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Das Bürowohnzimmer - Urs Clerici im Interview mit Penso.ch

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Trends bei der Büroeinri<strong>ch</strong>tung<br />

<strong>Das</strong> <strong>Bürowohnz<strong>im</strong>mer</strong><br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft, Gesundheit, Na<strong>ch</strong>haltigkeit, Wohnli<strong>ch</strong>keit,<br />

Natürli<strong>ch</strong>keit, Multifunktionalität <strong>mit</strong> einem S<strong>ch</strong>uss Vintage –<br />

dies ist der angesagte Style <strong>im</strong> Büro. <strong>Urs</strong> <strong>Clerici</strong>, CEO der<br />

Rüegg-Naegeli AG, erläutert die aktuellen Einri<strong>ch</strong>tungstrends.<br />

Von Karen Heidl<br />

Raum-in-Raum-System Framery<br />

58 Ι <strong>Penso</strong> 02/2021


Fokus<br />

Vom Tis<strong>ch</strong> zum Whiteboard<br />

– Multifunktionsmöbel für<br />

Kreativräume<br />

Herr <strong>Clerici</strong>, in vielen Unternehmen, die i<strong>ch</strong> kenne, hat man nur neue Büromöbel gekauft,<br />

wenn es unumgängli<strong>ch</strong> war. Zuerst wurde <strong>im</strong> Estri<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Überbleibseln gesu<strong>ch</strong>t.<br />

<strong>Das</strong> war in gewisser Weise na<strong>ch</strong>haltig, allerdings wenig modern. Wie ist das<br />

heute?<br />

Heute gibt es <strong>im</strong> Büroarbeitsumfeld andere Ansprü<strong>ch</strong>e. Unternehmen fragen si<strong>ch</strong>, wie sie diesen<br />

Ansprü<strong>ch</strong>en meist jüngerer Fa<strong>ch</strong>kräfte gere<strong>ch</strong>t werden können, und wenden si<strong>ch</strong> dann <strong>mit</strong> ihren<br />

Fragen an uns. Der Beratungsbedarf hat si<strong>ch</strong> in den letzten zehn Jahren deutli<strong>ch</strong> verstärkt.<br />

Früher bestand ein Büro grob ges<strong>ch</strong>ätzt zu ca. 70 % aus Tis<strong>ch</strong>en, Stühlen und S<strong>ch</strong>ränken, zu<br />

10 % aus Verkehrswegen und zu 20 % aus Sitzungsz<strong>im</strong>mern. Heute liegt der Anteil von Tis<strong>ch</strong>en,<br />

Stühlen und S<strong>ch</strong>ränken viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> bei 50 %, 30 % werden für die Mittelzone – also Kommunikation<br />

und Bespre<strong>ch</strong>ung – verwendet, 10 % für Verkehrswege und 10 % für Entspannungszonen<br />

oder Ruheräume. <strong>Das</strong> zeigt, dass si<strong>ch</strong> das Verhalten innerhalb der Büros sehr verändert<br />

hat.<br />

Wel<strong>ch</strong>e Raumplanungstrends sehen Sie für die nä<strong>ch</strong>sten Jahre?<br />

Die Trends um die Themen Kommunikation und Remote Work verstärken si<strong>ch</strong> derzeit – ni<strong>ch</strong>t<br />

zuletzt wegen der Massnahmen während der Corona-Pandemie. Dies wirkt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> auf die<br />

Arbeitswelt vor Ort <strong>mit</strong> dem Zonenkonzept aus.<br />

Neu wird voraussi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> die Zone für Entspannung und Gesundheit an Bedeutung gewinnen.<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aftszonen werden ebenfalls wi<strong>ch</strong>tiger, gerade wenn Remote Work stärker in den<br />

Arbeitsalltag einzieht. Dies können zum Beispiel Cafés oder Kü<strong>ch</strong>en sein. Ein weiterer mögli<strong>ch</strong>er<br />

neuer Trend könnte die Videozone als neue Kommunikationsform sein, in der Videos und andere<br />

digitale Medien produziert werden.<br />

<strong>Penso</strong> 02/2021 Ι 59


Fokus Office Space<br />

Mit wel<strong>ch</strong>en Einri<strong>ch</strong>tungswüns<strong>ch</strong>en korrespondieren diese Trends?<br />

Es ist anzunehmen, dass in der nä<strong>ch</strong>sten Zeit mehr Desk-Sharing-Konzepte entwickelt werden.<br />

Glei<strong>ch</strong>zeitig gibt es in den Präsenzzeiten einen erhöhten Bedarf an persönli<strong>ch</strong>em Austaus<strong>ch</strong>.<br />

Deshalb sehe i<strong>ch</strong> eine verstärkte Na<strong>ch</strong>frage na<strong>ch</strong> Elementen, die Kommunikation in einem ges<strong>ch</strong>lossenen<br />

Raum ermögli<strong>ch</strong>en, und na<strong>ch</strong> Möbeln für offene Kommunikationszonen. Dies<br />

ma<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> bereits heute in der Na<strong>ch</strong>frage bemerkbar. Hier gibt es au<strong>ch</strong> innovative Möblierungskonzepte,<br />

beispielsweise multifunktionale Trennwände, an die Whiteboards, akustis<strong>ch</strong>e Paneele,<br />

Bilds<strong>ch</strong>irme oder Tis<strong>ch</strong>e gehängt werden können. So erhalten traditionelle Regale ganz<br />

neue Funktionen. Ein weiterer Trend: Mobile Raum-in-Raum-Systeme ermögli<strong>ch</strong>en ges<strong>ch</strong>ützte<br />

Kommunikation <strong>im</strong> Grossraum. Diese Räume verfügen über Strom, eine eigene Beleu<strong>ch</strong>tung<br />

und eine Geräus<strong>ch</strong>dämmung, so dass akustis<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts na<strong>ch</strong> aussen dringt. Derzeit wird no<strong>ch</strong><br />

an der Kl<strong>im</strong>atisierung gearbeitet.<br />

Wie kann man si<strong>ch</strong> Ruhe- bzw. Gesundheitszonen vorstellen?<br />

Dafür wurde zum Beispiel ein elektris<strong>ch</strong>es Laufband entwickelt, das so konstruiert ist, dass man<br />

während der Laufbewegung am Laptop arbeiten kann. Ob dies ein Weg ist, wird si<strong>ch</strong> zeigen.<br />

Man kann aber au<strong>ch</strong> die allgemeine Fitness unterstützen, indem man entspre<strong>ch</strong>ende Geräte<br />

oder kleinere Gadgets für Übungen anbietet. Dies ist ein no<strong>ch</strong> junger Trend. Etablierter sind<br />

Ruheräume.<br />

USM-Regale als Biotop<br />

60 Ι <strong>Penso</strong> 02/2021


Fokus<br />

Flexible Nutzung von Regalen:<br />

«Dancing Walls» von Vitra<br />

Wel<strong>ch</strong>e Trends gibt es bei den Materialien?<br />

Na<strong>ch</strong>haltigkeit und Green Living sind die wi<strong>ch</strong>tigsten Sti<strong>ch</strong>wörter zu den aktuellen Materialtrends.<br />

So spielen Pflanzen und eine natürli<strong>ch</strong>e Umgebung <strong>mit</strong> Holzoberflä<strong>ch</strong>en eine wi<strong>ch</strong>tige<br />

Rolle. Zudem ver<strong>mit</strong>teln Naturmaterialien wie Holz oder Kork Wohnli<strong>ch</strong>keit, was ein weiterer<br />

Büroausstattungstrend ist. Au<strong>ch</strong> Oberflä<strong>ch</strong>en und Fussböden aus recyceltem Plastik sind sehr<br />

beliebt. <strong>Das</strong> neu verarbeitete PET hat beispielsweise eine lärmdämmende Wirkung.<br />

Vintage-Design steht ho<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Kurs, also Elemente aus alten Zeiten, die die Einri<strong>ch</strong>tung ergänzen,<br />

beispielsweise Tapeten oder alte Holzleitern als Garderobe. Oder man stellt einen alten<br />

Leiterwagen oder Holzs<strong>ch</strong>rank in den Raum. Diese Elemente s<strong>ch</strong>affen ein ganz anderes Raumgefühl.<br />

Dies ist vor allem bei der Gestaltung von Gemeins<strong>ch</strong>aftsräumen wi<strong>ch</strong>tig.<br />

Der Grossraum war in den letzten Jahren das grosse Ding. Könnte dieser Trend aus<br />

gesundheitli<strong>ch</strong>en Gründen rückläufig sein?<br />

Die Trends s<strong>ch</strong>wanken ja häufig von einem Extrem zum anderen, also zwis<strong>ch</strong>en den Polen Einzelbüros<br />

und Open Space. I<strong>ch</strong> kann mir vorstellen, dass der Grossraumtrend in Zukunft ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr ganz so konsequent dur<strong>ch</strong>gesetzt wird und au<strong>ch</strong> wieder Einzelbüros ermögli<strong>ch</strong>t werden.<br />

Aber dies lässt si<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t <strong>mit</strong> Si<strong>ch</strong>erheit prognostizieren. Corona zeigt aber, dass es si<strong>ch</strong>erer<br />

ist, wenn für Risikogruppen Konzepte ges<strong>ch</strong>affen werden, die ermögli<strong>ch</strong>en, au<strong>ch</strong> in Pandemie-Zeiten<br />

vor Ort zu arbeiten. Dies ist aber <strong>im</strong> Moment no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t absehbar.<br />

Ist Flexibilität – also das Verändern der Funktions berei<strong>ch</strong>e – ein Thema?<br />

Flexibilität ist dur<strong>ch</strong>aus eine Anforderung bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelt, aber ni<strong>ch</strong>t<br />

in jeder Zone. In den Kreativräumen, die verstärkt Eingang in die Büroumgebungen finden, ist<br />

Flexibilität wi<strong>ch</strong>tig. Tis<strong>ch</strong>e sollten <strong>mit</strong> Rollen bewegli<strong>ch</strong> sein, Whiteboards können multifunktional<br />

eingesetzt werden – als Tis<strong>ch</strong> oder als hängendes Board. Bei den Arbeitsplätzen und Sitzungsz<strong>im</strong>mern<br />

ist der Trend zur Flexibilität inzwis<strong>ch</strong>en etwas abgefla<strong>ch</strong>t. Grosse Bespre<strong>ch</strong>ungsräume<br />

werden eher wieder verkleinert und geteilt.<br />

<strong>Penso</strong> 02/2021 Ι 61


Fokus Office Space<br />

Ist Desk-Sharing tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> ein Trend?<br />

Vor einigen Jahren wurde das Thema no<strong>ch</strong> sehr stark propagiert.<br />

Es hat aber eigentli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t viel <strong>mit</strong> Ideen zur neuen<br />

Arbeitswelt zu tun. Es gibt einfa<strong>ch</strong> viele Berei<strong>ch</strong>e, wo Desk-<br />

Sharing ni<strong>ch</strong>t sinnvoll ist. Heute wird die Frage eines fest zugewiesenen<br />

Arbeitsplatzes eher an den Pensen der Büropräsenz<br />

festgema<strong>ch</strong>t – bei einem Pensum über 60 % <strong>im</strong> Büro<br />

bringt Desk-Sharing wenig. Die Personen <strong>mit</strong> hoher Präsenz<br />

tendieren ohnehin eher dazu, si<strong>ch</strong> <strong>im</strong>mer an den glei<strong>ch</strong>en Platz<br />

zu setzen. Diese Differenzierung ist die Erfahrung aus den<br />

letzten Jahren.<br />

Gibt es Klassiker, die <strong>im</strong>mer wieder kommen?<br />

Ja, dazu gehören Design-Klassiker wie der Eames Chair von<br />

Vitra oder die Stühle von Fritz Hansen. Je na<strong>ch</strong> Repräsentativberei<strong>ch</strong><br />

zählt dazu au<strong>ch</strong> <strong>im</strong>mer no<strong>ch</strong> USM Haller. Die stabil<br />

verbauten USM-Regale lassen si<strong>ch</strong> gut zur Raumstrukturierung<br />

einsetzen.<br />

Studien haben au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on vor der Corona-Pandemie<br />

gezeigt, dass der Grossraum ni<strong>ch</strong>t nur wegen der Ansteckungsgefahr<br />

die Gesundheit beeinträ<strong>ch</strong>tigen kann,<br />

sondern si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> aufgrund des Lärmpegels als Stressfaktor<br />

erweist. Wenn Sie nun die Kommunikationszellen<br />

anspre<strong>ch</strong>en, dann zeigt dies ja au<strong>ch</strong>: Man kann<br />

ni<strong>ch</strong>t beides <strong>im</strong> Grossraum – konzentriert arbeiten und<br />

kommunizieren.<br />

Dies ist <strong>im</strong>mer eine Konzeptfrage. Wir kennen offene Büroflä<strong>ch</strong>en<br />

s<strong>ch</strong>on sehr lange. Es gibt zwei Herausforderungen:<br />

Li<strong>ch</strong>t und Lärm. In den neuen Arbeitsweltkonzepten, die seit<br />

ca. fünf Jahren realisiert werden, sind diese Faktoren berücksi<strong>ch</strong>tigt.<br />

<strong>Das</strong> bedeutet, dass Rückzugszellen für Kommunikation<br />

oder konzentriertes Arbeiten eingeplant sind. Wenn es<br />

keine Rückzugsmögli<strong>ch</strong>keiten gibt, funktioniert das Konzept<br />

Grossraum ni<strong>ch</strong>t. Für die Akustik gibt es ebenfalls gewisse<br />

Grundregeln, beispielsweise, dass man si<strong>ch</strong> für einen Kurzaustaus<strong>ch</strong><br />

in eine offene Kommunikationszone zurückzieht<br />

und dass <strong>im</strong> Raum au<strong>ch</strong> fest verbaute und mobile Akustikmassnahmen<br />

berücksi<strong>ch</strong>tigt werden. Wenn man also die<br />

Arbeitswelt sauber konzipiert, s<strong>ch</strong>afft man einen Mehrwehrt<br />

in einem Grossraum.<br />

Die Arbeitserfahrung leidet <strong>im</strong>mer dann, wenn das Konzept<br />

ni<strong>ch</strong>t konsequent umgesetzt worden ist oder wenn die Verhaltensregeln<br />

ni<strong>ch</strong>t eingehalten werden. Hier ist natürli<strong>ch</strong> besonders<br />

die Führung als gutes Vorbild gefragt.<br />

Wenn wir über neue Arbeitswelten spre<strong>ch</strong>en, gibt es zwei<br />

grosse Themen: zum einen ein konsequentes Konzept als Teil<br />

der Gesamtstrategie des Unternehmens und zum anderen die<br />

Begleitung der Teams in diese neue Arbeitswelt. Die Unterstützung<br />

bei dieser Transition vom altbekannten Arbeitsmodell in<br />

das neue ist inzwis<strong>ch</strong>en neben Beratung und Konzeption ein<br />

wi<strong>ch</strong>tiges Arbeitsfeld für uns, für das wir Experten einsetzen.<br />

Die Mens<strong>ch</strong>en müssen die neu geforderten Kompetenzen erst<br />

erlernen, um si<strong>ch</strong> wohlzufühlen. Die Begleitung ist au<strong>ch</strong> ein<br />

wi<strong>ch</strong>tiges Signal der Werts<strong>ch</strong>ätzung.<br />

<strong>Urs</strong> <strong>Clerici</strong><br />

ist CEO der Rüegg-Naegeli AG (ruegg-naegeli.<strong>ch</strong>).<br />

<strong>Das</strong> Unternehmen ist als Fa<strong>ch</strong>handel für Büroausstattungen<br />

vor rund 100 Jahren in Züri<strong>ch</strong> gegründet worden.<br />

2019 expandierte das Unternehmen <strong>mit</strong> der Übernahme<br />

dur<strong>ch</strong> die Waldis-Gruppe. <strong>Das</strong> Angebotsportfolio der<br />

Rüegg-Naegeli AG umfasst neben Konzeption, Bes<strong>ch</strong>affung<br />

und Einri<strong>ch</strong>tung au<strong>ch</strong> Veränderungs-Consulting vor und<br />

während der Einführung neuer Arbeitsplatzmodelle.<br />

62 Ι <strong>Penso</strong> 02/2021

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