Vom Werden und Vergehen
Werksübersicht zu Michaela Bruckmüller's Arbeiten: - "Schwarzer Vogel, flieg ..." - Danse macabre - "vom Werden und Vergehen" - "…sollst sanft in meinen Armen schlafen…" Stand: 2020
Werksübersicht zu Michaela Bruckmüller's Arbeiten:
- "Schwarzer Vogel, flieg ..."
- Danse macabre - "vom Werden und Vergehen"
- "…sollst sanft in meinen Armen schlafen…"
Stand: 2020
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Anderswelten<br />
Michaela Bruckmüller widmet sich in ihren fotografischen Rauminstallationen den Relationen von Oberfläche <strong>und</strong> Raum sowie von<br />
Licht <strong>und</strong> Dunkelheit.<br />
Die unterschiedliche Beschaffenheit der Oberflächen der belichteten Papiere dient ihr zur Analyse der Raumwahrnehmung. Und die<br />
Lichtzeichnung ist ihr ein Zugang, um gerade das Fehlen von Licht zu untersuchen.<br />
Dunkelheit ist in den Arbeiten von Michaela Bruckmüller eine unwägbare existentielle Tiefe, die sich als Raumillusion einstellt. Gläsern<br />
spiegelnde oder samtig unergründliche Oberflächen sowie scharf gezeichnete farbintensive Objekte vor lichtlosen Hintergründen<br />
evozieren eine irritierend flache wie unendliche Räumlichkeit. Sie bildet sich durch den harten Gegensatz der haptischen Präsenz der<br />
Bildmotive zur ungreifbaren Schwärze, in die sie gestellt sind.<br />
Ein thematischer Fokus ihrer Arbeiten sind Pflanzen, gerade auch für die Analyse der Dunkelheit, denn sie wurzeln im Dunkeln <strong>und</strong><br />
bilden ihre Körper aus Licht, wenden sich ins Licht. Lange Zeit wurden Pflanzen unterschätzt, heute werden ihre Formen der<br />
Kommunikation, aber auch Intelligenz <strong>und</strong> sogar Emotionalität wissenschaftlich untersucht. Als überwiegende Lebensform auf der<br />
Erde machen sie durch ihren Metabolismus den Säugetieren das Leben erst möglich. Unscheinbare Gräser wie der Weizen, sagt<br />
man, haben sich den Menschen untertan gemacht, um den Weg zur Weltherrschaft anzutreten. Junge Sonnenblumen bewegen sich<br />
spielerisch miteinander, um Sozialität zu üben. Dass Vegetarismus einen Weg aus schuldhaftem Leben weist, wird wahrscheinlich<br />
noch revidiert werden müssen.<br />
Die glänzenden Papiere der Serie „...sollst sanft in meinen Armen schlafen“ von 2015 (100 x 80 cm / flat bed scan / C-Print) erinnern<br />
an die Wasseroberfläche eines beschatteten Waldteichs – eine Anderswelt des Lebendigen, angesichts derer sich der Schmerz der<br />
Todessehnsucht zelebrieren lässt, wie etwa auch in John Everett Millais’ Ophelia von 1852, eine Ikone der präraffaelitischen Malerei.<br />
Der Körper einer schönen jungen Frau treibt hier in der Untiefe eines pflanzenreichen Gewässers, ihre leblose Hand gibt die<br />
gepflückten Blumen wieder frei, die sie zum Tod gebracht haben. Auf ihre Art inszeniert auch Michaela Bruckmüller einen solchen auf<br />
die Spitze ästhetisierten Umschlagpunkt von <strong>Werden</strong> zum <strong>Vergehen</strong>. Ihre im Schwarzen schwebenden Blütenpflanzen sind giftig <strong>und</strong><br />
tragen so die tragische Verlockung ins Dunkel einzutauchen bereits in sich. Die Serie ist eine Hommage auf Helmut Eisendles Buch<br />
„Tod <strong>und</strong> Flora“, in dem die Anwendung von Giftpflanzen ironisch oder phantastisch als Lösungsweg skizziert ist. Eine Handvoll von<br />
Herbstzeitlosen kann eine Familie ins Grab bringen. Dennoch ist angesichts schöner Pflanzenbilder mit Sterblichkeit einfacher<br />
umzugehen. Denn auch das Verwelken <strong>und</strong> sein Formenspiel hat Schönheit, mehr sogar als die Blüte des Lebens. Danse macabre<br />
von 2016/17 (21 x 29,7 cm / flat-bed scan / Fine Art Print) ist eine Serie als Rauminstallation mit dem Motiv verwelkender Tulpen. Das<br />
samtige Mattschwarz der Oberfläche dieser Papiere ist ein technisches Rätsel für die Betrachtenden, kaum kann man sich<br />
beherrschen, nicht auch den Tastsinn zu seiner Ergründung hinzu zu ziehen. Mangels Spiegelung erzielt Michaela Bruckmüller noch<br />
mehr an illusionärer Raumtiefe. Man wird stark erinnert an das Chiaroscuro des Barock <strong>und</strong> an die Stillebenmalerei des 17.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts. Auch hier strahlt farbenprächtiges Leben vor dunkler Unergründlichkeit hin zum Betrachter, im angekündigten<br />
Umschlagpunkt zur Verwesung – ein memento mori, das durch kunstfertig realistische Gegenwärtigkeit besticht.
Mit einer berückenden Präzision <strong>und</strong> Schärfe der Abbildung greift Michaela Bruckmüller ebendieses Element auf <strong>und</strong> erwirkt so eine<br />
Art Überrealität, die unmittelbar <strong>und</strong> dauerhaft fasziniert.<br />
Etwa die wächsern-schillernde Farbigkeit der welkenden Blütenblätter, wie sie uns vertraut ist <strong>und</strong> hier, im Bild, viel greifbarer scheint<br />
als in der Wirklichkeit. Diese Unmittelbarkeit führt dann doch auch ziemlich unmittelbar zurück in das Thema des Sterbens, wie es uns<br />
nun einmal alle betrifft. Und da passt ein Diktum des Künstlers Lois Weinberger, das Barbara Frischmuth in einem Essay über die<br />
w<strong>und</strong>erbare Anderswelt der Pflanzen bewahrte: „Solange uns die Natur sterben lässt, kann sie nicht nur als metaphorisch angesehen<br />
werden.“<br />
Quelle:<br />
Barbara Frischmuth, Das Leben der Anderen (DER STANDARD, 27.03.2015) / https://derstandard.at/2000013215422/Barbara-<br />
Frischmuth-Das-Leben-der-Anderen (abgerufen am 16.05.2018)<br />
Astrid Kury<br />
Mai 2018
Erinnerungsstück.<br />
(Taxus baccata)<br />
2018<br />
30x140x80 cm / Holzbox auf Metall / Glasprint<br />
Eine mattschwarz lackierte Holzbox, in deren Mitte eine Glasplatte steckt – darauf ist das Foto einer Eibe (taxus baccata) gedruckt.<br />
Die Aufnahme ist nur bei Gegenlicht sichtbar - schaut man von der dem Licht zugewandten Seite in die Box, spiegelt man sich selbst.<br />
Gnothi seauton – erkennne Dich selbst, die Aufforderung zur menschlichen Selbsterkennntnis als Teil der Einsicht in die Hinfälligkeit <strong>und</strong><br />
Endlichkeit des Seins. Allerdings im Sinne Platons, demzufolge diese Einsicht nicht nur dazu dient, sich der eigenen Sterblichkeit<br />
bewusst zu werden, sondern auch um tiefere Zusammenhänge zu erkennen, den Charakter zu stärken <strong>und</strong> damit das Wohl der Seele zu<br />
erreichen.<br />
Auch in dieser Arbeit wirkt die Farbe Schwarz als Verstärker, um den Fokus auf das Zentrum zu legen – in diesem Fall ist es das Abbild<br />
der Eibe, des Ahnenbaums, der die Brücke ins Jenseits symbolisiert.<br />
Taxus baccata ist die älteste Baumart Europas, kann tausende von Jahren alt werden <strong>und</strong> alle Teile des Baums sind stark giftig. Ihr<br />
langsam wachsendes Holz ist ausgesprochen widerstandsfähig <strong>und</strong> hart. Sie krallt sich mit ihren Wurzeln an Felsen fest <strong>und</strong> kann dabei<br />
in wasserführende Senken <strong>und</strong> Tiefen eindringen. Mythologisch gesehen stellt sie die Verbindung zwischen den Welten her, besitzt<br />
Zauberkräfte <strong>und</strong> steht an der Schwelle zwischen Leben <strong>und</strong> Tod.<br />
Die schwarze Box als Aufbewahrungsort - sie absorbiert, bettet ein, öffnet Räume – <strong>und</strong> verschließt sie wieder…<br />
Die Arbeit entstand in Erinnerung an meine Mutter.
Schwarzer Vogel, flieg….<br />
(Arbeitstitel)<br />
Konzept zur fotografischen Darstellung des „Schwoazseidenen“ in OÖ<br />
Tiachl, Schwarztuch, Flügelhaube – neben den multiplen Begrifflichkeiten des traditionellen, schwarzen Kopfschmucks in OÖ gibt es bis zu 40 verschiedene<br />
Bindearten, die große, regionale Unterschiede aufweisen. Allen gemein ist das Prinzip der „Flügel“ oder „Zipf“ – das sind die Seitenteile des Tuches, die<br />
teilweise bis über den Rücken reichen. Das quadratische Tuch hat eine Seitenlänge von 1,5 m <strong>und</strong> ist aus schwarzer Seide. Um dem Stoff die nötige<br />
Festigkeit zu geben, hat man das Material mit mehreren Flaschen Schwarzbier getränkt <strong>und</strong> anschließend getrocknet. Der Stoff sollte sich anfühlen wie<br />
Seidenpapier, um die besten Binderesultate zu erzielen. Geb<strong>und</strong>en werden die Tücher dann direkt am Kopf, zum Fixieren werden Haarnadeln verwendet<br />
(angeblich wurde der Kopfschmuck früher mit langen Haarnadeln direkt in die Kopfhaut gesteckt).<br />
Künstlerischer Fokus:<br />
Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Farbe Schwarz schreibt Harald Haarmann folgendes: „Schwarz berührt nicht nur unseren Mechanismus von<br />
Vorlieben <strong>und</strong> Abneigungen, die Schwärze verbindet sich mit der düstersten aller Emotionen des Menschen - mit seiner Existenzangst. Das Teuflische an<br />
der Existenzangst ist der Umstand, dass sie in unzähligen Varianten auftritt – als Angst vor der Dunkelheit, als Furcht davor, im Berufs- oder Privatleben zu<br />
versagen, als Angst vor dem Tod." 1<br />
Die gegenwärtigen Lebenswelten sind geprägt von einem kulturellen Pluralismus, in der das Individuum neben den eigenen, autochthonen rituellen<br />
Praktiken eine breite Auswahl an kulturellen Ausdrucksformen vorfindet <strong>und</strong> unabhängig von geographischen Rahmenbedingungen leben kann. Ermöglicht<br />
wurde das durch die digitale Revolution, den Ausbau des Flugverkehrs, die Aufhebung nationaler Grenzen (innerhalb Europas), Migration <strong>und</strong> viele andere,<br />
parallel ablaufende technische <strong>und</strong> sozio-ökonomische Prozesse. Diese unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefassten Phänomene bedingen<br />
einerseits eine Verdrängung der einheimischen Kultur, <strong>und</strong> zum anderen werden die globalen Einflüsse lokal modifiziert <strong>und</strong> in die eigenen, klassischen<br />
Wertvorstellungen eingeb<strong>und</strong>en.<br />
In diesem Kontext möchte ich diese spezielle, lokal begrenzte Praktik des „Schwoazseidenen“ untersuchen, fotografisch sammeln <strong>und</strong> konservieren.<br />
Technik:<br />
Mittlerweile beschäftige ich mich bereits seit einigen Jahren mit der Farbe Schwarz <strong>und</strong> dem Thema Dunkelheit/Nacht in der Fotografie (zB: Fiktion / 2006-<br />
2008, Vor dem Anfang war die Nacht / 2010-2011, Eine Locke von deinem Haar / 2012-2014, sollst sanft in meinen Armen schlafen… / ab 2015 - Beispiele<br />
dazu unter www.michaelabruckmueller.net).<br />
Bei dem vorliegenden Porträtprojekt über Trägerinnen des herkömmlichen schwarzen Kopftuches als Teil der Tracht im Raum OÖ, trifft das Faszinosum der<br />
Farbe „Schwarz“ zusätzlich den Aspekt des fotografischen Sammelns <strong>und</strong> Dokumentierens.<br />
Die Aufnahmen werden mit einer Standartenkamera (4x5 zoll) auf Farbfilm gemacht, um größtmögliche Schärfe, Farbenreichtum, Tonabstufungen <strong>und</strong><br />
Detailreichtum zu erzielen. In Anlehnung an gemalte Bilder setzt diese Art der Fotografie viel Zeit der handelnden Personen voraus – ein gegenseitiges<br />
Betrachten beim Gegenübersitzen ist möglich. Die fertigen, analogen Abzüge sollen großformatig sein, um die Details im Schwarz, der Bekleidung <strong>und</strong> den<br />
Gesichtern möglichst fein herauszuarbeiten. Optisch bewegen sich die Bilder im Schwarz-schwarz-Kontrast.<br />
1<br />
Harald Haarmann: Schwarz – eine kleine Kulturgeschichte, Frankfurt 2005, 1. Auflage, S. 30
Danse macabre<br />
2017 / work in progress / Grösze variabel<br />
<strong>Vom</strong> <strong>Werden</strong> <strong>und</strong> <strong>Vergehen</strong><br />
Ausgehend von den Schriften Aristoteles „Über <strong>Werden</strong> <strong>und</strong> <strong>Vergehen</strong>“ versuche ich, Fragen über Vergänglichkeit in organischen Systemen, am<br />
Beispiel von Pflanzen, nachzugehen.<br />
Nach dem <strong>Vergehen</strong> des Individuums sucht das System durch Neuordnung wieder in ein Gleichgewicht zu kommen, dieser Vorgang wiederholt sich<br />
fortwährend.<br />
Platon versteht die werdenden <strong>und</strong> vergehenden Dinge als Abbilder, die sich an ein Sein nur „anklammern“ (Timaios, 52c) – so gesehen unterstützt<br />
der schwarze Hintergr<strong>und</strong> die optische Modifikation <strong>und</strong> schafft Raum, in dem Vergängliches dauerhaft festgehalten ist. Die abgebildeten Objekte<br />
verlieren durch die Vereinzelung ihre ursprüngliche Bedeutung <strong>und</strong> Form.<br />
Der vorliegende Zyklus ist in mehrere Werkgruppen unterteilt, die unter dem Titel „Vanitas vanitatum“ zusammengefasst sind. Ein Zitat aus dem Alten<br />
Testament, das soviel wie „Alles ist eitel“ bzw „Alles ist nichtig, vergänglich“ bedeutet.<br />
Wie schon in früheren Arbeiten, geht es auch in dieser Werkgruppe im weiteren Sinn um Transformation, um eine Neudefinition bekannter Objekte –<br />
deren Steigerung schließlich im Tod, als ultimativ-transformativen Prozess, mündet.<br />
Vorliegende Arbeiten:<br />
2016-2017 / 21x29,7 cm (fade away) / flat-bed scan / Fine Art Print / Wandinstallation / Auflage 5/+2 AP<br />
2017 / 70x100 cm (Ranunculus asiaticus var.) / 50x70 cm (Tulipe) / flat-bed scan / Fine Art Print / gerahmt / Auflage 5/+2 AP<br />
Die Arbeiten gehören im weiteren Sinne ebenfalls zum „<strong>Werden</strong> <strong>und</strong> <strong>Vergehen</strong>“ Zyklus <strong>und</strong> bestehen aus verwelkten Blumensträußen, die ich über<br />
einen Zeitraum von mehreren Tagen porträtiere. Die Blumen verändern im geschnittenen Zustand ihre Beschaffenheit, wachsen teilweise weiter oder<br />
trocknen völlig ein <strong>und</strong> erinnern optisch an alternde Menschen. Eine Veränderung, deren Bewegung <strong>und</strong> Form im Prozess des <strong>Vergehen</strong>s an einen<br />
Totentanz erinnert.<br />
„Bei Bruckmüllers detailgetreuen Blumenportäts handelt es sich ebenfalls um Natur im Zustand des bereits einsetzenden Verfalls. Der Todesbezug<br />
ist schon im Titel der von ihr gezeigten Installation <strong>und</strong> der beiden Einzelarbeiten gegeben: Danse macabre aus der fortlaufenden Serie Vanitas<br />
vanitatum – vom <strong>Werden</strong> <strong>und</strong> <strong>Vergehen</strong> – einem besonders im barocken Stillleben zur üppigen Hochblüte gebrachten Genre der Malerei innerhalb<br />
der westlichen Kunstgeschichte.<br />
Bruckmüller stellt mittels Fotografie einen fast haptisch-sinnlichen Totentanz von Tulpen <strong>und</strong> Ranunkeln dar. Filmkadern ähnlich installiert sie die<br />
einzelnen Stadien vom Sterben vierer Tulpengewächse an die Galeriewand. Bemerkenswert die sympathische Art der Präsentation mit händisch<br />
gebogenem Blumendraht, der die 17 Prints, welche auf digital bearbeitete Direktscans zurückgehen, in labiler Distanz vor der Wand hält.<br />
Beachtenswert auch das samtige Schwarz der Fotoprints, das als Bildgr<strong>und</strong> die Pflanzen einerseits hoch plastisch hervortreten lässt, andererseits<br />
diese wie ein Flüssigkeit sanft umhüllt oder, wieder anders betrachtet, förmlich aufsaugt wie ein Grab.<br />
„Das Eintauchen der Pflanzen in eine schwarze Leere hilft mit, die den Objekten innewohnende Endlichkeit <strong>und</strong> Verletzlichkeit zu erforschen“, sagt<br />
Bruckmüller, die für ihre Serien von nächtlich aufgenommenen Flechten <strong>und</strong> Blumen, darunter oft toxischer Flora, bekannt ist.<br />
Das künstlerische Arbeiten in der Nacht ist ihr, wie vielen Müttern unter den Kunstschaffenden, eine Notwendigkeit. Bruckmüller macht die<br />
Nachtarbeit zum Teil ihres künstlerischen Konzepts.“<br />
Maria Christine Holter
…sollst sanft in meinen Armen schlafen…<br />
oder das dualistische System der toxischen Flora.<br />
2015 – work in progress<br />
c-prints / 110x80 cm / Holzbox Schellack schwarz / auf Metallsockel<br />
Die Arbeit zeigt die Reduktion der Kommunikation auf Austausch von optischen <strong>und</strong> chemischen Signalen bei Pflanzen. Dies dient der<br />
Übertragung von Information zur Arterhaltung.<br />
Viele Pflanzenarten schützen sich durch das Ausbilden von Stacheln oder Dornen. Andere Formen der Abwehr sind nicht sichtbarer<br />
Natur, wie z.B. eine dicke äußere Zellschicht oder die Einlagerung chemischer Substanzen in ihrem Zellsaft. Giftigkeit wird in der Natur<br />
oft auch durch Signalfarben kommuniziert.<br />
Die natürlichen Gr<strong>und</strong>lagen der Flora sind für den Menschen toxisch, also pathogen – in einem bestimmten quantitativen Verhältnis<br />
können jedoch die Noxe (Giftstoffe) eine scheinbare Ges<strong>und</strong>ung im menschlichen Körper herbeiführen <strong>und</strong> so die Auswirkung des<br />
pathogenen Konzepts der Pflanze auf den menschlichen Organismus ins Gegenteil führen.<br />
Die Noxe der toxischen Flora kann sowohl virulent als auch kurativ wirken – die Quantität bestimmt den weiteren Verlauf der<br />
Auseinandersetzung mit der jeweiligen Pflanze.<br />
Dieser Punkt stellt für mich den Beginn meiner Arbeit am vorliegenden Projekt dar – die Schnittstelle, an dem ein System zu kippen<br />
beginnt. Ein schmaler Grat, an dem das Schöne <strong>und</strong> Abgr<strong>und</strong>tiefe dicht beisammen liegt.<br />
Die visuelle Umsetzung bewegt sich im Bereich einer nüchternen, dekorativen Ästhetik.<br />
Großformatige Aufnahmen ermöglichen eine detailgenaue Betrachtung teils ganzer Wurzelstöcke mit ausgetriebenen Blüten, Blättern,<br />
Früchten.<br />
Die Arbeiten sind in schwarzen Holzboxen mit hohem Rand auf Metallgerüst am Boden installiert – sie werden von oben, wie in einem<br />
Brunnenschacht liegend, betrachtet. Durch die Aufsichtsperspektive spiegelt sich in den Hochglanzfotos das Licht <strong>und</strong> erzeugt einen<br />
liquiden Charakter, ähnlich dunklem Brunnenwasser.<br />
Das Buch von Helmut Eisendle „Tod <strong>und</strong> Flora“, eine Sammlung von Großteils phantastischen Fallbeispielen, in denen Menschen durch<br />
die Einnahme giftiger Pflanzen zu Tode kamen, dient als akustischer roter Faden.Ergänzt wird die Arbeit durch Sockel, auf denen das<br />
Buch von Helmut Eisendle, Kopfhörer sowie Apothekerflaschen mit Substanzen dargestellt sind.<br />
Es handelt sich um einheimische Giftpflanzen.<br />
michaela bruckmüller ph +43 699 1219 0537 info@michaelabruckmueller.net