Broschüre MKK - Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr eV
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Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Caritasverband</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Mosel</strong>-<strong>Ahr</strong> e.V.<br />
Fachdienst Migration<br />
St.-Veit-Str. 14 | 56727 Mayen<br />
Tel.: 02651 / 98 69-0<br />
Fax: 02651 / 98 69-118<br />
www.caritas-mayen.de<br />
info@caritas-mayen.de<br />
Autoren:<br />
Markus Göpfert Yvonne Krämer<br />
Dipl.-Sozialpädagoge B.A. Soziale Arbeit<br />
System- & Familienberater<br />
Supervisor<br />
Fotos:<br />
Yvonne Krämer<br />
Mona Rednak<br />
Jana Hoffmann<br />
Tina Heidger<br />
Gestaltung:<br />
Josef Groß<br />
Interkulturelle<br />
Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
zur psychosozialen Stabilisierung von<br />
Flüchtlingskindern<br />
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<strong>Caritasverband</strong><br />
<strong>Rhein</strong>-<strong>Mosel</strong>-<strong>Ahr</strong> e.V.<br />
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Interkulturelle Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
INHALT<br />
Vorwort<br />
1. Die sozialpädagogische Arbeit mit Flüchtlingskindern<br />
im Fachdienst Migration des <strong>Caritasverband</strong>es <strong>Rhein</strong>-<strong>Mosel</strong>-<strong>Ahr</strong> e.V.<br />
1.1. Flüchtlingskinder und Trauma<br />
1.2. Das STOP-Modell<br />
1.3. Das ehrenamtliche Team der pädagogischen Mitarbeiter(innen)<br />
2. Förderung der Resilienz<br />
2.1. Lernmöglichkeiten für Flüchtlingskinder in einer Ferienerholungsmaßnahme:<br />
hier am Beispiel eines neunjährigen Jungen aus Tschetschenien<br />
2.2. Dance for life – Interkulturelle HipHop-Werkstatt<br />
Projekt zur Förderung der Resilienz von Flüchtlingskindern/-jugendlichen<br />
zur Unterstützung der Integration<br />
2.3. Erfahrungen – Ergebnisse – Auswirkungen<br />
der Interkulturellen HipHop-Werkstatt<br />
2.4. Ausblick<br />
Literaturverzeichnis<br />
4<br />
1. Die sozialpädagogische Arbeit mit Flüchtlingskindern<br />
im Fachdienst Migration | <strong>Caritasverband</strong> <strong>Rhein</strong>-<strong>Mosel</strong>-<strong>Ahr</strong> e.V.<br />
Seit vielen Jahren arbeitet die Kinder- und<br />
Jugendgruppe Multi-Kulti-Kids des Fachdienstes<br />
Migration im Bereich der interkulturellen<br />
Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
unter Berücksichtigung der besonderen<br />
Lebenssituation von Flüchtlingskindern.<br />
Regelmäßige Angebote sind Tagestreffen,<br />
eine Ferienerholungsmaßnahme<br />
im Sommer und thematische Workshops<br />
zur psychosozialen Stabilisierung. Ca. 35<br />
bis 40 Kinder und Jugendliche nehmen<br />
regelmäßig an den Angeboten teil (aus<br />
den Herkunftsländern Bosnien, Serbien-<br />
Montenegro, Kosovo, Türkei, Syrien,<br />
Irak, Iran, Tschetschenien, Nigeria, Ghana,<br />
Multi-Kulti-Kids<br />
Deutschland). Die Kinder- und Jugendgruppe<br />
Multi-Kulti-Kids arbeitet mit einem<br />
ehrenamtlichen pädagogischen Team. Die<br />
Leitung und fachliche Begleitung erfolgt<br />
hauptamtlich im Fachdienst Migration.<br />
Dort finden die Maßnahmen in Kooperation<br />
mit IN TERRA – Psychosoziale Fachstelle<br />
für Flüchtlinge statt. IN TERRA bietet<br />
Beratung, Begutachtung und Therapie für<br />
traumatisierte Flüchtlinge und Folteropfer<br />
an. Durch die Vernetzung innerhalb des<br />
Fachdienstes Migration besteht außerdem<br />
eine Anbindung an die Migrationsberatung<br />
für Erwachsene (MBE) und den Jugendmigrationsdienst<br />
(JMD).<br />
5
Interkulturelle Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
1.1. Flüchtlingskinder und Trauma<br />
Die Kinder von Flüchtlingen sind oftmals<br />
besonders belastet. Die Flucht aus dem<br />
Heimatland vor Krieg, Folter und Gewalt<br />
bedeutet für sie vielfach die absolute<br />
Entwurzelung aus vertrauten Familienstrukturen,<br />
Werte- und Normmustern.<br />
Hinzu kommen direkte und indirekte<br />
Gewalterlebnisse. Die Situation im Exil ist<br />
gekennzeichnet durch Armut, gesellschaftliche<br />
Ausgrenzung und fehlende<br />
Zukunftsperspektiven. Vor allem die oft<br />
jahrelange Unsicherheit zwischen Bleiberecht<br />
und Abschiebung beeinflusst den<br />
Alltag einer Flüchtlingsfamilie. Die Eltern<br />
haben sich aufgrund eigener Gewalterfahrungen<br />
häufig verändert und können<br />
ihrer Erziehungsrolle nicht mehr gerecht<br />
werden.<br />
Viele Kinder sind traumatisiert. „Ein psychisches<br />
Trauma ist eine Verletzung der<br />
Seele durch ein tragisches, erschütterndes,<br />
stark belastendes Erlebnis, das<br />
außerhalb der üblichen menschlichen<br />
Erfahrung steht. Kennzeichnend für eine<br />
traumatische Situation ist das Erleben von<br />
Bedrohung, Ausgeliefertsein, Entsetzen,<br />
1<br />
Hilflosigkeit, sowie Todesangst.“<br />
1 Von Törne (2004): S. 1<br />
6<br />
Kinder aus Syrien und Russland bei Freizeitaktionen<br />
der Kinder- und Jugendgruppe<br />
Multi-Kulti-Kids<br />
Je nach Persönlichkeit reagieren Kinder<br />
auf traumatische Erlebnisse mit Entwicklungs-<br />
und Persönlichkeitsstörungen<br />
sowie anderen Verhaltensauffälligkeiten,<br />
die sich wiederum im Krankheitsbild der<br />
Posttraumatischen Belastungsstörung<br />
wiederfinden. Trotz allem sind es auch<br />
Kinder und Jugendliche mit vielen Fähigkeiten.<br />
Kreativ zu sein, hieß für sie vielleicht<br />
schon einmal überleben. Diese Ressourcen<br />
gilt es im Umgang mit den Kindern zu<br />
erkennen und zu stärken. Aus diesem<br />
Blickwinkel heraus versteht sich die<br />
sozialpädagogische Arbeit mit Flüchtlingskindern<br />
des <strong>Caritasverband</strong>es <strong>Rhein</strong>-<br />
<strong>Mosel</strong>-<strong>Ahr</strong> e.V.<br />
Berücksichtigt wird hier, dass der Übergang<br />
von sozialpädagogischer und<br />
psychotherapeutischer Arbeit oft fließend<br />
ist und ineinander greift. Natürlich ersetzt<br />
die freizeitpädagogische Arbeit keine<br />
2 Vgl. Göpfert (2003): S. 13<br />
Multi-Kulti-Kids<br />
Therapie, sie kann jedoch in Ansätzen<br />
Erlebnisse aufgreifen, Räume dafür bieten,<br />
Verarbeitungsprozesse in Gang bringen,<br />
das Selbstbewusstsein stärken, Erholung<br />
und Entspannung ermöglichen, sowie<br />
Struktur und Orientierung vermitteln. Dies<br />
sind wichtige Aspekte zur psychosozialen<br />
Stabilisierung und zur Aufdeckung vielfacher<br />
Ressourcen, die die Kinder haben<br />
und selbst - heilend einsetzen können (so<br />
geht aus der Fachliteratur hervor, dass<br />
die Spontanheilung von traumatisierten<br />
Flüchtlingskindern bei etwa 2/3 liegt).<br />
Genau hier greifen die sozialpädagogischen<br />
Maßnahmen und tragen maßgeblich<br />
zur psychosozialen Stabilisierung bei.<br />
Stabilität bildet die Grundvoraussetzung,<br />
mit der Behandlung traumatischer Ereignisse<br />
zu beginnen, die zum Ziel die<br />
Integration des Erlebten in die Persönlich-<br />
2<br />
keit hat.<br />
7
Interkulturelle Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
1.2. Das STOP-Modell<br />
Die sozialpädagogische Arbeit findet nach<br />
den Grundsätzen des „STOP-Modells“<br />
statt. Das STOP-Modell wurde vom<br />
Rehabilitationszentrum für Folteropfer in<br />
Kopenhagen für traumatisierte Kinder und<br />
Jugendliche und ihre Familien entwickelt.<br />
Es enthält ganz einfache pädagogische<br />
Grundsätze, die auf dem Hintergrund von<br />
Flucht und Trauma ihre besondere Bedeutung<br />
finden.<br />
„Das S steht für Struktur. Den chaotischen<br />
Prozess, in dem diese Kinder<br />
stecken, zu unterbrechen, heißt, ihnen<br />
Struktur zu geben, einen festen Rahmen<br />
zu schaffen.<br />
Das T steht für „Talking and time“<br />
(Gespräche und Zeit). Es ist von<br />
zentraler Bedeutung, den Kindern und<br />
ihren Familien Zeit und Raum für<br />
Gespräche anzubieten.<br />
Das O steht für „organized play“<br />
(organisiertes Spiel). Durch die Bereitstellung<br />
von Spielmaterialien soll<br />
organisiertes Spiel möglich werden und<br />
dadurch eine Situation entstehen, in der<br />
im Spiel das traumatische Erleben<br />
bearbeitet werden kann. Die Art des<br />
Spielangebots richtet sich dabei nach<br />
den altersgemäßen Bedürfnissen des<br />
Kindes.<br />
Das P steht für „Parent support“<br />
(Unterstützung der Eltern). Es bedeutet<br />
die Eltern in ihrer Verantwortlichkeit<br />
ernst zu nehmen, ihre Leistungen für<br />
das Überleben der Familie zu würdigen<br />
und an den spezifischen Stärken und<br />
Fähigkeiten dieser Familien anzu-<br />
3<br />
knüpfen.“<br />
8<br />
Die Grundsätze finden sich in den praktischen<br />
Angeboten wieder. Interkulturelles<br />
und soziales Lernen sind in allen Maßnahmen<br />
selbstverständlich. Im Sinne von<br />
Integration werden auch einheimische<br />
Kinder und Jugendliche und Kinder und<br />
Jugendliche mit anderen Migrationshintergründen<br />
mit einbezogen.<br />
3 Von der Marwitz (1998): S. 148
Interkulturelle Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
18<br />
2.2. Dance for life - Interkulturelle HipHop Werkstatt<br />
1. Januar 2009 – 30. Juni 2010<br />
Dance for life – Interkulturelle HipHop-Werkstatt:<br />
Projekt zur Förderung der Resilienz von Flüchtlingskindern<br />
und -jugendlichen zur Unterstützung<br />
der Integration<br />
Innerhalb der transitorischen Räume ist<br />
auch die Breakdance-Maßnahme „Dance<br />
for life – Interkulturelle HipHop-Werkstatt:<br />
Projekt zur Förderung der Resilienz von<br />
Flüchtlingskindern und -jugendlichen zur<br />
Förderung der Integration“ verortet.<br />
Breakdance ist, neben Rap, Graffiti und<br />
DJ-Techniken, ein Element des HipHop<br />
und somit Bestandteil einer der derzeit<br />
17<br />
größten Jugendkulturen. Die kulturellen<br />
Wurzeln des HipHop liegen in den sozialen<br />
Spannungen der hauptsächlich von<br />
„African-Americans“ und Lateinamerikanern<br />
bewohnten New Yorker Stadtteile<br />
South Bronx, Harlem und Brooklyn der<br />
1970er Jahre. Die kulturelle Praxis des<br />
HipHop formierte sich als Protest der an<br />
den Rand der Gesellschaft gedrängten<br />
Jugendlichen dieser Stadtviertel, die um<br />
Aufmerksamkeit für ihre Situation kämpften.<br />
Bis heute identifiziert sich weltweit<br />
eine Vielzahl marginalisierter Jugendlicher<br />
mit dem Entstehungshintergrund dieser<br />
Jugendkultur und stellt Parallelen zu den<br />
18<br />
eigenen Lebensbedingungen her. Auch<br />
viele Kinder und Jugendliche aus dem<br />
Projekt – mit und ohne Flüchtlingshintergrund<br />
– stammen aus Familien, die sozialen<br />
Benachteiligungen und Ausgrenzungserfahrungen<br />
ausgesetzt sind und die daher<br />
in der HipHop-Kultur Anknüpfungspunkte<br />
zu ihrer eigenen Situation sehen.<br />
Unter dem Begriff „Breakdance“ werden<br />
eine Reihe von weiter differenzierten<br />
Tanzstilen zusammengefasst. Die bekanntesten<br />
sind: „Breaking“, „Popping“,<br />
„Locking“, „Krumping“ bzw. „Clowning“<br />
und „Uprock“. „Breaking“ bezeichnet<br />
einen akrobatischen Bodentanz, der<br />
innerhalb Europas, insbesondere in<br />
Deutschland und Süd-Europa, verbreitet<br />
ist und die Vorstellung von Breakdance im<br />
Allgemeinen stark beeinflusst. „Popping“<br />
Multi-Kulti-Kids<br />
und „ Locking “ sind eher in den skandina-<br />
19<br />
vischen Ländern vertreten. „Popping“,<br />
ein langsamer, roboterähnlicher Platztanz,<br />
beruht auf der Isolationstechnik und der<br />
Idee eines mechanisierten und digitalisierten<br />
Körpers. Inspiration erhält er<br />
aus Science-Fiction-Serien, Computeranimationen<br />
und Videospielen. Im Vergleich<br />
mit „Popping“ ist „Locking“ der ausdrucksstärkere<br />
und rhythmusbetontere<br />
Tanz. Gearbeitet wird mit Elementen der<br />
20<br />
Pantomime und der Ironie.<br />
Ohne auf weitere Differenzierungen einzugehen<br />
ist die Grundlage des Breakdance<br />
eine einfache Schrittfolge, die in wenigen<br />
Minuten zu erlernen ist. Alle weiteren<br />
Elemente sind kompliziert und erfordern<br />
viel Körperbeherrschung und Training.<br />
Durch die Verbindung von Tanz mit akrobatischen<br />
Elementen wird Breakdance zu<br />
einem rasanten und sportiven, körperlich<br />
höchst anspruchsvollen Spiel mit Körperzentren<br />
und Achsen. Breakdance lässt<br />
Achsen und Zentren überall im Körper vor-<br />
stellbar werden und eröffnet Spielräume<br />
21<br />
für zuvor unvorstellbare Körperfiguren.<br />
Breaker zeigen, dass das Unmögliche<br />
möglich ist. Sie überwinden Grenzen auf<br />
physischer Ebene und können daraus eine<br />
innere Stärke für den Umgang mit den<br />
Herausforderungen des Lebens ent-<br />
22<br />
wickeln.<br />
17 vgl. Farin, Hevelke (2008): S. 129<br />
18<br />
vgl. Rode (2006): S. 16<br />
19<br />
vgl. Rode (2006): S. 160<br />
20<br />
vgl. Klein, Friedrich (2003): S. 32ff<br />
21 vgl. Klein, Friedrich (2003): S. 15, 31f<br />
22 vgl. Rode (2006): S. 174<br />
19
Interkulturelle Kinder- und Jugendsozialarbeit<br />
Training, 1. Workshopwochenende<br />
Training, 2. Workshopwochenende<br />
20<br />
In der Maßnahme „ Dance for life “ bildeten<br />
sich zwei Trainingsgruppen heraus, die<br />
sich jeweils verstärkt mit den Tanzformen<br />
des „Breaking“ bzw. des „Locking“ und<br />
„Popping“ beschäftigten und sich dann<br />
zum Ende der Maßnahme in einem gemeinsamen<br />
Bühnentanz wieder vereinten.<br />
Jede Gruppe wurde von einem professionellen<br />
Tanztrainer aus Köln angeleitet und<br />
durch Mitarbeiter(innen) aus dem ehrenamtlichen<br />
Team der Multi-Kulti-Kids pädagogisch<br />
begleitet. Ein junger Erwachsener<br />
aus dem Kosovo mit eigener Flüchtlingsgeschichte<br />
und fortgeschrittenen Kenntnissen<br />
im Breakdance fungierte als Co-<br />
Trainer. Die Koordination der einzelnen<br />
Angebote, wurde durch eine pädagogische<br />
Fachkraft auf Honorarbasis und<br />
hauptverantwortlich durch den Leiter des<br />
Fachdienstes Migration der Caritas übernommen.<br />
Insgesamt nahmen etwa 40 Kinder und<br />
Jugendliche an den Angeboten der Maßnahme<br />
teil. Die Aktivitäten umfassten<br />
vier Workshop-Wochenenden mit Übernachtungen,<br />
insgesamt etwa 16 einzelne<br />
Trainingsnachmittage. Bereits vier Auftritte<br />
fanden statt, weitere folgen.<br />
Training ...