Mittelstandsmagazin 03-2020
Interview mit VDA-Präsidentin Hildegard Müller: "Ich beobachte eine große Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft" | Steht der Werkvertrag vor dem Aus? | Warum kauft die EZB Staatsanleihen? | Pro und Contra: Sollte europäisches Recht immer Vorrang von nationalem Recht haben?
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Die Inhaberinnen der Buchhandlung Lesezeichen in Germering
bei München, Helen Hoff (links) und Katrin Schmidt
MIT:TITEL
Nicht erst seit der Krise nehmen viele Händler ihre
Bestellungen über digitale Dienste wie WhatsApp entgegen.
Fotos: privat
3 Der digitale Buchladen
Der stationäre Buchhandel hätte zu den Gewinnern
der Coronakrise zählen können. Der Internetriese
Amazon beschloss zu Beginn der Pandemie, sich
weitgehend aus dem Buchhandel zurückzuziehen.
Haushaltswaren und Sanitätsartikel waren gefragt
und Amazon brauchte seine Logistik- und Lagerkapazitäten
um die Nachfrage stillen zu können.
Doch die Buchläden durften nicht öffnen. „Dass
wir den Laden schließen müssen, haben wir drei
Tage vorher erfahren“, berichtet Katrin Schmidt,
Inhaberin der Buchhandlung Lesezeichen in Germering.
Vor allem die ersten Tage des Lockdowns
seien komisch gewesen. „Wir saßen in dem leeren,
geschlossenen Laden. Ein paar Kunden haben angerufen,
aber sonst ist nicht viel passiert.“ So kamen
sie und ihre Mitinhaberin Helen Hoff auf die Idee,
Videoberatungen für die Kunden anzubieten. „Wir
haben Flyer gedruckt. Die haben wir in Geschäften,
die noch öffnen durften, ausgelegt“, sagt Schmidt.
Schon zuvor seien sie in den sozialen Netzwerken
aktiv gewesen, um ihren Buchladen zu bewerben.
Auch Bestellungen via WhatsApp hätten sie schon
vor der Krise entgegengenommen. „Dieses Angebot
wollten wir ausbauen und als Service zusätzlich
noch Videoberatungen anbieten. Wir waren
dann jeden Tag von zehn Uhr morgens bis zehn
Uhr abends beschäftigt. Wir haben mit den Leuten
kommuniziert, sie zurückgerufen, Videotermine
vereinbart und kurze Filme über Bücher gedreht“,
berichtet sie.
„Mehr auf die Mittelständler hören“
Das Angebot wurde von der Kundschaft sehr gut
aufgenommen. Doch so schön die Möglichkeiten
der digitalen Kommunikation sind, für Katrin
Schmidt und Helen Hoff bedeuten sie einen erheblichen
Mehraufwand. „Wir haben nur einen
Bruchteil des Umsatzes mit dem dreifachen Aufwand
generiert“, sagt Schmidt. Da die Bücher nur
noch auf Rechnung ausgeliefert wurden, musste
für jedes Buch eine Rechnung geschrieben werden.
„Wir hatten sehr viele Rechnungen für unter zehn
Euro. Jeder, der einen eigenen Betrieb hat weiß, wie
schlecht sich das rechnet und wie hoch die Bankgebühren
sind“, erklärt sie. „Wir haben die Bücher
persönlich mit dem Auto oder dem Fahrrad ausgeliefert,
da die Post zu langsam war. Das
kostete zusätzlich Benzin und Arbeitszeit.“
Der Einzelhandel habe seine Stärken
nun mal nicht in der Logistik. „Dann
hätten wir eine Halle auf der grünen
Wiese und würden unsere Angestellten
schlecht bezahlen“, witzelt sie unter Anspielung
auf den großen Online-Konkurrenten.
Wenn ein Einzelhändler seine Angestellten
auch die Ware ausliefern lasse,
entstünden hohe Kosten.
Katrin Schmidt sitzt für die CSU im
Stadtrat von Germering. „Ich möchte die
Entscheidungen, die Bundes- und Landespolitik
in der Krise treffen mussten,
nicht selbst treffen müssen. Aber es wäre
großartig, mehr auf die Leute zu hören,
die es betrifft. Und zwar nicht nur auf die
Großunternehmen, sondern auch auf die
Mittelständler“, sagt sie. Aus ihrer Sicht
sind die aktuellen Zugangsbeschränkungen
für Geschäfte immer noch zu strikt.
„So wird das Konjunkturpaket seine Wirkung
nicht entfalten. Die Kunden wollen
nicht zum Einkaufen anstehen.“ •
Micha Knodt
Volontär
knodt@mit-bund.de
mittelstandsmagazin 03|20 17