Innovative 25 - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
Innovative 25 - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
Innovative 25 - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
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innovative<br />
innovative<br />
Zeitschrift<br />
des Nordelbischen<br />
<strong>Frauenwerk</strong>es<br />
Nr. <strong>25</strong><br />
Dezember 2011<br />
- Mai 2012<br />
<strong>25</strong><br />
Dorothee-Sölle-Preis für aufrechten Gang<br />
Nur 7 % MwSt für Kinderartikel<br />
Was wäre die Reformation ohne die Frauen?<br />
Auf den Spuren unserer Kleidung<br />
Fasten nach Hildegard von Bingen<br />
Passionsbuchprojekt „Leidenschaftlich“
Inhalt | Impressum<br />
Inhalt<br />
Impressum ......................................................... 2<br />
Editorial ............................................................. 3<br />
Anstoß<br />
Und: Was haben Sie so gemacht in Ihrer Sabbatzeit? ............. 4<br />
Projekte/Aktionen<br />
Nur 7% für Kinderkleidung ......................................... 5<br />
Hebammen-Protest ................................................. 5<br />
Alternativen … Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash ..... 6<br />
Leidenschaftlich. Sieben Wochen das Leben vertiefen ........... 7<br />
Steht auf für Gerechtigkeit. Weltgebetstag aus Malaysia .......... 8<br />
Vertrauen wächst durch den Dialog – das transkulturelle<br />
und interreligiöse Lernhaus der Frauen ............................ 9<br />
Von der Konsum- zur Care-Gesellschaft ........................... 10<br />
Ernährungsbildung und Prävention von Essstörungen ........... 11<br />
Gegen Burnout ...................................................... 11<br />
GODE TIED genießen .............................................. 11<br />
Lebensübergänge begleiten – Rituale in der Natur ............... 12<br />
Auf den Spuren unserer Kleidung ................................. 13<br />
Verabschiedung von Gundula Döring ............................. 14<br />
10 Jahre Trotz-allem-Gottesdienste ................................ 15<br />
Interview<br />
mit Barbara Schmodde, Kommunikationstrainerin:<br />
„Es macht mich immer wieder neugierig,<br />
mit Menschen zu arbeiten“ ......................................... 16<br />
innovative<br />
<strong>25</strong><br />
innovative <strong>25</strong><br />
Zeitschrift des<br />
Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es<br />
Dezember 2011 - Mai 2012<br />
(Redaktionsschluss: 1. Oktober)<br />
Herausgeberin<br />
<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong><br />
Kerstin Möller, Leiterin<br />
Gartenstraße 20<br />
24103 Kiel<br />
Fon 0431 - 55 779 100<br />
Fax 0431 - 55 779 150<br />
<strong>Frauenwerk</strong>@ne-fw.de<br />
www.ne-fw.de<br />
innovative<br />
Von Frauen ......................................................... 18<br />
Hintergrund<br />
Behindert? Verletzte Körper ....................................... 19<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Aufgestockt! Beratung für Müttergenesungskuren ............... 21<br />
Frauenfußball spezial ............................................... 21<br />
Aufbruchsstimmung … und wie es weiter geht .................... 22<br />
Sanftes Fasten nach Hildegard von Bingen ....................... 23<br />
Gesichter der Armut ................................................ 24<br />
Jubiläum der Frauen Sinnstiftung ................................. <strong>25</strong><br />
Wie geht das mit dem Umkehren? ................................. 26<br />
Was wäre die Reformation ohne die Frauen? ..................... 27<br />
Frauen-News ....................................................... 28<br />
Buch-Tipps<br />
Mystik + Frauen .................................................... 29<br />
Pilgern als innere Haltung .......................................... 29<br />
Chancen des Alterns ............................................... 30<br />
Wertvolle Impulse .................................................. 30<br />
Und außerdem<br />
Dorothee-Sölle-Preis verliehen ..................................... 31<br />
Oikocredit. Stolz geben ............................................ 31<br />
Die Rückseite<br />
Programm 2012 des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es ............. 32<br />
Verantwortlich, Konzept und Redaktion<br />
Annette von Stritzky, Fon 0431 - 55 779 105, avonstritzky@ne-fw.de<br />
Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten,<br />
evtl. auch zu kürzen. Die innovative erscheint i.d.R. im Juni und<br />
Dezember.<br />
Nachdruck mit Quellenangabe und Belegexemplar gern gestattet.<br />
Gestaltung und Illustrationen<br />
Susanne Adamek, Kommunikation & Design<br />
Titelfoto Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e. V.<br />
Sekretariat Bärbel Rimbach<br />
Auflage 10.000 Exemplare<br />
Druck www.druckzentrum-neumuenster.de, gedruckt auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier, Rohstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft<br />
Redaktionsschluss für die inno 26: 15. März 2012<br />
2
3 innovative<br />
Foto: Nordbild<br />
Liebe LeserInnen,<br />
Muße, Aufbruchsstimmung, Pilgern als Lebenshaltung, sanftes<br />
Fasten, leidenschaftlich die Passionszeit erleben, für Gerechtigkeit<br />
aufstehen, im Dialog voneinander lernen, Gottesdienste gegen<br />
Gewalt an Frauen, den ersten Dorothee-Sölle-Preis, Jubiläen und<br />
vieles mehr finden Sie in dieser innovative Nr. <strong>25</strong>.<br />
Außerdem laden Kerstin Möller, Leiterin des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es,<br />
und ich Sie herzlich ein: Am 15. Juni 2012 feiern wir mit der<br />
innovative „silbernes“ Jubiläum. <strong>25</strong> Ausgaben sind ein guter Grund<br />
für ein Fest. Feiern Sie mit uns, mit allen, die die innovative produzieren,<br />
mit allen, die schreiben und geschrieben haben, mit denjenigen,<br />
die das Layout entwickelt haben und immer wieder neue Akzente<br />
setzen, mit denjenigen, die drucken, mit dem Redaktionsteam und<br />
mit uns allen aus dem Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>. Werfen Sie einen<br />
kleinen Blick hinter die Kulissen.<br />
Überraschungen wird es geben: Den ultimativen inno-Cocktail,<br />
Musik, Kulinarisches, das innovative Rätsel, Lustiges und Humorvolles<br />
– Gespräche mit netten Leuten sind garantiert! Annette Hillebrand,<br />
Direktorin der Akademie für Publizistik (Hamburg), hat bereits<br />
ein Grußwort zugesagt.<br />
Wir wollen uns bei Ihnen, die für die innovative arbeiten und bei denjenigen,<br />
die sie lesen und verbreiten, bedanken! Die Vorbereitungen<br />
sind noch längst nicht beendet, aber einladen möchten wir Sie<br />
schon jetzt sehr herzlich zu einem Fest an einem hoffentlich lauen<br />
Sommernachmittag! FR, 15. Juni, 16 - 19 Uhr in Kiel. Anmeldungen<br />
erbitten wir unter 0431 – 55 779 112.<br />
Alles Gute beim Lesen!<br />
Ihre<br />
Annette von Stritzky<br />
b Ausschreibung<br />
Bei uns ist die Stelle der stellvertretenden<br />
Leiterin und Theologischen<br />
Referentin des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s<br />
mit einer Pastorin zu besetzen.<br />
Die Stellenausschreibung findet sich<br />
im Gesetz- und Verordnungsblatt<br />
(November) und unter www.ne-fw.de.<br />
Gern schicken wir sie auf Nachfrage zu.<br />
Bewerbungsfrist: 31. Dezember 2011.<br />
Editorial / LeserInnen-Forum<br />
Glückwunsch<br />
Von all den Publikationen, die ich bekomme,<br />
nehme ich die innovative besonders gerne in<br />
die Hand. Ich finde sie: Sehr schön aufgemacht,<br />
klasse gegliedert, schlau im Layout und voller<br />
interessanter Informationen. Es ist eine starke<br />
Visitenkarte des <strong>Frauenwerk</strong>es schon bevor<br />
frau sich dem Inhalt zuwendet. Und dann freue<br />
ich mich erst recht: Gute und engagierte Themen,<br />
Initiativen, Reise-Erkundungen, Beziehungsarbeit<br />
in der <strong>Nordkirche</strong>; pfiffige Titel<br />
und brisante Themen, z.B.: Nachhaltige Ökonomie<br />
in Gesellschaft und Kirche, interreligiöser<br />
Wagemut und Feministische Theologie<br />
und Spiritualität.<br />
Schade, dass Frau nicht überall mitmachen<br />
kann. Glückwunsch zur innovative von einer<br />
begeisterten Leserin – weiter so!<br />
Bärbel Wartenberg-Potter<br />
Bischöfin i. R., Lübeck<br />
Stärkend<br />
Hier meine ganz konkrete positive Rückmeldung,<br />
damit ich mich nicht nur still für mich<br />
freue, wie stärkend und hilfreich immer wieder<br />
Beiträge in Ihrer Zeitung sind. In der <strong>Innovative</strong><br />
24 sprachen mich der ‚Anstoß‘, der ‚Hintergrund‘,<br />
der Buch-Tipp „Haltung zeigen“ (alles<br />
von Gundula Döring) und das Interview besonders<br />
an. Danke, dass ich immer noch in Ihrem<br />
Verteiler bin, obwohl ich schon vor einiger Zeit<br />
von Hamburg weggezogen bin. Die Verbindung<br />
halten, tut gut.<br />
Ich wünsche eine fröhliche Weihnachtszeit und<br />
frohes Schaffen! Liebe Grüße aus Wunstorf,<br />
Dr. Barbara Spengler<br />
b Schreiben Sie uns<br />
Wir freuen uns, wenn wir von Ihnen hören<br />
– schreiben Sie uns Anregungen, Fragen,<br />
Wünsche, Rückmeldungen zur innovative –<br />
einfach so!<br />
b Spenden<br />
Sie bekommen die innovative kostenlos –<br />
wir freuen uns über jede Spende:<br />
<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, „innovative“,<br />
EDG Kiel, Kto. 10 740, BLZ 210 602 37.<br />
Einen herzlichen Dank allen SpenderInnen!<br />
Sie finden die innovative auch unter www.ne-fw.de
innovative<br />
Anstoß 4<br />
Und: Was haben sie so gemacht in ihrer Sabbatzeit?<br />
Diese Frage wurde mir unzählige Male gestellt. Meine Antwort<br />
war in der Regel: „Nichts.“ Das war dann manchmal ein bisschen wie<br />
bei Loriot. Oder es gab hochgezogene Augenbrauen oder ein mitleidiges:<br />
„Ach ja, Sie waren bestimmt auch ziemlich erschöpft …“. Aber<br />
es gab auch das Andere: Viele Menschen, die sich mit mir gefreut<br />
haben und sich für sich selbst auch so eine Zeit gewünscht haben:<br />
Sabbatzeit.<br />
Mein Bild und Vorbild zum Thema „Nichts“ ist Rahel Varnhagen geworden,<br />
die am 11. März 1810 eben diese Frage in ihrem Tagebuch<br />
notiert: „Was machen Sie?“ Und ihre Antwort: „Nichts. Ich lasse das<br />
Leben auf mich regnen.“ Auch dazu gab es in diesem Sommer<br />
reichlich Gelegenheit.<br />
Sabbatzeit. Auszeit. Drei Monate: Juni, Juli, August, ungefüllt. Freiraum.<br />
Eine solche Sabbatzeit löst im Vorfeld bereits eine Menge<br />
Gedanken, Träume, Ideen und Sehnsüchte aus. Doris Voigt schreibt<br />
in Ihrem Buch über ihre Sabbatzeit: „Sie erscheint … wie eine magische<br />
Zeit der großen Freiheit, in der all das endlich gelebt werden<br />
kann, was sonst im Alltag untergeht.“<br />
Ganz schnell kann darin ein neuer Leistungsstress entstehen,<br />
diese so einmalige Zeit möglichst gut zu füllen. Schließlich wird<br />
man sie so schnell nicht wieder bekommen, vielleicht nie wieder. Eine<br />
Dynamik kriecht hoch, die unseren Alltag schon sehr durchdrungen<br />
hat. Der Drang, alle Dinge und damit auch die Zeit nur im Blick auf<br />
ihre Verwertbarkeit und Nutzbarkeit hin anzusehen. Ich muss doch<br />
am Ende einer solchen Zeit etwas Überzeugendes vorzeigen oder<br />
zumindest berichten können, eine einleuchtende Antwort haben auf<br />
jene Frage: „Was haben Sie denn mit Ihrer Zeit gemacht?“<br />
Darüber kann leicht das wohl Wichtigste dieser Zeit in Vergessenheit<br />
geraten: Das Loslassen, sich aus der Hand geben, die Kontrolle<br />
und Planung abgeben und schauen, was passiert. Das Leben einfach<br />
kommen lassen, offen sein, das Nichtstun lernen. Die Zeit zu-<br />
rücklegen in die Hände, aus der wir sie empfangen: In Gottes Hände.<br />
In Psalm 31, Vers 16 heißt es: Meine Zeit steht in deinen Händen,<br />
Gott. Oder wie die ÜbersetzerInnen der Bibel in gerechter Sprache<br />
formulieren: In deiner Hand ruht meine Zeit.<br />
Meine Sabbatzeit hat mir vor Augen geführt wie sehr ich im Alltag<br />
gefangen bin in einem System, dass mir, dass uns die Vorstellung<br />
suggeriert, wir hätten die Macht über die Zeit, alles wäre nur eine<br />
Frage der Organisation, oder modern gesprochen des Zeit- und Selbstmanagements.<br />
Irgendwie ist alles machbar, schaffbar. Dabei wissen<br />
wir doch eigentlich ziemlich genau, dass Zeit nicht wirklich verfügbar<br />
und schon gar nicht verlängerbar ist. Welche ist unter<br />
euch, die ihres Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr<br />
sie sich auch darum sorgt? (Matthäus 6, 27)<br />
Zeit nicht besitzen, sondern immer wieder neu empfangen, aus<br />
Gottes Händen. Und dann auch die Zeit immer wieder ganz bewusst<br />
in Gottes Hände zurücklegen. Mit Unterbrechungen leben dürfen<br />
und können, das – so meine Erfahrung in der Auszeit – ist ein<br />
großer Reichtum, ein Geschenk. Es ist Leben in und unter der Verheißung<br />
des biblischen Sabbatgedankens.<br />
Die Erfahrungen sind nicht leicht in Worte zu fassen. Das Leben wurde<br />
in einem ganz besonderen Sinne scheinbar zielloser, weil ich nicht<br />
planen musste, darauf vertrauen konnte, dass die Ziele mich holen …<br />
– und sie haben es getan. Es ist als ob in der Sabbatzeit eine langsame,<br />
fast unmerkbare Bewegung in mir begonnen hat: Genauer<br />
wahrnehmen, bewusster mit den Ressourcen umgehen. Wichtigkeiten<br />
verändern sich, Achtsamkeit wächst.<br />
In deiner Hand ruht meine Zeit. Allein das, die Vorstellung, dass<br />
Zeit nicht rennt, gefüllt oder gerechtfertigt werden muss, sondern<br />
ruht, ruhen kann, ja vielleicht soll. Allein das … Das ist einer<br />
dieser Sabbatfäden, an denen ich festhalten möchte, denen ich<br />
Raum und Zeit verschaffen möchte mitten in meinem Alltag.<br />
Lass mich langsamer gehen, Gott.<br />
Entlaste das eilige Schlagen meines Herzens<br />
durch das Stillwerden meiner Seele.<br />
Lass mich die Zauberkraft des Schlafes erkennen.<br />
Lehre mich die Kunst des freien Augenblicks.<br />
Teil eines Gebets aus Südafrika<br />
Kerstin Möller
Fotos: Dorothea Frauböse<br />
5 innovative<br />
Projekte | Aktionen<br />
Nur 7 % für Kinderkleidung<br />
Warum zahlen wir für Kinderkleidung 19 % Mehrwertsteuer,<br />
für Hundefutter, Hotelübernachtungen, Reitpferde<br />
und Blumen 7 %?<br />
Diese Frage führte zu einer bundesweiten Kampagne für einen reduzierten<br />
Mehrwertsteuersatz für Produkte und Dienstleistungen<br />
für Kinder. Für uns in der Kirche sind Kinder Geschenke Gottes.<br />
Dass sie gut und gesund aufwachsen können, liegt nicht nur in der<br />
Verantwortung der Eltern, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe. Eltern tragen neben der Verantwortung für die Kinder<br />
auch die nicht geringen Kosten. Als Kirche bekümmert es uns,<br />
dass sich Kinderarmut in unserem reichen Land immer weiter<br />
ausbreitet. Deshalb beteiligen wir uns an der ‚Aktion 7 % für Kinder‘.<br />
Die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 % auf 7 % für<br />
Produkte und Dienstleistungen für Kinder würde Familien finanziell<br />
entlasten. Läge die Mehrwertsteuer für Kinderbekleidung, Schulbedarf,<br />
Spielzeug und Co. bei 7 %, hätten die Familien in Deutschland<br />
im vergangenen Jahr 950 Mio. € gespart.<br />
Wir, die Fachstelle Familie, das Nordelbische Jugendpfarramt, das<br />
Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong>, das Nordelbische Männerforum, der<br />
Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-<br />
Holstein e. V. und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt, rufen<br />
dazu auf, sich an der Kampagne zu beteiligen. Unterschriftenlisten<br />
– online oder zum Ausdrucken – gibt es unter www.7fuerKinder.<br />
de. Nähere Auskünfte zur Aktion in Nordelbien gibt die Fachstelle<br />
Familie der Nordelbischen Ev. - Luth. Kirche: 0431 – 55 779 145,<br />
mbaumgarten@kirche-familien.de.<br />
Da die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die ein<br />
neues Konzept für die Reform der Mehrwertsteuer erarbeiten soll,<br />
können wir das Ergebnis mit unseren Unterschriften, die PolitikerInnen<br />
übergeben werden, beeinflussen. Die Reduzierung der<br />
Mehrwertsteuer wäre ein Zeichen für Familienfreundlichkeit in<br />
unserem Land und könnte Familien nachhaltig unterstützen.<br />
Margit Baumgarten<br />
Hebammen-Protest<br />
22.193 Unterschriften kamen in nur einem Monat zusammen!<br />
Vor einem Jahr, in der innovative Nr. 23, hat die Nordelbische Kirche<br />
zusammen mit den Hebammenverbänden Hamburg und Schleswig-Holstein<br />
aufgerufen zur Unterschriftenaktion für Hebammen.<br />
Die Aktion stand unter dem Motto<br />
1 Verlobter<br />
3 Könige<br />
Gold, Myrrhe und Weihrauch<br />
1 Engel<br />
1 Stern<br />
Mehrere Nutztiere<br />
Die himmlischen Heerscharen<br />
1 lieber Gott<br />
Und wer hilft bei der Geburt Ihres Kindes?<br />
Am 5. Mai gab es als Abschluss des 3-tägigen Hebammenstreiks<br />
eine Kundgebung mit Protestmarsch zum Landeshaus, an dem<br />
auch Bischofsbevollmächtigter Gothart Magaard und für die Kirchenleitung<br />
Annette Pawelitzki teilnahmen.<br />
Am 30. Mai übergaben in Berlin Margret Salzmann, Vorsitzende des<br />
Hebammenverbandes Schleswig-Holstein, und Gothart Magaard die<br />
Unterschriften dem ehemaligen Gesundheits- und jetzigen Wirtschaftsminister<br />
und Vorsitzenden der FDP, Dr. Philipp Rösler, und<br />
machten auf die schwierige Lage der freiberuflichen Hebammen aufmerksam.<br />
Der Minister sicherte zu, dass das Bundesgesundheitsministerium<br />
sich um die wirtschaftliche Situation der Hebammen kümmern<br />
werde. Seitdem wartet man/frau auf Verbesserungen.<br />
Durch die überdimensional gestiegenen Prämien zur Berufshaftpflicht<br />
ist die Versorgung – besonders im ländlichen Raum – durch Hebammen<br />
nicht mehr gesichert. Ein Drittel der freiberuflich geburtshilflich<br />
tätigen Hebammen musste diese Tätigkeit bereits aufgeben,<br />
weil sie von ihrem Einkommen nicht mehr leben können.<br />
Annette von Stritzky
Projekte | Aktionen innovative<br />
Alternativen …<br />
Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash<br />
Die 60 TeilnehmerInnen des Fachtags „Frauensichten auf den<br />
Finanz- und Eurocrash“, (veranstaltet vom Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein,<br />
der Ev. Frauenarbeit Plön-Segeberg und dem Nordelbischen<br />
<strong>Frauenwerk</strong> in der Kieler Landesbibliothek) lauschten fasziniert den<br />
Ausführungen der taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann.<br />
„Der Euro muss gerettet werden“ lautete deren zentrale Aussage.<br />
Überraschend war die positive Sichtweise der taz-Journalistin auf<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel, der der Ernst der Lage bewusst<br />
sei, die aber mit inkompetenten PolitikerInnen in CDU und FDP zu<br />
kämpfen hätte. Die Staatsschulden Griechenlands seien keine unmittelbare<br />
Folge der Finanzkrise (2008) und auch nicht spekulationsbedingt,<br />
sondern ein Konstruktionsfehler des Euro. Nicht bedacht<br />
habe man bei der Euroeinführung, dass es für Länder ökonomisch<br />
sei, sich in anderen Euroländern zu einem Zinssatz zu<br />
verschulden, wenn dieser unterhalb der Inflationsrate des eigenen<br />
Landes liegt. Genau das hat Griechenland gemacht. Es bleibe<br />
den anderen Euroländern und vor allem Deutschland nun nichts anderes<br />
übrig, als zu zahlen. Deutschlands Anteil bezifferte Herrmann<br />
auf 50 Mrd. €. Die Alternative sei ein großer Crash, der die Regierungen<br />
zwinge, das Finanzsystem mit 500 Mrd. Euro zu stützen,<br />
wolle man die Gelder in der privaten Altersvorsorge und in Lebensversicherungen<br />
schützen.<br />
Wichtig sei, dass Deutschland seine Exportüberschüsse herunterfahre<br />
und seine vergleichsweise niedrigen Löhne anhebe. Denn unsere<br />
Überschüsse sind gleichzeitig die Defizite anderer Länder.<br />
Eurobonds, die gemeinsame Staatsanleihe für den Euroraum, seien<br />
ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Währungsgemeinschaft.<br />
Wenn alle gemeinsam haften, sinken die exorbitanten Zinsen für die<br />
hoch verschuldeten Staaten.<br />
Spannend wurde es, als die Theologin Ulrike Sals die biblischrabbinischen<br />
Texte auf ihre Antworten zur Schuldenkrise befragte.<br />
Da war der Pfandschutz, der besagt, dass Arme etwas behalten<br />
sollen und der/die Verzichtende gesegnet wird – vielleicht ein<br />
Hinweis, den von Sparpaketen geplagten GriechInnen einen Teil der<br />
Schulden zu erlassen. Ulrike Sals setzte das Prinzip des Genug ge-<br />
gen die Gier. Sie verdeutlichte dieses u. a. an der Geschichte vom<br />
Manna in der Wüste. Die Pointe besagt, dass es nicht um das Anhäufen<br />
von möglichst viel geht, sondern um Vertrauen, dass genug<br />
für alle da ist.<br />
Interessant war auch das Erlassjahr. Alle 50 Jahre fällt unfreiwillig<br />
verkaufter Besitz an den ursprünglichen Besitzer zurück. So soll völlige<br />
Verarmung verhindert werden und die Erinnerung daran wach<br />
gehalten werden, dass das Land letztlich Gott gehört. Das wäre<br />
doch ein wirksames Steuerungsinstrument zur Veränderung wirtschaftlichen<br />
Verhaltens. Es könnte den Griechen später helfen, die<br />
jetzt verkauften Inseln und Häfen wieder zu bekommen.<br />
Zum Schluss stellte Antje Schneeweiß, bundesweite Fachfrau<br />
für nachhaltiges Geldanlegen, die Möglichkeiten vor, die wir als<br />
BankkundInnen haben. Sie forderte auf, Konten bei Genossenschaftsbanken,<br />
der sozialökologischen GLS-Bank u. a. zu halten.<br />
Wer etwas übrig hat, kann sich direkt an nachhaltig wirtschaftenden<br />
Firmen beteiligen und Geld so gezielt in den ökologischen Umbau<br />
der Wirtschaft lenken. Ethisch orientierte Investmentfonds seien<br />
nach den Ausschlusskriterien, z. B. Atomkraftwerke, oder mit der<br />
Frage, wer im Beirat ist, zu beurteilen.<br />
Die Teilnehmerinnen formulierten zum Schluss Werte, die ihnen<br />
wichtig sind für „Wirklich Wichtige Wertpapiere“: BankerInnen,<br />
ManagerInnen, PolitikerInnen sollen zur Verantwortung gezogen<br />
und in Haftung genommen werden. Sie wollen „aktiv werden in sozialen<br />
Netzwerken, in der Politik sich einschalten, durch Eingaben,<br />
durch LeserInnenbriefe“. Sie forderten eine Wertediskussion über<br />
unbezahlte, schlecht bezahlte soziale Arbeit, zu hoch bezahlte Arbeit<br />
von BankerInnen und Lohndumping Deutschlands gegenüber<br />
andern Ländern sowie ein Grundeinkommen für alle. Schon jetzt<br />
können alle „zu alternativen Banken wechseln und andere dazu ermutigen!<br />
Weitersagen!!“<br />
6<br />
Waltraud Waidelich<br />
„Die Staatsschulden Griechenlands<br />
seien keine unmittelbare Folge der<br />
Finanzkrise (2008) und auch nicht<br />
spekulationsbedingt, sondern<br />
ein Konstruktionsfehler des Euro.“<br />
Waltraud Waidelich<br />
Fotos: Bärbel Rimbach
7<br />
innovative<br />
Leidenschaftlich<br />
Sieben Wochen das Leben vertiefen<br />
Passionszeit-Projekt des Arbeitskreises der<br />
Theologinnen in den Frauenarbeiten – zum Thema<br />
Feministische Ekklesiologie.<br />
Wir saßen zusammen in Hofgeismar, Theologinnen aus der Frauenarbeit<br />
aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands und sprachen<br />
über uns und über die Kirche, in der wir arbeiten. Über uns in dieser<br />
Kirche. Wo sind wir leidenschaftlich dabei – wo verlieren wir uns<br />
in Strukturfragen und immer neuen Ansprüchen und Erwartungen?<br />
Können wir das, was uns theologisch wichtig geworden ist, einbringen<br />
in diese Kirche? Oder nur in die „Nischen“ der Frauenarbeit?<br />
Es wurde ein langes Gespräch. Einmal im Jahr führen wir es<br />
weiter, zusammen mit dem Frauenstudien- und –bildungszentrum<br />
der EKD, vertreten durch Claudia Janssen, und den Evangelischen<br />
Frauen in Deutschland, vertreten durch Katharina Friebe.<br />
„Mir fällt es immer wieder schwer, wenn ich in der Passionszeit in einen<br />
Gottesdienst gehe, und dann merke, wie – besonders in den alten<br />
Liedern – das Verständnis einer Passionstheologie vorherrscht,<br />
in der die alte Sühnopfertheologie immer noch weiter verbreitet<br />
wird. Ich würde so gern, dass wir Passion anders verstehen lernen“,<br />
so eine Teilnehmerin unserer Runde. Passion – das heißt ja nicht<br />
nur Leiden, das heißt auch Leidenschaft. Können wir die Passion<br />
Jesu als Leidenschaft für das Leben verstehen? Und die Passionszeit<br />
als eine Einübung in diese Lebenshaltung? So wurde die<br />
Idee zu einem „Passionsprojekt“ der Frauenarbeiten geboren.<br />
Entstanden ist daraus ein kleines Buch, eine Wegbegleitung durch<br />
die sieben Wochen der Passionszeit: „Leidenschaftlich. Sieben Wochen<br />
das Leben vertiefen“.<br />
Anknüpfend an die alte Tradition der Wochensprüche will es inhaltlich<br />
neue Wege beschreiten. Einsichten der feministischen Theologie<br />
und der neueren Bibelwissenschaft sind die Basis, auf der<br />
die Autorinnen ihre Gedanken und Assoziationen zu Leiden,<br />
Tod, Sterben und Auferstehung formulieren.<br />
Projekte | Aktionen<br />
Wer das Buch für sich Tag für Tag liest, hat ebenso Gewinn, wie die,<br />
die sich nur einzelne Texte vornehmen und sie mit einer Gruppe bedenken.<br />
Das Buch will keine fertigen Richtigkeiten präsentieren,<br />
sondern Anstöße geben zum eigenen Meditieren, Nachsinnen,<br />
Weiterdenken. Präses Nikolaus Schneider schreibt in seinem Geleitwort:<br />
„Die Texte dieses Buches helfen, sprachfähig zu werden.“<br />
Sprachliche, bildliche und musikalische Impulse begleiten auf einer<br />
Entdeckungsreise durch die Passionszeit.<br />
Herausgeberinnen sind Katharina Friebe (EFiD: Evangelische Frauen<br />
in Deutschland e.V.), Prof. Dr. Claudia Janssen (Frauenstudien-<br />
und -bildungszentrum in der EKD / Comenius-Institut), Karin Lindner<br />
(Evangelische Frauen in Württemberg) und Prof. Dr. Silke Heimes<br />
(Institut für Kreatives und Therapeutisches Schreiben), in Zusammenarbeit<br />
mit Annegret Brauch, Gundula Döring, Helene Dommel-<br />
Beneker, Antje Hintze, Barbara Kohlstruck, Magdalena Möbius, Ute<br />
Niethammer, Cornelia Radeke-Engst, Anne Rieck, Andrea Wöllenstein.<br />
Das Buch (160 Seiten, gebunden mit Lesebändchen) erscheint 2012<br />
im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen und kostet € 14,95.<br />
Am 22. Februar 2012 wird es in der Marktkirche Hannover der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt.<br />
Anzeige<br />
Gundula Döring
Projekte | Aktionen<br />
Steht auf für Gerechtigkeit<br />
Weltgebetstag 2012 aus Malaysia<br />
Wir nähern uns dem nächsten Weltgebetstagsland:<br />
Im März 2012 feiern die Frauen aus Malaysia ihren<br />
Gottesdienst mit Menschen überall in der Welt.<br />
Malaysia – das steht für Gegensätze, Kulturen und Religionen,<br />
die nebeneinander leben. So setzt sich die Bevölkerung aus MalayInnen,<br />
Menschen chinesischer Abstammung, Menschen aus indigenen<br />
Völkern, aus InderInnen und anderen zusammen. Rund 60 %<br />
der MalayInnen gehören zum Islam (Staatsreligion). Andere EinwohnerInnen<br />
gehören dem Christentum, Buddhismus, Hinduismus<br />
und traditionellen Religionen an. Malaysia kämpft hart, um sich vom<br />
Schwellenland in einen modernen Staat zu verwandeln.<br />
Der Weltgebetstag (WGT) steht unter dem Motto „Steht auf für Gerechtigkeit“<br />
– eine Aufforderung an uns alle, nicht länger die Augen<br />
vor Ungerechtigkeit zu verschließen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen.<br />
Auf Ungerechtigkeiten weisen die Frauen aus Malaysia<br />
immer wieder in der Gottesdienstordnung hin. So berichten sie von<br />
der Menschenrechtsaktivistin Irene Fernandez, die sich seit<br />
Jahren in ihrer Basisorganisation „Tenaganita“ (Frauenkraft) für<br />
MigrantInnen einsetzt, die als Hausangestellte ausgebeutet werden.<br />
Malaysia ist das größte Zielland für ungelernte MigrantInnen im<br />
südostasiatischen Raum. So wird ungefähr ein Drittel der Arbeitskraft<br />
in Malaysia durch Menschen mit Migrationshintergrund gestellt.<br />
Bis zu einer halben Million Menschen dieser Gruppe arbeiten<br />
als Hausangestellte, oft ohne Verträge, ohne geregelte Arbeitszeiten,<br />
ohne Mindestlohn und ohne soziale Absicherung.<br />
innovative<br />
Viele Hausangestellte arbeiten rund um die Uhr an sieben Tagen in<br />
der Woche und erhalten dafür nur einen geringen Monatslohn. Oft<br />
müssen davon die Schulden beglichen werden, die durch die<br />
Arbeitsvermittlung entstanden sind. Für die Opfer dieser modernen<br />
Form der Sklaverei arbeitet „Tenaganita“. So kämpft die Organisation<br />
beispielsweise für einen freien Tag in der Woche oder bietet<br />
Kurse an, in denen sich die Hausangestellten über ihre Rechte informieren<br />
und austauschen können. Für Irene Fernandez bedeutet<br />
Gerechtigkeit: „Der Schutz der Rechte und der Würde aller Völker.<br />
Denn alle Menschen wurden als Ebenbild Gottes geschaffen.“<br />
Die Menschen- und ArbeitnehmerInnenrechte von Hausangestellten<br />
werden aber nicht nur in Malaysia, Südafrika, Brasilien oder anderen<br />
Ländern oft nicht beachtet, auch bei uns in Deutschland befinden<br />
sich Hausangestellte häufig in schwierigen Situationen. So ist der<br />
Bedarf an Hausangestellten, die pflegerische Tätigkeiten übernehmen,<br />
aufgrund des demografischen Wandels sehr groß. Die Zahl<br />
der nicht gemeldeten Hausangestellten wird auf 4 Mio. geschätzt.<br />
120.000 Frauen aus Osteuropa arbeiten als nicht gemeldete Pflegekräfte<br />
in deutschen Privathaushalten. Aus Unwissenheit unterschreiben<br />
viele von ihnen Knebelverträge, die ihnen von Agenturen<br />
in ihren Heimatländern aufgezwungen wurden. Viele wissen nicht,<br />
dass sie auch legal arbeiten können und welche Rechte ihnen als<br />
Arbeitnehmerinnen zustehen. Falls Sie vorhaben eine Hausangestellte<br />
anzustellen oder dies schon tun und unsicher sind, wie<br />
Sie vorgehen sollen, können Sie sich auf dieser Website informieren:<br />
www.faircare-diakonie.de<br />
Seit vielen Jahren schon unterstützt die Projektförderung des Deutschen<br />
WGT-Komitees Anträge, die die Rechte von Hausangestellten<br />
fördern und unterstützen. Mit dem Thema „Steht auf für Gerechtigkeit“<br />
stellt der WGT 2012 das Empowerment (Stärkung) von<br />
Hausangestellten weltweit in den Mittelpunkt. Neben Projekten<br />
in Peru, Paraguay, Hong Kong und Mali, fördert der WGT ab 2012<br />
auch „Tenaganita“, die mit einer landesweiten Kampagne das gesellschaftliche<br />
Bewusstsein fördern wollen.<br />
8<br />
Julia Lersch<br />
Fotos: Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e. V.
Foto: Isabell Chowaniec<br />
9<br />
innovative<br />
Vertrauen wächst durch den Dialog<br />
Das transkulturelle und interreligiöse Lernhaus der Frauen<br />
Stimmen und Lachen schwirren durch den Raum. P. hat anlässlich<br />
des Ramadanendes eingeladen und für uns gekocht. Auch alle anderen<br />
haben etwas zum Buffet beigesteuert. Neben Couscous und<br />
orientalischen Süßigkeiten finden sich Obstquark und Brezeln. Die<br />
Tischgespräche kreisen um Persönliches und um politische Themen,<br />
Vertrautheit und Respekt im Miteinander sind zu spüren.<br />
Dies ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis einer längeren<br />
Entwicklung.<br />
Vierzehn Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln haben<br />
im März 2011 einen spannenden und intensiven Lernprozess<br />
miteinander begonnen. Ein Jahr lang nehmen sie an der Fortbildung<br />
„Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen“<br />
teil. Unterschiede bewusst wahrzunehmen, sie zu respektieren und<br />
konstruktiv damit umzugehen steht im Mittelpunkt des Lernhausprogramms.<br />
Es bedeutet, sich miteinander auf einen Weg zu machen,<br />
auch Hindernissen nicht aus dem Weg zu gehen und sich auf<br />
Unterschiedlichkeit, die keineswegs nur im Kulturellen deutlich wird,<br />
einzulassen. Das Erlernen von Methoden und Grundwissen über<br />
andere Religionen und Kulturen unterstützen diesen Prozess. Die<br />
Teilnehmerinnen entscheiden selbst, welche Schwerpunkte sie setzen<br />
möchten, Partizipation ist ein Grundgedanke des Lernhauses.<br />
Wie wir aus Kommunikationsstrukturen herauskommen können,<br />
in denen es hauptsächlich darum geht, wer sich mit seiner Meinung<br />
durchsetzt und wie wir stattdessen in einen echten Dialog<br />
miteinander eintreten können, war Thema des ersten Seminars.<br />
Die Dialogidee lehnt sich an den jüdischen Religionsphilosophen<br />
Martin Buber an. Für ihn findet Dialog dort statt, wo sich Menschen<br />
einander mit ihrem ganzen Wesen „wahrhaftig“ zuwenden. Respekt,<br />
empathisches Zuhören, erkundendes Fragen sind daher wichtige<br />
Dialogregeln. Dinge, die selbstverständlich scheinen und doch im<br />
Alltag oft schwer umzusetzen sind. Mit Übungen konnte die Gruppe<br />
ihre Sensibilität schärfen.<br />
Projekte | Aktionen<br />
Gut ergänzt wurde das Dialogtraining durch ein Seminar zur Biographiearbeit.<br />
Das Erzählen von eigenen Erfahrungen in einem geschützten<br />
Raum schafft Vertrauen. Gemeinsamkeiten können entdeckt<br />
werden, die z. B. eine Frau, die in Albanien aufgewachsen ist,<br />
mit einer Frau, die in Deutschland lebt, verbindet. Unterschiede, die<br />
zunächst befremdlich erscheinen, können wertgeschätzt werden.<br />
Höhepunkt war ein „Museum der Erinnerungen“, in dem jede Frau<br />
einen Gegenstand mitbrachte und ihre Geschichte dazu erzählte.<br />
Aus der Biographiearbeit entwickelte die Gruppe das Thema „Werte“<br />
und beschloss, einen Vertreter der Stiftung Weltethos einzuladen.<br />
Die Frage, welche Werte das Zusammenleben in unserer Gesellschaft<br />
bestimmen sollen und wie interkulturell das sein kann, ist<br />
hochaktuell. Das Projekt Weltethos will eine mögliche Antwort darauf<br />
geben, indem es ein Bewusstsein für ein allen Kulturen und<br />
Religionen gemeinsames Ethos als einem kleinsten gemeinsamen<br />
Nenner schaffen möchte. Dieser besteht in der „Goldenen<br />
Regel“: „Behandle andere Menschen so, wie du selbst behandelt<br />
werden möchtest.“ Sie setzt beim einzelnen Menschen an und überzeugt<br />
durch ihre Einfachheit und Universalität. Sie kann in vielen Praxisfeldern<br />
angewandt werden, in Schulen ebenso wie in der globalen<br />
Wirtschaft, in der Familie wie in der Debatte um Organspenden.<br />
Weitere Themen, mit denen sich die Gruppe noch auseinandersetzen<br />
möchte, sind Konzepte von Sterben und Tod sowie von Krankheit<br />
und Gesundheit in unterschiedlichen Kulturen. Am Schluss der<br />
Fortbildung wird ein öffentlicher Workshop am 28. Januar 2012 stehen,<br />
den die Gruppe gemeinsam gestalten wird, um die Früchte ihrer<br />
Arbeit zu präsentieren. Für die Teilnehmerinnen steht jetzt schon<br />
fest, dass das Lernhaus ein großer Gewinn für sie ist und ihnen viele<br />
Anregungen für die berufliche Praxis und für das eigene Leben mitgibt.<br />
Wir laden bereits jetzt herzlich zum Abschlussworkshop ein.<br />
Wenn Sie Interesse haben, ein solches Projekt an Ihrem Ort aufzubauen,<br />
sprechen Sie mich an, 040 - 306 20 1360.<br />
Irene Pabst<br />
„Am Schluss der Fortbildung wird ein<br />
öffentlicher Workshop am 28. Januar 2012<br />
stehen, den die Gruppe gemeinsam<br />
gestalten wird, um die Früchte ihrer Arbeit<br />
zu präsentieren.“ Irene Pabst
Projekte | Aktionen<br />
Von der Konsum- zur Care-Gesellschaft<br />
Frauen in der Debatte um die Postwachstumsökonomie<br />
„Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König“ stimmte<br />
der ältere Herr mit brüchiger Stimme an und dirigierte die TeilnehmerInnen<br />
des Zukunftscafes des Kieler Attac-Kongresses „Eine andere<br />
Welt ist nötig! Wie wollen wir leben?“. Auch das Nordelbische<br />
<strong>Frauenwerk</strong> war am Kongress beteiligt. Die Situation war an Skurrilität<br />
nicht zu übertreffen. Anderthalb Tage hatten die BesucherInnen<br />
des Alternativkongresses zum Global Economic Symposium<br />
in Kiel über Alternativen zur Wachstumsökonomie und die Grenzen<br />
des Kapitalismus diskutiert. Nun saßen sie an den Tischen im abschließenden<br />
Zukunftscafe und sangen im Kanon: „Froh zu sein bedarf<br />
es wenig“.<br />
Die Ansätze der so genannten Postwachstumsökonomie kreisen<br />
um die Frage, wie viel Wachstum unsere Erde noch verträgt. Die<br />
Umschlagshäufigkeit unseres Konsums muss sich radikal verringern,<br />
damit unsere Nachfahren auf diesem Planeten überleben, insofern<br />
wäre „froh zu sein mit wenig“ ein gutes Konzept. Unsere natürlichen<br />
Ressourcen schwinden. Was kommt danach? Die Diskussionen<br />
kreisen um zwei Lösungswege. Darum, ob wir unseren<br />
Verbrauch und Konsum radikal herunterfahren müssen, um die<br />
Erde zu retten = Suffizienzstrategie. Oder, ob es technisch möglich<br />
ist, durch intelligente nachhaltige Produktionsweise, Wärmedämmung,<br />
Windkraft, Solarenergie weniger zerstörerisch zu wirtschaften<br />
und damit neue Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen = Effizienzstrategie.<br />
Es besteht eine gewisse Gefahr, in der aktuellen politischen Debatte<br />
über den Ausweg aus der ökologischen Krise, schizophren zu werden.<br />
Wir prangern immer wieder die zunehmende Verteilungsungerechtigkeit<br />
an und fordern mehr Teilhabe von Frauen, wie ich<br />
das auch in Vorträgen über „Armut von Frauen“ tue. Mehr Geld für<br />
niedrigere Einkommensschichten bedeutet aber auch, dass diese<br />
erfahrungsgemäß jeden zusätzlichen Euro in den die Umwelt<br />
schädigenden Alltagskonsum ausgeben. Hat nicht Ulrike Sals in<br />
ihrem Vortrag bei „Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash“<br />
theologisch gegen die Gier des Finanzkapitals argumentiert:<br />
„Genug ist mehr als alles!“ und lag damit auf der Linie von „Froh zu<br />
„Sind die am meisten von Armut betroffenen Frauen<br />
die Pionierinnen einer neuen Zeit, in der es darauf<br />
ankommt, wegen des CO2 -Verbrauchs möglichst wenig<br />
zu shoppen, zu reisen und Auto zu fahren?“ Waltraud Waidelich<br />
innovative<br />
10<br />
sein bedarf es wenig“? Sind die am meisten von Armut betroffenen<br />
Frauen die Pionierinnen einer neuen Zeit, in der es darauf ankommt,<br />
wegen des CO 2 -Verbrauchs möglichst wenig zu shoppen, zu reisen<br />
und Auto zu fahren? Was fordern wir für Frauen vor dem Hintergrund<br />
des Klimawandels und der schwindenden Ressourcen, wenn wir<br />
über Teilhabe, Ausgrenzung und Armut sprechen?<br />
Interessant aus Frauensichten wird es, wenn in den Debatten<br />
über Postwachstum auch immer wieder die Dienstleistungsökonomie<br />
als mögliches Erwerbsarbeitsreservoir der Zukunft ins<br />
Spiel gebracht wird. Es leuchtet ein, denn Dienstleistungen am<br />
Menschen, Sorge und Pflege, verbrauchen weniger Ressourcen als<br />
industrielle Produktion. Es ist erfreulich, dass sich in jüngster Zeit<br />
feministische Ökonominnen und Sozialwissenschaftlerinnen verstärkt<br />
der Frage der Bedeutung der „Care-Ökonomie“ zuwenden.<br />
Genannt sei bespielsweise „Gender and Economics“ (Hg. von<br />
Christine Bauhardt und Gülay Calgar). Auch das Gunda-Werner-<br />
Institut diskutierte die Bedeutung von „Care“ intensiv im März 2010.<br />
Das Argumentheft 292 (Hg.: Frigga Haug, Sabine Plonz u.a.) steht<br />
unter der Überschrift „Care - eine feministische Kritik der politischen<br />
Ökonomie?“<br />
Die Armut von Frauen liegt darin begründet, dass ein Großteil<br />
dieser Arbeit unsichtbar ist, dass Frauen Teilzeit arbeiten, im sozialen<br />
und Dienstleistungssektor schlechter bezahlt wird und<br />
das Steuersystem die hohen Einkommen und Vollzeiterwerb begünstigt.<br />
Welche Rollen „Care“ und soziale Dienstleistungen in der<br />
gegenwärtig diskutierten ökologischen Zeitenwende zugedacht<br />
werden, wie die feministischen Positionen dazu sich unterscheiden<br />
und welche Ziele mit welcher politischen Anschlussfähigkeit verfolgt<br />
werden, sollte betroffene Frauen „kümmern“ und „besorgen“,<br />
damit sie auch nach den Verteilungskämpfen um Ressourcen in<br />
Zukunft genug haben werden, um „froh sein“ zu können.<br />
Waltraud Waidelich
Fotos: Photocompany, Sabine Thomas<br />
11 innovative<br />
Projekte | Aktionen<br />
Lebenslust – Leibeslust<br />
Ernährungsbildung und Prävention von Essstörungen im Ev. Kurzentrum GODE TIED<br />
Lecker, abwechslungsreich und hochwertig – die Mütter und ihre<br />
Kinder, die bei uns eine Mutter-Kind-Kur verbringen, können zwischen<br />
vegetarischer Küche und Gerichten mit Fisch oder Fleisch<br />
wählen. Dazu kommen Besonderheiten aufgrund von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.<br />
Allergien, Neurodermitis und weitere Erkrankungen<br />
erfordern eine spezielle Ernährung. Das Ganze fürs Auge<br />
schön zubereitet können die Mütter entspannt morgens und mittags<br />
ohne ihre Kinder essen. Viele gute Gespräche kommen zwischen<br />
den Müttern an den Tischen zustande. Gemeinsamkeiten werden<br />
entdeckt, aber auch Sorgen besprochen Die Gespräche werden zu<br />
einem wichtigen Bestandteil des Genesungsprozesses. Die Kinder<br />
werden in dieser Zeit in unserem Kinder- und Jugendland betreut.<br />
Ein motiviertes Küchenteam unter der Leitung von Sönke Christian,<br />
gleichzeitig Hygienebeauftragter, sorgt dafür (auch abends und am<br />
Wochenende), dass Mütter und Kinder eine hochwertige Verpflegung<br />
erhalten. Die Zufriedenheit unserer Gäste ist hoch. „Nun<br />
kann ich mich mal verwöhnen lassen. Das trägt auf alle Fälle zu einer<br />
guten Zeit in Ihrem Hause bei“, so die Rückmeldung einer Patientin.<br />
Nachmittags, bevor die Kinder zu ihren Müttern zurückkehren,<br />
wird die Freizeit mit den Kindern bis zum Abendbrot eingeläutet. Im<br />
Wechsel gibt es dann Obst und Kuchenvariationen, natürlich selbst<br />
gebacken. Das besondere Highlight ist die „GODE TIED-Welle“, eine<br />
Pfirsich-Variante der Donau-Welle.<br />
Seit Dezember 2010 nehmen wir an dem von der Techniker Krankenkasse<br />
geförderten Präventionsprogramm „Lebenslust – Leibeslust!“<br />
teil. Zusammen mit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung<br />
in Schleswig-Holstein e. V. und einer Ernährungsexpertin,<br />
Astrid Francke, führen wir seitdem Mütter in ein Angebots- und Entscheidungsmodell<br />
ein, das die Esssituationen zwischen Eltern und<br />
Kindern entspannt. Diese Schulung mit praktischen Anregungen<br />
stoßen auf große Resonanz. Die Mütter bieten an, WAS gegessen<br />
werden kann, WANN gegessen werden kann und WIE gegessen<br />
wird. Die Kinder dürfen entscheiden, OB sie etwas essen, WAS sie<br />
essen und WIEVIEL sie essen. Wir geben den Müttern Tipps für die<br />
Umsetzung und zeigen gesunde Ernährung und Ernährungsverhal-<br />
ten. Bereits nach den ersten Durchläufen des Programms waren<br />
deutliche Erfolge festzustellen:<br />
l Ruhigere Esssituationen, Essen wird nicht vorenthalten<br />
oder aufgenötigt,<br />
l Kinder und Jugendliche trauen sich an neue Lebensmittel heran,<br />
l der Stuhlgang der kleineren Kinder normalisiert sich<br />
(weniger Verstopfungen),<br />
l entspannter Umgang mit dem Programm.<br />
Darüber hinaus bieten wir für übergewichtige Frauen ein Ampelmodell<br />
für Lebensmittel an. Nach „rot-gelb-grün“ werden verschiedene<br />
Nahrungsangebote markiert und mit entsprechenden<br />
Fettpunkten ausgewiesen. Das schult das Bewusstsein für den Umgang<br />
mit Lebensmitteln. Kombiniert mit Anleitungen zu mehr Bewegung,<br />
beispielsweise dem Gelenk schonenden Nordic-Walking<br />
oder ab 2012 mit ZUMBA-Fitness, setzen wir so Impulse für eigenverantwortliches,<br />
kindgereichtes und ungezwungenes Essverhalten<br />
und ein neues Wohlbefinden – auch im Alltag.<br />
Gegen Burnout<br />
Andrea Boyer<br />
GODE TIED bietet vor Beginn der Kursaison vom 20. - 23. Februar<br />
bzw. 2. - 5. März 2012 Prävention von Burnout an: „Innehalten<br />
am Meer – für mehr Zufriedenheit und Klarheit im<br />
Beruf und Alltag“. Entspannung und Seminararbeit dienen<br />
dazu, Ressourcen wieder aufzubauen und sich neu auszurichten.<br />
Das Angebot richtet sich an kirchliche Verantwortliche<br />
und MitarbeiterInnen. Die TeilnehmerInnen werden von<br />
erfahrenen Personalberaterinnen angeleitet.<br />
Kosten: 850 € (EZ, VP). Kinderbetreuung auf Anfrage.<br />
Infos: Ev. Kurzentrum GODE TIED, Königsberger Str. 12 - 16,<br />
<strong>25</strong>761 Büsum, 04834 – 95 090, godetied@ne-fw.de,<br />
www.godetied.com.<br />
GODE TIED genießen<br />
Von März bis November können Sie in GODE TIED auftanken:<br />
7 Übernachtungen, VP, Sauna, Schwimmbad, Massage, Wärmebehandlung,<br />
Sport- und Kreativangebote. Bei Bedarf Kinderbetreuung.<br />
Ab 350 € p. P. Mehr unter 04834 – 95 090.
Foto: Marascha Daniela Heisig<br />
Projekte | Aktionen<br />
Lebensübergänge begleiten<br />
Rituale in der Natur<br />
Rituale zielen auf Wandlung – oft unterstützen sie uns in Schwellensituationen<br />
und eröffnen Zugänge zu spirituellen Räumen.<br />
Ein Ritual ist eine symbolische Handlung, ein Moment des Innehaltens,<br />
um bewusster wahrzunehmen, was in uns und außerhalb<br />
ist. „Indem wir das, was wir fühlen und wahrnehmen oder herausgefunden<br />
haben in die Mitte bringen, kann es sich verwandeln, wir<br />
können berührt werden, es kann etwas geschehen, das uns im<br />
Tiefsten anrührt und verändert.“ Diese Worte für ein Ritual entstanden<br />
nach der Langzeitfortbildung „Feministische Spiritualität und<br />
Ritualgestaltung“ des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s.<br />
Bei der Visionssuche begegnen uns Rituale in der Natur. Die Natur<br />
im Ritual als Spiegel des eigenen Inneren und des Göttlichen<br />
wahrzunehmen, kann heilende und inspirierende Wirkung haben.<br />
Seit Beginn der Menschheitsgeschichte sind Rituale eine wirksame<br />
Orientierungshilfe, um individuelle und soziale Wirklichkeiten<br />
zu gestalten. Sie werden von allen Altersgruppen durchgeführt oder<br />
neu erfunden, um Kontinuität und Gemeinsamkeit zu fördern (z. B.<br />
Familienfeste), Schutz und Kraft zu geben (z. B. das abendliche Vorlesen<br />
oder Beten), einschneidende Lebensereignisse zu bewältigen.<br />
Die christliche Tradition hat seit jeher eine ihrer großen Stärken<br />
in der Begleitung von Lebensübergängen: Taufe, Konfirmation,<br />
Trauung, Bestattung aber auch Gottesdienste zur Einschulung, anlässlich<br />
einer Scheidung oder eines großen Unglücks. Rituale dienen<br />
dazu, Verbindungen zu erneuern, zu lösen, zu bekräftigen, in<br />
Kontakt zu bleiben, sich von Vergangenem zu lösen, abzugeben<br />
oder Neues ins Leben zu rufen.<br />
In Zeiten der Unsicherheit und in Lebenskrisen bieten Übergangsrituale<br />
Hilfe zur Bewältigung und erleichtern die Weiterentwicklung.<br />
In allen Kulturen zu allen Zeiten suchten Menschen in der<br />
Begegnung mit der Natur nach Klärung ihrer Herzensthemen. Da ihr<br />
Leben eng mit dem Rhythmus der Natur verknüpft war, wussten sie<br />
um ihre heilsame und wegweisende Kraft. Menschen verbrachten<br />
jenseits gewohnter Pfade eine Zeit allein und fanden Antworten für<br />
ihren Weg.<br />
Übergänge gehören zu unserem Leben. Sie sind schleichend oder<br />
werden durch einschneidende Ereignisse ausgelöst. Je bewusster<br />
eine alte Lebensphase durchlebt und „Krisen“ als Teil des natürlichen<br />
Kreislaufes des Lebens gesehen werden, desto weniger<br />
„krisenhaft“ können Krisen verlaufen. Übergänge sind das Hineinwachsen<br />
in eine neue Rolle, zunächst mit dünner Haut, wobei die<br />
alte Rolle wie bei einem Schmetterling, der aus dem Kokon schlüpft,<br />
abgeworfen wird. Im Mittelpunkt aller Übergangsrituale steht die<br />
Absicht, Veränderungen anzunehmen, den Übergang zu gestalten<br />
und die Wandlung selbst in einem größeren Sinnzusammenhang zu<br />
spüren. Wenn Rituale fehlen, fehlt etwas.<br />
In der Begleitung von Menschen mit Ritualen in der Natur ist berührend,<br />
wie tief sich die Natur mit unserer Seele verbindet. Die Natur ist<br />
nicht Hintergrundkulisse, sondern spiritueller Raum, dessen Botschaften<br />
„herausgelauscht“ werden können. Man / frau nimmt sich<br />
Zeit für das, was besonders berührt oder auch ängstigt. Was wird<br />
mir auf symbolischer Ebene gezeigt? Warum schaut mein Auge auf<br />
diesen Stein? Was will er mir sagen? Wie erkenne ich mein Herzensanliegen<br />
darin? Ein Ritual könnte so aussehen: Ich möchte mich von<br />
einem nahe stehenden Menschen trennen. Dies bringe ich in einem<br />
Gebet oder in anderer Form zum Ausdruck. Ich habe z. B. einen<br />
Abschiedsbrief geschrieben, den ich verbrenne oder zerbreche einen<br />
Stock, um meinem Wunsch nach Veränderung Ausdruck zu<br />
verleihen. In einem letzten Schritt wird das Neue, in das ich nun<br />
eingetreten bin, mit einem Satz, einem Lied, einem Segen begrüßt.<br />
Es braucht keine besondere Anweisung oder Vorbereitung,<br />
um ein Ritual durchzuführen. Viele Rituale ergeben sich spontan, individuell<br />
und sind einfach strukturiert. Meist folgen sie einer dreiteiligen<br />
Struktur: 1. Würdigung und Verabschieden vom Alten; 2. bewusstes<br />
Eintreten in einen „Raum des Nichtswissens“, in dem die<br />
Veränderung geschieht oder initiiert wird und 3. Begrüßung des<br />
Neuen, Integration in den Alltag.<br />
Die Kraft des Spiegelns:<br />
Natur am Küstrinsee als<br />
spiritueller Erfahrungsraum<br />
11. - 13. Mai 2012<br />
<strong>25</strong>0 € (DZ, VP)<br />
JETZT ___ ist die Zeit:<br />
Visionssuche am Küstrinsee<br />
24. Juli - 3. August 2012<br />
850 € (DZ, VP)<br />
Weitere Infos<br />
Julia Lersch, 0431 – 55 779 101<br />
innovative<br />
12<br />
Dr. Marascha Daniela Heisig<br />
Julia Lersch<br />
Sibylla Hrosch
13<br />
innovative<br />
Made In? – Made By?<br />
Auf den Spuren unserer Kleidung<br />
„Der Konsument entscheidet, was produziert wird“, las ich in einer<br />
Beilage der Wirtschaftswoche. Wenn dem wirklich so wäre, könnte<br />
kein/e KonsumentIn mehr mit ruhigem Gewissen ihre Kleidung<br />
auf der Haut tragen. Die Ausstellung MADE IN? MADE BY?, die im<br />
Mai 2011 im Foyer des Dorothee-Sölle-Hauses von der Filmemacherin<br />
Inge Altemeier mit der Dokumentation „Schick aber schädlich“ eröffnet<br />
wurde, klärte über den Entstehungsprozess unserer Kleidung<br />
auf. In Begleitveranstaltungen wurden die kritischen Aspekte der<br />
Bekleidungsherstellung beleuchtet.<br />
Der wichtigste Rohstoff ist die Baumwolle. Da, wo sie noch mit Hand<br />
gepflückt wird, z. B. in Usbekistan, geschieht dies häufig durch Kinder.<br />
Baumwolle wird bis zu <strong>25</strong>mal im Jahr mit giftigen Pestiziden<br />
gespritzt, die schlimmste Gesundheitsschäden verursachen.<br />
Ca. 20.000 Menschen sterben jährlich weltweit durch Spritzmittel.<br />
Problematisch ist vor allem das Färben und Bleichen. Bei der<br />
Herstellung von Stoffen werden bis zu 8.000 Chemikalien, z. B.<br />
Formaldehyd, organische Halogenverbindungen und giftige Schwermetalle<br />
sowie rund 4.000 Farbstoffe eingesetzt. Viele dieser Stoffe<br />
stammen aus Europa, dürfen hier aber nicht angewendet werden! In<br />
den Textilzentren Indiens und anderer Länder verunreinigen sie<br />
Flüsse und gefährden das Ökosystem. Die Giftstoffe kommen in den<br />
importierten Textilien wieder zu uns zurück. Dr. Erika Schmedt<br />
vom Hamburger Amt für Verbraucherschutz rechnete zu diesem Teil<br />
der Ausstellung vor, dass der rechtlichen Vorgabe zufolge nur 0,5 Proben<br />
auf Bedarfsgegenstände pro 1.000 EinwohnerInnen gemacht<br />
werden müssen – nur ein Drittel davon betrifft Textilien und Spielzeug.<br />
Man sucht nach Azofarbstoffen, die Krebs erregend sind, nach<br />
Chromverbindungen in<br />
Leder, die Kontaktallergien<br />
verursachen können. „Knitterarm“,<br />
„bügelfrei“ und<br />
„pflegeleicht“ signalisiert,<br />
dass die Stoffe mit Hilfsmitteln<br />
wie Formaldehydharzen<br />
ausgestattet wur-<br />
Projekte | Aktionen<br />
den. Deshalb empfiehlt es sich, die Kleidung vor dem Tragen mehrmals<br />
zu waschen oder noch besser, Second-Hand-Kleidung zu tragen.<br />
Über den Arbeitsschritt der Konfektion in Billiglohnländern wie<br />
Bangladesch, führte die Ausstellung die Betrachterin in die Filialen<br />
des deutschen Discountereinzelhandels und endete mit Hinweisen<br />
fairen Konsums. Verdi stellte seine Homepage „Handeln-ausgezeichnet.de“<br />
vor, wo Verbraucherinnen sich über faire und unfaire<br />
Arbeit im Hamburger Einzelhandel informieren können. Bei vielen<br />
Firmen bewegt sich etwas, dies zeigte auch der Diskussionsabend<br />
mit Tchibo. Die Clean Clothes Campaign (CCC) im Jahr 2005<br />
hat Früchte getragen! Doch ob die Näherin in Bangladesch persönlich<br />
davon profitiert, blieb unklar. Seit einiger Zeit gibt es das Global<br />
Organic Textile Standard GOTS-Label, das ökologische Nachhaltigkeit<br />
und soziale Fairness in der Produktion in der gesamten Textilkette<br />
garantieren will. Es ist zu finden u.a. bei „Grüne Erde“ oder „Marlowe<br />
Nature“ oder „Hess Natur“. Junge Marken wie „Privatsachen“, „fairliebt.de“,<br />
„fairtragen.de“ oder Marken die von der Agentur Linda Mohrmann<br />
vertreten werden, machen Hoffnung. Die Liste der Firmen, die<br />
Mitglied bei der von der CCC empfohlenen „Fair Wear Foundation“<br />
sind, wird immer länger.<br />
Es sind nicht allein die KonsumentInnen die entscheiden, was produziert<br />
wird. Sie sind Teil eines Systems struktureller Gewalt, dass<br />
es aufzubrechen gilt und zwar nicht durch Konsum, sondern<br />
durch politische Maßnahmen. Strategischer Konsum kann nur ein<br />
Hilfsmittel sein. In seinem Abschlussvortrag legte der Kieler Philosoph<br />
Hilmar Schmiedl-Neuburg dar, dass Staaten für Gerechtigkeit sorgen<br />
müssen und nicht die KonsumentInnen.<br />
Die Ausstellung Made IN? MADE BY? wurde vom Bremer Informationszentrum<br />
für Menschenrechte und Entwicklung anlässlich<br />
des Kirchentages konzipiert. Infos dazu gibt es im Internet unter<br />
made-in-made-by/info. Träger der Ausstellung in Hamburg waren:<br />
PAN-Pestizid Aktionsnetzwerk, Gewerkschaft Verdi, Verbraucherzentrale<br />
Hamburg, CCC-Gruppe Hamburg und das Nordelbische<br />
<strong>Frauenwerk</strong>.<br />
Waltraud Waidelich
Projekte | Aktionen<br />
Verabschiedung von Gundula Döring<br />
Gundula Döring wurde am 30. September aus dem<br />
Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong> verabschiedet. Sie hat seit<br />
September eine Projektpfarrstelle für Erwachsenenarbeit<br />
in der Region Alstertal, Kirchenkreis Hamburg-Ost.<br />
Danke<br />
Gundula Döring war acht Jahre stellvertretende Leiterin und theologische<br />
Referentin im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>, davor vier<br />
Jahre im Frauenreferat. Ihre Arbeit stand für Kontinuität der nordelbischen<br />
Frauenbewegung. Gleichzeitig verbinden sich mit ihr viele<br />
Neuaufbrüche, so z. B. mit dem Erfolgsprojekt „Fernstudium Feministische<br />
Theologie“ und der Arbeit mit der Bibel in gerechter Sprache.<br />
Mit ihrer Sorgfalt, ihrer sensiblen Sprache und dem Ringen darum,<br />
Theologie und Spiritualität zusammen zu denken und zu leben hat sie<br />
das Referat neu geprägt. Dafür sagen wir von Herzen Dank.<br />
Kerstin Möller<br />
Abschieds-Predigt in Auszügen<br />
Kostbar – die Zeit! Das könnte so etwas wie eine Überschrift sein<br />
über die Jahre, die ich im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong> tätig war.<br />
Aber diese Worte sind noch etwas anderes: Sie sind zugleich das<br />
erste und das letzte Wort der Jahresthemen, die wir in diesen Jahren<br />
miteinander in der Frauenarbeit entwickelt haben. „Kostbar der Herzschlag<br />
jeder Minute“ (aus einer Gedichtzeile von Rose Ausländer) …<br />
Jetzt __ ist die Zeit. Das wird das neue Jahresthema ab 2012 sein.<br />
Kostbar – dieses Wort klingt, wie das was es beschreibt. Man muss<br />
es deutlich aussprechen. Man kann es nicht „nuscheln“. Es will deutlich<br />
hörbar sein. Hörbar. Spürbar. So ist es mit dem Kosten. Denn<br />
kostbar ist, was etwas kostet. Und kostbar will „gekostet“ werden.<br />
Der „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ will ausgebildet werden.<br />
Daran mitzuwirken war und ist auch noch meine Aufgabe. In den<br />
Jahresthemen der Frauenarbeit haben wir dem nachgespürt, was<br />
wichtig für uns war …<br />
Für mich waren das immer sehr spannende Prozesse, durch die wir<br />
gegangen sind, wenn wir gemeinsam nach Jahresthemen gesucht<br />
haben, von welchen Worten wir uns leiten lassen wollen. Oder sollte<br />
ich besser sagen: wovon wir uns infrage stellen lassen wollen. Denn<br />
innovative<br />
14<br />
religiöses Verstehen entwickelt sich nicht von Antwort zu Antwort,<br />
sondern von Frage zu Frage. Dieses Suchen und Ringen nach<br />
Worten ist und war vielleicht sogar wichtiger als das Ergebnis<br />
der prägnanten Formulierung eines Jahresthemas.<br />
Wovon lebe ich und wofür lebe ich? Was brauche ich wirklich? Wofür<br />
werde ich gebraucht? Was ist unbrauchbar geworden durch<br />
Abnutzung oder dadurch, dass es nicht gebraucht wurde. Wenn wir<br />
uns also mit diesen Fragen auf den Weg machen, dann bringen wir<br />
unseren „ganz normalen Lebenssumpf“ (so hat es eine Frau neulich<br />
ausgedrückt) in Berührung mit einer Gedichtzeile, einem Bibelvers,<br />
einem wortlosen Innehalten. Und in dieser Berührung entsteht<br />
neuer Raum. Kann neuer Raum entstehen. …<br />
Viele von euch haben sich in den letzten 30 Jahren diese Suche etwas<br />
kosten lassen. Der Aufbruch der Feministischen Theologie war der<br />
Aufbruch aus einem erlernten Antwortenschema in neue Fragen<br />
hinein. Und Antworten müssen nicht vorgegeben, sondern gefunden<br />
werden. Darin sind sich viele der Aufbruchsbewegungen des ausgehenden<br />
20. Jahrhunderts einig. Thomas Merton, der amerikanische<br />
Trappistenmönch, schrieb 1967: Unsere Antwort wird nicht abhängen<br />
von schnellem Aufgreifen und Nachsprechen der jüngsten Antworten,<br />
der allerneuesten Erklärungen, sondern von unserer Fähigkeit, uns<br />
selbst und unsere Zeit als außerordentlich schwierig anzunehmen. Sie<br />
wird abhängig sein von unserer Offenheit für die Zukunft, für das<br />
Unvorhersagbare, für das, was uns aus der Fassung bringt. …<br />
In vielen Seminaren und „Oasen“ des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s<br />
haben wir das miteinander getan. Und wir haben miteinander die<br />
Erfahrung gemacht: Es geht um etwas Kostbares. Und es kostet:<br />
Nicht nur Geld. Sondern auch Bequemlichkeit, Sicherheit und manchmal<br />
auch vertraute Bindungen. Die Bibel erzählt davon. Zum Beispiel<br />
so: Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute<br />
Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und<br />
verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. …<br />
Gundula Döring<br />
Die Predigt in voller Länge können Sie bei uns bekommen,<br />
0431 – 55 779 112 oder unter www.ne-fw.de.<br />
Fotos: Bärbel Rimbach, Ida Wegener
15<br />
innovative<br />
Projekte | Aktionen<br />
10 Jahre trotz allem<br />
Gottesdienste für Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben und für Unterstützerinnen<br />
„Nein! Zu Gewalt an Frauen“ – das ist das Motto des <strong>25</strong>. November,<br />
dem Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen; Anlass vor<br />
10 Jahren für uns zu einem ersten „trotz allem–Gottesdienst“ einzuladen,<br />
den wir mit einer Gruppe von Frauen gestalteten.<br />
Probleme mit dem Vatergott<br />
Viele Frauen, die sexualisierte Gewalt, häufig vom eigenen Vater, erlebt<br />
haben, können mit Kirche und einem Vatergott nichts mehr anfangen,<br />
sind traumatisiert und können Gebete wie das Vaterunser<br />
nicht sprechen. So war es von Anfang an eine große Aufgabe, den<br />
Gottesdienst sensibel zu gestalten und den Frauen Raum zu geben,<br />
für sich selbst zu sorgen und Teile nicht mitzumachen. Beim ersten<br />
Gottesdienst hatten wir selbst noch großes Herzklopfen: Wie nehmen<br />
die Frauen den Gottesdienst an, können wir das Vaterunser so<br />
einleiten, dass alle es sprechen können?<br />
Schreckens- und Hoffnungsgeschichten<br />
Die Geschichten von der blutflüssigen Frau, Tamar, der gekrümmten<br />
Frau oder das Märchen von Allerleirauh wurden mit pantomimischen<br />
Szenen und Schattenspiel von Gewalterfahrungen zu Hoffnungsgeschichten.<br />
Der Ausblick in die Zukunft, in ein hoffnungsvolles Leben,<br />
ist uns immer ein großes Anliegen. In diesem Jahr ging es um<br />
das „Mädchen ohne Hände“, das nach jahrelanger Gewalterfahrung<br />
langsam wieder in ihre Kraft und in ihr eigenes Leben kommt. Eine<br />
wichtige Rolle spielen in den Gottesdiensten die Texte von Carola<br />
Moosbach, die 2000 den Gottespoetinnenpreis erhielt und viele<br />
Gedichte und Gebete auf dem Hintergrund eigener Gewalterfahrung<br />
und dem Ringen mit dem eigenen Glauben und Gottesbild geschrieben<br />
hat. Mit ihrer deutlichen Sprache spricht sie vielen aus der<br />
Seele. Im Gottesdienst ist auch Raum für eigene Klage und dafür,<br />
sich etwas Gutes zu tun.<br />
Kirche als Raum<br />
Vor 10 Jahren war das Thema noch erheblich stärker tabuisiert, erst<br />
recht in der Kirche. Wichtig war uns daher, gerade in der Kirche einen<br />
Raum zu bieten, um auszusprechen, was geschehen ist. Damit Frauen,<br />
die sich durch ihre Erfahrungen von Kirche entfernt haben, ein<br />
Das aktuelle Team der Gottesdienste:<br />
Dörte Wiese, Jessica Diedrich, Hella Hinrichsen,<br />
Margrit Sierts, Ute Gerstner, Karin Kluck (v. li.)<br />
neuer Zugang zu Kirche und Glauben eröffnet wird, wo sie mit all<br />
ihren Erfahrungen vorkommen dürfen. Bischöfin i. R. Maria Jepsen<br />
war von Beginn an dabei und hat die Gottesdienste mit Grußwort<br />
und Segen mit gestaltet. Bei unzähligen Gelegenheiten hat sie für<br />
den Gottesdienst und das Thema geworben. Wir haben es sehr bedauert,<br />
dass sie zurückgetreten ist. Im vergangenen Jahr bestärkte<br />
uns Pröpstin Kirsten Fehrs in unserem Anliegen und in diesem Jahr<br />
Pröpstin Dr. Ulrike Murmann. Die Frauen in den Beratungsstellen,<br />
die beim ersten Gottesdienst noch etwas skeptisch waren, sind nun<br />
alljährlich gerne dabei und stehen schon während des Gottesdienstes<br />
zum Gespräch bereit.<br />
Öffentlichkeit<br />
In den zehn Jahren haben Mitwirkende und Teilnehmerinnen zum<br />
Teil gewechselt. Geblieben aber ist die Brisanz des Themas. Viele<br />
Menschen haben in den letzten Jahren sexualisierte Gewalterfahrungen<br />
öffentlich gemacht was auch die Kirchen sehr erschüttert hat.<br />
Dazu gehört auch heute noch viel Mut, denn wie Statistiken belegen,<br />
glaubt einer Betroffenen erst die siebte Person, der sie ihre Erlebnisse<br />
erzählt. Die öffentliche Aufarbeitung hat nun endlich begonnen<br />
– auch mit den dafür bestellten Ombudsfrauen. Hin zu neuer Sensibilität<br />
– damit Betroffenen geglaubt und Tätern kein Raum geboten<br />
wird, sondern sie zur Verantwortung gezogen und bestraft werden.<br />
Nähere Infos www.trotz-allem-gottesdienst.de<br />
Brauchbitten<br />
Wir brauchen welche<br />
die weinen können<br />
die trauern um alle<br />
die nicht überlebt haben<br />
um alle<br />
die gebrochen wurden in ihrer Würde<br />
vergewaltigt verstümmelt und zu Tode gequält<br />
Wir brauchen welche<br />
die schreien können<br />
die das Unrecht beim Namen nennen<br />
laut und deutlich für alle<br />
die zum Schweigen gebracht wurden<br />
die sprachlos geworden sind in ihrem Schmerz<br />
Jessica Diedrich<br />
Wir brauchen welche<br />
die kämpfen können<br />
die nicht davonlaufen beim ersten Geruch des Schreckens<br />
wir brauchen welche<br />
die hoffen können<br />
die dein Mund sind dein Ohr und dein Schrei<br />
denen schick deine Kraft Gott<br />
die lass ansteckend sein<br />
Carola Moosbach
Interview<br />
„Es macht mich immer wieder neugierig,<br />
mit Menschen zu arbeiten“<br />
Babara Schmodde, Kommunikationstrainerin, im Gespräch<br />
mit Annette von Stritzky über gelungene Kommunikation,<br />
innere Einstellungen, Alltagserfahrungen, Gremien und<br />
sich selbst in den Ruhestand schicken.<br />
Sie sind Kommunikationsberaterin, wie war Ihr Weg dahin?<br />
Ich habe mich in vielen nordelbischen Gremien engagiert, je „höher“<br />
das Gremien wurde, umso mehr verstummte ich. So ging es anderen<br />
Frauen damals auch. Durch ein Kommunikationstraining wurde mir<br />
klar: Es lag an mir, dass ich mich „über den Tisch ziehen“ ließ, dass<br />
ich „nicht zu Wort“ kam. Manchmal war ich nicht ausreichend vorbereitet,<br />
manchmal fehlte mir Selbstbewusstsein. Das brachte mich<br />
dazu, mich mit Kommunikation zu beschäftigen.<br />
Wie arbeiten Sie?<br />
Als Freiberuflerin muss ich Aufträge oft schon ein Jahr im Voraus annehmen,<br />
weil Programme frühzeitig gedruckt werden. So stelle ich<br />
mich langfristig auf Aufträge ein, bespreche, was die jeweilige Klientel<br />
braucht. Ich bereite mich jedes Mal wieder intensiv vor, unmittelbar vor<br />
dem Seminar bringe ich mich durch mentales Training auf den Punkt.<br />
Gut geplant ist halb gewonnen. Ich stelle mir vor, welche Inhalte ich<br />
transportieren will, um dann mit Schwung in die Gruppe zu gehen.<br />
Das Arbeiten mit Gruppen macht mir ausgesprochen Spaß.<br />
Welche Themen bieten Sie an?<br />
Meine Themen haben einen journalistischen Titel, das macht neugierig.<br />
Die beliebtesten Seminare, viel von Unternehmerinnen gebucht,<br />
sind: „Souverän auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit“ und<br />
„Leichterer Umgang mit schwierigen PartnerInnen“. Das können eigene<br />
PartnerInnen, Kolleginnen oder andere GesprächspartnerInnen<br />
sein. Aber auch Zeit- und Selbstmanagementworkshops „Endlich<br />
Schluss mit dem Chaos“ sind gefragt.<br />
Gehen Sie mit Ihrer Zeit und mit sich gut um?<br />
Ich bin (war) ziemlich chaotisch, habe sehr darunter gelitten und nicht<br />
gewusst, wie ich mit all meinen Pflichten zurechtkomme. Ich habe<br />
„Wer leitet, führt Menschen<br />
– und Menschenführung beginnt<br />
bei mir selbst.“ Barbara Schmodde<br />
innovative<br />
16<br />
dann an der Universität Hamburg eine Zusatzausbildung in<br />
Kommunikationspsychologie bei Professor Schulz von Thun gemacht.<br />
Im Rahmen dieser Ausbildung wurde mir bewusst, dass nur<br />
ich mein Chaos ändern kann. Ich habe viel gelesen, viel ausprobiert<br />
und nachdem ich nun 15 Jahre diese Seminare gebe, sind sie auch<br />
bei mir angekommen! Ich gehe (meistens) achtsam mit mir um.<br />
Sie arbeiten mit viel Elan. Sie können andere begeistern.<br />
Woher kommt diese Kraft?<br />
Ich bin ein typischer WechslerInnentyp. Mein ganzes Leben lang<br />
Lehrerin (so bin ich ins Berufsleben gestartet) – ich wäre unglücklich<br />
geworden. Ich habe in vielen unterschiedlichen Gremien mit gemacht,<br />
nicht nur in kirchlichen. Neue Aufgaben, neue Kraft. Das ist<br />
das Belebende an den Seminaren: Sie sind jeden Tag neu. Jede<br />
Gruppe hat eine eigene Weisheit, die gilt es zu heben. Es macht mich<br />
immer wieder neugierig, mit Menschen zu arbeiten.<br />
Sie bieten „Fit für Leitung“ an - was lernen Frauen dort?<br />
Wer leitet, führt Menschen – und Menschenführung beginnt bei mir<br />
selbst. Ich bestärke und ermutige Leiterinnen. Wo sind Optimierungspunkte?<br />
Wo gibt es persönliches Entwicklungspotential? Aber es<br />
geht auch um praktische Tipps: Wie stelle ich eine Tagesordnung<br />
auf? Wie viel Zeit sollen die einzelnen TOPs haben? Sehr hilfreich<br />
sind die Sätze für Notfälle. Viele Frauen meinen, sie müssten z. B. alles<br />
sofort wissen, alles sofort beantworten. Alte Muster aus der<br />
Vergangenheit. Dabei reicht: „Das muss ich mir in Ruhe überlegen“.<br />
Für eine gute Leitung ist wichtig, sich gut vorzubereiten und persönliche<br />
Autorität zu haben.<br />
Sätze für den Notfall - wie sind sie entstanden?<br />
Aus Alltagserfahrungen. Es wird respektiert, wenn jemand sagt: „Das<br />
muss ich mir erst einmal überlegen“. In der Literatur habe ich weitere<br />
Sätze entdeckt und in mein Repertoire aufgenommen. Es gibt Situationen,<br />
in denen die Worte fehlen. Da helfen Sätze wie: „Da muss ich<br />
mich erst informieren“ oder „ich spreche Sie später darauf an“. Das<br />
macht kompetent und fit für Leitung.<br />
Barbara Schmodde (* 1944)<br />
Bestimmt …
Fotos: Annette von Stritzky<br />
17<br />
innovative<br />
Ihr Erfahrungsschatz wird sehr geschätzt.<br />
Was geben Sie Frauen mit auf den Weg?<br />
Wichtig ist, dass Frauen im Ehrenamt sich nicht selbst ausbeuten. Es<br />
wird oft gesagt, wenn du den kleinen Finger gibst, wird der ganze<br />
Arm genommen. Dann muss Frau lernen, deutlich „NEIN“ (ohne<br />
Gewissensbisse) zu sagen. Auch fühlen sich Frauen oft gedrängt, in<br />
einem Amt zu bleiben, weil sich keine Nachfolgerin findet. Dazu kommen<br />
dann noch innere und äußere AntreiberInnen, die sagen, wir<br />
brauchen dich doch, wir können uns gar nicht vorstellen, wenn du<br />
nicht mehr dabei bist. Hier heißt es, achtsam zu sein.<br />
Sie haben eine Kartenreihe veröffentlicht zu den Grundlagen<br />
gelungener Kommunikation. Was meint das konkret?<br />
Zuhören, ausreden lassen, das ist das Einfachste und zugleich das<br />
Schwerste. Ich arbeite gern noch mit einem alten Modell von Thomas<br />
Harris: Ich bin okay, du bist okay. Den anderen wertschätzen. Er/sie<br />
ist ganz anders, als ich, vielleicht ärgert es mich, was er/sie sagt, aber<br />
er/sie ist ein Mensch, ein Geschöpf Gottes. Ich bin okay und mein/e<br />
KonfliktpartnerInnen auch. Es hilft in einer Konfliktsituation, kurz inne<br />
zu halten und sich klar zu machen, dass Wertschätzung wichtig ist.<br />
Sie wollen mit Respekt behandelt werden und Ihre GesprächspartnerInnen<br />
auch! Gute Kommunikation ist nicht nur eine Frage der<br />
Technik, sondern viel mehr der inneren Einstellung.<br />
Sie sagen häufig: Stellen Sie Fragen! Was ist daran gut?<br />
Fragen führen zur Klärung. Ich muss nicht gleich antworten, gebe<br />
den Ball an die GesprächspartnerIn zurück. Dann muss er/sie nachdenken<br />
und antworten. Das beugt auch Missverständnissen vor.<br />
„Das ist Ihre Meinung und meine Meinung ist …“<br />
– das kleine Wörtchen „und“ ist Ihnen wichtig.<br />
Das ist eine Gesprächstrategie, die hilfreich ist. Ich werte nicht gleich<br />
ab, „was ist das denn für eine Meinung?“, sondern wiederhole das<br />
Gesagte unkommentiert und setze meine Meinung daneben. Das<br />
„und“ verbindet. Ich lasse beide Meinungen stehen und, wenn ich<br />
gut vorbereitet bin, kann ich auch noch gute Gründe für meine Meinung<br />
dazu setzen.<br />
Was war Ihre schönste Erfahrung in Gremien?<br />
Von all den Arbeiten in meinem Leben, ist die kirchliche Arbeit nach<br />
wie vor die wichtigste, Kirche ist meine Heimat. Diese Gemeinschaft<br />
Bisher wurden interviewt<br />
Prof. Dr. h. c. Christa Randzio-Plath, Heike Schlottau, Annegret Bergmann, Erika Förster,<br />
Dr. Ute Grümbel, Antje Röckemann, Susanne Jürgensen, Jutta Gross-Ricker,<br />
Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Annelie Keil, Uta Knolle, Dr. Elisabeth von Dücker,<br />
Rut Rohrandt, Bischöfin Maria Jepsen, Annette Hillebrand, Dr. Frauke Hansen-Dix,<br />
Ursula Schele, Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Margrit Semmler, Franziska Steiof,<br />
Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau, Edelgard Lessing, Elisabeth Lingner, Elsbeth Süßebecker<br />
Neues Präsidium und<br />
Leiterin der EFiD<br />
Vorn v. li.: Marliese Walz,<br />
Ilona Helena Eisner,<br />
Antje Büsing, Miriam Aumeier,<br />
Dr. Beate Blatz (Leiterin EFiD)<br />
Hinten v. li.: Petra Zulauf,<br />
Sabine Zoske,<br />
Angelika Weigt-Blätgen,<br />
Kerstin Möller,<br />
Brunhilde Raiser<br />
Interview<br />
zu erfahren, ob auf Synoden mit gemeinsamem Singen, in gemeinsamen<br />
Gottesdiensten, im Kämpfen für eine gemeinsame Sache,<br />
auch mit Synodalen, die anders denken, ein großes gemeinsames<br />
Haus Gottes bauen, das ist meine schönste Erfahrung.<br />
Sind Sie christlich erzogen worden?<br />
Die evangelische Jugend hat mich geprägt, sie öffnete mir in den<br />
50er Jahren einen Weg, über Elternhaus und Schule hinaus in eine<br />
neue Welt. Mein Kinderglaube hat mich mein Leben lang begleitet.<br />
Hat dieser Kinderglaube sich irgendwann weiter entwickelt?<br />
Wenn so eine Spötterin wie ich ein Leben lang trotzdem beim Glauben<br />
bleibt, dann muss der liebe Gott schon mit mir irgendetwas vorhaben.<br />
Zum Feminismus gehörte ich ursprünglich nicht, das war mir fremd.<br />
Aber durch meine Arbeit in der nordelbischen Synode bin ich dann mit<br />
dem <strong>Frauenwerk</strong> in Verbindung gekommen, mit Rut Rohrandt, Inge<br />
Kerssenfischer und anderen. Das hat mich auf einen guten Weg gebracht.<br />
Ich bin inzwischen in gutem Sinne eine Feministin. Feministische<br />
Theologie ist mir allerdings fremd geblieben.<br />
Gibt es für Sie Vorbilder?<br />
In der Kirche gibt es zwei Menschen, die ich besonders geschätzt<br />
habe, Elsbeth Süßebecker und Nils Hasselmann. Ihre souveräne, respektvolle,<br />
nachdenkliche Art, mit Menschen umzugehen, bleibt für<br />
mich vorbildhaft.<br />
Sie sind viel beschäftigt, gibt es Pausen?<br />
Lange Jahre, gerade in der Zeit der Kirchenleitung, bin ich auf Kraftreserven<br />
gelaufen. Hildegard Reimers, ehemalige Vorsitzende unserer<br />
Kirchenkreissynode Stormarn, auch ein Vorbild, hat einmal zu mir gesagt:<br />
„Wir Ehrenamtlichen müssen uns selbst in Pension schicken,<br />
sonst schickt uns niemand“. Da habe ich beschlossen, mit 60 meine<br />
Ämter abzugeben – ein sehr guter Entschluss. Seitdem habe ich viel<br />
mehr Zeit. Überraschend kam dann ein Angebot, die Geschäftführung<br />
einer Kulturstiftung zu übernehmen. Die Stiftung hat zum Ziel, die kulturellen<br />
Beziehungen zwischen Hamburg und Berlin auf den Gebieten<br />
von Musik und Theater zu fördern. Ruhephasen genieße ich besonders<br />
auf den zahlreichen Bahnfahrten zwischen den Städten und in<br />
unserer kleinen Wohnung in Berlin.<br />
Herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
… und quicklebendig
Von Frauen<br />
Helga Haugland Byfuglien (61) wurde als erste Leitende<br />
Bischöfin der Norwegischen Kirche eingeführt. Seit 2005 ist H. Haugland<br />
Bischöfin von Borg, südlich von Oslo. Sie ist eine von vier Frauen<br />
unter den elf norwegischen BischöfInnen.<br />
Kathrin Menges (46) tritt 135 Jahr nach Firmengründung als<br />
erste Frau in die Geschäftsführung des Waschmittelriesen Henkel<br />
ein. K. Menges verantwortet als neues Vorstandsmitglied den Personalbereich.<br />
Seit 2009 ist sie bereits Personalchefin des DAX-Unternehmens<br />
mit weltweit 48.000 MitarbeiterInnen.<br />
Dr. Klara Butting und Béatrice Bowald wurde in Basel<br />
der 11. Förderpreis der Marga-Bühring-Stiftung verliehen. Klara Butting,<br />
Privatdozentin (Alttestamentlerin) aus Uelzen bekam den Preis für ihr<br />
damals noch unveröffentlichtes Manuskript „Hier bin ich! Biblische<br />
Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung“. Béatrice Bowald<br />
wurde ausgezeichnet für ihre Dissertation „Prostitution. Überlegungen<br />
aus ethischer Perspektive zu Praxis, Werbung und Politik“. Der<br />
Preis ist mit 5.000 SFr dotiert.<br />
Dr. Katajun Amirpur (40) ist Hamburgs erste Professorin für<br />
Islamische Theologie. Die international renommierte Wissenschaftlerin<br />
und Journalistin hielt im Oktober ihre Antrittsvorlesung in der<br />
„Akademie der Weltreligionen“ der Universität Hamburg.<br />
Kirsten Fehrs (50) ist seit November Bischöfin für den Sprengel<br />
Hamburg und Lübeck, sie tritt die Nachfolge an von Bischöfin Maria<br />
Jepsen (und auch von Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter). In der<br />
nächsten innovative stellen wir Bischöfin Fehrs im Interview vor.<br />
Christine Behle (43), Beate Mensch (49) und Stefanie<br />
Nutzenberger (47) sind neu im Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft<br />
Verdi. 9 der 14 Vorstandmitglieder sind Frauen, der Frauenanteil<br />
ist auf 65% gestiegen. Grund hierfür ist eine Quotenregelung. Die<br />
Satzung schreibt vor, dass Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil<br />
an der Mitgliedschaft in den Führungsgremien vertreten sein müssen.<br />
Ilse Falk (68), ehemalige stellv. Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />
ist neue Vorsitzende des Dachverbands Ev. Frauen in<br />
Deutschland e. V. Zur stellv. Vorsitzenden wählte die Mitgliederversammlung<br />
Kerstin Möller.<br />
Helga Haugland Byfuglien<br />
Ellen Johnson-Sirleaf Yingluck Shinawatra<br />
Meg Whitman<br />
Ina May Gaskin<br />
innovative<br />
18<br />
Ellen Johnson-Sirleaf (72), Leymah Roberta Gbowee<br />
(39) und Tawakkul Karman (32) wurden für ihren gewaltfreien<br />
Kampf für die Sicherheit von Frauen und für das Recht der Frauen<br />
auf eine vollständige Beteiligung an der Schaffung von Frieden mit dem<br />
Friedensnobelpreis geehrt. E. Johnson-Sirleaf ist Präsidentin von Liberia<br />
und erstes weibliches Staatsoberhaupt in Afrika. L. R. Gbowee ist liberianische<br />
Bürgerrechtlerin und T. Karman Frauenrechtlerin im Jemen.<br />
Meg Whitman (55), frühere Ebay-Chefin, ist neue Direktorin des<br />
weltgrößten Computerherstellers Hewlett-Packard.<br />
Margot Käßmann (53) tritt im April 2012 ihr neues Amt als Botschafterin<br />
für das Reformationsjubiläum an. Die Ev. Kirche in Deutschland<br />
hat die Berufung der ehemaligen Ratsvorsitzenden beschlossen.<br />
Käßmann soll für das 500. Reformationsjubiläum, das 2017 gefeiert<br />
wird, werben.<br />
Claudia Nemat (42) und Marion Schick (52) wurden von<br />
der Deutschen Telekom in den Vorstand berufen. C. Nemat, Physikerin,<br />
Unternehmensberaterin und Partnerin bei McKinsey verantwortet<br />
das Europageschäft, M. Schick, bislang Bildungsministerin von<br />
Baden-Württemberg, ist neuer Personalvorstand. Die Telekom hatte<br />
2010 als erster DAX-Konzern eine Frauenquote beschlossen.<br />
Seit Juli 2011 ist Yingluck Shinawatra Thailands Ministerpräsidentin.<br />
Erstmals wird Thailand von einer Frau regiert. Die 44-Jährige<br />
ist Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin und war bislang<br />
Präsidentin einer Immobilienfirma. Sie ist die jüngste Schwester des<br />
2006 vom Militär gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra.<br />
Kathrin Erdmann (40), Redakteurin bei NDR-Info, erhielt den<br />
Deutschen Radiopreis für die beste Reportage, und zwar zum Thema<br />
„Migration“.<br />
Ina May Gaskin (71) erhielt den Alternativen Nobelpreis für ihr<br />
Engagement für Hebammen und frauenfreundliche Geburtsmethoden.<br />
Die US-Amerikanerin setzt sich dafür ein, die Geburtshilfe<br />
menschlicher zu gestalten, u.a. durch Gebärtechniken, die sie von<br />
Frauen aus Guatemala lernte.
19<br />
innovative<br />
Behindert?<br />
Verletzte Körper<br />
„Es sind Eure Bilder und Setzungen von Normalität, die uns behindern“,<br />
sagen Frauen und Männer, die wir mit dem Etikett „behindert“<br />
versehen. Kein Mensch ist perfekt! Das kann wohl jede/r unterschreiben.<br />
Doch Menschen mit Behinderung machen oft die Erfahrung,<br />
dass sie wegen mangelnder Perfektion ausgegrenzt werden.<br />
Politisch aktive VertreterInnen der Behindertenbewegung bringen<br />
das auf den Punkt: „Behindert ist man nicht, behindert wird man“,<br />
so auf dem Blog „kein-mensch-ist-perfekt“. Und weiter: „Wer wie ich<br />
eine Behinderung hat, ist eine Exotin. Sie bekommt ständig neugierige<br />
Fragen zu ihrer Einschränkung gestellt. Jede andere, die nur<br />
temporär krank ist, würde sich das verbitten. Meist hoffe ich vergebens,<br />
dass die Antwort das gegenseitige Verständnis verbessert …“.<br />
„Wer definiert was normal ist?“ – „Warum fällt es uns so schwer,<br />
Andere anders sein zu lassen?“. Diese Fragen begleiten mich<br />
schon lange. Im Seminar „Weißsein in der Theologie“ mit Dr. Eske<br />
Wollrad habe ich gelernt, das sog. „Normalität“ sich dadurch auszeichnet,<br />
dass sie nicht thematisiert wird, sondern selbstverständlich<br />
als „normal“ vorausgesetzt wird. Seither frage ich mich: „Was ist<br />
normal? Wer hat die Definitionsmacht?“ Viele alltägliche Beziehungen<br />
sind von solcher Dominanzkultur der Normalität geprägt, das<br />
Miteinander von Männern und Frauen, Christinnen und Muslima,<br />
West- und Ostdeutschen und eben auch das Miteinander von sog.<br />
„Gesunden“ und „Behinderten“. Die Definitionsmacht über das, was<br />
behindert ist, wo es anfängt und aufhört, haben die scheinbar<br />
Normalen.<br />
Frauensicht auf Behinderung<br />
Seit März 2009 ist die Konvention der Vereinigten Nationen (UN)<br />
über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch für Deutschland<br />
verbindlich. Diese Konvention stellt einen Meilenstein in der<br />
Behindertenpolitik dar, da sie das Selbstbestimmungsrecht und umfassenden<br />
Diskriminierungsschutz festlegt sowie eine inklusive<br />
Gesellschaft fordert. Die Konvention geht auch explizit auf Behinderung<br />
und Geschlecht ein indem sie anerkennt, dass Frauen und<br />
Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt<br />
sind.<br />
Hintergrund<br />
Laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend zu „Lebenslagen behinderter Frauen“<br />
leben in Deutschland 1,685 Mio. Frauen (18 - 65 Jahre) mit amtlich<br />
anerkannter Behinderung. Das sind 7,4 % der weiblichen Bevölkerung<br />
in dieser Altersspanne (Männer: 9,7 %). Der geringere<br />
Frauenanteil wird darin vermutet, dass Frauen ihre Behinderung von<br />
öffentlichen Stellen seltener anerkennen lassen. Bemerkenswert ist,<br />
dass der Anteil von Menschen mit Behinderung mit zunehmendem<br />
Alter ansteigt. Er liegt bei Frauen und Männern unter 30 Jahren bei<br />
unter 5 %, während bei den 60jährigen Frauen jede fünfte eine<br />
Behinderung hat und bei den Männern ab 60 sogar knapp ein Drittel<br />
behindert ist. Für eine Inklusionsperspektive ist wichtig: Das<br />
Risiko einer Behinderung im Lebenslauf nimmt zu – trotz (oder gerade<br />
wegen [!]) aller medizinischen Fortschritte.<br />
Alt und behindert?<br />
Körperliche Beeinträchtigungen können in jedem Alter auftreten, sie<br />
werden jedoch unterschiedlich bewertet. Eine Brille geht noch als<br />
modisch schick durch, ein Hörgerät noch lange nicht. Wir sind geprägt<br />
davon, dass es eine gradlinige Körperentwicklung gibt. Behinderung<br />
in jüngeren und mittleren Jahren gilt als Abweichung, im<br />
höheren Lebensalter als „altersbedingt“. Entsprechend heißt es im<br />
Sozialgesetzbuch (SGB IX): „Menschen sind behindert, wenn ihre<br />
körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für<br />
das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe<br />
am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Eine solche<br />
Normierung hat einschneidende Folgen für die Behandlung von alten<br />
Menschen, in der medizinischen Versorgung und im Blick auf die<br />
Rechte auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das beschreibt der<br />
6. Altenbericht: Gesundheitsbeschwerden im Alter werden als altersgemäß<br />
eingestuft und sind nur begrenzt behandlungsbedürftig.<br />
Gesetzlich ist ein Recht pflegebedürftiger (alter) Menschen auf Teilhabe<br />
nicht vorgesehen. Es geht lediglich um Betreuung und Versorgung.<br />
Alte Menschen werden so zu Objekten der Pflege. Die UN-<br />
Konvention spricht nicht nur von Integration, sondern von sozialer<br />
Inklusion, also von gesellschaftlicher Teilhabe. Die Praxis jedoch ist<br />
„Dr. Michaela Geiger sagt vor diesem<br />
Hintergrund von sich selbst, sie<br />
sei ‚temporarily abled‘, also zeitweise<br />
(be)fähig(t).“ Kerstin Möller
Hintergrund<br />
Welten davon entfernt. Solche Teilhabe jedoch sollte nicht ein mühsam<br />
errungener Fortschritt für einige sein, sondern ein Menschrecht,<br />
das für alle gilt – ungeachtet der körperlichen und/der geistigen<br />
Verfassung, unabhängig vom Lebensalter.<br />
Es geht auch anders: Angewiesen und verletzlich<br />
Mit dem Begriff „Natalität“ hat Hanna Arendt darauf aufmerksam<br />
gemacht, dass alle Menschen aufeinander angewiesen sind und in<br />
ein Netz von Beziehungen geboren werden. Die Ambivalenz von<br />
Angewiesenheit und Autonomie ist eine grundlegende menschliche<br />
Bedingtheit. Zu Beginn des Lebens, meist auch am Ende und immer<br />
wieder auch im Erwachsenenalter, gilt: Ohne Fürsorge anderer<br />
können wir nicht überleben, nicht die sog. Gesunden und Normalen<br />
und auch nicht Menschen mit Behinderung. Hierzu wird in der<br />
Debatte um den Begriff „Care“ (fürsorgliche Praxis und kritische<br />
Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Verortung von „care<br />
recievers“ und „care givers“) seit 30 Jahren das Verhältnis von Arbeit<br />
und Liebe, Anerkennung und Teilhabe verstanden. Wesentlich ist, in<br />
den fürsorglichen Praxen die wechselseitige Angewiesenheit von<br />
Menschen zu verbinden mit Fragen von Gender-Gerechtigkeit, dem<br />
Streben nach Eigenständigkeit, Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten<br />
– und zwar für alle!<br />
In Anlehnung an den jüdischen Philosophen E. Lévinas entwirft die<br />
amerikanische Philosophin Judith Butler eine Ethik der Verletzbarkeit.<br />
Diese setzt an bei der Anerkennung der Anderen, der Anerkennung<br />
der gegenseitigen Abhängigkeit, bei dem gefährdeten Leben<br />
des Anderen. Die Wahrnehmung der eigenen Verletzlichkeit ist die<br />
Voraussetzung für menschliches und verantwortliches Handeln. Diese<br />
Verletzbarkeit ergibt sich daraus, dass wir sozial erfasste Körper<br />
sind, an andere gebunden, ungeschützt und darum gefährdet.<br />
Biblisches zu verletzten Körpern<br />
„Ich werde die Hinkende zum Anfang machen …“ so übersetzt die<br />
Professorin für Altes Testament, Ulrike Bail, Micha 4, 1-7. Die Verletzbarkeit<br />
der Menschen wird hier zum „Grund einer Ethik der<br />
Gewaltlosigkeit und des Friedens“. Generell sind nach Bail die biblischen<br />
Friedensutopien Überlebensstrategien und Bewältigungsversuche,<br />
die in und nach der Katastrophe, der Eroberung, Zerstörung<br />
und Deportation entstanden sind. Sie können als ein Buchstabieren<br />
des Heilseins verstanden werden, das Verletztheit und Ver-<br />
innovative<br />
20<br />
letzlichkeit integriert. Das Hinken bleibt eingeschrieben in die Identität<br />
der Überlebenden:<br />
6 An jenem Tage – Ausspruch des Ewigen – will ich sammeln die<br />
Hinkende und die Umherirrende zusammenbringen, die, über die ich<br />
Böses brachte.<br />
7 Ich werde die Hinkende zum Anfang machen, und die Entfernte zu<br />
einem mächtigen Volk. Regieren wird der Ewige über sie auf dem<br />
Berg Zion von jetzt an und für immer.<br />
So hat die Friedensvision des Micha eine subversive Kraft gegen<br />
den Triumphalismus. Ins Zentrum des Neubeginns stellt der Prophet<br />
die an den Rand Gedrängten und Verschwiegenen, die mit verletztem<br />
Körper und geschundener Seele. Ihr hinkendes Gehen und ihre<br />
Perspektive prägen die Hoffnung auf eine Zeit und einen Raum, in<br />
dem Frieden lebbar wird. Das Hinken begegnet uns auch bei Jakobs<br />
Kampf am Jabboq: „Ich habe Gott gesehen – von Angesicht zu<br />
Angesicht, und mein Leben wurde gerettet. Da ging die Sonne für ihn<br />
auf …, er aber war ein Hinkender“. (Genesis 32, 31-32). Jakob begegnet<br />
der göttlichen Macht und Kraft, wird gesegnet und geht zugleich<br />
als Hinkender aus dieser Begegnung hervor.<br />
Die Evangelisten des Zweiten Testaments knüpfen in Ihren Darstellungen<br />
Jesu an diese Tradition an. Jesus stirbt am Kreuz, wird verletzt,<br />
erweist sich als einer, der, wie wir, zutiefst verletzbar ist. Und<br />
selbst als Auferstandener begegnet er den JüngerInnen als Verletzter,<br />
zeigt Ihnen seine Wundmahle. In dieser Tradition feiern wir<br />
Abendmahl, als ein Erinnerungsmahl an diese Verletzlichkeit, an<br />
den gebrochenen Leib.<br />
Dr. Michaela Geiger sagt vor diesem Hintergrund von sich selbst, sie<br />
sei „temporarily abled“, also zeitweise (be)fähig(t). Sie vergegenwärtigt<br />
damit sprachlich, dass wir über viele Jahre in Kindheit, Jugend<br />
und Alter, auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind, und nicht nur da,<br />
sondern immer wieder durch unser ganzes Leben. Ein solcher Blick<br />
müsste eigentlich unsere Sichtweise wandeln. Inklusion heißt dann<br />
nicht mehr, dass die scheinbar Normalen, Gesunden, Unversehrten<br />
die „Anderen“ integrieren. Inklusion müsste dann bedeuten, dass wir<br />
alle nicht mehr auf eine Idee von Normalität hin erzogen werden<br />
– und entsprechend unser gesellschaftliches Miteinander neu<br />
organisieren.<br />
„Die Wahrnehmung der eigenen<br />
Verletzlichkeit ist die Voraussetzung für<br />
menschliches und verantwortliches Handeln.“<br />
Kerstin Möller<br />
Kerstin Möller
21<br />
innovative<br />
Aufgestockt!<br />
Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg<br />
freut sich über die Aufstockung der Stelle Müttergenesung<br />
/ Frauengesundheit. Durch Sprengelkollekten<br />
2009 und 2010 erhielt es dafür ca. 10.000 €.<br />
Im Bezirk Lübeck gibt es seit über 50 Jahren eine Beratungs- und<br />
Vermittlungsstelle von Kuren für Frauen und Frauen mit ihren Kindern.<br />
Das <strong>Frauenwerk</strong> im Herzogtum Lauenburg hatte bisher keine<br />
solche Stelle. Folglich wollten wir diese Lücke mit zweckgebundenen<br />
Spenden und Rücklagen schließen. Wir stellten einen Projektantrag:<br />
Angelika Lichtenthäler, MGW-Mitarbeiterin in Lübeck, sollte<br />
in den nächsten zwei Jahren zusätzlich zu den zehn Stunden in Lübeck<br />
sechs Stunden Beratungstätigkeit in Ratzeburg übernehmen.<br />
Wir freuen uns, dass das Kuratorium der Dienste und Werke und<br />
der Kirchenkreisvorstand unserem Projektantrag zugestimmt<br />
haben. Angelika Lichtenthäler kann am 1. Januar 2012 mit der Beratungsarbeit<br />
im Bezirk Herzogtum Lauenburg beginnen!<br />
Die Nachfrage nach Kuren hat sich deutlich erhöht, in der heutigen<br />
Gesellschaft sind Mütter durch viele unterschiedliche Rollenanforderungen<br />
stark belastet. Vielen Frauen ist wichtig, eine Kur in<br />
einem christlich orientierten Haus durchzuführen. Deshalb suchen<br />
sie eine kirchliche Beratungsstelle auf. In der Nachsorge wird überlegt,<br />
wie die gewonnenen Erkenntnisse in den Alltag integriert werden<br />
können, um den Kurerfolg nachhaltig zu sichern. Die Frauen<br />
werden zu unseren Angeboten eingeladen und können im <strong>Frauenwerk</strong><br />
Beheimatung finden.<br />
Helga Westermann<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Fraußenfußball spezial<br />
Film, Gespräche und viel mehr<br />
Eine Turnhalle in Flensburg-Duborg, Leinwand, Buffet und eine buntgemischte<br />
ZuschauerInnentribüne: Die Kino-Kirche des Kirchenkreises<br />
Schleswig-Flensburg und das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> zeigen zur<br />
Frauenfußball-Weltmeisterschaft „Football under cover“.<br />
Anfangs ein Gespräch mit Dilek Ibram und Aysegül Bagbars vom<br />
Frauenfrühstück im Flensburger Norden. Wir reden über Traditionen<br />
mit und ohne Kopftuch, über Respekt und Toleranz, und darüber, dass<br />
die beiden Frauen aus der Türkei akzeptiert werden möchten -<br />
so, wie sie sind – mit Kopftuch.<br />
Dann folgt der Dokumentarfilm. Er handelt von einem Freundschaftsspiel<br />
zwischen der iranischen Frauen-Nationalmannschaft und<br />
einer Frauenmannschaft aus Berlin-Kreuzberg. Emotionale Bilder.<br />
Die offiziellen Stellen wollen die Frauen nicht unterstützen. Bis eine<br />
Spielerin nach Teheran fliegt und für das Spiel wirbt. Die Bilder aus<br />
der iranischen Hauptstadt sorgen für Überraschung: Frauen laufen<br />
mit lockeren Schals durch die Straßen, Burkas sind nicht zu sehen.<br />
Der Hauptsponsor der iranischen Nationalmannschaft sagt schließlich<br />
Hilfe beim Visum zu, die Aufregung in Teheran und Berlin-Kreuzberg<br />
steigt. Das iranische Sicherheitsministerium interessiert sich<br />
immer mehr für das Freundschaftsspiel. Von der Gesellschaft im<br />
Iran kommt viel Zuspruch. Im Stadion schließlich jubeln iranische<br />
Frauen ihrer Mannschaft zu – normalerweise dürfen sie ein Stadion<br />
nicht betreten, aber an dem Tag müssen die Männer draußen<br />
bleiben.<br />
„Der Film war hervorragend“, findet Karin Siggelkow. „Ich bin selbst<br />
fußballbegeistert, gucke aber meistens nur Endspiele.“ Viele der weiblichen<br />
Gäste sehen eigentlich kein Fußball, aber dieser Film hat sie<br />
beeindruckt. „Mich hat es atemlos gemacht, die Frauen in dem<br />
Outfit spielen zu sehen“, meint Margret Lemke. Beim Buffet im Anschluss<br />
kommen die ZuschauerInnen ins Gespräch, über Fußball und<br />
Kopftuch, Essen und andere Länder.<br />
Eva Viedt<br />
Foto: www.flyingmoon.com
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Aufbruchsstimmung …<br />
… und wie es weiter geht<br />
Anfang 2011 starb Waltraut Richers – Anlass, um<br />
ihre Arbeit und die Geschichte der Ev. Frauenarbeit<br />
des Kirchenkreises Plön (-Segeberg) zu würdigen.<br />
Waltraud Richers war die letzte Kirchenkreisbeauftragte für Frauenarbeit,<br />
die im Kirchenkreis Plön ehrenamtlich das <strong>Frauenwerk</strong><br />
leitete. Allerdings schon 1960 war „Vikarin“ Dora Schneider als ausgebildete<br />
Theologin mit einem Teil ihrer Stelle für die Frauenarbeit im<br />
Kirchenkreis Plön angestellt. Immer gab es auch ehrenamtlich Verantwortliche,<br />
z. B. Frau Kunze und „Konsi“ Schmidt sowie die jeweilige<br />
Propstenfrau, bis 1974 Lisa Jagla zur ehrenamtlichen Kirchenkreisbeauftragten<br />
und Käthe Eulenberger zur Delegierten in die Nordelbische<br />
Arbeitsgemeinschaft für Frauenarbeit gewählt wurden. Als<br />
Waltraut Richers mit ihrem Mann, Propst Hans-Günther Richers, nach<br />
Preetz zog, war sie gleich im <strong>Frauenwerk</strong>s-Team aktiv.<br />
Diese äußerst lebendige Zeit spiegelt sich wider in den Themen<br />
der ab 1980 monatlich stattfindenden Kirchenkreis-AGs und der<br />
Kirchenkreisfrauentage. Hier eine Auswahl:<br />
l Theologische Wochenendseminare „Fremdenführer<br />
durch Neues und Altes Testament“ mit Pastor Wester.<br />
l Südafrika-Früchteboykott.<br />
l „Den Frieden wagen“ mit Manfred Wester.<br />
l „Wie kann ich mit der Bergpredigt leben?“ mit Frau Dr. Rößler.<br />
l „Was bedeutet für mich als Christin politisches Handeln?“<br />
mit Paul-Gerhard Hoerschelmann.<br />
l Weltgebetstagsvorbereitungen mit Elsbeth Süßebecker u. a.<br />
l „Als Delegierte in Vancouver“ mit Rut Rohrandt.<br />
l „Begegnung mit Sowjetfrauen“ mit Lieselotte Kutter.<br />
l Vorbereitung von Meditationen und Bibelarbeit mit Lore Penz.<br />
l „Ärger vermeiden um jeden Preis?“ mit Gerhildt Calies.<br />
l „Hunger muss nicht sein“ mit Adelheid Wiedenmann.<br />
l „Schöpfungsmythen“ mit Heide Emse.<br />
l „Welche Anstöße gibt die feministische Theologie –<br />
und wie anstößig ist sie?“ mit Ute Grümbel.<br />
l „Sind in den Weisheiten der Märchen Schlüssel für unser Leben<br />
verborgen?“ mit Jutta Gross-Ricker.<br />
„Unverändert geblieben ist die Themenvielfalt.“<br />
innovative<br />
22<br />
Auf Waltraut Richers’ Initiative ging auch eine Besonderheit unserer<br />
Frauenarbeit zurück: „Rundumtreffen“ der Verantwortlichen, die vor<br />
Ort ihre Frauenarbeit mit Jahresprogramm darstellten.<br />
1985 wurde Waltraut Richers zur Kirchendreisbeauftragen gewählt.<br />
In ihre bis 1987 dauernde Beauftragten-Zeit fiel die Ausbildung<br />
von Frauen aus den Kirchenkreisen Plön und Segeberg. Wir waren<br />
knapp 20 Frauen, die an dem „Lebendigen Lernen mit Frauen in der<br />
Kirche“ in Waltrauts Haus teilnahmen und vor der Arbeit mit Heide<br />
Emse liebevoll von Waltraut bewirtet wurden. Wichtiger war jedoch,<br />
dass sie ein offenes Ohr hatte für Freuden und Belastungen in unserer<br />
Arbeit und auch uns teilnehmen ließ an ihren Empfindungen.<br />
So bleibt sie Vielen unvergessen. Glücklich war sie über ihre beiden<br />
Nachfolgerinnen: Ursel Sommer als hauptamtliche Kirchenkreisbeauftragte<br />
und Ursula Sontag als Propstenfrau.<br />
Ingrid Knoke, Ursel Sommer, Ursula Sontag<br />
Seit Waltraud Richers ihr Amt als letzte ehrenamtliche Kirchenkreisbeauftragte<br />
abgegeben hat, wurde die Frauenarbeit im Kirchenkreis<br />
(heute Plön-Segeberg) hauptamtlich verantwortet. Unverändert<br />
geblieben ist die Themenvielfalt. Mit Staunen und etwas Neid<br />
spüre ich die Aufbruchsstimmung der Gründerinnenzeit. Die AG-<br />
Treffen sind heute nicht mehr zentraler Ort der Frauenarbeit, „frau“<br />
kann sich in den vielen Veranstaltungen der Frauenarbeit treffen.<br />
Geblieben ist, aus den AG-Treffen Impulse mit in die eigene Gruppe<br />
zu nehmen. Über Jahre hat Marie-Luise Witt als AG-Vorsitzende diese<br />
Impulse mit hervorragend aufbereiteten theologischen Themen<br />
gegeben, in jüngerer Zeit richtet sich der Blick mehr auf aktuelle gesellschaftliche<br />
Themen.<br />
Die „Plöner AG“ ist entschlossen zu wachsen: Zum ersten Mal hat<br />
eines der AG-Treffen im Bezirk Segeberg stattgefunden. Neben „festen“<br />
Frauengruppen lädt die AG heute z.B. auch Vertreterinnen von<br />
Frauenprojekten und Weltläden ein. Zusammen mit unserer AG-Vorsitzenden<br />
Angela Stark aus Bad Oldesloe wünsche ich mir, dass viele<br />
aktive Frauen im Kirchenkreis die AG als Chance ergreifen – um über den<br />
Tellerrand hinaus zu blicken, sich mit anderen Frauen im Kirchenkreis<br />
zu vernetzen und gemeinsame Interessen zu verfolgen.<br />
Julia Patzke<br />
Julia Patzke
23<br />
innovative<br />
O, heilende Kraft, die sich Bahn bricht<br />
Sanftes Fasten nach Hildegard von Bingen im Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholtstein<br />
„Gott möge dich zu einem Tempel des Lebens machen“, schreibt<br />
Hildegard von Bingen einer Äbtissin, und weiter: „Hüten sollte sich der<br />
Mensch, durch zu viel Arbeit seinen Leib zu ruinieren.“ Im Fasten<br />
sieht Hildegard von Bingen einen Weg, das rechte Maß im Leben<br />
zu finden, dem Rhythmus des Lebens zu folgen.<br />
Getreu der Regel „ora et labora“ ist Maßhaltung (discretio) für Hildegard<br />
die höchste Tugend, Schlüssel für eine gottgemäße Lebensführung.<br />
Im Wechselspiel von Bewegung und Ruhe, Beten und<br />
Arbeiten schwingt sich der Mensch in die göttliche Ordnung<br />
ein. Unsere Fastenzeit orientiert sich daran. Neben dem strengen<br />
Tee-Fasten praktizierte Hildegard auch Dinkelfasten, mit Obst und<br />
Gemüse. Sie erkannte die elementare Bedeutung einer ausgewogenen<br />
Ernährung. Für sie sind Lebensmittel die besten Heilmittel,<br />
Dinkel der zentrale Bestandteil ihrer Medizin: „Dinkel bildet gutes<br />
Fleisch, führt zu einem rechten Blut, gibt ein aufgelockertes Gemüt<br />
und die Gabe des Frohsinns. Dinkel ist gut und leicht verdaulich.“<br />
Ihre Erkenntnisse über dieses wertvolle Getreide sind wissenschaftlich<br />
belegt.<br />
„Das tägliche Habermusfrühstück,“ so eine Teilnehmerin, „aus Dinkel<br />
und Obst hat mir so gut getan, dass ich es nach der Fastenwoche<br />
beibehalten habe. Es hilft mir, in den Tag zu kommen, mich auf<br />
das Wesentliche zu besinnen und Hildegards Spiritualität in meinem<br />
Alltag einen Platz zu geben. Schon beim Zubereiten habe ich das<br />
Lied von der alles Leben durchwirkenden Grünkraft Gottes im Sinn.“<br />
Wir erfahren in dieser Woche, dass es um die Ganzheitlichkeit des<br />
Fastens geht. Leib, Seele und Geist bilden eine Einheit, mit einer<br />
ausgewogenen Ernährung werden auch Seele und Geist genährt.<br />
Umgekehrt finden geistliche Impulse auch im Körper einen Widerhall.<br />
So folgt die Fastenwoche einem ganzheitlichen Rhythmus, geleitet<br />
von Fragen, die Teilnehmerinnen mitbringen: Was heilt mich?<br />
Was nährt mich wirklich? Was trägt mich? Wie finde ich meinen<br />
Lebensrhythmus? Was will ich in meinem Leben verändern? Wie<br />
verleihe ich meinem Alltag Glanz und Struktur?<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Neben einer ernährungswissenschaftlichen Einführung, bei der die<br />
Teilnehmerinnen leckere Rezepte erhalten, begleiten theologische<br />
Impulse nach H. v. Bingen, ihre Hymnen und Visionsbilder, Meditation<br />
und Elemente des Bibliodramas die Fastenwoche. Der Hymnus<br />
„O, heilende Kraft, die sich Bahn bricht“ z. B. wird mit Methoden<br />
des Bibliodramas mit Körper, Leib und Seele bewegt. Wörter verkörpern<br />
sich in den Frauen und begleiten sie. Hieraus ergibt sich eine<br />
Tagesstruktur. Jede findet die Gebärden und Worte, mit denen sie<br />
den Tag beginnen wie sie den spirituellen Impulsen im Tagesverlauf<br />
Raum geben und wie sie den Tag beschließen möchte. Beim abendlichen<br />
Tagesrückblick kann jede Frau einzelne Stationen Revue<br />
passieren lassen, um den Tag in Gottes Hände zu geben. Für viele<br />
Frauen ist so eine Tagesstruktur ungewohnt, nicht einfach durchzuhalten,<br />
schließlich aber tragend und heilsam. Der Alltag wird plötzlich<br />
durchlässig in eine spirituelle Dimension.<br />
Wenn sich alle Frauen nach vier Tagen zum Pilgern in der Natur treffen,<br />
werden viele Erfahrungen ausgetauscht. Durch das bewusste<br />
Gehen, Schauen, Schweigen sowie durch spirituelle Impulse gerät<br />
des eigene Leben wieder in einen Rhythmus, der Körper, Seele und<br />
Geist aufatmen lässt. „Ich fühle mich in dieser Fastenzeit mit mir<br />
selbst und meiner Umgebung, besonders mit der Schöpfung,<br />
tief verbunden. Vor allem spüre ich seit Langem wieder die alles<br />
umgreifende göttliche Kraft; ich brauche nichts mehr auszuklammern<br />
aus meinem Leben, denn ich trage es nicht mehr allein, Gott<br />
hält mein Leben zusammen.“<br />
Das Fastenbrechen ist geleitet von der Frage, wie die erlebten, heilenden<br />
Kräfte sich. Bahn brechen können. Heilung ereignet sich<br />
nach Hildegard v. Bingen, wenn der Mensch in lebenswerter Beziehung<br />
zu sich selbst, in achtsamer Beziehung zu Natur und<br />
Schöpfung, zu den Mitmenschen und zu Gott ausgerichtet ist.<br />
Elisabeth Christa Markert<br />
„Hüten sollte sich der Mensch,<br />
durch zu viel Arbeit seinen Leib<br />
zu ruinieren.“ Hildegard von Bingen<br />
Dr. Christiane Kaiser<br />
Susanne Wittköpper
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Gesichter der Armut<br />
Was können Politik und wir gegen die Probleme in Dithmarschen tun?<br />
Eine Veranstaltungsreihe der Ev. Frauenarbeit in<br />
Kooperation mit dem Diakonischen Werk Dithmarschen.<br />
Auslöser für die intensive Beschäftigung mit dem Thema ist die landesweit<br />
einmalige Problemverdichtung in Dithmarschen. Im Vergleich<br />
hat Dithmarschen die höchste Belastung durch SGB II-<br />
Kosten pro EinwohnerIn. Jede/r zehnte BürgerIn ist von Leistungen<br />
nach dem SGB II abhängig.<br />
2009 fand in Kooperation mit Waltraud Waidelich (<strong>Nordelbisches</strong><br />
<strong>Frauenwerk</strong>) eine erste Veranstaltung statt. Dabei ging es um die<br />
Definition des Armutsbegriffs, die Ursachen von Armut weltweit und<br />
im Besonderen in der BRD, sowie um die notwendigen wirtschafts-<br />
und sozialpolitischen Handlungsstrategien. Das Impulsreferat hielt<br />
Dr. Ursula Müller. In der Fortführung des Themas im Juni 2011 wurde<br />
die spezifische Situation Dithmarschens von einem Praktiker angesehen<br />
und mit dem Blick aus der Wissenschaft überprüft. Referenten<br />
waren Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster von der Universität<br />
Bochum und Malte Spitzer, Verwaltungsdirektor des Landkreises<br />
Dithmarschen. Beiden ging es darum, die Situation in Dithmarschen<br />
zu verbessern. Übereinstimmend betonten die Referenten die<br />
Bedeutung von Bildung als Hebel für Veränderung, da das Risiko<br />
arm zu werden und zu bleiben besonders abhängig ist vom Grad<br />
der Bildung. Nachdrücklich machte Prof. Dr. Huster deutlich, dass<br />
Lebenslagen „sozial vererbt“ werden und dass Armut gravierende<br />
Auswirkungen auf das gesundheitliche Wohlergehen und die Entwicklung<br />
hat. Bei allen zugrunde gelegten Anzeichen für Entwicklungsverzögerungen<br />
oder Gesundheitsstörungen – außer bei Allergien<br />
– sind die Kinder, die einen hohen Sozialstatus haben, deutlich<br />
weniger von Einschränkungen betroffen.<br />
Unterschieden nach Kindern von AkademikerInnen und Nicht-AkademikerInnen<br />
wies Prof. Huster nach, dass von 100 Kindern, die<br />
später einen Hochschulzugang erlangen, 80 aus akademisch gebildeten<br />
Familien stammen. Es ist als gesichert anzusehen, dass bei<br />
Kindern in benachteiligten Familien durch die ökonomischen<br />
Rahmbedingungen die soziale Benachteiligung verstetigt wird.<br />
„Auslöser für die intensive Beschäftigung<br />
mit dem Thema ist die landesweit einmalige<br />
Problemverdichtung in Dithmarschen.“<br />
Elisabeth Ostrowski<br />
innovative<br />
24<br />
Malte Spitzer bestätigt die „landesweit einmalige Problemverdichtung“<br />
in Dithmarschen. Beispielhaft benennt er, dass 56,2 %<br />
der SGB II-EmpfängerInnen keine Ausbildung haben, 36,2 % nicht<br />
einmal einen Schulabschluss. „Nachhaltige Armutsprävention<br />
braucht Bildung und sozial Teilhabe“. Als Maßnahmenkatalog stellt<br />
er einen Fünf-Eckpunkte-Plan vor, der die Situation in Dithmarschen<br />
an den Schulen durch Ganztagsbetreuung, Förderung und Schuungsangebote<br />
für Eltern usw. qualitativ verbessern soll. Das zweite<br />
Standbein der Präventionsmaßnahmen stellt die Neuausrichtung<br />
der Jugendhilfe dar. Sie soll sich zukünftig an Regional- und Sozialräumen<br />
orientieren und dort sich selbst tragende Netzwerke und<br />
eine aufsuchende Sozialarbeit aufbauen.<br />
Sein Konzept hinterlässt zunächst Eindruck. Die Antwort auf die<br />
Frage nach der Finanzierung dieser Strategie bleibt jedoch unbestimmt.<br />
Es wird an eine „Umschichtung der Ressourcen“ gedacht.<br />
Betroffen denkt die Zuhörerin dabei an den Beschluss des<br />
Kreistages Dithmarschen, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten<br />
um die Hälfte, auf eine 50 %-Stelle zu kürzen. So scheint es<br />
immer wieder „nur“ um einen Verteilungskampf um die vorhandenen<br />
Mittel zu gehen.<br />
Als Grundlegung des Armutsproblems ist es wichtig, die welt- und<br />
bundespolitischen Wurzeln nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist<br />
und bleibt ein Skandal, dass ein Zehntel der Bevölkerung in unserem<br />
Land über 61,1 % des Vermögens verfügen und dass diese<br />
Ungleichverteilung eine zunehmende Tendenz aufweist. Die<br />
Auseinandersetzung mit der Fragestellung wird fortgesetzt.<br />
Elisabeth Ostrowski<br />
Die Powerpoint-Präsentationen von Prof. Huster und Malte<br />
Spitzer sowie das Referat von Dr. Ursula Müller finden Sie unter<br />
www.kirche-dithmarschen.de
<strong>25</strong><br />
innovative<br />
Viel geschafft – und es bleibt viel zu tun<br />
Jubiläum der Frauen Sinnstiftung<br />
Zum 10-jährigen Bestehen der Frauen Sinnstiftung erwartete die<br />
über 100 Gäste ein abwechslungsreiches Programm: Feministischer<br />
Vortrag, Frauenkabarett, Musikalisches und Kulinarisches. Den vielen<br />
Ehrenamtlichen aus den Projekten und insbesondere der<br />
Hauptverantwortlichen, Rita Bogateck, Arbeitsstelle Frauen des<br />
Kirchenkreises Hamburg-Ost, dankte die Vorsitzende des<br />
Stiftungskuratoriums, Gisela Poelke, für ihren tatkräftigen Einsatz. G.<br />
Poelke stellte fest, dass es unvermindert notwenig ist, sich für die<br />
Verbesserung der Lebenssituation von Frauen, besonders von<br />
Alleinerziehenden, einzusetzen.<br />
Da ist das kostenfreie „Müttertelefon“ mit 45 ehrenamtlich tätigen<br />
Frauen, die Müttern Gespräche anbieten. Da können Mütter mit<br />
Kindern im „Haus Lise“ eine Auszeit nehmen. Coaching für Frauen<br />
wird in schwierigen Lebenssituationen vermittelt. Die neu eröffnete<br />
„Perspektiven Werkstatt“ unterstützt junge Frauen, um einen Ausweg<br />
aus Armut, Isolation und Arbeitslosigkeit zu finden. Gut angenommen<br />
wird die Sprachförderung für Migrantinnen in Kindertagesstätten.<br />
„Ich will nicht mehr leise sein!“ sagte eine türkische Mutter nach dem<br />
Sprachförderkurs für Migrantinnen in der KiTa ihres Kindes. Endlich<br />
kann sie sich mit der Erzieherin über die Entwicklung ihres<br />
Kindes unterhalten.<br />
Propst Hartwig Liebich gratulierte von Herzen: „Neben der ganz realen<br />
und unmittelbar wirksamen Hilfe zum Bestehen des Alltags oder<br />
zur Bewältigung von Lebenskrisen vermitteln Sie in Ihrer Arbeit den<br />
Frauen, die sich an Sie wenden, immer auch so etwas wie neuen<br />
Lebens-Sinn. Sie fördern den Mut und die Fähigkeit, dem eigenen<br />
Leben wieder neuen Sinn abzugewinnen und tun damit im ganz<br />
elementaren Sinne etwas eindeutig Sinn-Volles: das Stiften von Sinn<br />
erweist sich so als eine ursprünglich christliche und evangelische<br />
Aufgabe.“<br />
Die Frauen Sinnstiftung hat auch eine politische Dimension, weil sie<br />
offen legt, dass gesellschaftliche Bedingungen Armut ungleich unter<br />
den Geschlechtern verteilen. Dass das Armutsrisiko bei Frauen<br />
deutlich höher ist und sie mit den Folgen besonders zu kämpfen<br />
„Wir wollten ‚die Hälfte der Torte’ und bekommen<br />
haben wir das Doppelte: Zum traditionellen Frauenbild<br />
wurde das traditionelle Männerbild addiert!<br />
Das kann keine Frauenbefreiung sein!“ Uta Gerstner<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
haben, führte Dr. Claudia Wallner, Autorin und Praxisforscherin,<br />
in ihrem beeindruckenden Vortrag „Alles erreicht oder doch<br />
wieder betrogen?“ vor Augen. Sie skizzierte die Erfolge der<br />
Frauenbewegung, zeigte aber auch, wo die rechtlichen, wirtschaftlichen<br />
und familienpolitischen Benachteiligungen von Frauen sind.<br />
Dabei enttarnte sie die „Sprechpolitik“ von der erreichten<br />
Gleichberechtigung als Täuschung. Bessere Bildung von Frauen<br />
führt nicht in eine bessere Beschäftigung: Der Dienstleistungssektor<br />
bleibt Frauendomäne mit seinen schlecht bezahlten, aufstiegsarmen<br />
und teilzeitorientierten Jobs. Frauen verdienen weniger und sind<br />
durch Kinder und Hausarbeit zusätzlich belastet. Dieser Wirklichkeit<br />
hinkt die „Handlungspolitik“ hinterher!<br />
Insbesondere das inszenierte Frauen- und Mädchenbild der<br />
Medien, das Dr. Wallner pointiert veranschaulichte, erschütterte<br />
viele: Sexy, frech und fit. Da werden in den USA Mädchen, sogar<br />
schon weibliche Babys, mit Pumps zu kleinen Lolitas ausstaffiert, „als<br />
ob es im Leben einer Frau nur ein richtiges Alter gibt, nämlich das<br />
zwischen 17 und 21 Jahren. Alles darunter wird aufgestylt und alles<br />
darüber muss an sich herumschnippeln“. Fazit: Wir wollten „die<br />
Hälfte der Torte“ und bekommen haben wir das Doppelte: Zum traditionellen<br />
Frauenbild wurde das traditionelle Männerbild addiert! Das<br />
kann keine Frauenbefreiung sein!<br />
Befreites Lachen erfüllte den Saal, als sich die ZuschauerInnen in<br />
den Alltagsszenen des Kölner Frauenkabaretts wiederfanden:<br />
„Arbeiten Frauen wirklich oder bilden sie sich das nur ein?“. Dabei<br />
blieb frau allerdings manchmal das Lachen im Halse stecken,<br />
waren doch die Dialoge oft die Zuspitzung dessen, was wir im<br />
Vortrag gehört hatten.<br />
Wie gut, dass wir inne halten konnten, um zu feiern, was mit der<br />
Frauen Sinnstiftung schon geschafft ist und uns gegenseitig Mut<br />
machten – auch wenn der Weg zur Gleichberechtigung noch lang ist.<br />
Das Jubiläum war eine gelungene Stärkung!<br />
Uta Gerstner<br />
Dr. Claudia Wallner
Foto: Katharina Born<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
Wie geht das mit dem Umkehren?<br />
Bei sich anfangen, um die Welt zu verändern<br />
Montagabend im Flensburger Gemeindehaus St. Petri. Alle warten<br />
gespannt auf Hanna Poddig. Zum Jahresthema „Es geht auch<br />
anders – umkehren zum Leben“ hatte das Ev. <strong>Frauenwerk</strong><br />
Schleswig-Flensburg drei Frauen eingeladen: Margit Baumgarten,<br />
ehemalige Pröpstin aus Hamburg, Ute Hörcher, Vertreterin des ökologischen<br />
Landbaus aus der Region und Hanna Poddig, deren<br />
Name sicherlich der werbewirksamste war. Sie ist Vollzeitaktivistin,<br />
für ihre Protestaktion des Ankettens an Bahngleise rechtskräftig verurteilt<br />
und lebt bewusst und öffentlich von dem, was unsere<br />
Überflussgesellschaft wegwirft – sie containert, „kauft“ also aus<br />
Müllcontainern der Supermärkte ein. In Diskussionsrunden mit<br />
machtpolitisch einflussreichen Menschen argumentiert sie radikal<br />
und oft aggressiv. So habe ich auch erst nach zwei Ablehnungen<br />
ein Gemeindehaus gefunden, in dem wir diskutieren konnten.<br />
Die drei Frauen stellten sich vor mit dem, was sie anders machen in<br />
ihrem Leben. Ute Hörcher beeindruckte mit dem persönlichen<br />
Bericht über ihren Lebensweg als Biologin, die sich für Artenvielfalt<br />
einsetzte und sich in einen konventionell arbeitenden Landwirt verliebte.<br />
Sie schilderte den gemeinsamen Entscheidungsweg in der<br />
neu gegründeten Familie zur ökologischen Landwirtschaft.<br />
Ökologisch wirtschaften ist möglich, allerdings bedarf es nicht<br />
nur der Einsicht, sondern auch der aktiven Unterstützung der<br />
Einkaufenden.<br />
Mal „mit dem Auge Gottes schauen,“ beschrieb Margit Baumgarten<br />
ihre Lebenshaltung: „Es eröffnet neue Blickwinkel, wenn man von<br />
verschiedenen Seiten schaut und die eigene Sicht verändert.<br />
Wie bei den einschlägigen Internetdiensten hilft es, den Blick weg<br />
zu zoomen, um neue Zusammenhänge - oder Zusammenhänge<br />
neu zu erkennen“. An anschaulichen Geschichten machte sie dies<br />
v. l.: Hanna Poddig, Ute Hörcher, Margit Baumgarten, Eva Viedt<br />
innovative<br />
26<br />
deutlich, sodass im Publikum sofort Zustimmung und Brücken zum<br />
eigenen Handeln entstanden. Z. B. erzählte sie von einer Gruppe<br />
von Müttern, die - unter zeitweiser Einbeziehung des ganzen Dorfes,<br />
in zweieinhalbjährigem Einsatz an einer sehr befahrenen, gefährlichen<br />
Straße eine Fußgängerampel durchsetzte; oder von dem rumänischen<br />
Zeitungswerber, der sich nach einem langen Gespräch<br />
aus seiner Abhängigkeit befreite und dies mit einer Dankeskarte aus<br />
Rumänien mitteilte.<br />
Hanna Poddig war an diesem Abend eine beeindruckende, freundliche<br />
und zugewandte junge Frau, die scharf formulierte. Deutlich<br />
sagte sie, wo es Fehlentwicklungen gibt, wie ihre Überzeugung sie<br />
leitet zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen und wie sie dabei ihre<br />
innere Richtschnur nie verlässt. Sicher legt sie ihren Finger in die<br />
Wunden der Gesellschaft, die auf unbedingtes wirtschaftliches<br />
Wachstum ausgelegt ist. Wer eine aggressive Fundamentalistin erwartet<br />
hatte, gegen deren Ansprüche man sich leicht abgrenzen<br />
kann, dachte nach der freundlichen und klaren Stellungnahme darüber<br />
nach, ob die eigene Einstellung nicht doch revidierungsbedürftig<br />
ist.<br />
Der Abend war gelungen, weil die drei Frauen so unterschiedlich<br />
ermöglichten, die eigenen Fragen zu reflektieren. „Es geht<br />
auch anders – umkehren zum Leben“ wurde so von einem gemischten<br />
Publikum - einem Fanclub von Hanna Poddig, <strong>Frauenwerk</strong>sfrauen<br />
und interessierter kritischer Öffentlichkeit - sehr persönlich diskutiert.<br />
Margit Baumgarten, Ute Hörcher und Hanna Poddig blieben<br />
auch nach der Veranstaltung angeregt im Gespräch zusammen, genauso<br />
wie das Publikum, das sich erst nach Verabredungen zu eigenen<br />
Aktionen freundschaftlich verabschiedete.<br />
Eva Viedt
27<br />
innovative<br />
Was wäre die Reformation ohne die Frauen?<br />
Katharina von Bora<br />
Mit dieser Frage und mit einem Gottesdienst zum Reformationsfest<br />
2010 fing alles an. Auf der Suche nach den Frauen der Reformation<br />
stieß ich sehr bald auf Katharina von Bora, die Frau an der<br />
Seite Martin Luthers. In einem Team von fünf Frauen befassten wir uns<br />
mit der Lutherin und machten uns daran, einen Gottesdienst zum<br />
Reformationsfest vorzubereiten. Nach ein paar Eckdaten zur Adligen,<br />
die schon mit 16 Jahren Nonne wurde, gestalteten wir im Verkündigungsteil<br />
ein dreiteiliges Interview mit der Frau des Reformators.<br />
Wir versuchten herauszufinden, wie es ihr im Kloster ergangen sei und<br />
was sie zur Flucht veranlasst hat, wie sie ihr Leben als Leiterin des großen<br />
Haushalts im „schwarzen Kloster“ (ehemaliges Augustinerkloster,<br />
in dem Martin Luther lebte) gestaltete und wie sie als Witwe in Kriegs-<br />
und Pestzeiten die letzten Jahre ihres Lebens bewältigte.<br />
Aus diesen Anfängen entwickelte sich ein Interesse an dem historischen<br />
Ort, an der Lutherstadt Wittenberg. Mit zehn Frauen machten<br />
wir uns auf, um die „Spuren der Katharina von Bora“ zu erkunden.<br />
Dank einer hervorragenden Führung entdeckten wir zunächst den<br />
Lebens- und Wirkungsort der Familie Luther. Im ehemaligen Augustinerkloster<br />
sorgte Käthe Luther für das Wohl des Reformators,<br />
für ihre Kinder, für verwaiste Verwandte und für die vielen Gäste,<br />
die die befreiende Botschaft des Evangeliums kennenlernen<br />
wollten. In diesen Räumen lauschten StudentInnen, Anhänger der<br />
Reformation und Bekannte den berühmten Tischreden. Käthe Luther<br />
hatte für die Mahlzeit gesorgt und sich vermutlich oft zu den Zuhörern<br />
gesellt. Ob sie dann und wann mitdiskutierte? Es wird vermutet.<br />
Katharina entwickelte sich zu einer emanzipierten, mutigen und<br />
durchsetzungsfähigen Frau, die unternehmerisch ihren Haushalt<br />
vergrößerte, um die vielen Gäste zu versorgen. Martin Luther zitiert<br />
ihre Selbstbeschreibung: „Ich muss mich in sieben Teile zerlegen,<br />
an sieben Orten zugleich sein und siebenerlei Ämter verwalten.<br />
Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin, drittens Köchin, vier-<br />
„Ich muss mich in sieben Teile zerlegen, an sieben<br />
Orten zugleich sein und siebenerlei Ämter verwalten.<br />
Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin …<br />
siebentens aber bin ich Doktorissa, die sich ihres<br />
berühmten Gatten würdig zeigen und mit 200 Gulden<br />
Jahresgehalt viele Gäste bewirten soll.“<br />
Katharina Luther, geb. von Bora<br />
Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />
tens Kuhmagd, fünftens Gärtnerin, sechstens Winzerin und Almosengeberin<br />
für Bettler in Wittenberg, siebentens aber bin ich Doktorissa,<br />
die sich ihres berühmten Gatten würdig zeigen und mit 200 Gulden<br />
Jahresgehalt viele Gäste bewirten soll.“<br />
Im Lutherhaus befindet sich jetzt das reformationsgeschichtliche Museum.<br />
Natürlich wurden uns auch die berühmten Kirchen gezeigt:<br />
die Stadtkirche mit dem Reformationsaltar von Lucas Cranach und<br />
die Schlosskirche mit der berühmten Tür, an die Martin Luther 1517<br />
die 95 Thesen anschlug und die Reformation einleitete. Jede Teilnehmerin<br />
hatte auch Zeit, den eigenen Interessen und Neigungen<br />
nachzugehen. Da wir in einem Hotel mitten in der Stadt unterkamen,<br />
war das gut möglich. Uns blieben Zeit und Raum für ein Orgelkonzert,<br />
für ein „Essen mit Luthers“ (Speisen des 16. Jahrhunderts und Tischreden<br />
Martin Luthers mit Kommentaren Katharina von Boras – nach<br />
Christine Brückner), für das Maiblumenfest und manch andere<br />
Attraktion Wittenbergs.<br />
In unserem Hotel konnten wir uns auch als Gruppe treffen. Das gab<br />
uns die Chance, Impressionen von Katharina von Bora zu vertiefen<br />
und uns auch anderen Frauen der Reformation zuzuwenden, z.B. der<br />
„Kirchenmutter“ Katharina Zell – so die Selbstbezeichnung der Frau<br />
des Straßburger Priesters Matthias Schütz. Im Internet sind vertiefende<br />
Informationen über Frauen der Reformation zu finden. Gott sei<br />
Dank gab es diese mutigen und gebildeten Frauen, Frauen, die<br />
es wagten Grenzen zu überschreiten und mit der biblischen Botschaft<br />
im Rücken aufzustehen, das Wort zu ergreifen, gegen die<br />
Mächtigen (kirchlich und politisch) zu protestieren.<br />
Nach dem Gottesdienst in der Schlosskirche eilten wir am Sonntag<br />
zu einem Vortrag von Altbischof Axel Noack: „Freiheit als Freiraum.<br />
Kirche in der DDR“. Wittenberg ist eine Reise wert, besonders auch<br />
mit dem Fokus „Was wäre die Reformation ohne die Frauen?“ In der<br />
Lutherstadt hinterließen auch Barbara Cranach, Katharina Melanchthon<br />
und Elisabeth Cruziger (Liederdichterin der Reformation) ihre<br />
Spuren.<br />
Helga Westermann
Frauen-News<br />
Bibel in gerechter Sprache neu<br />
Unter dem Motto „Gut aufgelegt“ wurde am Reformationstag in Köln<br />
die vierte, erweiterte und verbesserte Ausgabe der „Bibel in gerechter<br />
Sprache“ (BigS) vorgestellt. Fünf Jahre nach dem Erscheinen 2006<br />
präsentiert sich die BigS nun in einem neuen, handlichen Taschenformat.<br />
Auspeitschung<br />
Alle weiblichen Gefängnismitarbeiterinnen eines Teheraner Gefängnisses<br />
haben sich geweigert, ein Urteil gegen die Bürgerrechtlerin<br />
Somayeh Tohidlou zu vollstrecken. Die 33-Jährige war<br />
wegen „Beleidigung des Präsidenten“ u.a. zu 50 Peitschenhieben<br />
verurteilt worden. Das Urteil konnte zunächst nicht vollstreckt werden,<br />
weil im Iran Frauen von Frauen ausgepeitscht werden müssen.<br />
In diesem Fall folterte ein Verhörbeamter die gefesselte Soziologin.<br />
Sie gehörte zum Team des Präsidentschaftskandidaten Moussavi.<br />
Frauenquote<br />
Nach dem schlechten Abschneiden der Kieler Universität in Fragen<br />
der Gleichstellung fordert das Studierendenparlament nun eine Frauenquote.<br />
Das Präsidium der Universität startete eine Anzeigenkampagne<br />
zur Frauenförderung, um mehr Professorinnen zu gewinnen.<br />
Mit 13,6 % Professorinnenanteil landete die Kieler Universität beim<br />
Hochschulranking auf einem der letzten Plätze. Die FU Berlin erfüllt<br />
die Gleichstellungskriterien am besten.<br />
Glückliche Kinder<br />
Kinder leben in Dänemark am besten, Deutschland ist in einer Studie<br />
nur Vorletzter. 86 % der DänInnen schätzen ihr Land als kinderfreundliche<br />
ein, das ergab eine repräsentative Befragung von mehr als<br />
15.000 EuropäerInnen in 13 Ländern. In Deutschland heilten nur 21 %<br />
der Befragten ihr Land für kinderfreundlich. Kinderfreundlichkeit,<br />
so heißt es in der Studie, ist in den Ländern am höchsten, in denen<br />
die Emanzipation weit fortgeschritten ist. Die europaweit niedrigste<br />
Geburtenquote hat Deutschland, 1,37 Kinder/Frau. Viele Deutsche<br />
haben die Sorge, dass Kinder abhängig und arm machen. 60 % befürchten<br />
bei einer Familiengründung den Verlust ihrer Selbstständigkeit,<br />
58 % scheuen die aus ihrer Sicht durch Kinder entstehenden hohen<br />
Kosten. Etwas mehr als die Hälfte glaubt, dass eigene Kinder die berufliche<br />
Karriere verbauen.<br />
innovative<br />
28<br />
Frauenanteil<br />
Andorra ist das erste europäische Land in dessen Parlament<br />
Frauen in der Mehrheit sind. Der Frauenanteil beträgt 54 %, 15 der<br />
28 Abgeordneten sind Frauen. Weltweit war Ruanda das erste und<br />
bisher einzige Land mit einer Frauenmehrheit im Parlament.<br />
Wahlrecht<br />
Saudi-Arabien, eine Bastion des ultra-konservativen Islam, führt das<br />
Wahlrecht für Frauen ein. Das kündigte König Abdullah überraschend<br />
in einer Ansprache vor dem Schura-Rat (Parlament) in Riad<br />
an. In den Genuss des neuen Wahlrechts werden die saudischen<br />
Frauen jedoch frühestens 2015 kommen.<br />
Vorbehalte<br />
Viele Arbeitgeber haben bei der Stellenvergabe immer noch Vorbehalte<br />
gegenüber Frauen mit Kindern. Das hat eine Umfrage des<br />
Bürodienstleisters Regus unter leitenden Angestellten in Deutschland<br />
ergeben. Jeder Dritte fürchtet, dass Mütter womöglich nicht mehr so<br />
flexibel und engagiert sind.<br />
Frauen in Führung?<br />
Frei werdende Führungspositionen beim Kosmetikkonzern Beiersdorf<br />
(„Nivea“), Hamburg sollen in Zukunft vorrangig mit Frauen besetzt<br />
werden. Dies versicherte der Personalvorstand. Beiersdorf hat<br />
sich eine freiwillige Frauenquote verordnet und vorgenommen, bis<br />
2020 auf den drei Führungsebenen unterhalb des Vorstands einen<br />
Frauenanteil von 30 % zu erreichen. Dem 6-köpfigen Konzernvorstand<br />
gehören z. Z. nur Männer an. Im Aufsichtsrat der Beiersdorf<br />
AG sind 4 von 12 Mitgliedern weiblich.<br />
Gegen Gewalt an Frauen<br />
Die Bundesregierung stütz ein Europaratsübereinkommen zur<br />
Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher<br />
Gewalt. Das Kabinett beschloss, der Unterzeichnung zuzustimmen.<br />
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kündigte außerdem die<br />
Einrichtung eines kostenlosen Hilfetelefons für von Gewalt betroffenen<br />
Frauen an. Das Übereinkommen regelt detailliert, wie europaweit<br />
Frauen und generell Opfer häuslicher Gewalt geschützt werden<br />
sollen.<br />
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) Bürgerrechtlerin Somayeh Tohidlou Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien
29 innovative<br />
Buch-Tipps<br />
Mystik + Frauen<br />
„Frauen haben ihre eigene Art zu schauen, zu erfahren: sie haben<br />
ihre eigene Weise, das Ganze intuitiv und imaginativ zu erfassen<br />
und dabei das Einzelne nicht aus dem Blick zu verlieren.“<br />
So beginnt Ingrid Riedel die Einleitung zur weiblichen Spiritualität.<br />
Im Hauptteil des Buches stellt sie fünf Frauen vor, die in verschiedenen<br />
Jahrhunderten aus Quellen und Kräften der Mystik lebten.<br />
Ingrid Riedel beschreibt verständlich den jeweiligen mystischen<br />
Ansatz. Sie fügt die zum Verstehen nötigen biografischen und zeitgeschichtlichen<br />
Angaben ein. Und sie zeigt Querverbindungen zwischen<br />
den Mystikerinnen untereinander und schlägt Brücken in unsere<br />
Zeit.<br />
Folgenden Frauen widmet sie jeweils ein Kapitel:<br />
„Die Seele ist wie ein Wind“ – Hildegard von Bingen (1098 - 1179)<br />
begreift den ganzen Kosmos durchwirkt von göttlichen Atem oder<br />
mit ihrem Bild beschrieben: „durchpulst von lebendigem Grün“.<br />
„Mystik der Liebe zum > Fern-Nahen
Buch-Tipps<br />
Chancen des Alterns<br />
„Alter ist kein Defizit, sondern ein Geschenk“ zitiert Ingrid Riedel<br />
Betty Friedan aus deren Buch „Mythos Alter“. Und: „Gut die Hälfte<br />
der heute über neunzigjährigen hochaltrigen, betagten Menschen,<br />
führen ein weitgehend selbständiges und selbstbestimmtes Leben<br />
und siebzig Prozent von ihnen zeigen keine bedeutsamen Einschränkungen<br />
in der geistigen Leistungsfähigkeit.“ (Brigitte Dorst:<br />
„Altern als Lebenskrise und Reifungschance“)<br />
Ingrid Riedel schließt sich der These von Friedan an, dass aus Sicht<br />
der Gerontologen nicht die Fähigkeiten der Alternden im Vordergrund<br />
stehen, sondern zu stark nach den Defiziten gefragt wird. Ihr<br />
Buch ist ein Plädoyer, sich an den eigenen Ressourcen zu orientieren<br />
und das Leben auszuschöpfen, um es schließlich zufrieden<br />
loslassen zu können. Dabei nimmt die Autorin uns mit auf<br />
eine Reise durch Erfahrungen – eigene und die anderer. Die von ihr<br />
beispielhaft erzählten Erfahrungen sind der rote Faden, an dem sie<br />
anschaulich macht, dass wir uns lebenslang entwickeln und welche<br />
Chancen hieraus für uns im Alter erwachsen.<br />
Ihr Buch ist für LeserInnen ein Gesprächsangebot für einen inneren<br />
Dialog. Es lädt ein, über das eigene Leben nachzudenken, um daraus<br />
Inspiration für die Gestaltung des Seins in der Gegenwart<br />
zu schöpfen. Ingrid Riedel schreibt über das Alter nicht als einen<br />
Zustand, sondern als einen Prozess der Veränderung, in dem Menschen<br />
sich – wie immer schon im Leben und immer noch – wandeln.<br />
Wandeln hin zur „inneren Freiheit des Alterns“, wo nicht mehr die<br />
Frage nach dem Warum gestellt werden muss, denn wir leben, um<br />
des Lebens Willen – wie Ingrid Riedel anknüpfend an Meister<br />
Eckhart meint.<br />
„Die innere Freiheit des Alterns“ – kein Ratgeber, sondern ein guter<br />
Begleiter durch eine Lebensphase.<br />
Ingrid Riedel<br />
Die innere Freiheit des Alterns<br />
Walter Verlag, Mannheim 2010<br />
ISBN 978-3-530-50608-2<br />
18,90 Euro<br />
Elisabeth Ostrowski<br />
Wertvolle Impulse<br />
innovative<br />
30<br />
„Fünfzig +“, die Mitte des Lebens ist längst erreicht, wie soll das<br />
Leben weitergehen? „Die Mitte ist voller Spannungen. Mehr als die<br />
halbe Wegstrecke ist vorüber, und doch bin ich noch mittendrin,<br />
gespannt und ein bisschen bange, was noch alles kommen wird“,<br />
schreibt Margot Käßmann.<br />
Käßmann zieht Bilanz, schaut in zehn Kapiteln zurück auf ihr Leben,<br />
sie spart nichts aus, auch nicht das Scheitern ihrer Ehe und ihre Krebserkrankung.<br />
Sie nimmt die Gegenwart wahr und fragt sich, wie sie<br />
zukünftig leben will. Es ist ein authentisches Buch, in dem die<br />
Geisteshaltung und das Gottvertrauen der Autorin überzeugen.<br />
Margit Käßmann sucht nach ihrer Mitte zwischen dem Loslassen der<br />
nun erwachsenen Kinder und der Begleitung der älter werdenden<br />
Mutter, sie nimmt körperliche Veränderungen wahr und beschönigt<br />
nichts. Sie überprüft Freundschaften und beschreibt wie geschwisterliche<br />
Beziehungen im Laufe der Jahre wieder enger werden. Ein<br />
Brief an einen sterbenskranken Freund und Tagebuchaufzeichnungen<br />
aus der Zeit ihrer Krankheit berühren. Verse der Bibel<br />
und Gedichte umrahmen die Gedanken um diese Lebenszeit, der<br />
Mitte des Lebens.<br />
Dieses Buch ist eine lohnende Lektüre zur Überprüfung der eigenen<br />
Lebensbilanz, aber es eignet sich auch hervorragend als<br />
Gesprächsgrundlage für Frauengruppen, weil Margot Käßmann<br />
kein Blatt vor den Mund nimmt und die Themen, die Frauen in der<br />
Mitte des Lebens betreffen offen anspricht und nichts tabuisiert.<br />
Das Buch „In der Mitte des Lebens“ ist zwar nicht mehr ganz neu,<br />
aber dennoch sehr empfehlenswert!<br />
Margot Käßmann<br />
In der Mitte des Lebens<br />
Herder Verlag, Freiburg 2010 5<br />
ISBN 978-3-451-30201-5<br />
16,95 Euro<br />
Susanne Peters
Foto: Verena Mittermaier<br />
31<br />
innovative<br />
Dorothee-Sölle-Preis<br />
Fanny Dethloff ausgezeichnet<br />
Auf dem Deutschen Ev. Kirchentag in Dresden erhielt Fanny Dethloff,<br />
Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, den ersten<br />
Dorothee-Sölle-Preis für aufrechten Gang vom Ökumenischen<br />
Netzwerk „Kirche von unten“. Dieser Preis ist nicht dotiert. Er ist ein<br />
Preis, der sein Gewicht durch den Namen Dorothee Sölle erhält.<br />
Der Preis wurde im Beisein von Fulbert Steffensky der richtigen<br />
Frau verliehen, einer, die aufrecht geht, weil sie nicht anders<br />
kann. Sie stellt Öffentlichkeit her für Menschen, die im Dunkeln leben<br />
müssen, die ihre Heimat aus Unterdrückung oder Verfolgung<br />
verlassen haben. F. Dethloff setzt sich leidenschaftlich ein für Menschen,<br />
die auf der Flucht und ohne Bleibe sind.<br />
Es ist ein großes Glück, dass die Nordelbische Kirche eine Flüchtlingsbeauftragte<br />
hat, die nicht locker lässt: Fanny Dethloff brennt<br />
für das, was sie tut. Sie wurde zur engagierten Kämpferin für Kirchenasyl<br />
und Menschenrechte, als sie erlebte, wie Menschen, die<br />
Schutz suchten, aus der Kirche heraus von Polizeibeamten abgeschoben<br />
wurden. Sie ist Zeugin, sie dokumentiert, was sie erlebt.<br />
Sie arbeitet neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit ehrenamtlich im<br />
Bereich Kirchenasyl. Ihr Engagement ruht auf dem Fundament ihres<br />
Glaubens und der Bibel, die voller Migrationsgeschichten ist. Sie<br />
hilft den Flüchtlingen, sucht Wohnungen, baut ein Netzwerk auf und<br />
kämpft auf allen Ebenen für die Rechte derer, die schutzlos sind.<br />
Bete wild und gefährlich, so könnte ihr Lebensmotto heißen, sagte<br />
der Laudator Uwe-Karsten Plisch in Dresden. „Ich bin ein Fremdling<br />
gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.“ Fanny Dethloff zitierte,<br />
dass sie „(manchmal) grenzenlos glücklich, (selten) absolut furchtlos,<br />
(aber fast) immer in Schwierigkeiten“ ist. Sie hielt eine flammende Rede<br />
für die Arbeit mit den Flüchtlingen. Ihr Fazit: „Es ist eine rassistisch<br />
aufgeheizte, bösartige Kampagne, wenn wir sagen, dass wir dümmer<br />
werden durch MigrantInnen – ja, das ist zugleich Gotteslästerung.“<br />
v. l.: Renate Wind, Fanny Dethloff,<br />
Uwe-Karsten Plisch<br />
Fanny Dethloff, Verena Mittermaier (Hg.)<br />
Kirchenasyl – Eine heilsame Bewegung<br />
Von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 2011<br />
ISBN 978-3860594346, 19,90 Euro<br />
Gertrud Wellmann-Hofmeier<br />
Stolz geben<br />
Als Vorsitzende des Oikocredit Förderkreises<br />
Norddeutschland e. V. berichtet Julia Patzke<br />
von der Generalversammlung in Tansania.<br />
Und außerdem<br />
Wir besuchen das Microfinanzinstitut Yosefo. Geld wird gezählt und<br />
in Bücher eingetragen. Frauen zeigen uns die Rückzahlung ihrer<br />
Mikrokreditraten. Yosefo hat ca. 17.000 KundInnen zu 80 % Frauen.<br />
Alle Kredite werden durch eine Lebensversicherung abgedeckt. Zwei<br />
Drittel des Kreditportfolios hat Yosefo an „Solidaritätsgruppen“ ausgeliehen:<br />
Fünf Personen nehmen den Kredit gemeinschaftlich auf.<br />
Die KundInnen bauen sich damit kleine Gewerbebetriebe auf oder<br />
betreiben Shops. Fortbildung und Gesundheitsberatung gehören zu<br />
den Leistungen von Yosefo. Das Unternehmen arbeitet seit zwei<br />
Jahren mit Oikocredit und schätzt die Unterstützung, die es von<br />
Oikocredit erhält.<br />
Wir besuchen eine Lobsterfarm, Kreditnehmer von Yosefo. Unser<br />
Weg führt uns quer über Zanzibar, Afrika wie aus dem Bilderbuch.<br />
Durch einen schmalen Raum gelangen wir zu der „Farm“: In einem<br />
Becken schwimmen ca. 12 Hummer. Der Inhaber hat Absprachen<br />
mit 15 Fischern getroffen, die mit Abnahmegarantie exklusiv für ihn<br />
fischen. Beliefert werden Hotels und der Großmarkt. So klein und<br />
bescheiden ist in diesem Teil der Erde ein Unternehmen, von dem<br />
eine Familie existieren kann. Der Inhaber führt die Geschäfte mit<br />
seiner zweiten Frau, die die Geschäftsidee hatte, die erste Frau kümmert<br />
sich um Haushalt und die 11 Kinder.<br />
Ein Besuch des alten Sklavenmarkts macht uns eindringlich die<br />
Wunden bewusst, die dem Schwarzen Kontinent vor Generationen<br />
zugefügt wurden. Wie klein, aber auch wie notwendig scheint demgegenüber<br />
unsere Arbeit, mit der wir ProjektpartnerInnen Unterstützung<br />
für ihren Weg in eine bessere Zukunft anbieten! Beim Mittag am<br />
Hafen bringt der Manager von Yosefo es auf den Punkt: „In Afrika<br />
sagen wir, vererbe deinen Kindern kein Geld. Vererbe ihnen Stolz.<br />
Stolz ist es, was wir unseren KundInnen zu geben versuchen.“<br />
Julia Patzke
theologisch ● spirituell ● individuell ● praktisch ● politisch<br />
Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong><br />
Programm 2012<br />
Seminare 0431 – 55 779 112 | Bärbel Rimbach<br />
Reisen 0431 – 55 779 111 | Kirsten Larsen<br />
Da könnte auch<br />
für Sie etwas<br />
dabei sein:<br />
Vom Tanzen, Wandern, Schweigen<br />
bis zum Konfliktmanagement, von<br />
nachhaltiger Ökonomie bis zu<br />
‚Selbst-bewusst authentisch sein‘,<br />
von Strategien gegen Diskriminierung<br />
bis zur biblischen Sicht auf<br />
unser neues Jahresthema „JETZT<br />
___ ist die Zeit“, vom Friedens-Engagement<br />
bis zur Denkwerkstatt,<br />
von feministisch-theologischer<br />
Spurensuche in der Bibel bis zu<br />
‚Veränderungsprozesse verstehen<br />
und gestalten‘, von interkulturellen<br />
Begegnungen bis zur Biografiewerkstatt<br />
Ost-West, vom Einblick<br />
in jüdische Gottesdienste bis zu<br />
eigenen Ritualen, von Weltgebetstags-Workshops<br />
bis zur Natur<br />
als spirituellem Erfahrungsraum …<br />
– das bieten unsere Seminare.<br />
Außerdem nehmen die Frauen-<br />
Reisen Hin und weg unsere Themen<br />
mit auf Reisen: Begegnen<br />
Sie großen Frauen des Mittelalters<br />
auf der Deutschlandrundreise,<br />
pilgern Sie an der Ostsee, reisen<br />
Sie ins Weltgebetstagsland Frankreich,<br />
erleben Sie die Traditionen<br />
des wild-romantischen Rumäniens,<br />
machen Sie eine Klosterfahrt<br />
auf den Spuren heiliger Frauen,<br />
fastenwandern Sie auf Usedom,<br />
spüren Sie den Zauber des Baltikums<br />
und …<br />
All dies und noch viel mehr finden<br />
Sie in unserem Programm<br />
2012, eben „vielseitig und<br />
engagiert“. Das Programm<br />
bekommen Sie unter<br />
0431 – 55 779 107 (Ute Schröder)<br />
oder www.ne-fw.de<br />
www.ne-fw.de