KonsumMarken 1-2020
Aktuelle Informationen aus der Familie der Konsumgenossenschaften.
Aktuelle Informationen aus der Familie der Konsumgenossenschaften.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
INTERVIEW
Nancy Krappe –
Keine Quotenfrau
Am 1. September 2019 wurde
Nancy Krappe (36) zur Geschäftsführerin
der Röstfein Kaffee GmbH
berufen und führt seither als Doppelspitze
gemeinsam mit Sprecher
Eike-Jens König das Unternehmen.
Frau Krappe, seit wann arbeiten
Sie im Unternehmen?
Seit 2007 bin ich bei Röstfein.
Welche Stufen der Karriereleiter
haben Sie seither genommen?
Begonnen habe ich als Sachbearbeiterin
für Materialwirtschaft, im Laufe
der Jahre weitere Aufgaben übernommen
und meinen Bachelor als
Betriebswirt sowie den Master of Art
gemacht.
Sind Sie eine Quotenfrau?
Ich glaube, dass ich meine Berufung
zur Geschäftsführerin nicht einer
Quote verdanke, sondern meiner
Qualifizierung und langjährigen
Betriebserfahrung.
Was umfasst Ihr Aufgabengebiet?
Neben meinen bisherigen Aufgaben
Materialwirtschaft, Lagerhaltung,
Bearbeitung von Industrie- und Handelskunden
verantworte ich Vertrieb
und Marketing unserer Eigenmarken.
Was haben Sie sich zum Ziel
gesetzt?
Ich möchte die Marke Röstfein im
ostdeutschen Handel wieder stärker
präsent machen.
Frau Krappe, Sie sind jüngst in
kurzer Folge Mutter eines kleinen
Sohnes und Geschäftsführerin von
Röstfein geworden. Sind Familie
und Beruf für Sie vereinbar?
Ja, denn ich kann zeitweise im
Homeoffice arbeiten und werde
bei der Erfüllung meiner häuslichen
Pflichten von meiner Familie sehr
unterstützt.
Was verbindet Sie emotional
mit Kaffee von Röstfein?
Zu Hause sein, Freunde treffen und
Genuss.
Herausforderungen gemeistert?
Der Mitte März im Zusammenhang mit dem Covid-19-Virus ausgelöste Lock-Down stellte
auch die Tochterunternehmen der Zentralkonsum eG und einige ihrer Mitglieder vor größere
wirtschaftliche Herausforderungen. Die Geschäftsführer der beiden Konsumhotels in Oberhof
und Weimar und der Bürstenmann GmbH sowie die Vorstandssprecher der Konsumgenossenschaften
Dresden und Weimar berichten über die aktuelle Lage in ihren Unternehmen.
Sebastian Löser, Geschäftsführer der Berghotel Oberhof GmbH und Hotel Dorotheenhof Weimar GmbH
Verluste in Millionenhöhe
Die angeordnete
Schließung unserer
Hotels in
Oberhof und
Weimar von Mitte
März bis Mitte
Mai bescherte
beiden Hotelgesellschaften
Verluste in Millionenhöhe.
Soforthilfen über die
Thüringer Aufbaubank von jeweils
30 000 Euro waren in dieser
kritischen Lage nur ein Tropfen
auf den heißen Stein. Mit der
Muttergesellschaft, der Zentralkonsum
eG, im Rücken waren
wir dennoch in der Lage, die laufenden
Kosten ohne Inanspruchnahme
von Drittmitteln durch
die KfW zu bestreiten. Trotzdem
werden wir kurzfristig die entstandenen
Verluste nicht kom-
Roger Ulke, Vorstandssprecher der KONSUM DRESDEN eG
Vielerorts hören
wir jetzt vom Lebensmittelhandel
als Krisengewinner.
Es stimmt,
dass wir derzeit
rund zehn Prozent
mehr umsetzen.
Die damit erzielten Roherträge
werden jedoch zum großen Teil
für die Umsetzung diverser Allgemeinverfügungen
verbraucht –
für Wachpersonal zur Zutrittsregelung,
für Schutzmaßnahmen
wie Masken und Plexiglasscheiben,
aber auch für die umfangreichen
Informationspflichten, welche die
Herstellung von Plakaten, Aufklebern
und Bannern erfordern. Ich
habe positiv wahrgenommen, dass
der Lebensmittelhandel und seine
Mitarbeiter verdiente Anerkennung
bekamen. Der Dank der
Kundschaft war quasi allgegenwärtig.
Aber auch wir haben uns
bei Mitarbeitern, Lieferanten und
Kunden bedankt. Ebenso positiv
Renaissance des Nahversorgers
pensieren können, zumal die Buchungen
unserer Gäste nur
schleppend in Gang kommen. Da
fällt auch die beschlossene Senkung
der Mehrwertsteuer im
Speisenverkauf, befristet bis 30.
Juni 2021, und die Senkung der
Mehrwertsteuer von 19% auf
16% beziehungsweise von 7% auf
5% nicht besonders ins Gewicht.
Jedenfalls solange wie der aktuell
verordnete Hygienekanon Gültigkeit
hat, Saunen und Schwimmbäder
in beiden Häusern nur eingeschränkt
zu benutzen sind,
und die Thüringer Weihnachtsmärkte
in diesem Jahr nicht öffnen
dürfen. So gesehen rechne
ich damit, dass wir erst im kommenden
Frühjahr und Sommer
wieder zu einem normalen Geschäft
zurückfinden werden. Es
sei denn, Thüringen geht weiterhin
mit der Lockerung der bestehenden
Hygiene-Regeln voran
und setzt verstärkt auf die Eigenverantwortung
der Unternehmer
und Gäste im Umgang mit dem
Virus.
ist zu bewerten, dass es ganz offensichtlich
eine Renaissance des
Nahversorgers gegeben hat. Trotzdem
müssen wir das explosionsartige
Wachstum des Online-Handels
zur Kenntnis nehmen.
Obwohl beim Online-Handel mit
Lebensmitteln noch immer kein
Geld verdient wird, konnte die Akzeptanz
deutlich gesteigert werden.
Und so hoffen wir, dass durch
die Reisezurückhaltung unserer
Kunden und vermehrten Urlaub in
Deutschland die aktuelle Umsatzund
Ertragssteigerung noch eine
Weile Bestand haben wird. Für die
Zeit »nach Corona« werden wir allerdings
mit Blick auf die Steigerung
der Kaufkraft unter den Bedingungen
einer zu erwartenden
Rezession neue Ideen brauchen.
Sigrid Hebestreit, Vorstandsvorsitzende der Konsumgenossenschaft Weimar eG
Online war hilfreich
Als am 16. März
von jetzt auf
gleich die Schließung
unserer 29
Kaufhäuser und
Filialen in Thüringen
und Sachsen
angeordnet
wurde, waren unsere Lager mit
modischer Frühjahrs- und Sommerware
prall gefüllt. In dieser
außergewöhnlich kritischen Situation
waren nicht alle Lieferanten
und Banken bereit, uns Zahlungsaufschub
bzw. Kredite zur notwendigen
Zwischenfinanzierung
zu gewähren. Glücklicherweise
hatten wir 2018 bereits begonnen,
unser Online-Geschäft aufzubauen
und 2019 im Verbund mit dem
Online-Händler Zalando drei Millionen
Euro Umsatz gemacht. Die
dabei gesammelten Erfahrungen
haben uns befähigt, im April trotz
Ralf Bade, Vorstandssprecher der Bürstenmann GmbH
geschlossener Geschäfte Online
860 000 Euro Umsatz zu erzielen.
Darauf werden wir weiter aufbauen
und Online einen Jahresumsatz
von fünf Millionen Euro
(50% des geplanten Jahresumsatzes)
anvisieren. Dazu werden
wir weitere Plattformen bei den
Onlinehändlern Amazon und
Otto sowie im eigenen Haus aufschalten.
Trotzdem ist es unmöglich,
die entstandenen Verluste –
30 bis 35% im Vergleich zum
Vorjahr – zu kompensieren. Wir
verbinden deshalb im Zuge der
Krisenbewältigung die Erwartung
an den Staat, die vom Shut-Down
erzeugten Verluste mitzutragen,
indem er die Kredite zur Zwischenfinanzierung
der Krise zum
Jahresende Eigenkapital schonend
in Zuschüsse umwandelt,
denn der Staat hat die Schließungen
angeordnet.
Zur Normalität zurückgekehrt
Mit geringen Einschränkungen
sind wir gut
durch die Corona-Krise
gekommen.
Dank dem
Umstand, dass
wir unsere Haushaltprodukte
deutschlandweit
über Discounter und Lebensmittelmärkte
vertreiben. Leichte Umsatzrückgänge
waren lediglich
durch die Schließungen von Bauund
Sonderposten-Märkten zu beklagen.
Kritischer entwickelte
sich dagegen die Lage in der Zahnbürsten-Fertigung.
In diesem Bereich
sind überwiegend Kollegen
aus Tschechien tätig. Sie kamen
zu Beginn des weltweiten Lock-
Down nicht über die Grenze, mit
der Folge, dass wir zeitweilig die
Produktion herunterfahren mussten.
Erst mit der später getroffenen
3+2-Reglung (drei Wochen
Bürstenmann, zwei Wochen
Quarantäne in Tschechien) konnte
der gordische Knoten zerschlagen
werden. Inzwischen reisen
unsere Tschechien-Kollegen täglich
wieder ungehindert ein und
aus. Seit Mitte Mai können wir in
der Zahnbürstenproduktion wieder
alle Schichten voll auslasten.
Im Vergleich mit Einzelunternehmen
genießt Bürstenmann als
Tochter der Zentralkonsum eG
den Vorteil, einer genossenschaftlich
organisierten Unternehmensgruppe
anzugehören, die zeitweilige
Verluste einer einzelnen
Tochter auszugleichen vermag.
WÜRDIGUNG
Ein herzliches »Dankeschön«
an Wilhelm Kaltenborn
Die Zentralkonsum
eG, wie sie sich heute
am Markt etabliert
hat, wurde maßgeblich
von Wilhelm Kaltenborn
mitgeprägt. Seit 1991, zunächst
als Abteilungsleiter, dann als
Büroleiter des Vorstandes des
Verbandes der Konsumgenossenschaften
der DDR (VdK),
begleitete er den Umstrukturierungs-
und Anpassungsprozess
an die Marktwirtschaft.
Im Dezember 1993 wurde er
in den Vorstand berufen und
war von 1996 bis 2002 Vorstandssprecher.
2002 wechselte
Wilhelm Kaltenborn in den
Aufsichtsrat und stand diesem
als Vorsitzender vor. Er begleitete
das Unternehmen sicher
durch wechselvolle Zeiten, wie
die Konsolidierungsphase nach
den Wendejahren, die Stabilisierung
und Neustrukturierungen
der frühen 2000er und die Finanzkrise
2008. Immer mit
Weitsicht, Klugheit und in engem
Schulterschluss mit seinen
Aufsichtsratskollegen ermutigte
er den Vorstand, umfangreich
in die Immobilien sowie
Hotel- und Industrietöchter zu
investieren, um diese zukunftssicher
aufzustellen. Ganz gleich
ob in besseren oder schlechteren
Zeiten, immer zeigte er
sich konstruktiv und ausgleichend
in der Diskussion und offen
für Neuerungen.
Gleichzeitig, wie nebenher, doch
mit unübertroffener Akribie
und unermüdlichem Forscherdrang,
veröffentlichte er eine
Reihe von Schriften, die von
den Akteuren der Genossenschaftswissenschaften
durchaus
kontrovers aufgenommen
wurden. Als bekennender Verfechter
des Genossenschaftswesens
nach Schulze-Delitzsch
setzt er sich für die Abschaffung
der Zwangsmitgliedschaft
in einem genossenschaftlichen
Prüfungsverband ein, ohne auf
die Pflichtprüfung verzichten
zu wollen. Mit diesem durchaus
streitbaren Thema hat er sich
nicht nur Freunde gemacht, jedoch
immer gern den offenen
Diskurs gesucht.
Ich bedaure, dass sich Wilhelm
Kaltenborn entschieden hat,
sein Aufsichtsratsmandat bei
der Zentralkonsum eG niederzulegen.
Ich habe ihn immer als
um- und weitsichtigen Kollegen
erlebt, das Wohl des Unternehmens
fest im Blick. Wir werden
ihn und seine Expertise sehr
vermissen. Wir wünschen ihm
für den endgültigen Rückzug ins
Privatleben alles Gute, vor allem
Gesundheit und dass er sich nun
seiner Familie und seinen Interessen
jenseits der Genossenschaften
mit viel Freude und neu
gewonnener Zeit widmen kann.
Sigrid Hebestreit,
Vorsitzende des Aufsichtsrates
Vorsitzende Sigrid Hebestreit mit ihren Aufsichtsratskollegen
Thomas Auerswald (li.) und Ulrich Heiler.