Ried
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AUS DER CHRONOMETRIE<br />
<strong>Ried</strong> im Innkreis 1868, 1870<br />
Zwei neue Mannhardt-Turmuhren für eine junge Stadt<br />
Michael Neureiter, Bad Vigaun<br />
1857 wurde <strong>Ried</strong> im Innkreis in Oberösterreich<br />
zur Stadt erhoben, 1867 gab es das erste „Landwirthschaftliche<br />
Ausstellungsfest“, heute <strong>Ried</strong>er<br />
Messe. 1870 wurde <strong>Ried</strong> mit der Eröffnung des<br />
neuen Bahnhofs an die Bahnlinie Wels-Braunau<br />
(„Braunauer Bahn“) angebunden.<br />
Der Innkreis, das Innviertel, kam nach dem bayerischen<br />
Erbfolgekrieg mit dem Frieden von Teschen<br />
1779 von Bayern zu Österreich.<br />
1868 erhielt die Stadtpfarrkirche St. Peter und<br />
Paul ein neues Turmuhrwerk, zwei Jahre später<br />
auch das Rathaus. Die beiden Turmuhrwerke sind<br />
die einzigen erhaltenen in <strong>Ried</strong>, das Werk im Rathaus<br />
ist sogar noch in Betrieb.<br />
Das Werk in der Stadtpfarrkirche ist eine Rarität<br />
hinsichtlich seines Aufbaus.<br />
Spuren früherer Uhren<br />
Im 19. Jahrhundert ist u.a. die Installation einer<br />
Turmuhr in der Filialkirche Kleinried 1830 nachweisbar,<br />
1838/39 ging es um die Reparatur der<br />
Turmuhr der Filialkirche St. Anna. Aus 1830 liegen<br />
Gutachten über den Zustand der Turmuhren des<br />
Rathauses und der Stadtpfarrkirche vor, 1836/37<br />
erfolgte eine Reparatur der Stadtpfarrkirchenuhr.<br />
Im Turm der Stadtpfarrkirche erinnern u.a. zahlreiche<br />
Inschriften auf der Holzverschalung des<br />
Gewichteschachts daran, dass schon vor 1868 ein<br />
Vorgängerwerk für die optische Anzeige auf den<br />
Zifferblättern und die akustische Anzeige durch<br />
Glockenschläge sorgte.<br />
Johann Mannhardt: Revolution im<br />
Großuhrenbau<br />
Johann Michael Mannhardt (1798-1878) war ein<br />
genialer Mechaniker und einer der hervorragendsten<br />
Turmuhrenbauer seiner Zeit. Seit 1827<br />
in München selbständig, kreierte er seine Stiftenhemmung,<br />
den „Mannhardtschen Gang“, und<br />
baute zahlreiche Uhren – u. a. 1842 München,<br />
Frauenkirche, 1865 Vatikan, 1870 Berlin, Rathaus,<br />
und 1878 Kölner Dom.1 1863 präsentierte er seine<br />
Turmuhr mit freischwingendem Pendel, den<br />
„Mannhardtschen Freischwinger“.<br />
Seine Firma ging trotz vieler Auszeichnungen<br />
und Exporte in die ganze Welt 1865 bankrott und<br />
wurde 1866 zwangsversteigert.<br />
Die Maschinenfabrik übernahm der Straßburger<br />
Turmuhrenfabrikant Friedrich Ungerer. Die<br />
Turmuhren-Firma wurde weitergeführt, auch<br />
Mannhardt arbeitete weiter. Die Firma ging<br />
Im Bild links<br />
die Stadtpfarrkirche<br />
St. Peter und Paul<br />
am Kirchenplatz, rechts<br />
das Rathaus am Hauptplatz.<br />
(Foto Stadtgemeinde<br />
<strong>Ried</strong> im Innkreis)<br />
MITTEILUNGEN Nr. 163 26 HERBST 2020
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
Auf der Schalung des<br />
Gewichteschachts, der<br />
durch mehrere Turmgeschosse<br />
führt, verewigten<br />
sich die für den täglichen<br />
Aufzug der Uhrgewichte<br />
Verantwortlichen: Am<br />
linken Brett finden wir die<br />
Jahreszahlen 1856, 1896<br />
und 1913, am mittleren<br />
Brett 1861, 1857 und 1839.<br />
(Foto horologium, Michael<br />
Neureiter)<br />
(Werbeschrift<br />
„J. Mannhardt’sche Thurmuhren-Fabrik“,<br />
München<br />
1886, Titelseite)<br />
schließlich an Eduard Hartmann über. 1928 wurde<br />
sie von der Turmuhrenfabrik Philipp Hörz,<br />
Ulm, übernommen.<br />
In einer wohl 1886 erschienenen Publikation<br />
berichtet die „J. Mannhardt’sche Thurmuhren-<br />
Fabrik“ mit Besitzer Eduard Hartmann, sie habe<br />
„bisher über 1670 Stück“ Turmuhren angefertigt,<br />
und führt zahlreiche Referenzen (bis 1884) u.a.<br />
aus <strong>Ried</strong> an.<br />
1868: eine Mannhardt-Turmuhr für die Stadtpfarrkirche<br />
St. Peter und Paul<br />
Die Werbeschrift 1886 der J. Mannhardt’schen<br />
Thurmuhrenfabrik 1886 enthält keine Referenz<br />
für die Stadtpfarrkirche. Die Anschaffung einer<br />
neuen Turmuhr hatte ihren Grund in einem Blitz,<br />
der den Turm 1854 schwer beschädigte und einen<br />
Wiederaufbau im oberen Teil notwendig<br />
machte: Bis 1868 schützte ein Notdach den Turm,<br />
Auch die drei vorhandenen<br />
Steingewichte erfüllten<br />
ihre Aufgabe beim Betrieb<br />
des Gehwerks, Viertelstunden-<br />
und Stundenschlagwerks<br />
schon lange vor<br />
1868. Vielleicht stammen<br />
sie aus der Uhr für den<br />
1731 erhöhten Turm?<br />
Sie wurden wohl 1868<br />
durch ein viertes Gewicht<br />
ergänzt, weil eine weitere<br />
Anzeige-Funktion dazukam.<br />
(Foto horologium,<br />
Michael Neureiter)<br />
HERBST 2020 27 MITTEILUNGEN Nr. 163
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
Das Zeigerwerk hinter dem<br />
hauptplatzseitigen Zifferblatt<br />
am Rathaus reduziert<br />
mit seinem Getriebe die<br />
ankommende Minutengeschwindigkeit<br />
auf ein<br />
Zwölftel zur Stundenanzeige.<br />
Das geschmiedete<br />
Zeigerwerk aus dem<br />
18. Jahrhundert (?) diente<br />
sicher schon der Vorgängeruhr<br />
der Turmuhr 1870,<br />
die nach 150 Jahren noch<br />
immer mit Handaufzug<br />
in Betrieb ist. (Foto horologium,<br />
Michael Neureiter)<br />
der um eine Etage erhöht wurde. In diesem Stockwerk<br />
wurde die neue Wohnung des Türmers mit<br />
umlaufender Galerie untergebracht. Der Türmer<br />
wachte über das Geschehen und warnte vor Gefahren,<br />
z.B. bei einem Brand.2 Die Kreuzsteckung<br />
erfolgte am 6. September 1868.<br />
Der Bau des Turms und der Galerie kostete<br />
schließlich nach der Schlussabrechnung 14.308<br />
Gulden.3<br />
Der neue Turm brauchte auch eine neue Turmuhr,<br />
vermutlich war die alte durch den Blitzschlag<br />
1854 beschädigt oder zerstört worden.<br />
Der Gemeindeausschuss von <strong>Ried</strong> befasste sich<br />
am 12. Mai 1868 mit einem „Antrag des Thurmbau-Komitees<br />
wegen Anschaffung einer neuen<br />
Thurmuhr nach Laudachers System“4, „von Mannhart<br />
in München“ ist im Protokoll später angefügt,<br />
und beschloss: „Die Thurmuhr, samt Lärmsignalapparat<br />
und allem Zubehör ist anzuschaffen,<br />
und die Gemeinde <strong>Ried</strong> leistet, wenn die Kosten<br />
hiezu durch freiwillige Beiträge nicht aufgebracht<br />
werden könnten einen Ergänzungsbetrag im Maximum<br />
von 400 Gulden österreichischer Währung<br />
vorschussweise gegen seinerzeitigen Ersatz<br />
durch fortgesetzte Sammlungen.“<br />
Im Protokoll wird Dechant Sebastian Freund genannt,<br />
der auch als Vorstand des landwirtschaftlichen<br />
Filialvereins 1866 an der Beschlussfassung<br />
für eine Landwirtschaftsausstellung mitwirkte<br />
und die Zentralleitung des erstens „landwirthschaftlichen<br />
Ausstellungsfests“ im Oktober 1867<br />
innehatte.<br />
„Am 18. August 1868 kam die neue Kirchenuhr mit<br />
Alarmwerk aus der Manhart’schen Fabrik in München<br />
zu <strong>Ried</strong> an. Dieselbe wurde am 20. August<br />
vom Kirchenplatze aufgezogen und dann von einem<br />
Münchener Monteur aufgestellt. Sie kostete<br />
1385 G(ulden). Nach dem Sitzungsbeschluß vom<br />
14. März d. J. wurde von der Stadt hierzu ein Beitrag<br />
von 400 G(ulden) geleistet.“ berichtet Konrad<br />
Meindl in seiner „Geschichte der Stadt <strong>Ried</strong>“. 6<br />
Von den drei Gewichten,<br />
die die Turmuhr des Rathauses<br />
antreiben,<br />
ist das linke geschmiedet<br />
und deutlich älter als die<br />
beiden anderen gegossenen<br />
Gewichte. Alle drei<br />
Gewichte wurden später<br />
mit Zusatzringen ergänzt<br />
und beschwert. (Foto horologium,<br />
Michael Neureiter)<br />
MITTEILUNGEN Nr. 163 28 HERBST 2020
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
Die Liste mit den Lieferungen<br />
nach Österreich-<br />
Ungarn, u.a. mit 6 Stück<br />
nach Salzburg, 4 Stück<br />
nach Braunau und 2 Stück<br />
nach „<strong>Ried</strong> i. Oberösterreich“.<br />
Die Salzburger<br />
Standorte Fischhorn, Radstadt<br />
und Saalfelden wurden<br />
hier Oberösterreich<br />
zugeschlagen. (Werbeschrift<br />
„J. Mannhardt’sche<br />
Thurmuhren-Fabrik“,<br />
München 1886, S. 12)<br />
Im Gemeindevorstand am 28. September 1868<br />
wurde dann dem Turmbaukomitee auf dessen<br />
Ersuchen um einen Vorschuss von 1000 Gulden<br />
noch ein Vorschuss von 900 Gulden gewährt,<br />
bis die Pfarre „dass Thurmbaudeffizit zu deken<br />
in der Lage ist“.<br />
Das Uhrwerk der Stadtpfarrkirche ist 100 cm<br />
breit, 54 cm tief und mit dem Freischwinger 168<br />
cm hoch. Der 1863 von Johann Mannhardt präsentierte<br />
Freischwinger wurde als „der Mercedes<br />
der Turmuhren“ bezeichnet. Hier schwingt<br />
das Pendel eine Minute frei und löst dann das<br />
HERBST 2020 29 MITTEILUNGEN Nr. 163
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
Der neue 1868 fertiggestellte<br />
73 Meter hohe Turm<br />
der Stadtpfarrkirche mit<br />
dem Zifferblatt über dem<br />
Haupteingang, der Galerie<br />
im Geschoß der Türmerwohnung<br />
und zwei der<br />
vier Zifferblätter darüber.<br />
(Foto horologium, Michael<br />
Neureiter)<br />
Gehwerk aus, was zur „springenden Minute“<br />
führt. Diese Hemmung weist eine extrem hohe<br />
und nahezu wetterunabhängige Genauigkeit<br />
auf.<br />
Am Turmuhrwerk der Stadtpfarrkirche fällt auf,<br />
dass es neben dem Gehwerk, einem Viertel- und<br />
einem Stundenschlagwerk ein viertes Werk besitzt,<br />
von vorne gesehen links. Das lässt zuerst<br />
an ein Stunden-Nachschlagwerk denken, aber<br />
dafür wäre eine weitere „Schlossscheibe“ zur<br />
Steuerung der Zahl der Schläge zur vollen Stunde<br />
nötig. Die Antwort: Es ist ein Alarmwerk.<br />
In <strong>Ried</strong> setzte man auf Sicherheit: Im neuen Turm<br />
sorgte man dafür mit der Türmerwohnung, die<br />
bis 1929 bewohnt war, und mit der „Lärmsignalanlage“.<br />
Es ist nicht bekannt, wie oft sie seit 1868<br />
ausgelöst wurde.<br />
Ein Zwischenfall ereignete sich 1892: Nachdem<br />
Uhrmacher Johann Dallinger Mitte Juli eine vollständige<br />
Reinigung der Uhr durchgeführt hatte,<br />
fand am 31. d. M. eine Feuerwehrübung statt,<br />
in die der Turm einbezogen war. Zu Beginn der<br />
Übung blieb die Uhr etwa um 12.45 stehen “und<br />
hat auch keine Stunde mehr ausgeschlagen“. Zwei<br />
Tage nach der Feuerwehrübung stürzte eines der<br />
vier Gewichte ab. Dem Vorfall folgten ausgiebige<br />
Auseinandersetzungen um das Verschulden<br />
am defekten Seil. Der Uhrmacher und der Mesner,<br />
Seilermeister Mathias Pauli, die Gemeinde<br />
mit Bürgermeister Adolf Gyri und die Feuerwehr<br />
sorgten für einen umfangreichen Akt im Stadtarchiv.<br />
Die Feuerwehr und ihr Hauptmann Carl<br />
Thalhamer verlangten seitens des Uhrmachermeisters<br />
Dallinger und des Mesners Georg Geiginger<br />
eine öffentliche Erklärung, „dass die Verletzung<br />
des Thurmuhrseils nicht durch Mitglieder<br />
der freiwilligen Feuerwehr geschehen sei“. Am<br />
19. Oktober erklärten Geiginger und Dallinger vor<br />
dem Bürgermeister, sie könnten die gewünschte<br />
Ehrenerklärung nicht abgeben, nachdem sie die<br />
Feuerwehr nicht beschuldigt und nicht in ihrer<br />
Ehre angegriffen hätten.<br />
Im Bild die Vorderseite<br />
der „Viertel- und Stundschlaguhr<br />
mit freischwingendem<br />
Pendel für große<br />
Städte, Domkirchen &c. &c.<br />
und als Normaluhren“<br />
laut Bezeichnung der<br />
Münchner Firma.5<br />
MITTEILUNGEN Nr. 163 30 HERBST 2020
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
„1929 tobte ein schrecklicher Orkan über <strong>Ried</strong>.<br />
Die Turmspitze mit der Kuppel stürzte auf den<br />
Kirchenplatz. Die neue Kuppel wurde in der Form<br />
der alten Kuppel gestaltet und war bereits 1930<br />
fertig.“9<br />
Das besondere Turmuhrwerk der Stadtpfarrkirche<br />
<strong>Ried</strong> ist seit Jahrzehnten außer Betrieb. Für<br />
einen Demonstrationsbetrieb wäre der Wiedereinbau<br />
der Gewichte erforderlich.<br />
1870: eine Mannhardt-Turmuhr auch für das<br />
Rathaus<br />
„Die Joh. Mannhardt’sche Thurmuhren-Fabrik in<br />
München hat im Jahre 1870 eine Thurmuhr für<br />
das städtische Rathaus geliefert, welche sich in<br />
Bezug auf ihre Construction und sorgfältig ausgeführte<br />
Arbeit, sowie durch ihren gleichmäßigen<br />
ruhigen und sicheren Gang bisher zur vollsten<br />
Zufriedenheit bewährt hat, was hiermit der<br />
Das Turmuhrwerk der<br />
Stadtpfarrkirche trägt<br />
die Werksnummer 881.<br />
(Foto horologium, Michael<br />
Neureiter)<br />
Das Pendel auf der<br />
Rückseite des Turmuhrwerks<br />
der Stadtpfarrkirche<br />
Peter und Paul ist so hoch<br />
aufgehängt, dass man<br />
eine besondere Form des<br />
Gestells benötigt. 7<br />
Das wirkt sich auch auf die<br />
Form des Kastens aus.<br />
Das Pendel löst einmal in<br />
der Minute das Gehwerk<br />
aus, dabei bremst das<br />
Windrad. (Foto horologium,<br />
Michael Neureiter)<br />
Höchst selten bei<br />
Turmuhren anzutreffen:<br />
8 Das Alarmwerk<br />
mit Doppelschlägen<br />
auf zwei Glocken wurde<br />
durch das Freigeben eines<br />
Drahtzugs von oben (in<br />
der Türmerwohnung) zum<br />
Schlagen gebracht, bis das<br />
Gewicht abgelaufen war.<br />
(Foto horologium, Michael<br />
Neureiter)<br />
HERBST 2020 31 MITTEILUNGEN Nr. 163
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
Das Rathaus von <strong>Ried</strong> im<br />
Innkreis am Hauptplatz.<br />
(Foto horologium, Michael<br />
Neureiter)<br />
Das Werk 931 der<br />
Mannhardt’schen Thurmuhren-Fabrik<br />
München<br />
im Rathaus von <strong>Ried</strong> im<br />
Innkreis. (Foto horologium<br />
Michael Neureiter)<br />
genannten Fabrik zu ihrer Empfehlung mit Vergnügen<br />
bestätigt wird.“ Das schrieb am 30. April<br />
1883 der <strong>Ried</strong>er Bürgermeister Joseph Gyri nach<br />
München. 10<br />
Beim neuen Turmuhrwerk für das Rathaus handelt<br />
es sich in der Produktpalette der Münchner<br />
Firma um eine „Viertel- und Stundschlaguhr mit<br />
verbessertem Stiftengang“, es kostete weniger<br />
als die Hälfte des Stadtpfarrkirchenwerks. „Es ist<br />
dieß ein Werk, als ob es eine Miniaturausgabe jenes<br />
am Stadtpfarrthurme wäre, und allerliebst zu<br />
sehen. Ohne Zweifel wird es auch eben gut sein.“<br />
berichtete das <strong>Ried</strong>er Wochenblatt. 11<br />
Das Werk ist 70 cm breit, 37 cm tief und 60 cm<br />
hoch. Es steht auch in einem Kasten, der viele<br />
Inschriften von Werksbetreuern aufweist. Wie in<br />
der Stadtpfarrkirche laufen die Gewichte oberhalb<br />
des Werks. Während in der Stadtpfarrkirche<br />
Ein Blick im sechseckigen<br />
Rathausturm nach oben<br />
zu den zwei Schlagglocken.<br />
(Foto horologium<br />
Michael Neureiter)<br />
MITTEILUNGEN Nr. 163 32 HERBST 2020
AUS DER CHRONOMETRIE<br />
fünf Zifferblätter bedient werden, sind es im<br />
Rathaus drei: je eines zum Hauptplatz, zum Roßmarkt<br />
und im Ratssaal.<br />
Die Hemmung ist der Mannhardtsche Stiftengang,<br />
die Zeiger bewegen sich nicht im Minutensprung,<br />
sondern mit jeder Pendelschwingung.<br />
Das Pendel mit Pendelstange aus Holz und Pendellinse<br />
aus Gußeisen hat etwa 55 Halbschwingungen<br />
pro Minute, es ist etwa 122 cm lang.<br />
Auch hier finden wir Schlossscheibenschlagwerke.<br />
Das Kontrollzifferblatt erleichtert das Einstellen.<br />
Das Werk mit der Nummer 931 ist gänzlich<br />
in Grauguss gefertigt, lediglich das Stiftenrad in<br />
Messing.<br />
„Da die Uhr Stunden und Viertel schlägt, während<br />
die frühere Uhr nur die Stunde schlug, werden<br />
auch zwei neue Glocken notwendig werden,<br />
denn es wird schwer sein, eine harmonische Glocke<br />
zur alten, beinahe tonlosen Glocke zu bekommen.“<br />
vermutete der Berichterstatter des <strong>Ried</strong>er<br />
Wochenblatts 1870. 12<br />
Die Rathausuhr wird täglich von Albert Kern, einem<br />
Mitarbeiter der Fa. Uhren Schmollgruber<br />
<strong>Ried</strong>, aufgezogen, von Samstag nachmittags<br />
reicht die Gangreserve bis Montag früh. Eigentümer<br />
Wolfgang Salhofer vermutet, dass seine Firma<br />
seit 1933 für den Handaufzug der optischen<br />
und akustischen Zeitanzeige am und im Rathaus<br />
sorgt.<br />
Die Stadt <strong>Ried</strong> im Innkreis erhielt 1868 und 1870<br />
zwei Turmuhrwerke der Johann Mannhardt’schen<br />
Thurmuhren-Fabrik München, sie sind nur 50<br />
Werksnummern hintereinander markiert. Dieser<br />
Beitrag soll die Wertschätzung für diese vielfach<br />
unbekannten Kostbarkeiten anregen.<br />
Beide Werke sind in der Turmuhren-Datenbank<br />
www.turmuhrenaustria.at des Autors im Detail<br />
beschrieben.<br />
Diese Arbeit wurde von Kulturamtsleiterin Dr.<br />
Sieglinde Frohmann angeregt und unterstützt,<br />
die auch Materialien aus dem Stadtarchiv bereitstellte.<br />
Dank auch der Stadtpfarre Peter und Paul<br />
und ihrem Ökonom Mag. Eduard Jungwirth sowie<br />
Markus Burmeister für den Hinweis auf ein Alarmwerk.<br />
Hans Peter Kuban, der Leiter des Stuttgarter<br />
Turmuhrenarchiv Turmuhrenmagazin, half mit<br />
wichtigen Hinweisen zu Mannhardt-Turmuhren.<br />
„Es ist eine herrliche Sache um die Erfindung der<br />
Uhrwerke welche uns den Zeitverstrich Tags und<br />
Nachts richtig anzeigen, ...eine so herrliche Sache,<br />
daß man den Erfindern und Vervollkommnern<br />
derselben für diesen der Menschheit erwiesenen<br />
immerfort dauernden Dienst großen Dank, große<br />
Achtung schuldig ist und immer schuldig bleiben<br />
wird....“13<br />
Anmerkungen<br />
1 ABELER, Jürgen: Meister der Uhrmacherkunst.<br />
Wuppertal 2. Aufl. 2010, S. 362 f.<br />
2 PERNDORFER, Maria: Der Turm der Stadtpfarrkirche,<br />
in: Stadtpfarre Peter und Paul. Pfarrblatt,<br />
Ausg. 11 2017, S. 9.<br />
3 MEINDL, Konrad: Geschichte der Stadt <strong>Ried</strong> in<br />
Oberösterreich. München 1899, S. 706.<br />
4 ABELER, ebda, S. 338 nennt einen „Laudacher,<br />
Joh. Mich., Linz, erw. 3. 3. 1780…“ mit einer<br />
Wand-, Tisch- und Stockuhr im Stadtmuseum<br />
Linz sowie einen vermutlich identen „Landacher,<br />
J. M., Linz…“ mit einer Tischuhr.<br />
5 Werbeschrift „J. Mannhardt’sche Thurmuhren-<br />
Fabrik. Gegründet 1826. (Besitzer E. Hartmann)“,<br />
München 1886, S. 8. Hier werden Lieferungen<br />
dieses größten Uhrwerks der Firma u.a. nach<br />
Berlin, Dresden, Köln (Dom), Budapest, Milwaukee<br />
und Innsbruck (Stadtturm) angeführt.<br />
6 MEINDL, Konrad: Geschichte der Stadt <strong>Ried</strong> in<br />
Oberösterreich. Erster Band, München 1899, S.<br />
706.<br />
7 DIETZSCHOLD, Curt: Die Turmuhren mit Einschluss<br />
der sogenannten Kunstuhren. Weimar<br />
1894, S. 167. (Neuer Schauplatz der Künste und<br />
Handwerke, 26. Bd.)<br />
8 Ein Alarmwerk als Bestandteil eines Turmuhrwerks<br />
findet sich weder im oben angeführten<br />
Standardwerk von Dietzschold noch bei Bernhard<br />
Schmidt: Turmuhrwerke/Turmuhrwerke II,<br />
Georgsmarienhütte 2001/2004.<br />
9 PERNDORFER, ebda, S.9.<br />
10 Werbeschrift Mannhardt, ebda, S. 29. Eine Referenz<br />
für die Turmuhr der Stadtpfarrkirche ist<br />
nicht enthalten.<br />
11 <strong>Ried</strong>er Wochenblatt vom 14. November 1870.<br />
12 <strong>Ried</strong>er Wochenblatt, ebda.<br />
13 BUSCHENDORF, Karl Friedrich: Gründlicher Unterricht<br />
von Thurmuhren, Leipzig 1805, S. III.<br />
HERBST 2020 33 MITTEILUNGEN Nr. 163