. So werden nicht

nur beruflich relevante, persönliche Stärken

und Schwächen analysiert, sondern

die Frage nach einem ganzheitlich erfüllten

Leben betrachtet.

All die persönlichkeitsbildenden Angebote

der Evangelischen Jugendbildungsstätte

in Neukirchen basieren auf einem

christlichen Menschenbild. So, wie bei

den Briefen des Paulus an die Römer

Vermittlung

christlicher Werte

Alle Mitarbeitenden in der

Einrichtung arbeiten gemeinsam

an einem Ziel und

leben vor Ort vor, dass alles

Wirken und Tätigwerden für

die Gesellschaft notwendig ist

und der Gemeinschaft dient.

Die Zielsetzung von Jugendbildungsstätten

ist die Unterstützung

junger Menschen in ihrer Entwicklung

zu einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen

Persönlichkeit. Jugendarbeit

soll „an den Interessen junger

Menschen anknüpfen und von ihnen

mitbestimmt und mitgestaltet werden,

sie zur Selbstbestimmung befähigen und

zu gesellschaftlicher Mitverantwortung

und zu sozialem Engagement anregen

und hinführen (§ 11 Abs. 1 SGB VIII).“

Ziel einer Evangelischen Jugendbildungsstätte

ist darüber hinaus die Weitergabe

des Evangeliums an die nächste

Generation in geeigneter, altersgemäßer

Form, die Vermittlung christlicher Werte

und die Unterstützung junger Menschen

in ihrem Umgang in den Blick zu nehmen.

Im Rahmen der Berufsorientierung werden

Jugendliche unterstützt, Übergänge

zu gestalten und Sinnfragen zu klären.

Für mich ist es schön, mich in diesen

Zeiten auf Orientierung aus dem Evangelium

verlassen zu können.

Anja Keyser ist Jugendbildungsreferentin

und Leiterin der Evangelischen

Jugendbildungsstätte

Neukirchen (in Bayern).

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