09.09.2020 Aufrufe

Zwölf Vorsorgefakten auf einen Schlag

Pax hat in Kooperation mit der Neuen Zürcher Zeitung eine Artikelsammlung zur beruflichen und privaten Vorsorge verwirklicht. Das Thema der diesjährigen Sammlung sind die Finanzen in der dritten Lebensphase. Holen Sie sich die interessanten Informationen hier.

Pax hat in Kooperation mit der Neuen Zürcher Zeitung eine Artikelsammlung zur beruflichen und privaten Vorsorge verwirklicht. Das Thema der diesjährigen Sammlung sind die Finanzen in der dritten Lebensphase. Holen Sie sich die interessanten Informationen hier.

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1<br />

PRIVATE UND BERUFLICHE VORSORGE<br />

ZWÖLF VORSORGEFAKTEN<br />

AUF EINEN SCHLAG<br />

ARTIKELSAMMLUNG 2020<br />

DER NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG


2<br />

DAS LEBEN HÄLT<br />

SICH NICHT IMMER<br />

AN PLÄNE.<br />

UNSERE VORSORGE­<br />

LÖSUNGEN SCHON.<br />

Wer rechtzeitig vorsorgt, ist besser vorbereitet – auch <strong>auf</strong><br />

das, was sich nicht planen lässt. Dafür sorgen unsere Vertriebspartner<br />

gemeinsam mit uns. Schliesslich wird Vorsorge<br />

nur durch professionelle Beratung und individuelle, innovative<br />

Lösungen planbar und bleibt gleichzeitig flexibel. Ob<br />

privat oder beruflich. Und das sind beste Voraussetzungen,<br />

um sich <strong>auf</strong> alle künftigen Ereignisse zu freuen. Auch die<br />

unerwarteten. www.pax.ch/Vertriebspartner


3<br />

EDITORIAL<br />

Gezieltes zur privaten und<br />

beruflichen Vorsorge<br />

Mit Pax die Finanzen der dritten Lebensphase im Griff haben<br />

DANIEL MUTZ UND NICOLAS BOPP<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Die Finanzen in der dritten Lebensphase zu<br />

meistern, bleibt eine komplexe Angelegenheit.<br />

Ob Früh- oder Spätpensionierung, Lebensabend<br />

im Ausland, Verantwortung Eigenheim, persönliche<br />

Resilienz oder Nachlassplanung – die<br />

Herausforderungen sind vielschichtig.<br />

Die diesjährige Artikelserie aus der Montagsausgabe<br />

der «Neuen Zürcher Zeitung» zeigt<br />

mit zwölf redaktionellen Beiträgen die aktuellen<br />

Themen der beruflichen und privaten Vorsorge<br />

<strong>auf</strong>.<br />

Pax ist ein verlässlicher Partner für die Zukunft.<br />

Und zwar seit jeher. Zum Beispiel wegen<br />

dem Vollversicherungsmodell, zu dem sich nicht<br />

mehr viele Anbieter verpflichten. Als Vollversicherer<br />

übernimmt Pax die Risiken Alter, Invalidität<br />

und Tod, aber auch das Anlagerisiko. So<br />

sind die Vorsorgeleistungen der Kunden stets zu<br />

100% abgedeckt.<br />

Geschätzt an Pax wird auch die genossenschaftliche<br />

Struktur. Sie verbindet Solidarität<br />

mit nachhaltiger Gewinnorientierung: Alles, was<br />

Pax erwirtschaftet, bleibt im Unternehmen. Davon<br />

profitieren unsere Kunden, die eine stabile<br />

Überschussbeteiligung erhalten. Zu guter Letzt<br />

trägt Pax eine gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche<br />

Verantwortung, was ebenfalls im<br />

Sinne ihrer genossenschaftlichen Werte liegt.<br />

Schön, wenn Sie mit unserer Artikelsammlung<br />

durchschlagende Informationen geniessen.<br />

Wir wünschen Ihnen eine nachhaltige Lektüre!<br />

Pax, Schweizerische Lebensversicherungs-<br />

Gesellschaft AG, Basel<br />

Daniel Mutz<br />

Leiter Vertrieb & Marketing<br />

und Mitglied der<br />

Geschäftsleitung<br />

Nicolas Bopp<br />

Leiter Marketing<br />

«Die Vorsorgeleistungen<br />

unserer Kunden sind stets<br />

zu 100% abgedeckt.»<br />

Die Werte von Pax<br />

Angebote von Pax<br />

Dafür stehen wir ein:<br />

– Glaubwürdig heisst, wir entscheiden nachvollziehbar und zeigen Kontinuität in unserem Handeln.<br />

– Vorausschauend heisst, wir geben alles, um überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.<br />

– Direkt heisst, wir sind unkompliziert und gestalten unsere Beziehungen persönlich.<br />

Private Vorsorge:<br />

– Pax Fondsanlagen<br />

– Pax Fondsanlage mit individueller Garantie<br />

– Pax Kinderversicherung<br />

– Pax Erwerbsunfähigkeitsversicherung<br />

– Pax Spar-Lebensversicherung<br />

– Pax Todesfallversicherung<br />

Berufliche Vorsorge:<br />

– Massgeschneiderte Lösung für Firmen<br />

– BVG Business<br />

– BVG Start-up<br />

– Ergänzungsvorsorge<br />

www.pax.ch


4<br />

INHALT<br />

Finanzen in der dritten<br />

Lebensphase<br />

Corona durchkreuzt 6<br />

Reformpläne<br />

Der Traum von der 10<br />

Frühpensionierung<br />

Tipps für die Planung 8<br />

der Pensionierung<br />

Die wichtigste Frage 12<br />

vor der Pensionierung<br />

Impressum<br />

Ein Sonderdruck für Pax in Kooperation mit NZZ Content Creation.<br />

Herausgeber: Pax (Magazin); Neue Zürcher Zeitung AG (Artikel)<br />

Inhalt: erschienen in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ), 2020<br />

Projektleitung: Nicolas Bopp, Pax; Norman Bandi, NZZ Content Creation<br />

Gestaltung/Layout: Multiplikator (Umschlag); Armin Apadana (Inhalt)<br />

Druck: Multicolor Print AG (inklusive Bildbearbeitung und Korrektorat)<br />

Bildnachweis: zVg Pax (sämtliche Fotos); zVg NZZ (alle Illustrationen)<br />

© Die Rechte der Herausgeber sowie der Autoren bleiben vorbehalten.


5<br />

Wer vertritt mich, wenn ich 14<br />

urteilsunfähig bin?<br />

Den Lebensabend in Bali 20<br />

oder Berlin verbringen<br />

Teurer Rosenkrieg 26<br />

im Ruhestand<br />

Arbeiten im Ruhestand – 16<br />

dar<strong>auf</strong> muss man achten<br />

Pensionierte müssen das 22<br />

Eigenheim zu oft <strong>auf</strong>geben<br />

Gesund altern mit 28<br />

der «vierten Säule»<br />

Das optimale Rentner-Portfolio 18<br />

umfasst viele Aktien<br />

Was bei einer Spätpensionierung 24<br />

zu beachten ist<br />

Mehr Sicherheit dank 30<br />

guter Nachlassplanung<br />

Hier geht es zum Online-Dossier der Artikelsammlung<br />

«PRIVAT FÜR DAS ALTER VORSORGEN» <strong>auf</strong> NZZ.ch:<br />

www.nzz.ch/finanzen/privat-fuer-das-alter-vorsorgen<br />

Hier geht es zum Online-Dossier der Artikelsammlung<br />

«VORSORGEN MIT DER PENSIONSKASSE» <strong>auf</strong> NZZ.ch:<br />

www.nzz.ch/finanzen/vorsorgen-mit-der-pensionskasse


6<br />

INTRO<br />

Corona durchkreuzt<br />

Reformpläne<br />

Dank der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) fliessen im l<strong>auf</strong>enden Jahr<br />

mehr Gelder in die Altersvorsorge. Doch der erhoffte Zeitgewinn für die nötigen<br />

Reformen dürfte ausbleiben. Die Covid-19-Pandemie macht dem Ansinnen <strong>einen</strong><br />

Strich durch die Rechnung<br />

Seit 1972 ist das 3-Säulen-Prinzip des<br />

Schweizer Vorsorgesystems in der Bundesverfassung<br />

verankert. Ein Konzept, das in<br />

der Bevölkerung breit abgestützt und akzeptiert<br />

ist und mit dem die Eidgenossenschaft<br />

während Jahrzehnten auch im Ausland<br />

Anerkennung erntete. Inzwischen<br />

wirken die Säulen allerdings zunehmend<br />

tönern. Den Schweizerinnen und Schweizern<br />

bereitet die Altersvorsorge mehr und<br />

mehr Sorgen. In der jüngeren Generation<br />

macht sich sogar eine gewisse Gleichgültigkeit<br />

breit: Wer weiss schon, ob das System<br />

überhaupt noch bis zur eigenen Pensionierung<br />

überleben wird. Derzeit jedenfalls<br />

scheint die private Vorsorge ohne tiefgreifende<br />

Reformen tatsächlich dem<br />

schleichenden Untergang geweiht – zumal<br />

die Corona-Krise auch in diesem Bereich<br />

negative Spuren hinterlassen hat.<br />

Es ist noch nicht lange her, seit das<br />

Schweizer Stimmvolk am 19. Mai 2019<br />

dem Sorgenkind AHV im Rahmen der<br />

Unternehmenssteuer-Abstimmung <strong>einen</strong><br />

namhaften Beitrag zugesprochen hat – im<br />

Gegenzug für ein wettbewerbsfähiges<br />

Steuersystem für Firmen. Ab 2020, also bereits<br />

im l<strong>auf</strong>enden Jahr, fliessen zusätzlich<br />

2 Milliarden Franken in die Alters- und<br />

Hinterlassenenversicherung. Von diesen<br />

Mehreinnahmen steuert der Bund rund<br />

800 Millionen Franken bei. Die restlichen<br />

1,2 Milliarden Franken tragen die Unternehmen<br />

und die Versicherten. Damit sind<br />

die grundsätzlichen Finanzierungsprobleme<br />

der AHV zwar nicht gelöst. Mit diesem<br />

Schritt erhoffte man sich allerdings etwas<br />

Luft, um mit neuen Reformschritten<br />

die Vorsorge wieder ins Gleichgewicht zu<br />

bringen.<br />

Umlageergebnis verschlechtert<br />

Nun hat die Corona-Pandemie diesem Ansinnen<br />

bereits im ersten Jahr <strong>einen</strong> Strich<br />

durch die Rechnung gemacht. «Für die<br />

AHV bedeutet die Covid-19-Krise, dass<br />

sich das Umlageergebnis kurzfristig um<br />

rund 1 Milliarde Franken verschlechtert»,<br />

heisst es in den jüngsten Finanzperspektiven<br />

für AHV, IV und EO vom Bundesamt<br />

für Sozialversicherungen (BSV). Ab 2025<br />

würden aber wieder die Werte von vor der<br />

Krise erreicht. «Insgesamt gehen der AHV<br />

bis 2030 rund 3 Milliarden Franken verloren»,<br />

hält das BSV fest.<br />

Alles in allem dürfte das Umlageergebnis<br />

auch in Zukunft negativ bleiben. Ob<br />

dennoch ein ausgeglichenes oder sogar<br />

positives Ergebnis – wie beispielsweise<br />

2019 – in den kommenden Jahren möglich<br />

sein wird, hängt von der Entwicklung an<br />

den Kapitalmärkten ab. Mit einer Rendite<br />

von insgesamt 9 Prozent erzielte der AHV-<br />

Ausgleichsfonds im vergangenen Jahr<br />

<strong>einen</strong> Gewinn von über 3 Milliarden Franken,<br />

mit denen der Verlust der AHV-Rechnung<br />

in der Höhe von rund 1,5 Milliarden<br />

Franken überkompensiert werden konnte.<br />

Zum guten Ergebnis des Fonds haben dabei<br />

alle Anlageklassen beigetragen – die<br />

Obligationen, Fremdwährungen, Aktien,<br />

Immobilien und sogar die Goldanlagen.<br />

Im l<strong>auf</strong>enden Jahr sieht es allerdings<br />

nicht mehr rosig aus, auch wenn die Performance<br />

im ersten Halbjahr 2020 deutlich<br />

weniger dramatisch ausfiel, als angesichts<br />

der weltweiten Erschütterungen an den Finanzmärkten<br />

zu befürchten war. Per Ende<br />

Juni soll das Minus noch zwischen 1,5 und<br />

2 Prozent betragen haben, hiess es vonseiten<br />

Compenswiss, die für die Verwaltung<br />

des Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO<br />

mit derzeit insgesamt 37 Milliarden Franken<br />

Vermögen zuständig ist. Der Rückgang<br />

entspricht einem Verlust von 500 bis<br />

750 Millionen Franken.<br />

Strukturelle Reformen sind nötig<br />

Unabhängig davon ist allerdings schon länger<br />

klar, dass die Schweizer Altersvorsorge<br />

eine strukturelle Reform benötigt, will<br />

man das System finanziell stabilisieren. Vor<br />

allem wegen der anstehenden Pensionierungswelle<br />

der Babyboomer wird in den<br />

kommenden Jahren die Zahl der Rentner<br />

in der Schweiz deutlich zunehmen – erwartet<br />

wird ein Plus von bis zu einer Million<br />

Menschen – was wiederum zu einem markanten<br />

Anstieg der Bezüge führen wird.<br />

Die durch die arbeitende Bevölkerung einbezahlten<br />

Beiträge reichen nicht mehr aus,<br />

um die l<strong>auf</strong>enden Renten zu finanzieren,<br />

wie dies das Umlageverfahren in der ersten<br />

Säule vorsieht. Bereits ab 2025 drohen<br />

laut Vorsorgeexperten rasch wachsende<br />

Fehlbeträge.<br />

Mittelfristig dürfte dies zu einer kontinuierlichen<br />

Abnahme des AHV-Vermögens<br />

führen. Das Umlagedefizit der AHV<br />

dürfte sich 2030 <strong>auf</strong> rund 5 Milliarden<br />

Franken bel<strong>auf</strong>en. Kumuliert werden der<br />

AHV bis dahin wohl rund 43 Milliarden<br />

Franken fehlen. Angesichts der Corona-<br />

Krise, den weltweiten politischen Spannungen,<br />

die sich nachteilig <strong>auf</strong> die Konjunktur<br />

und die Finanzmärkte auswirken,<br />

sowie der Negativzinspolitik, die nicht<br />

ohne Folgen für die nachhaltige Finanzierung<br />

von Vorsorgeeinrichtungen ist, dürften<br />

wohl auch die Anlageerfolge nicht<br />

mehr den nötigen Zustupf bringen, um das<br />

System im Gleichgewicht zu halten.<br />

«AHV 21» kommt frühestens 2022<br />

Eine AHV-Reform ist derzeit somit dringend<br />

notwendig. Zumal die vergangenen<br />

Versuche einer Anpassung allesamt gescheitert<br />

sind – zuletzt im September 2017<br />

mit dem Titel «Altersvorsorge 2020». Das<br />

hat auch die Politik erkannt: Ein neuer<br />

Vorschlag, kurz «AHV 21» genannt, soll<br />

noch diesen Herbst vom Ständerat behandelt<br />

werden. Dass das Stimmvolk im kommenden<br />

Jahr bereits über die Vorlage befinden<br />

wird, wie die Bezeichnung vermuten<br />

lässt, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.<br />

Vielmehr dürfte das Geschäft<br />

frühestens 2022 an die Urne kommen –<br />

wenn alle Verfahren reibungslos über die<br />

Bühne gehen. Zur Diskussion stehen kontroverse<br />

Fragen wie die Erhöhung des


7<br />

<br />

BILD: PIXABAY / GERD ALTMAN<br />

Rentenalters für die Frauen <strong>auf</strong> 65 Jahre<br />

sowie eine Anhebung der Mehrwertsteuer<br />

zugunsten der AHV (siehe Kasten).<br />

In Anbetracht der konträren Interessen<br />

von links und rechts sch<strong>einen</strong><br />

zeitraubende Blockaden zumindest nicht<br />

ausgeschlossen.<br />

Separate Vorlagen für AHV und BVG<br />

Sicher ist, dass dann die Reform der beruflichen<br />

Vorsorge (BVG), der zweiten Säule<br />

des Schweizer Vorsorgekonzepts, nicht<br />

gleichzeitig behandelt werden wird, wie<br />

dies bei der gescheiterten Altersvorsorge-<br />

2020-Vorlage noch der Fall war. Das Risiko<br />

einer erneuten Abfuhr und damit verbunden<br />

einer weiteren Verzögerung dieser<br />

wichtigen Reformvorhaben wollte man<br />

nicht mehr eingehen. Denn auch in der<br />

Beruflichen Vorsorge besteht Handlungsbedarf.<br />

So sind die Leistungen der zweiten<br />

Säule in den letzten Jahren massiv gesunken<br />

und werden ohne weitere Gegenmassnahmen<br />

weiter sinken. Generell bleibt die<br />

Umverteilung von aktiv Versicherten zu<br />

Rentnern hoch, angesichts der Pensionierungen<br />

mit einem überhöhten Umwandlungssatz.<br />

Dieser Mindestumwandlungssatz<br />

bestimmt, wie hoch der obligatorische<br />

Teil der Rente ausfällt. Derzeit liegt er bei<br />

6,8 Prozent.<br />

Mit der BVG-Reform 2022, die bis vor<br />

Kurzem noch in der Vernehmlassung war,<br />

soll hier nun Gegensteuer gegeben und<br />

der Wert <strong>auf</strong> 6 Prozent gesenkt werden.<br />

Mancher Vorsorgeexperte hält auch diese<br />

Zahl nach wie vor als zu hoch. Der technische<br />

Zinssatz, der misst, wie hoch das zurückgestellte<br />

Vorsorgekapital erwartungsgemäss<br />

verzinst werden kann, scheint sich<br />

dagegen bei rund 2 Prozent einzupendeln.<br />

Noch im Jahr 2009 lag er bei 3,5 Prozent.<br />

Weitere Neuerungen sind im Bereich des<br />

Koordinationsabzugs sowie der Altersgutschriften<br />

vorgesehen (siehe Kasten). Wie<br />

bei der AHV dürfte die BVG-Reform-<br />

Vorlage k<strong>einen</strong> leichten Stand haben –<br />

auch wenn unbestritten scheint, dass gewichtige<br />

Veränderungen nötig sind, will<br />

man das Schweizer Vorsorgesystem in<br />

Zukunft <strong>auf</strong> drei gesunde Säulen stützen.<br />

NZZ-Artikelsammlung<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN<br />

LEBENSPHASE<br />

ab Seite 8<br />

«AHV 21» – die wichtigsten Punkte<br />

- Angleichung des Frauenrentenalters<br />

<strong>auf</strong> 65 Jahre.<br />

- Kompensationsmassnahmen für<br />

Frauen, die tiefe Renten haben.<br />

- Flexibilisierung des Rentenalters:<br />

Wer länger arbeiten möchte,<br />

profitiert von einer höheren<br />

Rente. Wer früher in Pension<br />

gehen möchte, dem wird die<br />

Rente entsprechend gekürzt.<br />

- Zusatzfinanzierung über die<br />

Mehrwertsteuer: Diese soll um<br />

maximal 0,7 Prozentpunkte<br />

erhöht werden.<br />

BVG 2022 – die vorgeschlagenen Neuerungen<br />

Umwandlungssatz:<br />

Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8 <strong>auf</strong> 6,0 Prozent<br />

Ausgleichsmassnahme:<br />

Rentenzuschlag für künftige Alters- und Invalidenrentner<br />

der beruflichen Vorsorge je nach Jahrgang<br />

Koordinationsabzug:<br />

Senkung von 24 885 <strong>auf</strong> 12 443 Franken<br />

Altersgutschriften:<br />

Anpassung der Altersgutschriften:<br />

25 – 34: 9 Prozent (bisher 7 Prozent)<br />

35 – 45: 9 Prozent (bisher 10 Prozent)<br />

45 – 54: 14 Prozent (bisher 15 Prozent)<br />

55 – 65: 14 Prozent (bisher 18 Prozent)


8<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Tipps für die Planung der<br />

Pensionierung<br />

Ein finanziell sorgloses Leben im Ruhestand will gut vorbereitet sein –<br />

gerade in Zeiten von sinkenden Leistungen bei Pensionskassen<br />

Je jünger man anfängt, für das Alter zu sparen, desto mehr wird dann auch vorhanden sein. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

«Der Ruhestand ist das, wor<strong>auf</strong><br />

man sein ganzes Leben lang<br />

hinarbeitet und sich erschrocken<br />

wundert, wenn es so weit ist»,<br />

lautet ein Sprichwort. Um<br />

unliebsame Überraschungen zu<br />

vermeiden, spricht viel dafür,<br />

sich früh um die Finanzen im<br />

Ruhestand zu kümmern. Eine<br />

gute Planung ist das A und O.<br />

MICHAEL FERBER<br />

■ Pensionierungszeitpunkt planen: Bei<br />

der Planung sollte man sich zunächst einmal<br />

darüber klarwerden, wann man in<br />

Rente gehen will. Eine Frühpensionierung<br />

muss man sich leisten können, eine solche<br />

gilt es genau durchzurechnen. Dabei<br />

kommt auch zum Tragen, dass viele Pensionskassen<br />

<strong>auf</strong>grund der ultraniedrigen<br />

bis negativen Zinsen in den letzten Jahren<br />

die Umwandlungssätze teilweise massiv<br />

gekürzt haben. In der Folge fallen die Renten<br />

der Versicherten deutlich geringer aus<br />

als ursprünglich geplant. Vor diesem Hintergrund<br />

kann es <strong>einen</strong> Gedanken wert<br />

sein, allenfalls länger zu arbeiten, wenn<br />

man die Möglichkeit dazu hat. Beim<br />

Thema Früh- oder Spätpensionierung ist<br />

es indessen wichtig, sich die Auswirkungen<br />

<strong>auf</strong> die AHV-Rente vor Augen zu führen.<br />

Man kann diese um ein oder zwei Jahre<br />

vorziehen oder ihren Bezug um bis zu fünf<br />

Jahre <strong>auf</strong>schieben. Jeder AHV-Versicherte<br />

hat diese Möglichkeiten. Bei einem Vorbezug<br />

um ein Jahr oder zwei Jahre sinkt die


9<br />

AHV-Rente um 6,8 bzw. 13,6% für die gesamte<br />

Bezugsdauer. Schiebt man den Bezug<br />

der Rente <strong>auf</strong>, erhöht sie sich je nach<br />

Dauer um 5,2 bis 31,5%.<br />

■ Deckung des Lebensstandards im Alter<br />

durch regelmässige Einkünfte: Unbedingt<br />

sollte man dar<strong>auf</strong> hinarbeiten, dass<br />

man im Alter ein Einkommen hat, das die<br />

Grundbedürfnisse deckt. «Bei der Planung<br />

sollte man sich genau überlegen,<br />

welchen finanziellen Bedarf man im Alter<br />

pro Jahr hat», sagt Willi Thurnherr, der<br />

CEO Retirement & Investment bei Aon<br />

Schweiz. Anschliessend soll man prüfen,<br />

ob man diesen mit dem erwarteten Einkommen<br />

aus der AHV und der Rente aus<br />

der zweiten Säule decken könne. Zusätzliche<br />

Einkünfte können auch aus einer<br />

vermieteten Immobilie kommen. Weniger<br />

ratsam ist es im Allgem<strong>einen</strong>, Kapital aus<br />

der Pensionskasse abzuziehen und in eine<br />

Leibrentenversicherung einzuzahlen. Die<br />

Umwandlungssätze solcher Versicherungslösungen<br />

sind im Normalfall deutlich<br />

niedriger als diejenigen von Pensionskassen.<br />

■ Rente oder Kapital: Bei der Pensionierung<br />

muss man sich entscheiden, ob man<br />

das Pensionskassenguthaben als Rente<br />

bezieht oder es sich als Kapital auszahlen<br />

lässt. Letzteres sollte man nur tun, wenn<br />

der Lebensstandard im Alter gedeckt ist.<br />

Dies kann beispielsweise sinnvoll sein,<br />

wenn man keine hohe Lebenserwartung<br />

mehr hat oder wenn man sich teure Wünsche<br />

erfüllen will – und dies finanziell<br />

kann. «Viele Leute leben allerdings länger,<br />

als sie denken», sagt Thurnherr. Gemäss<br />

Daten des Statistischen Bundesamts<br />

aus dem Jahr 2017 hat eine Frau in der<br />

Schweiz im Alter von 65 Jahren im Durchschnitt<br />

noch eine restliche Lebenserwartung<br />

von 22,5 Jahren, bei Männern sind es<br />

19,7 Jahre. Viele Versicherte entscheiden<br />

sich beim Bezug der Pensionskassengelder<br />

auch für <strong>einen</strong> Mix aus Rente und<br />

Kapital.<br />

■ Ausgaben im Griff haben: Schon vor<br />

der Pensionierung ist es indessen ratsam,<br />

die Ausgaben unter Kontrolle zu haben.<br />

Diese seien ein wichtiger Teil bei der<br />

Planung, sagt Thomas Bamert, Vorsorgeexperte<br />

bei der Bank Julius Bär. «Eine<br />

Problematik ist, dass auch vor der Pensionierung<br />

viele ihren Lebensstandard dem<br />

aktuellen Gehalt angepasst haben und<br />

wenige Ersparnisse haben», sagt er. Diese<br />

Leute müssten mehr sparen, wenn sie<br />

ihren Lebensstil im Ruhestand fortführen<br />

wollten. Die Lebenshaltungskosten im<br />

Ruhestand sollte man derweil nicht unterschätzen.<br />

Zwar fallen bestimmte Ausgaben<br />

nach dem Ende der Berufstätigkeit<br />

nicht mehr an. Es bleibt aber mehr Freizeit<br />

und damit Zeit, um Geld auszugeben.<br />

Zudem besteht möglicherweise der<br />

Wunsch, Reisen zu unternehmen.<br />

■ Sich mit dem Stand der eigenen Vorsorge<br />

beschäftigen: «Viele Versicherte wissen<br />

nicht genau, wie viel Geld sie überhaupt<br />

in der Pensionskasse haben», sagt<br />

Bamert. Sich mit der eigenen Vorsorge zu<br />

beschäftigen, wird derweil aber immer<br />

wichtiger. Nach mehreren guten Aktienjahren<br />

haben viele Kassen zwar ein gutes<br />

Polster angesammelt – im Branchenjargon<br />

spricht man von gut gefüllten «Wertschwankungsreserven».<br />

Mit dem jüngsten,<br />

überaus heftigen Kurssturz an den Börsen<br />

infolge der Corona-Krise ist ein gewisser<br />

Teil davon allerdings bereits <strong>auf</strong>gebraucht.<br />

«Geht es mit den Kursverlusten längerfristig<br />

weiter, drohen bei manchen Kassen<br />

wieder Unterdeckungen», sagt Bamert.<br />

Dann müssten Versicherte möglicherweise<br />

Sanierungsbeiträge leisten. Die Qualität<br />

der Pensionskasse ist folglich bei der Pensionierungsplanung<br />

unbedingt ebenfalls zu<br />

beachten. Dazu gehört beispielsweise auch<br />

das Verhältnis von Aktiven zu Rentnern in<br />

der Kasse.<br />

■ Zeitig mit der Planung der Pensionierung<br />

beginnen: «Mit der Planung der Pensionierung<br />

sollte man so früh wie möglich<br />

beginnen», sagt Thurnherr. Bietet eine<br />

Pensionskasse beispielsweise verschiedene<br />

Pensionspläne für die Versicherten an, so<br />

könnten auch schon jüngere Versicherte<br />

eine Variante mit höheren Einzahlungen<br />

wählen. Langfristig könne dies durchaus<br />

lohnenswert sein. Dasselbe gilt für das<br />

Sparen in der Säule 3a. Menschen, die in<br />

der Lage sind, grössere Einkäufe in die<br />

Pensionskasse zu tätigen, könnten später<br />

mit der Planung ihrer Pensionierung anfangen,<br />

sagt Thurnherr. Viele könnten sich<br />

dies aber nicht leisten. Die praktische Erfahrung,<br />

beispielsweise auch beim Verein<br />

BVG Auskünfte, zeige ihm, dass die Menschen<br />

ihre Pensionierung tendenziell eher<br />

zu spät planten. Bamert rät, zumindest<br />

zehn bis fünfzehn Jahre vor dem angestrebten<br />

Pensionierungszeitpunkt mit der<br />

Planung zu beginnen. «Dann hat man noch<br />

Zeit, um zu reagieren», sagt er.<br />

■ Steuersparmöglichkeiten ausschöpfen:<br />

Bei der Vorsorge für die dritte Lebensphase<br />

besteht die Möglichkeit, erheblich<br />

Steuern zu sparen. Wer sich Einkäufe in<br />

die Pensionskasse leisten kann, sollte dies<br />

erwägen. Schliesslich kann man solche<br />

freiwilligen Einzahlungen in die Vorsorgeeinrichtung<br />

in der Steuererklärung vom<br />

steuerbaren Einkommen abziehen. Lukrativ<br />

sind solche Einkäufe vor allem für Versicherte<br />

ab dem Alter 50. Da dann die Zeit<br />

bis zur Pensionierung langsam absehbar<br />

ist, ist das Kapital nicht zu lange in der<br />

Pensionskasse gebunden. Einkäufe in die<br />

Pensionskasse sollten nicht im Zeitraum<br />

von drei Jahren vor der Pensionierung getätigt<br />

werden. Bei einem anschliessenden<br />

Kapitalbezug müssten die durch den Eink<strong>auf</strong><br />

erlangten Steuerersparnisse wieder<br />

zurückbezahlt werden. Auch mit Einzahlungen<br />

in die Säule 3a besteht die Möglichkeit,<br />

bei der Vorsorge Steuern zu sparen.<br />

Des Weiteren gibt es beim Bezug der Vorsorgegelder<br />

aus Pensionskasse, Säule 3a<br />

und Freizügigkeit grosse steuerliche Optimierungsmöglichkeiten<br />

– die Gelder aus<br />

verschiedenen Töpfen sollten, wenn möglich,<br />

gestaffelt über mehrere Jahre hinweg<br />

bezogen werden, um die Steuerprogression<br />

zu brechen.<br />

■ Teilpensionierung als Option: Steuerlich<br />

gesehen kann auch eine Teilpensionierung<br />

eine interessante Möglichkeit sein. Ein<br />

Modell wäre beispielsweise, im Alter von<br />

60 Jahren das Arbeitspensum <strong>auf</strong> 70% reduzieren,<br />

mit 62 Jahren <strong>auf</strong> 40% und mit<br />

65 in Rente zu gehen, sagt Thurnherr.<br />

Beim ersten und zweiten Schritt könne<br />

man sich jeweils 30% des Pensionskassenkapitals<br />

auszahlen lassen und im Alter 65<br />

das restliche Kapital in Rentenform beziehen.<br />

Dies ermögliche eine gewisse Staffelung,<br />

mit der sich die Steuerprogression<br />

brechen lasse. Allerdings müsse hier natürlich<br />

immer der Arbeitgeber mitspielen,<br />

was einmal mehr die Bedeutung einer guten<br />

Planung unterstreiche.<br />

■ Sich Gedanken über die Amortisierung<br />

der Hypothek machen: Immobilienbesitzer<br />

sollten abwägen, wie stark sie die<br />

Hypothek <strong>auf</strong> ihre Liegenschaft reduzieren.<br />

Dabei dürfen sie allerdings ihre finanziellen<br />

Bedürfnisse im Alter nicht aus den<br />

Augen verlieren. Bei der Planung sollte<br />

man sich indessen bewusst sein, dass es<br />

nach der Pensionierung schwierig werden<br />

kann, die Hypothek <strong>auf</strong>zustocken.<br />

www.nzz.ch/ld.1546730


10<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Der Traum von der<br />

Frühpensionierung<br />

Viele Arbeitnehmer würden gerne vorzeitig in den Ruhestand treten,<br />

doch die Realität geht eher in Richtung länger arbeiten<br />

WERNER GRUNDLEHNER<br />

Schweizerinnen und Schweizer haben eine<br />

hohe Lebenserwartung und auch hohe Erwartungen<br />

an diesen dritten Lebensabschnitt.<br />

Viele möchten diese Phase individuell<br />

angehen, etwa mit einer Pensumsreduktion,<br />

einer Teilzeitbeschäftigung oder<br />

einer Frühpensionierung. Doch bevor man<br />

diesen Schritt wagt, gilt es einiges abzuklären.<br />

So kann es unter anderem zu deutlichen<br />

Einbussen bei der Pensionskasse<br />

kommen.<br />

Die Rente für den Rest des Lebens fällt<br />

tiefer aus als bei einer Pensionierung zum<br />

regulären Zeitpunkt. Es wird weniger Kapital<br />

angespart, und die Auszahlungen<br />

werden mit einem tieferen Umwandlungssatz<br />

berechnet. Angesichts der steigenden<br />

Lebenserwartung darf man das nicht<br />

unterschätzen. Deshalb ist die finanzielle<br />

Situation genau zu prüfen. So bleibt man<br />

etwa auch als Frühpensionierter AHVpflichtig.<br />

Hilfreich ist eine Absprache mit<br />

dem Arbeitgeber (diesem kommt vielleicht<br />

die Frühpensionierung gelegen),<br />

oder man plant eine Pensionierung in<br />

Schritten (Reduzierung des Pensums).<br />

Vorbezug von Rente und AHV<br />

Die AHV-Rente kann man schon ein oder<br />

zwei Jahre vor dem regulären Rentenalter<br />

beziehen, und die meisten Pensionskassen<br />

(PK) lassen <strong>einen</strong> Bezug der Altersleistungen<br />

ab 58 oder 60 Jahren zu. Pensionskassen<br />

kürzen die Renten von Frühpensionären<br />

in der Regel lebenslang um 5% bis 7%<br />

pro Vorbezugsjahr. Wer mit 63 statt 65 in<br />

Rente geht, verzichtet demnach <strong>auf</strong> 10%<br />

bis 14%. Ein Vorbezug der AHV-Rente<br />

um zwei Jahre führt zu einer Rentenkürzung<br />

von 13,6%. Viele Pensionskassen bieten<br />

Frühpensionierten eine Überbrückungsrente<br />

an, mit der sie <strong>einen</strong> Vorbezug<br />

der AHV-Rente umgehen können.<br />

«Ein AHV-Vorbezug ist nur in einer Situation<br />

sinnvoll: Wenn der Arzt einem sagt,<br />

dass man nur noch wenige Jahre zu leben<br />

hat», sagt Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbandes<br />

und Partner bei<br />

Academix Consult. Sonst sei es fahrlässig,<br />

die einzige lebenslang inflationsgeschützte<br />

Rente zu reduzieren.<br />

Wer früher in Pension geht, muss die<br />

Einkommenslücke zwischen der Frühpensionierung<br />

und der ordentlichen Pensionierung<br />

überbrücken. Am besten eignen<br />

sich dazu private Ersparnisse wie etwa<br />

Guthaben in der Säule 3a, die man grundsätzlich<br />

bis zu fünf Jahre vor Erreichen des<br />

AHV-Alters beziehen kann.<br />

Zahlreiche PK offerieren den Versicherten,<br />

eine Leistungskürzung bei einer<br />

Frühpensionierung mit freiwilligen Einkäufen<br />

auszugleichen. Arbeitnehmer, die<br />

sich bereits für die vollen ordentlichen<br />

Leistungen eingek<strong>auf</strong>t haben, können<br />

noch zusätzliche Einkäufe tätigen. Die zusätzlichen<br />

Altersleistungen dürfen jene bei<br />

einer ordentlichen Pensionierung allerdings<br />

höchstens um 5% übersteigen. Mit<br />

dem Aufschub einer Pensionierung nimmt<br />

nicht nur das Altersguthaben zu, auch der<br />

Umwandlungssatz fällt höher aus.<br />

Zwei gravierende Fehler<br />

Eine Frühpensionierung kostet gemäss<br />

Spring massiv Geld. «Viele unserer Kunden<br />

interessieren sich für eine Frühpensionierung,<br />

einige sehen aber wieder davon<br />

ab, nachdem wir es genau durchgerechnet<br />

haben», sagt Damian Gliott von der Vermögenspartner<br />

AG. Die restliche Lebenserwartung<br />

liegt in der Schweiz mittlerweile<br />

für 65-jährige Frauen bei 22,7 und für<br />

65-jährige Männer bei 19,9 Jahren (Stand<br />

2018). Deshalb muss man seine Ruhestandsplanung<br />

also <strong>auf</strong> ein hohes Alter<br />

ausrichten.<br />

«Bei der finanziellen Planung des Ruhestandes<br />

werden zwei gravierende Fehler<br />

gemacht: Die eigene Sparfähigkeit wird<br />

überschätzt und der Kapitalbedarf nach<br />

der Pensionierung unterschätzt», sagt<br />

Spring. Es ist eine gute Idee, sich im Alter<br />

von 50 Jahren Gedanken über die Vorsorgeplanung<br />

zu machen – auch wenn man<br />

eine mögliche Frühpensionierung ins Auge<br />

fasst. Wer es aber bis zu diesem Zeitpunkt<br />

nicht schafft, monatlich <strong>einen</strong> relevanten<br />

Betrag <strong>auf</strong> die Seite zu bringen, wird es<br />

auch nachher nicht schaffen, sagt Spring.<br />

Zwar ziehen vielleicht die Kinder aus, dafür<br />

entdeckt man neue Hobbys, beginnt<br />

mit dem Golfspiel oder k<strong>auf</strong>t sich eine<br />

Harley-Davidson. Viele machen zudem<br />

den Fehler, dass sie mit zu hohen Umwandlungssätzen<br />

rechnen, nämlich jenen,<br />

die <strong>auf</strong> dem PK-Ausweis angegeben werden.<br />

Für Babyboomer werden diese gemäss<br />

Spring aber 20% tiefer sein als für<br />

ihre Eltern.<br />

Der jüngste Rückschlag an der Börse<br />

hat <strong>auf</strong> die Vorsorgeplanung wenig Einfluss<br />

– allenfalls <strong>einen</strong> psychologischen,<br />

führt Gliott an. «Solche Rückschläge gibt<br />

es an den Aktienmärkten alle 10 bis 15<br />

Jahre.» Wer mit 50 Jahren die Vorsorgeplanung<br />

an die Hand nimmt, kann noch mit<br />

gutem Gewissen für 12 Jahre in Aktien investieren.<br />

Das entspricht etwa einem Zyklus<br />

an der Börse.<br />

In der Vorsorgeplanung müssen alle<br />

künftigen Einkommen berücksichtigt werden,<br />

solche aus gesicherten und ungesicherten<br />

Vermögen, Versicherungsleistungen,<br />

AHV, allfällige Mieteinahmen, Erbvorbezüge<br />

usw. Eine Erbschaft sollte jedoch<br />

nicht zu stark in die Vorsorgeplanung<br />

integriert werden, mittlerweile gehen 70%<br />

der Erbschaften in der Schweiz an Pensionäre.<br />

Zu welchem Zeitpunkt diese erfolgen,<br />

ist schwer abzuschätzen. «Wichtig für<br />

die Reduktion des Risikos ist der Bezug<br />

des Ruhestandseinkommens aus möglichst<br />

verschiedenen Quellen», sagt Gliott.<br />

Gutverdienende im Dilemma<br />

Mittlerweile wählt jeder dritte Schweizer<br />

Bürger eine Mischform aus Rente und Kapitalbezug.<br />

Mit der Rente wird insbesondere<br />

das Langlebigkeitsrisiko gedeckt. Dabei<br />

muss man gemäss Spring etwa beachten,<br />

dass man das Kapital erst drei Jahre<br />

nach der letzten Einzahlung beziehen<br />

könne. Also dürfe man ab Alter 59 keine<br />

Einkäufe mehr vornehmen, wenn man mit


11<br />

Wer vor seinem regulären Pensionierungsalter seinem Job Adieu sagen möchte, muss das gut durchrechnen. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

63 das Kapital beziehen wolle. Wer sich<br />

wegen hoher Ersparnisse oder einer Erbschaft<br />

sehr früh pensionieren lassen kann,<br />

muss sich das gut überlegen. So werden<br />

etwa 24 800 Franken an AHV p. a. fällig,<br />

und die Steuern sind nur unwesentlich<br />

tiefer als zuvor.<br />

Vor allem Gutverdienende bekunden<br />

gemäss Spring Mühe damit, genug zu sparen,<br />

um den Lebensstandard halten zu<br />

können. Die AHV-Rente ist gedeckelt. Bei<br />

diesen Personen steckt der Grossteil des<br />

PK-Guthabens im überobligatorischen<br />

Teil, der kaum mehr verzinst wird. Für Angestellte<br />

bringt die maximale 3a-Einzahlung<br />

nicht das benötigte Sparguthaben.<br />

«Mit einem jährlichen Einkommen von<br />

150 000 Franken müsste man jedes Jahr<br />

zirka 40 000 Franken <strong>auf</strong> die Seite legen,<br />

um den gewohnten Standard später zu halten»,<br />

sagt Spring.<br />

Viel mehr als Frühpensionierungen sei<br />

bei s<strong>einen</strong> Kunden die Berufstätigkeit<br />

über die Pensionierung hinaus ein Thema,<br />

sagt Spring. Gliott beobachtet, dass sich öfter<br />

Arbeitnehmende pensionieren lassen,<br />

um dann selbständig, zum Beispiel als Berater,<br />

aktiv zu werden.<br />

Über die Pension hinaus<br />

Etwa gleich viele Arbeitstätige beziehen<br />

die AHV früher oder schieben deren Bezug<br />

<strong>auf</strong> – in beiden Fällen sind es jeweils<br />

18%. Die Lebenserwartung ist gestiegen,<br />

viele aktive Personen wollen länger<br />

arbeiten und die Rente <strong>auf</strong>schieben.<br />

Auch Unternehmen wollen qualifizierte<br />

Mitarbeiter halten, die ein grosses Netzwerk<br />

<strong>auf</strong>weisen und Systeme verwenden<br />

können, die Junge nicht mehr kennen.<br />

Wenn ein Mensch im Schnitt mit 25 Jahren<br />

die Erwerbstätigkeit <strong>auf</strong>nimmt und<br />

nach der Pensionierung nochmals so<br />

lange lebt, ist er während mehr als der<br />

Hälfte seines Lebens unproduktiv. Dar<strong>auf</strong><br />

ist unser Vorsorgesystem gemäss<br />

Spring jedoch nicht ausgelegt.<br />

Sinnvoller, weniger kostspielig und für<br />

den Arbeitgeber einfacher zu «verkraften»<br />

ist eine schrittweise Reduktion des<br />

Arbeitspensums. Auf dem Teilzeiteinkommen<br />

sind weiter AHV-Beiträge fällig. Die<br />

Beitragspflicht ist damit oft bereits erfüllt,<br />

und es fallen keine zusätzlichen AHV-Beiträge<br />

an wie bei einer vollständigen Frühpensionierung.<br />

Eine gestaffelte Pensionierung<br />

kann sich auch steuerlich lohnen,<br />

wenn man das Pensionskassenguthaben in<br />

Kapitalform bezieht. Bei mehreren Teilbezügen<br />

fallen wegen der Steuerprogression<br />

insgesamt weniger Steuern an als bei<br />

einem einmaligen Bezug des gesamten<br />

Kapitals.<br />

www.nzz.ch/ld.1547963


12<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Die wichtigste Frage vor der<br />

Pensionierung<br />

Der Entscheid zwischen einer monatlichen Rente und dem Bezug<br />

des Kapitals aus der zweiten Säule will wohlüberlegt sein<br />

Alles <strong>auf</strong>s Mal oder monatliche Bezüge? Die Versicherten können die beiden Varianten auch kombinieren. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

MICHAEL SCHÄFER<br />

Im Leben gilt es, etliche wichtige Weichen<br />

zu stellen. Zu den Entscheiden mit einer<br />

grossen Tragweite zählen etwa jene im Zusammenhang<br />

mit Ausbildung und Beruf,<br />

die Wahl des Partners oder der Partnerin<br />

sowie der K<strong>auf</strong> einer Immobilie. Und vor<br />

dem Eintritt in den dritten Lebensabschnitt<br />

gilt es festzulegen, in welcher Form<br />

man die Gelder aus der beruflichen Altersvorsorge<br />

beziehen will. In der Schweiz hat<br />

man dabei die Wahl zwischen einer lebenslangen<br />

Rente, dem Bezug des Alterskapitals<br />

oder einer Kombination aus beidem.<br />

Frühzeitige Planung wichtig<br />

Jede dieser Alternativen hat ihre Vor- und<br />

Nachteile. Wegen der grossen Tragweite<br />

des Entscheids raten Finanzplaner, die<br />

Frage etliche Jahre vor der Pensionierung<br />

anzugehen, idealerweise im Alter von 50<br />

Jahren. So bleibe in der Regel genügend<br />

Zeit, um nicht nur die finanziellen Aspekte<br />

der Pensionierung zu planen, sondern auch<br />

nötige Schritte rechtzeitig in die Wege zu<br />

leiten.<br />

Für die Variante Rente spricht, dass sie<br />

ein Leben lang regelmässig ausgezahlt<br />

wird. Zum Zeitpunkt der Pensionierung ist<br />

bekannt, welchen Betrag man monatlich<br />

zur Verfügung hat. Die Rente empfiehlt


13<br />

sich deshalb vor allem für Menschen,<br />

denen ein hoher Grad an Sicherheit und<br />

Planbarkeit wichtig ist. Ist die Rente einmal<br />

gesprochen, wird an ihr nicht mehr gerüttelt,<br />

und das dürfte auch künftig so bleiben.<br />

Selbst wenn die Mittel einer Pensionskasse<br />

knapp werden sollten, verfügt das<br />

Schweizer Rentensystem über ein Sicherheitsnetz,<br />

das dann zum Tragen kommt.<br />

Lässt man sich dagegen das Kapital auszahlen,<br />

muss man es selbst anlegen oder<br />

verwalten lassen. Wie sich dann das Vermögen<br />

entwickelt, ist im Voraus nicht bekannt<br />

und damit auch nicht der Betrag, über den<br />

man regelmässig verfügen kann. Diese Unsicherheit<br />

fällt umso stärker ins Gewicht, je<br />

geringer das Alterskapital ist. Aber auch<br />

bei einer hohen Summe besteht die Gefahr,<br />

die künftige Rendite zu überschätzen.<br />

Unterschätzte Lebenserwartung<br />

Wer nämlich in den ersten Jahren der Pension<br />

hohe Beträge entnimmt, etwa für ein<br />

Ferienhaus oder für grössere Reisen, riskiert,<br />

dass er sich später finanziell stärker<br />

einschränken muss. «Viele angehende<br />

Rentner unterschätzen ihre Lebenserwartung,<br />

weil sie sich an der Generation ihrer<br />

Eltern oder Grosseltern orientieren», sagt<br />

Reto Spring, Präsident des Finanzplaner-<br />

Verbands Schweiz. Gerade für gesunde<br />

Personen mit einer hohen Lebenserwartung<br />

kann es also sinnvoll sein, sich für den<br />

Bezug einer Rente zu entscheiden.<br />

Allgemeingültige Regeln gebe es aber<br />

nicht, viel hänge von der Höhe der l<strong>auf</strong>enden<br />

Ausgaben ab, erläutert Spring. Beschliesse<br />

ein Rentnerpaar zum Beispiel,<br />

den Lebensabend in einem Land mit vergleichsweise<br />

niedrigen Lebenshaltungskosten<br />

zu verbringen und wohne es dort in<br />

einem abbezahlten Eigenheim, reiche<br />

möglicherweise die AHV, um den täglichen<br />

Lebensunterhalt zu bestreiten. In<br />

einem solchen Fall sei es selbst bei kleineren<br />

Beträgen unbedenklich, die Altersleistung<br />

als Kapital zu beziehen.<br />

Grosse kantonale Unterschiede<br />

Der hohen Sicherheit und Planbarkeit der<br />

Rente steht aber auch eine Reihe von<br />

Nachteilen gegenüber. Erstens unterliegen<br />

Rentenzahlungen vollumfänglich der Einkommensteuer.<br />

Beim Bezug des Kapitals<br />

muss zwar die ausbezahlte Summe <strong>auf</strong><br />

<strong>einen</strong> <strong>Schlag</strong> versteuert werden, allerdings<br />

kommt dabei ein reduzierter Satz zur Geltung.<br />

Um die steuerliche Belastung zu mindern,<br />

kann es sinnvoll sein, im Vorfeld der<br />

Pensionierung eine Hypothek teilweise mit<br />

Geldern aus der zweiten Säule zu amortisieren.<br />

Darüber hinaus sollte man vermeiden,<br />

sich im Jahr des Kapitalbezugs auch noch<br />

das Vermögen der Säule 3a auszahlen zu<br />

lassen, da man sonst in eine höhere<br />

Steuerprogression rutscht. Befinden sich<br />

die Vorsorgegelder im Privatvermögen,<br />

unterliegen die Gelder der Vermögenssteuer<br />

und Erträge wie Zinsen und Dividenden<br />

der Einkommensteuer. Über<br />

<strong>einen</strong> längeren Zeitraum gesehen, schneidet<br />

man mit der Kapitalauszahlung aus<br />

steuerlicher Sicht deshalb in der Regel<br />

besser ab.<br />

Zudem sind die kantonalen Steuersätze<br />

teilweise sehr unterschiedlich, so<br />

dass es sich lohnen kann, den Wohnort<br />

vor dem Kapitalbezug zu wechseln. Bei<br />

einer Summe von 1 Million Franken reichen<br />

die Unterschiede zwischen den<br />

günstigsten Kantonen (Appenzell Innerrhoden,<br />

Schaffhausen, Uri und Zug) und<br />

den teuersten (Freiburg, Waadt und Zürich)<br />

für Ehepaare von 60 000 bis 80 000<br />

Franken.<br />

Der zweite Nachteil der Rente: Die<br />

Versicherten vernachlässigen, dass die<br />

Rente im Gegensatz zur AHV nicht<br />

grundsätzlich an die Teuerungsrate angepasst<br />

wird. In den vergangenen 30 Jahren<br />

lag die Inflation in der Schweiz bei durchschnittlich<br />

2%. Nimmt man eine ähnlich<br />

hohe Inflation für die Zukunft an, sinkt<br />

die K<strong>auf</strong>kraft der Rente innerhalb von 30<br />

Jahren <strong>auf</strong> gerade einmal 55%. Selbst bei<br />

einer durchschnittlichen Inflationsrate<br />

von 1% nimmt die K<strong>auf</strong>kraft in diesem<br />

Zeitraum noch um 26% ab.<br />

Der dritte Nachteil der Rente manifestiert<br />

sich im Todesfall des Versicherten.<br />

Eine Rente bzw. das dahinterstehende Kapital<br />

kann nicht vererbt werden. Gesetzlich<br />

vorgesehen ist eine Rente für den hinterbliebenen<br />

Partner in Höhe von 60%<br />

der ursprünglichen Leistung. Die Lebenspartnerrente<br />

kann eine Pensionskasse jedoch<br />

reduzieren, wenn der hinterbliebene<br />

Partner deutlich jünger ist und somit zu<br />

erwarten ist, dass sie diese Leistung unangemessen<br />

lange zahlen müsste. Für Konkubinatspartner<br />

ist eine solche Hinterbliebenenrente<br />

nicht gesetzlich vorgesehen.<br />

Den Pensionskassen ist es jedoch freigestellt,<br />

eine solche zu zahlen.<br />

Ob das der Fall ist, kann dem Reglement<br />

der Kasse entnommen werden,<br />

ebenso wie die Bedingungen, an die eine<br />

solche Lebenspartnerrente geknüpft ist.<br />

Meist wird gefordert, dass die Lebensgemeinschaft<br />

in den fünf Jahren vor dem<br />

Ableben des Versicherten bestanden hat<br />

oder dass für gemeinsame Kinder gesorgt<br />

werden muss. Den Kassen steht es zudem<br />

frei, weitere Voraussetzungen in ihr Reglement<br />

<strong>auf</strong>zunehmen.<br />

Der Kapitalbezug bringt mehr Flexibilität<br />

als die Rente. Er ermöglicht, grössere<br />

Ausgaben sofort zu tätigen, hohe Beträge<br />

zu verschenken oder sie eines Tages zu vererben.<br />

Im Gegensatz zum Bezug der Rente<br />

muss der Kapitalbezug allerdings rechtzeitig<br />

bei der Pensionskasse angemeldet werden.<br />

In der Regel ist das bis zu drei Jahre<br />

vor der Pensionierung der Fall, und eine<br />

einmal getroffene Entscheidung kann<br />

nicht wieder geändert werden. Von Gesetzes<br />

wegen haben Versicherte das Recht,<br />

mindestens <strong>einen</strong> Viertel des obligatorischen<br />

Altersguthabens als Kapital zu beziehen,<br />

bei den meisten Pensionskassen ist das<br />

auch in vollem Umfang möglich.<br />

Rentenrechner helfen<br />

Mit dem Kapitalbezug ist jedoch die Herausforderung<br />

verbunden, das Geld so zu investieren,<br />

dass man (grössere Ausgaben<br />

ausgeklammert) unter dem Strich <strong>auf</strong> monatlicher<br />

oder jährlicher Basis mindestens<br />

so viel zur Verfügung hat wie beim Bezug<br />

einer Rente. Mit im Internet verfügbaren<br />

Rentenrechnern wie jenem <strong>auf</strong> 123-pensionierung.ch<br />

lässt sich einfach herausfinden,<br />

bei welcher angenommenen Rendite und<br />

Bezugsdauer welche Rente herausschaut.<br />

Schwieriger dürfte es sein, diese Renditen<br />

auch zu erzielen. Wer nicht selbst eine<br />

Affinität für das Investieren hat, kann dies<br />

an <strong>einen</strong> Vermögensverwalter delegieren,<br />

was jedoch in der Regel mit höheren Kosten<br />

verbunden ist. Und in jedem Fall muss<br />

man mit Marktturbulenzen umgehen können,<br />

wie den jüngst durch die Coronavirus-<br />

Pandemie ausgelösten.<br />

Für viele Versicherte dürfte eine Kombination<br />

von Rente und Kapital sinnvoll<br />

sein. Die Höhe von Ersterer sollte so gewählt<br />

werden, dass sie gemeinsam mit der<br />

AHV den Lebensunterhalt gewährleiste,<br />

rät Spring. Über das restliche Kapital kann<br />

man dann sorgenfrei verfügen. Auch aus<br />

steuerlicher Sicht ist das nicht die schlechteste<br />

Lösung.<br />

www.nzz.ch/ld.1549230


14<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Wer vertritt mich,<br />

wenn ich urteilsunfähig bin?<br />

Der Vorsorge<strong>auf</strong>trag kann eigenständig oder<br />

durch <strong>einen</strong> Notar erstellt werden<br />

Mit einem Vorsorge<strong>auf</strong>trag können<br />

Personen diejenigen Vertrauten<br />

bestimmen, die sie in finanziellen<br />

oder persönlichen Belangen<br />

vertreten sollen, wenn sie dazu<br />

nicht mehr fähig sind. Die<br />

Erstellung durch Dritte kann<br />

teuer werden.<br />

BERNHARD BIRCHER-SUITS<br />

Timon Schenker (56, Name geändert) ist<br />

selbständiger Architekt und Inhaber einer<br />

Einzelfirma. Er möchte sicherstellen, dass<br />

sein Kleinunternehmen in Zürich im Falle<br />

eines schweren Unfalls oder einer Krankheit<br />

und einer daraus resultierenden<br />

Urteilsunfähigkeit weiter funktioniert. Als<br />

urteilsunfähig gilt, wer nicht mehr vernunftmässig<br />

handeln kann. Der Architekt<br />

will, dass seine zwei langjährigen Geschäftspartner<br />

in einem solchen Fall den<br />

Betrieb weiterführen können.<br />

Gründe für eine Urteilsunfähigkeit gibt<br />

es viele: ein Autounfall, eine Demenz oder<br />

eine psychische Störung. Verliert eine Person<br />

ihre Urteilsfähigkeit, darf sie von Gesetzes<br />

wegen nicht mehr frei über ihr Vermögen<br />

verfügen und keine medizinischen<br />

und juristischen Entscheide mehr fällen.<br />

Mit einem sogenannten Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

kann eine volljährige und urteilsfähige<br />

Person wie Schenker sicherstellen, dass im<br />

Fall einer Urteilsunfähigkeit Personen wie<br />

Familienmitglieder, Geschäftspartner oder<br />

auch ein Treuhänder die eigenen Interessen<br />

vertreten. In einer separaten Patientenverfügung<br />

kann jedermann ausserdem<br />

medizinische Massnahmen regeln, die man<br />

sich für den Fall seiner Urteilsunfähigkeit<br />

wünscht.<br />

Die Kesb prüft<br />

Eine Urteilsunfähigkeit wird meist durch<br />

Angehörige, Nachbarn oder medizinisches<br />

Personal der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

(Kesb) gemeldet. Damit<br />

die Kesb <strong>einen</strong> Vorsorge<strong>auf</strong>trag für gültig<br />

erklären kann, muss die Behörde prüfen,<br />

ob die Urteilsunfähigkeit ärztlich bestätigt<br />

ist, ob der Vorsorge<strong>auf</strong>trag gesetzeskonform<br />

errichtet wurde und ob die eingesetzten<br />

Personen oder Unternehmen geeignet<br />

sind, den Auftrag zu erfüllen.<br />

Sofern die im Vorsorge<strong>auf</strong>trag eingesetzten<br />

Personen fähig und willens sind,<br />

den Auftrag zu übernehmen, werden sie<br />

von der Kesb «validiert». Diese Validierung<br />

ist ein schriftlich begründeter<br />

Entscheid, in dem die Kesb den Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

für wirksam erklärt und die vorsorgebe<strong>auf</strong>tragten<br />

Personen und deren Aufgaben<br />

und Berechtigungen bezeichnet.<br />

Damit besteht eine öffentliche Urkunde,<br />

mit der sich die vorsorgebe<strong>auf</strong>tragten Personen<br />

gegenüber Dritten ausweisen können.<br />

Im Beispiel Schenker könnten sich<br />

die beiden Geschäftspartner somit <strong>auf</strong><br />

diese Urkunde abstützen. Der Architekt<br />

kann in seinem Auftrag zum Beispiel konkrete<br />

Handlungsanweisungen festhalten,<br />

wie seine Geschäftspartner ihre Tätigkeit<br />

ausüben dürfen. Solange eine Rechtshandlung<br />

wie zum Beispiel der Zugriff <strong>auf</strong> das<br />

Geschäftskonto vom Vorsorge<strong>auf</strong>trag gedeckt<br />

ist und auch kein Interessenkonflikt<br />

besteht, muss nicht jeweils noch das Einverständnis<br />

der Kesb eingeholt werden.<br />

Vertretungsrecht der Ehegatten<br />

Gabrielle Sigg, Teamleiterin Nachlass beim<br />

VZ Vermögenszentrum, empfiehlt, vorsorglich<br />

auch Bankvollmachten für Geschäftspartner<br />

auszustellen und allenfalls<br />

die Unterschriftsregelungen im Handelsregister<br />

so festzulegen, dass eine Firma<br />

handlungsfähig bleibt. «In komplizierten<br />

Fällen kann es bis zum Validierungsentscheid<br />

der Kesb einige Monate dauern. Es<br />

gilt daher, die Handlungsfähigkeit des<br />

Unternehmens sicherzustellen», sagt sie.<br />

Bei Unternehmen mit Aktionären und<br />

Mitgliedschaftsrechten fügt das Vermögenszentrum<br />

bei Bedarf <strong>einen</strong> Passus in<br />

den Vorsorge<strong>auf</strong>trag ein, womit die be<strong>auf</strong>tragte<br />

Person befugt wird, an der Generalversammlung<br />

bzw. der Gesellschafterversammlung<br />

das Stimmrecht weisungsfrei<br />

auszuüben. Zudem kann die be<strong>auf</strong>tragte<br />

Person ermächtigt werden, Aktien bzw.<br />

Stammanteile zu verk<strong>auf</strong>en.<br />

Bei Ledigen oder Verwitweten ohne<br />

Vorsorge<strong>auf</strong>trag ernennt die Kesb jeweils<br />

<strong>einen</strong> Beistand, wenn sie urteilsunfähig<br />

werden. Ehegatten und eingetragene Partner<br />

erhalten auch ohne <strong>einen</strong> Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

ein Vertretungsrecht. Gemäss der<br />

Schweizer Behindertenorganisation Pro<br />

Infirmis besteht dieses Vertretungsrecht<br />

aber nur, «wenn die Beziehung tatsächlich<br />

gelebt wird, das heisst, wenn das Paar<br />

<strong>einen</strong> gemeinsamen Haushalt führt oder<br />

wenn im Falle eines Heim<strong>auf</strong>enthalts der<br />

Partner bzw. die Partnerin der urteilsunfähigen<br />

Person regelmässig und persönlich<br />

Beistand leistet».<br />

Das gesetzliche Vertretungsrecht im<br />

Bereich Wohnen umfasst gemäss der Konferenz<br />

für Kindes- und Erwachsenenschutz<br />

den Abschluss, die Änderung oder<br />

Aufhebung eines Betreuungsvertrags mit<br />

einer Wohn- oder Pflegeeinrichtung. Im<br />

Bereich Finanzen können Ehegatten und<br />

eingetragene Partnerinnen oder Partner<br />

die üblichen Zahlungen und Vermögensverwaltungshandlungen<br />

erledigen.<br />

Aufgaben festhalten<br />

Im Vorsorge<strong>auf</strong>trag kann eine Person festhalten,<br />

welche Aufgaben die bezeichneten<br />

Personen wahrnehmen sollen. Dabei kann<br />

es sich um die Personensorge handeln,<br />

dazu gehören beispielsweise das Öffnen<br />

der Post, Betreuung, Pflege, medizinische<br />

Versorgung usw. Bei der Vermögenssorge<br />

geht es um die Verwaltung des Einkommens<br />

und Vermögens oder die Abwicklung<br />

des Zahlungsverkehrs. Hinzu kommt<br />

noch die Vertretung im Rechtsverkehr.<br />

Beim Aufsetzen des Vorsorge<strong>auf</strong>trags<br />

muss man sich strikt an die gesetzlichen<br />

Formvorschriften halten. Der Auftrag ist<br />

eigenhändig zu errichten oder öffentlich zu<br />

beurkunden. Der eigenhändige Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

muss datiert und unterzeichnet


15<br />

Die Ehepartnerin zum Beispiel lässt sich im Vorsorge<strong>auf</strong>trag als primäre Vertretung ernennen. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

werden. Im Internet gibt es viele Vorlagen<br />

zur Abschrift. Die Kesb anerkennt <strong>einen</strong><br />

Vorsorge<strong>auf</strong>trag nur im Original. Er ist<br />

zeitlich unbeschränkt wirksam.<br />

In einem Vorsorge<strong>auf</strong>trag kann man<br />

zum Beispiel <strong>einen</strong> «primären» Vertreter<br />

wie s<strong>einen</strong> Ehepartner ernennen. Falls er<br />

nicht mehr zur Vertretung in der Lage ist,<br />

setzt man nachrangig zum Beispiel ein<br />

Kind ein. Ein Vorsorge<strong>auf</strong>trag sollte sicher<br />

und gut zugänglich <strong>auf</strong>bewahrt oder einer<br />

Vertrauensperson übergeben werden. Es<br />

empfiehlt sich, dem Zivilstandsamt am<br />

Wohnort mitzuteilen, dass man <strong>einen</strong> Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

erstellt hat und wo er hinterlegt<br />

ist. In einigen Kantonen kann der Auftrag<br />

auch direkt bei der Kesb deponiert<br />

werden.<br />

Unterstützung bei der Auftragserstellung<br />

erhalten Personen bei den Beratungsstellen<br />

von Pro Senectute, Caritas oder Pro<br />

Infirmis. Es gibt auch digitale Helfer wie<br />

die Plattform E-Vorsorge<strong>auf</strong>trag.ch. Hier<br />

lässt sich online kostenlos ein individualisierter<br />

Vorsorge<strong>auf</strong>trag mit zusätzlicher<br />

Patientenverfügung erstellen.<br />

Der Einzelunternehmer Schenker kann<br />

den Vorsorge<strong>auf</strong>trag somit entweder <strong>auf</strong><br />

eigene Faust erstellen oder ihn zusammen<br />

mit einem Notar schreiben und das Dokument<br />

am Wohnort beurkunden lassen. Die<br />

Vobox AG in Bäch im Kanton Schwyz hat<br />

sich <strong>auf</strong> diesen Service spezialisiert. Das<br />

Unternehmen bietet <strong>einen</strong> Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

für Paare für pauschal 1500 Franken<br />

und für Einzelpersonen für 1000 Franken<br />

an. Dazu kommen im Kanton Schwyz noch<br />

150 Franken für die Beurkundung beim<br />

Notar. Bei der Advokatur Bleuer und Kleger<br />

in St. Gallen ist ein Vorsorge<strong>auf</strong>trag inklusive<br />

Beurkundung «ab 380 Franken» zu<br />

erhalten. Peter Burri von Pro Senectute<br />

Schweiz sagt: «Das Geschäft mit Vorsorge<strong>auf</strong>trägen<br />

ist ein spannender Markt, bei<br />

dem verschiedene Player wie Banken, Versicherungen<br />

und Notare sowie private Firmen<br />

aktiv sind. Es besteht derzeit ein gewisser<br />

Wildwuchs, und die Angebote sind<br />

zum Teil nur schwer vergleichbar.» Es gibt<br />

bei komplexen Ausgangslagen somit nur<br />

eine Lösung: vor einer Auftragserteilung<br />

mehrere Offerten einholen.<br />

www.nzz.ch/ld.1550567


16<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Arbeiten im Ruhestand –<br />

dar<strong>auf</strong> muss man achten<br />

Ob Freiwilligen- oder Erwerbsarbeit: Tätigkeiten nach der Pensionierung<br />

erfordern einiges an Vorbereitung und Planung<br />

Kurz vor der Pensionierung sollte man über die Bücher gehen, ob sich Weiterarbeiten überhaupt lohnt. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

WERNER GRUNDLEHNER<br />

Die meisten Arbeitstätigen freuen sich <strong>auf</strong><br />

den Ruhestand – doch viele möchten auch<br />

nach der Pensionierung weiterarbeiten.<br />

Man möchte nicht nur gebraucht werden,<br />

viele sind auch <strong>auf</strong> <strong>einen</strong> finanziellen Zustupf<br />

angewiesen, um den gewohnten Lebensstandard<br />

halten zu können.<br />

Die AHV-Reform Altersvorsorge 2020,<br />

bei der auch die schrittweise Anhebung<br />

des Rentenalters der Frauen <strong>auf</strong> 65 Jahre<br />

und die Möglichkeit zur flexiblen Pensionierung<br />

zwischen 62 und 70 Jahren geschaffen<br />

werden sollte, hat das Schweizervolk<br />

2017 abgelehnt. Dessen ungeachtet<br />

arbeiten bereits jetzt schon viele Schweizer<br />

nach Erreichen des Rentenalters wei-


17<br />

ter. Die Erwerbstätigenquote von Personen<br />

im Alter von 65 bis 69 Jahren liegt laut<br />

der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung bei 22,9%.<br />

Ein anderes Berufsleben<br />

Dabei muss den Arbeitnehmern aber bewusst<br />

sein, dass sowohl die Beschäftigung<br />

an sich als auch die Suche und Bewerbung<br />

für eine neue Stelle nicht mehr gleich aussehen<br />

wie im «normalen» Berufsleben.<br />

Eine Ausnahme ist, wenn man vom bisherigen<br />

Arbeitgeber weiterbeschäftigt wird<br />

– vielleicht auch mit einem reduzierten<br />

Pensum.<br />

«Auf eine Stelle, die in der Zeitung oder<br />

im Internet ausgeschrieben ist, <strong>auf</strong> die sich<br />

Dutzende Personen bewerben, hat eine<br />

über 60-jährige Person kaum eine Chance»,<br />

sagt Regula Hunziker von der L<strong>auf</strong>bahnberatung<br />

Perspectiv in Uster. Je älter man<br />

werde, desto wichtiger seien das persönliche<br />

Netzwerk und ehemalige Arbeitgeber.<br />

Wer Hilfe sucht für eine Weiterbeschäftigung<br />

im Ruhestand, wendet sich mit<br />

Vorteil an <strong>einen</strong> <strong>auf</strong> diese Thematik spezialisierten<br />

Berater. Man habe kaum Erfahrung<br />

mit diesem Segment, erklärt ein<br />

Mitarbeiter der L<strong>auf</strong>bahnberatung des<br />

Kantons Zürich.<br />

«Die finanzielle Abgeltung der Arbeit<br />

ist ein grosses Thema, auch wenn der Pensionär<br />

das Einkommen gar nicht benötigt»,<br />

sagt Hunziker. Geld werde mit Anerkennung<br />

gleichgesetzt. Es sei jeweils ein grosser<br />

Aufwand, die Belohnung für die Arbeit<br />

«<strong>auf</strong> eine andere Schiene zu bringen».<br />

Hunziker fragt ihre Kunden jeweils: «Lassen<br />

Sie das Geld weg, was möchten Sie<br />

dann tun?» Dabei gehe es auch darum, herauszufinden,<br />

was einem bisher gefehlt hat<br />

und welche Fähigkeiten man bisher nicht<br />

im Beruf einsetzen konnte.<br />

So möchte vielleicht ein Maschinenbauer<br />

mehr mit Menschen zu tun haben<br />

und Kinder betreuen und eine Mathematikerin<br />

älteren Leuten das Smartphone in<br />

Kursen näherbringen. Oft sind Sportvereine<br />

oder andere Institutionen froh, wenn<br />

sich Freiwillige um Buchhaltung und Organisatorisches<br />

kümmern. Eine Auswahl<br />

von Freiwilligenarbeit findet sich etwa <strong>auf</strong><br />

der Website benevol.ch. Freiwilligenarbeit<br />

wird oft mit nichtmonetären Leistungen<br />

wie gemeinsamen Ausflügen, Essen usw.<br />

abgegolten.<br />

AHV-Rente <strong>auf</strong>schieben?<br />

Wer jedoch noch etwas dazuverdienen<br />

will, muss Vorkenntnisse und Erfahrungen<br />

mitbringen. Viele Tätigkeiten für Pensionierte<br />

finden sich in den Bereichen Gesundheit,<br />

Pädagogik und Informatik. Oft<br />

muss man sich dar<strong>auf</strong> einstellen, dass man<br />

«nur» <strong>auf</strong> Abruf arbeiten kann, etwa an<br />

der Kasse bei einem Bäcker, wenn das<br />

Kunden<strong>auf</strong>kommen besonders gross ist.<br />

Bei der Erwerbstätigkeit nach Erreichen<br />

des AHV-Alters sind gewisse Regeln zu<br />

beherzigen. Sonst droht ein grosser Teil des<br />

erzielten zusätzlichen Einkommens durch<br />

Steuern «<strong>auf</strong>gefressen» zu werden.<br />

Personen, die nach dem Erreichen des<br />

Rentenalters weiterarbeiten, sind oftmals<br />

nicht <strong>auf</strong> die AHV-Rente angewiesen. Aus<br />

steuerlicher Sicht kann dann deren Aufschub<br />

sinnvoll sein. Wird das ordentliche<br />

Rentenalter erreicht, kann der Bezug der<br />

AHV mindestens um ein und höchstens<br />

um fünf Jahre <strong>auf</strong>geschoben werden. Dadurch<br />

erhöht sich die AHV-Rente lebenslang.<br />

In einem Merkblatt der Informationsstelle<br />

AHV/IV sind die entsprechenden<br />

Zuschläge <strong>auf</strong>gelistet, nach einem Jahr<br />

sind es 5,2%, nach fünf Jahren 31,5%.<br />

Auf die Aufschubdauer muss man sich<br />

nicht im Voraus festlegen. Bis spätestens<br />

ein Jahr nach dem Erreichen des ordentlichen<br />

Rentenalters ist der Aufschub anzumelden.<br />

Eine Aufschuberklärung wird von<br />

der AHV-Ausgleichskasse bestätigt. Mit<br />

dem entsprechenden Formular <strong>auf</strong> der<br />

AHV/IV-Website kann die Rente nach<br />

dem Aufschub beantragt werden.<br />

Die AHV/IV/EO-Beiträge werden<br />

auch nach Erreichen des Pensionsalters<br />

vom Lohn abgezogen, haben nun aber k<strong>einen</strong><br />

Einfluss mehr <strong>auf</strong> die Rentenhöhe.<br />

Diese Abgaben müssen jeweils nur <strong>auf</strong> den<br />

Teil des Lohnes entrichtet werden, der den<br />

Freibetrag von 1400 Franken pro Monat<br />

übersteigt. Dieser Freibetrag gilt für jedes<br />

einzelne Arbeitsverhältnis, das der Pensionär<br />

eingeht; die Beitragspflicht gegenüber<br />

der Arbeitslosenversicherung (ALV) entfällt<br />

jedoch.<br />

Bei manchen Pensionskassen ist kein<br />

Aufschub möglich, und beim Eintritt des<br />

ordentlichen Rentenalters muss die Rente<br />

bzw. die Kapitalauszahlung bezogen werden.<br />

Ermöglicht die Vorsorgeeinrichtung<br />

aber, dass Erwerbstätige im Rentenalter<br />

die berufliche Vorsorge fortführen, muss<br />

der Pensionär eine Lagebeurteilung vornehmen.<br />

Die meisten Pensionskassen haben<br />

in den vergangenen Jahren wegen sehr<br />

tiefer Zinsen an den Kapitalmärkten und<br />

der demografischen Entwicklung ihre Umwandlungssätze<br />

gesenkt – und es besteht<br />

aus Versichertensicht die Gefahr, dass es<br />

zu weiteren Senkungen kommt.<br />

Finanziell kein Zugewinn<br />

Der Umwandlungssatz setzt den Anteil<br />

vom angesparten Vermögen fest, den die<br />

Pensionskasse als jährliche Rente auszahlt.<br />

Eine Senkung des Umwandlungssatzes<br />

kommt einer Rentenkürzung gleich. So<br />

kann der extreme Fall eintreten, dass sich<br />

eine Erwerbstätigkeit nach Erreichen des<br />

AHV-Alters finanziell schlicht nicht mehr<br />

lohnt.<br />

Es gilt also abzuschätzen, wie die Lage<br />

der Vorsorgeeinrichtung ist und ob weitere<br />

Senkungen des Umwandlungssatzes bereits<br />

absehbar sind. Ausserdem gilt es zu<br />

klären, ob freiwillige Einzahlungen in die<br />

Pensionskasse nach dem Erreichen des<br />

AHV-Alters möglich sind.<br />

Varianten anfordern<br />

«Man muss auch berücksichtigen, dass der<br />

Umwandlungssatz durch die zusätzlichen<br />

Jahre leicht erhöht wird», sagt ein Pensionskassen-Spezialist.<br />

Man solle seine<br />

Vorsorgeeinrichtung fragen, ob sie einem<br />

die verschiedenen Szenarien durchrechne,<br />

«seriöse Pensionskassen werden dies machen».<br />

Der Versicherte könne nicht abschätzen,<br />

ob eine Vorsorgeeinrichtung in<br />

einigen Jahren den Satz anpasse. «Das ist<br />

<strong>auf</strong> einige Monate möglich, wenn die<br />

Kasse dies bereits angekündigt hat», fügt<br />

er an.<br />

In die steuerlich begünstigte Vorsorge<br />

der Säule 3a können Männer bis zum Alter<br />

von 70 und Frauen bis zum Alter von<br />

69 Jahren einzahlen, wenn sie nach Erreichen<br />

des Pensionsalters weiterarbeiten.<br />

Wer nach der Pensionierung beim bisherigen<br />

Arbeitgeber als Berater tätig bleibt,<br />

hat die Möglichkeit, den Betrag für selbständig<br />

Erwerbende einzuzahlen. Das sind<br />

20% des Nettoeinkommens oder nach<br />

heutigem Stand ein Maximalbetrag von<br />

34 128 Franken.<br />

Ein weiterer Vorteil des längeren bezahlten<br />

Arbeitens ist, dass man dann ein<br />

grösseres Zeitfenster hat, um die Gelder<br />

aus den verschiedenen Töpfen – also beispielsweise<br />

Pensionskasse, Säule 3a oder<br />

Freizügigkeitsgelder – gestaffelt zu beziehen.<br />

Allerdings weisen Experten dar<strong>auf</strong><br />

hin, dass die Steuerämter in den vergangenen<br />

Jahren die Praxis verschärft haben.<br />

www.nzz.ch/ld.1552701


18<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Das optimale Rentner-<br />

Portfolio umfasst viele Aktien<br />

Für das Anlegen im Ruhestand gibt es zwei Faustregeln –<br />

nur eine davon ist jedoch sinnvoll<br />

PATRICK HERGER<br />

Wer sich mit Pensionierung und Anlagestrategien<br />

beschäftigt, stösst schnell <strong>auf</strong><br />

verschiedene Faustregeln. Im deutschsprachigen<br />

Raum etwa gibt es die bekannte<br />

Regel, dass die Aktienquote so hoch sein<br />

soll wie die Zahl 100 minus das Alter des<br />

Investors. Ein 65-Jähriger sollte also nur<br />

35% des Portfolios in Aktien halten und<br />

die Quote regelmässig reduzieren.<br />

Im englischsprachigen Raum verbreitet<br />

ist die 4%-Regel. Diese zeigt <strong>auf</strong>, wie<br />

viel Geld man im Ruhestand jedes Jahr<br />

vom Startwert eines Portfolios aus Aktien<br />

und Anleihen abheben kann. Wenn<br />

ein Anleger beispielsweise bei der Pensionierung<br />

100 000 Franken hat, besagt<br />

die 4%-Regel, dass er im ersten Jahr der<br />

Pensionierung etwa 4% dieses Betrags,<br />

also 4000 Franken, abheben kann.<br />

Im zweiten Jahr korrigiert der Anleger<br />

den Betrag um die Inflation. Beträgt<br />

sie beispielsweise 2%, kann er 4080 Franken<br />

abheben. Daraus soll eine Wahrscheinlichkeit<br />

von 95% resultieren, dass<br />

das Geld mindestens 30 Jahre hält, vorausgesetzt,<br />

die Portfolio-Allokation besteht<br />

zu 50% aus Aktien und zu 50% aus<br />

Anleihen. Die Frage ist natürlich, wie gut<br />

diese Regeln tatsächlich sind.<br />

4%-Regel als Richtschnur?<br />

Die 4%-Regel wurde vor 26 Jahren vom<br />

amerikanischen Finanzplaner William<br />

Bengen vorgestellt. Im Jahr 1998 untersuchten<br />

drei Professoren der Trinity-<br />

Universität in Texas in einem als «Trinity-<br />

Studie» bekannt gewordenen Forschungspapier,<br />

wie gut die Regel funktioniert.<br />

Dafür schauten sie sich <strong>auf</strong> den US-<br />

Finanzmärkten alle möglichen 20-, 25- und<br />

30-Jahre-Zeiträume zwischen 1926 und<br />

1995 sowie verschiedene Aufteilungen von<br />

Obligationen und Aktien an. Eine<br />

bestimmte Kombination wurde als Erfolg<br />

gewertet, wenn trotz regelmässigen Auszahlungen<br />

das Vermögen nicht vorzeitig<br />

<strong>auf</strong>gebraucht wurde.<br />

Die Studie gelangte zur Erkenntnis,<br />

dass ein 50/50-Portfolio (50% Aktien,<br />

50% Obligationen) eine sichere Entnahme<br />

von inflationsadjustierten 4% des<br />

Vermögenswertes erlaubt, zumindest<br />

über 25 Jahre. So hätte ein Rentner in<br />

keinem der möglichen 25-Jahre-Zeiträume<br />

der untersuchten Periode sein<br />

Vermögen vorzeitig <strong>auf</strong>gebraucht. Bei<br />

der Betrachtung eines Zeithorizontes<br />

von 30 Jahren war eine Entnahme von<br />

4% allerdings manchmal zu gross. Wer<br />

<strong>einen</strong> ungünstigen Zeitpunkt erwischte,<br />

brauchte sein Vermögen vorzeitig <strong>auf</strong>,<br />

und zwar in 5% der möglichen Zeitperioden.<br />

Im Prinzip bestätigte die Trinity-Studie<br />

also die 4%-Regel. Die Autoren publizierten<br />

ausserdem im Jahr 2011 eine<br />

aktualisierte Version ihres Forschungspapiers<br />

(sie berücksichtigten nun die<br />

Daten bis 2009), welche fast dieselben<br />

Resultate lieferte wie die ursprüngliche<br />

Studie. Dies legt zukünftigen Ruheständlern<br />

zwei Dinge nahe: Erstens, dass sie<br />

mit Vorteil ein so grosses Ruhestandsvermögen<br />

<strong>auf</strong>bauen, dass ihnen 4% jährlich<br />

zum Leben reichen. Und zweitens,<br />

dass sie dieses Vermögen zu 50% in Aktien<br />

und zu 50% in Obligationen anlegen<br />

sollten.<br />

«Das ist keine gute Idee», sagt jedoch<br />

der Universitätsprofessor und Experte<br />

für Ruhestandseinkommen Wade Pfau.<br />

Zusammen mit zwei Kollegen veröffentlichte<br />

Pfau im Jahr 2013 ein Forschungspapier,<br />

in dem er zum Schluss kommt,<br />

dass die 4%-Regel keineswegs so gute<br />

Resultate liefere, wie es die Trinity-Studie<br />

nahelege. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass das Vermögen vorzeitig <strong>auf</strong>gebraucht<br />

werde, liege weit höher.<br />

Dafür seien insbesondere drei Faktoren<br />

massgeblich: Die Trinity-Studie berücksichtige<br />

keinerlei Kosten und<br />

Gebühren. Ausserdem habe sich die<br />

4%-Regel in den meisten anderen Industrieländern<br />

nicht annähernd so gut bewährt<br />

wie in den USA. Und die Zinsen<br />

seien heute viel tiefer als früher, Obligationen<br />

könnten daher nicht mehr genug<br />

Ertrag beisteuern.<br />

Ist damit die 4%-Regel als Richtschnur<br />

aus dem Rennen? Die kurze Antwort:<br />

Nein. Die lange Antwort hat mit<br />

Javier Estrada zu tun, Universitätsprofessor<br />

an der Elite-Universität IESE und<br />

Experte für Entnahmestrategien. In seinem<br />

Forschungspapier «Toward Determining<br />

the Optimal Investment Strategy<br />

for Retirement» von 2018 widmet<br />

auch er sich der 4%-Regel.<br />

Estrada stützt sich <strong>auf</strong> Daten, die den<br />

Zeitraum zwischen 1900 und 2014 abdecken,<br />

nicht nur für die USA, sondern<br />

für 21 Länder. Ausserdem verwendet<br />

Estrada <strong>einen</strong> eigens entwickelten Massstab,<br />

um die Qualität einer Strategie zu<br />

messen.<br />

Die normalerweise in Studien verwendete<br />

Metrik ist die Ausfallrate. Diese<br />

misst, wie häufig eine Strategie <strong>einen</strong><br />

Auszahlungsplan über die betrachtete<br />

Periode nicht <strong>auf</strong>rechterhalten konnte.<br />

Wer dieses Mass heranzieht, nimmt allerdings<br />

zwei Mängel in K<strong>auf</strong>. Erstens wird<br />

ein Aufbrauch des Vermögens, welcher<br />

zu Beginn des Ruhestands <strong>auf</strong>tritt, nicht<br />

von einem Aufbrauch unterschieden, der<br />

erst gegen Ende des Ruhestands <strong>auf</strong>tritt.<br />

Und zweitens werden die Überschüsse<br />

nicht berücksichtigt, welche als Vermächtnis<br />

hinterlassen werden könnten.<br />

Estrada korrigiert diese Mängel,<br />

indem er beide Faktoren in seiner eigenen<br />

Metrik, der Coverage Ratio, berücksichtigt.<br />

Die Frage, die der Forscher<br />

beantworten möchte, ist folgende: Angenommen,<br />

ein Investor möchte seinem<br />

Portfolio 30 Jahre lang den Betrag von<br />

inflationsadjustierten 4% entnehmen.<br />

Welches ist die optimale Allokation zwischen<br />

Aktien und Obligationen?<br />

Die Antwort fällt für unterschiedliche<br />

Märkte (Länder) unterschiedlich aus. In<br />

den meisten Ländern ist es laut Studie<br />

für <strong>einen</strong> so langen Anlagehorizont optimal,<br />

100% seines Portfolios in Aktien zu<br />

halten, so etwa in Deutschland. In der<br />

Schweiz liegt der Anteil tiefer, bei 70%


19<br />

Wer im Alter richtig anlegt, kann jährlich <strong>einen</strong> Teil seines Vermögens abheben, ohne dieses <strong>auf</strong>zubrauchen. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

Aktien. Auch das ist weit höher, als es<br />

die Regel «100 minus Alter» empfiehlt.<br />

Eine zweite Frage, welche Estrada beantwortet<br />

(in einem anderen Forschungspapier),<br />

dreht sich darum, was ein Investor<br />

tun soll, wenn sich Probleme bei der<br />

Entnahmestrategie zeigen. Ruheständler<br />

sind beispielsweise mit dem «sequence<br />

of returns»-Risiko konfrontiert. Das bedeutet,<br />

dass ein Vermögensrückgang,<br />

etwa durch <strong>einen</strong> Kurssturz bei Aktien,<br />

am Anfang der Entnahmeperiode schwerer<br />

wiegt als an deren Ende.<br />

Wenn die Renditen eines Portfolios<br />

von den im Plan erwarteten Renditen<br />

abweichen, was sollte ein Investor tun?<br />

Sollte er sich an s<strong>einen</strong> Plan halten? Und<br />

wenn er s<strong>einen</strong> Plan anpassen muss, ist es<br />

vorteilhafter, die Aufteilung zwischen<br />

Aktien und Obligationen zu ändern oder<br />

die Summe, die dem Portfolio entnommen<br />

wird? Estradas Arbeit zeigt, dass Investoren<br />

unbedingt handeln sollten,<br />

wenn sich zwischen Realität und Plan<br />

grössere Abweichungen ergeben. Dabei<br />

ist die vorteilhafteste Strategie, die Entnahmesumme<br />

zu verringern, bis Plan<br />

und Realität wieder übereinstimmen.<br />

Rat bei Experten einholen<br />

Investoren können aus diesen Ausführungen<br />

drei Schlüsse ziehen: Erstens weist das<br />

optimale Portfolio für den Ruhestand normalerweise<br />

<strong>einen</strong> deutlich grösseren Aktienanteil<br />

aus, als es viele Investoren vermuten<br />

(insbesondere, wenn der angepeilte<br />

Zeithorizont 30 Jahre beträgt). Zweitens<br />

ist die Faustregel «Aktienanteil gleich 100<br />

minus Alter» kein guter Rat, die 4%-<br />

Regel dagegen im Allgem<strong>einen</strong> schon. Besonders<br />

risikoaverse Investoren können<br />

daraus ausserdem leicht die 3%-Regel<br />

machen. Und wenn sich, drittens, reale und<br />

geplante Renditen stark unterscheiden,<br />

müssen Anleger unbedingt reagieren, und<br />

zwar, indem sie die Entnahmesumme<br />

reduzieren, bis der ursprüngliche Plan wieder<br />

mit der Realität übereinstimmt.<br />

Aber noch etwas sollten Anleger unbedingt<br />

bedenken. Es gibt kaum Investmententscheidungen,<br />

die so wichtig sind<br />

wie diejenigen, welche die Pensionierung<br />

und den Ruhestand betreffen. Diese Entscheidungen<br />

haben Einfluss dar<strong>auf</strong>, ob<br />

man den letzten Abschnitt der eigenen<br />

Lebenszeit in einer zufriedenstellenden<br />

finanziellen Position verbringen kann<br />

oder nicht. Deshalb dürfen eigentlich<br />

keine Fehler passieren. Es ist deshalb gut<br />

investiertes Geld, wenn Anleger sich für<br />

die Ruhestandsplanung den Rat eines<br />

sachkundigen Experten holen.<br />

www.nzz.ch/ld.1551814


20<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Den Lebensabend in Bali oder<br />

Berlin verbringen<br />

Wer im Ruhestand auswandern will, sollte sich gut vorbereiten – Deutschland ist<br />

das neue Sehnsuchtsziel der hiesigen Pensionäre<br />

Zwar hat der Franken im Ausland <strong>einen</strong> hohen Wert, doch man darf trotzdem nicht unvorsichtig kalkulieren. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

WERNER GRUNDLEHNER<br />

Meer und Strand, ein spannendes Grossstadtleben,<br />

ein günstiger Lebensunterhalt<br />

oder eine entspannte Lebenshaltung verleiten<br />

viele Schweizer dazu, nach der Pensionierung<br />

auszuwandern. Damit der<br />

dritte Lebensabschnitt in einem anderen<br />

Land so verläuft wie erträumt, braucht es<br />

eine umfangreiche Vorbereitung. Das<br />

Land, in dem man künftig leben möchte,<br />

sollten Auswanderer mehrmals besuchen.<br />

Denn ein Langzeit<strong>auf</strong>enthalt ist etwas<br />

komplett anderes, als dort Ferien zu verbringen.<br />

Wertvolle Informationen erhält<br />

man, wenn man sich vor Ort mit anderen<br />

Auswanderern austauscht. Die Ausreisewilligen<br />

sollten ein Budget für die Lebenshaltungskosten<br />

im Zielland erstellen.<br />

Viele verrechnen sich<br />

Die hohe K<strong>auf</strong>kraft des Frankens und die<br />

tiefen Lebenshaltungskosten sind ein


21<br />

wichtiges Argument fürs Auswandern.<br />

Schweizer verrechnen sich jedoch beim<br />

Umzug in Länder mit schwachen Währungen<br />

oft – denn der eigene Warenkorb wird<br />

anspruchsvoller zu bestücken sein als jener<br />

der Einheimischen. «Nach wie vor berate<br />

ich Kunden, die nach Thailand oder<br />

Südafrika auswandern wollen, doch jüngst<br />

stand vor allem Deutschland im Fokus»,<br />

sagt Rainer Lentes von Academix Consult.<br />

Das Unternehmen bietet Finanzplanung<br />

für Akademiker und speziell für<br />

Ärzte an.<br />

Die Affinität zum nördlichen Nachbarland<br />

rührt daher, dass viele deutsche Mediziner<br />

in den vergangenen Jahren – vor allem<br />

zwischen 2004 und 2008 – in die<br />

Schweiz gekommen sind und sich nun Gedanken<br />

über die Rückkehr in die Heimat<br />

machen. «Aber auch zahlreiche Schweizer,<br />

vor allem aus Grenzregionen, wollen die<br />

tiefen Lebenshaltungskosten hinter der<br />

Grenze nutzen», sagt Lentes. Immer mehr<br />

Pensionäre wollten auch das «golden<br />

aging» in spannenden Grossstädten wie<br />

Berlin erleben, später aber zurückkehren.<br />

«Seit einigen Jahren steht Deutschland<br />

ganz oben bei den Destinationen – auch<br />

weil sich das Land für Bezüger von<br />

Schweizer Renten und Vorsorgekapital zu<br />

einem Steuerparadies entwickelt hat», sagt<br />

auch Martin K<strong>auf</strong>mann von Emigration<br />

now. Das Unternehmen berät seit 23 Jahren<br />

auswanderungswillige Schweizer.<br />

Rund die Hälfte der Kundschaft sind<br />

Frührentner, die mit einer Emigration<br />

liebäugeln. Renten aus der zweiten Säule,<br />

die <strong>auf</strong> dem Überobligatorium basieren,<br />

bleiben in Deutschland weitgehend unbesteuert,<br />

Kapitalbezüge können unter Umständen<br />

(bei erstmaligem Pensionskassenanschluss<br />

vor 2005) steuerfrei erfolgen.<br />

Ein Ruhestandseinkommen von 4000 bis<br />

5000 Franken, das sich für die Schweiz<br />

eher bescheiden ausnimmt, erlaubt im<br />

Nachbarland ein komfortables Leben.<br />

Die steuerlichen Rahmenbedingungen<br />

sind ein entscheidender Faktor. Gerade die<br />

Nachbarländer der Schweiz haben den<br />

steuerlichen Rahmen für Bezüge aus<br />

Schweizer Vorsorgeeinrichtungen während<br />

der vergangenen Jahre l<strong>auf</strong>end geändert.<br />

Auf Bezügen von Vorsorgevermögen<br />

wird in der Schweiz eine Quellensteuer erhoben,<br />

wenn der Bezüger im Ausland lebt.<br />

Teilweise rückforderbar<br />

Die Schweizer Quellensteuer kann in der<br />

Regel innert drei Jahren bei Wohnsitz in<br />

einem Land, das mit der Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(DBA) führt,<br />

zurückgefordert werden. Nur wenige<br />

DBA (etwa mit Grossbritannien, Australien)<br />

verunmöglichen dies, auch ist eine<br />

Rückforderung ausgeschlossen, wenn der<br />

letzte Arbeitgeber eine öffentlichrechtliche<br />

Entität war. Zur Rückerstattung muss<br />

der Antragsteller nachweisen, dass die<br />

ausländischen Steuerbehörden von der<br />

Kapitalauszahlung Kenntnis genommen<br />

haben.<br />

Ohne Abkommen verbleibt die Quellensteuer<br />

definitiv, und zuweilen kann es<br />

gar zu Doppelbesteuerung kommen. Die<br />

Höhe der in der Schweiz fälligen Quellensteuer<br />

unterscheidet sich von Kanton zu<br />

Kanton. Ausschlaggebend für den Steuersatz<br />

ist dabei der Sitz der Vorsorgeeinrichtung<br />

und nicht der ehemalige Wohnsitz des<br />

Bezügers. «Ein Verschieben von Vorsorgegeldern<br />

in den Kanton Schwyz zur Steuerreduktion<br />

ist also nur sinnvoll, wenn man<br />

in ein Land auswandert, das kein DBA mit<br />

der Schweiz unterhält oder die Bezüge<br />

nicht besteuert», sagt K<strong>auf</strong>mann. Wichtig<br />

ist daher die Kenntnis darüber, wie das<br />

Zielland Kapitalauszahlungen steuerlich<br />

behandelt. Der Transfer der PK-Gelder<br />

nach Schwyz – für kleinere Vermögen ist<br />

Genf der günstigste Standort – lasse sich<br />

für unter 58-Jährige durch die Einzahlung<br />

in eine Freizügigkeitsstiftung realisieren,<br />

für Ältere mit einem neuen Arbeitsvertrag.<br />

Das Geld bleibt in der Schweiz<br />

Die AHV-Rente kann sich ein Auswanderer<br />

in jedes Land überweisen lassen, allerdings<br />

in der Währung des neuen Wohnsitzlandes.<br />

Eine Variante ist, dass man das<br />

Konto in der Schweiz behält und sich die<br />

Rente dar<strong>auf</strong> in Franken auszahlen lässt.<br />

Bei einigen PK ist eine Überweisung nur<br />

<strong>auf</strong> ein Konto in der Schweiz möglich.<br />

«Die Sicherheit des hiesigen Finanzplatzes<br />

spricht dafür, das Vermögen in der Schweiz<br />

zu belassen», sagt K<strong>auf</strong>mann. Er empfiehlt<br />

eine breite Diversifikation und rät, <strong>einen</strong><br />

beachtlichen Teil des Geldes in der Währung<br />

der neuen Heimat anzulegen.<br />

Für den Entscheid Kapitalbezug oder<br />

Rente müssen gemäss Lentes neben den<br />

Schweiz-spezifischen Faktoren auch jene<br />

des neuen Wohnsitzes berücksichtigt werden.<br />

In Deutschland spricht gegen <strong>einen</strong><br />

Kapitalbezug, dass Kursgewinne nicht<br />

steuerfrei sind und Dividenden höher besteuert<br />

werden. Renten aus dem PK-Überobligatorium<br />

werden in Deutschland zum<br />

sogenannten Ertragssatz besteuert. Dieser<br />

ist altersabhängig (je älter, je tiefer) und<br />

beträgt zum Beispiel 18%. Das heisst, 18%<br />

fallen in die steuerliche Bemessungsgrundlage<br />

(Schweiz: 100%), 82% bleiben steuerfrei.<br />

Die effektive Steuerbelastung ist aber<br />

von der Höhe der Rente und aller übrigen<br />

steuerbaren Einkommen abhängig.<br />

Falls man sich die Option der Rückkehr<br />

als Betagte offenhalten will, kann es sinnvoll<br />

sein, sich provisorisch in einem Altersund<br />

Pflegeheim in der Schweiz anzumelden.<br />

«Die Abklärung, wie Kranken- und<br />

Pflegeversicherung geregelt werden,<br />

nimmt nach meiner Erfahrung am meisten<br />

Zeit in Anspruch», sagt Lentes. Dabei gehe<br />

es zum Beispiel auch um die Frage, ob eine<br />

im Ausland versicherte Frau noch zu ihrer<br />

bevorzugten Gynäkologin in die Schweiz<br />

könne.<br />

Rentner, die in ein EU-Land auswandern<br />

und ihre Rente ausschliesslich aus der<br />

Schweiz erhalten, müssen sich in der Regel<br />

bei einer Schweizer Krankenkasse versichern.<br />

Für einige Länder, zum Beispiel<br />

Deutschland, Frankreich oder Spanien, haben<br />

die Auswanderer die Wahl, ob sie sich<br />

dort oder in der Schweiz versichern lassen.<br />

Erhalten Auswanderer neben Schweizer<br />

Renten dagegen auch eine Rente im neuen<br />

Land, müssen sie dort eine Krankenversicherung<br />

abschliessen.<br />

Knackpunkt Krankenkasse<br />

«Für eine eventuelle Rückkehr in die<br />

Schweiz ist die Krankenkasse ein wichtiger<br />

Aspekt», sagt K<strong>auf</strong>mann. In private oder<br />

halbprivate Lösungen werde man schon ab<br />

mittlerem Alter wahrscheinlich nicht mehr<br />

<strong>auf</strong>genommen. Hier könne eine Sistierung<br />

oder ein internationales Produkt die Lösung<br />

sein. Diese seien aber «teuer bis sehr<br />

teuer».<br />

Ein schwieriger Faktor ist die Erbschaftsplanung.<br />

Ausländische Erbschaftssteuern<br />

können die finanzielle Optimierung<br />

einer Auswanderung schnell zunichtemachen.<br />

«Das ist meistens eine grosse<br />

Crux, kein Land kennt eine so grosszügige<br />

Vererbung ohne Besteuerung im ersten<br />

Verwandtschaftsgrad wie die Schweiz»,<br />

sagt Lentes. Darum sei es oft angezeigt,<br />

bereits vor dem Wegzug Erbvorbezüge,<br />

Schenkungen und die Übertragung von<br />

Wohneigentum vorzunehmen. Das Testament<br />

kann nach Schweizer Recht <strong>auf</strong>gesetzt<br />

werden, die Besteuerung erfolgt jedoch<br />

nach den Gesetzen des Wohnlandes.<br />

In bestimmten Fällen könne es selbst drei<br />

Jahre nach einer Rückkehr aus Deutschland<br />

noch sein, dass Erbschaftssteuern in<br />

Deutschland fällig würden.<br />

www.nzz.ch/ld.1554461


22<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Pensionierte müssen das<br />

Eigenheim zu oft <strong>auf</strong>geben<br />

Im Alter ist die Tragbarkeit der Hypothek eine hohe Hürde – wer weiss, wie die<br />

Anbieter ticken, hat bessere Chancen, sie zu überspringen<br />

MICHAEL SCHÄFER<br />

Das Coronavirus macht sich je länger, je<br />

mehr auch am Schweizer Markt für Eigenheime<br />

bemerkbar. Noch wenig spürt man<br />

das bei den Preisen, die in der Regel mit<br />

einer gewissen zeitlichen Verzögerung publik<br />

werden. So schreibt die UBS in einer<br />

vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie:<br />

«Der Corona-Effekt dürfte erst im l<strong>auf</strong>enden<br />

Quartal sichtbar werden.» In den ersten<br />

drei Monaten des Jahres haben sich<br />

Eigenheime schweizweit laut der Grossbank<br />

um durchschnittlich 1% verteuert.<br />

Dabei handle es sich um den stärksten Anstieg<br />

seit 2014, heisst es dort weiter.<br />

Notgroschen reicht nicht weit<br />

Keine Prognose wagt die UBS bezüglich<br />

der Entwicklung der Preise in der nahen<br />

Zukunft. Sowohl Verkäufer als auch Käufer<br />

agierten angesichts der Pandemie vorsichtiger,<br />

was die Preisfindung erschwere.<br />

Der Einfluss <strong>auf</strong> die Preisentwicklung sei<br />

deshalb nicht eindeutig. Zu erwarten sei<br />

dagegen ein Rückgang der Transaktionen.<br />

Dass es zu einem solchen kommen wird,<br />

liegt aber nicht nur an den gegenwärtigen<br />

Einschränkungen, die <strong>einen</strong> Immobilienk<strong>auf</strong><br />

verkomplizieren.<br />

Eine Umfrage des Hypothekenvermittlers<br />

Moneypark hat jüngst ergeben, dass<br />

viele Schweizer und Schweizerinnen ihren<br />

Wunsch nach Wohneigentum derzeit zurückstellen.<br />

Nur noch 57% der befragten<br />

Mieter gaben dabei an, am K<strong>auf</strong> eines<br />

Eigenheims interessiert zu sein. Kurz vor<br />

dem Ausbruch der Coronavirus-Krise<br />

hatte der Anteil noch bei 70% gelegen.<br />

Ein wesentlicher Grund für den Sinneswandel<br />

dürfte in der Sorge hinsichtlich<br />

finanzieller Einbussen liegen, die etwa<br />

durch Kurzarbeit über <strong>einen</strong> längeren<br />

Zeitraum oder gar den Verlust der Arbeitsstelle<br />

drohen. Dabei ist es hierzulande<br />

schon seit Jahren deutlich günstiger, in den<br />

eigenen vier Wänden zu wohnen, als ein<br />

vergleichbares Objekt zu mieten. Dennoch<br />

ist die Reaktion verständlich, denn der monatlichen<br />

Ersparnis steht der Umstand<br />

entgegen, dass Käufer von Wohneigentum<br />

in der Regel den grössten Teil ihres Ersparten<br />

als Eigenkapital einsetzen müssen. Der<br />

Notgroschen reicht dann nicht mehr weit.<br />

Verzichten zahlreiche Haushalte dieser<br />

Tage freiwillig <strong>auf</strong> den Erwerb eines<br />

Eigenheims, müssen immer wieder andere<br />

das ihrige nach vielen Jahren unfreiwillig<br />

<strong>auf</strong>geben. Betroffen sind vor allem ältere<br />

Immobilienbesitzer, die in Rente gehen.<br />

Die Anbieter achten nämlich nicht nur bei<br />

der Vergabe einer Hypothek dar<strong>auf</strong>, dass<br />

gewisse Bedingungen erfüllt sind, sondern<br />

auch später, etwa wenn eine Verlängerung<br />

ansteht.<br />

Eine grosse Hürde stellt im Pensionsalter<br />

vor allem die Tragbarkeitsregel dar.<br />

Sie fordert, dass die Belastung durch eine<br />

Immobilie maximal <strong>einen</strong> Drittel des<br />

Haushaltseinkommens ausmacht. In die<br />

Rechnung fliessen neben den Hypothekarzinsen<br />

auch Amortisationszahlungen und<br />

Aufwendungen für den Unterhalt des Objekts<br />

ein.<br />

Unabhängig vom tatsächlichen Zinsniveau<br />

veranschlagen die Hypothekargeber<br />

hier in der Regel Zinsen von 4,5 bis<br />

5,5%. Zwar ist man von solchen Sätzen<br />

derzeit meilenweit entfernt, denn sogar<br />

zehnjährige Hypotheken erhält man vielerorts<br />

für weniger als 1%. Kreditnehmer<br />

sollen die Hypothek aber auch dann tragen<br />

können, wenn die Zinsen deutlich steigen,<br />

so die Überlegung hinter der Regel.<br />

Und diese Vorschrift gilt selbst dann, wenn<br />

es sich um eine Festhypothek mit einer<br />

längeren L<strong>auf</strong>zeit handelt und steigende<br />

Zinsen noch für etliche Jahre keine Folgen<br />

für den Kreditnehmer haben.<br />

Nicht relevant sind für Kunden im dritten<br />

Lebensabschnitt dagegen Amortisationszahlungen,<br />

da die Hypothek bis zur<br />

Pensionierung <strong>auf</strong> zwei Drittel des Immobilienwerts<br />

zurückgeführt sein muss. Was<br />

den Unterhalt angeht, setzen die Kreditgeber<br />

dafür in der Regel 1% des Immobilienwerts<br />

pro Jahr an. Was heisst das nun konkret?<br />

Wer beispielsweise vor der Pensionierung<br />

ein Einfamilienhaus mit einem<br />

Wert von 1 Million Franken k<strong>auf</strong>t, kann<br />

dafür üblicherweise eine Hypothek bis zu<br />

800 000 Franken <strong>auf</strong>nehmen. Um kalkulatorische<br />

Zinsen von 4,5%, die nötige<br />

Amortisation und die Unterhaltskosten<br />

tragen zu können, die sich <strong>auf</strong> 56 000 Franken<br />

jährlich summieren, muss ein Haushalt<br />

über ein Einkommen von 168 000 Franken<br />

verfügen.<br />

Eingesparte Zinsen anlegen<br />

Wurde die Hypothek bis zur Pensionierung<br />

<strong>auf</strong> 650 000 Franken reduziert und ist<br />

die Liegenschaft immer noch 1 Million<br />

Franken wert, bel<strong>auf</strong>en sich die kalkulatorischen<br />

Kosten bei einem angenommenen<br />

Zins von unverändert 4,5% <strong>auf</strong> insgesamt<br />

39 250 Franken Dies bedeutet, dass der<br />

Haushalt in der Rente <strong>auf</strong> ein Einkommen<br />

von 117 750 Franken kommen muss.<br />

Eigenheimbesitzer, bei denen es hinsichtlich<br />

der Tragbarkeitsregel knapp<br />

werde, hätten grundsätzlich zwei Alternativen,<br />

sagt Florian Schubiger von hypotheke.ch.<br />

Die erste Möglichkeit besteht<br />

darin, die Hypothek bis zur Pensionierung<br />

<strong>auf</strong> die Summe zu amortisieren, die mit<br />

dem zu erwartenden Renteneinkommen<br />

tragbar sein wird. Im obigen Beispiel reduziert<br />

sich das erforderliche Einkommen<br />

<strong>auf</strong> 97 500 Franken, wenn die Hypothek<br />

nur noch 500 000 Franken beträgt.<br />

Bei einer <strong>auf</strong> 350 000 Franken amortisierten<br />

Hypothek würde das nötige Einkommen<br />

nur noch bei 77 250 Franken liegen.<br />

Allerdings kann es auch nachteilig<br />

sein, wenn man die Hypothek zu stark zurückführt.<br />

Manche Banken sind, gelinde<br />

gesagt, bei älteren Kunden sehr zurückhaltend,<br />

wenn es um die Vergabe von Hypotheken<br />

oder deren Aufstockung geht. Verfügt<br />

man dann über zu wenig Liquidität,<br />

kann eine notwendige Sanierung oder eine<br />

andere grössere Ausgabe scheitern.<br />

Die zweite Möglichkeit besteht darin,<br />

die Hypothek nur <strong>auf</strong> den geforderten Belehnungswert<br />

von zwei Dritteln zu amortisieren.<br />

Statt sie weiter zu reduzieren, legt<br />

man die Summen zur Seite, die man spart,


23<br />

Wer das Pensionsalter im eigenen Haus verbringen möchte, sollte rechtzeitig vorsorgen. <br />

ILLUSTRATION ALEXANDER GLANDIEN<br />

weil der tatsächliche Hypothekarzins<br />

unter dem kalkulatorischen liegt. Fordert<br />

der Hypothekargeber zum Zeitpunkt der<br />

Pensionierung eine Reduktion der Kreditsumme,<br />

kann man die aus den angesparten<br />

liquiden Mitteln bewerkstelligen.<br />

Beide Wege sind mit Vor- und Nachteilen<br />

verbunden, die es im Einzelfall abzuwägen<br />

gilt. Wer seine Hypothek amortisiert,<br />

senkt nicht nur die tatsächlichen<br />

Zinskosten sowie das erforderliche Einkommen<br />

im Rahmen der Tragbarkeitsregel.<br />

«So mancher Kreditgeber honoriert<br />

das für ihn verkleinerte Kreditrisiko, indem<br />

er vom Kunden <strong>einen</strong> niedrigeren<br />

Zins fordert», sagt Schubiger. Allerdings<br />

gewährten etliche Anbieter diesen Bonus<br />

erst, wenn man sie dar<strong>auf</strong> anspreche. Dafür<br />

kann man die nicht mehr anfallenden<br />

Hypothekarzinsen auch nicht mehr<br />

steuerlich abziehen.<br />

Unterschiedliche Ansätze<br />

Legt man das angesparte Kapital nicht nur<br />

zur Seite, sondern auch in Wertpapieren<br />

an, kann es mit der Zeit eine Rendite erwirtschaften,<br />

durch die der Liquiditätsspielraum<br />

nochmals vergrössert wird. Oft<br />

sei es dann gar nicht nötig, das Vermögen<br />

zu verwenden, um die Hypothek <strong>auf</strong> die<br />

Pensionierung hin zu reduzieren, erklärt<br />

Schubiger. Die meisten Kreditgeber errechneten<br />

aus dem liquiden Vermögen<br />

eine fiktive Rente.<br />

Auch hier gebe es massgebliche Unterschiede<br />

in der Herangehensweise der Anbieter.<br />

Einige von ihnen zögen <strong>einen</strong> gewissen<br />

Sockelbetrag vom Vermögen ab,<br />

der nicht berücksichtigt werde, sagt Schubiger.<br />

Dieser variiere zwischen 20 000<br />

Franken und 350 000 Franken Schliesslich<br />

variierten die Umwandlungssätze teilweise<br />

erheblich, anhand deren aus dem verbleibenden<br />

Betrag die fiktive Rente berechnet<br />

werde. Bei einem Vermögen von<br />

400 000 Franken ergibt ein Umwandlungssatz<br />

von 5% eine Rente von 20 000<br />

Franken, ein solcher von 3% nur eine von<br />

12 000 Franken.<br />

Um die bestmögliche Lösung anpeilen<br />

zu können, sei es ratsam, frühzeitig <strong>auf</strong> den<br />

Hypothekargeber zuzugehen und die Alternativen<br />

auszuloten. Zwar suchen auch<br />

die Anbieter das Gespräch mit den Kunden.<br />

Manche tun das aber erst, wenn diese<br />

55 Jahre alt sind. Will man mit 60 Jahren in<br />

Pension gehen, bleibt nur noch wenig Zeit,<br />

um <strong>auf</strong> das Ziel hinzuarbeiten.<br />

www.nzz.ch/ld.1556054


24<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Was bei einer Spätpensionierung<br />

zu beachten ist<br />

Weiterarbeiten über das Pensionierungsalter hinaus<br />

kann steuerliche Tücken haben<br />

Nicht in jedem Fall lohnt es sich finanziell, seine goldenen Jahre hinter dem Bürotisch zu verbringen. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

MICHAEL FERBER<br />

Die meisten Arbeitnehmer freuen sich dar<strong>auf</strong>,<br />

in Rente zu gehen. Es gibt aber auch solche,<br />

die sich bei der Pensionierung noch<br />

nicht reif für den Ruhestand fühlen und zumindest<br />

in Teilzeit weiterarbeiten möchten.<br />

Andere wollen weiterarbeiten, um ihren Lebensstandard<br />

<strong>auf</strong>rechtzuerhalten. Das Bundesamt<br />

für Sozialversicherungen (BSV)<br />

schätzte in einer Analyse im Jahr 2014, dass<br />

rund ein Drittel der Erwerbstätigen nach<br />

dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters<br />

weiterarbeitet – davon drei Viertel als<br />

Selbständigerwerbende und viele in Teilzeit<br />

oder in spezifischen Funktionen. Das ordentliche<br />

Rentenalter liegt bei 64 Jahren für<br />

Frauen und 65 Jahren für Männer.<br />

Welche Folgen hat die Krise?<br />

Wie eine Studie des Finanzdienstleisters<br />

VZ Vermögenszentrum aus dem vergangenen<br />

Jahr zeigt, sind <strong>auf</strong>grund des drohenden<br />

Fachkräftemangels viele Firmen<br />

bestrebt, Mitarbeiter länger im Arbeitsprozess<br />

zu halten. Ob die Corona-Krise<br />

hier<strong>auf</strong> Auswirkungen haben werde, lasse


25<br />

sich derzeit noch nicht sagen, erklärt Karl<br />

Flubacher vom VZ Vermögenszentrum.<br />

Die Spitzen einiger Unternehmen dürften<br />

aber sicherlich über Frühpensionierungen<br />

von Mitarbeitenden nachdenken, um Kosten<br />

zu sparen. Gemäss einer neuen Studie<br />

der Hochschule ZHAW hält etwa ein<br />

Fünftel der befragten KMU <strong>auf</strong>grund der<br />

Corona-Situation Entlassungen in den<br />

kommenden 12 Monaten für wahrscheinlich,<br />

jedes siebte KMU sogar für sehr<br />

wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund<br />

stelle sich für viele Arbeitnehmende die<br />

Frage, ob sie überhaupt länger arbeiten<br />

könnten.<br />

«Der Fachkräftemangel wird davon abhängen,<br />

wie sich die Wirtschaft weiterentwickelt»,<br />

sagt Andreas Habegger, Leiter<br />

Finanzplanung und Vorsorge bei der Zürcher<br />

Kantonalbank (ZKB). In seiner Beratungspraxis<br />

beobachte er, dass es vermehrt<br />

Personen gebe, die länger im<br />

Arbeitsprozess bleiben wollten – verstärkt<br />

auch kombiniert mit der Möglichkeit einer<br />

Teilpensionierung. So reduzierten beispielsweise<br />

manche Arbeitnehmer mit 63<br />

Jahren ihr Pensum, arbeiteten dafür aber<br />

über das ordentliche Rentenalter hinaus.<br />

Die VZ-Umfrage bei grossen Arbeitgebern<br />

in der Schweiz im vergangenen Jahr<br />

hat ergeben, dass Angestellte in den meisten<br />

der befragten Unternehmen über das<br />

ordentliche Rentenalter hinaus arbeiten<br />

konnten. 61% der Arbeitgeber gaben an,<br />

es bestehe ein Interesse, Angestellte länger<br />

im Arbeitsprozess zu halten. Einige haben<br />

dazu spezielle Mitarbeiterprogramme eingeführt,<br />

unter anderem die SBB, Swiss Life<br />

oder Novartis.<br />

Damit sich das Weiterarbeiten nach der<br />

Pensionierung für Arbeitnehmer aber<br />

überhaupt lohnt, sind gewisse Dinge zu beachten.<br />

Aufschub der AHV prüfen<br />

Beim Erreichen des gesetzlichen Rentenalters<br />

stellt sich Erwerbstätigen, die weiterarbeiten<br />

wollen, die Frage, ob sie sich pensionieren<br />

lassen sollen oder nicht. Im ersteren<br />

Fall würden sie die Renten bzw. das<br />

Kapital aus ihrer Altersvorsorge ausgezahlt<br />

erhalten, im letzteren Fall nicht.<br />

«Wenn man das AHV-Alter erreicht<br />

und die AHV-Rente eigentlich nicht<br />

braucht, sollte man sie <strong>auf</strong>schieben», sagt<br />

Flubacher. «Sonst läuft man Gefahr, unnötig<br />

Steuern zu bezahlen.» Wer nach dem<br />

Erreichen des Rentenalters weiterarbeitet<br />

und gleichzeitig eine AHV-Rente bezieht,<br />

droht in eine höhere Steuerklasse zu kommen.<br />

Eine genaue Planung des Weiterarbeitens<br />

nach der Pensionierung ist also<br />

wichtig. Der Aufschub der AHV muss mindestens<br />

ein Jahr und kann bis zu fünf Jahre<br />

betragen. Er hat den Vorteil, dass dadurch<br />

die AHV-Rente steigt. Bei einem Aufschub<br />

von einem Jahr steigt die AHV-<br />

Rente um 5,2%, bei einem solchen um fünf<br />

Jahre sogar um 31,5%. Wer sich entscheidet,<br />

die AHV-Rente <strong>auf</strong>zuschieben, muss<br />

die entsprechende AHV-Zweigstelle informieren.<br />

Die Frist hierfür beträgt maximal<br />

ein Jahr nach Erreichen des ordentlichen<br />

Rentenalters. Dabei muss man sich nicht<br />

<strong>auf</strong> eine feste Aufschubdauer festlegen,<br />

was ein grosser Vorteil ist.<br />

Wer im Rentenalter weiterarbeitet,<br />

muss auch weiter Beiträge an die AHV, die<br />

Invalidenversicherung (IV) und die Erwerbsersatzordnung<br />

(EO) bezahlen. Flubacher<br />

kennt aus seiner Beratungspraxis<br />

Architekten, Ärzte oder Rechtsanwälte,<br />

die sogar im Alter von mehr als 70 Jahren<br />

weiterarbeiten. «Die Vorsorge ist dann beendet.<br />

Solche Erwerbstätigen müssen aber<br />

AHV-Beiträge bezahlen, die für sie dann<br />

nicht mehr rentenbildend wirken», sagt er.<br />

Für sie gilt allerdings ein Freibetrag von<br />

1400 Franken monatlich bzw. 16 800 Franken<br />

im Jahr.<br />

Berufliche Vorsorge fortführen<br />

Auch bei der Pensionskasse gilt es, sich zu<br />

informieren, wenn man nach Erreichen<br />

des Rentenalters weiterarbeiten will. «Oftmals<br />

besteht die Möglichkeit, länger in der<br />

Pensionskasse zu bleiben», sagt Habegger.<br />

Bei vielen Kassen ist es möglich, die berufliche<br />

Vorsorge über das ordentliche Rentenalter<br />

hinaus fortzuführen. «Bei vielen<br />

Kassen wurden die Reglemente diesbezüglich<br />

in den letzten Jahren recht flexibel<br />

ausgestaltet.» Die grösste Hürde sei im<br />

Allgem<strong>einen</strong> nicht das Pensionskassenreglement,<br />

sondern wie sich Arbeitnehmer<br />

und Arbeitgeber in Bezug <strong>auf</strong> die Weiterbeschäftigung<br />

einigen. In einem zweiten<br />

Schritt ist dann zu prüfen, was die Pensionskasse<br />

in ihrem Reglement vorsieht,<br />

dazu sollte die Kasse kontaktiert werden.<br />

«Es gibt auch Vorsorgeeinrichtungen, bei<br />

denen man die Rente bzw. das Kapital aus<br />

der beruflichen Vorsorge beziehen muss,<br />

wenn man das reglementarisch definierte<br />

Rentenalter erreicht», sagt Habegger.<br />

Ein späterer Bezug der Pensionskassenleistungen<br />

hat den Vorteil, dass sich das<br />

Vorsorgeguthaben vergrössert, und zumeist<br />

steigt auch der Umwandlungssatz.<br />

Dies ist der Satz, mit dem das angesparte<br />

Kapital in eine jährliche Rente umgerechnet<br />

wird. Beträgt er beispielsweise 5% und<br />

das Vorsorgeguthaben 500 000 Franken, so<br />

erhält der entsprechende Versicherte eine<br />

jährliche Rente von 25 000 Franken aus<br />

der Pensionskasse. Allerdings könnten derzeit<br />

noch einige Vorsorgeeinrichtungen davorstehen,<br />

die Umwandlungssätze <strong>auf</strong>grund<br />

der ultraniedrigen Zinsen zu reduzieren.<br />

Drohen hier starke Senkungen,<br />

wird das Weiterarbeiten dementsprechend<br />

weniger attraktiv. Habegger weist dar<strong>auf</strong><br />

hin, dass Pensionskassenreglemente eine<br />

gewisse Vorl<strong>auf</strong>zeit haben: «Folglich kann<br />

man im Allgem<strong>einen</strong> recht genau ausrechnen,<br />

ob sich das Weiterarbeiten finanziell<br />

lohnt.» Eine genaue, individuelle Planung<br />

sei sehr wichtig.<br />

Laut Habegger haben Versicherte, die<br />

sich im Alter weiterbeschäftigen lassen, bei<br />

manchen Pensionskassen auch die Möglichkeit,<br />

weiter freiwillige Einkäufe vorzunehmen.<br />

Allerdings muss die entsprechende<br />

Vorsorgelücke bereits vor dem reglementarischen<br />

Rentenalter bestanden<br />

haben.<br />

Die Säule 3a kann wachsen<br />

Personen, die über das Rentenalter hinaus<br />

erwerbstätig sind, dürfen auch den Bezug<br />

der Altersleistung aus der Säule 3a um bis<br />

zu fünf Jahre hinausschieben – bis die Erwerbstätigkeit<br />

<strong>auf</strong>gegeben wird. Dies hat<br />

der Bundesrat 2007 beschlossen. Solche<br />

Personen können auch weiterhin steuerbegünstigt<br />

in die Säule 3a einzahlen. Männer<br />

können bis zum Alter von 70 Jahren,<br />

Frauen bis zum Alter von 69 Jahren die<br />

Säule 3a alimentieren, wenn sie nach dem<br />

Erreichen des Rentenalters weiterhin berufstätig<br />

sind. Bei Personen, die einer Pensionskasse<br />

angeschlossen sind, beträgt der<br />

Maximalbetrag 6826 Franken pro Jahr.<br />

Selbständige dürfen bis zu 20% ihres jährlichen<br />

Nettoeinkommens in die Säule 3a<br />

einzahlen, die Höchstsumme liegt bei<br />

34 128 Franken Dies sind beispielsweise<br />

Personen, die nach dem Erreichen des<br />

Rentenalters als Berater tätig sind. Habegger<br />

weist hier indessen dar<strong>auf</strong> hin, dass<br />

man in diesem Fall von der AHV als Selbständigerwerbender<br />

anerkannt sein muss.<br />

«Hat man nur <strong>einen</strong> Kunden, etwa den<br />

ehemaligen Arbeitgeber, dann ist die Bedingung<br />

im Allgem<strong>einen</strong> nicht erfüllt. Es<br />

braucht mehrere.»<br />

www.nzz.ch/ld.1556958


26<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Teurer Rosenkrieg<br />

im Ruhestand<br />

Scheidungen nach der Pensionierung kommen immer häufiger vor –<br />

die finanziellen Folgen dürfen nicht unterschätzt werden<br />

ANNE-BARBARA LUFT<br />

Ein zweiter Frühling nach der Pensionierung<br />

– viele Ehepaare träumen davon. Endlich<br />

hat man mehr Zeit zu zweit, für Reisen,<br />

die Hobbys oder die Enkel. Eine verstaubte<br />

Ehe kann dann wieder zu neuem Leben erwachen.<br />

Nicht selten tritt aber das Gegenteil<br />

ein: Der Partner, den man sonst nur am<br />

Abend und am Wochenende gesehen hat,<br />

ist nun jeden Tag 24 Stunden anwesend. Für<br />

einige Beziehungen ist das mehr Nähe, als<br />

man vertragen mag.<br />

Kommen dazu noch gegensätzliche Vorstellungen<br />

davon, wie der Ruhestand gestaltet<br />

werden soll, ist eine Trennung<br />

manchmal die einzig sinnvolle Lösung. Die<br />

finanziellen Folgen einer Scheidung im<br />

Pensionsalter sind hingegen weitreichend<br />

und können im schlechtesten Fall in die<br />

Armut führen.<br />

Gesellschaftliche Akzeptanz<br />

Scheidungen nach der Silberhochzeit sind<br />

keine Seltenheit mehr. Mehr als 700 Ehen,<br />

bei denen beide Partner ihren 60. Geburtstag<br />

bereits hinter sich hatten, wurden 2018<br />

geschieden. Dafür gibt es verschiedene<br />

Gründe. Einer davon ist die gesellschaftliche<br />

Akzeptanz – eine ältere Dame braucht<br />

heute k<strong>einen</strong> Ehemann an ihrer Seite, um<br />

ein gutes Ansehen zu haben. Daher schrecken<br />

weniger Frauen vor einer Scheidung<br />

zurück als noch in der Generation zuvor.<br />

Weitere Aspekte sind die längere Lebenserwartung<br />

und die höhere Lebensqualität<br />

im Alter. Für <strong>einen</strong> Neustart ist es<br />

heute auch nach der Pensionierung nicht<br />

zu spät. Scheidungswillige Senioren sollten<br />

sich aber über die materiellen Auswirkungen<br />

eines solchen Schritts im Klaren sein.<br />

Die Rente wird bei einer Scheidung wie<br />

Einkommen behandelt. Das betrifft sowohl<br />

die AHV als auch die Rente aus der<br />

zweiten Säule. Derjenige Ehepartner, der<br />

mehr verdient, muss <strong>einen</strong> Teil an den<br />

Partner mit geringerem Einkommen abgeben.<br />

Wenn ein Partner zudem noch über<br />

Vermögen verfügt, kann auch dieses während<br />

der Trennung – also vor der rechtskräftigen<br />

Scheidung – zur Zahlung von<br />

Unterhalt verwendet werden. Das könne<br />

in einigen Fällen ein grosses Problem darstellen,<br />

sagt Susanne Crameri, Fachanwältin<br />

für Familienrecht, wenn das Vermögen<br />

nämlich die eiserne Reserve sei, die beispielsweise<br />

für die hohen Kosten eines<br />

Pflegeheims oder Ähnliches zurückgelegt<br />

worden sei.<br />

Die BVG-Rente wird bei einer Scheidung<br />

nach der Pensionierung ebenfalls geteilt<br />

– allerdings nicht generell hälftig. Das<br />

Gericht berücksichtigt bei der Aufteilung<br />

unter anderem die Dauer der Ehe und den<br />

Bedarf. Wenn diese Zahlungen für das<br />

Führen zweier Haushalte nicht ausreichen,<br />

können Ergänzungsleistungen beantragt<br />

werden.<br />

Für eine zerbrochene Ehe<br />

gibt es, anders als für Tod<br />

oder Invalidität, kein Standard-<br />

Versicherungsprodukt.<br />

Immobilie als Streitobjekt<br />

In vielen Fällen ist das Eigenheim der<br />

grösste – manchmal sogar der einzige –<br />

Vermögenswert im Alter. Doch eine Immobilie<br />

lässt sich nicht problemlos liquidieren,<br />

vor allem dann nicht, wenn einer<br />

der Partner noch darin wohnt. Das gemeinsame<br />

Eigenheim ist daher stets einer<br />

der grössten Streitpunkte bei einer Scheidung<br />

– egal, in welchem Alter.<br />

Im Pensionsalter ist ein Streit um die<br />

Liegenschaft aber besonders dramatisch.<br />

Wenn ein Ehepartner der Alleineigentümer<br />

ist, darf dieser dort weiterhin wohnen,<br />

der andere muss ausziehen. Ob es eine<br />

Ausgleichszahlung gibt, hängt davon ab,<br />

wie die Liegenschaft finanziert wurde, und<br />

ist Teil des Güterrechts.<br />

Komplizierter ist die Lage, wenn beide<br />

Ehepartner Miteigentümer sind und beide<br />

zum Erwerb beigetragen haben. Derjenige<br />

Partner, der auszieht, hat Anspruch <strong>auf</strong><br />

eine Kompensation – in der Regel die<br />

Hälfte des Verkehrswerts. «Das sind die<br />

schlimmsten Fälle», sagt die Familienrechtsexpertin<br />

Crameri, «weil sich ein<br />

Partner diese Zahlung oft gar nicht leisten<br />

kann.» Die einzige Lösung sei daher der<br />

Verk<strong>auf</strong> der Liegenschaft. Beide Partner<br />

müssten sich dann eine eigene Wohnung<br />

suchen, was häufig zu höheren Fixkosten<br />

führe.<br />

Die höheren Ausgaben, die zwei Haushalte<br />

verursachen, werden durch die Anpassung<br />

der Rente berücksichtigt. Für ein<br />

Ehepaar dürfen die Altersrenten zusammen<br />

höchstens 150% der Maximalrente<br />

(2370 Franken) betragen, insgesamt also<br />

3555 Franken Wenn Altersrenten höher<br />

liegen, werden diese anteilsmässig gekürzt,<br />

also plafoniert. Sobald die Scheidung<br />

rechtskräftig ist, entfällt in aller Regel die<br />

Plafonierung. Die geschiedenen Partner<br />

erhalten dann jeweils die volle AHV-<br />

Rente, die höher ist als die Ehegattenrente.<br />

In der Praxis komme es aber vor, dass<br />

geschiedene oder gerichtlich getrennte<br />

Partner erst verspätet und nur mit Nachweis<br />

unterschiedlicher Wohnsitze als Einzelrentner<br />

behandelt würden und erst<br />

dann die volle Rente erhielten, sagt Reto<br />

Spring, Präsident des Finanzplaner-Verbandes<br />

Schweiz.<br />

Während geschiedene Partner, die sich<br />

noch im Berufsleben befinden, ihre Vorsorgepläne<br />

neu ausrichten und eventuell<br />

neue Einkommensquellen finden können,<br />

ist das im Rentenalter nur schwer möglich.<br />

Eine Standortbestimmung ist aber auch<br />

bei einer Scheidung nach der Pensionierung<br />

wichtig. Vor allem eine Aufstellung<br />

über die Fixkosten wie Mieten, die bei der<br />

Gründung eines neuen Haushalts anfallen,<br />

ist nötig. Welche Einnahmen gibt es? Kann<br />

man Vermögenswerte liquidieren?<br />

Eine Scheidung vor der Pensionierung<br />

ist in vielerlei Hinsicht einfacher als eine<br />

spätere. Generell rät Crameri, die schon


27<br />

Die finanziellen Folgen einer Scheidung im Alter können im schlechtesten Fall in die Armut führen. <br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

zahlreiche Paare bei ihrer Scheidung begleitet<br />

hat, nicht zu lange zu warten, wenn<br />

eine Ehe in die Brüche gegangen ist. Ein<br />

Neuanfang ist zwar auch im Alter von 70<br />

Jahren noch möglich, doch lässt sich ein<br />

solcher emotional und finanziell einfacher<br />

verkraften, wenn man noch jünger ist.<br />

Es sollte in jedem Fall eine rasche und<br />

friedliche Einigung angestrebt werden. Vor<br />

allem wegen der Kosten – für Scheidungsanwälte<br />

werden Gebühren von rund 400<br />

Franken pro Stunde fällig. Eine einvernehmliche<br />

Scheidung kann binnen sechs<br />

Monaten über den Tisch sein – hinsichtlich<br />

finanzieller und emotionaler Aspekte die<br />

beste Lösung.<br />

Unterschätztes Risiko<br />

Das Risiko einer Scheidung werde völlig<br />

unterschätzt und daher bei der Finanzund<br />

Vorsorgeplanung zu wenig berücksichtigt,<br />

merkt der Vorsorgeexperte Spring<br />

an. Während die meisten jungen Paare viel<br />

Wert <strong>auf</strong> eine Absicherung gegen Invalidität<br />

und Tod legten, werde dem Thema<br />

Scheidung viel weniger Aufmerksamkeit<br />

gewidmet – angesichts einer Scheidungsrate<br />

von rund 40% sei das Risiko aber<br />

deutlich höher als bezüglich der anderen<br />

beiden Ereignisse. Trotzdem überrascht es<br />

nicht, dass Finanzberater so ein negatives<br />

Thema nicht gerne ansprechen. Hinzu<br />

kommt, dass es – anders als für Tod oder<br />

Invalidität – für eine zerbrochene Ehe kein<br />

Standard-Versicherungsprodukt gibt.<br />

Wer trotzdem für den Fall einer Ehescheidung<br />

vorsorgen möchte, könnte beispielsweise<br />

für den Partner mit niedrigerem<br />

Einkommen zusätzlich über die Säule<br />

3b vorsorgen. Diese ist, anders als die<br />

Säule 3a, bei der Einzahlung nicht steuerbegünstigt.<br />

Unter bestimmten Bedingungen<br />

sind aber das Säule-3b-Kapital sowie<br />

alle Erträge und Überschüsse bei der Auszahlung<br />

steuerfrei. Als Ersatz oder Ergänzung<br />

zur Pensionskasse und zur Säule 3a<br />

wäre dies ein denkbares Modell.<br />

Wer seine angeschlagene Ehe retten<br />

möchte, kann es wie das Ehepaar Lohse<br />

aus der Komödie «Pappa ante portas» machen:<br />

Der frisch pensionierte Herr Lohse<br />

und seine Frau lernen zusammen Blockflöte<br />

spielen – das ist nicht schön für das<br />

Umfeld, aber die Eheleute geniessen das<br />

neue gemeinsame Hobby.<br />

www.nzz.ch/ld.1557247


28<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Gesund altern mit der<br />

«vierten Säule»<br />

Nebst den Finanzen sind auch ein stabiles soziales Netz, Stressabbau und Resilienz<br />

wichtig für <strong>einen</strong> guten Übertritt in den Ruhestand<br />

Auch körperliche Fitness hilft beim Aufbau von Resilienz.<br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

MICHAEL FERBER<br />

Beim Thema Altersvorsorge stehen meistens<br />

finanzielle Aspekte im Vordergrund.<br />

Eine hohe Pension ist für den Ruhestand<br />

aber nur die halbe Miete. Was nützt das<br />

ganze Geld, wenn man nicht gesund altert<br />

– oder wenn man niemanden hat, mit dem<br />

man den Ruhestand geniessen kann? Die<br />

Pflege der körperlichen und mentalen Gesundheit<br />

sowie der sozialen Kontakte gehört<br />

folglich ebenfalls zur Vorsorge. Man<br />

könnte in diesem Zusammenhang von<br />

einer «vierten Säule der Altersvorsorge»<br />

sprechen – quasi als Zusatz zum Drei-Säulen-System<br />

aus AHV, Pensionskasse und<br />

privater finanzieller Vorsorge. Wie kann<br />

man sich eine solche stabile «vierte Säule»<br />

für den Ruhestand <strong>auf</strong>bauen? Dabei sind<br />

sechs Punkte besonders wichtig.<br />

■ Stressniveau im Auge behalten: Laut<br />

der Schweizerischen Gesundheitsbefragung<br />

beschweren sich Schweizer Erwerbstätige<br />

immer stärker über wachsenden<br />

Stress bei der Arbeit. 21% der Befragten<br />

gaben im Jahr 2017 an, am Arbeitsplatz<br />

sehr oft von Stress geplagt zu sein. Fünf<br />

Jahre zuvor waren es 18% gewesen. «Stress<br />

ist nicht per se etwas Schlechtes», sagt<br />

Erich Seifritz, Professor und Chefarzt an<br />

der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.<br />

Es gebe guten und schlechten Stress.<br />

Ersterer sei kurzfristig und unproblematisch.<br />

Er entstehe beispielsweise, wenn ein<br />

Schauspieler vor einem Auftritt Lampen-


29<br />

fieber habe. Schlechter Stress hingegen sei<br />

eher langfristig, oft sogar chronisch und<br />

habe negative Effekte. So hätten wissenschaftliche<br />

Studien Zusammenhänge bei<br />

Personen zwischen schlechter Schlafqualität<br />

und einer späteren Demenzerkrankung<br />

nachgewiesen. Auch ist davon auszugehen,<br />

dass Depressionen bei Menschen im mittleren<br />

Alter das Risiko, später an Demenz<br />

zu erkranken, erhöhen. «Zur Altersvorsorge<br />

gehört es also auch, den Level an<br />

schädlichem Stress während der Erwerbstätigkeit<br />

möglichst tief zu halten», sagt<br />

Seifritz.<br />

■ Resilienz <strong>auf</strong>bauen und verbessern: In<br />

der Folge stellt sich die Frage, wie dies gelingt.<br />

Im Prinzip geht es darum, wie Menschen<br />

ihre Widerstandsfähigkeit bei<br />

schlechtem Stress erhöhen können – wie<br />

sie ihre sogenannte Resilienz steigern können.<br />

Laut Seifritz ist die Resilienz eines<br />

Menschen zum Teil genetisch vorgegeben,<br />

man kann diese aber auch positiv beeinflussen.<br />

Als Faktoren für eine gute Resilienz<br />

gelten eine gesunde Ernährung, körperliche<br />

Fitness durch Sport, ein guter und<br />

erholsamer Schlaf und besonders auch soziales<br />

Eingebettetsein. «Spiritualität kann<br />

ein wichtiger Faktor für Resilienz sein»,<br />

sagt Seifritz. Spirituelle Menschen sähen<br />

sich als Teil in einem grösseren Ganzen.<br />

«Wenn ein Mensch glaubt, dass das Leben<br />

nach dem Tod weitergeht, verändert sich<br />

seine Sicht <strong>auf</strong> das eigene Dasein massiv.»<br />

Solche Menschen ruhten im Allgem<strong>einen</strong><br />

mehr in sich selbst und hätten ein Gefühl,<br />

eingebettet zu sein. Man nenne dies auch<br />

«sense of coherence» oder Kohärenzgefühl.<br />

Wichtig für die Gesundheit im Alter<br />

ist es auch, eine gewisse Autonomie und<br />

genügend Freiheitsgrade zu haben. Auch<br />

finanzielle Aspekte tragen natürlich hierzu<br />

bei. Unbehandelte psychische Krankheiten<br />

vermindern die Resilienz, als eigentliche<br />

«Resilienz-Killer» gelten Tabak, Alkohol<br />

und andere Suchtmittel.<br />

«Der Mensch ist ein soziales<br />

Wesen, das merkt man in der<br />

Corona-Krise besonders.»<br />

Susanna Fassbind<br />

Initiantin Fondation Kiss<br />

■ Soziale Kontakte pflegen: Wichtig für<br />

die Altersvorsorge in der vierten Säule ist<br />

die Pflege von sozialen Kontakten. «Der<br />

Mensch ist ein soziales Wesen, das merkt<br />

man in der derzeitigen Corona-Krise besonders»,<br />

sagt Susanna Fassbind, Initiantin<br />

der Fondation Kiss, die sich die Förderung<br />

der vierten Altersvorsorgesäule und die<br />

Stärkung des Generationenzusammenhalts<br />

<strong>auf</strong> die Fahnen geschrieben hat. Aufgrund<br />

der Pandemie hätten viele ältere<br />

Menschen derzeit Angst, sich zu treffen,<br />

und wagten kaum mehr zusammenzusitzen.<br />

Berichte über eine mögliche zweite<br />

Welle schürten Angst. Vertreter des Bundesrats<br />

hätten oft von einer «neuen Normalität»<br />

gesprochen. Wenn diese bedeute,<br />

dass die Gesellschaft still und steril gehalten<br />

werde, verschlimmere dies nur Ängste.<br />

«Einsamkeit kann tödlich sein», sagt Fassbind.<br />

Ein gutes soziales Beziehungsnetz<br />

gilt im Alter als besonders wichtig. Schliesslich<br />

gehen mit der Pensionierung im Allgem<strong>einen</strong><br />

auch Beziehungen verloren, etwa<br />

am Arbeitsplatz, wo man automatisch täglich<br />

mit Kolleginnen und Kollegen in Kontakt<br />

war. Es gilt also auch hier, sich frühzeitig<br />

zu überlegen, mit wem man nach der<br />

Pensionierung in Kontakt bleiben will und<br />

kann. Wenn ein guter Kollege weiterarbeitet<br />

und man selbst pensioniert wird, kann<br />

dies beispielsweise eine Herausforderung<br />

sein, da sich der Lebensinhalt verändert.<br />

Nach der Pensionierung fielen vor allem<br />

Männer oftmals in ein Loch, weil sie während<br />

ihrer Erwerbstätigkeit zu wenige soziale<br />

Kontakte geknüpft hätten, sagt Fassbind.<br />

Auch Seifritz rät, sich Zeit für die<br />

Partnerin oder den Partner sowie die Familie<br />

zu nehmen und Freundschaften zu<br />

pflegen. Ein klassisches Zitat zum Thema<br />

laute schliesslich: «Wer in der Jugend nicht<br />

lernt zu jassen, hat für das Alter nicht vorgesorgt.»<br />

■ Paaraktivitäten planen: Nach der Pensionierung<br />

ist die Gefahr, dass die Beziehung<br />

zur (Ehe-)Partnerin oder zum (Ehe-)<br />

Partner noch scheitert, keineswegs gebannt.<br />

Vielmehr kann ein zusätzliches Risiko<br />

entstehen, da durch den Wegfall der<br />

Erwerbstätigkeit und der Kindererziehung<br />

ein neues Umfeld entstanden ist und die<br />

Personen im Allgem<strong>einen</strong> mehr zu Hause<br />

sind und mehr Zeit haben. Schwierig kann<br />

es bereits werden, wenn einer der beiden<br />

Partner pensioniert wird. Schliesslich ändert<br />

sich die Situation schon dann grundlegend.<br />

Dieser Veränderung gilt es Rechnung<br />

zu tragen. So sollte man sich bereits<br />

vor der Pensionierung gut überlegen, wie<br />

man die neu gewonnene Zeit mit dem<br />

Partner bzw. der Partnerin nutzen will –<br />

und wie man sich auch den nötigen Freiraum<br />

lässt. Nicht von ungefähr nehmen die<br />

Streitigkeiten in der Familie und bei Paaren<br />

schon während der Erwerbstätigkeit<br />

dann zu, wenn man plötzlich viel Zeit füreinander<br />

hat – beispielsweise an Feiertagen.<br />

Hat man unterschiedliche Hobbys<br />

und Interessen als der Partner, ist es sicherlich<br />

sinnvoll, dem anderen im Ruhestand<br />

nichts <strong>auf</strong>zuzwingen, tolerant zu sein und<br />

sich genau zu überlegen, welche Aktivitäten<br />

man gemeinsam verfolgt und welche<br />

nicht.<br />

■ Einen Plan für den Ruhestand erstellen:<br />

Fassbind rät, bereits im Alter von 50 oder<br />

55 Jahren mit der Planung des Ruhestands<br />

zu beginnen und sich dabei zu überlegen,<br />

was man während der dritten Lebensphase<br />

tun will. Nach dem Wegfall der Erwerbstätigkeit<br />

kann ein Vakuum entstehen und<br />

das Selbstbewusstsein beeinträchtigt werden.<br />

«Beim Eintritt in den Ruhestand verliert<br />

man die soziale Umgebung am<br />

Arbeitsplatz und auch die bisherige Tagesstruktur.<br />

Man wird <strong>auf</strong> <strong>einen</strong> <strong>Schlag</strong> weniger<br />

gebraucht und ist nicht mehr so wichtig»,<br />

sagt Seifritz. Hinzu kommt, dass im<br />

Zeitraum, in dem die Pensionierung ins<br />

Blickfeld rückt, oftmals auch die Kinder<br />

ausziehen. «Damit fällt zwar eine grosse<br />

Aufgabe weg, die sich als Erleichterung,<br />

aber auch als Verlust bemerkbar machen<br />

kann», sagt Seifritz. Folglich ist eine gute<br />

Planung der kommenden Lebensjahre<br />

sehr wichtig.<br />

■ Sinnstiftende Aufgaben finden: Es geht<br />

darum, herauszufinden, wie man im Alter<br />

ein sinnstiftendes und erfüllendes Leben<br />

führen kann. Ein Engagement im Bereich<br />

der Freiwilligenarbeit kann dabei helfen,<br />

das durch den Wegfall der Erwerbstätigkeit<br />

und der Erziehungs<strong>auf</strong>gaben entstandene<br />

Loch zu stopfen. Zwar sei es gut,<br />

wenn im Ruhestand der schlechte Stress<br />

wegfalle, sagt Seifritz. Gebe es aber auch<br />

k<strong>einen</strong> guten Stress und werde man zu wenig<br />

gebraucht, so entstehe die Gefahr eines<br />

Boreouts – eines Gefühls der Unterforderung<br />

und Langeweile.<br />

www.nzz.ch/ld.1559469


30<br />

FINANZEN IN DER DRITTEN LEBENSPHASE<br />

Mehr Sicherheit dank guter<br />

Nachlassplanung<br />

Vorkehrungen für den Todesfall zu treffen, ist wichtig – spätestens beim Eintritt in<br />

das Rentenalter sollten sie in Angriff genommen werden<br />

ANNE-BARBARA LUFT<br />

Den richtigen Zeitpunkt für die Nachlassplanung<br />

gibt es nicht. Wer sich aber noch<br />

keine Gedanken über seine Hinterlassenschaft<br />

gemacht hat, der sollte die freie Zeit,<br />

die der Ruhestand mit sich bringt, unbedingt<br />

dafür nutzen, alle Dinge zu regeln,<br />

die das eigene Ableben betreffen. Der Gedanke<br />

an den eigenen Tod ist selbstverständlich<br />

besonders unangenehm, doch<br />

wer s<strong>einen</strong> Nachlass nicht regelt, der riskiert,<br />

dass es nach seinem Ableben Streit<br />

zwischen den Erben gibt, der Partner in finanzielle<br />

Schwierigkeiten gerät oder nahestehende<br />

Personen beim Erbe nicht berücksichtigt<br />

werden. Mit einer detaillierten<br />

Planung unter Einbezug der Familie – und<br />

vielleicht auch eines externen Experten –<br />

tut man sich selbst und s<strong>einen</strong> Nachkommen<br />

<strong>einen</strong> grossen Gefallen.<br />

Der Ordner für den Notfall<br />

Viele Probleme sind ganz praktischer Natur.<br />

Es ist leider keine Seltenheit, dass die<br />

Kinder und Ehepartner bei einem Todesfall<br />

in der Familie nicht wissen, wo sich das<br />

Familienbüchlein oder die Telefonnummer<br />

des Notars befinden. Auch die Passwörter<br />

für den Computer nehmen viele Menschen<br />

mit ins Grab.<br />

Um s<strong>einen</strong> Nachkommen derartige<br />

Schwierigkeiten in einer emotionalen Situation<br />

zu ersparen, sollte für den Notfall ein<br />

Ordner mit allen wichtigen Dokumenten<br />

wie Pensionskassen- und Bankauszügen,<br />

der AHV-Nummer, Adressen, Versicherungspolicen,<br />

Passwörtern und eventuell<br />

einem Vorsorge<strong>auf</strong>trag an einem bekannten<br />

Ort <strong>auf</strong>bewahrt werden, sagt Jorge<br />

Frey, der beim Marcuard Family Office den<br />

Bereich Family Governance verantwortet.<br />

Auch Notizen über die Wünsche für die<br />

eigene Bestattung können für die Familie<br />

sehr hilfreich sein.<br />

Einen solchen Ordner anzulegen, ist<br />

sehr <strong>auf</strong>wendig und nimmt mehr als ein<br />

paar Tage in Anspruch. Die Pensionierung<br />

könnte daher ein geeigneter Zeitpunkt<br />

sein, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.<br />

Es ist nicht nötig, diese Dinge beim Nachlassverwalter<br />

zu deponieren, obwohl es<br />

nicht schaden kann, wenn dieser eine Kopie<br />

bei sich <strong>auf</strong>bewahrt.<br />

Es ist zudem empfehlenswert, dass<br />

beide Partner ein eigenes Konto mit ausreichend<br />

Liquidität für die ersten Wochen<br />

nach dem Ableben des anderen haben.<br />

Der überlebende Partner hat k<strong>einen</strong> Zugang<br />

zum gemeinsamen Konto, bis der<br />

Erbschein vorliegt, was eine Weile dauern<br />

kann. Diese Situation kann zu kurzfristigen<br />

Liquiditätsengpässen führen – in einer<br />

ohnehin schweren Zeit ist das eine völlig<br />

unnötige zusätzliche Belastung. In einem<br />

Gespräch mit der Hausbank sollte zudem<br />

geklärt werden, welche Vollmachten im<br />

Todesfall vorhanden sein müssen.<br />

Der Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

Alle 18 Minuten erkrankt eine Person in<br />

der Schweiz an Demenz. Allein die Statistik<br />

spricht dafür, sich und seine Angehörigen<br />

<strong>auf</strong> dieses Szenario vorzubereiten. Um<br />

zu verhindern, dass öffentliche Institutionen<br />

wie die Kesb wichtige Entscheide treffen,<br />

wenn man selbst nicht mehr in der<br />

Lage ist, seine Geschäfte zu führen, sollte<br />

ein Berechtigter bestimmt werden, der einspringt.<br />

Solange es sich um eine mündige<br />

Person handelt, sollte es dann keine Probleme<br />

geben. In einem sogenannten Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

wird festgehalten, wer dieser Be<strong>auf</strong>tragte<br />

ist.<br />

Problematisch kann die Wahl der geeigneten<br />

Person für diesen Fall sein. Grundsätzlich<br />

sind die eigenen Kinder eine gute<br />

Wahl für eine so persönliche und verantwortungsvolle<br />

Aufgabe. Wenn eines der<br />

Kinder sich <strong>auf</strong>grund von besonderen<br />

Kenntnissen oder einer hohen Affinität für<br />

diese Aufgabe eignet, sollte man den Geschwistern<br />

dies erklären, damit die Wahl<br />

nicht als Mangel an Anerkennung ausgelegt<br />

wird. Wenn keines der Kinder infrage<br />

kommt, kann auch ein Anwalt, ein Treuhänder,<br />

ein Berater oder auch ein Verein<br />

bestimmt werden. Der Vorsorge<strong>auf</strong>trag<br />

muss – ebenso wie das Testament – eigenhändig<br />

geschrieben oder vom Notar beglaubigt<br />

werden.<br />

Das Testament<br />

Die Absicherung des Partners hat bei der<br />

Nachlassplanung für viele Eheleute<br />

höchste Priorität. Das ist auch richtig, wie<br />

Frey sagt, denn wer diesen Teil des Nachlasses<br />

nicht geregelt hat, riskiert, dass der<br />

überlebende Partner in finanzielle Schwierigkeiten<br />

gerät. Dem Partner steht laut Gesetz<br />

zwar die Hälfte des zu vererbenden<br />

Vermögens zu, das ist aber nicht in jedem<br />

Fall ausreichend. Oft kommen <strong>auf</strong> den<br />

überlebenden Ehepartner Kosten zu, die<br />

vor dem Todesfall der Partner übernommen<br />

hat oder die sich die Eheleute geteilt<br />

haben. Zählt zudem eine Immobilie zur<br />

Erbmasse, dann muss diese im schlechtesten<br />

Fall verk<strong>auf</strong>t werden, um die übrigen<br />

Erben auszuzahlen.<br />

Es gibt verschiedene Lösungen für dieses<br />

Problem. Einerseits können die Kinder<br />

gebeten werden, bis zum Tod des zweiten<br />

Elternteils <strong>auf</strong> ihren Erbteil zu verzichten.<br />

Deren Zustimmung muss von einem Notar<br />

in einem Erbvertrag beglaubigt werden.<br />

Andererseits können Paare auch ohne<br />

die Zustimmung der anderen erbberechtigten<br />

Personen in einem Ehevertrag den<br />

Partner als Meistbegünstigten bestimmen.<br />

Der Vorteil dieser Regelung ist zudem,<br />

dass der verwitwete Ehepartner rasch <strong>auf</strong><br />

das Vermögen zugreifen kann. Hierfür ist<br />

ein Ehevertrag nötig. Zudem kann im Testament<br />

bestimmt werden, dass die Kinder<br />

nur maximal ihre Pflichtteile erhalten –<br />

auch das kann den Anteil des überlebenden<br />

Ehepartners erhöhen. Der Witwer<br />

oder die Witwe können dann selbst entscheiden,<br />

ob sie den Kindern <strong>einen</strong> Teil des<br />

Erbes schon zu Lebzeiten überlassen oder<br />

ob sie das Vermögen selbst benötigen.<br />

Wurde kein Testament erstellt, dann<br />

wird der Nachlass der entsprechenden Person<br />

gemäss den gesetzlichen Quoten <strong>auf</strong><br />

die Nachkommen verteilt. Diese Verteilung<br />

orientiert sich allein am Verwandt-


31<br />

Je mehr Vermögen vorhanden ist, desto wichtiger ist es, mit den Nachkommen über das Erbe zu sprechen.<br />

ILLUSTRATION JOCHEN SCHIEVINK<br />

schaftsgrad – ob der Erblasser k<strong>einen</strong> Kontakt<br />

oder sogar <strong>einen</strong> grossen Streit mit<br />

dem gesetzlichen Erben hatte, spielt hingegen<br />

keine Rolle. Wem also die vom Gesetzgeber<br />

vorgesehene Aufteilung des<br />

Erbes nicht zusagt, muss zwingend ein Testament<br />

oder <strong>einen</strong> Erbvertrag verfassen.<br />

Beim Erstellen dieser Dokumente hat der<br />

Erblasser jedoch nicht völlig freie Hand.<br />

Er muss die Pflichtteile für Ehepartner<br />

oder eingetragenen Partner, die Nachkommen<br />

sowie die Eltern (wenn der Erblasser<br />

keine Kinder hat) einhalten. Mit Zustimmung<br />

der erbberechtigten Personen ist es<br />

allerdings möglich, Aufteilungen vertraglich<br />

festzuhalten, welche die gesetzlichen<br />

Pflichtteile verletzen.<br />

Je mehr Vermögen vorhanden und je<br />

komplizierter die Familiensituation ist –<br />

etwa bei Kindern aus mehreren Ehen –,<br />

desto wichtiger ist es, schon zu Lebzeiten<br />

mit den Nachkommen über das Erbe zu<br />

sprechen sowie ein Testament oder <strong>einen</strong><br />

Erbvertrag auszuarbeiten.<br />

Das Wohnrecht<br />

Um sicherzustellen, dass der Partner bis<br />

zum Lebensende im gemeinsamen Haus<br />

wohnen kann, selbst wenn das Eigentum<br />

an der Immobilie ganz oder zum Teil an<br />

andere Nachkommen übergeht, kann im<br />

Testament oder Erbvertrag das Wohnrecht<br />

geregelt werden. Wenn der Partner das<br />

Wohnrecht besitzt, darf er in dem Haus<br />

zwar wohnen, es aber nicht vermieten oder<br />

verk<strong>auf</strong>en, zudem muss er für den Unterhalt<br />

<strong>auf</strong>kommen. Das Eigentum geht zwar<br />

an die Kinder über, diese müssen <strong>auf</strong> die<br />

Immobilie aber keine Vermögenssteuer<br />

zahlen, solange ihre Mutter oder ihr Vater<br />

in dem Familienhaus lebt.<br />

Der Willensvollstrecker<br />

Nach dem Ableben muss ein Inventar des<br />

gesamten Nachlasses erstellt werden, es<br />

müssen noch Rechnungen bezahlt, Forderungen<br />

eingetrieben und schliesslich<br />

das Erbe nach den Vorgaben des Erblassers<br />

verwaltet und verteilt werden. Mit<br />

dieser <strong>auf</strong>wendigen und teilweise anspruchsvollen<br />

Aufgabe sollte ein Willensvollstrecker<br />

be<strong>auf</strong>tragt werden. Experten<br />

raten davon ab, Verwandte oder gar<br />

Erben mit der Willensvollstreckung zu<br />

be<strong>auf</strong>tragen – nicht selten führt dies zu<br />

Problemen, weil die Doppelfunktion als<br />

Erbe und Willensvollstrecker Interessenkonflikte<br />

mit sich bringen kann. Ein unabhängiger<br />

Nachlassexperte, wie beispielsweise<br />

ein Anwalt, verlangt für seine<br />

Dienstleistungen selbstverständlich ein<br />

Honorar, das den Erben in Rechnung gestellt<br />

wird.<br />

www.nzz.ch/ld.1560808


32<br />

AUCH IM RUHE-<br />

STAND TUN,<br />

WAS MAN WILL.<br />

ODER DANN ERST<br />

RECHT.<br />

Vorsorge ist dazu da, dass der Ruhestand eben<br />

nicht ruhig wird. Schliesslich geht es auch darum,<br />

sich aktiv Wünsche zu erfüllen. Genau deshalb<br />

bietet Pax flexible Lösungen, um ganz individuellen<br />

Vorsorgewünschen gerecht zu werden.<br />

So stellen wir sicher, dass unsere Kunden im Alter<br />

voll durchstarten können. www.pax.ch

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