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Marburger Magazin Express 5/2021

Das Marburger Stadtmagazin. Ausgabe 5/2021

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Der Start war holprig: Als der

Marburger Oberbürgermeister

Thomas Spies (SPD) vor

fünf Jahren sein Amt antrat, gingen

Eltern gegen geplante Kindergartengebühren

auf die Straße. Es

gab Streit um die städtischen Finanzen,

mögliche Kürzungen und

die persönlichen Umgangsformen.

Seitdem ist es vergleichsweise

ruhig geworden. Spies arbeitet

weitgehend geräuschlos in einem

Bündnis mit der CDU und den

„Bürgern für Marburg“ zusammen.

Aus dem Rathaus hört man

keinen Streit. Und Spies macht

sich stattdessen einen Namen mit

dem Corona-Hilfspaket und Aktionen

gegen Rechtsextremismus.

„Ich musste eine Menge lernen“,

sagt der Sozialdemokrat im Rückblick.

Er habe unterschätzt, dass

die Arbeit auf den Oppositionsbänken

im Wiesbadener Landtag

nach ganz anderen Kriterien abläuft

und dass es in der Kommunalpolitik

viel mehr um oft kleinteilige,

ganz praktische Lösungen

Für das wichtigste aktuelle Thema hält OB Thomas Spies den Wohnungsbau. Foto: Georg Kronenberg

Im Amt angekommen

OB-Wahl: Thomas Spies (SPD) setzt auf Klima und Soziales

geht. Der ausgebildete Arzt war

vor seinem Wechsel an die Stadtspitze

15 Jahre lang Landtagsabgeordneter,

wo er als Experte für

Gesundheit und Wissenschaft

punktete. Er habe auch lernen

müssen, dass Diskussionsanstöße

wie die um den Allnatalweg als

fertige Pläne wahrgenommen

werden. Zudem sei er bei Amtsantritt

zunächst auf ein Haushaltsloch

von 40 Millionen Euro gestoßen.

Inzwischen sehe er die finanzielle

Situation der Stadt

wesentlich gelassener. Und da die

Produktionsstätte für den Corona-Impfstoff

von Biontech in Marburg

liegt, dürfte sich das Stadtsäckel

weiter füllen.

Und wie geht es Spies, der im

Landtag als linker Sozialdemokrat

galt, im Bündnis mit der CDU?

„Schauen Sie sich unsere Politik

an“, sagt der OB. In den vergangenen

Jahren seien die Aufwendungen

für Soziales um ein Drittel, die

für die Kultur um etwa 30 Prozent

gesteigert worden. Es seien 500

neue Kindergartenplätze und

neue Radspuren eingerichtet, eine

Sozialwohnungsquote, ein ÖPNV-

Ausbau für die Außenstadtteile

und ein Klimaaktionsplan eingeführt

worden. Dazu kam das mit

den Schulen vereinbarte 31 Millionen

Euro starke Bildungsbauprogramm

Bibap und eine Bürgerbeteiligung,

die auch sozial Benachteiligte,

Jugendliche und Frauen

mehr einbezieht. Neu eingeführt

hat Spies den Fachdienst „Gesunde

Stadt“, der viele Präventionsprogramme

anstieß und unterstützte.

Dass arme Menschen in

Deutschland zwölf Jahre kürzer

als Wohlhabende leben, möchte er

nicht akzeptieren. Deshalb freut er

sich auf das geplante Gesundheitszentrum

im Marburger Waldtal.

Mit Neid blickten Nachbarstädte

auf das Corona-Hilfspaket „Marburg

Miteinander“, von dem die

Marburger im vergangenen Sommer

profitierten. Es gab 20- bis

50-Euro-Stadt-Gutscheine, mit

denen die Umsätze in den zuvor

geschlossenen Geschäften, Restaurants

und Kulturbetrieben vor

Ort erhöht wurden. Dazu kamen

ein kulturelles Veranstaltungsprogramm,

ein Förderprogramm für

das Handwerk, I-Pads und Nachhilfegutscheine

für Kinder aus benachteiligten

Familien.

Für das wichtigste aktuelle Thema

hält er den Wohnungsbau. In der

Zeit von 2013 bis 2020 seien

knapp 3000 Wohneinheiten, seit

2015 mehr als 400 Sozialwohnungen

gebaut worden. Zahlen, die

von den Marburger Grünen bestritten

werden. Spies möchte auf

jeden Fall, dass noch einmal 3000

Wohneinheiten gebaut werden.

Größter Schwachpunkt des Amtsinhabers:

Es gibt einige Stimmen,

die den 58-Jährigen für überheblich

und allzu eitel halten. Immerhin:

Sowohl im Rathaus als auch

außerhalb polarisiert der gewandte

Redner weniger als zuvor.

„Er hört durchaus zu“, sagen Insider.

„Er ist im Amt angekommen“,

sagt ein Beobachter. „Ich

nehme die Leute sehr ernst“, sagt

er selbst.

Spies ist stolz darauf, wie viele

Menschen in Marburg gegen

Rechtsextremismus auf die Straße

gehen: 7500 Menschen kamen

zu der von der Stadt initiierten Demo

im September 2018. Und der

CDU-Landtagsabgeordnete Dirk

Bamberger stand ebenso in der

ersten Reihe wie der Linken-Landesvorsitzende

Jan Schalauske

und die grüne Fraktionsvorsitzende

Elke Neuwohner. „Antifaschismus

ist Teil meines Diensteides“,

sagt Spies.

Der Oberbürgermeister war auch

auf fast jeder Demonstration der

Marburger „Fridays for Future“:

„Sie haben in der Sache recht“,

sagt der Sozialdemokrat. Auf die

jungen Leute geht der fast einstimmige

Beschluss zurück, nach

dem für die Stadt Marburg ein Klima-Notstand

ausgerufen wurde.

Spies hatte ihn mit den „Fridays

for Future“ abgestimmt. Im Sommer

2019 wurde ein Klimaaktionsplan

beschlossen, der die Stadt in

den kommenden zehn Jahren 130

Millionen Euro kosten und noch

viel mehr Investitionen anstoßen

soll. Gefördert werden Gebäudedämmungen,

Gründächer, Elektro-Räder,

nachhaltige Nachbarschaftsprojekte,

Solaranlagen und

umweltfreundliche Heizungen.

Das Klimathema ist auch in seinem

persönlichen Leben angekommen.

Seit Anfang 2019 ist der

passionierte Fußgänger nicht

mehr geflogen. Stattdessen wanderte

er im Urlaub auf dem Rothaarsteig

und im Burgwald.

Gesa Coordes

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