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Innovative 25 - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche

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innovative<br />

innovative<br />

Zeitschrift<br />

des Nordelbischen<br />

<strong>Frauenwerk</strong>es<br />

Nr. <strong>25</strong><br />

Dezember 2011<br />

- Mai 2012<br />

<strong>25</strong><br />

Dorothee-Sölle-Preis für aufrechten Gang<br />

Nur 7 % MwSt für Kinderartikel<br />

Was wäre die Reformation ohne die Frauen?<br />

Auf den Spuren unserer Kleidung<br />

Fasten nach Hildegard von Bingen<br />

Passionsbuchprojekt „Leidenschaftlich“


Inhalt | Impressum<br />

Inhalt<br />

Impressum ......................................................... 2<br />

Editorial ............................................................. 3<br />

Anstoß<br />

Und: Was haben Sie so gemacht in Ihrer Sabbatzeit? ............. 4<br />

Projekte/Aktionen<br />

Nur 7% für Kinderkleidung ......................................... 5<br />

Hebammen-Protest ................................................. 5<br />

Alternativen … Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash ..... 6<br />

Leidenschaftlich. Sieben Wochen das Leben vertiefen ........... 7<br />

Steht auf für Gerechtigkeit. Weltgebetstag aus Malaysia .......... 8<br />

Vertrauen wächst durch den Dialog – das transkulturelle<br />

und interreligiöse Lernhaus der Frauen ............................ 9<br />

Von der Konsum- zur Care-Gesellschaft ........................... 10<br />

Ernährungsbildung und Prävention von Essstörungen ........... 11<br />

Gegen Burnout ...................................................... 11<br />

GODE TIED genießen .............................................. 11<br />

Lebensübergänge begleiten – Rituale in der Natur ............... 12<br />

Auf den Spuren unserer Kleidung ................................. 13<br />

Verabschiedung von Gundula Döring ............................. 14<br />

10 Jahre Trotz-allem-Gottesdienste ................................ 15<br />

Interview<br />

mit Barbara Schmodde, Kommunikationstrainerin:<br />

„Es macht mich immer wieder neugierig,<br />

mit Menschen zu arbeiten“ ......................................... 16<br />

innovative<br />

<strong>25</strong><br />

innovative <strong>25</strong><br />

Zeitschrift des<br />

Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es<br />

Dezember 2011 - Mai 2012<br />

(Redaktionsschluss: 1. Oktober)<br />

Herausgeberin<br />

<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong><br />

Kerstin Möller, Leiterin<br />

Gartenstraße 20<br />

24103 Kiel<br />

Fon 0431 - 55 779 100<br />

Fax 0431 - 55 779 150<br />

<strong>Frauenwerk</strong>@ne-fw.de<br />

www.ne-fw.de<br />

innovative<br />

Von Frauen ......................................................... 18<br />

Hintergrund<br />

Behindert? Verletzte Körper ....................................... 19<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Aufgestockt! Beratung für Müttergenesungskuren ............... 21<br />

Frauenfußball spezial ............................................... 21<br />

Aufbruchsstimmung … und wie es weiter geht .................... 22<br />

Sanftes Fasten nach Hildegard von Bingen ....................... 23<br />

Gesichter der Armut ................................................ 24<br />

Jubiläum der Frauen Sinnstiftung ................................. <strong>25</strong><br />

Wie geht das mit dem Umkehren? ................................. 26<br />

Was wäre die Reformation ohne die Frauen? ..................... 27<br />

Frauen-News ....................................................... 28<br />

Buch-Tipps<br />

Mystik + Frauen .................................................... 29<br />

Pilgern als innere Haltung .......................................... 29<br />

Chancen des Alterns ............................................... 30<br />

Wertvolle Impulse .................................................. 30<br />

Und außerdem<br />

Dorothee-Sölle-Preis verliehen ..................................... 31<br />

Oikocredit. Stolz geben ............................................ 31<br />

Die Rückseite<br />

Programm 2012 des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es ............. 32<br />

Verantwortlich, Konzept und Redaktion<br />

Annette von Stritzky, Fon 0431 - 55 779 105, avonstritzky@ne-fw.de<br />

Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten,<br />

evtl. auch zu kürzen. Die innovative erscheint i.d.R. im Juni und<br />

Dezember.<br />

Nachdruck mit Quellenangabe und Belegexemplar gern gestattet.<br />

Gestaltung und Illustrationen<br />

Susanne Adamek, Kommunikation & Design<br />

Titelfoto Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e. V.<br />

Sekretariat Bärbel Rimbach<br />

Auflage 10.000 Exemplare<br />

Druck www.druckzentrum-neumuenster.de, gedruckt auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier, Rohstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft<br />

Redaktionsschluss für die inno 26: 15. März 2012<br />

2


3 innovative<br />

Foto: Nordbild<br />

Liebe LeserInnen,<br />

Muße, Aufbruchsstimmung, Pilgern als Lebenshaltung, sanftes<br />

Fasten, leidenschaftlich die Passionszeit erleben, für Gerechtigkeit<br />

aufstehen, im Dialog voneinander lernen, Gottesdienste gegen<br />

Gewalt an Frauen, den ersten Dorothee-Sölle-Preis, Jubiläen und<br />

vieles mehr finden Sie in dieser innovative Nr. <strong>25</strong>.<br />

Außerdem laden Kerstin Möller, Leiterin des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>es,<br />

und ich Sie herzlich ein: Am 15. Juni 2012 feiern wir mit der<br />

innovative „silbernes“ Jubiläum. <strong>25</strong> Ausgaben sind ein guter Grund<br />

für ein Fest. Feiern Sie mit uns, mit allen, die die innovative produzieren,<br />

mit allen, die schreiben und geschrieben haben, mit denjenigen,<br />

die das Layout entwickelt haben und immer wieder neue Akzente<br />

setzen, mit denjenigen, die drucken, mit dem Redaktionsteam und<br />

mit uns allen aus dem Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>. Werfen Sie einen<br />

kleinen Blick hinter die Kulissen.<br />

Überraschungen wird es geben: Den ultimativen inno-Cocktail,<br />

Musik, Kulinarisches, das innovative Rätsel, Lustiges und Humorvolles<br />

– Gespräche mit netten Leuten sind garantiert! Annette Hillebrand,<br />

Direktorin der Akademie für Publizistik (Hamburg), hat bereits<br />

ein Grußwort zugesagt.<br />

Wir wollen uns bei Ihnen, die für die innovative arbeiten und bei denjenigen,<br />

die sie lesen und verbreiten, bedanken! Die Vorbereitungen<br />

sind noch längst nicht beendet, aber einladen möchten wir Sie<br />

schon jetzt sehr herzlich zu einem Fest an einem hoffentlich lauen<br />

Sommernachmittag! FR, 15. Juni, 16 - 19 Uhr in Kiel. Anmeldungen<br />

erbitten wir unter 0431 – 55 779 112.<br />

Alles Gute beim Lesen!<br />

Ihre<br />

Annette von Stritzky<br />

b Ausschreibung<br />

Bei uns ist die Stelle der stellvertretenden<br />

Leiterin und Theologischen<br />

Referentin des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s<br />

mit einer Pastorin zu besetzen.<br />

Die Stellenausschreibung findet sich<br />

im Gesetz- und Verordnungsblatt<br />

(November) und unter www.ne-fw.de.<br />

Gern schicken wir sie auf Nachfrage zu.<br />

Bewerbungsfrist: 31. Dezember 2011.<br />

Editorial / LeserInnen-Forum<br />

Glückwunsch<br />

Von all den Publikationen, die ich bekomme,<br />

nehme ich die innovative besonders gerne in<br />

die Hand. Ich finde sie: Sehr schön aufgemacht,<br />

klasse gegliedert, schlau im Layout und voller<br />

interessanter Informationen. Es ist eine starke<br />

Visitenkarte des <strong>Frauenwerk</strong>es schon bevor<br />

frau sich dem Inhalt zuwendet. Und dann freue<br />

ich mich erst recht: Gute und engagierte Themen,<br />

Initiativen, Reise-Erkundungen, Beziehungsarbeit<br />

in der <strong>Nordkirche</strong>; pfiffige Titel<br />

und brisante Themen, z.B.: Nachhaltige Ökonomie<br />

in Gesellschaft und Kirche, interreligiöser<br />

Wagemut und Feministische Theologie<br />

und Spiritualität.<br />

Schade, dass Frau nicht überall mitmachen<br />

kann. Glückwunsch zur innovative von einer<br />

begeisterten Leserin – weiter so!<br />

Bärbel Wartenberg-Potter<br />

Bischöfin i. R., Lübeck<br />

Stärkend<br />

Hier meine ganz konkrete positive Rückmeldung,<br />

damit ich mich nicht nur still für mich<br />

freue, wie stärkend und hilfreich immer wieder<br />

Beiträge in Ihrer Zeitung sind. In der <strong>Innovative</strong><br />

24 sprachen mich der ‚Anstoß‘, der ‚Hintergrund‘,<br />

der Buch-Tipp „Haltung zeigen“ (alles<br />

von Gundula Döring) und das Interview besonders<br />

an. Danke, dass ich immer noch in Ihrem<br />

Verteiler bin, obwohl ich schon vor einiger Zeit<br />

von Hamburg weggezogen bin. Die Verbindung<br />

halten, tut gut.<br />

Ich wünsche eine fröhliche Weihnachtszeit und<br />

frohes Schaffen! Liebe Grüße aus Wunstorf,<br />

Dr. Barbara Spengler<br />

b Schreiben Sie uns<br />

Wir freuen uns, wenn wir von Ihnen hören<br />

– schreiben Sie uns Anregungen, Fragen,<br />

Wünsche, Rückmeldungen zur innovative –<br />

einfach so!<br />

b Spenden<br />

Sie bekommen die innovative kostenlos –<br />

wir freuen uns über jede Spende:<br />

<strong>Nordelbisches</strong> <strong>Frauenwerk</strong>, „innovative“,<br />

EDG Kiel, Kto. 10 740, BLZ 210 602 37.<br />

Einen herzlichen Dank allen SpenderInnen!<br />

Sie finden die innovative auch unter www.ne-fw.de


innovative<br />

Anstoß 4<br />

Und: Was haben sie so gemacht in ihrer Sabbatzeit?<br />

Diese Frage wurde mir unzählige Male gestellt. Meine Antwort<br />

war in der Regel: „Nichts.“ Das war dann manchmal ein bisschen wie<br />

bei Loriot. Oder es gab hochgezogene Augenbrauen oder ein mitleidiges:<br />

„Ach ja, Sie waren bestimmt auch ziemlich erschöpft …“. Aber<br />

es gab auch das Andere: Viele Menschen, die sich mit mir gefreut<br />

haben und sich für sich selbst auch so eine Zeit gewünscht haben:<br />

Sabbatzeit.<br />

Mein Bild und Vorbild zum Thema „Nichts“ ist Rahel Varnhagen geworden,<br />

die am 11. März 1810 eben diese Frage in ihrem Tagebuch<br />

notiert: „Was machen Sie?“ Und ihre Antwort: „Nichts. Ich lasse das<br />

Leben auf mich regnen.“ Auch dazu gab es in diesem Sommer<br />

reichlich Gelegenheit.<br />

Sabbatzeit. Auszeit. Drei Monate: Juni, Juli, August, ungefüllt. Freiraum.<br />

Eine solche Sabbatzeit löst im Vorfeld bereits eine Menge<br />

Gedanken, Träume, Ideen und Sehnsüchte aus. Doris Voigt schreibt<br />

in Ihrem Buch über ihre Sabbatzeit: „Sie erscheint … wie eine magische<br />

Zeit der großen Freiheit, in der all das endlich gelebt werden<br />

kann, was sonst im Alltag untergeht.“<br />

Ganz schnell kann darin ein neuer Leistungsstress entstehen,<br />

diese so einmalige Zeit möglichst gut zu füllen. Schließlich wird<br />

man sie so schnell nicht wieder bekommen, vielleicht nie wieder. Eine<br />

Dynamik kriecht hoch, die unseren Alltag schon sehr durchdrungen<br />

hat. Der Drang, alle Dinge und damit auch die Zeit nur im Blick auf<br />

ihre Verwertbarkeit und Nutzbarkeit hin anzusehen. Ich muss doch<br />

am Ende einer solchen Zeit etwas Überzeugendes vorzeigen oder<br />

zumindest berichten können, eine einleuchtende Antwort haben auf<br />

jene Frage: „Was haben Sie denn mit Ihrer Zeit gemacht?“<br />

Darüber kann leicht das wohl Wichtigste dieser Zeit in Vergessenheit<br />

geraten: Das Loslassen, sich aus der Hand geben, die Kontrolle<br />

und Planung abgeben und schauen, was passiert. Das Leben einfach<br />

kommen lassen, offen sein, das Nichtstun lernen. Die Zeit zu-<br />

rücklegen in die Hände, aus der wir sie empfangen: In Gottes Hände.<br />

In Psalm 31, Vers 16 heißt es: Meine Zeit steht in deinen Händen,<br />

Gott. Oder wie die ÜbersetzerInnen der Bibel in gerechter Sprache<br />

formulieren: In deiner Hand ruht meine Zeit.<br />

Meine Sabbatzeit hat mir vor Augen geführt wie sehr ich im Alltag<br />

gefangen bin in einem System, dass mir, dass uns die Vorstellung<br />

suggeriert, wir hätten die Macht über die Zeit, alles wäre nur eine<br />

Frage der Organisation, oder modern gesprochen des Zeit- und Selbstmanagements.<br />

Irgendwie ist alles machbar, schaffbar. Dabei wissen<br />

wir doch eigentlich ziemlich genau, dass Zeit nicht wirklich verfügbar<br />

und schon gar nicht verlängerbar ist. Welche ist unter<br />

euch, die ihres Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr<br />

sie sich auch darum sorgt? (Matthäus 6, 27)<br />

Zeit nicht besitzen, sondern immer wieder neu empfangen, aus<br />

Gottes Händen. Und dann auch die Zeit immer wieder ganz bewusst<br />

in Gottes Hände zurücklegen. Mit Unterbrechungen leben dürfen<br />

und können, das – so meine Erfahrung in der Auszeit – ist ein<br />

großer Reichtum, ein Geschenk. Es ist Leben in und unter der Verheißung<br />

des biblischen Sabbatgedankens.<br />

Die Erfahrungen sind nicht leicht in Worte zu fassen. Das Leben wurde<br />

in einem ganz besonderen Sinne scheinbar zielloser, weil ich nicht<br />

planen musste, darauf vertrauen konnte, dass die Ziele mich holen …<br />

– und sie haben es getan. Es ist als ob in der Sabbatzeit eine langsame,<br />

fast unmerkbare Bewegung in mir begonnen hat: Genauer<br />

wahrnehmen, bewusster mit den Ressourcen umgehen. Wichtigkeiten<br />

verändern sich, Achtsamkeit wächst.<br />

In deiner Hand ruht meine Zeit. Allein das, die Vorstellung, dass<br />

Zeit nicht rennt, gefüllt oder gerechtfertigt werden muss, sondern<br />

ruht, ruhen kann, ja vielleicht soll. Allein das … Das ist einer<br />

dieser Sabbatfäden, an denen ich festhalten möchte, denen ich<br />

Raum und Zeit verschaffen möchte mitten in meinem Alltag.<br />

Lass mich langsamer gehen, Gott.<br />

Entlaste das eilige Schlagen meines Herzens<br />

durch das Stillwerden meiner Seele.<br />

Lass mich die Zauberkraft des Schlafes erkennen.<br />

Lehre mich die Kunst des freien Augenblicks.<br />

Teil eines Gebets aus Südafrika<br />

Kerstin Möller


Fotos: Dorothea Frauböse<br />

5 innovative<br />

Projekte | Aktionen<br />

Nur 7 % für Kinderkleidung<br />

Warum zahlen wir für Kinderkleidung 19 % Mehrwertsteuer,<br />

für Hundefutter, Hotelübernachtungen, Reitpferde<br />

und Blumen 7 %?<br />

Diese Frage führte zu einer bundesweiten Kampagne für einen reduzierten<br />

Mehrwertsteuersatz für Produkte und Dienstleistungen<br />

für Kinder. Für uns in der Kirche sind Kinder Geschenke Gottes.<br />

Dass sie gut und gesund aufwachsen können, liegt nicht nur in der<br />

Verantwortung der Eltern, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe. Eltern tragen neben der Verantwortung für die Kinder<br />

auch die nicht geringen Kosten. Als Kirche bekümmert es uns,<br />

dass sich Kinderarmut in unserem reichen Land immer weiter<br />

ausbreitet. Deshalb beteiligen wir uns an der ‚Aktion 7 % für Kinder‘.<br />

Die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 % auf 7 % für<br />

Produkte und Dienstleistungen für Kinder würde Familien finanziell<br />

entlasten. Läge die Mehrwertsteuer für Kinderbekleidung, Schulbedarf,<br />

Spielzeug und Co. bei 7 %, hätten die Familien in Deutschland<br />

im vergangenen Jahr 950 Mio. € gespart.<br />

Wir, die Fachstelle Familie, das Nordelbische Jugendpfarramt, das<br />

Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong>, das Nordelbische Männerforum, der<br />

Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-<br />

Holstein e. V. und der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt, rufen<br />

dazu auf, sich an der Kampagne zu beteiligen. Unterschriftenlisten<br />

– online oder zum Ausdrucken – gibt es unter www.7fuerKinder.<br />

de. Nähere Auskünfte zur Aktion in Nordelbien gibt die Fachstelle<br />

Familie der Nordelbischen Ev. - Luth. Kirche: 0431 – 55 779 145,<br />

mbaumgarten@kirche-familien.de.<br />

Da die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die ein<br />

neues Konzept für die Reform der Mehrwertsteuer erarbeiten soll,<br />

können wir das Ergebnis mit unseren Unterschriften, die PolitikerInnen<br />

übergeben werden, beeinflussen. Die Reduzierung der<br />

Mehrwertsteuer wäre ein Zeichen für Familienfreundlichkeit in<br />

unserem Land und könnte Familien nachhaltig unterstützen.<br />

Margit Baumgarten<br />

Hebammen-Protest<br />

22.193 Unterschriften kamen in nur einem Monat zusammen!<br />

Vor einem Jahr, in der innovative Nr. 23, hat die Nordelbische Kirche<br />

zusammen mit den Hebammenverbänden Hamburg und Schleswig-Holstein<br />

aufgerufen zur Unterschriftenaktion für Hebammen.<br />

Die Aktion stand unter dem Motto<br />

1 Verlobter<br />

3 Könige<br />

Gold, Myrrhe und Weihrauch<br />

1 Engel<br />

1 Stern<br />

Mehrere Nutztiere<br />

Die himmlischen Heerscharen<br />

1 lieber Gott<br />

Und wer hilft bei der Geburt Ihres Kindes?<br />

Am 5. Mai gab es als Abschluss des 3-tägigen Hebammenstreiks<br />

eine Kundgebung mit Protestmarsch zum Landeshaus, an dem<br />

auch Bischofsbevollmächtigter Gothart Magaard und für die Kirchenleitung<br />

Annette Pawelitzki teilnahmen.<br />

Am 30. Mai übergaben in Berlin Margret Salzmann, Vorsitzende des<br />

Hebammenverbandes Schleswig-Holstein, und Gothart Magaard die<br />

Unterschriften dem ehemaligen Gesundheits- und jetzigen Wirtschaftsminister<br />

und Vorsitzenden der FDP, Dr. Philipp Rösler, und<br />

machten auf die schwierige Lage der freiberuflichen Hebammen aufmerksam.<br />

Der Minister sicherte zu, dass das Bundesgesundheitsministerium<br />

sich um die wirtschaftliche Situation der Hebammen kümmern<br />

werde. Seitdem wartet man/frau auf Verbesserungen.<br />

Durch die überdimensional gestiegenen Prämien zur Berufshaftpflicht<br />

ist die Versorgung – besonders im ländlichen Raum – durch Hebammen<br />

nicht mehr gesichert. Ein Drittel der freiberuflich geburtshilflich<br />

tätigen Hebammen musste diese Tätigkeit bereits aufgeben,<br />

weil sie von ihrem Einkommen nicht mehr leben können.<br />

Annette von Stritzky


Projekte | Aktionen innovative<br />

Alternativen …<br />

Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash<br />

Die 60 TeilnehmerInnen des Fachtags „Frauensichten auf den<br />

Finanz- und Eurocrash“, (veranstaltet vom Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholstein,<br />

der Ev. Frauenarbeit Plön-Segeberg und dem Nordelbischen<br />

<strong>Frauenwerk</strong> in der Kieler Landesbibliothek) lauschten fasziniert den<br />

Ausführungen der taz-Wirtschaftskorrespondentin Ulrike Herrmann.<br />

„Der Euro muss gerettet werden“ lautete deren zentrale Aussage.<br />

Überraschend war die positive Sichtweise der taz-Journalistin auf<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel, der der Ernst der Lage bewusst<br />

sei, die aber mit inkompetenten PolitikerInnen in CDU und FDP zu<br />

kämpfen hätte. Die Staatsschulden Griechenlands seien keine unmittelbare<br />

Folge der Finanzkrise (2008) und auch nicht spekulationsbedingt,<br />

sondern ein Konstruktionsfehler des Euro. Nicht bedacht<br />

habe man bei der Euroeinführung, dass es für Länder ökonomisch<br />

sei, sich in anderen Euroländern zu einem Zinssatz zu<br />

verschulden, wenn dieser unterhalb der Inflationsrate des eigenen<br />

Landes liegt. Genau das hat Griechenland gemacht. Es bleibe<br />

den anderen Euroländern und vor allem Deutschland nun nichts anderes<br />

übrig, als zu zahlen. Deutschlands Anteil bezifferte Herrmann<br />

auf 50 Mrd. €. Die Alternative sei ein großer Crash, der die Regierungen<br />

zwinge, das Finanzsystem mit 500 Mrd. Euro zu stützen,<br />

wolle man die Gelder in der privaten Altersvorsorge und in Lebensversicherungen<br />

schützen.<br />

Wichtig sei, dass Deutschland seine Exportüberschüsse herunterfahre<br />

und seine vergleichsweise niedrigen Löhne anhebe. Denn unsere<br />

Überschüsse sind gleichzeitig die Defizite anderer Länder.<br />

Eurobonds, die gemeinsame Staatsanleihe für den Euroraum, seien<br />

ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Währungsgemeinschaft.<br />

Wenn alle gemeinsam haften, sinken die exorbitanten Zinsen für die<br />

hoch verschuldeten Staaten.<br />

Spannend wurde es, als die Theologin Ulrike Sals die biblischrabbinischen<br />

Texte auf ihre Antworten zur Schuldenkrise befragte.<br />

Da war der Pfandschutz, der besagt, dass Arme etwas behalten<br />

sollen und der/die Verzichtende gesegnet wird – vielleicht ein<br />

Hinweis, den von Sparpaketen geplagten GriechInnen einen Teil der<br />

Schulden zu erlassen. Ulrike Sals setzte das Prinzip des Genug ge-<br />

gen die Gier. Sie verdeutlichte dieses u. a. an der Geschichte vom<br />

Manna in der Wüste. Die Pointe besagt, dass es nicht um das Anhäufen<br />

von möglichst viel geht, sondern um Vertrauen, dass genug<br />

für alle da ist.<br />

Interessant war auch das Erlassjahr. Alle 50 Jahre fällt unfreiwillig<br />

verkaufter Besitz an den ursprünglichen Besitzer zurück. So soll völlige<br />

Verarmung verhindert werden und die Erinnerung daran wach<br />

gehalten werden, dass das Land letztlich Gott gehört. Das wäre<br />

doch ein wirksames Steuerungsinstrument zur Veränderung wirtschaftlichen<br />

Verhaltens. Es könnte den Griechen später helfen, die<br />

jetzt verkauften Inseln und Häfen wieder zu bekommen.<br />

Zum Schluss stellte Antje Schneeweiß, bundesweite Fachfrau<br />

für nachhaltiges Geldanlegen, die Möglichkeiten vor, die wir als<br />

BankkundInnen haben. Sie forderte auf, Konten bei Genossenschaftsbanken,<br />

der sozialökologischen GLS-Bank u. a. zu halten.<br />

Wer etwas übrig hat, kann sich direkt an nachhaltig wirtschaftenden<br />

Firmen beteiligen und Geld so gezielt in den ökologischen Umbau<br />

der Wirtschaft lenken. Ethisch orientierte Investmentfonds seien<br />

nach den Ausschlusskriterien, z. B. Atomkraftwerke, oder mit der<br />

Frage, wer im Beirat ist, zu beurteilen.<br />

Die Teilnehmerinnen formulierten zum Schluss Werte, die ihnen<br />

wichtig sind für „Wirklich Wichtige Wertpapiere“: BankerInnen,<br />

ManagerInnen, PolitikerInnen sollen zur Verantwortung gezogen<br />

und in Haftung genommen werden. Sie wollen „aktiv werden in sozialen<br />

Netzwerken, in der Politik sich einschalten, durch Eingaben,<br />

durch LeserInnenbriefe“. Sie forderten eine Wertediskussion über<br />

unbezahlte, schlecht bezahlte soziale Arbeit, zu hoch bezahlte Arbeit<br />

von BankerInnen und Lohndumping Deutschlands gegenüber<br />

andern Ländern sowie ein Grundeinkommen für alle. Schon jetzt<br />

können alle „zu alternativen Banken wechseln und andere dazu ermutigen!<br />

Weitersagen!!“<br />

6<br />

Waltraud Waidelich<br />

„Die Staatsschulden Griechenlands<br />

seien keine unmittelbare Folge der<br />

Finanzkrise (2008) und auch nicht<br />

spekulationsbedingt, sondern<br />

ein Konstruktionsfehler des Euro.“<br />

Waltraud Waidelich<br />

Fotos: Bärbel Rimbach


7<br />

innovative<br />

Leidenschaftlich<br />

Sieben Wochen das Leben vertiefen<br />

Passionszeit-Projekt des Arbeitskreises der<br />

Theologinnen in den Frauenarbeiten – zum Thema<br />

Feministische Ekklesiologie.<br />

Wir saßen zusammen in Hofgeismar, Theologinnen aus der Frauenarbeit<br />

aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands und sprachen<br />

über uns und über die Kirche, in der wir arbeiten. Über uns in dieser<br />

Kirche. Wo sind wir leidenschaftlich dabei – wo verlieren wir uns<br />

in Strukturfragen und immer neuen Ansprüchen und Erwartungen?<br />

Können wir das, was uns theologisch wichtig geworden ist, einbringen<br />

in diese Kirche? Oder nur in die „Nischen“ der Frauenarbeit?<br />

Es wurde ein langes Gespräch. Einmal im Jahr führen wir es<br />

weiter, zusammen mit dem Frauenstudien- und –bildungszentrum<br />

der EKD, vertreten durch Claudia Janssen, und den Evangelischen<br />

Frauen in Deutschland, vertreten durch Katharina Friebe.<br />

„Mir fällt es immer wieder schwer, wenn ich in der Passionszeit in einen<br />

Gottesdienst gehe, und dann merke, wie – besonders in den alten<br />

Liedern – das Verständnis einer Passionstheologie vorherrscht,<br />

in der die alte Sühnopfertheologie immer noch weiter verbreitet<br />

wird. Ich würde so gern, dass wir Passion anders verstehen lernen“,<br />

so eine Teilnehmerin unserer Runde. Passion – das heißt ja nicht<br />

nur Leiden, das heißt auch Leidenschaft. Können wir die Passion<br />

Jesu als Leidenschaft für das Leben verstehen? Und die Passionszeit<br />

als eine Einübung in diese Lebenshaltung? So wurde die<br />

Idee zu einem „Passionsprojekt“ der Frauenarbeiten geboren.<br />

Entstanden ist daraus ein kleines Buch, eine Wegbegleitung durch<br />

die sieben Wochen der Passionszeit: „Leidenschaftlich. Sieben Wochen<br />

das Leben vertiefen“.<br />

Anknüpfend an die alte Tradition der Wochensprüche will es inhaltlich<br />

neue Wege beschreiten. Einsichten der feministischen Theologie<br />

und der neueren Bibelwissenschaft sind die Basis, auf der<br />

die Autorinnen ihre Gedanken und Assoziationen zu Leiden,<br />

Tod, Sterben und Auferstehung formulieren.<br />

Projekte | Aktionen<br />

Wer das Buch für sich Tag für Tag liest, hat ebenso Gewinn, wie die,<br />

die sich nur einzelne Texte vornehmen und sie mit einer Gruppe bedenken.<br />

Das Buch will keine fertigen Richtigkeiten präsentieren,<br />

sondern Anstöße geben zum eigenen Meditieren, Nachsinnen,<br />

Weiterdenken. Präses Nikolaus Schneider schreibt in seinem Geleitwort:<br />

„Die Texte dieses Buches helfen, sprachfähig zu werden.“<br />

Sprachliche, bildliche und musikalische Impulse begleiten auf einer<br />

Entdeckungsreise durch die Passionszeit.<br />

Herausgeberinnen sind Katharina Friebe (EFiD: Evangelische Frauen<br />

in Deutschland e.V.), Prof. Dr. Claudia Janssen (Frauenstudien-<br />

und -bildungszentrum in der EKD / Comenius-Institut), Karin Lindner<br />

(Evangelische Frauen in Württemberg) und Prof. Dr. Silke Heimes<br />

(Institut für Kreatives und Therapeutisches Schreiben), in Zusammenarbeit<br />

mit Annegret Brauch, Gundula Döring, Helene Dommel-<br />

Beneker, Antje Hintze, Barbara Kohlstruck, Magdalena Möbius, Ute<br />

Niethammer, Cornelia Radeke-Engst, Anne Rieck, Andrea Wöllenstein.<br />

Das Buch (160 Seiten, gebunden mit Lesebändchen) erscheint 2012<br />

im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen und kostet € 14,95.<br />

Am 22. Februar 2012 wird es in der Marktkirche Hannover der Öffentlichkeit<br />

vorgestellt.<br />

Anzeige<br />

Gundula Döring


Projekte | Aktionen<br />

Steht auf für Gerechtigkeit<br />

Weltgebetstag 2012 aus Malaysia<br />

Wir nähern uns dem nächsten Weltgebetstagsland:<br />

Im März 2012 feiern die Frauen aus Malaysia ihren<br />

Gottesdienst mit Menschen überall in der Welt.<br />

Malaysia – das steht für Gegensätze, Kulturen und Religionen,<br />

die nebeneinander leben. So setzt sich die Bevölkerung aus MalayInnen,<br />

Menschen chinesischer Abstammung, Menschen aus indigenen<br />

Völkern, aus InderInnen und anderen zusammen. Rund 60 %<br />

der MalayInnen gehören zum Islam (Staatsreligion). Andere EinwohnerInnen<br />

gehören dem Christentum, Buddhismus, Hinduismus<br />

und traditionellen Religionen an. Malaysia kämpft hart, um sich vom<br />

Schwellenland in einen modernen Staat zu verwandeln.<br />

Der Weltgebetstag (WGT) steht unter dem Motto „Steht auf für Gerechtigkeit“<br />

– eine Aufforderung an uns alle, nicht länger die Augen<br />

vor Ungerechtigkeit zu verschließen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen.<br />

Auf Ungerechtigkeiten weisen die Frauen aus Malaysia<br />

immer wieder in der Gottesdienstordnung hin. So berichten sie von<br />

der Menschenrechtsaktivistin Irene Fernandez, die sich seit<br />

Jahren in ihrer Basisorganisation „Tenaganita“ (Frauenkraft) für<br />

MigrantInnen einsetzt, die als Hausangestellte ausgebeutet werden.<br />

Malaysia ist das größte Zielland für ungelernte MigrantInnen im<br />

südostasiatischen Raum. So wird ungefähr ein Drittel der Arbeitskraft<br />

in Malaysia durch Menschen mit Migrationshintergrund gestellt.<br />

Bis zu einer halben Million Menschen dieser Gruppe arbeiten<br />

als Hausangestellte, oft ohne Verträge, ohne geregelte Arbeitszeiten,<br />

ohne Mindestlohn und ohne soziale Absicherung.<br />

innovative<br />

Viele Hausangestellte arbeiten rund um die Uhr an sieben Tagen in<br />

der Woche und erhalten dafür nur einen geringen Monatslohn. Oft<br />

müssen davon die Schulden beglichen werden, die durch die<br />

Arbeitsvermittlung entstanden sind. Für die Opfer dieser modernen<br />

Form der Sklaverei arbeitet „Tenaganita“. So kämpft die Organisation<br />

beispielsweise für einen freien Tag in der Woche oder bietet<br />

Kurse an, in denen sich die Hausangestellten über ihre Rechte informieren<br />

und austauschen können. Für Irene Fernandez bedeutet<br />

Gerechtigkeit: „Der Schutz der Rechte und der Würde aller Völker.<br />

Denn alle Menschen wurden als Ebenbild Gottes geschaffen.“<br />

Die Menschen- und ArbeitnehmerInnenrechte von Hausangestellten<br />

werden aber nicht nur in Malaysia, Südafrika, Brasilien oder anderen<br />

Ländern oft nicht beachtet, auch bei uns in Deutschland befinden<br />

sich Hausangestellte häufig in schwierigen Situationen. So ist der<br />

Bedarf an Hausangestellten, die pflegerische Tätigkeiten übernehmen,<br />

aufgrund des demografischen Wandels sehr groß. Die Zahl<br />

der nicht gemeldeten Hausangestellten wird auf 4 Mio. geschätzt.<br />

120.000 Frauen aus Osteuropa arbeiten als nicht gemeldete Pflegekräfte<br />

in deutschen Privathaushalten. Aus Unwissenheit unterschreiben<br />

viele von ihnen Knebelverträge, die ihnen von Agenturen<br />

in ihren Heimatländern aufgezwungen wurden. Viele wissen nicht,<br />

dass sie auch legal arbeiten können und welche Rechte ihnen als<br />

Arbeitnehmerinnen zustehen. Falls Sie vorhaben eine Hausangestellte<br />

anzustellen oder dies schon tun und unsicher sind, wie<br />

Sie vorgehen sollen, können Sie sich auf dieser Website informieren:<br />

www.faircare-diakonie.de<br />

Seit vielen Jahren schon unterstützt die Projektförderung des Deutschen<br />

WGT-Komitees Anträge, die die Rechte von Hausangestellten<br />

fördern und unterstützen. Mit dem Thema „Steht auf für Gerechtigkeit“<br />

stellt der WGT 2012 das Empowerment (Stärkung) von<br />

Hausangestellten weltweit in den Mittelpunkt. Neben Projekten<br />

in Peru, Paraguay, Hong Kong und Mali, fördert der WGT ab 2012<br />

auch „Tenaganita“, die mit einer landesweiten Kampagne das gesellschaftliche<br />

Bewusstsein fördern wollen.<br />

8<br />

Julia Lersch<br />

Fotos: Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee e. V.


Foto: Isabell Chowaniec<br />

9<br />

innovative<br />

Vertrauen wächst durch den Dialog<br />

Das transkulturelle und interreligiöse Lernhaus der Frauen<br />

Stimmen und Lachen schwirren durch den Raum. P. hat anlässlich<br />

des Ramadanendes eingeladen und für uns gekocht. Auch alle anderen<br />

haben etwas zum Buffet beigesteuert. Neben Couscous und<br />

orientalischen Süßigkeiten finden sich Obstquark und Brezeln. Die<br />

Tischgespräche kreisen um Persönliches und um politische Themen,<br />

Vertrautheit und Respekt im Miteinander sind zu spüren.<br />

Dies ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis einer längeren<br />

Entwicklung.<br />

Vierzehn Frauen mit unterschiedlichen kulturellen Wurzeln haben<br />

im März 2011 einen spannenden und intensiven Lernprozess<br />

miteinander begonnen. Ein Jahr lang nehmen sie an der Fortbildung<br />

„Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der Frauen“<br />

teil. Unterschiede bewusst wahrzunehmen, sie zu respektieren und<br />

konstruktiv damit umzugehen steht im Mittelpunkt des Lernhausprogramms.<br />

Es bedeutet, sich miteinander auf einen Weg zu machen,<br />

auch Hindernissen nicht aus dem Weg zu gehen und sich auf<br />

Unterschiedlichkeit, die keineswegs nur im Kulturellen deutlich wird,<br />

einzulassen. Das Erlernen von Methoden und Grundwissen über<br />

andere Religionen und Kulturen unterstützen diesen Prozess. Die<br />

Teilnehmerinnen entscheiden selbst, welche Schwerpunkte sie setzen<br />

möchten, Partizipation ist ein Grundgedanke des Lernhauses.<br />

Wie wir aus Kommunikationsstrukturen herauskommen können,<br />

in denen es hauptsächlich darum geht, wer sich mit seiner Meinung<br />

durchsetzt und wie wir stattdessen in einen echten Dialog<br />

miteinander eintreten können, war Thema des ersten Seminars.<br />

Die Dialogidee lehnt sich an den jüdischen Religionsphilosophen<br />

Martin Buber an. Für ihn findet Dialog dort statt, wo sich Menschen<br />

einander mit ihrem ganzen Wesen „wahrhaftig“ zuwenden. Respekt,<br />

empathisches Zuhören, erkundendes Fragen sind daher wichtige<br />

Dialogregeln. Dinge, die selbstverständlich scheinen und doch im<br />

Alltag oft schwer umzusetzen sind. Mit Übungen konnte die Gruppe<br />

ihre Sensibilität schärfen.<br />

Projekte | Aktionen<br />

Gut ergänzt wurde das Dialogtraining durch ein Seminar zur Biographiearbeit.<br />

Das Erzählen von eigenen Erfahrungen in einem geschützten<br />

Raum schafft Vertrauen. Gemeinsamkeiten können entdeckt<br />

werden, die z. B. eine Frau, die in Albanien aufgewachsen ist,<br />

mit einer Frau, die in Deutschland lebt, verbindet. Unterschiede, die<br />

zunächst befremdlich erscheinen, können wertgeschätzt werden.<br />

Höhepunkt war ein „Museum der Erinnerungen“, in dem jede Frau<br />

einen Gegenstand mitbrachte und ihre Geschichte dazu erzählte.<br />

Aus der Biographiearbeit entwickelte die Gruppe das Thema „Werte“<br />

und beschloss, einen Vertreter der Stiftung Weltethos einzuladen.<br />

Die Frage, welche Werte das Zusammenleben in unserer Gesellschaft<br />

bestimmen sollen und wie interkulturell das sein kann, ist<br />

hochaktuell. Das Projekt Weltethos will eine mögliche Antwort darauf<br />

geben, indem es ein Bewusstsein für ein allen Kulturen und<br />

Religionen gemeinsames Ethos als einem kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner schaffen möchte. Dieser besteht in der „Goldenen<br />

Regel“: „Behandle andere Menschen so, wie du selbst behandelt<br />

werden möchtest.“ Sie setzt beim einzelnen Menschen an und überzeugt<br />

durch ihre Einfachheit und Universalität. Sie kann in vielen Praxisfeldern<br />

angewandt werden, in Schulen ebenso wie in der globalen<br />

Wirtschaft, in der Familie wie in der Debatte um Organspenden.<br />

Weitere Themen, mit denen sich die Gruppe noch auseinandersetzen<br />

möchte, sind Konzepte von Sterben und Tod sowie von Krankheit<br />

und Gesundheit in unterschiedlichen Kulturen. Am Schluss der<br />

Fortbildung wird ein öffentlicher Workshop am 28. Januar 2012 stehen,<br />

den die Gruppe gemeinsam gestalten wird, um die Früchte ihrer<br />

Arbeit zu präsentieren. Für die Teilnehmerinnen steht jetzt schon<br />

fest, dass das Lernhaus ein großer Gewinn für sie ist und ihnen viele<br />

Anregungen für die berufliche Praxis und für das eigene Leben mitgibt.<br />

Wir laden bereits jetzt herzlich zum Abschlussworkshop ein.<br />

Wenn Sie Interesse haben, ein solches Projekt an Ihrem Ort aufzubauen,<br />

sprechen Sie mich an, 040 - 306 20 1360.<br />

Irene Pabst<br />

„Am Schluss der Fortbildung wird ein<br />

öffentlicher Workshop am 28. Januar 2012<br />

stehen, den die Gruppe gemeinsam<br />

gestalten wird, um die Früchte ihrer Arbeit<br />

zu präsentieren.“ Irene Pabst


Projekte | Aktionen<br />

Von der Konsum- zur Care-Gesellschaft<br />

Frauen in der Debatte um die Postwachstumsökonomie<br />

„Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König“ stimmte<br />

der ältere Herr mit brüchiger Stimme an und dirigierte die TeilnehmerInnen<br />

des Zukunftscafes des Kieler Attac-Kongresses „Eine andere<br />

Welt ist nötig! Wie wollen wir leben?“. Auch das Nordelbische<br />

<strong>Frauenwerk</strong> war am Kongress beteiligt. Die Situation war an Skurrilität<br />

nicht zu übertreffen. Anderthalb Tage hatten die BesucherInnen<br />

des Alternativkongresses zum Global Economic Symposium<br />

in Kiel über Alternativen zur Wachstumsökonomie und die Grenzen<br />

des Kapitalismus diskutiert. Nun saßen sie an den Tischen im abschließenden<br />

Zukunftscafe und sangen im Kanon: „Froh zu sein bedarf<br />

es wenig“.<br />

Die Ansätze der so genannten Postwachstumsökonomie kreisen<br />

um die Frage, wie viel Wachstum unsere Erde noch verträgt. Die<br />

Umschlagshäufigkeit unseres Konsums muss sich radikal verringern,<br />

damit unsere Nachfahren auf diesem Planeten überleben, insofern<br />

wäre „froh zu sein mit wenig“ ein gutes Konzept. Unsere natürlichen<br />

Ressourcen schwinden. Was kommt danach? Die Diskussionen<br />

kreisen um zwei Lösungswege. Darum, ob wir unseren<br />

Verbrauch und Konsum radikal herunterfahren müssen, um die<br />

Erde zu retten = Suffizienzstrategie. Oder, ob es technisch möglich<br />

ist, durch intelligente nachhaltige Produktionsweise, Wärmedämmung,<br />

Windkraft, Solarenergie weniger zerstörerisch zu wirtschaften<br />

und damit neue Erwerbsmöglichkeiten zu schaffen = Effizienzstrategie.<br />

Es besteht eine gewisse Gefahr, in der aktuellen politischen Debatte<br />

über den Ausweg aus der ökologischen Krise, schizophren zu werden.<br />

Wir prangern immer wieder die zunehmende Verteilungsungerechtigkeit<br />

an und fordern mehr Teilhabe von Frauen, wie ich<br />

das auch in Vorträgen über „Armut von Frauen“ tue. Mehr Geld für<br />

niedrigere Einkommensschichten bedeutet aber auch, dass diese<br />

erfahrungsgemäß jeden zusätzlichen Euro in den die Umwelt<br />

schädigenden Alltagskonsum ausgeben. Hat nicht Ulrike Sals in<br />

ihrem Vortrag bei „Frauensichten auf den Finanz- und Eurocrash“<br />

theologisch gegen die Gier des Finanzkapitals argumentiert:<br />

„Genug ist mehr als alles!“ und lag damit auf der Linie von „Froh zu<br />

„Sind die am meisten von Armut betroffenen Frauen<br />

die Pionierinnen einer neuen Zeit, in der es darauf<br />

ankommt, wegen des CO2 -Verbrauchs möglichst wenig<br />

zu shoppen, zu reisen und Auto zu fahren?“ Waltraud Waidelich<br />

innovative<br />

10<br />

sein bedarf es wenig“? Sind die am meisten von Armut betroffenen<br />

Frauen die Pionierinnen einer neuen Zeit, in der es darauf ankommt,<br />

wegen des CO 2 -Verbrauchs möglichst wenig zu shoppen, zu reisen<br />

und Auto zu fahren? Was fordern wir für Frauen vor dem Hintergrund<br />

des Klimawandels und der schwindenden Ressourcen, wenn wir<br />

über Teilhabe, Ausgrenzung und Armut sprechen?<br />

Interessant aus Frauensichten wird es, wenn in den Debatten<br />

über Postwachstum auch immer wieder die Dienstleistungsökonomie<br />

als mögliches Erwerbsarbeitsreservoir der Zukunft ins<br />

Spiel gebracht wird. Es leuchtet ein, denn Dienstleistungen am<br />

Menschen, Sorge und Pflege, verbrauchen weniger Ressourcen als<br />

industrielle Produktion. Es ist erfreulich, dass sich in jüngster Zeit<br />

feministische Ökonominnen und Sozialwissenschaftlerinnen verstärkt<br />

der Frage der Bedeutung der „Care-Ökonomie“ zuwenden.<br />

Genannt sei bespielsweise „Gender and Economics“ (Hg. von<br />

Christine Bauhardt und Gülay Calgar). Auch das Gunda-Werner-<br />

Institut diskutierte die Bedeutung von „Care“ intensiv im März 2010.<br />

Das Argumentheft 292 (Hg.: Frigga Haug, Sabine Plonz u.a.) steht<br />

unter der Überschrift „Care - eine feministische Kritik der politischen<br />

Ökonomie?“<br />

Die Armut von Frauen liegt darin begründet, dass ein Großteil<br />

dieser Arbeit unsichtbar ist, dass Frauen Teilzeit arbeiten, im sozialen<br />

und Dienstleistungssektor schlechter bezahlt wird und<br />

das Steuersystem die hohen Einkommen und Vollzeiterwerb begünstigt.<br />

Welche Rollen „Care“ und soziale Dienstleistungen in der<br />

gegenwärtig diskutierten ökologischen Zeitenwende zugedacht<br />

werden, wie die feministischen Positionen dazu sich unterscheiden<br />

und welche Ziele mit welcher politischen Anschlussfähigkeit verfolgt<br />

werden, sollte betroffene Frauen „kümmern“ und „besorgen“,<br />

damit sie auch nach den Verteilungskämpfen um Ressourcen in<br />

Zukunft genug haben werden, um „froh sein“ zu können.<br />

Waltraud Waidelich


Fotos: Photocompany, Sabine Thomas<br />

11 innovative<br />

Projekte | Aktionen<br />

Lebenslust – Leibeslust<br />

Ernährungsbildung und Prävention von Essstörungen im Ev. Kurzentrum GODE TIED<br />

Lecker, abwechslungsreich und hochwertig – die Mütter und ihre<br />

Kinder, die bei uns eine Mutter-Kind-Kur verbringen, können zwischen<br />

vegetarischer Küche und Gerichten mit Fisch oder Fleisch<br />

wählen. Dazu kommen Besonderheiten aufgrund von Nahrungsmittelunverträglichkeiten.<br />

Allergien, Neurodermitis und weitere Erkrankungen<br />

erfordern eine spezielle Ernährung. Das Ganze fürs Auge<br />

schön zubereitet können die Mütter entspannt morgens und mittags<br />

ohne ihre Kinder essen. Viele gute Gespräche kommen zwischen<br />

den Müttern an den Tischen zustande. Gemeinsamkeiten werden<br />

entdeckt, aber auch Sorgen besprochen Die Gespräche werden zu<br />

einem wichtigen Bestandteil des Genesungsprozesses. Die Kinder<br />

werden in dieser Zeit in unserem Kinder- und Jugendland betreut.<br />

Ein motiviertes Küchenteam unter der Leitung von Sönke Christian,<br />

gleichzeitig Hygienebeauftragter, sorgt dafür (auch abends und am<br />

Wochenende), dass Mütter und Kinder eine hochwertige Verpflegung<br />

erhalten. Die Zufriedenheit unserer Gäste ist hoch. „Nun<br />

kann ich mich mal verwöhnen lassen. Das trägt auf alle Fälle zu einer<br />

guten Zeit in Ihrem Hause bei“, so die Rückmeldung einer Patientin.<br />

Nachmittags, bevor die Kinder zu ihren Müttern zurückkehren,<br />

wird die Freizeit mit den Kindern bis zum Abendbrot eingeläutet. Im<br />

Wechsel gibt es dann Obst und Kuchenvariationen, natürlich selbst<br />

gebacken. Das besondere Highlight ist die „GODE TIED-Welle“, eine<br />

Pfirsich-Variante der Donau-Welle.<br />

Seit Dezember 2010 nehmen wir an dem von der Techniker Krankenkasse<br />

geförderten Präventionsprogramm „Lebenslust – Leibeslust!“<br />

teil. Zusammen mit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung<br />

in Schleswig-Holstein e. V. und einer Ernährungsexpertin,<br />

Astrid Francke, führen wir seitdem Mütter in ein Angebots- und Entscheidungsmodell<br />

ein, das die Esssituationen zwischen Eltern und<br />

Kindern entspannt. Diese Schulung mit praktischen Anregungen<br />

stoßen auf große Resonanz. Die Mütter bieten an, WAS gegessen<br />

werden kann, WANN gegessen werden kann und WIE gegessen<br />

wird. Die Kinder dürfen entscheiden, OB sie etwas essen, WAS sie<br />

essen und WIEVIEL sie essen. Wir geben den Müttern Tipps für die<br />

Umsetzung und zeigen gesunde Ernährung und Ernährungsverhal-<br />

ten. Bereits nach den ersten Durchläufen des Programms waren<br />

deutliche Erfolge festzustellen:<br />

l Ruhigere Esssituationen, Essen wird nicht vorenthalten<br />

oder aufgenötigt,<br />

l Kinder und Jugendliche trauen sich an neue Lebensmittel heran,<br />

l der Stuhlgang der kleineren Kinder normalisiert sich<br />

(weniger Verstopfungen),<br />

l entspannter Umgang mit dem Programm.<br />

Darüber hinaus bieten wir für übergewichtige Frauen ein Ampelmodell<br />

für Lebensmittel an. Nach „rot-gelb-grün“ werden verschiedene<br />

Nahrungsangebote markiert und mit entsprechenden<br />

Fettpunkten ausgewiesen. Das schult das Bewusstsein für den Umgang<br />

mit Lebensmitteln. Kombiniert mit Anleitungen zu mehr Bewegung,<br />

beispielsweise dem Gelenk schonenden Nordic-Walking<br />

oder ab 2012 mit ZUMBA-Fitness, setzen wir so Impulse für eigenverantwortliches,<br />

kindgereichtes und ungezwungenes Essverhalten<br />

und ein neues Wohlbefinden – auch im Alltag.<br />

Gegen Burnout<br />

Andrea Boyer<br />

GODE TIED bietet vor Beginn der Kursaison vom 20. - 23. Februar<br />

bzw. 2. - 5. März 2012 Prävention von Burnout an: „Innehalten<br />

am Meer – für mehr Zufriedenheit und Klarheit im<br />

Beruf und Alltag“. Entspannung und Seminararbeit dienen<br />

dazu, Ressourcen wieder aufzubauen und sich neu auszurichten.<br />

Das Angebot richtet sich an kirchliche Verantwortliche<br />

und MitarbeiterInnen. Die TeilnehmerInnen werden von<br />

erfahrenen Personalberaterinnen angeleitet.<br />

Kosten: 850 € (EZ, VP). Kinderbetreuung auf Anfrage.<br />

Infos: Ev. Kurzentrum GODE TIED, Königsberger Str. 12 - 16,<br />

<strong>25</strong>761 Büsum, 04834 – 95 090, godetied@ne-fw.de,<br />

www.godetied.com.<br />

GODE TIED genießen<br />

Von März bis November können Sie in GODE TIED auftanken:<br />

7 Übernachtungen, VP, Sauna, Schwimmbad, Massage, Wärmebehandlung,<br />

Sport- und Kreativangebote. Bei Bedarf Kinderbetreuung.<br />

Ab 350 € p. P. Mehr unter 04834 – 95 090.


Foto: Marascha Daniela Heisig<br />

Projekte | Aktionen<br />

Lebensübergänge begleiten<br />

Rituale in der Natur<br />

Rituale zielen auf Wandlung – oft unterstützen sie uns in Schwellensituationen<br />

und eröffnen Zugänge zu spirituellen Räumen.<br />

Ein Ritual ist eine symbolische Handlung, ein Moment des Innehaltens,<br />

um bewusster wahrzunehmen, was in uns und außerhalb<br />

ist. „Indem wir das, was wir fühlen und wahrnehmen oder herausgefunden<br />

haben in die Mitte bringen, kann es sich verwandeln, wir<br />

können berührt werden, es kann etwas geschehen, das uns im<br />

Tiefsten anrührt und verändert.“ Diese Worte für ein Ritual entstanden<br />

nach der Langzeitfortbildung „Feministische Spiritualität und<br />

Ritualgestaltung“ des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s.<br />

Bei der Visionssuche begegnen uns Rituale in der Natur. Die Natur<br />

im Ritual als Spiegel des eigenen Inneren und des Göttlichen<br />

wahrzunehmen, kann heilende und inspirierende Wirkung haben.<br />

Seit Beginn der Menschheitsgeschichte sind Rituale eine wirksame<br />

Orientierungshilfe, um individuelle und soziale Wirklichkeiten<br />

zu gestalten. Sie werden von allen Altersgruppen durchgeführt oder<br />

neu erfunden, um Kontinuität und Gemeinsamkeit zu fördern (z. B.<br />

Familienfeste), Schutz und Kraft zu geben (z. B. das abendliche Vorlesen<br />

oder Beten), einschneidende Lebensereignisse zu bewältigen.<br />

Die christliche Tradition hat seit jeher eine ihrer großen Stärken<br />

in der Begleitung von Lebensübergängen: Taufe, Konfirmation,<br />

Trauung, Bestattung aber auch Gottesdienste zur Einschulung, anlässlich<br />

einer Scheidung oder eines großen Unglücks. Rituale dienen<br />

dazu, Verbindungen zu erneuern, zu lösen, zu bekräftigen, in<br />

Kontakt zu bleiben, sich von Vergangenem zu lösen, abzugeben<br />

oder Neues ins Leben zu rufen.<br />

In Zeiten der Unsicherheit und in Lebenskrisen bieten Übergangsrituale<br />

Hilfe zur Bewältigung und erleichtern die Weiterentwicklung.<br />

In allen Kulturen zu allen Zeiten suchten Menschen in der<br />

Begegnung mit der Natur nach Klärung ihrer Herzensthemen. Da ihr<br />

Leben eng mit dem Rhythmus der Natur verknüpft war, wussten sie<br />

um ihre heilsame und wegweisende Kraft. Menschen verbrachten<br />

jenseits gewohnter Pfade eine Zeit allein und fanden Antworten für<br />

ihren Weg.<br />

Übergänge gehören zu unserem Leben. Sie sind schleichend oder<br />

werden durch einschneidende Ereignisse ausgelöst. Je bewusster<br />

eine alte Lebensphase durchlebt und „Krisen“ als Teil des natürlichen<br />

Kreislaufes des Lebens gesehen werden, desto weniger<br />

„krisenhaft“ können Krisen verlaufen. Übergänge sind das Hineinwachsen<br />

in eine neue Rolle, zunächst mit dünner Haut, wobei die<br />

alte Rolle wie bei einem Schmetterling, der aus dem Kokon schlüpft,<br />

abgeworfen wird. Im Mittelpunkt aller Übergangsrituale steht die<br />

Absicht, Veränderungen anzunehmen, den Übergang zu gestalten<br />

und die Wandlung selbst in einem größeren Sinnzusammenhang zu<br />

spüren. Wenn Rituale fehlen, fehlt etwas.<br />

In der Begleitung von Menschen mit Ritualen in der Natur ist berührend,<br />

wie tief sich die Natur mit unserer Seele verbindet. Die Natur ist<br />

nicht Hintergrundkulisse, sondern spiritueller Raum, dessen Botschaften<br />

„herausgelauscht“ werden können. Man / frau nimmt sich<br />

Zeit für das, was besonders berührt oder auch ängstigt. Was wird<br />

mir auf symbolischer Ebene gezeigt? Warum schaut mein Auge auf<br />

diesen Stein? Was will er mir sagen? Wie erkenne ich mein Herzensanliegen<br />

darin? Ein Ritual könnte so aussehen: Ich möchte mich von<br />

einem nahe stehenden Menschen trennen. Dies bringe ich in einem<br />

Gebet oder in anderer Form zum Ausdruck. Ich habe z. B. einen<br />

Abschiedsbrief geschrieben, den ich verbrenne oder zerbreche einen<br />

Stock, um meinem Wunsch nach Veränderung Ausdruck zu<br />

verleihen. In einem letzten Schritt wird das Neue, in das ich nun<br />

eingetreten bin, mit einem Satz, einem Lied, einem Segen begrüßt.<br />

Es braucht keine besondere Anweisung oder Vorbereitung,<br />

um ein Ritual durchzuführen. Viele Rituale ergeben sich spontan, individuell<br />

und sind einfach strukturiert. Meist folgen sie einer dreiteiligen<br />

Struktur: 1. Würdigung und Verabschieden vom Alten; 2. bewusstes<br />

Eintreten in einen „Raum des Nichtswissens“, in dem die<br />

Veränderung geschieht oder initiiert wird und 3. Begrüßung des<br />

Neuen, Integration in den Alltag.<br />

Die Kraft des Spiegelns:<br />

Natur am Küstrinsee als<br />

spiritueller Erfahrungsraum<br />

11. - 13. Mai 2012<br />

<strong>25</strong>0 € (DZ, VP)<br />

JETZT ___ ist die Zeit:<br />

Visionssuche am Küstrinsee<br />

24. Juli - 3. August 2012<br />

850 € (DZ, VP)<br />

Weitere Infos<br />

Julia Lersch, 0431 – 55 779 101<br />

innovative<br />

12<br />

Dr. Marascha Daniela Heisig<br />

Julia Lersch<br />

Sibylla Hrosch


13<br />

innovative<br />

Made In? – Made By?<br />

Auf den Spuren unserer Kleidung<br />

„Der Konsument entscheidet, was produziert wird“, las ich in einer<br />

Beilage der Wirtschaftswoche. Wenn dem wirklich so wäre, könnte<br />

kein/e KonsumentIn mehr mit ruhigem Gewissen ihre Kleidung<br />

auf der Haut tragen. Die Ausstellung MADE IN? MADE BY?, die im<br />

Mai 2011 im Foyer des Dorothee-Sölle-Hauses von der Filmemacherin<br />

Inge Altemeier mit der Dokumentation „Schick aber schädlich“ eröffnet<br />

wurde, klärte über den Entstehungsprozess unserer Kleidung<br />

auf. In Begleitveranstaltungen wurden die kritischen Aspekte der<br />

Bekleidungsherstellung beleuchtet.<br />

Der wichtigste Rohstoff ist die Baumwolle. Da, wo sie noch mit Hand<br />

gepflückt wird, z. B. in Usbekistan, geschieht dies häufig durch Kinder.<br />

Baumwolle wird bis zu <strong>25</strong>mal im Jahr mit giftigen Pestiziden<br />

gespritzt, die schlimmste Gesundheitsschäden verursachen.<br />

Ca. 20.000 Menschen sterben jährlich weltweit durch Spritzmittel.<br />

Problematisch ist vor allem das Färben und Bleichen. Bei der<br />

Herstellung von Stoffen werden bis zu 8.000 Chemikalien, z. B.<br />

Formaldehyd, organische Halogenverbindungen und giftige Schwermetalle<br />

sowie rund 4.000 Farbstoffe eingesetzt. Viele dieser Stoffe<br />

stammen aus Europa, dürfen hier aber nicht angewendet werden! In<br />

den Textilzentren Indiens und anderer Länder verunreinigen sie<br />

Flüsse und gefährden das Ökosystem. Die Giftstoffe kommen in den<br />

importierten Textilien wieder zu uns zurück. Dr. Erika Schmedt<br />

vom Hamburger Amt für Verbraucherschutz rechnete zu diesem Teil<br />

der Ausstellung vor, dass der rechtlichen Vorgabe zufolge nur 0,5 Proben<br />

auf Bedarfsgegenstände pro 1.000 EinwohnerInnen gemacht<br />

werden müssen – nur ein Drittel davon betrifft Textilien und Spielzeug.<br />

Man sucht nach Azofarbstoffen, die Krebs erregend sind, nach<br />

Chromverbindungen in<br />

Leder, die Kontaktallergien<br />

verursachen können. „Knitterarm“,<br />

„bügelfrei“ und<br />

„pflegeleicht“ signalisiert,<br />

dass die Stoffe mit Hilfsmitteln<br />

wie Formaldehydharzen<br />

ausgestattet wur-<br />

Projekte | Aktionen<br />

den. Deshalb empfiehlt es sich, die Kleidung vor dem Tragen mehrmals<br />

zu waschen oder noch besser, Second-Hand-Kleidung zu tragen.<br />

Über den Arbeitsschritt der Konfektion in Billiglohnländern wie<br />

Bangladesch, führte die Ausstellung die Betrachterin in die Filialen<br />

des deutschen Discountereinzelhandels und endete mit Hinweisen<br />

fairen Konsums. Verdi stellte seine Homepage „Handeln-ausgezeichnet.de“<br />

vor, wo Verbraucherinnen sich über faire und unfaire<br />

Arbeit im Hamburger Einzelhandel informieren können. Bei vielen<br />

Firmen bewegt sich etwas, dies zeigte auch der Diskussionsabend<br />

mit Tchibo. Die Clean Clothes Campaign (CCC) im Jahr 2005<br />

hat Früchte getragen! Doch ob die Näherin in Bangladesch persönlich<br />

davon profitiert, blieb unklar. Seit einiger Zeit gibt es das Global<br />

Organic Textile Standard GOTS-Label, das ökologische Nachhaltigkeit<br />

und soziale Fairness in der Produktion in der gesamten Textilkette<br />

garantieren will. Es ist zu finden u.a. bei „Grüne Erde“ oder „Marlowe<br />

Nature“ oder „Hess Natur“. Junge Marken wie „Privatsachen“, „fairliebt.de“,<br />

„fairtragen.de“ oder Marken die von der Agentur Linda Mohrmann<br />

vertreten werden, machen Hoffnung. Die Liste der Firmen, die<br />

Mitglied bei der von der CCC empfohlenen „Fair Wear Foundation“<br />

sind, wird immer länger.<br />

Es sind nicht allein die KonsumentInnen die entscheiden, was produziert<br />

wird. Sie sind Teil eines Systems struktureller Gewalt, dass<br />

es aufzubrechen gilt und zwar nicht durch Konsum, sondern<br />

durch politische Maßnahmen. Strategischer Konsum kann nur ein<br />

Hilfsmittel sein. In seinem Abschlussvortrag legte der Kieler Philosoph<br />

Hilmar Schmiedl-Neuburg dar, dass Staaten für Gerechtigkeit sorgen<br />

müssen und nicht die KonsumentInnen.<br />

Die Ausstellung Made IN? MADE BY? wurde vom Bremer Informationszentrum<br />

für Menschenrechte und Entwicklung anlässlich<br />

des Kirchentages konzipiert. Infos dazu gibt es im Internet unter<br />

made-in-made-by/info. Träger der Ausstellung in Hamburg waren:<br />

PAN-Pestizid Aktionsnetzwerk, Gewerkschaft Verdi, Verbraucherzentrale<br />

Hamburg, CCC-Gruppe Hamburg und das Nordelbische<br />

<strong>Frauenwerk</strong>.<br />

Waltraud Waidelich


Projekte | Aktionen<br />

Verabschiedung von Gundula Döring<br />

Gundula Döring wurde am 30. September aus dem<br />

Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong> verabschiedet. Sie hat seit<br />

September eine Projektpfarrstelle für Erwachsenenarbeit<br />

in der Region Alstertal, Kirchenkreis Hamburg-Ost.<br />

Danke<br />

Gundula Döring war acht Jahre stellvertretende Leiterin und theologische<br />

Referentin im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>, davor vier<br />

Jahre im Frauenreferat. Ihre Arbeit stand für Kontinuität der nordelbischen<br />

Frauenbewegung. Gleichzeitig verbinden sich mit ihr viele<br />

Neuaufbrüche, so z. B. mit dem Erfolgsprojekt „Fernstudium Feministische<br />

Theologie“ und der Arbeit mit der Bibel in gerechter Sprache.<br />

Mit ihrer Sorgfalt, ihrer sensiblen Sprache und dem Ringen darum,<br />

Theologie und Spiritualität zusammen zu denken und zu leben hat sie<br />

das Referat neu geprägt. Dafür sagen wir von Herzen Dank.<br />

Kerstin Möller<br />

Abschieds-Predigt in Auszügen<br />

Kostbar – die Zeit! Das könnte so etwas wie eine Überschrift sein<br />

über die Jahre, die ich im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong> tätig war.<br />

Aber diese Worte sind noch etwas anderes: Sie sind zugleich das<br />

erste und das letzte Wort der Jahresthemen, die wir in diesen Jahren<br />

miteinander in der Frauenarbeit entwickelt haben. „Kostbar der Herzschlag<br />

jeder Minute“ (aus einer Gedichtzeile von Rose Ausländer) …<br />

Jetzt __ ist die Zeit. Das wird das neue Jahresthema ab 2012 sein.<br />

Kostbar – dieses Wort klingt, wie das was es beschreibt. Man muss<br />

es deutlich aussprechen. Man kann es nicht „nuscheln“. Es will deutlich<br />

hörbar sein. Hörbar. Spürbar. So ist es mit dem Kosten. Denn<br />

kostbar ist, was etwas kostet. Und kostbar will „gekostet“ werden.<br />

Der „Sinn und Geschmack für das Unendliche“ will ausgebildet werden.<br />

Daran mitzuwirken war und ist auch noch meine Aufgabe. In den<br />

Jahresthemen der Frauenarbeit haben wir dem nachgespürt, was<br />

wichtig für uns war …<br />

Für mich waren das immer sehr spannende Prozesse, durch die wir<br />

gegangen sind, wenn wir gemeinsam nach Jahresthemen gesucht<br />

haben, von welchen Worten wir uns leiten lassen wollen. Oder sollte<br />

ich besser sagen: wovon wir uns infrage stellen lassen wollen. Denn<br />

innovative<br />

14<br />

religiöses Verstehen entwickelt sich nicht von Antwort zu Antwort,<br />

sondern von Frage zu Frage. Dieses Suchen und Ringen nach<br />

Worten ist und war vielleicht sogar wichtiger als das Ergebnis<br />

der prägnanten Formulierung eines Jahresthemas.<br />

Wovon lebe ich und wofür lebe ich? Was brauche ich wirklich? Wofür<br />

werde ich gebraucht? Was ist unbrauchbar geworden durch<br />

Abnutzung oder dadurch, dass es nicht gebraucht wurde. Wenn wir<br />

uns also mit diesen Fragen auf den Weg machen, dann bringen wir<br />

unseren „ganz normalen Lebenssumpf“ (so hat es eine Frau neulich<br />

ausgedrückt) in Berührung mit einer Gedichtzeile, einem Bibelvers,<br />

einem wortlosen Innehalten. Und in dieser Berührung entsteht<br />

neuer Raum. Kann neuer Raum entstehen. …<br />

Viele von euch haben sich in den letzten 30 Jahren diese Suche etwas<br />

kosten lassen. Der Aufbruch der Feministischen Theologie war der<br />

Aufbruch aus einem erlernten Antwortenschema in neue Fragen<br />

hinein. Und Antworten müssen nicht vorgegeben, sondern gefunden<br />

werden. Darin sind sich viele der Aufbruchsbewegungen des ausgehenden<br />

20. Jahrhunderts einig. Thomas Merton, der amerikanische<br />

Trappistenmönch, schrieb 1967: Unsere Antwort wird nicht abhängen<br />

von schnellem Aufgreifen und Nachsprechen der jüngsten Antworten,<br />

der allerneuesten Erklärungen, sondern von unserer Fähigkeit, uns<br />

selbst und unsere Zeit als außerordentlich schwierig anzunehmen. Sie<br />

wird abhängig sein von unserer Offenheit für die Zukunft, für das<br />

Unvorhersagbare, für das, was uns aus der Fassung bringt. …<br />

In vielen Seminaren und „Oasen“ des Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong>s<br />

haben wir das miteinander getan. Und wir haben miteinander die<br />

Erfahrung gemacht: Es geht um etwas Kostbares. Und es kostet:<br />

Nicht nur Geld. Sondern auch Bequemlichkeit, Sicherheit und manchmal<br />

auch vertraute Bindungen. Die Bibel erzählt davon. Zum Beispiel<br />

so: Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute<br />

Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und<br />

verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. …<br />

Gundula Döring<br />

Die Predigt in voller Länge können Sie bei uns bekommen,<br />

0431 – 55 779 112 oder unter www.ne-fw.de.<br />

Fotos: Bärbel Rimbach, Ida Wegener


15<br />

innovative<br />

Projekte | Aktionen<br />

10 Jahre trotz allem<br />

Gottesdienste für Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben und für Unterstützerinnen<br />

„Nein! Zu Gewalt an Frauen“ – das ist das Motto des <strong>25</strong>. November,<br />

dem Internationalen Aktionstag gegen Gewalt an Frauen; Anlass vor<br />

10 Jahren für uns zu einem ersten „trotz allem–Gottesdienst“ einzuladen,<br />

den wir mit einer Gruppe von Frauen gestalteten.<br />

Probleme mit dem Vatergott<br />

Viele Frauen, die sexualisierte Gewalt, häufig vom eigenen Vater, erlebt<br />

haben, können mit Kirche und einem Vatergott nichts mehr anfangen,<br />

sind traumatisiert und können Gebete wie das Vaterunser<br />

nicht sprechen. So war es von Anfang an eine große Aufgabe, den<br />

Gottesdienst sensibel zu gestalten und den Frauen Raum zu geben,<br />

für sich selbst zu sorgen und Teile nicht mitzumachen. Beim ersten<br />

Gottesdienst hatten wir selbst noch großes Herzklopfen: Wie nehmen<br />

die Frauen den Gottesdienst an, können wir das Vaterunser so<br />

einleiten, dass alle es sprechen können?<br />

Schreckens- und Hoffnungsgeschichten<br />

Die Geschichten von der blutflüssigen Frau, Tamar, der gekrümmten<br />

Frau oder das Märchen von Allerleirauh wurden mit pantomimischen<br />

Szenen und Schattenspiel von Gewalterfahrungen zu Hoffnungsgeschichten.<br />

Der Ausblick in die Zukunft, in ein hoffnungsvolles Leben,<br />

ist uns immer ein großes Anliegen. In diesem Jahr ging es um<br />

das „Mädchen ohne Hände“, das nach jahrelanger Gewalterfahrung<br />

langsam wieder in ihre Kraft und in ihr eigenes Leben kommt. Eine<br />

wichtige Rolle spielen in den Gottesdiensten die Texte von Carola<br />

Moosbach, die 2000 den Gottespoetinnenpreis erhielt und viele<br />

Gedichte und Gebete auf dem Hintergrund eigener Gewalterfahrung<br />

und dem Ringen mit dem eigenen Glauben und Gottesbild geschrieben<br />

hat. Mit ihrer deutlichen Sprache spricht sie vielen aus der<br />

Seele. Im Gottesdienst ist auch Raum für eigene Klage und dafür,<br />

sich etwas Gutes zu tun.<br />

Kirche als Raum<br />

Vor 10 Jahren war das Thema noch erheblich stärker tabuisiert, erst<br />

recht in der Kirche. Wichtig war uns daher, gerade in der Kirche einen<br />

Raum zu bieten, um auszusprechen, was geschehen ist. Damit Frauen,<br />

die sich durch ihre Erfahrungen von Kirche entfernt haben, ein<br />

Das aktuelle Team der Gottesdienste:<br />

Dörte Wiese, Jessica Diedrich, Hella Hinrichsen,<br />

Margrit Sierts, Ute Gerstner, Karin Kluck (v. li.)<br />

neuer Zugang zu Kirche und Glauben eröffnet wird, wo sie mit all<br />

ihren Erfahrungen vorkommen dürfen. Bischöfin i. R. Maria Jepsen<br />

war von Beginn an dabei und hat die Gottesdienste mit Grußwort<br />

und Segen mit gestaltet. Bei unzähligen Gelegenheiten hat sie für<br />

den Gottesdienst und das Thema geworben. Wir haben es sehr bedauert,<br />

dass sie zurückgetreten ist. Im vergangenen Jahr bestärkte<br />

uns Pröpstin Kirsten Fehrs in unserem Anliegen und in diesem Jahr<br />

Pröpstin Dr. Ulrike Murmann. Die Frauen in den Beratungsstellen,<br />

die beim ersten Gottesdienst noch etwas skeptisch waren, sind nun<br />

alljährlich gerne dabei und stehen schon während des Gottesdienstes<br />

zum Gespräch bereit.<br />

Öffentlichkeit<br />

In den zehn Jahren haben Mitwirkende und Teilnehmerinnen zum<br />

Teil gewechselt. Geblieben aber ist die Brisanz des Themas. Viele<br />

Menschen haben in den letzten Jahren sexualisierte Gewalterfahrungen<br />

öffentlich gemacht was auch die Kirchen sehr erschüttert hat.<br />

Dazu gehört auch heute noch viel Mut, denn wie Statistiken belegen,<br />

glaubt einer Betroffenen erst die siebte Person, der sie ihre Erlebnisse<br />

erzählt. Die öffentliche Aufarbeitung hat nun endlich begonnen<br />

– auch mit den dafür bestellten Ombudsfrauen. Hin zu neuer Sensibilität<br />

– damit Betroffenen geglaubt und Tätern kein Raum geboten<br />

wird, sondern sie zur Verantwortung gezogen und bestraft werden.<br />

Nähere Infos www.trotz-allem-gottesdienst.de<br />

Brauchbitten<br />

Wir brauchen welche<br />

die weinen können<br />

die trauern um alle<br />

die nicht überlebt haben<br />

um alle<br />

die gebrochen wurden in ihrer Würde<br />

vergewaltigt verstümmelt und zu Tode gequält<br />

Wir brauchen welche<br />

die schreien können<br />

die das Unrecht beim Namen nennen<br />

laut und deutlich für alle<br />

die zum Schweigen gebracht wurden<br />

die sprachlos geworden sind in ihrem Schmerz<br />

Jessica Diedrich<br />

Wir brauchen welche<br />

die kämpfen können<br />

die nicht davonlaufen beim ersten Geruch des Schreckens<br />

wir brauchen welche<br />

die hoffen können<br />

die dein Mund sind dein Ohr und dein Schrei<br />

denen schick deine Kraft Gott<br />

die lass ansteckend sein<br />

Carola Moosbach


Interview<br />

„Es macht mich immer wieder neugierig,<br />

mit Menschen zu arbeiten“<br />

Babara Schmodde, Kommunikationstrainerin, im Gespräch<br />

mit Annette von Stritzky über gelungene Kommunikation,<br />

innere Einstellungen, Alltagserfahrungen, Gremien und<br />

sich selbst in den Ruhestand schicken.<br />

Sie sind Kommunikationsberaterin, wie war Ihr Weg dahin?<br />

Ich habe mich in vielen nordelbischen Gremien engagiert, je „höher“<br />

das Gremien wurde, umso mehr verstummte ich. So ging es anderen<br />

Frauen damals auch. Durch ein Kommunikationstraining wurde mir<br />

klar: Es lag an mir, dass ich mich „über den Tisch ziehen“ ließ, dass<br />

ich „nicht zu Wort“ kam. Manchmal war ich nicht ausreichend vorbereitet,<br />

manchmal fehlte mir Selbstbewusstsein. Das brachte mich<br />

dazu, mich mit Kommunikation zu beschäftigen.<br />

Wie arbeiten Sie?<br />

Als Freiberuflerin muss ich Aufträge oft schon ein Jahr im Voraus annehmen,<br />

weil Programme frühzeitig gedruckt werden. So stelle ich<br />

mich langfristig auf Aufträge ein, bespreche, was die jeweilige Klientel<br />

braucht. Ich bereite mich jedes Mal wieder intensiv vor, unmittelbar vor<br />

dem Seminar bringe ich mich durch mentales Training auf den Punkt.<br />

Gut geplant ist halb gewonnen. Ich stelle mir vor, welche Inhalte ich<br />

transportieren will, um dann mit Schwung in die Gruppe zu gehen.<br />

Das Arbeiten mit Gruppen macht mir ausgesprochen Spaß.<br />

Welche Themen bieten Sie an?<br />

Meine Themen haben einen journalistischen Titel, das macht neugierig.<br />

Die beliebtesten Seminare, viel von Unternehmerinnen gebucht,<br />

sind: „Souverän auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit“ und<br />

„Leichterer Umgang mit schwierigen PartnerInnen“. Das können eigene<br />

PartnerInnen, Kolleginnen oder andere GesprächspartnerInnen<br />

sein. Aber auch Zeit- und Selbstmanagementworkshops „Endlich<br />

Schluss mit dem Chaos“ sind gefragt.<br />

Gehen Sie mit Ihrer Zeit und mit sich gut um?<br />

Ich bin (war) ziemlich chaotisch, habe sehr darunter gelitten und nicht<br />

gewusst, wie ich mit all meinen Pflichten zurechtkomme. Ich habe<br />

„Wer leitet, führt Menschen<br />

– und Menschenführung beginnt<br />

bei mir selbst.“ Barbara Schmodde<br />

innovative<br />

16<br />

dann an der Universität Hamburg eine Zusatzausbildung in<br />

Kommunikationspsychologie bei Professor Schulz von Thun gemacht.<br />

Im Rahmen dieser Ausbildung wurde mir bewusst, dass nur<br />

ich mein Chaos ändern kann. Ich habe viel gelesen, viel ausprobiert<br />

und nachdem ich nun 15 Jahre diese Seminare gebe, sind sie auch<br />

bei mir angekommen! Ich gehe (meistens) achtsam mit mir um.<br />

Sie arbeiten mit viel Elan. Sie können andere begeistern.<br />

Woher kommt diese Kraft?<br />

Ich bin ein typischer WechslerInnentyp. Mein ganzes Leben lang<br />

Lehrerin (so bin ich ins Berufsleben gestartet) – ich wäre unglücklich<br />

geworden. Ich habe in vielen unterschiedlichen Gremien mit gemacht,<br />

nicht nur in kirchlichen. Neue Aufgaben, neue Kraft. Das ist<br />

das Belebende an den Seminaren: Sie sind jeden Tag neu. Jede<br />

Gruppe hat eine eigene Weisheit, die gilt es zu heben. Es macht mich<br />

immer wieder neugierig, mit Menschen zu arbeiten.<br />

Sie bieten „Fit für Leitung“ an - was lernen Frauen dort?<br />

Wer leitet, führt Menschen – und Menschenführung beginnt bei mir<br />

selbst. Ich bestärke und ermutige Leiterinnen. Wo sind Optimierungspunkte?<br />

Wo gibt es persönliches Entwicklungspotential? Aber es<br />

geht auch um praktische Tipps: Wie stelle ich eine Tagesordnung<br />

auf? Wie viel Zeit sollen die einzelnen TOPs haben? Sehr hilfreich<br />

sind die Sätze für Notfälle. Viele Frauen meinen, sie müssten z. B. alles<br />

sofort wissen, alles sofort beantworten. Alte Muster aus der<br />

Vergangenheit. Dabei reicht: „Das muss ich mir in Ruhe überlegen“.<br />

Für eine gute Leitung ist wichtig, sich gut vorzubereiten und persönliche<br />

Autorität zu haben.<br />

Sätze für den Notfall - wie sind sie entstanden?<br />

Aus Alltagserfahrungen. Es wird respektiert, wenn jemand sagt: „Das<br />

muss ich mir erst einmal überlegen“. In der Literatur habe ich weitere<br />

Sätze entdeckt und in mein Repertoire aufgenommen. Es gibt Situationen,<br />

in denen die Worte fehlen. Da helfen Sätze wie: „Da muss ich<br />

mich erst informieren“ oder „ich spreche Sie später darauf an“. Das<br />

macht kompetent und fit für Leitung.<br />

Barbara Schmodde (* 1944)<br />

Bestimmt …


Fotos: Annette von Stritzky<br />

17<br />

innovative<br />

Ihr Erfahrungsschatz wird sehr geschätzt.<br />

Was geben Sie Frauen mit auf den Weg?<br />

Wichtig ist, dass Frauen im Ehrenamt sich nicht selbst ausbeuten. Es<br />

wird oft gesagt, wenn du den kleinen Finger gibst, wird der ganze<br />

Arm genommen. Dann muss Frau lernen, deutlich „NEIN“ (ohne<br />

Gewissensbisse) zu sagen. Auch fühlen sich Frauen oft gedrängt, in<br />

einem Amt zu bleiben, weil sich keine Nachfolgerin findet. Dazu kommen<br />

dann noch innere und äußere AntreiberInnen, die sagen, wir<br />

brauchen dich doch, wir können uns gar nicht vorstellen, wenn du<br />

nicht mehr dabei bist. Hier heißt es, achtsam zu sein.<br />

Sie haben eine Kartenreihe veröffentlicht zu den Grundlagen<br />

gelungener Kommunikation. Was meint das konkret?<br />

Zuhören, ausreden lassen, das ist das Einfachste und zugleich das<br />

Schwerste. Ich arbeite gern noch mit einem alten Modell von Thomas<br />

Harris: Ich bin okay, du bist okay. Den anderen wertschätzen. Er/sie<br />

ist ganz anders, als ich, vielleicht ärgert es mich, was er/sie sagt, aber<br />

er/sie ist ein Mensch, ein Geschöpf Gottes. Ich bin okay und mein/e<br />

KonfliktpartnerInnen auch. Es hilft in einer Konfliktsituation, kurz inne<br />

zu halten und sich klar zu machen, dass Wertschätzung wichtig ist.<br />

Sie wollen mit Respekt behandelt werden und Ihre GesprächspartnerInnen<br />

auch! Gute Kommunikation ist nicht nur eine Frage der<br />

Technik, sondern viel mehr der inneren Einstellung.<br />

Sie sagen häufig: Stellen Sie Fragen! Was ist daran gut?<br />

Fragen führen zur Klärung. Ich muss nicht gleich antworten, gebe<br />

den Ball an die GesprächspartnerIn zurück. Dann muss er/sie nachdenken<br />

und antworten. Das beugt auch Missverständnissen vor.<br />

„Das ist Ihre Meinung und meine Meinung ist …“<br />

– das kleine Wörtchen „und“ ist Ihnen wichtig.<br />

Das ist eine Gesprächstrategie, die hilfreich ist. Ich werte nicht gleich<br />

ab, „was ist das denn für eine Meinung?“, sondern wiederhole das<br />

Gesagte unkommentiert und setze meine Meinung daneben. Das<br />

„und“ verbindet. Ich lasse beide Meinungen stehen und, wenn ich<br />

gut vorbereitet bin, kann ich auch noch gute Gründe für meine Meinung<br />

dazu setzen.<br />

Was war Ihre schönste Erfahrung in Gremien?<br />

Von all den Arbeiten in meinem Leben, ist die kirchliche Arbeit nach<br />

wie vor die wichtigste, Kirche ist meine Heimat. Diese Gemeinschaft<br />

Bisher wurden interviewt<br />

Prof. Dr. h. c. Christa Randzio-Plath, Heike Schlottau, Annegret Bergmann, Erika Förster,<br />

Dr. Ute Grümbel, Antje Röckemann, Susanne Jürgensen, Jutta Gross-Ricker,<br />

Charlotte Knobloch, Prof. Dr. Annelie Keil, Uta Knolle, Dr. Elisabeth von Dücker,<br />

Rut Rohrandt, Bischöfin Maria Jepsen, Annette Hillebrand, Dr. Frauke Hansen-Dix,<br />

Ursula Schele, Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Margrit Semmler, Franziska Steiof,<br />

Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau, Edelgard Lessing, Elisabeth Lingner, Elsbeth Süßebecker<br />

Neues Präsidium und<br />

Leiterin der EFiD<br />

Vorn v. li.: Marliese Walz,<br />

Ilona Helena Eisner,<br />

Antje Büsing, Miriam Aumeier,<br />

Dr. Beate Blatz (Leiterin EFiD)<br />

Hinten v. li.: Petra Zulauf,<br />

Sabine Zoske,<br />

Angelika Weigt-Blätgen,<br />

Kerstin Möller,<br />

Brunhilde Raiser<br />

Interview<br />

zu erfahren, ob auf Synoden mit gemeinsamem Singen, in gemeinsamen<br />

Gottesdiensten, im Kämpfen für eine gemeinsame Sache,<br />

auch mit Synodalen, die anders denken, ein großes gemeinsames<br />

Haus Gottes bauen, das ist meine schönste Erfahrung.<br />

Sind Sie christlich erzogen worden?<br />

Die evangelische Jugend hat mich geprägt, sie öffnete mir in den<br />

50er Jahren einen Weg, über Elternhaus und Schule hinaus in eine<br />

neue Welt. Mein Kinderglaube hat mich mein Leben lang begleitet.<br />

Hat dieser Kinderglaube sich irgendwann weiter entwickelt?<br />

Wenn so eine Spötterin wie ich ein Leben lang trotzdem beim Glauben<br />

bleibt, dann muss der liebe Gott schon mit mir irgendetwas vorhaben.<br />

Zum Feminismus gehörte ich ursprünglich nicht, das war mir fremd.<br />

Aber durch meine Arbeit in der nordelbischen Synode bin ich dann mit<br />

dem <strong>Frauenwerk</strong> in Verbindung gekommen, mit Rut Rohrandt, Inge<br />

Kerssenfischer und anderen. Das hat mich auf einen guten Weg gebracht.<br />

Ich bin inzwischen in gutem Sinne eine Feministin. Feministische<br />

Theologie ist mir allerdings fremd geblieben.<br />

Gibt es für Sie Vorbilder?<br />

In der Kirche gibt es zwei Menschen, die ich besonders geschätzt<br />

habe, Elsbeth Süßebecker und Nils Hasselmann. Ihre souveräne, respektvolle,<br />

nachdenkliche Art, mit Menschen umzugehen, bleibt für<br />

mich vorbildhaft.<br />

Sie sind viel beschäftigt, gibt es Pausen?<br />

Lange Jahre, gerade in der Zeit der Kirchenleitung, bin ich auf Kraftreserven<br />

gelaufen. Hildegard Reimers, ehemalige Vorsitzende unserer<br />

Kirchenkreissynode Stormarn, auch ein Vorbild, hat einmal zu mir gesagt:<br />

„Wir Ehrenamtlichen müssen uns selbst in Pension schicken,<br />

sonst schickt uns niemand“. Da habe ich beschlossen, mit 60 meine<br />

Ämter abzugeben – ein sehr guter Entschluss. Seitdem habe ich viel<br />

mehr Zeit. Überraschend kam dann ein Angebot, die Geschäftführung<br />

einer Kulturstiftung zu übernehmen. Die Stiftung hat zum Ziel, die kulturellen<br />

Beziehungen zwischen Hamburg und Berlin auf den Gebieten<br />

von Musik und Theater zu fördern. Ruhephasen genieße ich besonders<br />

auf den zahlreichen Bahnfahrten zwischen den Städten und in<br />

unserer kleinen Wohnung in Berlin.<br />

Herzlichen Dank für das Gespräch.<br />

… und quicklebendig


Von Frauen<br />

Helga Haugland Byfuglien (61) wurde als erste Leitende<br />

Bischöfin der Norwegischen Kirche eingeführt. Seit 2005 ist H. Haugland<br />

Bischöfin von Borg, südlich von Oslo. Sie ist eine von vier Frauen<br />

unter den elf norwegischen BischöfInnen.<br />

Kathrin Menges (46) tritt 135 Jahr nach Firmengründung als<br />

erste Frau in die Geschäftsführung des Waschmittelriesen Henkel<br />

ein. K. Menges verantwortet als neues Vorstandsmitglied den Personalbereich.<br />

Seit 2009 ist sie bereits Personalchefin des DAX-Unternehmens<br />

mit weltweit 48.000 MitarbeiterInnen.<br />

Dr. Klara Butting und Béatrice Bowald wurde in Basel<br />

der 11. Förderpreis der Marga-Bühring-Stiftung verliehen. Klara Butting,<br />

Privatdozentin (Alttestamentlerin) aus Uelzen bekam den Preis für ihr<br />

damals noch unveröffentlichtes Manuskript „Hier bin ich! Biblische<br />

Spiritualität und gesellschaftliche Verantwortung“. Béatrice Bowald<br />

wurde ausgezeichnet für ihre Dissertation „Prostitution. Überlegungen<br />

aus ethischer Perspektive zu Praxis, Werbung und Politik“. Der<br />

Preis ist mit 5.000 SFr dotiert.<br />

Dr. Katajun Amirpur (40) ist Hamburgs erste Professorin für<br />

Islamische Theologie. Die international renommierte Wissenschaftlerin<br />

und Journalistin hielt im Oktober ihre Antrittsvorlesung in der<br />

„Akademie der Weltreligionen“ der Universität Hamburg.<br />

Kirsten Fehrs (50) ist seit November Bischöfin für den Sprengel<br />

Hamburg und Lübeck, sie tritt die Nachfolge an von Bischöfin Maria<br />

Jepsen (und auch von Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter). In der<br />

nächsten innovative stellen wir Bischöfin Fehrs im Interview vor.<br />

Christine Behle (43), Beate Mensch (49) und Stefanie<br />

Nutzenberger (47) sind neu im Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft<br />

Verdi. 9 der 14 Vorstandmitglieder sind Frauen, der Frauenanteil<br />

ist auf 65% gestiegen. Grund hierfür ist eine Quotenregelung. Die<br />

Satzung schreibt vor, dass Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil<br />

an der Mitgliedschaft in den Führungsgremien vertreten sein müssen.<br />

Ilse Falk (68), ehemalige stellv. Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />

ist neue Vorsitzende des Dachverbands Ev. Frauen in<br />

Deutschland e. V. Zur stellv. Vorsitzenden wählte die Mitgliederversammlung<br />

Kerstin Möller.<br />

Helga Haugland Byfuglien<br />

Ellen Johnson-Sirleaf Yingluck Shinawatra<br />

Meg Whitman<br />

Ina May Gaskin<br />

innovative<br />

18<br />

Ellen Johnson-Sirleaf (72), Leymah Roberta Gbowee<br />

(39) und Tawakkul Karman (32) wurden für ihren gewaltfreien<br />

Kampf für die Sicherheit von Frauen und für das Recht der Frauen<br />

auf eine vollständige Beteiligung an der Schaffung von Frieden mit dem<br />

Friedensnobelpreis geehrt. E. Johnson-Sirleaf ist Präsidentin von Liberia<br />

und erstes weibliches Staatsoberhaupt in Afrika. L. R. Gbowee ist liberianische<br />

Bürgerrechtlerin und T. Karman Frauenrechtlerin im Jemen.<br />

Meg Whitman (55), frühere Ebay-Chefin, ist neue Direktorin des<br />

weltgrößten Computerherstellers Hewlett-Packard.<br />

Margot Käßmann (53) tritt im April 2012 ihr neues Amt als Botschafterin<br />

für das Reformationsjubiläum an. Die Ev. Kirche in Deutschland<br />

hat die Berufung der ehemaligen Ratsvorsitzenden beschlossen.<br />

Käßmann soll für das 500. Reformationsjubiläum, das 2017 gefeiert<br />

wird, werben.<br />

Claudia Nemat (42) und Marion Schick (52) wurden von<br />

der Deutschen Telekom in den Vorstand berufen. C. Nemat, Physikerin,<br />

Unternehmensberaterin und Partnerin bei McKinsey verantwortet<br />

das Europageschäft, M. Schick, bislang Bildungsministerin von<br />

Baden-Württemberg, ist neuer Personalvorstand. Die Telekom hatte<br />

2010 als erster DAX-Konzern eine Frauenquote beschlossen.<br />

Seit Juli 2011 ist Yingluck Shinawatra Thailands Ministerpräsidentin.<br />

Erstmals wird Thailand von einer Frau regiert. Die 44-Jährige<br />

ist Politik- und Verwaltungswissenschaftlerin und war bislang<br />

Präsidentin einer Immobilienfirma. Sie ist die jüngste Schwester des<br />

2006 vom Militär gestürzten Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra.<br />

Kathrin Erdmann (40), Redakteurin bei NDR-Info, erhielt den<br />

Deutschen Radiopreis für die beste Reportage, und zwar zum Thema<br />

„Migration“.<br />

Ina May Gaskin (71) erhielt den Alternativen Nobelpreis für ihr<br />

Engagement für Hebammen und frauenfreundliche Geburtsmethoden.<br />

Die US-Amerikanerin setzt sich dafür ein, die Geburtshilfe<br />

menschlicher zu gestalten, u.a. durch Gebärtechniken, die sie von<br />

Frauen aus Guatemala lernte.


19<br />

innovative<br />

Behindert?<br />

Verletzte Körper<br />

„Es sind Eure Bilder und Setzungen von Normalität, die uns behindern“,<br />

sagen Frauen und Männer, die wir mit dem Etikett „behindert“<br />

versehen. Kein Mensch ist perfekt! Das kann wohl jede/r unterschreiben.<br />

Doch Menschen mit Behinderung machen oft die Erfahrung,<br />

dass sie wegen mangelnder Perfektion ausgegrenzt werden.<br />

Politisch aktive VertreterInnen der Behindertenbewegung bringen<br />

das auf den Punkt: „Behindert ist man nicht, behindert wird man“,<br />

so auf dem Blog „kein-mensch-ist-perfekt“. Und weiter: „Wer wie ich<br />

eine Behinderung hat, ist eine Exotin. Sie bekommt ständig neugierige<br />

Fragen zu ihrer Einschränkung gestellt. Jede andere, die nur<br />

temporär krank ist, würde sich das verbitten. Meist hoffe ich vergebens,<br />

dass die Antwort das gegenseitige Verständnis verbessert …“.<br />

„Wer definiert was normal ist?“ – „Warum fällt es uns so schwer,<br />

Andere anders sein zu lassen?“. Diese Fragen begleiten mich<br />

schon lange. Im Seminar „Weißsein in der Theologie“ mit Dr. Eske<br />

Wollrad habe ich gelernt, das sog. „Normalität“ sich dadurch auszeichnet,<br />

dass sie nicht thematisiert wird, sondern selbstverständlich<br />

als „normal“ vorausgesetzt wird. Seither frage ich mich: „Was ist<br />

normal? Wer hat die Definitionsmacht?“ Viele alltägliche Beziehungen<br />

sind von solcher Dominanzkultur der Normalität geprägt, das<br />

Miteinander von Männern und Frauen, Christinnen und Muslima,<br />

West- und Ostdeutschen und eben auch das Miteinander von sog.<br />

„Gesunden“ und „Behinderten“. Die Definitionsmacht über das, was<br />

behindert ist, wo es anfängt und aufhört, haben die scheinbar<br />

Normalen.<br />

Frauensicht auf Behinderung<br />

Seit März 2009 ist die Konvention der Vereinigten Nationen (UN)<br />

über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch für Deutschland<br />

verbindlich. Diese Konvention stellt einen Meilenstein in der<br />

Behindertenpolitik dar, da sie das Selbstbestimmungsrecht und umfassenden<br />

Diskriminierungsschutz festlegt sowie eine inklusive<br />

Gesellschaft fordert. Die Konvention geht auch explizit auf Behinderung<br />

und Geschlecht ein indem sie anerkennt, dass Frauen und<br />

Mädchen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt<br />

sind.<br />

Hintergrund<br />

Laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend zu „Lebenslagen behinderter Frauen“<br />

leben in Deutschland 1,685 Mio. Frauen (18 - 65 Jahre) mit amtlich<br />

anerkannter Behinderung. Das sind 7,4 % der weiblichen Bevölkerung<br />

in dieser Altersspanne (Männer: 9,7 %). Der geringere<br />

Frauenanteil wird darin vermutet, dass Frauen ihre Behinderung von<br />

öffentlichen Stellen seltener anerkennen lassen. Bemerkenswert ist,<br />

dass der Anteil von Menschen mit Behinderung mit zunehmendem<br />

Alter ansteigt. Er liegt bei Frauen und Männern unter 30 Jahren bei<br />

unter 5 %, während bei den 60jährigen Frauen jede fünfte eine<br />

Behinderung hat und bei den Männern ab 60 sogar knapp ein Drittel<br />

behindert ist. Für eine Inklusionsperspektive ist wichtig: Das<br />

Risiko einer Behinderung im Lebenslauf nimmt zu – trotz (oder gerade<br />

wegen [!]) aller medizinischen Fortschritte.<br />

Alt und behindert?<br />

Körperliche Beeinträchtigungen können in jedem Alter auftreten, sie<br />

werden jedoch unterschiedlich bewertet. Eine Brille geht noch als<br />

modisch schick durch, ein Hörgerät noch lange nicht. Wir sind geprägt<br />

davon, dass es eine gradlinige Körperentwicklung gibt. Behinderung<br />

in jüngeren und mittleren Jahren gilt als Abweichung, im<br />

höheren Lebensalter als „altersbedingt“. Entsprechend heißt es im<br />

Sozialgesetzbuch (SGB IX): „Menschen sind behindert, wenn ihre<br />

körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für<br />

das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe<br />

am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ Eine solche<br />

Normierung hat einschneidende Folgen für die Behandlung von alten<br />

Menschen, in der medizinischen Versorgung und im Blick auf die<br />

Rechte auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das beschreibt der<br />

6. Altenbericht: Gesundheitsbeschwerden im Alter werden als altersgemäß<br />

eingestuft und sind nur begrenzt behandlungsbedürftig.<br />

Gesetzlich ist ein Recht pflegebedürftiger (alter) Menschen auf Teilhabe<br />

nicht vorgesehen. Es geht lediglich um Betreuung und Versorgung.<br />

Alte Menschen werden so zu Objekten der Pflege. Die UN-<br />

Konvention spricht nicht nur von Integration, sondern von sozialer<br />

Inklusion, also von gesellschaftlicher Teilhabe. Die Praxis jedoch ist<br />

„Dr. Michaela Geiger sagt vor diesem<br />

Hintergrund von sich selbst, sie<br />

sei ‚temporarily abled‘, also zeitweise<br />

(be)fähig(t).“ Kerstin Möller


Hintergrund<br />

Welten davon entfernt. Solche Teilhabe jedoch sollte nicht ein mühsam<br />

errungener Fortschritt für einige sein, sondern ein Menschrecht,<br />

das für alle gilt – ungeachtet der körperlichen und/der geistigen<br />

Verfassung, unabhängig vom Lebensalter.<br />

Es geht auch anders: Angewiesen und verletzlich<br />

Mit dem Begriff „Natalität“ hat Hanna Arendt darauf aufmerksam<br />

gemacht, dass alle Menschen aufeinander angewiesen sind und in<br />

ein Netz von Beziehungen geboren werden. Die Ambivalenz von<br />

Angewiesenheit und Autonomie ist eine grundlegende menschliche<br />

Bedingtheit. Zu Beginn des Lebens, meist auch am Ende und immer<br />

wieder auch im Erwachsenenalter, gilt: Ohne Fürsorge anderer<br />

können wir nicht überleben, nicht die sog. Gesunden und Normalen<br />

und auch nicht Menschen mit Behinderung. Hierzu wird in der<br />

Debatte um den Begriff „Care“ (fürsorgliche Praxis und kritische<br />

Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Verortung von „care<br />

recievers“ und „care givers“) seit 30 Jahren das Verhältnis von Arbeit<br />

und Liebe, Anerkennung und Teilhabe verstanden. Wesentlich ist, in<br />

den fürsorglichen Praxen die wechselseitige Angewiesenheit von<br />

Menschen zu verbinden mit Fragen von Gender-Gerechtigkeit, dem<br />

Streben nach Eigenständigkeit, Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

– und zwar für alle!<br />

In Anlehnung an den jüdischen Philosophen E. Lévinas entwirft die<br />

amerikanische Philosophin Judith Butler eine Ethik der Verletzbarkeit.<br />

Diese setzt an bei der Anerkennung der Anderen, der Anerkennung<br />

der gegenseitigen Abhängigkeit, bei dem gefährdeten Leben<br />

des Anderen. Die Wahrnehmung der eigenen Verletzlichkeit ist die<br />

Voraussetzung für menschliches und verantwortliches Handeln. Diese<br />

Verletzbarkeit ergibt sich daraus, dass wir sozial erfasste Körper<br />

sind, an andere gebunden, ungeschützt und darum gefährdet.<br />

Biblisches zu verletzten Körpern<br />

„Ich werde die Hinkende zum Anfang machen …“ so übersetzt die<br />

Professorin für Altes Testament, Ulrike Bail, Micha 4, 1-7. Die Verletzbarkeit<br />

der Menschen wird hier zum „Grund einer Ethik der<br />

Gewaltlosigkeit und des Friedens“. Generell sind nach Bail die biblischen<br />

Friedensutopien Überlebensstrategien und Bewältigungsversuche,<br />

die in und nach der Katastrophe, der Eroberung, Zerstörung<br />

und Deportation entstanden sind. Sie können als ein Buchstabieren<br />

des Heilseins verstanden werden, das Verletztheit und Ver-<br />

innovative<br />

20<br />

letzlichkeit integriert. Das Hinken bleibt eingeschrieben in die Identität<br />

der Überlebenden:<br />

6 An jenem Tage – Ausspruch des Ewigen – will ich sammeln die<br />

Hinkende und die Umherirrende zusammenbringen, die, über die ich<br />

Böses brachte.<br />

7 Ich werde die Hinkende zum Anfang machen, und die Entfernte zu<br />

einem mächtigen Volk. Regieren wird der Ewige über sie auf dem<br />

Berg Zion von jetzt an und für immer.<br />

So hat die Friedensvision des Micha eine subversive Kraft gegen<br />

den Triumphalismus. Ins Zentrum des Neubeginns stellt der Prophet<br />

die an den Rand Gedrängten und Verschwiegenen, die mit verletztem<br />

Körper und geschundener Seele. Ihr hinkendes Gehen und ihre<br />

Perspektive prägen die Hoffnung auf eine Zeit und einen Raum, in<br />

dem Frieden lebbar wird. Das Hinken begegnet uns auch bei Jakobs<br />

Kampf am Jabboq: „Ich habe Gott gesehen – von Angesicht zu<br />

Angesicht, und mein Leben wurde gerettet. Da ging die Sonne für ihn<br />

auf …, er aber war ein Hinkender“. (Genesis 32, 31-32). Jakob begegnet<br />

der göttlichen Macht und Kraft, wird gesegnet und geht zugleich<br />

als Hinkender aus dieser Begegnung hervor.<br />

Die Evangelisten des Zweiten Testaments knüpfen in Ihren Darstellungen<br />

Jesu an diese Tradition an. Jesus stirbt am Kreuz, wird verletzt,<br />

erweist sich als einer, der, wie wir, zutiefst verletzbar ist. Und<br />

selbst als Auferstandener begegnet er den JüngerInnen als Verletzter,<br />

zeigt Ihnen seine Wundmahle. In dieser Tradition feiern wir<br />

Abendmahl, als ein Erinnerungsmahl an diese Verletzlichkeit, an<br />

den gebrochenen Leib.<br />

Dr. Michaela Geiger sagt vor diesem Hintergrund von sich selbst, sie<br />

sei „temporarily abled“, also zeitweise (be)fähig(t). Sie vergegenwärtigt<br />

damit sprachlich, dass wir über viele Jahre in Kindheit, Jugend<br />

und Alter, auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind, und nicht nur da,<br />

sondern immer wieder durch unser ganzes Leben. Ein solcher Blick<br />

müsste eigentlich unsere Sichtweise wandeln. Inklusion heißt dann<br />

nicht mehr, dass die scheinbar Normalen, Gesunden, Unversehrten<br />

die „Anderen“ integrieren. Inklusion müsste dann bedeuten, dass wir<br />

alle nicht mehr auf eine Idee von Normalität hin erzogen werden<br />

– und entsprechend unser gesellschaftliches Miteinander neu<br />

organisieren.<br />

„Die Wahrnehmung der eigenen<br />

Verletzlichkeit ist die Voraussetzung für<br />

menschliches und verantwortliches Handeln.“<br />

Kerstin Möller<br />

Kerstin Möller


21<br />

innovative<br />

Aufgestockt!<br />

Das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg<br />

freut sich über die Aufstockung der Stelle Müttergenesung<br />

/ Frauengesundheit. Durch Sprengelkollekten<br />

2009 und 2010 erhielt es dafür ca. 10.000 €.<br />

Im Bezirk Lübeck gibt es seit über 50 Jahren eine Beratungs- und<br />

Vermittlungsstelle von Kuren für Frauen und Frauen mit ihren Kindern.<br />

Das <strong>Frauenwerk</strong> im Herzogtum Lauenburg hatte bisher keine<br />

solche Stelle. Folglich wollten wir diese Lücke mit zweckgebundenen<br />

Spenden und Rücklagen schließen. Wir stellten einen Projektantrag:<br />

Angelika Lichtenthäler, MGW-Mitarbeiterin in Lübeck, sollte<br />

in den nächsten zwei Jahren zusätzlich zu den zehn Stunden in Lübeck<br />

sechs Stunden Beratungstätigkeit in Ratzeburg übernehmen.<br />

Wir freuen uns, dass das Kuratorium der Dienste und Werke und<br />

der Kirchenkreisvorstand unserem Projektantrag zugestimmt<br />

haben. Angelika Lichtenthäler kann am 1. Januar 2012 mit der Beratungsarbeit<br />

im Bezirk Herzogtum Lauenburg beginnen!<br />

Die Nachfrage nach Kuren hat sich deutlich erhöht, in der heutigen<br />

Gesellschaft sind Mütter durch viele unterschiedliche Rollenanforderungen<br />

stark belastet. Vielen Frauen ist wichtig, eine Kur in<br />

einem christlich orientierten Haus durchzuführen. Deshalb suchen<br />

sie eine kirchliche Beratungsstelle auf. In der Nachsorge wird überlegt,<br />

wie die gewonnenen Erkenntnisse in den Alltag integriert werden<br />

können, um den Kurerfolg nachhaltig zu sichern. Die Frauen<br />

werden zu unseren Angeboten eingeladen und können im <strong>Frauenwerk</strong><br />

Beheimatung finden.<br />

Helga Westermann<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Fraußenfußball spezial<br />

Film, Gespräche und viel mehr<br />

Eine Turnhalle in Flensburg-Duborg, Leinwand, Buffet und eine buntgemischte<br />

ZuschauerInnentribüne: Die Kino-Kirche des Kirchenkreises<br />

Schleswig-Flensburg und das Ev. <strong>Frauenwerk</strong> zeigen zur<br />

Frauenfußball-Weltmeisterschaft „Football under cover“.<br />

Anfangs ein Gespräch mit Dilek Ibram und Aysegül Bagbars vom<br />

Frauenfrühstück im Flensburger Norden. Wir reden über Traditionen<br />

mit und ohne Kopftuch, über Respekt und Toleranz, und darüber, dass<br />

die beiden Frauen aus der Türkei akzeptiert werden möchten -<br />

so, wie sie sind – mit Kopftuch.<br />

Dann folgt der Dokumentarfilm. Er handelt von einem Freundschaftsspiel<br />

zwischen der iranischen Frauen-Nationalmannschaft und<br />

einer Frauenmannschaft aus Berlin-Kreuzberg. Emotionale Bilder.<br />

Die offiziellen Stellen wollen die Frauen nicht unterstützen. Bis eine<br />

Spielerin nach Teheran fliegt und für das Spiel wirbt. Die Bilder aus<br />

der iranischen Hauptstadt sorgen für Überraschung: Frauen laufen<br />

mit lockeren Schals durch die Straßen, Burkas sind nicht zu sehen.<br />

Der Hauptsponsor der iranischen Nationalmannschaft sagt schließlich<br />

Hilfe beim Visum zu, die Aufregung in Teheran und Berlin-Kreuzberg<br />

steigt. Das iranische Sicherheitsministerium interessiert sich<br />

immer mehr für das Freundschaftsspiel. Von der Gesellschaft im<br />

Iran kommt viel Zuspruch. Im Stadion schließlich jubeln iranische<br />

Frauen ihrer Mannschaft zu – normalerweise dürfen sie ein Stadion<br />

nicht betreten, aber an dem Tag müssen die Männer draußen<br />

bleiben.<br />

„Der Film war hervorragend“, findet Karin Siggelkow. „Ich bin selbst<br />

fußballbegeistert, gucke aber meistens nur Endspiele.“ Viele der weiblichen<br />

Gäste sehen eigentlich kein Fußball, aber dieser Film hat sie<br />

beeindruckt. „Mich hat es atemlos gemacht, die Frauen in dem<br />

Outfit spielen zu sehen“, meint Margret Lemke. Beim Buffet im Anschluss<br />

kommen die ZuschauerInnen ins Gespräch, über Fußball und<br />

Kopftuch, Essen und andere Länder.<br />

Eva Viedt<br />

Foto: www.flyingmoon.com


Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Aufbruchsstimmung …<br />

… und wie es weiter geht<br />

Anfang 2011 starb Waltraut Richers – Anlass, um<br />

ihre Arbeit und die Geschichte der Ev. Frauenarbeit<br />

des Kirchenkreises Plön (-Segeberg) zu würdigen.<br />

Waltraud Richers war die letzte Kirchenkreisbeauftragte für Frauenarbeit,<br />

die im Kirchenkreis Plön ehrenamtlich das <strong>Frauenwerk</strong><br />

leitete. Allerdings schon 1960 war „Vikarin“ Dora Schneider als ausgebildete<br />

Theologin mit einem Teil ihrer Stelle für die Frauenarbeit im<br />

Kirchenkreis Plön angestellt. Immer gab es auch ehrenamtlich Verantwortliche,<br />

z. B. Frau Kunze und „Konsi“ Schmidt sowie die jeweilige<br />

Propstenfrau, bis 1974 Lisa Jagla zur ehrenamtlichen Kirchenkreisbeauftragten<br />

und Käthe Eulenberger zur Delegierten in die Nordelbische<br />

Arbeitsgemeinschaft für Frauenarbeit gewählt wurden. Als<br />

Waltraut Richers mit ihrem Mann, Propst Hans-Günther Richers, nach<br />

Preetz zog, war sie gleich im <strong>Frauenwerk</strong>s-Team aktiv.<br />

Diese äußerst lebendige Zeit spiegelt sich wider in den Themen<br />

der ab 1980 monatlich stattfindenden Kirchenkreis-AGs und der<br />

Kirchenkreisfrauentage. Hier eine Auswahl:<br />

l Theologische Wochenendseminare „Fremdenführer<br />

durch Neues und Altes Testament“ mit Pastor Wester.<br />

l Südafrika-Früchteboykott.<br />

l „Den Frieden wagen“ mit Manfred Wester.<br />

l „Wie kann ich mit der Bergpredigt leben?“ mit Frau Dr. Rößler.<br />

l „Was bedeutet für mich als Christin politisches Handeln?“<br />

mit Paul-Gerhard Hoerschelmann.<br />

l Weltgebetstagsvorbereitungen mit Elsbeth Süßebecker u. a.<br />

l „Als Delegierte in Vancouver“ mit Rut Rohrandt.<br />

l „Begegnung mit Sowjetfrauen“ mit Lieselotte Kutter.<br />

l Vorbereitung von Meditationen und Bibelarbeit mit Lore Penz.<br />

l „Ärger vermeiden um jeden Preis?“ mit Gerhildt Calies.<br />

l „Hunger muss nicht sein“ mit Adelheid Wiedenmann.<br />

l „Schöpfungsmythen“ mit Heide Emse.<br />

l „Welche Anstöße gibt die feministische Theologie –<br />

und wie anstößig ist sie?“ mit Ute Grümbel.<br />

l „Sind in den Weisheiten der Märchen Schlüssel für unser Leben<br />

verborgen?“ mit Jutta Gross-Ricker.<br />

„Unverändert geblieben ist die Themenvielfalt.“<br />

innovative<br />

22<br />

Auf Waltraut Richers’ Initiative ging auch eine Besonderheit unserer<br />

Frauenarbeit zurück: „Rundumtreffen“ der Verantwortlichen, die vor<br />

Ort ihre Frauenarbeit mit Jahresprogramm darstellten.<br />

1985 wurde Waltraut Richers zur Kirchendreisbeauftragen gewählt.<br />

In ihre bis 1987 dauernde Beauftragten-Zeit fiel die Ausbildung<br />

von Frauen aus den Kirchenkreisen Plön und Segeberg. Wir waren<br />

knapp 20 Frauen, die an dem „Lebendigen Lernen mit Frauen in der<br />

Kirche“ in Waltrauts Haus teilnahmen und vor der Arbeit mit Heide<br />

Emse liebevoll von Waltraut bewirtet wurden. Wichtiger war jedoch,<br />

dass sie ein offenes Ohr hatte für Freuden und Belastungen in unserer<br />

Arbeit und auch uns teilnehmen ließ an ihren Empfindungen.<br />

So bleibt sie Vielen unvergessen. Glücklich war sie über ihre beiden<br />

Nachfolgerinnen: Ursel Sommer als hauptamtliche Kirchenkreisbeauftragte<br />

und Ursula Sontag als Propstenfrau.<br />

Ingrid Knoke, Ursel Sommer, Ursula Sontag<br />

Seit Waltraud Richers ihr Amt als letzte ehrenamtliche Kirchenkreisbeauftragte<br />

abgegeben hat, wurde die Frauenarbeit im Kirchenkreis<br />

(heute Plön-Segeberg) hauptamtlich verantwortet. Unverändert<br />

geblieben ist die Themenvielfalt. Mit Staunen und etwas Neid<br />

spüre ich die Aufbruchsstimmung der Gründerinnenzeit. Die AG-<br />

Treffen sind heute nicht mehr zentraler Ort der Frauenarbeit, „frau“<br />

kann sich in den vielen Veranstaltungen der Frauenarbeit treffen.<br />

Geblieben ist, aus den AG-Treffen Impulse mit in die eigene Gruppe<br />

zu nehmen. Über Jahre hat Marie-Luise Witt als AG-Vorsitzende diese<br />

Impulse mit hervorragend aufbereiteten theologischen Themen<br />

gegeben, in jüngerer Zeit richtet sich der Blick mehr auf aktuelle gesellschaftliche<br />

Themen.<br />

Die „Plöner AG“ ist entschlossen zu wachsen: Zum ersten Mal hat<br />

eines der AG-Treffen im Bezirk Segeberg stattgefunden. Neben „festen“<br />

Frauengruppen lädt die AG heute z.B. auch Vertreterinnen von<br />

Frauenprojekten und Weltläden ein. Zusammen mit unserer AG-Vorsitzenden<br />

Angela Stark aus Bad Oldesloe wünsche ich mir, dass viele<br />

aktive Frauen im Kirchenkreis die AG als Chance ergreifen – um über den<br />

Tellerrand hinaus zu blicken, sich mit anderen Frauen im Kirchenkreis<br />

zu vernetzen und gemeinsame Interessen zu verfolgen.<br />

Julia Patzke<br />

Julia Patzke


23<br />

innovative<br />

O, heilende Kraft, die sich Bahn bricht<br />

Sanftes Fasten nach Hildegard von Bingen im Ev. <strong>Frauenwerk</strong> Altholtstein<br />

„Gott möge dich zu einem Tempel des Lebens machen“, schreibt<br />

Hildegard von Bingen einer Äbtissin, und weiter: „Hüten sollte sich der<br />

Mensch, durch zu viel Arbeit seinen Leib zu ruinieren.“ Im Fasten<br />

sieht Hildegard von Bingen einen Weg, das rechte Maß im Leben<br />

zu finden, dem Rhythmus des Lebens zu folgen.<br />

Getreu der Regel „ora et labora“ ist Maßhaltung (discretio) für Hildegard<br />

die höchste Tugend, Schlüssel für eine gottgemäße Lebensführung.<br />

Im Wechselspiel von Bewegung und Ruhe, Beten und<br />

Arbeiten schwingt sich der Mensch in die göttliche Ordnung<br />

ein. Unsere Fastenzeit orientiert sich daran. Neben dem strengen<br />

Tee-Fasten praktizierte Hildegard auch Dinkelfasten, mit Obst und<br />

Gemüse. Sie erkannte die elementare Bedeutung einer ausgewogenen<br />

Ernährung. Für sie sind Lebensmittel die besten Heilmittel,<br />

Dinkel der zentrale Bestandteil ihrer Medizin: „Dinkel bildet gutes<br />

Fleisch, führt zu einem rechten Blut, gibt ein aufgelockertes Gemüt<br />

und die Gabe des Frohsinns. Dinkel ist gut und leicht verdaulich.“<br />

Ihre Erkenntnisse über dieses wertvolle Getreide sind wissenschaftlich<br />

belegt.<br />

„Das tägliche Habermusfrühstück,“ so eine Teilnehmerin, „aus Dinkel<br />

und Obst hat mir so gut getan, dass ich es nach der Fastenwoche<br />

beibehalten habe. Es hilft mir, in den Tag zu kommen, mich auf<br />

das Wesentliche zu besinnen und Hildegards Spiritualität in meinem<br />

Alltag einen Platz zu geben. Schon beim Zubereiten habe ich das<br />

Lied von der alles Leben durchwirkenden Grünkraft Gottes im Sinn.“<br />

Wir erfahren in dieser Woche, dass es um die Ganzheitlichkeit des<br />

Fastens geht. Leib, Seele und Geist bilden eine Einheit, mit einer<br />

ausgewogenen Ernährung werden auch Seele und Geist genährt.<br />

Umgekehrt finden geistliche Impulse auch im Körper einen Widerhall.<br />

So folgt die Fastenwoche einem ganzheitlichen Rhythmus, geleitet<br />

von Fragen, die Teilnehmerinnen mitbringen: Was heilt mich?<br />

Was nährt mich wirklich? Was trägt mich? Wie finde ich meinen<br />

Lebensrhythmus? Was will ich in meinem Leben verändern? Wie<br />

verleihe ich meinem Alltag Glanz und Struktur?<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Neben einer ernährungswissenschaftlichen Einführung, bei der die<br />

Teilnehmerinnen leckere Rezepte erhalten, begleiten theologische<br />

Impulse nach H. v. Bingen, ihre Hymnen und Visionsbilder, Meditation<br />

und Elemente des Bibliodramas die Fastenwoche. Der Hymnus<br />

„O, heilende Kraft, die sich Bahn bricht“ z. B. wird mit Methoden<br />

des Bibliodramas mit Körper, Leib und Seele bewegt. Wörter verkörpern<br />

sich in den Frauen und begleiten sie. Hieraus ergibt sich eine<br />

Tagesstruktur. Jede findet die Gebärden und Worte, mit denen sie<br />

den Tag beginnen wie sie den spirituellen Impulsen im Tagesverlauf<br />

Raum geben und wie sie den Tag beschließen möchte. Beim abendlichen<br />

Tagesrückblick kann jede Frau einzelne Stationen Revue<br />

passieren lassen, um den Tag in Gottes Hände zu geben. Für viele<br />

Frauen ist so eine Tagesstruktur ungewohnt, nicht einfach durchzuhalten,<br />

schließlich aber tragend und heilsam. Der Alltag wird plötzlich<br />

durchlässig in eine spirituelle Dimension.<br />

Wenn sich alle Frauen nach vier Tagen zum Pilgern in der Natur treffen,<br />

werden viele Erfahrungen ausgetauscht. Durch das bewusste<br />

Gehen, Schauen, Schweigen sowie durch spirituelle Impulse gerät<br />

des eigene Leben wieder in einen Rhythmus, der Körper, Seele und<br />

Geist aufatmen lässt. „Ich fühle mich in dieser Fastenzeit mit mir<br />

selbst und meiner Umgebung, besonders mit der Schöpfung,<br />

tief verbunden. Vor allem spüre ich seit Langem wieder die alles<br />

umgreifende göttliche Kraft; ich brauche nichts mehr auszuklammern<br />

aus meinem Leben, denn ich trage es nicht mehr allein, Gott<br />

hält mein Leben zusammen.“<br />

Das Fastenbrechen ist geleitet von der Frage, wie die erlebten, heilenden<br />

Kräfte sich. Bahn brechen können. Heilung ereignet sich<br />

nach Hildegard v. Bingen, wenn der Mensch in lebenswerter Beziehung<br />

zu sich selbst, in achtsamer Beziehung zu Natur und<br />

Schöpfung, zu den Mitmenschen und zu Gott ausgerichtet ist.<br />

Elisabeth Christa Markert<br />

„Hüten sollte sich der Mensch,<br />

durch zu viel Arbeit seinen Leib<br />

zu ruinieren.“ Hildegard von Bingen<br />

Dr. Christiane Kaiser<br />

Susanne Wittköpper


Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Gesichter der Armut<br />

Was können Politik und wir gegen die Probleme in Dithmarschen tun?<br />

Eine Veranstaltungsreihe der Ev. Frauenarbeit in<br />

Kooperation mit dem Diakonischen Werk Dithmarschen.<br />

Auslöser für die intensive Beschäftigung mit dem Thema ist die landesweit<br />

einmalige Problemverdichtung in Dithmarschen. Im Vergleich<br />

hat Dithmarschen die höchste Belastung durch SGB II-<br />

Kosten pro EinwohnerIn. Jede/r zehnte BürgerIn ist von Leistungen<br />

nach dem SGB II abhängig.<br />

2009 fand in Kooperation mit Waltraud Waidelich (<strong>Nordelbisches</strong><br />

<strong>Frauenwerk</strong>) eine erste Veranstaltung statt. Dabei ging es um die<br />

Definition des Armutsbegriffs, die Ursachen von Armut weltweit und<br />

im Besonderen in der BRD, sowie um die notwendigen wirtschafts-<br />

und sozialpolitischen Handlungsstrategien. Das Impulsreferat hielt<br />

Dr. Ursula Müller. In der Fortführung des Themas im Juni 2011 wurde<br />

die spezifische Situation Dithmarschens von einem Praktiker angesehen<br />

und mit dem Blick aus der Wissenschaft überprüft. Referenten<br />

waren Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster von der Universität<br />

Bochum und Malte Spitzer, Verwaltungsdirektor des Landkreises<br />

Dithmarschen. Beiden ging es darum, die Situation in Dithmarschen<br />

zu verbessern. Übereinstimmend betonten die Referenten die<br />

Bedeutung von Bildung als Hebel für Veränderung, da das Risiko<br />

arm zu werden und zu bleiben besonders abhängig ist vom Grad<br />

der Bildung. Nachdrücklich machte Prof. Dr. Huster deutlich, dass<br />

Lebenslagen „sozial vererbt“ werden und dass Armut gravierende<br />

Auswirkungen auf das gesundheitliche Wohlergehen und die Entwicklung<br />

hat. Bei allen zugrunde gelegten Anzeichen für Entwicklungsverzögerungen<br />

oder Gesundheitsstörungen – außer bei Allergien<br />

– sind die Kinder, die einen hohen Sozialstatus haben, deutlich<br />

weniger von Einschränkungen betroffen.<br />

Unterschieden nach Kindern von AkademikerInnen und Nicht-AkademikerInnen<br />

wies Prof. Huster nach, dass von 100 Kindern, die<br />

später einen Hochschulzugang erlangen, 80 aus akademisch gebildeten<br />

Familien stammen. Es ist als gesichert anzusehen, dass bei<br />

Kindern in benachteiligten Familien durch die ökonomischen<br />

Rahmbedingungen die soziale Benachteiligung verstetigt wird.<br />

„Auslöser für die intensive Beschäftigung<br />

mit dem Thema ist die landesweit einmalige<br />

Problemverdichtung in Dithmarschen.“<br />

Elisabeth Ostrowski<br />

innovative<br />

24<br />

Malte Spitzer bestätigt die „landesweit einmalige Problemverdichtung“<br />

in Dithmarschen. Beispielhaft benennt er, dass 56,2 %<br />

der SGB II-EmpfängerInnen keine Ausbildung haben, 36,2 % nicht<br />

einmal einen Schulabschluss. „Nachhaltige Armutsprävention<br />

braucht Bildung und sozial Teilhabe“. Als Maßnahmenkatalog stellt<br />

er einen Fünf-Eckpunkte-Plan vor, der die Situation in Dithmarschen<br />

an den Schulen durch Ganztagsbetreuung, Förderung und Schuungsangebote<br />

für Eltern usw. qualitativ verbessern soll. Das zweite<br />

Standbein der Präventionsmaßnahmen stellt die Neuausrichtung<br />

der Jugendhilfe dar. Sie soll sich zukünftig an Regional- und Sozialräumen<br />

orientieren und dort sich selbst tragende Netzwerke und<br />

eine aufsuchende Sozialarbeit aufbauen.<br />

Sein Konzept hinterlässt zunächst Eindruck. Die Antwort auf die<br />

Frage nach der Finanzierung dieser Strategie bleibt jedoch unbestimmt.<br />

Es wird an eine „Umschichtung der Ressourcen“ gedacht.<br />

Betroffen denkt die Zuhörerin dabei an den Beschluss des<br />

Kreistages Dithmarschen, die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten<br />

um die Hälfte, auf eine 50 %-Stelle zu kürzen. So scheint es<br />

immer wieder „nur“ um einen Verteilungskampf um die vorhandenen<br />

Mittel zu gehen.<br />

Als Grundlegung des Armutsproblems ist es wichtig, die welt- und<br />

bundespolitischen Wurzeln nicht aus den Augen zu verlieren. Es ist<br />

und bleibt ein Skandal, dass ein Zehntel der Bevölkerung in unserem<br />

Land über 61,1 % des Vermögens verfügen und dass diese<br />

Ungleichverteilung eine zunehmende Tendenz aufweist. Die<br />

Auseinandersetzung mit der Fragestellung wird fortgesetzt.<br />

Elisabeth Ostrowski<br />

Die Powerpoint-Präsentationen von Prof. Huster und Malte<br />

Spitzer sowie das Referat von Dr. Ursula Müller finden Sie unter<br />

www.kirche-dithmarschen.de


<strong>25</strong><br />

innovative<br />

Viel geschafft – und es bleibt viel zu tun<br />

Jubiläum der Frauen Sinnstiftung<br />

Zum 10-jährigen Bestehen der Frauen Sinnstiftung erwartete die<br />

über 100 Gäste ein abwechslungsreiches Programm: Feministischer<br />

Vortrag, Frauenkabarett, Musikalisches und Kulinarisches. Den vielen<br />

Ehrenamtlichen aus den Projekten und insbesondere der<br />

Hauptverantwortlichen, Rita Bogateck, Arbeitsstelle Frauen des<br />

Kirchenkreises Hamburg-Ost, dankte die Vorsitzende des<br />

Stiftungskuratoriums, Gisela Poelke, für ihren tatkräftigen Einsatz. G.<br />

Poelke stellte fest, dass es unvermindert notwenig ist, sich für die<br />

Verbesserung der Lebenssituation von Frauen, besonders von<br />

Alleinerziehenden, einzusetzen.<br />

Da ist das kostenfreie „Müttertelefon“ mit 45 ehrenamtlich tätigen<br />

Frauen, die Müttern Gespräche anbieten. Da können Mütter mit<br />

Kindern im „Haus Lise“ eine Auszeit nehmen. Coaching für Frauen<br />

wird in schwierigen Lebenssituationen vermittelt. Die neu eröffnete<br />

„Perspektiven Werkstatt“ unterstützt junge Frauen, um einen Ausweg<br />

aus Armut, Isolation und Arbeitslosigkeit zu finden. Gut angenommen<br />

wird die Sprachförderung für Migrantinnen in Kindertagesstätten.<br />

„Ich will nicht mehr leise sein!“ sagte eine türkische Mutter nach dem<br />

Sprachförderkurs für Migrantinnen in der KiTa ihres Kindes. Endlich<br />

kann sie sich mit der Erzieherin über die Entwicklung ihres<br />

Kindes unterhalten.<br />

Propst Hartwig Liebich gratulierte von Herzen: „Neben der ganz realen<br />

und unmittelbar wirksamen Hilfe zum Bestehen des Alltags oder<br />

zur Bewältigung von Lebenskrisen vermitteln Sie in Ihrer Arbeit den<br />

Frauen, die sich an Sie wenden, immer auch so etwas wie neuen<br />

Lebens-Sinn. Sie fördern den Mut und die Fähigkeit, dem eigenen<br />

Leben wieder neuen Sinn abzugewinnen und tun damit im ganz<br />

elementaren Sinne etwas eindeutig Sinn-Volles: das Stiften von Sinn<br />

erweist sich so als eine ursprünglich christliche und evangelische<br />

Aufgabe.“<br />

Die Frauen Sinnstiftung hat auch eine politische Dimension, weil sie<br />

offen legt, dass gesellschaftliche Bedingungen Armut ungleich unter<br />

den Geschlechtern verteilen. Dass das Armutsrisiko bei Frauen<br />

deutlich höher ist und sie mit den Folgen besonders zu kämpfen<br />

„Wir wollten ‚die Hälfte der Torte’ und bekommen<br />

haben wir das Doppelte: Zum traditionellen Frauenbild<br />

wurde das traditionelle Männerbild addiert!<br />

Das kann keine Frauenbefreiung sein!“ Uta Gerstner<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

haben, führte Dr. Claudia Wallner, Autorin und Praxisforscherin,<br />

in ihrem beeindruckenden Vortrag „Alles erreicht oder doch<br />

wieder betrogen?“ vor Augen. Sie skizzierte die Erfolge der<br />

Frauenbewegung, zeigte aber auch, wo die rechtlichen, wirtschaftlichen<br />

und familienpolitischen Benachteiligungen von Frauen sind.<br />

Dabei enttarnte sie die „Sprechpolitik“ von der erreichten<br />

Gleichberechtigung als Täuschung. Bessere Bildung von Frauen<br />

führt nicht in eine bessere Beschäftigung: Der Dienstleistungssektor<br />

bleibt Frauendomäne mit seinen schlecht bezahlten, aufstiegsarmen<br />

und teilzeitorientierten Jobs. Frauen verdienen weniger und sind<br />

durch Kinder und Hausarbeit zusätzlich belastet. Dieser Wirklichkeit<br />

hinkt die „Handlungspolitik“ hinterher!<br />

Insbesondere das inszenierte Frauen- und Mädchenbild der<br />

Medien, das Dr. Wallner pointiert veranschaulichte, erschütterte<br />

viele: Sexy, frech und fit. Da werden in den USA Mädchen, sogar<br />

schon weibliche Babys, mit Pumps zu kleinen Lolitas ausstaffiert, „als<br />

ob es im Leben einer Frau nur ein richtiges Alter gibt, nämlich das<br />

zwischen 17 und 21 Jahren. Alles darunter wird aufgestylt und alles<br />

darüber muss an sich herumschnippeln“. Fazit: Wir wollten „die<br />

Hälfte der Torte“ und bekommen haben wir das Doppelte: Zum traditionellen<br />

Frauenbild wurde das traditionelle Männerbild addiert! Das<br />

kann keine Frauenbefreiung sein!<br />

Befreites Lachen erfüllte den Saal, als sich die ZuschauerInnen in<br />

den Alltagsszenen des Kölner Frauenkabaretts wiederfanden:<br />

„Arbeiten Frauen wirklich oder bilden sie sich das nur ein?“. Dabei<br />

blieb frau allerdings manchmal das Lachen im Halse stecken,<br />

waren doch die Dialoge oft die Zuspitzung dessen, was wir im<br />

Vortrag gehört hatten.<br />

Wie gut, dass wir inne halten konnten, um zu feiern, was mit der<br />

Frauen Sinnstiftung schon geschafft ist und uns gegenseitig Mut<br />

machten – auch wenn der Weg zur Gleichberechtigung noch lang ist.<br />

Das Jubiläum war eine gelungene Stärkung!<br />

Uta Gerstner<br />

Dr. Claudia Wallner


Foto: Katharina Born<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

Wie geht das mit dem Umkehren?<br />

Bei sich anfangen, um die Welt zu verändern<br />

Montagabend im Flensburger Gemeindehaus St. Petri. Alle warten<br />

gespannt auf Hanna Poddig. Zum Jahresthema „Es geht auch<br />

anders – umkehren zum Leben“ hatte das Ev. <strong>Frauenwerk</strong><br />

Schleswig-Flensburg drei Frauen eingeladen: Margit Baumgarten,<br />

ehemalige Pröpstin aus Hamburg, Ute Hörcher, Vertreterin des ökologischen<br />

Landbaus aus der Region und Hanna Poddig, deren<br />

Name sicherlich der werbewirksamste war. Sie ist Vollzeitaktivistin,<br />

für ihre Protestaktion des Ankettens an Bahngleise rechtskräftig verurteilt<br />

und lebt bewusst und öffentlich von dem, was unsere<br />

Überflussgesellschaft wegwirft – sie containert, „kauft“ also aus<br />

Müllcontainern der Supermärkte ein. In Diskussionsrunden mit<br />

machtpolitisch einflussreichen Menschen argumentiert sie radikal<br />

und oft aggressiv. So habe ich auch erst nach zwei Ablehnungen<br />

ein Gemeindehaus gefunden, in dem wir diskutieren konnten.<br />

Die drei Frauen stellten sich vor mit dem, was sie anders machen in<br />

ihrem Leben. Ute Hörcher beeindruckte mit dem persönlichen<br />

Bericht über ihren Lebensweg als Biologin, die sich für Artenvielfalt<br />

einsetzte und sich in einen konventionell arbeitenden Landwirt verliebte.<br />

Sie schilderte den gemeinsamen Entscheidungsweg in der<br />

neu gegründeten Familie zur ökologischen Landwirtschaft.<br />

Ökologisch wirtschaften ist möglich, allerdings bedarf es nicht<br />

nur der Einsicht, sondern auch der aktiven Unterstützung der<br />

Einkaufenden.<br />

Mal „mit dem Auge Gottes schauen,“ beschrieb Margit Baumgarten<br />

ihre Lebenshaltung: „Es eröffnet neue Blickwinkel, wenn man von<br />

verschiedenen Seiten schaut und die eigene Sicht verändert.<br />

Wie bei den einschlägigen Internetdiensten hilft es, den Blick weg<br />

zu zoomen, um neue Zusammenhänge - oder Zusammenhänge<br />

neu zu erkennen“. An anschaulichen Geschichten machte sie dies<br />

v. l.: Hanna Poddig, Ute Hörcher, Margit Baumgarten, Eva Viedt<br />

innovative<br />

26<br />

deutlich, sodass im Publikum sofort Zustimmung und Brücken zum<br />

eigenen Handeln entstanden. Z. B. erzählte sie von einer Gruppe<br />

von Müttern, die - unter zeitweiser Einbeziehung des ganzen Dorfes,<br />

in zweieinhalbjährigem Einsatz an einer sehr befahrenen, gefährlichen<br />

Straße eine Fußgängerampel durchsetzte; oder von dem rumänischen<br />

Zeitungswerber, der sich nach einem langen Gespräch<br />

aus seiner Abhängigkeit befreite und dies mit einer Dankeskarte aus<br />

Rumänien mitteilte.<br />

Hanna Poddig war an diesem Abend eine beeindruckende, freundliche<br />

und zugewandte junge Frau, die scharf formulierte. Deutlich<br />

sagte sie, wo es Fehlentwicklungen gibt, wie ihre Überzeugung sie<br />

leitet zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen und wie sie dabei ihre<br />

innere Richtschnur nie verlässt. Sicher legt sie ihren Finger in die<br />

Wunden der Gesellschaft, die auf unbedingtes wirtschaftliches<br />

Wachstum ausgelegt ist. Wer eine aggressive Fundamentalistin erwartet<br />

hatte, gegen deren Ansprüche man sich leicht abgrenzen<br />

kann, dachte nach der freundlichen und klaren Stellungnahme darüber<br />

nach, ob die eigene Einstellung nicht doch revidierungsbedürftig<br />

ist.<br />

Der Abend war gelungen, weil die drei Frauen so unterschiedlich<br />

ermöglichten, die eigenen Fragen zu reflektieren. „Es geht<br />

auch anders – umkehren zum Leben“ wurde so von einem gemischten<br />

Publikum - einem Fanclub von Hanna Poddig, <strong>Frauenwerk</strong>sfrauen<br />

und interessierter kritischer Öffentlichkeit - sehr persönlich diskutiert.<br />

Margit Baumgarten, Ute Hörcher und Hanna Poddig blieben<br />

auch nach der Veranstaltung angeregt im Gespräch zusammen, genauso<br />

wie das Publikum, das sich erst nach Verabredungen zu eigenen<br />

Aktionen freundschaftlich verabschiedete.<br />

Eva Viedt


27<br />

innovative<br />

Was wäre die Reformation ohne die Frauen?<br />

Katharina von Bora<br />

Mit dieser Frage und mit einem Gottesdienst zum Reformationsfest<br />

2010 fing alles an. Auf der Suche nach den Frauen der Reformation<br />

stieß ich sehr bald auf Katharina von Bora, die Frau an der<br />

Seite Martin Luthers. In einem Team von fünf Frauen befassten wir uns<br />

mit der Lutherin und machten uns daran, einen Gottesdienst zum<br />

Reformationsfest vorzubereiten. Nach ein paar Eckdaten zur Adligen,<br />

die schon mit 16 Jahren Nonne wurde, gestalteten wir im Verkündigungsteil<br />

ein dreiteiliges Interview mit der Frau des Reformators.<br />

Wir versuchten herauszufinden, wie es ihr im Kloster ergangen sei und<br />

was sie zur Flucht veranlasst hat, wie sie ihr Leben als Leiterin des großen<br />

Haushalts im „schwarzen Kloster“ (ehemaliges Augustinerkloster,<br />

in dem Martin Luther lebte) gestaltete und wie sie als Witwe in Kriegs-<br />

und Pestzeiten die letzten Jahre ihres Lebens bewältigte.<br />

Aus diesen Anfängen entwickelte sich ein Interesse an dem historischen<br />

Ort, an der Lutherstadt Wittenberg. Mit zehn Frauen machten<br />

wir uns auf, um die „Spuren der Katharina von Bora“ zu erkunden.<br />

Dank einer hervorragenden Führung entdeckten wir zunächst den<br />

Lebens- und Wirkungsort der Familie Luther. Im ehemaligen Augustinerkloster<br />

sorgte Käthe Luther für das Wohl des Reformators,<br />

für ihre Kinder, für verwaiste Verwandte und für die vielen Gäste,<br />

die die befreiende Botschaft des Evangeliums kennenlernen<br />

wollten. In diesen Räumen lauschten StudentInnen, Anhänger der<br />

Reformation und Bekannte den berühmten Tischreden. Käthe Luther<br />

hatte für die Mahlzeit gesorgt und sich vermutlich oft zu den Zuhörern<br />

gesellt. Ob sie dann und wann mitdiskutierte? Es wird vermutet.<br />

Katharina entwickelte sich zu einer emanzipierten, mutigen und<br />

durchsetzungsfähigen Frau, die unternehmerisch ihren Haushalt<br />

vergrößerte, um die vielen Gäste zu versorgen. Martin Luther zitiert<br />

ihre Selbstbeschreibung: „Ich muss mich in sieben Teile zerlegen,<br />

an sieben Orten zugleich sein und siebenerlei Ämter verwalten.<br />

Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin, drittens Köchin, vier-<br />

„Ich muss mich in sieben Teile zerlegen, an sieben<br />

Orten zugleich sein und siebenerlei Ämter verwalten.<br />

Ich bin erstens Ackerbürgerin, zweitens Bäuerin …<br />

siebentens aber bin ich Doktorissa, die sich ihres<br />

berühmten Gatten würdig zeigen und mit 200 Gulden<br />

Jahresgehalt viele Gäste bewirten soll.“<br />

Katharina Luther, geb. von Bora<br />

Aus den <strong>Frauenwerk</strong>en<br />

tens Kuhmagd, fünftens Gärtnerin, sechstens Winzerin und Almosengeberin<br />

für Bettler in Wittenberg, siebentens aber bin ich Doktorissa,<br />

die sich ihres berühmten Gatten würdig zeigen und mit 200 Gulden<br />

Jahresgehalt viele Gäste bewirten soll.“<br />

Im Lutherhaus befindet sich jetzt das reformationsgeschichtliche Museum.<br />

Natürlich wurden uns auch die berühmten Kirchen gezeigt:<br />

die Stadtkirche mit dem Reformationsaltar von Lucas Cranach und<br />

die Schlosskirche mit der berühmten Tür, an die Martin Luther 1517<br />

die 95 Thesen anschlug und die Reformation einleitete. Jede Teilnehmerin<br />

hatte auch Zeit, den eigenen Interessen und Neigungen<br />

nachzugehen. Da wir in einem Hotel mitten in der Stadt unterkamen,<br />

war das gut möglich. Uns blieben Zeit und Raum für ein Orgelkonzert,<br />

für ein „Essen mit Luthers“ (Speisen des 16. Jahrhunderts und Tischreden<br />

Martin Luthers mit Kommentaren Katharina von Boras – nach<br />

Christine Brückner), für das Maiblumenfest und manch andere<br />

Attraktion Wittenbergs.<br />

In unserem Hotel konnten wir uns auch als Gruppe treffen. Das gab<br />

uns die Chance, Impressionen von Katharina von Bora zu vertiefen<br />

und uns auch anderen Frauen der Reformation zuzuwenden, z.B. der<br />

„Kirchenmutter“ Katharina Zell – so die Selbstbezeichnung der Frau<br />

des Straßburger Priesters Matthias Schütz. Im Internet sind vertiefende<br />

Informationen über Frauen der Reformation zu finden. Gott sei<br />

Dank gab es diese mutigen und gebildeten Frauen, Frauen, die<br />

es wagten Grenzen zu überschreiten und mit der biblischen Botschaft<br />

im Rücken aufzustehen, das Wort zu ergreifen, gegen die<br />

Mächtigen (kirchlich und politisch) zu protestieren.<br />

Nach dem Gottesdienst in der Schlosskirche eilten wir am Sonntag<br />

zu einem Vortrag von Altbischof Axel Noack: „Freiheit als Freiraum.<br />

Kirche in der DDR“. Wittenberg ist eine Reise wert, besonders auch<br />

mit dem Fokus „Was wäre die Reformation ohne die Frauen?“ In der<br />

Lutherstadt hinterließen auch Barbara Cranach, Katharina Melanchthon<br />

und Elisabeth Cruziger (Liederdichterin der Reformation) ihre<br />

Spuren.<br />

Helga Westermann


Frauen-News<br />

Bibel in gerechter Sprache neu<br />

Unter dem Motto „Gut aufgelegt“ wurde am Reformationstag in Köln<br />

die vierte, erweiterte und verbesserte Ausgabe der „Bibel in gerechter<br />

Sprache“ (BigS) vorgestellt. Fünf Jahre nach dem Erscheinen 2006<br />

präsentiert sich die BigS nun in einem neuen, handlichen Taschenformat.<br />

Auspeitschung<br />

Alle weiblichen Gefängnismitarbeiterinnen eines Teheraner Gefängnisses<br />

haben sich geweigert, ein Urteil gegen die Bürgerrechtlerin<br />

Somayeh Tohidlou zu vollstrecken. Die 33-Jährige war<br />

wegen „Beleidigung des Präsidenten“ u.a. zu 50 Peitschenhieben<br />

verurteilt worden. Das Urteil konnte zunächst nicht vollstreckt werden,<br />

weil im Iran Frauen von Frauen ausgepeitscht werden müssen.<br />

In diesem Fall folterte ein Verhörbeamter die gefesselte Soziologin.<br />

Sie gehörte zum Team des Präsidentschaftskandidaten Moussavi.<br />

Frauenquote<br />

Nach dem schlechten Abschneiden der Kieler Universität in Fragen<br />

der Gleichstellung fordert das Studierendenparlament nun eine Frauenquote.<br />

Das Präsidium der Universität startete eine Anzeigenkampagne<br />

zur Frauenförderung, um mehr Professorinnen zu gewinnen.<br />

Mit 13,6 % Professorinnenanteil landete die Kieler Universität beim<br />

Hochschulranking auf einem der letzten Plätze. Die FU Berlin erfüllt<br />

die Gleichstellungskriterien am besten.<br />

Glückliche Kinder<br />

Kinder leben in Dänemark am besten, Deutschland ist in einer Studie<br />

nur Vorletzter. 86 % der DänInnen schätzen ihr Land als kinderfreundliche<br />

ein, das ergab eine repräsentative Befragung von mehr als<br />

15.000 EuropäerInnen in 13 Ländern. In Deutschland heilten nur 21 %<br />

der Befragten ihr Land für kinderfreundlich. Kinderfreundlichkeit,<br />

so heißt es in der Studie, ist in den Ländern am höchsten, in denen<br />

die Emanzipation weit fortgeschritten ist. Die europaweit niedrigste<br />

Geburtenquote hat Deutschland, 1,37 Kinder/Frau. Viele Deutsche<br />

haben die Sorge, dass Kinder abhängig und arm machen. 60 % befürchten<br />

bei einer Familiengründung den Verlust ihrer Selbstständigkeit,<br />

58 % scheuen die aus ihrer Sicht durch Kinder entstehenden hohen<br />

Kosten. Etwas mehr als die Hälfte glaubt, dass eigene Kinder die berufliche<br />

Karriere verbauen.<br />

innovative<br />

28<br />

Frauenanteil<br />

Andorra ist das erste europäische Land in dessen Parlament<br />

Frauen in der Mehrheit sind. Der Frauenanteil beträgt 54 %, 15 der<br />

28 Abgeordneten sind Frauen. Weltweit war Ruanda das erste und<br />

bisher einzige Land mit einer Frauenmehrheit im Parlament.<br />

Wahlrecht<br />

Saudi-Arabien, eine Bastion des ultra-konservativen Islam, führt das<br />

Wahlrecht für Frauen ein. Das kündigte König Abdullah überraschend<br />

in einer Ansprache vor dem Schura-Rat (Parlament) in Riad<br />

an. In den Genuss des neuen Wahlrechts werden die saudischen<br />

Frauen jedoch frühestens 2015 kommen.<br />

Vorbehalte<br />

Viele Arbeitgeber haben bei der Stellenvergabe immer noch Vorbehalte<br />

gegenüber Frauen mit Kindern. Das hat eine Umfrage des<br />

Bürodienstleisters Regus unter leitenden Angestellten in Deutschland<br />

ergeben. Jeder Dritte fürchtet, dass Mütter womöglich nicht mehr so<br />

flexibel und engagiert sind.<br />

Frauen in Führung?<br />

Frei werdende Führungspositionen beim Kosmetikkonzern Beiersdorf<br />

(„Nivea“), Hamburg sollen in Zukunft vorrangig mit Frauen besetzt<br />

werden. Dies versicherte der Personalvorstand. Beiersdorf hat<br />

sich eine freiwillige Frauenquote verordnet und vorgenommen, bis<br />

2020 auf den drei Führungsebenen unterhalb des Vorstands einen<br />

Frauenanteil von 30 % zu erreichen. Dem 6-köpfigen Konzernvorstand<br />

gehören z. Z. nur Männer an. Im Aufsichtsrat der Beiersdorf<br />

AG sind 4 von 12 Mitgliedern weiblich.<br />

Gegen Gewalt an Frauen<br />

Die Bundesregierung stütz ein Europaratsübereinkommen zur<br />

Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher<br />

Gewalt. Das Kabinett beschloss, der Unterzeichnung zuzustimmen.<br />

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kündigte außerdem die<br />

Einrichtung eines kostenlosen Hilfetelefons für von Gewalt betroffenen<br />

Frauen an. Das Übereinkommen regelt detailliert, wie europaweit<br />

Frauen und generell Opfer häuslicher Gewalt geschützt werden<br />

sollen.<br />

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) Bürgerrechtlerin Somayeh Tohidlou Wahlrecht für Frauen in Saudi-Arabien


29 innovative<br />

Buch-Tipps<br />

Mystik + Frauen<br />

„Frauen haben ihre eigene Art zu schauen, zu erfahren: sie haben<br />

ihre eigene Weise, das Ganze intuitiv und imaginativ zu erfassen<br />

und dabei das Einzelne nicht aus dem Blick zu verlieren.“<br />

So beginnt Ingrid Riedel die Einleitung zur weiblichen Spiritualität.<br />

Im Hauptteil des Buches stellt sie fünf Frauen vor, die in verschiedenen<br />

Jahrhunderten aus Quellen und Kräften der Mystik lebten.<br />

Ingrid Riedel beschreibt verständlich den jeweiligen mystischen<br />

Ansatz. Sie fügt die zum Verstehen nötigen biografischen und zeitgeschichtlichen<br />

Angaben ein. Und sie zeigt Querverbindungen zwischen<br />

den Mystikerinnen untereinander und schlägt Brücken in unsere<br />

Zeit.<br />

Folgenden Frauen widmet sie jeweils ein Kapitel:<br />

„Die Seele ist wie ein Wind“ – Hildegard von Bingen (1098 - 1179)<br />

begreift den ganzen Kosmos durchwirkt von göttlichen Atem oder<br />

mit ihrem Bild beschrieben: „durchpulst von lebendigem Grün“.<br />

„Mystik der Liebe zum > Fern-Nahen


Buch-Tipps<br />

Chancen des Alterns<br />

„Alter ist kein Defizit, sondern ein Geschenk“ zitiert Ingrid Riedel<br />

Betty Friedan aus deren Buch „Mythos Alter“. Und: „Gut die Hälfte<br />

der heute über neunzigjährigen hochaltrigen, betagten Menschen,<br />

führen ein weitgehend selbständiges und selbstbestimmtes Leben<br />

und siebzig Prozent von ihnen zeigen keine bedeutsamen Einschränkungen<br />

in der geistigen Leistungsfähigkeit.“ (Brigitte Dorst:<br />

„Altern als Lebenskrise und Reifungschance“)<br />

Ingrid Riedel schließt sich der These von Friedan an, dass aus Sicht<br />

der Gerontologen nicht die Fähigkeiten der Alternden im Vordergrund<br />

stehen, sondern zu stark nach den Defiziten gefragt wird. Ihr<br />

Buch ist ein Plädoyer, sich an den eigenen Ressourcen zu orientieren<br />

und das Leben auszuschöpfen, um es schließlich zufrieden<br />

loslassen zu können. Dabei nimmt die Autorin uns mit auf<br />

eine Reise durch Erfahrungen – eigene und die anderer. Die von ihr<br />

beispielhaft erzählten Erfahrungen sind der rote Faden, an dem sie<br />

anschaulich macht, dass wir uns lebenslang entwickeln und welche<br />

Chancen hieraus für uns im Alter erwachsen.<br />

Ihr Buch ist für LeserInnen ein Gesprächsangebot für einen inneren<br />

Dialog. Es lädt ein, über das eigene Leben nachzudenken, um daraus<br />

Inspiration für die Gestaltung des Seins in der Gegenwart<br />

zu schöpfen. Ingrid Riedel schreibt über das Alter nicht als einen<br />

Zustand, sondern als einen Prozess der Veränderung, in dem Menschen<br />

sich – wie immer schon im Leben und immer noch – wandeln.<br />

Wandeln hin zur „inneren Freiheit des Alterns“, wo nicht mehr die<br />

Frage nach dem Warum gestellt werden muss, denn wir leben, um<br />

des Lebens Willen – wie Ingrid Riedel anknüpfend an Meister<br />

Eckhart meint.<br />

„Die innere Freiheit des Alterns“ – kein Ratgeber, sondern ein guter<br />

Begleiter durch eine Lebensphase.<br />

Ingrid Riedel<br />

Die innere Freiheit des Alterns<br />

Walter Verlag, Mannheim 2010<br />

ISBN 978-3-530-50608-2<br />

18,90 Euro<br />

Elisabeth Ostrowski<br />

Wertvolle Impulse<br />

innovative<br />

30<br />

„Fünfzig +“, die Mitte des Lebens ist längst erreicht, wie soll das<br />

Leben weitergehen? „Die Mitte ist voller Spannungen. Mehr als die<br />

halbe Wegstrecke ist vorüber, und doch bin ich noch mittendrin,<br />

gespannt und ein bisschen bange, was noch alles kommen wird“,<br />

schreibt Margot Käßmann.<br />

Käßmann zieht Bilanz, schaut in zehn Kapiteln zurück auf ihr Leben,<br />

sie spart nichts aus, auch nicht das Scheitern ihrer Ehe und ihre Krebserkrankung.<br />

Sie nimmt die Gegenwart wahr und fragt sich, wie sie<br />

zukünftig leben will. Es ist ein authentisches Buch, in dem die<br />

Geisteshaltung und das Gottvertrauen der Autorin überzeugen.<br />

Margit Käßmann sucht nach ihrer Mitte zwischen dem Loslassen der<br />

nun erwachsenen Kinder und der Begleitung der älter werdenden<br />

Mutter, sie nimmt körperliche Veränderungen wahr und beschönigt<br />

nichts. Sie überprüft Freundschaften und beschreibt wie geschwisterliche<br />

Beziehungen im Laufe der Jahre wieder enger werden. Ein<br />

Brief an einen sterbenskranken Freund und Tagebuchaufzeichnungen<br />

aus der Zeit ihrer Krankheit berühren. Verse der Bibel<br />

und Gedichte umrahmen die Gedanken um diese Lebenszeit, der<br />

Mitte des Lebens.<br />

Dieses Buch ist eine lohnende Lektüre zur Überprüfung der eigenen<br />

Lebensbilanz, aber es eignet sich auch hervorragend als<br />

Gesprächsgrundlage für Frauengruppen, weil Margot Käßmann<br />

kein Blatt vor den Mund nimmt und die Themen, die Frauen in der<br />

Mitte des Lebens betreffen offen anspricht und nichts tabuisiert.<br />

Das Buch „In der Mitte des Lebens“ ist zwar nicht mehr ganz neu,<br />

aber dennoch sehr empfehlenswert!<br />

Margot Käßmann<br />

In der Mitte des Lebens<br />

Herder Verlag, Freiburg 2010 5<br />

ISBN 978-3-451-30201-5<br />

16,95 Euro<br />

Susanne Peters


Foto: Verena Mittermaier<br />

31<br />

innovative<br />

Dorothee-Sölle-Preis<br />

Fanny Dethloff ausgezeichnet<br />

Auf dem Deutschen Ev. Kirchentag in Dresden erhielt Fanny Dethloff,<br />

Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, den ersten<br />

Dorothee-Sölle-Preis für aufrechten Gang vom Ökumenischen<br />

Netzwerk „Kirche von unten“. Dieser Preis ist nicht dotiert. Er ist ein<br />

Preis, der sein Gewicht durch den Namen Dorothee Sölle erhält.<br />

Der Preis wurde im Beisein von Fulbert Steffensky der richtigen<br />

Frau verliehen, einer, die aufrecht geht, weil sie nicht anders<br />

kann. Sie stellt Öffentlichkeit her für Menschen, die im Dunkeln leben<br />

müssen, die ihre Heimat aus Unterdrückung oder Verfolgung<br />

verlassen haben. F. Dethloff setzt sich leidenschaftlich ein für Menschen,<br />

die auf der Flucht und ohne Bleibe sind.<br />

Es ist ein großes Glück, dass die Nordelbische Kirche eine Flüchtlingsbeauftragte<br />

hat, die nicht locker lässt: Fanny Dethloff brennt<br />

für das, was sie tut. Sie wurde zur engagierten Kämpferin für Kirchenasyl<br />

und Menschenrechte, als sie erlebte, wie Menschen, die<br />

Schutz suchten, aus der Kirche heraus von Polizeibeamten abgeschoben<br />

wurden. Sie ist Zeugin, sie dokumentiert, was sie erlebt.<br />

Sie arbeitet neben ihrer hauptamtlichen Tätigkeit ehrenamtlich im<br />

Bereich Kirchenasyl. Ihr Engagement ruht auf dem Fundament ihres<br />

Glaubens und der Bibel, die voller Migrationsgeschichten ist. Sie<br />

hilft den Flüchtlingen, sucht Wohnungen, baut ein Netzwerk auf und<br />

kämpft auf allen Ebenen für die Rechte derer, die schutzlos sind.<br />

Bete wild und gefährlich, so könnte ihr Lebensmotto heißen, sagte<br />

der Laudator Uwe-Karsten Plisch in Dresden. „Ich bin ein Fremdling<br />

gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.“ Fanny Dethloff zitierte,<br />

dass sie „(manchmal) grenzenlos glücklich, (selten) absolut furchtlos,<br />

(aber fast) immer in Schwierigkeiten“ ist. Sie hielt eine flammende Rede<br />

für die Arbeit mit den Flüchtlingen. Ihr Fazit: „Es ist eine rassistisch<br />

aufgeheizte, bösartige Kampagne, wenn wir sagen, dass wir dümmer<br />

werden durch MigrantInnen – ja, das ist zugleich Gotteslästerung.“<br />

v. l.: Renate Wind, Fanny Dethloff,<br />

Uwe-Karsten Plisch<br />

Fanny Dethloff, Verena Mittermaier (Hg.)<br />

Kirchenasyl – Eine heilsame Bewegung<br />

Von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 2011<br />

ISBN 978-3860594346, 19,90 Euro<br />

Gertrud Wellmann-Hofmeier<br />

Stolz geben<br />

Als Vorsitzende des Oikocredit Förderkreises<br />

Norddeutschland e. V. berichtet Julia Patzke<br />

von der Generalversammlung in Tansania.<br />

Und außerdem<br />

Wir besuchen das Microfinanzinstitut Yosefo. Geld wird gezählt und<br />

in Bücher eingetragen. Frauen zeigen uns die Rückzahlung ihrer<br />

Mikrokreditraten. Yosefo hat ca. 17.000 KundInnen zu 80 % Frauen.<br />

Alle Kredite werden durch eine Lebensversicherung abgedeckt. Zwei<br />

Drittel des Kreditportfolios hat Yosefo an „Solidaritätsgruppen“ ausgeliehen:<br />

Fünf Personen nehmen den Kredit gemeinschaftlich auf.<br />

Die KundInnen bauen sich damit kleine Gewerbebetriebe auf oder<br />

betreiben Shops. Fortbildung und Gesundheitsberatung gehören zu<br />

den Leistungen von Yosefo. Das Unternehmen arbeitet seit zwei<br />

Jahren mit Oikocredit und schätzt die Unterstützung, die es von<br />

Oikocredit erhält.<br />

Wir besuchen eine Lobsterfarm, Kreditnehmer von Yosefo. Unser<br />

Weg führt uns quer über Zanzibar, Afrika wie aus dem Bilderbuch.<br />

Durch einen schmalen Raum gelangen wir zu der „Farm“: In einem<br />

Becken schwimmen ca. 12 Hummer. Der Inhaber hat Absprachen<br />

mit 15 Fischern getroffen, die mit Abnahmegarantie exklusiv für ihn<br />

fischen. Beliefert werden Hotels und der Großmarkt. So klein und<br />

bescheiden ist in diesem Teil der Erde ein Unternehmen, von dem<br />

eine Familie existieren kann. Der Inhaber führt die Geschäfte mit<br />

seiner zweiten Frau, die die Geschäftsidee hatte, die erste Frau kümmert<br />

sich um Haushalt und die 11 Kinder.<br />

Ein Besuch des alten Sklavenmarkts macht uns eindringlich die<br />

Wunden bewusst, die dem Schwarzen Kontinent vor Generationen<br />

zugefügt wurden. Wie klein, aber auch wie notwendig scheint demgegenüber<br />

unsere Arbeit, mit der wir ProjektpartnerInnen Unterstützung<br />

für ihren Weg in eine bessere Zukunft anbieten! Beim Mittag am<br />

Hafen bringt der Manager von Yosefo es auf den Punkt: „In Afrika<br />

sagen wir, vererbe deinen Kindern kein Geld. Vererbe ihnen Stolz.<br />

Stolz ist es, was wir unseren KundInnen zu geben versuchen.“<br />

Julia Patzke


theologisch ● spirituell ● individuell ● praktisch ● politisch<br />

Das Nordelbische <strong>Frauenwerk</strong><br />

Programm 2012<br />

Seminare 0431 – 55 779 112 | Bärbel Rimbach<br />

Reisen 0431 – 55 779 111 | Kirsten Larsen<br />

Da könnte auch<br />

für Sie etwas<br />

dabei sein:<br />

Vom Tanzen, Wandern, Schweigen<br />

bis zum Konfliktmanagement, von<br />

nachhaltiger Ökonomie bis zu<br />

‚Selbst-bewusst authentisch sein‘,<br />

von Strategien gegen Diskriminierung<br />

bis zur biblischen Sicht auf<br />

unser neues Jahresthema „JETZT<br />

___ ist die Zeit“, vom Friedens-Engagement<br />

bis zur Denkwerkstatt,<br />

von feministisch-theologischer<br />

Spurensuche in der Bibel bis zu<br />

‚Veränderungsprozesse verstehen<br />

und gestalten‘, von interkulturellen<br />

Begegnungen bis zur Biografiewerkstatt<br />

Ost-West, vom Einblick<br />

in jüdische Gottesdienste bis zu<br />

eigenen Ritualen, von Weltgebetstags-Workshops<br />

bis zur Natur<br />

als spirituellem Erfahrungsraum …<br />

– das bieten unsere Seminare.<br />

Außerdem nehmen die Frauen-<br />

Reisen Hin und weg unsere Themen<br />

mit auf Reisen: Begegnen<br />

Sie großen Frauen des Mittelalters<br />

auf der Deutschlandrundreise,<br />

pilgern Sie an der Ostsee, reisen<br />

Sie ins Weltgebetstagsland Frankreich,<br />

erleben Sie die Traditionen<br />

des wild-romantischen Rumäniens,<br />

machen Sie eine Klosterfahrt<br />

auf den Spuren heiliger Frauen,<br />

fastenwandern Sie auf Usedom,<br />

spüren Sie den Zauber des Baltikums<br />

und …<br />

All dies und noch viel mehr finden<br />

Sie in unserem Programm<br />

2012, eben „vielseitig und<br />

engagiert“. Das Programm<br />

bekommen Sie unter<br />

0431 – 55 779 107 (Ute Schröder)<br />

oder www.ne-fw.de<br />

www.ne-fw.de

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