Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Jara, die von der Unterhaltung zum Glück nichts mitbekommen hatte,<br />
war gerade dabei, den Kuchen mit einem Messer in gleich große Teile zu<br />
schneiden, als Grace im Laufschritt an der Küchentüre vorbeihuschte.<br />
Um eventuell mit ihrer Mutter sprechen zu können, löste Jara ihre Aufmerksamkeit<br />
von dem Blech und betrat den Flurbereich. Leider konnte<br />
sie von dort aus nur noch zusehen, wie Grace die marmorierte Treppe<br />
hinauf in den ersten Stock eilte. Die Türe des elterlichen Schlafzimmers<br />
wurde geöffnet und sofort wieder geschlossen.<br />
Zurück in der Küche überfiel Jara ein Gefühl von tiefer Sorge, denn<br />
sowohl ihre Mutter, als auch ihr Bruder, verhielten sich immer weniger<br />
so, als sie es eigentlich von ihnen gewohnt war.<br />
„Bekomme ich ein Stück von dem leckeren Kuchen?” Jacks Frage holte<br />
sie aus ihren Gedanken zurück. Er stand nun angelehnt im Türrahmen.<br />
Obwohl er lächelte, konnte sie deutlich an seinen Gesichtszügen erkennen,<br />
dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. „Klar. Setz<br />
dich doch bitte”, antwortete Jara und griff dabei in den großen Hängeschrank<br />
über der Spüle, um zwei mittelgroße Teller herauszuholen.<br />
Sie aßen gemeinsam und nach einer halben Stunde war auch Grace<br />
wieder zu ihnen dazugekommen. Sie tat das, was sie als Mutter schon in<br />
all den Jahren am besten konnte. Nämlich, so-tun-als-ob-nichts-wäre.<br />
Da Jara wusste, dass sie in solchen Momenten auf bohrende Fragen keine<br />
oder nur belanglose Antworten erhält, entschied sie sich lieber auf das<br />
Schauspiel der beiden mit einzugehen.<br />
Der Abend verlief ab jetzt sogar noch richtig gut.<br />
Es wurde gegessen, getrunken und gelacht.<br />
Als die Uhr bereits kurz vor dreiundzwanzig Uhr anzeigte, spürte Jara<br />
plötzlich den Anflug einer großen Müdigkeit. Merkwürdig, denn eigentlich<br />
war sie durchaus in der Lage bis spät in die Nacht wachzubleiben.<br />
Nach dem Duschen saß sie oft noch stundenlang am offenen Fenster<br />
ihres Zimmers und schaute dabei mit verlorenem Blick in den weiten,<br />
glitzernden und sternenklaren Nachthimmel.<br />
Jara stand von ihrem Stuhl auf. „Entschuldigt mich bitte, aber ich glaube,<br />
ich …”, zu mehr kam sie nicht, denn ihre Beine fühlten sich schwammig<br />
an und alles um sie herum begann sich zu drehen. Jack und Grace hatten<br />
sich ebenfalls von ihren Plätzen erhoben. Gemeinsam stützten sie Jara,<br />
damit diese nicht in sich zusammensacken und auf dem harten Boden<br />
aufschlagen konnte.<br />
32