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Rahlstedter Leben November 2020

Das Stadtteilmagazin im Hamburger Osten

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Drehmoment<br />

Während des Lockdowns und der damit einhergehenden existentiellen Ängste vieler Menschen kommt die Debatte<br />

um das bedingungslose Grundeinkommen wieder auf – nicht nur in Deutschland, sondern auch international wird<br />

darüber diskutiert. Utopie oder Lösung für viele Probleme? text: Virginie Siems Foto: Jens Wehde Illustration: Shutterstock<br />

Wie würde sich Ihr <strong>Leben</strong> mit z.B. 1.200 Euro pro Monat verändern?<br />

se Grundeinkommen unsere Gesellschaft<br />

verändern? Würde es nur die Gutmenschen<br />

beflügeln? Würde es nicht auch das<br />

Frustpotential und die Kriminalität reduzieren?<br />

Gerade erst am 26.10.<strong>2020</strong> wurde<br />

Susanne Wiest, Initiatorin der Petition für<br />

das uneingeschränkte Bürgereinkommen,<br />

im Petitionsausschuss des Bundestages<br />

angehört. Noch ist die Akzeptanz in unserer<br />

Mitte nicht angekommen, obwohl die<br />

Digitalisierung und die Corona-Pandemie<br />

immer mehr Jobs vernichten. So ist aber<br />

immerhin die Diskussion über ein bedingungsloses<br />

Grundeinkommen inzwischen<br />

salonfähig geworden ... und ist vielleicht<br />

der Anfang einer neuen Grundordnung.<br />

Der Mauerfall war schließlich auch jahrzehntelang<br />

undenkbar.<br />

ob wir uns selbst um unsere Kinder und<br />

unsere Eltern kümmern. Wir hätten die<br />

Freiheit unliebsame Jobs und cholerischen<br />

Chefs zu kündigen, um dafür einer sinnstiftenden<br />

Beschäftigung nachzugehen,<br />

weil unsere Existenz bereits gesichert<br />

wäre. Wir hätten aber auch die Freiheit<br />

unseren erfüllenden Job weiterhin auszuüben.<br />

Inwiefern würde das bedingungslo-<br />

Die Grundidee ist, Einkommen und<br />

Arbeit voneinander zu trennen. So<br />

fremd ist der Gedanke eigentlich<br />

nicht, denn aktuell beziehen nur 41 % der<br />

Deutschen ihr Einkommen aus einer erwerbstätigen<br />

Arbeit. Mehr als die Hälfte<br />

ist abhängig von Angehörigen oder von<br />

staatlicher Hilfe. Was würde sich ändern?<br />

Wir hätten die Freiheit zu entscheiden,<br />

Bedingungsloses<br />

Grundeinkommen<br />

Martin Kaufmann<br />

Realist und<br />

Visionär<br />

aus Rahlstedt<br />

„Die Leistungsgesellschaft wird nicht<br />

durch das Grundeinkommen aufgehoben –<br />

sondern durch die Digitalisierung.<br />

Das Grundeinkommen reagiert darauf.“<br />

Mitbegründer des<br />

Hamburger Netzwerks<br />

für Grundeinkommen<br />

Richard David Precht, Philosoph<br />

2007 hat Martin Kaufmann gemeinsam mit seiner Frau und<br />

anderen Aktiven das Hamburger Netzwerk für Grundeinkommen<br />

gegründet. Die Ideen von Götz Werner, dem Gründer<br />

des Drogeriekonzerns dm, waren es, die sie fasziniert haben.<br />

Es geht darum, die Arbeit vom Zwang zu befreien, so dass<br />

sich die Menschen kreativ entfalten und den Tätigkeiten<br />

nachgehen, für die sie sich intrinsisch, also aus sich selbst<br />

heraus, motivieren können.<br />

„Ein bedingungsloses Grundeinkommen schafft Freiheit,<br />

weil es neue Chancen und mehr tatsächliche<br />

Wahlmöglichkeiten für selbstbestimmtes <strong>Leben</strong> und<br />

Wirken schafft und niemand mehr zu einer Arbeit<br />

oder Beschäftigungsförderungsmaßnahme gezwungen<br />

wird.“ Man merkt es Kaufmann regelrecht an, wie sehr er<br />

für das BGE brennt: „Ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

schafft Würde, weil demütigende Auflagen und<br />

Kontrollen von Ämtern oder Vorgesetzten entfallen<br />

und sich damit auch in der Arbeitswelt ein Klima des<br />

respektvolleren Umgangs entwickeln muss. Außerdem<br />

bietet ein bedingungsloses Grundeinkommen Sicherheit,<br />

weil es allen ein Mindesteinkommen und damit einen Mindestlebensstandard<br />

ohne Bedingungen garantiert.“ Damit<br />

diese Vision und vor allem ihre Finanzierung nicht nur hinter<br />

verschlossenen Türen diskutiert werden, sucht die Initiative<br />

den direkten Austausch mit den Bürgern. Ihre nächste<br />

öffentlichkeitswirksame Aktion wird eine Wanderausstellung<br />

quer durch Europa sein. Die Ausstellung wird als<br />

Erlebnispark konzipiert und soll die Idee des BGE mit neuen<br />

Impulsen bereichern und inspirieren. Die Bürger sollen ermutigt<br />

werden an der Umsetzung einer Utopie mitzuwirken.<br />

Die Ausstellung wie auch das Hamburger Netzwerk für<br />

Grundeinkommen sind parteipolitisch unabhängig und gewinnen<br />

Zuspruch aus allen Lagern: „Mir haben schon Politiker<br />

aller Parteien auf die Schulter geklopft und uns ermutigt,<br />

das BGE weiter voranzutreiben“ erzählt Kaufmann. Das<br />

bedingungslose Grundeinkommen scheint alte politische<br />

Grenzen zu überwinden und neue Bündnisse möglich zu<br />

machen. Es bleibt spannend, wohin die Reise gehen wird. n<br />

Wer die Wanderausstellung finanziell unterstützen<br />

möchte, kann spenden an: Hamburger Netzwerk<br />

Grundeinkommen e.V., GLS Gemeinschaftsbank,<br />

IBAN: DE49 430 609 672 008 366 700<br />

oder sich ideell einbringen mit einer E-Mail an:<br />

„Ich war anfangs ein deutlicher Gegner<br />

des Bedingungslosen Grundeinkommens.<br />

Aber ich sehe, dass wir etwas<br />

Neues probieren müssen. Wir wissen, dass<br />

Anreize sehr viel besser funktionieren<br />

als Restriktionen. Daher gefällt mir das<br />

Menschenbild hinter dem Bedingungslosen<br />

Grundeinkommen – wir sollten es<br />

unbedingt weiter erforschen.“<br />

Prof. Marcel Fratzscher<br />

Ph.D. Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.<br />

Quelle: Pilotprojekt_Grundeinkommen_Magazin<br />

Was meinen die Deutschen zum Bedingungslosen Grundeinkommen?<br />

Aus einer repräsentativen Umfrage<br />

Quelle: www.splendid-research.com<br />

von 2018 unter 1.024 Deutschen<br />

zwischen 18 und 69 Jahren.<br />

Die Deutschen<br />

erwarten, dass...<br />

1.602,-<br />

zu hoch<br />

Und wieviel<br />

Euro wären<br />

angemessen?<br />

28 %<br />

1.244,-<br />

Hoch,<br />

aber noch<br />

akzeptabel<br />

67 % 58 %<br />

28 % ihrer Mitbürger<br />

bei Einführung<br />

ihren Job kündigen<br />

58 % halten<br />

die Einführung<br />

für sinnvoll<br />

67 % sind mit<br />

dem Konzept<br />

vertraut<br />

953,-<br />

Niedrig, noch<br />

ausreichend<br />

zum <strong>Leben</strong><br />

15 %<br />

86 % 76 %<br />

kontakt@mensch-grundeinkommen.net<br />

750,-<br />

Zu niedrig<br />

zum <strong>Leben</strong><br />

jedoch würden dies<br />

nur 15% der Berufstätigen<br />

bei einem<br />

Satz von 1.500 tun.<br />

76 % würden<br />

unabhängig<br />

von der Höhe<br />

weiterarbeiten<br />

86 % finden, die<br />

Schere zwischen<br />

Arm und Reich<br />

wird immer größer<br />

Mehr Informationen zum BGE zum Beispiel auf folgenden Websites: n www.grundeinkommen-hamburg.de n www.mensch-grundeinkommen.net n www.ubie.org<br />

n www.grundeinkommen.de n www.susannewiest.de n www.mein-grundeinkommen.de n www.pilotprojekt-grundeinkommen.de n www.basicincome.org<br />

1<br />

Alle engagierten BGE-Initiativen<br />

2<br />

haben<br />

3<br />

sich auf vier Grundprinzipien<br />

4<br />

des Bedingungslosen Grundeinkommens verständigt:<br />

Das Bedingungslose Grundeinkommen ersetzt<br />

Existenz-<br />

Individueller<br />

Keine<br />

Keine Arbeitsverpflichtung<br />

alle anderen staatlichen Zahlungen und sichert die<br />

sicherung<br />

Rechts-<br />

Bedürftigkeitsprüfung<br />

Existenz jedes Bürgers. Je nach Modell wird das<br />

anspruch<br />

BGE über Steuern wie zum Beispiel Konsum- und<br />

Luxusgüter, Einsparungen in der Bürokratie oder<br />

Besteuerung von Finanzprodukten finanziert.

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