"Achtbeinige Seelen" (Leseprobe) von Yves Gorat Stommel
„Dann los“, verkündete Ramirez und drückte zwei rote Knöpfe gleichzeitig. Nichts passierte – zuerst. Dann konnte Nick ein in Lautstärke zunehmendes Rumoren vernehmen. Und auch einen Lichtschein, dessen Ursprung hinten in der Halle lag, kam auf sie zu. Das Leuchten kam näher, erreichte sie und schoss vorbei. Alles ergreifend. Tötend. Eine Flutwelle aus Feuer wälzte sich durch die mit Millionen Schmetterlingen gefüllte Halle und ließ Nick erschrocken von der schützenden Glasscheibe zurückweichen. Zugegeben: Nick und seine Zwillingsschwester haben ihre Eigenheiten. So kann Nick sich an die Zeit im Mutterleib und sogar an ein vorheriges Leben erinnern. Als plötzlich die Welt um ihn herum aus den Fugen gerät, knüpft er erste Zusammenhänge zwischen seiner persönlichen Historie und der zunehmend größeren Anzahl an Menschen, welche sich nicht wirklich wie Menschen verhalten. Unbewusst rückt Nick damit sich und sein familiäres Umfeld in das Fadenkreuz einer jahrtausendalten Fehde, welche einst in Griechenland ihren Anfang nahm.
„Dann los“, verkündete Ramirez und drückte zwei rote Knöpfe gleichzeitig.
Nichts passierte – zuerst. Dann konnte Nick ein in Lautstärke zunehmendes Rumoren vernehmen. Und auch einen Lichtschein, dessen Ursprung hinten in der Halle lag, kam auf sie zu. Das Leuchten kam näher, erreichte sie und schoss vorbei. Alles ergreifend. Tötend. Eine Flutwelle aus Feuer wälzte sich durch die mit Millionen Schmetterlingen gefüllte Halle und ließ Nick erschrocken von der schützenden Glasscheibe zurückweichen.
Zugegeben: Nick und seine Zwillingsschwester haben ihre Eigenheiten. So kann Nick sich an die Zeit im Mutterleib und sogar an ein vorheriges Leben erinnern. Als plötzlich die Welt um ihn herum aus den Fugen gerät, knüpft er erste Zusammenhänge zwischen seiner persönlichen Historie und der zunehmend größeren Anzahl an Menschen, welche sich nicht wirklich wie Menschen verhalten. Unbewusst rückt Nick damit sich und sein familiäres Umfeld in das Fadenkreuz einer jahrtausendalten Fehde, welche einst in Griechenland ihren Anfang nahm.
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Geräusch von Fingernägeln auf Holz war zu vernehmen. Offensichtlich
versuchte er eine der Mücken-Leichen zu entfernen. „Dann viel Erfolg.“
Mit einem kurzen Gruß machte Nick sich auf den Weg.
Das Zeitungshaus verlassend, trat Nick in den warmen Juni-Morgen
hinaus. Der Hintereingang des Gebäudes führte auf eine schmale
Sackgasse, die lediglich zum Abstellen von Fahrrädern oder
Mülltonnen genutzt wurde. Hin und wieder spielten hier einige Kinder
Fußball: Es gab fast keine Fenster, die zu Bruch gehen konnten. Die
Mauern aus braunen Backsteinen strebten trist und monoton dem
blauen Himmel entgegen. Insgesamt machte die Gasse einen
trostlosen Eindruck. Zwischen den grauen und leicht gewölbten
Pflastersteinen wuchs hier und dort Gras und an einem lange nicht
mehr bewegten Fahrrad hatten sich ein paar zerfledderte Zeitungen
verfangen.
Die Umgebung schlug ihm heute auf das Gemüt und Nick erinnerte
sich widerwillig an den Nachmittag des vergangenen Freitags. Walter
Moritz hatte ihn angerufen, um fünf Uhr nachmittags. Seinen
bisherigen Auftrag, eine brisante Geldwäsche-Geschichte, hatte er
gerade erst mit einer abschließenden Recherche zu einem
erfolgreichen Ende gebracht.
„Herr Pieters?“, hatte sich Walter Moritz am Telefon gemeldet. Der
informelle Umgang war nur bei ihren morgendlichen Einzelgesprächen
erlaubt: Sobald Nick die Tür der sanitären Einrichtungen hinter sich
schloss, waren die Vornamen tabu, und die Anreden beschränkten sich
auf „Herr Pieters“ und „Herr Moritz“.
„Ihnen ist bestimmt nicht entgangen, dass in den letzten Wochen eine
extreme Zunahme an Insekten zu beobachten war.“
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