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BUCH ⁄ - DER NIKA-AUFSTAND<br />
ROMAIN SARDOU & CARLOS RAFAEL DUARTE
„Ich glaube,<br />
mein Name war<br />
<strong>Maxentius</strong>.“<br />
„Zumindest<br />
hat man mir das<br />
gesagt.“<br />
Im Jahre 496 ragte<br />
eine Festung an der Grenze<br />
zum persischen Reich der<br />
Sassaniden empor.<br />
Man taufte sie<br />
Oblivion, das „Gefängnis<br />
der Vergessenen“.<br />
Die Strafe des<br />
Vergessens …<br />
Es war bei Strafe<br />
verboten, die Namen<br />
derjenigen zu nennen,<br />
die dort einsaßen.<br />
… konnte jeden treffen<br />
in diesem großen Reich.
Ein Gerücht machte innerhalb<br />
des Gefängnisses die Runde.<br />
Selbst die Wächter<br />
durften die Namen ihrer<br />
Insassen nicht wissen.<br />
Heute zweifelten sie indes nicht daran,<br />
dass der neue Gefangene ihr eigener<br />
Kaiser war: Kavadh |., Sohn des Péroz,<br />
Gebieter über alle Perser.<br />
Bei jeder neuen Mondumlaufzeit trug ein<br />
zoroastrischer Priester die Gesänge des<br />
Gathas für die Gefangenen vor.<br />
Bis dahin hatte es niemand je<br />
gewagt, sich über die Mittelmäßigkeit<br />
der Darbietung der Priester des<br />
Oblivions zu beschweren.<br />
Bei Ahura<br />
Mazda befehle ich:<br />
Schweig!
Jemand erkannte die<br />
Stimme von Kavadh |.<br />
Julia Vipsania, eine junge<br />
Römerin – verurteilt, weil sie sich<br />
geweigert hatte, einen Herrn aus<br />
Seleukia zu ehelichen.<br />
Du verhöhnst<br />
die heiligen Worte<br />
Zarathustras!<br />
Ab diesem Moment hatte sie nur einen<br />
einzigen Wunsch: Den Monarchen zu<br />
finden und an seiner Seite zu sein.<br />
Die Monate vergingen …<br />
Julia konnte schließlich einen<br />
Wächter für sich gewinnen.<br />
Dieser ermöglichte ihr ein<br />
Treffen mit dem Kaiser.
Währenddessen hofften Anhänger<br />
des Kaisers, ihn bald wieder auf<br />
dem Thron zu sehen.<br />
<strong>Der</strong> unerbittliche Stamm der weißen Hunnen beschloss, sich dieses Anliegens<br />
anzunehmen. Natürlich nur unter de Bedingung reichlicher Entlohnung.<br />
Sie fanden einen Weg<br />
in die Festung.<br />
Mit in eine Droge getauchten<br />
Pfeilen schalteten die Hunnen<br />
die Wächter der Festung aus.<br />
Als die Wächter wieder erwachten, hatten<br />
sie ihr Gedächtnis verloren und konnten nie<br />
erklären, was eigentlich geschehen war.<br />
6
Nach drei Jahren kehrte der<br />
Kaiser mit Gefolgsleuten in seine<br />
Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon<br />
zurück, um die Adligen und<br />
Priester, die ihn abgesetzt<br />
hatten, zu bestrafen …<br />
… und seinen<br />
Bruder<br />
Zamasp.<br />
Aber nach seiner Rückkehr fand Kavadh ein ruiniertes<br />
Reich vor – ausgeblutet durch die Gier seiner Usurpatoren.<br />
Dabei hatte er noch<br />
einen hohen Tribut an<br />
den König der weißen<br />
Hunnen zu zahlen.<br />
So beschloss er, seinen alten Freund,<br />
den römischen Kaiser Anastasios, um<br />
Hilfe zu ersuchen.<br />
Du brichst mit<br />
meiner Botschaft nach<br />
Konstantinopel auf, Julia.<br />
Hier könnten meine Söhne<br />
und meine Frau* dir nach<br />
dem Leben trachten.<br />
Wenn es ein<br />
Junge wird,<br />
nennst du ihn<br />
<strong>Maxentius</strong>.<br />
„Warum vergisst man<br />
immer zu sagen …“<br />
„Sie treten aus ihm hervor, geprägt von diesem dunklen<br />
Kontinent, der keine Erinnerung entfliehen lässt.“<br />
„Manchmal kehren<br />
sie zu ihm zurück.<br />
Vorzeitig … wie es<br />
für mich vorgesehen<br />
war.“<br />
* Frankah, die Ehefrau Kavadh |., war außerdem seine Schwester<br />
„… dass die kleinen Kinder dem Tod<br />
näher sind als die Greise?“<br />
7<br />
„Man fand mich auf einer Insel, meine Mutter<br />
lag im Sterben. Bevor sie starb, nannte sie<br />
meinen Rettern meinen Namen …“<br />
„Mein Name … Das ist<br />
alles, was mir bleibt.“
30 Jahre später.<br />
Im Jahr 532 regierte Justinian<br />
das gesamte römische Reich.<br />
Konstantinopel war das Juwel des Imperiums.<br />
TEXT ROMAIN SARDOU<br />
Und das Hippodrom das Juwel<br />
von Konstantinopel.<br />
Pferderennen waren die Lieblingsattraktion<br />
der Bewohner des Oströmischen Reichs.<br />
Im Laufe der Zeit<br />
hatten sich zwei<br />
Lager unter den<br />
Anhängern gebildet:<br />
die Blauen und<br />
die Grünen.<br />
Die Lager waren<br />
in jeder Hinsicht Gegner:<br />
in Wettkämpfen, politisch,<br />
wirtschaftlich und<br />
geografisch.
ZEICHNUNGEN CARLOS RAFAEL DUARTE FARBEN FACIO<br />
Das Reich zu teilen, um es besser regieren zu können,<br />
hatte mehr als zwei Jahrhunderte wunderbar funktioniert.<br />
Bis zu jener blutigen Woche im Januar 532 …<br />
BAND 1 - DER NIKA-AUFSTAND<br />
Für die Kaiser war das Hippodrom ein<br />
Instrument, um Stabilität und Macht zu<br />
erhalten. Solange sich das Volk für die<br />
Rennen in zwei Lager spaltete, war die<br />
kaiserliche Herrschaft nicht in Gefahr.<br />
Mit der Zeit maßen sich Macht und<br />
Einfluss dieser beiden unversöhnlichen<br />
Gruppen bei jedem Wagenrennen.<br />
Jeder Reichsbewohner<br />
opferte sein Leben und<br />
sein Vermögen für die<br />
Farbe, die er erbte<br />
oder annahm.
Im Jahr 532 regiert Justinian das<br />
Oströmische Reich. Er träumt davon,<br />
von seiner Hauptstadt Konstantinopel<br />
aus, seinem Reich all jenen Glanz zu<br />
verleihen, in dem einst das antike<br />
römische Reich unter<br />
Caesar erstrahlte.<br />
Seine Frau und Schwester Theodora<br />
ist eine unheilvolle Ränkeschmiedin<br />
und seine engste Verbündete.<br />
Doch im Laufe des Januars, nach<br />
einem Unfall im Hippodrom, geht<br />
Konstantinopel in Flammen auf und<br />
alles droht unterzugehen: der Thron,<br />
das Kaiserpaar, das Kaiserreich …<br />
<strong>Maxentius</strong> – Raubtierbändiger und<br />
geheimnisvoller Gehilfe der Kaiserin –<br />
bleibt nur wenig Zeit, um mehrere<br />
Jahrzehnte Geschichte zu retten.<br />
Es geht um nur wenige Stunden<br />
während des <strong>Nika</strong>-<strong>Aufstand</strong>s, die<br />
sich darstellen wie die Chronik eines<br />
angekündigten Massakers …<br />
des blutigsten Massakers der<br />
Spätantike.