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BeckExtra 02/2020

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atgeber<br />

Sobald Geld ins Spiel kommt, verändern sich unser Denken, unsere Gefühle, unser Handeln. Geld macht fast alles<br />

vergleichbar und berechenbar. Das erleichtert Austausch und Kooperation, lässt uns kühl kalkulieren und rational<br />

handeln. Doch sind wir längst nicht so vernünftig, wie vielfach unterstellt wird und wir vielleicht selbst glauben.<br />

Da auch Juristen in vielfältiger Form mit Finanzen zu tun haben, ist es hilfreich, über die Psychologie des Geldes<br />

Bescheid zu wissen.<br />

Geld ausgeben tut weh<br />

Wer bezahlt, erleidet eine Form von<br />

Schmerz. Die Psychologen sprechen vom<br />

»Bezahlschmerz«. Und das ist mehr als<br />

eine Metapher. Gehirnscans zeigen, dass<br />

ähnliche Areale aktiv sind wie beim körperlichen<br />

Schmerz. Dabei ist es weniger<br />

der Vorgang des Bezahlens selbst, der als<br />

unangenehm empfunden wird, als die Gedanken<br />

daran, dass wir unser Geld hergeben,<br />

also einen finanziellen Verlust erleiden.<br />

Folge: Je weniger wir an das Bezahlen<br />

denken, je weniger konkret es stattfindet,<br />

umso bereitwilliger geben wir Geld<br />

aus. Mit Bargeld zu bezahlen, schmerzt<br />

weit mehr als mit EC- oder Kreditkarte.<br />

Und das »kontaktlose« Bezahlen ist nicht<br />

nur bequem, sondern freut vor allem den<br />

Händler: Wir kaufen mehr und achten weniger<br />

auf den Preis. Wer sparen muss, sollte<br />

also lieber bar bezahlen.<br />

Einige Händler bieten an, heute zu<br />

kaufen und erst in ferner Zukunft zu bezahlen.<br />

Das mag im Augenblick entlastend<br />

wirken. Doch aus psychologischer Sicht ist<br />

dies die unangenehmste – und schmerzhafteste<br />

– Zahlungsweise: Wir müssen zu<br />

einem Zeitpunkt bezahlen, an dem wir<br />

die Sache geistig längst abgehakt haben.<br />

Den größten Genuss verspricht das umgekehrte<br />

Prinzip: Erst bezahlen – und dann<br />

schmerzfrei genießen.<br />

Unsere Preisvorstellungen<br />

sind beliebig<br />

Ob wir etwas für »günstig« oder »teuer«<br />

halten, hängt von vielen Faktoren ab. Und<br />

die deuten darauf hin, dass unser Urteil<br />

auf sehr schwankendem Grund steht. Wie<br />

viel etwas kosten sollte, darüber tappen<br />

wir im Dunkeln. Wir lassen uns von Kriterien<br />

leiten, die mit dem Produkt, das wir<br />

kaufen wollen, nicht viel zu tun haben.<br />

Äußerst wirksam ist der »Anker-<br />

Effekt«: Wir müssen unsere Preisvorstellung<br />

an irgendeiner Größe festmachen.<br />

Wie viel darf ein Paar Schuhe kosten?<br />

Nun, das hängt ganz davon ab, welche<br />

Preise wir wahrnehmen. Sogar wenn die<br />

betreffenden Schuhe für uns gar nicht in<br />

Frage kommen, ziehen wir den Preis als<br />

Vergleich heran. In dem Geschäft gibt es<br />

Luxus-Exemplare für 1.400 Euro. Dann<br />

kommt uns ein Paar für 350 Euro längst<br />

nicht so hochpreisig vor. Ganz anders,<br />

wenn dies der teuerste Schuh ist und im<br />

Regal Treter für 49 Euro stehen.<br />

Noch weit wirksamer sind Preisnachlässe.<br />

Der Psychologe Daniel Ariely hat sie<br />

den »Zaubertrank, der uns dumm macht«<br />

genannt. Sogar wenn wir den Mechanismus<br />

durchschauen, beeinflusst er unsere<br />

Preisvorstellung. Der »reguläre« Preis bestimmt<br />

unsere Wertschätzung. Wird er gesenkt,<br />

setzt unsere Vernunft aus. Wir vergleichen<br />

weniger und greifen unbekümmert zu.<br />

Teuer kaufen – billig verkaufen<br />

Auch an der Börse wirken psychologische<br />

Effekt nicht immer zu unserem<br />

Vorteil. Jedem ist klar, wie hier Gewinn<br />

zu erzielen ist: Aktien kaufen, wenn der<br />

Kurs niedrig ist, verkaufen, wenn er hoch<br />

ist. Doch unsere Gefühle verleiten uns, genau<br />

das Gegenteil zu tun. Wann lässt sich<br />

jemand überzeugen, in Aktien zu investieren?<br />

Wenn die Kurse im Keller sind? Wenn<br />

sich gerade Milliarden Euro Börsenwert in<br />

Nichts aufgelöst haben? Oder wenn Ihnen<br />

jemand vorrechnet, wie viel aus Ihren Ersparnissen<br />

geworden wären, hätten Sie die<br />

in Aktien angelegt – wenn die Kurse also<br />

hoch sind? Aktien sind attraktiv, wenn sie<br />

wertvoll und teuer sind. Stürzen die Kurse,<br />

steigt der Druck, zu verkaufen. Wir verspüren<br />

heftige Abneigung gegen Aktien.<br />

Es kostet sehr viel Überwindung, in dieser<br />

Situation Produkte zu erwerben, die uns<br />

gerade auf dem Papier um mehrere tausend<br />

oder zehntausend Euro ärmer gemacht<br />

haben. Auch wenn die Erfahrung<br />

dafür spricht, dass genau dies jetzt sinnvoll<br />

wäre.<br />

Nöllke<br />

Das Geld und<br />

seine Psychologie<br />

2<strong>02</strong>0. 128 Seiten. Softcover € 7,90<br />

ISBN 978-3-406-74913-1<br />

beck-shop.de/301<strong>02</strong>634<br />

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