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Der sanfte Abendwind wehte durch das offene Fenster und ließ den<br />
Stoff des weißen Vorhangs fast schwerelos auf- und abschweben. Als<br />
Angelo sich zu seiner kleinen fünfjährigen Tochter aufs Bett setzte,<br />
prüfte er zunächst ihre Temperatur. Alles war bestens.<br />
Dann legte er die Handfläche auf ihre Brust, um ihren Herzschlag fühlen<br />
zu können. Ein wenig schnell, aber das lag gewiss mehr an Jaras Schock,<br />
als an der Kraft des Eises.<br />
Liebevoll drückte er ihr einen Kuss auf die Wange, dann stand er auf,<br />
und nachdem er Jaras Zimmer verlassen hatte, öffnete er die gegenüberliegende<br />
Türe, um auch nach Jack zu sehen.<br />
Allerdings konnte er seinen Sohn nirgendwo finden.<br />
Erst ein leises Schluchzen brachte den Vater auf die richtige Spur.<br />
Angelo ging zum Kleiderschrank und zog die zwei Holztüren nach<br />
beiden Seiten auf. Er fand Jack, zusammengekrümmt in der hinteren<br />
Ecke sitzend, immer noch bitterlich am Weinen. Mit beiden Armen hob<br />
er seinen Sohn aus dem Versteck und schloss ihn ganz fest in seine Arme.<br />
Mehr brauchte es in diesem Moment nicht. Der Anführer der Wächter<br />
wusste nur allzu gut, wie verstörend die Elements-Erkennung das erste<br />
Mal sein kann, noch dazu in Zusammenhang mit einem unglücklichen<br />
Unfall.<br />
Er wusste außerdem, dass Jara nun schon zum zweiten Mal großes Glück<br />
gehabt hatte. Wäre Grace nicht rechtzeitig dagewesen, dann hätte Jack<br />
völlig unbewusst ihren Körper innerhalb weniger Minuten erfrieren lassen<br />
können.<br />
‚Ab morgen wird sich das alles ändern, denn ich werde dich lehren, mein<br />
Sohn, wie du mit der Kraft und der damit verbundenen Verantwortung<br />
umgehen musst‘, dachte sich Angelo, dem bereits selbst die Tränen über<br />
die Wangen liefen.<br />
Wie an fast jedem Abend der vergangenen Jahre saß Jara in ihrem weißen<br />
sommerlichen Kleid auf einem Felsvorsprung. Das Rauschen des Wassers<br />
und das Geräusch der sich am Stein brechenden Wellen waren ihr<br />
vertraut. Der warme Wind verfing sich spielerisch in ihren langen,<br />
schwarzen Haaren und strich ihr sanft über die glatte gebräunte Haut.<br />
Ihr Blick galt der Weite des Horizonts und der langsam untergehenden<br />
Sonne, die sogar imstande war, das sonst tagsüber so strahlend blaue<br />
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