Journal GSV_2_2020_INET
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32 | AUSGABE 2/2020
HERBSTWANDERUNG
Specks B tanik
Der gewöhnliche Sachse verbindet
den Namen „Sternburg“ in aller Regel
mit dem gleichnamigen Kultbier,
dessen Sorte „German Pils“ schon
zu früheren Zeiten zwar nicht in aller
Munde, dafür aber legendär war,
weil – nun ja – nur selten zu haben.
Der kulturhistorisch interessierte
Leipziger hingegen weiß mit dem
Namen Sternburg etwas mehr anzufangen
und verortet ihn weit in den
Westen der Stadt, hängt ihm vorn
ein „Speck von“ und wahlweise den
Namen Maximilian oder auch mal
Wolf-Dietrich Freiherr an und umreißt
damit grob die Geschichte des
Schlossparkes Lützschena. Voilá!
Das war, zugegeben, grob gestrickt,
aber wie sonst hinführen zum Herbst-
Wanderthema, das auch nicht einfacher
wird, wenn noch ein Name
ins Spiel kommt: Uwe Scharf, seines
Zeichens Botaniker und allseitig
gebildeter und sehr unterhaltsamer,
ausdauernder Drei-Stunden-sichergern-mehr-Parkführer.
War die Idee einer Herbstwanderung
vielleicht nicht so prononciert bis zu
Botaniker Scharf vorgedrungen, sei’s
drum. Umso interessanter und bildend
mit ihm die Runde durch den
Park. Nahezu jeder Baum, jede Skulpur
und (fast) jedes Krabbeltier inspiriert
ihn zu Geschichten und Geschichtchen.
(Beispiel: Auch, wenn
sie so aussehen, sächsisch: „Ganger“
oder im Volksmund Opa Langbein
= Weberknechte sind im eigentlichen
Sinne keine (Web)Spinnen und
haben, was offensichtlich einer Sensation
gleichkommt, – zumindest die
männlichen Krabbeltierchen – einen
Penis! Schau an!)
Nicht nur einmal ermahnt er sich, sich
„nicht zu verquatschen“. Diverse Tempel,
Statuen, Kapellen, Brücken, Bäume,
Moose, Pfl änzchen, Blätter, Flugund
Käfertiere, Biber, Ratten und die
Moniermotte samt ihren Nachkommen
bieten ihm reichlich Stoff, sein
scheinbar enzyklopädisches Wissen
auszubreiten. Dies nicht ohne sehr
persönliche Seitenhiebe zu den teils
außergewöhnlichen Alltagserscheinungen
heutigen menschlichen Tuns,
inklusive des neuerdings aufkeimenden
Partytourismus, dessen Protagonisten
den unter Denkmal- und Naturschutz
stehenden Speck-Privat-Park
als Abenteuerspielplatz missbrauchen
und ihre diversen Spuren hinterlassen.
Völliges Unverständnis hegt er hinsichtlich
der weitverbreiteten Ahnungslosigkeit
insbesondere Jüngerer,
z. B. Tier-, Baum- und
Pfl anzen arten betreffend. Die Jungen
von heute könnten nicht einmal
drei Bäume voneinander unterscheiden,
so sein Ärger. Folgerichtig habe
er seinen Versuch, als Lehrer Fuß zu
fassen, frustriert wieder sein gelassen.
Er könne nicht mittragen, wie
heute Bildung verstanden und gemacht
würde, weswegen er sich mit
Hingabe seinen Park-, Wasser- und
Botanikexkursionen widmet.
Jetzt hätten wir fast den Speck von
Sternburgschen Park an sich vergessen:
Das historische Kleinod inmitten
des Auenwaldes gehört zu den
schönsten und bedeutendsten Landschaftsgärten
in Sachsen und ist Teil
des Naturschutzgebietes Burgaue.
Im Jahr 1822 hatte der Leipziger
Kaufmann Maximilian Speck das
Gut Lützschena erworben und einen
19 ha großen Park nach dem Vorbild
englischer Landschaftsgärten naturnah
anlegen lassen, Blickachsen
wurden geschaffen und eine Vielzahl
kleinerer und größerer Wasserläufe.
Dazwischen immer wieder, dem
Zeitgeschmack entsprechend, kleine
Tempel, Brückchen und verschiedene
Bildnisse, die sich mehr oder minder
erhalten haben. Ob mit oder ohne
Botaniker, ein Besuch in Lützeschena
ist dringend zu empfehlen.
Ausgangspunkt für so manche Wanderung
durch den Park ist die Auwaldstation,
die, außer mit diversen
Naturwanderungen, mit einer Vielzahl
interessanter populärer Veranstaltungen
aufwartet und deren Besuch
für jeden etwas bereithält. Auf
dem Programm stehen Vorträge,
Exkursionen für die ganze Familie,
Werkstatt- und Workshoptage, Kultur
u. a. mit den Leipziger All-Stars sowie
der Journalistin und TV-Moderatorin
Katrin Huß. Informieren S ie sich unter
www.auwaldstation.de
Gesundheitssportverein Leipzig e. V.