sporting hamburg OKTOBER 2020
Stadtsportmagazain
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© Foto: Nadine Pohle<br />
<strong>sporting</strong>-Katharina<br />
© Foto: Nadine Pohle<br />
© Foto: Aktion Mensch, Dominik Buschardt<br />
<strong>sporting</strong>-Katharina (li.) und Linda beim kleinen Bewegungsprogramm während des Boccia-Turniers <strong>2020</strong>.<br />
Rechts: Sportangebot für Menschen mit Behinderung in Wilhelmsburg.<br />
Eben mal<br />
den Ball<br />
holen.<br />
Die Idee, Sport zu treiben, in welcher Form auch immer, kann man – sollte<br />
man am besten haben. Und an Zugang fehlt es eigentlich auch nicht. In<br />
Hamburg bieten überproportional viele Sportvereine, Fitness-Studios etc.<br />
Sport von-bis, in Hülle und Fülle. Unsere Lebenswelten sind so aufgestellt,<br />
dass wir dann „nur noch“ den Arsch hochkriegen müssen.<br />
Was aber ist, wenn Sport in der eigenen Lebenswelt<br />
gar nicht vorkommt, er andererseits aber<br />
doppelt wichtig und so gut sein kann?<br />
Dazu fragen wir Linda Bull (29). Sie<br />
arbeitet, finanziert von der Aktion<br />
Mensch, für die Evangelische<br />
Stiftung Alsterdorf als Sportlotsin.<br />
Mit dabei auch: <strong>sporting</strong>-<br />
Katharina (Pohle), ebenfalls von<br />
der Stiftung Alsterdorf: „Lindas<br />
Aufgabe ist nicht einfach, und wir<br />
sind in Hamburg, also passt die Bezeichnung<br />
‚Lotsin‘ perfekt.“ Linda hat<br />
Sportmanagement studiert, u. a. für große<br />
Ferienresort-/Club-Brands gearbeitet<br />
und sich dann entschieden, noch mehr<br />
und vor allen Dingen noch Sinnvolleres<br />
aus ihrem Job zu machen. Sie ist echte<br />
Überzeugungstäterin und kümmert sich<br />
seitdem um die – wir sagen jetzt mal –<br />
Eingliederung von Menschen mit geistiger<br />
Behinderung in den Hamburger Sport.<br />
Weil es nur eine von ihr gibt, man möchte<br />
sie am liebsten gleich mehrfach klonen und den Etat wenn’s geht<br />
auch, muss sie sich auf die Bezirke/Stadtteile Wandsbek, Altona<br />
und Alsterdorf beschränken. Ihr Antrieb: Möglichst vielen der in<br />
Hamburg lebenden 30.000 Menschen mit geistiger Behinderung<br />
die Botschaft vermitteln: „Du kannst.“ „Ich bin den ganzen Tag<br />
unterwegs, mich darum zu kümmern, Wege zu ebnen, Zugänge zu<br />
schaffen, damit Menschen mit geistiger Behinderung gemeinsam<br />
Sport treiben.“ Und wenn die Mehrheit bei Sport an Gesundheit<br />
und Optik und Spaß denkt, sind es in diesen Fällen deutlich viele<br />
Aspekte mehr, weswegen Lindas Job so sensationell wichtig ist.<br />
Sport in der Gruppe bedeutet dann darüber hinaus nämlich Mut,<br />
Sozialisierung, Selbstvertrauen, … Abwechslung in einer ganz<br />
anderen Dimension. „Das ist vor allem wichtig bei erwachsenen<br />
Menschen mit Behinderung, da gibt’s keinen Schulsport mehr und<br />
© Foto: Nadine Pohle<br />
auch weniger Angebote“, erklärt Katharina. Sie leben in Einrichtungen,<br />
ggf. sogar alleine, können sich aber oftmals nicht kümmern,<br />
haben keine Idee, wo und wie. Die hat Linda zum Glück. Melden<br />
sich einzelne Einrichtungen bei ihr, weil sie ein, zwei Kandidat*innen<br />
hätten, nimmt Linda Kontakt auf. „Ich vermittle die Sportler*innen<br />
an Vereine, deren Angebot ich kenne, prüfe vorab, ob und wie die<br />
Kandidat*innen da hinkommen. Bei größerem Bedarf organisieren<br />
wir Sportstunden in den Einrichtungen selbst, oder wir nutzen<br />
das Sportangebot in Alsterdorf“, erklärt sie, dort steht eine der<br />
inklusivsten Turnhallen überhaupt.<br />
Die Schwierigkeit: „Die Angebote<br />
müssen teilweise extrem niedrigschwellig<br />
sein.“ Mal geht es nur um<br />
Reifen rollen oder Ticken spielen.<br />
„Hauptsache regelmäßig, Bewegung,<br />
in Gemeinschaft.“ Auch die Hamburger<br />
Sportvereine sind im Grunde sehr<br />
offen, bei Bedarf Angebote zu entwickeln<br />
und mit aufzunehmen. „Nur,<br />
dann muss eben auch die Trommel<br />
gerührt werden“, damit möglichst<br />
viele Menschen kommen.<br />
© Foto: Axel Nordmeier<br />
Auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung dieser Programme in den<br />
Vereinen ist Linda, ist die ESA aktiv und teilweise involviert, da hilft<br />
ggf. dann auch der Hamburger Sportbund. Sehr gut aufgestellt im<br />
inklusiven Kinderbereich ist immer wieder der SV Eidelstedt, auch<br />
der SC Alstertal-Langenhorn baut aktuell sein niedrigschwelliges<br />
Angebot weiter aus. „Der Rückhalt ist klasse, wir kriegen fast<br />
ausschließlich tolles Feedback für unser Engagement, und die Entscheider<br />
sind interessiert und motiviert“, sagt Linda. „Im Vergleich<br />
zu der Inklusionsthematik in den Schulen ist der Sport einfacher<br />
inklusiv“, stellt Katharina fest. Sie haben sich beide zwar an langwierige<br />
Prozesse gewöhnt, „da sind wir sehr leidensfähig“, aber „die<br />
Freude an der Aufgabe, die positiven Erlebnisse überwiegen“, sagt<br />
die Enthusiasmus-Erfinderin Linda. „Ich freue mich, wenn ich erlebe,<br />
dass Sportler*innen,<br />
neben all den motorischen<br />
und physischen<br />
Aspekten,<br />
ihre Gruppe als<br />
Gemeinschaft verstehen.“<br />
Da wird<br />
dann auch mal wie<br />
selbstverständlich<br />
der Ball wiedergeholt,<br />
fürs Team.<br />
Wer jemanden kennt,<br />
der jemanden kennt, der sehr gern<br />
inklusiven Sport treiben möchte, wendet<br />
sich vertrauensvoll an die liebe Linda und<br />
bestellt schöne Grüße.<br />
Telefon: 040/5077 3033 oder<br />
E-Mail: linda.bull@alsterdorf.de<br />
Unterstützt von: Evangelische Stiftung Alsterdorf<br />
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Sportlotsin Linda beim Sport (mit <strong>sporting</strong>-Timo) und an ihrem Arbeitsplatz – Stillsitzen ist wohl nicht so ihrs.