H erzliche Einladung - Evangelischer Kirchenkreis Zossen-Fläming
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U: In den 80er Jahren – damals lebten<br />
wir in der Schweiz – waren die Gemäldegalerien<br />
in Berlin und Dresden das Ziel<br />
meiner Träume. Aber die Angst vor der<br />
Willkür, den waffenstarrenden Grenzern<br />
und den Reißzähnen ihrer Hunde sowie<br />
dem menschenverachtenden Regime<br />
schreckten mich ab. Nur die Mutigen unter<br />
meinen Freunden wagten es, die damalige<br />
DDR zu besuchen.<br />
R: Wir haben die Galerien oft besucht,<br />
meistens dann, wenn Freunde aus dem<br />
Westen uns besuchten. Ob die wirklich<br />
Angst hatten, weiß ich nicht so genau.<br />
Wir waren es gewöhnt und lebten mit<br />
unseren Kindern im Prenzlauer Berg von<br />
Berlin recht unbeschwert und glücklich.<br />
Der evangelische Kindergarten und die<br />
Kirchengemeinde waren unsere kleine<br />
Nische. Dort spürten wir nur wenig<br />
von dem Regime der SED,<br />
meistens dann, wenn unsere<br />
Kinder berichteten, dass wieder<br />
ein Freund fehlte, weil die Eltern<br />
ausgereist waren.<br />
U: Während der Vorgänge in der Prager<br />
Botschaft und der Maueröffnung saßen<br />
wir in der Schweiz vor dem Fernseher,<br />
fieberten mit und weinten vor Freude.<br />
Die Auswirkungen der Grenzöffnung erlebten<br />
wir dann schon in Bonn. Die Regale<br />
in den Supermärkten waren wie leer<br />
gefegt. "Defizit", schmunzelten wir. Mo-<br />
natelang gab es keine Bananen.<br />
R: In unserer Wohnung in Berlin übernachteten<br />
am 3. Oktober 1990 mehr als<br />
zwölf Personen aus dem Westen. Wir haben<br />
gefeiert und Freudentränen vergossen.<br />
Meine Frau war ohne richtige<br />
Arbeit, weil ihr Kombinat<br />
zum Tag der Währungsunion<br />
von den SED-Bonzen schon verscherbelt<br />
worden war. Ich war<br />
noch Student ohne Einkommen,<br />
aber wir waren voller Hoffnung<br />
und Tatendrang.<br />
U: Die Mauer ist weg, die Straßen werden<br />
passierbar, die Zäune niedriger, die<br />
Buntheit hat hier nicht nur in Form von<br />
Werbung Einzug gehalten, Reisen in ferne<br />
Länder sind möglich und die Menschen<br />
reden vermehrt angstfrei<br />
über den Gartenzaun hinweg<br />
miteinander -– dennoch sind<br />
viele Menschen unzufrieden.<br />
R: Das macht mich oft traurig<br />
und ratlos. Die Menschen sind<br />
vergesslich. Gut zweiunddreißig Jahre<br />
habe ich in der DDR gelebt. Ich durfte sogar<br />
auf Kosten der Arbeiter und Bauern<br />
studieren, wie die SED –Genossen das<br />
immer formulierten. Es war eine schöne<br />
Zeit. Wir haben als Versuchskaninchen<br />
ganz vergnügt gelebt. Die Schauspielerin<br />
Katharina Thalbach bezeichnete die DDR<br />
ZUM UM TAG TAG<br />
DER DEUTSCHEN EINHEIT EINHEIT<br />
Ein Gespräch<br />
etwas zynisch als Experiment und sie sei<br />
glücklich, daran teilgenommen zu haben.<br />
Ich fühlte mich da nicht so glücklich. Das<br />
Fernweh schmerzte manchmal, aber wir<br />
waren verliebt, haben Kinder bekommen.<br />
Ich erinnere mich an viele frohe<br />
Stunden. Es gab viel Menschlichkeit<br />
und Solidarität unter den<br />
Versuchskaninchen, trotz des<br />
bösen Versuchs.<br />
U: Dieses neue Deutschland<br />
wird volljährig. Ich wünschte<br />
mir, dass es seinen Geburtstag mit der<br />
Unbeschwertheit eines Jugendlichen feiern<br />
könnte. Ähnlich wie es den Erfolg<br />
der Fußball-WM 2006 feiern konnte. Unbefangen<br />
mit schwarz-rot-goldenen<br />
Fähnchen. Ohne belastende Schatten<br />
der Vergangenheit.<br />
R: Trotzdem sollten die jungen Menschen<br />
schon etwas wissen über die Zeit.<br />
Volljährige sind selber verantwortlich für<br />
ihr Tun. Aber biblisch gesprochen soll es<br />
nicht so sein, dass die Väter saure Trauben<br />
gegessen haben und den Kindern<br />
die Zähne davon stumpf werden (Jer<br />
31,29), sondern die Kinder bekommen<br />
nur dann stumpfe Zähne, wenn sie selber<br />
saure Trauben essen.<br />
Monika Uwer-Zürcher lebt sei zehn Jahren in<br />
Blankenfelde. Christian Raschke ist seit fast<br />
fünf Jahren in Wünsdorf.<br />
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