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<strong>Macht</strong> <strong>ihr</strong> <strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>?<br />

Etwas schräg gesponnene<br />

Weihnachtsgeschichten<br />

-<strong>minu</strong>


-<strong>minu</strong><br />

<strong>Macht</strong> <strong>ihr</strong> <strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>?<br />

Etwas schräg gesponnene<br />

Weihnachtsgeschichten<br />

Friedrich Reinhardt Verlag


Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2020 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel<br />

Projektleitung: Beatrice Rubin<br />

Satz: Franziska Scheibler<br />

ISBN 978-3-7245-2161-7<br />

Der Friedrich Reinhardt Verlag wird vom Bundesamt<br />

für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die<br />

Jahre 2016–2020 unterstützt.<br />

www.reinhardt.ch


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Macht</strong> Ihr wieder <strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>? 7<br />

Zwei Kläuse und ein alter Mann 11<br />

Ave Maria 15<br />

Falscher Hase 19<br />

Gesponnene Weihnacht 25<br />

Das Geschenk 29<br />

Der fliegende Klaus 33<br />

Braune Augen 37<br />

Falsche Haare für Maria … 43<br />

Lenchen und Änneli 49<br />

Millis Weihnachten 53<br />

Schokoladenmäuse 57<br />

Hund im Advent 61<br />

Vom langen Abschied und den Krähen … 65<br />

Weihnachtsflucht an die Sonne … 75<br />

Von der Tischordnung<br />

und dem Weihnachtsessen 81<br />

Weihnachts-Karpfen 85<br />

Das lächelnde Christkind 89<br />

Schokolade für Erna 95<br />

Der Seiltänzer 99<br />

Die weisse Kutsche 103


<strong>Macht</strong> <strong>ihr</strong> wieder <strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>?<br />

Es gibt diejenigen, bei denen er<br />

an der Decke kratzen muss.<br />

Und es gibt solche, die blasen eine Gummitanne auf.<br />

Aber Heiligabend ohne Weihnachtsbaum? – Nein.<br />

Geht gar nicht!<br />

Nelly schenkte Wein nach.<br />

Sie schaute <strong>ihr</strong>e Gäste an: «<strong>Macht</strong> <strong>ihr</strong> wieder <strong>einen</strong><br />

<strong>Baum</strong>?»<br />

Walter blinzelte zu Elsie. Diese lachte: «Ja, klar doch!»<br />

Sie hatten immer <strong>einen</strong> Weihnachtsbaum gehabt. Elsie<br />

war bäumig aufgewachsen – sozusagen. Mit Lametta-<br />

und Glasvögelchen-Tradition. Bei Walti waren es Rot-<br />

tannen und weisse Kerzen gewesen. Einziger Schmuck:<br />

Quittenwürstchen an den Ästen.<br />

Als sie heirateten, wurde der <strong>Baum</strong> eine Fusion der<br />

beiden Familien-Traditionen. Elsie machte sich auf die<br />

Suche nach dem letzten Konditor, der noch Quitten-<br />

würstchen herstellte. Und Walti schaute sich nach<br />

Glasvögeln um.<br />

Als es Nachwuchs gab, durfte sich jedes der Kinder<br />

auf dem Weihnachtsmarkt eine Kugel für den <strong>Baum</strong><br />

aussuchen. Jahr für Jahr. Und natürlich musste die Tan-<br />

ne die Decke kratzen. Darunter ging nichts.<br />

Dann wurden die Kl<strong>einen</strong> gross. Und die Tannen klei-<br />

ner. Es gab noch einmal <strong>einen</strong> bäumigen Schub, als die<br />

Enkel auf die Welt kamen. Wieder Deckenkratz-<strong>Baum</strong>.<br />

Und das volle Programm.<br />

Doch als die Jungen verkündeten, sie wollten an<br />

Weihnachten mit den Kindern in die Berge zum Skisport<br />

wegfahren – da liessen sie in den Alten eine gros-<br />

se Leere zurück.<br />

7


«Wir machen k<strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>», hatte Elsie getrotzt.<br />

«Wenn du meinst», hatte Walti seufzend erwidert.<br />

Bedrohlich kam der 24. Dezember näher, ohne dass<br />

eine Tanne auf der Terrasse wartete. Die Kartonschach-<br />

tel mit den Vögeln blieb im Keller. Die Stimmung auch.<br />

Zwar kaufte Elsie zur moralischen Sicherheit ein<br />

kleines Kunststoffbäumchen, kaum zwei Hand gross.<br />

ES WAR DER AUFBLASBARE HORROR – ABER IM-<br />

MER NOCH BESSER ALS GAR KEIN BAUM.<br />

Es war dann ebenfalls Elsie, die doch noch drei Tage<br />

vor dem Heiligen Abend zu Herrn Tobler, dem Tannen-<br />

baumverkäufer jagte: «Haben Sie noch eine Tanne für<br />

mich?»<br />

Er lachte laut heraus: «Aber sicher, Frau Schmid …<br />

d a s gibt aber eine grosse Überraschung!»<br />

Elsie verstaute den Plastik-Greuel im Estrich – und<br />

liess die Weisstanne bis zum Heiligen Abend bei Händ-<br />

ler Tobler stehen.<br />

Als sie den bereits nadelnden Besen am Morgen des<br />

24. keuchend in den 5. Stock schleppte, stand in der<br />

Stube bereits ein <strong>Baum</strong> im Ständer. «Ach Elsie …»,<br />

grinste Walti, als er seine Frau mit der Tanne sah.<br />

«Ach Walti», schnäuzte sich Elsie die Nase. Und<br />

wusste jetzt, weshalb Herr Tobler gegrinst hatte …<br />

Ein paar Jahre später strahlte Walti in der ersten<br />

Adventswoche zu seiner Gattin: «Ich habe für diese<br />

Weihnachten eine Überraschung: ICH HABE FÜR DEN<br />

HEILIGEN ABEND EINE REISE AUF MADEIRA GE-<br />

BUCHT!»<br />

«Walti», rief Elsie halb entzückt, halb entsetzt.<br />

8


Madeira war immer <strong>ihr</strong>e Wunschdestination gewe-<br />

sen: die vielen Blumen, das milde Klima – vor allem: an<br />

<strong>einen</strong> gedeckten Tisch sitzen zu können. UND NICHT<br />

DEN TSCHOLI FÜR DIE ANDERN MACHEN ZU MÜS-<br />

SEN! ABER HALLO – VERLOCKEND!<br />

«Es ist zu unserer goldenen Hochzeit», meinte Walti<br />

bescheiden, «… UND AUCH EIN BISSCHEN ZU DEI-<br />

NEM 75. GEBURTSTAG!»<br />

Nelly schaute <strong>ihr</strong>e Freundin neidvoll an: «Ach Elsie,<br />

hast du ein Glück!»<br />

Drei Tage vor der Abreise rumpelte Elsie auf dem Estrich<br />

herum. Schliesslich entdeckte sie den kl<strong>einen</strong>, ver-<br />

staubten Kunststoff-Horror von einst. Sie pustete den<br />

Staub von der Plastiktanne weg. Und schaute, ob das<br />

Ganze in <strong>ihr</strong>em Reisekoffer Platz haben würde …<br />

Es hatte. Und: «Besser als gar kein <strong>Baum</strong>», sagte sie<br />

zufrieden.<br />

Dann ging sie zu <strong>ihr</strong>em Konditor: «Können Sie mir<br />

ein Dutzend Quittenwürstchen gut verpacken. Die<br />

müssen ins Flugzeug …»<br />

Zuckerbäcker Schiesser zog die Brauen hoch: «Nochmals<br />

zwölf für Madeira? Ihr Mann hat schon ein Dut-<br />

zend bestellt …»<br />

Als Walti abends heimkam, stand eine riesige Tanne in<br />

der Stube. Sie kratzte die Decke. Elsie knüpfte eben<br />

zwölf Quittenwürstchen an die Äste:<br />

«Ich habe alles storniert, mein Schatz. WAS SOLLEN<br />

WIR MIT EINER PLASTIKTANNE AUF MADEIRA?<br />

Man kann alte Bäume nicht verpflanzen …»<br />

9


Die Weihnachtsgeschichten von -<strong>minu</strong><br />

gehören zum Fest wie der geschmückte<br />

<strong>Baum</strong> in die gute Stube. Es sind gespon-<br />

nene Advents momente, wie die Geschichte<br />

von der kl<strong>einen</strong> Spinne Agatha, die auch<br />

einmal Weihnachten erleben möchte,<br />

oder die Episode vom gries grämigen<br />

Christkind, das immer nur lächelt, wenn<br />

ein Wunsch in Erfüllung gegangen ist.<br />

«<strong>Macht</strong> <strong>ihr</strong> <strong>einen</strong> <strong>Baum</strong>?» – das ist die<br />

Frage, die immer wieder gestellt wird.<br />

Und das ist auch eine der Geschichten,<br />

welche den vierten Weihnachtsband<br />

des Basler Kolumnisten schmücken.<br />

Die Geschichten sind kleine poetische<br />

Glitzerkugeln, die manchmal ans Herz,<br />

dann wieder an die Lachmuskeln<br />

gehen – unver kennbar -<strong>minu</strong> eben.<br />

ISBN 978-3-7245-2426-7

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