Warum wir beim THEMA GELD nicht rational sind 18
atgeber Sobald Geld ins Spiel kommt, verändern sich unser Denken, unsere Gefühle, unser Handeln. Geld macht fast alles vergleichbar und berechenbar. Das erleichtert Austausch und Kooperation, lässt uns kühl kalkulieren und rational handeln. Doch sind wir längst nicht so vernünftig, wie vielfach unterstellt wird und wir vielleicht selbst glauben. Da auch Juristen in vielfältiger Form mit Finanzen zu tun haben, ist es hilfreich, über die Psychologie des Geldes Bescheid zu wissen. Geld ausgeben tut weh Wer bezahlt, erleidet eine Form von Schmerz. Die Psychologen sprechen vom »Bezahlschmerz«. Und das ist mehr als eine Metapher. Gehirnscans zeigen, dass ähnliche Areale aktiv sind wie beim körperlichen Schmerz. Dabei ist es weniger der Vorgang des Bezahlens selbst, der als unangenehm empfunden wird, als die Gedanken daran, dass wir unser Geld hergeben, also einen finanziellen Verlust erleiden. Folge: Je weniger wir an das Bezahlen denken, je weniger konkret es stattfindet, umso bereitwilliger geben wir Geld aus. Mit Bargeld zu bezahlen, schmerzt weit mehr als mit EC- oder Kreditkarte. Und das »kontaktlose« Bezahlen ist nicht nur bequem, sondern freut vor allem den Händler: Wir kaufen mehr und achten weniger auf den Preis. Wer sparen muss, sollte also lieber bar bezahlen. Einige Händler bieten an, heute zu kaufen und erst in ferner Zukunft zu bezahlen. Das mag im Augenblick entlastend wirken. Doch aus psychologischer Sicht ist dies die unangenehmste – und schmerzhafteste – Zahlungsweise: Wir müssen zu einem Zeitpunkt bezahlen, an dem wir die Sache geistig längst abgehakt haben. Den größten Genuss verspricht das umgekehrte Prinzip: Erst bezahlen – und dann schmerzfrei genießen. Unsere Preisvorstellungen sind beliebig Ob wir etwas für »günstig« oder »teuer« halten, hängt von vielen Faktoren ab. Und die deuten darauf hin, dass unser Urteil auf sehr schwankendem Grund steht. Wie viel etwas kosten sollte, darüber tappen wir im Dunkeln. Wir lassen uns von Kriterien leiten, die mit dem Produkt, das wir kaufen wollen, nicht viel zu tun haben. Äußerst wirksam ist der »Anker- Effekt«: Wir müssen unsere Preisvorstellung an irgendeiner Größe festmachen. Wie viel darf ein Paar Schuhe kosten? Nun, das hängt ganz davon ab, welche Preise wir wahrnehmen. Sogar wenn die betreffenden Schuhe für uns gar nicht in Frage kommen, ziehen wir den Preis als Vergleich heran. In dem Geschäft gibt es Luxus-Exemplare für 1.400 Euro. Dann kommt uns ein Paar für 350 Euro längst nicht so hochpreisig vor. Ganz anders, wenn dies der teuerste Schuh ist und im Regal Treter für 49 Euro stehen. Noch weit wirksamer sind Preisnachlässe. Der Psychologe Daniel Ariely hat sie den »Zaubertrank, der uns dumm macht« genannt. Sogar wenn wir den Mechanismus durchschauen, beeinflusst er unsere Preisvorstellung. Der »reguläre« Preis bestimmt unsere Wertschätzung. Wird er gesenkt, setzt unsere Vernunft aus. Wir vergleichen weniger und greifen unbekümmert zu. Teuer kaufen – billig verkaufen Auch an der Börse wirken psychologische Effekt nicht immer zu unserem Vorteil. Jedem ist klar, wie hier Gewinn zu erzielen ist: Aktien kaufen, wenn der Kurs niedrig ist, verkaufen, wenn er hoch ist. Doch unsere Gefühle verleiten uns, genau das Gegenteil zu tun. Wann lässt sich jemand überzeugen, in Aktien zu investieren? Wenn die Kurse im Keller sind? Wenn sich gerade Milliarden Euro Börsenwert in Nichts aufgelöst haben? Oder wenn Ihnen jemand vorrechnet, wie viel aus Ihren Ersparnissen geworden wären, hätten Sie die in Aktien angelegt – wenn die Kurse also hoch sind? Aktien sind attraktiv, wenn sie wertvoll und teuer sind. Stürzen die Kurse, steigt der Druck, zu verkaufen. Wir verspüren heftige Abneigung gegen Aktien. Es kostet sehr viel Überwindung, in dieser Situation Produkte zu erwerben, die uns gerade auf dem Papier um mehrere tausend oder zehntausend Euro ärmer gemacht haben. Auch wenn die Erfahrung dafür spricht, dass genau dies jetzt sinnvoll wäre. Nöllke Das Geld und seine Psychologie 2<strong>02</strong>0. 128 Seiten. Softcover € 7,90 ISBN 978-3-406-74913-1 beck-shop.de/301<strong>02</strong>634 19