10.02.2021 Aufrufe

Auf Kurs, Ausgabe Februar 2021

Das Kirchenjournal »Auf Kurs« der ev.-luth. Kirchengemeinden Bremerhavens, Ausgabe Februar 2021

Das Kirchenjournal »Auf Kurs« der ev.-luth. Kirchengemeinden Bremerhavens, Ausgabe Februar 2021

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutsche Seemannsmission

10

Abschied auf hoher See

Mein Eindruck nach zwei Jahren

als Seemannspfarrer ist,

dass an Bord auf hoher See alles

existentieller und intensiver

wahrgenommen wird. Sicherlich,

weil man den Naturelementen

so unmittelbar ausgeliefert

ist, sicherlich auch, weil

Flucht oder Verdrängung nicht

möglich sind.

Ich bin kürzlich an Bord eines

Feeders gerufen worden, weil

es der Mannschaft nicht gut ergehen

würde, so der Kapitän

am Telefon. Ihr Chief, der 1. Ingenieur,

ist in der Nacht die

Treppe hinunter gefallen und

an Genickbruch verstorben. In

der Crewmesse saßen wir nun

zusammen an einem Samstagabend

und versuchten möglichst

würdig den Verstorbenen

zu verabschieden. Philippinen,

Russen und Deutschen,

allen fehlten die Worte, allen

war der Schrecken der Nacht

ins Gesicht geschrieben. Ich

fragte, was den Verstorbenen

ausmachte, las eine Aussendungsliturgie,

spürte jedoch,

dass das nicht genug sei. Mit

zarten Gesten, geführt von

einem Seemann, stiegen wir

alle zusammen die Treppen hinunter

und gelangten an den

Todesort. Ein voller Teller mit

Speisen stand schon dort, um

für den Übergang gestärkt zu

sein und um »den Geist« zu besänftigen.

Ich entzündete zwei

Kerzen, stellte ein Kreuz auf

und verlas erneut viele Segensgebete.

Ein Ruck ging durch

die Mannschaft, Erleichterung

stellte sich ein, die verzweifelte

Stimmung verlor sich. Mein

Vorschlag wurde sofort umgesetzt,

nun mit der zweiten

Kerze in die Kabine des Chiefs

zu gehen. Gleich einer Prozession

gingen wir schweigend die

9 Decks aufwärts und vollzogen

erneut eine Aussendung.

Die Kerzen blieben brennend

zurück und nun erst konnte

am gedeckten Abendbrottisch

auch mit einem Lächeln und

heiter über den Verstorbenen

und seinem Wirken an Bord

gesprochen werden. Ich war

beeindruckt über die unmittelbare

Kraft des Glaubens.

Andreas Latz

Unser freiwilliges soziales Jahr …

… in der Seemannsmission Bremerhaven, von Klara Wölfel (19) und Melvin Sakanovic (20)

Als wir uns für unser FSJ

(Freiwilliges soziales

Jahr) bei der Seemannsmission

Bremerhaven beworben

haben, war Corona noch

sehr weit weg und »Abstand«,

»Maskenpflicht« und »Lockdown«

Fremdwörter. Corona

befand sich noch in den »Kinderschuhen«.

Doch dann war

die Pandemie mit Urgewalt da

und damit auch die Probleme,

Sorgen und Befürchtungen.

Doch wie ist es in Coronazeit in

der Seemannsmission zu arbeiten?

Uns FSJlern wurde schnell klar,

dass wir eine ganz besondere

Verantwortung gegenüber den

Seeleuten tragen. Da viele Seeleute

nicht das Schiff verlassen

dürfen, sind wir ihre einzige

Kontaktperson der Außenwelt

und somit die einzige Gefahr

Corona zu übertragen. Zu Anfang

unseres FSJs hatten wir

immer ein mulmiges Gefühl

LOGBUCH

die Gangway hochzugehen.

Was ist, wenn wir Corona

haben und es bloß noch nicht

wissen? Was passiert, wenn

wir Seeleute anstecken und

wegen uns Personen sterben?

Doch schnell haben wir diese

Befürchtungen hinter uns gelassen.

Die Freundlichkeit und

Dankbarkeit der Seeleute

haben uns bewusst gemacht,

dass wir gebraucht werden.

Jetzt dringender denn je.

Die Einschränkungen von Reedereien

wurden strikter und

immer weniger Seefahrer durften

von Bord und sowohl für

Touristen als auch Zivilpersonen

war der Eintritt in den Seamens

Club Welcome komplett

gesperrt.

Noch nie so stark wie zuvor war

uns eigentlich bewusst, wie

schwer und nervenzerreißend

der Beruf des Seemanns eigentlich

sein kann. Drei, vier manchmal

sogar fünf Monate lang

a Wenn der Bericht unserer FSJ’ler Dein Interesse

geweckt hat, so kannst Du unter www.dsm-bremerhaven.de

oder www.bufdimare.de weitere Informationen

einholen. Das Team der DSM Bremerhaven freut sich

über Deine Bewerbung. Vielleicht sehen wir uns ja.

waren Seemänner auf einem

Schiff länger, als sie es eigentlich

geplant hatten und dies

nur, weil die Pandemie es ihnen

unmöglich machte, vom Schiff

zu gehen oder einen Crew-

Change durchzuführen. Tausende

Kilometer entfernt von ihren

Familien isoliert von der restlichen

Bevölkerung in einem

Land, ohne zu wissen, wann es

wieder nach Hause geht.

Wenn es allerdings für die Seefahrer

möglich war von Bord

zu kommen, war die Freude

groß. In zahlreichen Gesprächen,

die wir mit Seefahrern

aus aller Welt halten durften,

ist uns bewusst geworden, dass

wir eine riesige Verantwortung

tragen, die wir so davor nie erlebt

haben.

Die Schiffbesuche, die wir machen

oder wenn die Seefahrer

uns im Club besuchen, sind

manchmal mit die einzigen sozialen

Interaktionen, die die

Seefahrer überhaupt mit Menschen

außerhalb ihres Schiffes

tätigen. Diese besondere Verantwortung,

die wir in unserem

FSJ erfahren, wird von den Seefahrern

wertgeschätzt. Diese

Wertschätzung allein gibt uns

das Gefühl keine Sekunde die

falsche Entscheidung getroffen

zuhaben, was unsere FSJ-Wahl

anbetraf. Klar freuen sich die

Seefahrer über SIM-Karten, Bier

FSJler Klara Wölfel kurz vor Bordbesuch des Feeders MS Klara

oder Schokolade, aber was am

meisten geschätzt wird, ist tatsächlich

das Gefühl für eine Sekunde

den Alltag vom Schiff zu

entkommen. Die Besucherzahlen

des Seemannsclubs Welcome

sind gering. Doch die Seeleute,

die dann doch kommen,

sind unendlich dankbar. Dankbar,

dass wir geöffnet haben. So

können sie in einer gemütlichen

Atmosphäre mit den Liebsten

zu Hause telefonieren. Weg von

dem Stress an Bord, weg von

den Problemen zu Hause.

Wir sind froh, dass wir in unserem

FSJ bei der Seemannsmission

Bremerhaven aktiv

Menschen in dieser schwierigen

Zeit helfen können. Ein

Seemann sagte einmal zu uns:

»This ship is like a prison on

water« und wir als Seemannsmission

haben die Aufgabe,

den Aufenthalt in diesem Gefängnis

ein wenig erträglicher

zu machen.

FSJler Melvin Sakanovic

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!