OTON Magazin & Jahresvorschau 2020/21 der Tonhalle Düsseldorf
Liebes Publikum, laut ist nicht immer das Gegenteil von leise. Laut ist nicht immer Krach. Farben können laut sein, aber sie stören nicht. Auch ein Orchester kann seeehr laut sein. Aber man kann es genau deshalb lieben. Im OTON der Saison 2020 | 2021 haben wir uns über 140 Seiten lang Gedanken über gute und schlechte „Lauts“ gemacht. Einfach anklicken und lesen! tonhalle.de
Liebes Publikum,
laut ist nicht immer das Gegenteil von leise. Laut ist nicht immer Krach. Farben können laut sein, aber sie stören nicht. Auch ein Orchester kann seeehr laut sein. Aber man kann es genau deshalb lieben. Im OTON der Saison 2020 | 2021 haben wir uns über 140 Seiten lang Gedanken über gute und schlechte „Lauts“ gemacht. Einfach anklicken und lesen! tonhalle.de
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Kommentarspalte angefeindet, dann freue ich mich, dass
der Instagram-Post von meinem Mallorca-Strandaufenthalt
so viele „Herzchen“ einheimst, dann bringt mich ein
Artikel der Süddeutschen auf die Palme, obendrauf erhalte
ich noch Nachrichten über Corona, Flüchtlingswelle, Klimawandel
und die SMS vom Chef, der auf eine Excel-Tabelle
wartet. Die Schlagzahl der täglichen Irritationen verdichtet
sich so zu einem Stresszirkus der unterschiedlichsten Informationen
und Affektlagen. Nun würde man meinen, dass
auch hier Gegenkräfte auf den Plan gerufen werden – Selbstmedikationen
in Form von Achtsamkeit, Meditation und
Yoga. Eine Art Symptombekämpfung durch Weltentzug,
durch kleine Idyllen der Kontrolle.
Ich sehe natürlich eine Verbindung des Verschiedenen.
Kein Mensch kann im Zustand der Dauerverstörung
existieren. Das wäre ganz gewiss auch nicht gut. Ich
würde insofern nicht zu scharf auf Bewegungen in Richtung
Achtsamkeit reagieren. Denn hier artikuliert sich
ja ein sehr relevantes Bedürfnis. Die Schlüsselfrage ist
nur: Wie kann man einen guten Ausgleich zwischen
engagierter Weltzugewandtheit auf der einen Seite und
abgrenzungsfähiger Dosierung und Selektion auf der
anderen Seite herstellen? Und hier gilt es, eine Balance
zu entdecken, die natürlich immer personen- und situationsabhängig
ist.
Ich kann das Phänomen aber auch kritischer sehen. Auf der
einen Seite gibt es die Weltzugewandtheit und den damit
verbundenen Stress, auf der anderen eine neue Privatromantik
aus Gartenpflege, Töpfern, kleinen Asylen der
Selbstwirksamkeit. Bin ich hier nicht eigentlich in der Selbstoptimierungsfalle?
Am nächsten Tag stehe ich dem Markt
ja wieder zur Verfügung: Wahrscheinlich sogar erholter,
leistungsbereiter und effizienter als zuvor. Das hätte
sich der Kapitalismus ja nicht schöner ausdenken können, oder?
Aber das hieße ja, dass der Kapitalismus gewissermaßen
selbst eine Art Verschwörungsagentur darstellt. Ich
würde nicht in dieser Schärfe über die Neigung zum
Rückzug, zur kleinen Flucht, zum Eskapismus, der einem
Ruhe bringt, herziehen wollen, weil ich darin ein
urmenschliches Bedürfnis sehe. Natürlich kann es sein,
dass man in dieser Weise dann wieder dem Markt in besserer
Form präsentabel erscheint. Nur was wäre die
Alternative? Ist es sinnvoll, sich zu Tode zu arbeiten, weil
man das Töpfern und das Yoga und die Achtsamkeitsmeditation
als raffinierte Überlebenstaktik von noch raffinierteren
Kapitalisten, die uns die Selbstoptimierungsideologie
auferlegt haben, entlarvt hat? Hier bin ich mir
nicht so sicher.
Die Alternative wäre, sich selbst auf die Schliche zu kommen,
sich zu fragen, in welchem Muster man lebt, um
dann Handlungsoptionen zu bewerten oder zu neuen zu
kommen.
Das sehe ich nicht so. Weil dieser Diskurs diejenigen
herabsetzt, die einfach nicht kapieren, dass das Töpfern
im Grunde genommen eine Perfektionierung der neoliberalen
Ideologie ist. Diese Art des Nachdenkens läuft
immer auf eine Abwertung von Menschen hinaus, die
etwas Konkretes tun. Dies ist aus meiner Sicht bevormundend.
Und deswegen tue ich mich mit einer allzu
scharfen Kritik schwer und will der auch nicht folgen.
Nun liefern wir gerade ein gutes Beispiel für konträre
Ansichten. Differenzen können ja prinzipiell produktiv werden:
Es besteht zumindest die Chance, dass die Streitenden
am Ende ihrer Auseinandersetzung woanders stehen als
am Beginn. Was ist denn die Voraussetzung für eine solche
Bewegung?
Die Voraussetzung dafür ist, dass man anerkennt,
dass die Wahrheit zu zweit beginnt – wie mein Kollege
Friedemann Schulz von Thun sagen würde. Dafür
muss man Abschied von der Idee nehmen, man selbst
besäße einen überaus privilegierten Zugang zur Wirklichkeit,
man sei im Besitz der einzig möglichen Interpretation
der Weltverhältnisse, und es ginge nur
darum, diese Interpretation allen Menschen, die guten
Willens sind und nicht dumm, krank oder bösartig,
gewissermaßen klar zu machen. Eine Haltung absoluter
Wahrheitsgewissheit ist ein effektives Mittel, um
einen Dialog zu ruinieren. Also wer mit dem anderen
wirklich sprechen möchte und in einem guten Sinne
streiten will, der sollte auch von der Pauschalverurteilung
des ganzen Menschen Abschied nehmen. Die Rede
von dem weißen alten Mann, der hysterischen Feministin,
dem kriminellen Flüchtling – das sind alles Formen
der Pauschalverurteilung, die eines garantiert erreichen:
den sofortigen Ruin des Kommunikations- und
Dialog-Klimas. Darüber hinaus ist es auch nötig, das
Zögern zu lernen und den Reflex des kommentierenden
Sofortismus, der so viele Netzdiskussionen prägt, zu
unterdrücken.
Sie sagen: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Gilt das auch im
Gespräch mit Rechtsradikalen?
Nein. Man kann nicht mit einem Rechtsradikalen in
Dialog treten, der offen rassistisch formuliert, für Ausgrenzung
plädiert, ein soldatisches Deutschland herbeivisioniert.
Ich persönlich halte zum Beispiel die
Dialogoffensive, die es eine Zeitlang gegenüber den
Pegida-Anführern gab, für vollkommen falsch und letztlich
von großer Unkenntnis geprägt. Wenn man mit
einem Lutz Bachmann, einem Götz Kubitschek oder
einem Björn Höcke in einen Dialog eintreten will, dann
muss man ja der Auffassung sein, dass ihr Gesellschaftsbild
womöglich produktiv sinnvoll und ihre Politik eine
diskussionswerte Alternative darstellt. Und dieser Auffassung
bin ich nicht. Das Plädoyer, das Friedemann
Schulz von Thun und ich formulieren, heißt: Es kommt
auf die situations-, rollen- und personenbezogene
Mischung an – auf die richtige Mischung aus Konfrontationsbereitschaft
und Empathie. Nur Empathie ist
falsch. Sie führt zu einer Betulichkeit und zu einem
Nichtanerkennen von harten Unterschieden, die eben
auch einen Gesprächsabbruch nötig machen können.
Und nur Konfrontation wäre auch falsch, weil man
dann womöglich einfach nur eine Abwertungsspirale in
Gang setzt und den Anderen bloß attackiert und
kritisiert.
Nun gibt es nicht nur rhetorische Brandstifter wie Björn
Höcke, sondern auch eine große Masse an Menschen, die
in der Flüchtlingskrise zunächst einmal ein tief empfundenes
Gefühl von Ungerechtigkeit formuliert haben. Die
sich womöglich in Konkurrenz mit den einströmenden,
dB Das Atmen eines Menschen.
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