30.05.2020 Aufrufe

Corinna Antelmann | Spargel in Afrika

Spargel in Afrika ist eine leise, persönliche Erzählung zwischen Melancholie und Ironie, ein Monolog, der sich als Dialog verkleidet, als wortreiche und zugleich sprachlose Auseinandersetzung eines fürsorglichen Sohnes mit seinem lebensmüden, 90-jährigem Vater, der im Krankenhaus liegt und sterben wird. Der Sohn spürt, dass auch er älter wird und in der Generationenfolge den Platz seines Vaters einnehmen wird. Während dieser womöglich letzten Begegnung berühren beide das Thema des Nährens und Genährt-Werdens als universellem Bedürfnis des Menschen. Gemeinsame Essens-Erinnerungen helfen ihnen, eine Übereinstimmung zu finden, dort, wo es unmöglich geworden zu sein scheint, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verbalisieren. »Was fehlt dir, Vater?«, frage ich ihn und gebe mir die Antwort selbst: Nichts, natürlich; du hast alles, was du brauchst.

Spargel in Afrika ist eine leise, persönliche Erzählung zwischen Melancholie und Ironie, ein Monolog, der sich als Dialog verkleidet, als wortreiche und zugleich sprachlose Auseinandersetzung eines fürsorglichen Sohnes mit seinem lebensmüden, 90-jährigem Vater, der im Krankenhaus liegt und sterben wird. Der Sohn spürt, dass auch er älter wird und in der Generationenfolge den Platz seines Vaters einnehmen wird. Während dieser womöglich letzten Begegnung berühren beide das Thema des Nährens und Genährt-Werdens als universellem Bedürfnis des Menschen. Gemeinsame Essens-Erinnerungen helfen ihnen, eine Übereinstimmung zu finden, dort, wo es unmöglich geworden zu sein scheint, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verbalisieren.

»Was fehlt dir, Vater?«, frage ich ihn und gebe mir die Antwort selbst: Nichts, natürlich; du hast alles, was du brauchst.

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hattest, bevor sie starb, und du entschieden hast,<br />

<strong>in</strong>s Altersheim zu gehen. Und noch früher, da hatte<br />

der Geruch bereits <strong>in</strong> dem Zimmer von Großvater<br />

geschwebt. Und neulich, als ich e<strong>in</strong>e Woche ohne<br />

Frau und Töchter verbrachte und vor lauter Trägheit<br />

oder Sorglosigkeit, was soviel me<strong>in</strong>t wie: für<br />

niemanden Sorge tragen zu müssen, vergessen hatte,<br />

gründlich zu lüften, da begrüßte mich eben dieser<br />

Geruch, als ich am Abend von e<strong>in</strong>em ausgedehnten<br />

Spaziergang zurückkehrte, den ich sonst nicht unternehmen<br />

kann, weil ich ja da se<strong>in</strong> muss.<br />

Für alle da.<br />

Zunächst wusste ich nicht, was das war, was mir<br />

mit dieser Vertrautheit entgegenschlug, die mich an<br />

K<strong>in</strong>dheit er<strong>in</strong>nerte, an Großvater, an dich. Be<strong>in</strong>ahe<br />

wohlig nahm ich den bis dah<strong>in</strong> nicht von mir def<strong>in</strong>ierten<br />

Geruch wahr, aber dann fiel mir e<strong>in</strong>, dass es<br />

roch, wie es bei dir riecht.<br />

Ich habe es bisher niemandem gesagt, weder<br />

me<strong>in</strong>er Frau, noch den K<strong>in</strong>dern. Stattdessen lüftete<br />

ich, zwei volle Tage lang bis zu ihrer Rückkehr, und<br />

als sie endlich wieder bei mir waren, schwieg ich<br />

über den Geruch.<br />

Aber jetzt sage ich es dir.<br />

Sage es dir nicht, denn de<strong>in</strong> Zimmer ist leer.<br />

Me<strong>in</strong> Satz: »Vater, ich b<strong>in</strong> gekommen, um mit dir<br />

zu essen«, bleibt mir im Hals stecken wie die Gräte<br />

von der Forelle, die wir geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> Tschechien<br />

gegessen haben, be<strong>in</strong>ahe zehn Jahre ist das her. Er<strong>in</strong>nerst<br />

du dich? Frisch aus dem Teich des Hauses gefischt<br />

und auf den Rost gelegt, über offenem Holz-<br />

11 ≥

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