HOMO Littera: Das Magazin, Ausgabe 4/2021
Vierteljährlich erscheinende Broschüre über Publikationen und Autoreninterviews aus dem Hause HOMO Littera
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www.HOMOLittera.com
Österreichs erster Verlag für ausschließlich homosexuelle Literatur
Zwischen Schwarz und
Weiß existieren viele Grauzonen
Im Gespräch: Alexej Winter über
seine High Fantasy-Serie Hexenkinder
Ungeheuerlich: Sie wollen
sich einfach nicht küssen
Autorin Reg Benedikt im Interview
zu ihrem Roman Das Venus-Tattoo
Eine Liebeserklärung an
schwule Filme und Serien
Paul Senftenberg über sein Sachbuch
Gay Movie Moments
Das Blitzinterview
10 Fragen an den Schriftsteller
Stephan Klemann
60 Seiten, ISBN 978-3-903238-74-9, € 5,10 (A)
~ INHALT ~
02 Inhalt
02 Impressum
03 Editorial
04 Unsere Titelstory
Zwischen Schwarz und Weiß existieren viele
Grauzonen: Im Gespräch: Alexej Winter über
seine High Fantasy-Serie Hexenkinder
12 Autoreninterview
Ungeheuerlich: Sie wollen sich einfach nicht
küssen: Autorin Reg Benedikt im Interview zu
ihrem Roman Das Venus-Tattoo
18 Autoreninterview
Eine Liebeserklärung an schwule Filme und
Serien: Paul Senftenberg über sein Sachbuch Gay
Movie Moments
26 Unser Autorenporträt
10 Fragen an den Schriftsteller Stephan Klemann
29 News I
Autorenservice Gorischek
31 News II
Wissenswertes, Programmvorschau
IMPRESSUM
Herausgeber: HOMO Littera Romy Leyendecker e.U., Am Rinnergrund
14/5, A – 8101 Gratkorn; E-Mail: office@HOMOLittera.com
Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter
https://www.homolittera.com/deutsch/Impressum.php jederzeit
aufrufbar.
Redaktion: Romy Gorischek
Grafik und Design: Rofl Schek
Bildnachweis:
New Zealand © Ondřej Šponiar/Pixabay, Titel- und Rückseite
Magnolia-trees © Jill Wellington/Pixabay, Seite 2
Karte Tardirión © Alexej Winter/© M. Henkel
Salt-creek-falls © David Mark/Pixabay, Seite 8
Eagle © Robert C/Pixabay, Seite 8
Lusen © FelixMittermeier/Pixabay, Seite 9
Woman © efes/Pixabay, Seite 14
Tattoo © ilovetattoos/Pixabay, Seite 15
Cinema-strip © Gerd Altmann/Pixabay, Seite 20
Cinema © DarkmoonArt_de/Pixabay, Seite 21
Countdown © OpenClipart-Vectors/Pixabay, Seite 21
Movie © Gerd Altmann/Pixabay, Seite 22
Movie © sampane/Pixabay, Seite 23
Theater © Sebastian Gößl/Pixabay, Seite 23
Film © OpenClipart-Vectors/Pixabay, Seite 24
Film ©Rudy and Peter Skitterians/Pixabay, Seite 25
Die nächste Ausgabe erscheint im Sommer 2021.
S e i t e | 2
~ EDITORIAL ~
Große
Frühlingsgefühle
„Großartige Bücher
werden noch immer
von großartigen Autoren
geschrieben“
Romy Gorischek
________________________________________________________
E
in Jahr leben wir nun mit Corona und all den damit verbundenen
Auflagen und Einschränkungen. Langsam werden wir alle
müde und hoffen, dass die Pandemie bald ein Ende findet. So
sind auch wir in den letzten Monaten an unsere Grenzen gestoßen –
manchmal haben wir sie überschritten, indem wir in den Nächten und
Wochenenden durchgearbeitet haben –, aber wie viele andere erfanden
auch wir uns neu, formten kreative Ideen und schöpften Kraft aus
alten Traditionen – und großartige Bücher werden noch immer von
großartigen Autoren geschrieben. Nicht umsonst heißt es: „Schriftsteller
sind die reichsten Menschen der Welt – sie haben das Talent, sich
die Erde rund zu schreiben, ist sie auch noch so schroff und steinig.“
In der Buchbranche gibt es keine Minute des Stillstandes. So freuen
wir uns trotz der harten Krisenbedingungen auch in unserer 4. Ausgabe
von HOMO Littera – Das Magazin euch Novitäten aus unserem
Haus zu präsentieren.
Unsere Titelstory widmet sich der High Fantasy-Serie „Hexenkinder“
des deutschen Schriftstellers Alexej Winter (Seite 4).
Reg Benedikt stellt uns ihren Thriller „Das Venus-Tattoo“ vor. Detektivin
Sasha Barnett ist wieder unterwegs. (Seite 12).
Hans Christian Baum
MEINE FAMILIE, ICH UND
ANDERE KATASTROPHEN
Matthias hat sein Outing genau
durchdacht – sich um die Familienprobleme
zu kümmern und weiterhin
den Heteromacker zu spielen,
gehörte allerdings nicht zu seinem
Plan …
Ein herrlich komischer Roman in 2
Teilen!
384 Seiten, ISBN 978-3-903238-38-1,
€ 14,50 (A) (Teil 1)
444 Seiten, ISBN 978-3-903238-42-8,
€ 16,45 (A) (Teil 2)
Einen filmischen Einblick gibt uns Paul Senftenberg im Interview zu
seinem Sachbuch „Gay Movie Moments“ (Seite 18).
Unser Autorenporträt beschäftigt sich mit dem Schriftsteller Stephan
Klemann und seinen Veröffentlichungen (Seite 26).
So bleibt uns für die nächste Zeit nur zu hoffen, dass die Pandemie
bald abebbt und wir wieder in unser sehnsüchtig erwartetes Alltagsleben
zurückkehren können. Wir wünschen euch ein schönes Osterfest –
hoffentlich ohne Lockdown –, einen wunderbaren sonnenreichen
Frühling und bleibt vor allem gesund. Vergesst nicht: Am Ende jedes
noch so dunklen und langen Tunnels befindet sich ein helles Licht.
Nehmt aufeinander Rücksicht, denkt verantwortungsbewusst und haltet
Abstand – es kann Leben retten.
Herzlichst
Romy Gorischek
Verleger und Geschäftsführer HOMO Littera
S e i t e | 3
Cassidy Starr
(UN)FAIR PLAY
Alec könnte zufrieden sein, wäre da
nicht der junge Schauspieler Seth
Hots, der sich an seinen Freund
ranmacht …
340 Seiten, ISBN 978-3-902885-998-2,
€ 14,89 (A)
~ UNSERE TITELSTORY ~
Zwischen Schwarz und Weiß
existieren viele Grauzonen
AUTOR ALEXEJ WINTER ÜBER DIE ZAHLREI-
CHEN FACETTEN SEINER CHARAKTERE IN
„HEXENKINDER“, DIE SCHWIERIGKEIT GUT
UND BÖSE DARIN ZU VERSCHMELZEN UND DIE
ENTSTEHUNG EINER GANZEN WELT
60 Seiten, ISBN 978-3-903238-74-9, € 5,10 (A)
A
lexej Winter ist ein aus
dem Südwesten Deutschlands
stammender Autor.
Mit seiner High Fantasy-Serie
„Hexenkinder“ schuf er eine fantastisch-magische
Welt rund um
Hexen, Elfen und Zwerge.
Eben ist der dritte Teil deiner
High Fantasy-Heftromanserie
„Hexenkinder“ erschienen. Zwischen
dem Elfen Seth und dem
Müllergesellen Layk scheint es
für kurze Zeit gut zu laufen – bis
doch wieder alles anders kommt.
Erzählst du uns kurz, über die
Entstehung von „Des Feuers
Spross“?
Alexej – Die Rohversion zu „Des
Feuers Spross“ ist schon etwas
älter. Ich hatte sie bereits kurz
nach „Aufbruch nach Norden“
geschrieben, doch den Feinschliff
bekam sie erst jetzt. Mir war
wichtig, die Geschichte um die
Hexenkinder selbst schnell in
Gang zu kriegen. Die mittelalterlich
angesiedelten Monsterjagden
von Seth und Layk machen mir
persönlich zwar jede Menge
Spaß, sind aber nicht die Hauptgeschichte.
Den Fokus endlich
auf die magischen Figuren legen
zu können, ist großartig. Da
kommt auch in mir der kleine
Hexenmeister durch. Ich habe
viel herumgetüftelt, um jedem
Hexenkind Elemente zuzuordnen,
Fähigkeiten zu geben und wieder
wegzunehmen, bis ich ein Konzept
gefunden habe, bei dem diese
sieben Charaktere miteinander
funktionieren. Zusätzlich ist „Des
Feuers Spross“ auch der erste
Teil, in dem Layk sein Erbe tatsächlich
wahrnimmt. Es tut gut,
ihn wachsen zu sehen.
Seth ist auch in „Des Feuers
Spross“ gewohnt launisch – zum
ersten Mal wirkt er aber auch
ängstlich. Wie sehr spielt im
dritten Teil der Reihe die latente
Anziehungskraft zwischen Layk
und Seth eine Rolle?
Alexej – Seth ist nicht der krasse
Killer, für den ihn manch ein
Leser gern gehalten hat. Auch er
hat eine Vergangenheit, die ihn zu
dem gemacht hat, was er zum
Zeitpunkt von „Hexenkinder“
darstellt. Seine andere Seite zu
zeigen, war wichtig. Auch in
„Aufbruch nach Norden“ mag
dem aufmerksamen Leser aufgefallen
sein, dass weder Seth noch
seine Fähigkeiten perfekt sind.
Alleine ist er eben nicht der Überflieger
– und das sollte er auch
nie werden. Ich bin kein Freund
von perfekten Helden, die ihre
Fähigkeiten zu 110% beherrschen.
Auch jemand wie Seth
unterliegt dem Lernprozess, und
diesen darf der Leser gerne mitverfolgen.
Mit der unterschwelligen Anziehungskraft
zwischen Layk und
Seth reize ich manche Lesernerven
sehr aus. Das lese ich gelegentlich
– und ich muss dabei
stets grinsen. Ich will an dieser
Stelle nicht zu viel vorgreifen,
denn die Fronten zwischen den
beiden sind noch nicht geklärt,
auch wenn wir uns mit reißender
Geschwindigkeit darauf zubewegen.
Dennoch ist die Tatsache,
dass es bislang nie wirklich ernst
zwischen den beiden Charakteren
wurde, genau für diesen einen
Augenblick von immenser Bedeutung.
Layk wählt Seth gegenüber
nicht die förmliche Anrede,
S e i t e | 4
~ UNSERE TITELSTORY ~
S e i t e | 5
~ UNSERE TITELSTORY ~
weil er sich ihm unterlegen fühlt.
Es ist reine Höflichkeit.
Layk tritt in „Des Feuers
Spross“ verstärkt in den Mittelpunkt
– auch sein Charakter
reift immer mehr heran. Wie ist
die Hauptfigur deiner Serie entstanden?
Hat dich etwas Bestimmtes
inspiriert?
Alexej – Layk ist ein faszinierender
Charakter. Ein Halbwaise, der
sich nie wirklich irgendwo zugehörig
gefühlt hat. Als Heranwachsender
hat er sich stets im
Schatten aufgehalten – und seine
Entwicklung schreitet jetzt mit
großen Schritten voran. Kannte er
anfangs nur seinen Vater, so muss
er sich jetzt bewusst machen, dass
er Teil einer sehr großen Familie
ist. Ob das für ihn nun gut oder
schlecht ist, muss er erst herausfinden.
Als ich mit „Aufbruch nach Norden“
begonnen hatte, waren drei
Charaktere sofort vor meinem
inneren Auge. Einer davon war
natürlich Layk. Er ist für mich
eine Mischung aus Frodo und
Luke Skywalker. Der unscheinbare
Jüngling, auf dessen Schultern
eine immense Bürde lastet. Dieser
Typ Charakter funktioniert deshalb,
weil man sich sehr gut mit
ihm identifizieren kann. Eben
noch war dein Leben ganz normal
– und auf einmal wirst du gewaltvoll
herausgerissen. Jedem von
uns ging es schon einmal so – und
jeder von uns musste sich plötzlich
neu orientieren. Dabei kann
einem fast schwindelig werden.
Layk trägt das alles mit Fassung
und reift daran. Unter seiner
Schale steckt ein Kern, bei dem
ich mich wahnsinnig auf die Enthüllung
freue.
In Teil drei gibt es endlich die
lang ersehnte Karte zur Serie.
Wie entstand die Landkarte?
Hast du zunächst deine Vorstellungen
auf Papier gezeichnet –
oder hast du sofort zur Software
gegriffen?
Alexej – Die Orientierungslosigkeit
hat ein Ende! Ich bin auch
ganz begeistert davon, dass der
Leser sich nun auf Tardiriôn besser
zurechtfinden kann – auch
wenn es nicht maßstabsgetreu ist.
Die Karte entstand bereits 2015,
zum ersten Teil, mithilfe eines
Grafiktablets. Das hat mir viel
Papier gespart. Ich hoffe, dass die
Leser daran ihre Freude haben
werden. Was mir besonders gefällt,
sind die vielen Möglichkeiten,
die eine solche Landkarte
bietet. Betrachten wir einmal
Tardiriôn, so sehen wir einen von
Wasser umgebenen Kontinent, an
dessen südwestlichen Küsten eine
ganze Kette von Inseln zu finden
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~ UNSERE TITELSTORY ~
ist. Um dorthin zu gelangen,
brauchen wir aber ein Schiff. Da
sich der Bereich zwischen dem
Ende der Landmasse und der
Inselkette „Hexenkessel“ nennt,
dürfte klar sein, dass eine Überfahrt
nicht gerade ungefährlich
sein wird. Aber ein Besuch dieser
besagten Inseln liegt noch in weiter
Ferne. Wenn es aber irgendwann
so weit sein wird, wird
mein innerer Abenteurer hoffentlich
auf den Spuren Jules Vernes
wandeln. Es wird mir eine Erquickung
sein.
In „Des Feuers Spross“ tauchen
neue Charaktere auf, und zum
ersten Mal kann der Leser auch
ein wenig hinter die Fassade der
Hexenkinder blicken. Was ist die
größte Herausforderung an den
vielen unterschiedlichen Figuren?
Wie schwierig ist es, die
S e i t e | 7
Grenze zwischen Gut und Böse
verschwinden zu lassen?
Alexej – Auf „Des Feuers
Spross“ habe ich mich lange gefreut.
Schon als ich die Idee zu
„Hexenkinder“ entwickelt habe,
stand der Charakter Taxus fest.
Aktiv mit ihm arbeiten zu können,
hat richtig Spaß gemacht.
Mir war wichtig, dass der Leser
zügig verschiedene Facetten innerhalb
der Familie zu sehen bekommt.
Baska ist der überhebliche
mit der schnarrenden Stimme.
Für mich ist er wie der extravagante
Onkel mit Monokel. Bei
ihm denke ich immer an Onkel
Olaf aus Lemony Snicket. Er
macht einem Angst und man fühlt
sich bei ihm nicht sicher. Kore
durften wir bereits in „Aufbruch
nach Norden“ kurz sehen. Auch
er gehört zu den Charakteren, die
man ungern um sich hat. Wie
treffend ist hier der Spruch: Familie
kann man sich nicht aussuchen.
Taxus dagegen ist einer
meiner persönlichen Lieblinge.
Wenn ich über ihn schreibe, höre
ich immer diese Stimme – eine
Mischung aus Spitzfindigkeit,
Zynismus und Ernsthaftigkeit. Ich
mag die Dynamik zwischen ihm
und Layk. Sie funktioniert auf
einer ganz anderen Ebene, als die
zwischen Layk und Seth, obwohl
wir auch hier nicht die typische
Mentor-Schüler-Beziehung haben.
Wären Layk und Taxus früher
aufeinandergetroffen, hätte
sich Layk ganz anders entwickelt.
Das ist sicher. Dass er, trotz der
sich allmählich abzeichnenden
Hintergrundgeschichte und den
Beweggründen der Hexenkinder,
oft ungezügelte Verhaltensweisen
an den Tag legt, lässt die Frage
aufkeimen, wie gut oder böse
Layk in Wahrheit ist. Zwischen
Schwarz und Weiß existieren
viele Grauzonen. Genauso ist es
zwischen Gut und Böse. Diese
Grenzen zu verwischen ist nicht
besonders schwierig. Wir neigen
dazu, Verhaltensmuster analysieren
zu wollen und diesen gute
~ UNSERE TITELSTORY ~
oder schlechte Motivationen zuzuordnen.
Aber sehen wir wirklich
das, was da ist? Oder sehen
wir nur, was wir zu sehen glauben?
Erinnern wir uns an Lilly
aus „Sekundensache“, die aufgrund
der Ablehnung des Protagonisten
von den Lesern zunächst
verhasst war, bis man erkannt hat,
was sie mit ihrem Verhalten tatsächlich
gezeigt hat. Es ist oft
anders, als es auf den ersten Blick
scheint.
Auch am Ende des dritten Teils
gibt es einen bösen Cliffhanger,
womit deine Leser den nächsten
Teil sehnsüchtig erwarten. Worauf
dürfen wir uns freuen?
Kannst du uns dazu etwas erzählen,
ohne in der Handlung vorzugreifen?
Alexej – Tatsächlich fand ich den
besagten Cliffhanger von allen
am nettesten. Aber ich habe in der
Tat einen Hang zum Sadismus
entwickelt. Es wird aber nicht
lange dauern, bis der Leser hier
Erlösung finden wird. Und das in
einigen Bereichen. Aus vielen
Fragezeichen werden Ausrufezeichen,
das kann ich sagen. Aber es
wird auch neue Bekanntschaften
geben. Doch sind sie Freund oder
Feind? Finden wir es heraus!
Du planst die Serie in
mindestens zwei Staffeln
zu schreiben. Wie dürfen
wir uns das vorstellen?
Auf was dürfen sich
deine Leser freuen?
Alexej – Ähnlich wie bei
einer Fernsehserie verfolgen
meine Protagonisten
ein gewisses Ziel.
Dieses gilt es in einem
gewissen Rahmen bestmöglich
zu erfüllen. Ist
diese Aufgabe abgeschlossen,
endet auch die
erste Staffel. Danach
warten andere Aufgaben,
womit wir zu Staffel zwei
kommen. Das System ist
simpel und macht für
mich, gerade bei „Hexenkinder“,
sehr viel
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Sinn. Zudem ist es dadurch einfacher,
die Handlung grob zu überschauen.
Das Cover von „Hexenkinder“
zeigt einen Adler – bewusst und
mit dementsprechendem Hintergrund.
Dennoch gibt es bis jetzt
im Handlungsverlauf kaum nähere
Erwähnungen dazu. Der
aufmerksame Leser wird dennoch
ein paar Hinweise gefunden
haben. Kannst du uns etwas
zu dem Adler sagen, ohne auf
die weiteren Teile vorzugreifen?
Alexej – In der letzten Leserunde
kam tatsächlich der Kritikpunkt
auf, dass die Cover der Reihe
gänzlich unpassend wären. Obwohl
gerade in „Schatten der
Vergangenheit“ bereits zwei
Hinweise auf den Adler zu finden
waren und die Leserunde zu
ebendiesem Teil der Serie stattfand.
Ich bin ein großer Freund
von Easter Eggs und Symbolik.
Der Adler ist das zweithäufigste
Wappentier – und das weltweit.
Adler stehen nicht nur für Stärke
und Mut, sondern auch für ewiges
Leben. Ich freue mich jetzt schon
auf den Aha-Moment der Leser,
wenn das Warum aufgedeckt
~ UNSERE TITELSTORY ~
wird. Ich liebe meine Serie – und
hinter ihr steckt mehr System, als
man glauben mag. So hat auch
der Adler eine tiefere Bedeutung,
die zu früh erklärt, wenig Sinn
gemacht hätte.
Gibt es auch andere Projekte, an
denen du arbeitest?
Alexej – Ich arbeite immer mal
wieder an einem YA-Roman. Das
ist wohl eine On-Off-Beziehung,
zwischen uns. Aber wie so vieles
im Leben benötigt auch dieser
Roman eine gewisse Reifezeit.
Ich plane, ihn dieses Jahr zu beenden,
denn ich fühle mich in
diesem Genre doch recht wohl –
auch wenn es mich immer häufiger
nach Tardiriôn verschlägt.
„Hexenkinder“ ist ein Projekt, das
mehr Zeit verlangt, als ich ursprünglich
dafür erdacht hatte.
Aber so sind kreative Prozesse
manchmal. Es sind sich offenbarende
Wege – man muss sie nur
gehen. Was mir auch immer wieder
im Hinterkopf herumspukt ist
die Hintergrundgeschichte zu
Seth. Wann ich jedoch dort das
erste Wort zu Papier bringe, kann
ich noch nicht sagen.
Wir bedanken uns herzlich für
das Interview und wünschen dir
weiterhin viel Glück und Erfolg!
Alexej – Ich habe zu danken und
freue mich auf die weitere Zusammenarbeit!
Alexej Winter ist ein aus dem Südwesten Deutschlands stammender Autor. Mit seinem Debütroman „Sekundensache“
(HOMO Littera, 2014) schrieb er sich in die Herzen zahlreicher Leser. Der Roman landete
unter den Top 3 der schwulen Bücher und wurde zum Buch des Jahres 2014 gekürt.
Mehr Informationen über den Autor auf: www.alexej-winter.de
S e i t e | 9
~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 10
~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
Ungeheuerlich: Sie wollen
sich einfach nicht küssen
AUTORIN REG BENEDIKT ÜBER PROTAGONIS-
TINNEN, DIE SICH SELBSTSTÄNDIG MACHEN,
SCHREIBGEWOHNHEITEN UND IHREN ROMAN
„DAS VENUS-TATTOO“
R
eg Benedikt ist eine deutsche
Schriftstellerin, die
mit ihrer Frau in der Nähe
von Berlin lebt. Das Schreiben
begleitet sie seit Jahren und ist ein
unverzichtbarer Bestandteil ihres
Lebens.
Ende 2020 erschien dein Thriller
„Das Venus-Tattoo“. Erzählst du
den Lesern bitte kurz, worum es
geht?
Reg – „Das Venus-Tattoo“ handelt
von einem neuen Abenteuer
um die Detektivin Sasha Barnett.
Sie ist unzufrieden mit ihrem Job,
der nur noch aus dem Beschatten
untreuer Ehepartner zu bestehen
scheint. Tatsächlich hat sie mit
Beziehungsdramen aber selbst
genug um die Ohren, denn Jo hat
sich völlig unerwartet von ihr
getrennt. Da kommt ihr der Auftrag,
den Tod einer jungen Tätowiererin
aufzuklären, gerade
recht. Offiziell hat die Polizei es
als Selbstmord abgeschlossen,
aber Ella, die Freundin der Verstorbenen,
ist von einem Gewaltverbrechen
überzeugt. Ein von
der Toten hinterlassener Brief ist
der Anfang einer Reihe rätselhafter
Hinweise zu einem dunklen
Geheimnis, und je näher Sasha
diesem kommt, umso gefährlicher
wird es für sie.
Dies geschieht alles inklusive
einiger dramatischer Verwicklungen
um Jo und vor allem um Ella,
die einem recht extravaganten
Beruf nachgeht.
man wissen möchte, wie Jo und
Sasha zusammengekommen sind
– aber man müsste es nicht, um
die aktuelle Geschichte zu verstehen.
Es existiert Sasha Barnett als
Person, und um sie herum entwickeln
sich dann die Ideen. Das
fällt mir bei ihr gar nicht schwer,
denn sie zieht Ärger geradezu
magisch an.
Deine ProtagonistInnen sind
zum Anfassen real – jede(r) einzelne
davon hat seine guten und
schlechten Seiten. Oftmals verfassen
SchriftstellerInnen zu
ihren Charakteren ganze Biografien.
Wie entstehen deine
Romanfiguren? Gibt es Steckbriefe
und Lebensläufe zu
ihnen?
340 Seiten, ISBN 978-3-903238-70-1, € 14,90 (A)
„Das Venus-Tattoo“ ist der 2.
Teil über die Detektivin Sasha
Barnett. Jedes Buch kann aber
unabhängig vom Vorgänger
gelesen werden. Wie planst du
die einzelnen Teile? Gibt es ein
Gesamtkonzept oder entwirfst du
die Einzelteile gesondert?
Reg – Nein, es gibt tatsächlich
kein Konzept, und jedes Abenteuer
entsteht ganz separat. Deshalb
können die Bücher auch
einzeln für sich stehen. Zumindest
ist das mein Anspruch, und
ich hoffe sehr, dass es mir gelungen
ist. Natürlich ist es hilfreich,
den ersten Teil zu lesen, wenn
S e i t e | 12
Reg – Das muss ich ebenfalls
verneinen. Sasha lebt in meinem
Kopf – das klingt jetzt etwas
schizophren, und weitaus bedenklicher
ist, dass sie da tatsächlich
auch nicht alleine ist. Für mich ist
sie eine wirklich gute Freundin,
und ich kenne sie ziemlich genau.
Mit jedem ihrer Abenteuer lerne
ich sie besser zu verstehen und
entdecke Seiten an ihr, die ich
selbst noch gar nicht gesehen
habe. Sie wächst und verändert
sich und ist nicht statisch auf
einen Steckbrief gebannt. So geht
es mir mit allen Protagonistinnen,
über die ich schreibe. Ich lasse
ihnen Freiraum, den sie ausfüllen
~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 13
können. Es gibt natürlich einen
Background, jeder hat ja eine
Vergangenheit, die ihn geprägt
hat. Davon erfährt aber immer
auch die LeserIn früher oder später,
um die Charaktere besser
kennenzulernen.
Viele SchriftstellerInnen beklagen
oft, dass sich ihre ProtagonistInnen
selbstständig machen.
Kannst du davon auch ein Lied
singen? Mischen sich deine
Charaktere in den Schreibprozess
sowie in die Handlung ein?
Wenn ja, wie bringst du sie wieder
zum Schweigen?
~ AUTORENINTERVIEW ~
Reg – Oh ja, das tun sie. Man hat
als Schriftstellerin so seine Pläne
und Ideen, wo die Handlung hinführen
soll und wer mit wem
interagiert. Man meint, alles im
Griff zu haben und dann passiert
es während des Schreibprozesses,
dass sich zwei partout nicht verstehen,
die eigentlich zusammenarbeiten
sollen oder ungeheuerlicher
noch: Sie wollen sich nicht
küssen! Kann man sich das vorstellen?
Man hat sich das so
schön überlegt und dauernd fangen
die beiden an, sich zu streiten.
Tatsächlich bringe ich sie
nicht zum Schweigen, denn das
finde ich langweilig. Ich lass’ sie
sich austoben und schaue, wohin
sie wollen, und meist führt es zu
etwas wirklich Gutem, einer
wundervollen Szene oder einem
aufregenden Plot. Ich mag es,
wenn sie sich einmischen. Sie
wachsen von ganz alleine, und ich
leite sie nur ab und an in die
Richtung, die ich mir vorstelle.
Wie bereits im Vorgänger „Die
Träne der Aphrodite“ gibt es
auch dieses Mal einige historische
Hintergründe. Im „Das
Venus-Tattoo“ hast du unter
anderem das Voynich-Manuskript
aufgenommen. Wie bist
du auf diese Idee gekommen?
Reg – Ich bin bei Recherchen im
Internet darüber gestolpert und
fand es überaus spannend, dass es
in unserer heutigen Zeit etwas
gibt, was noch niemand entschlüsseln
konnte. Irgendwie hat
sich das in meine Gedanken gemogelt,
und ich habe mir überlegt,
es einzubauen. Für mich ist
es sehr inspirierend, wenn sich
die Fiktionen, aus denen meine
Bücher bestehen, dennoch auf
diese kleinen realen Details beziehen.
Wie sahen die Recherchearbeiten
zum Buch aus?
Reg – Meine Recherchen beschränken
sich zum Großteil auf
das Internet. Wie vielleicht schon
aufgefallen ist, nenne ich in keinem
meiner Bücher Städte oder
reale Orte oder gar Länder. Das
mache ich ganz bewusst so, weil
ich meine Protagonistinnen nicht
in Kleinkleckersdorf sehe und mir
nicht anmaße, New York wie
meine Westentasche zu kennen.
Ich schreibe Abenteuer und die
Drehbücher zu meinem Kopfkino,
das jede LeserIn in ihrer eigenen
Fantasie ausleben kann und soll,
wie sie es möchte. Die Protagonistinnen
sind so stark, so schön,
so klug und so leidenschaftlich
wie die LeserIn es will. Immer
weit mehr als in der Realität –
natürlich. Denn über die schreibe
ich nicht, die passiert ja um uns
herum, ganz ohne unser Zutun.
So ziemlich alle Details, die ich
benötige, finde ich im Internet
und ab und zu stolperte ich dann
S e i t e | 14
~ AUTORENINTERVIEW ~
über diese faszinierenden Geheimnisse.
Der Rest ist Inspiration.
Wie kann man sich deinen
Schreibprozess vorstellen? Hast
du eine eigene Schreibstube, wo
du dich zurückziehst, oder
kannst du überall schreiben?
Reg – Auf gar keinen Fall kann
ich überall schreiben. Es ist mir
ein Rätsel wie Autoren zum Beispiel
in Cafés einen klaren Gedanken
fassen können. Es wird ja
gerne so dargestellt, und ich bewundere
jeden, der das fertig
bringt. Mir würde da völlig die
Konzentration abhandenkommen.
Ich wäre abgelenkt von den Gesprächen
um mich, dem seine
Trotzphase auslebenden Kleinkind
hinten links und würde allenfalls
noch überlegen, ob ich
das zweite Stück Kuchen nun
nehmen soll oder nicht. Das einzig
Interessante an der Idee wäre,
mit Kaffee bedient zu werden,
ohne aufstehen zu müssen.
Für mich ist es zu Hause viel
gemütlicher. Ich kann beim
Schreiben nicht gerade und ordentlich
auf einem Stuhl sitzen.
Ich brauche meinen Laptop auf
dem Schoß und lümmle mich
irgendwie darunter, um dann abzutauchen.
Liest du selbst gerne Thriller?
Reg – Nein.
*Schweigen breitet sich aus …
Grillen zirpen …*
Jetzt musste ich lachen. Das ist
etwas ironisch, oder? Ich schreibe
ja keine Psychothriller, und auch
wenn Action und Drama nicht zu
kurz kommen, zersäge ich die
S e i t e | 15
Leute nicht oder was für Verstümmelungen
derzeit gerade
angesagt sind. Beides ist mir viel
zu gruselig.
Bei Sasha Barnett muss es nicht
höflich zugehen, davon ist sie
weit entfernt. Ich mag es, wenn es
kracht, und es darf auch Blut fließen,
aber das ist alles andere als
subtil. Meine LeserInnen sollen
immer darauf vertrauen können,
dass die Protagonistinnen die
Situationen, in die sie geraten,
irgendwie meistern und bestehen.
Wird es weitere Sasha-Barnett-
Fälle geben? Kannst du über
eine Fortsetzung schon etwas
sagen? Wenn ja, gibt es wieder
ein paar historische Exponate?
Reg – Ja, es wird auf jeden Fall
eine Fortsetzung geben. Ich habe
sie in der Rohfassung sogar schon
fertig. Vielleicht gibt es auch
~ AUTORENINTERVIEW ~
wieder ein historisches Geheimnis
zu entdecken. Da bin ich mir
noch nicht sicher. Fest steht aber,
dass der dritte Teil viel düsterer
werden wird, und in Sashas Leben
wird sich mehr verändern, als
ihr lieb ist.
Reg – Ich danke euch für euer
Interesse. Es hat wieder viel Spaß
gemacht.
Wir wünschen dir weiterhin viel
Erfolg, alles Gute und bedanken
uns für das Interview. Wie immer
war es uns eine Freude.
Reg Benedikt, geboren 1973, ist eine deutsche Schriftstellerin, die mit ihrer Frau in der Nähe von Berlin
lebt. Das Schreiben begleitet sie seit Jahren und ist ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens.
Neben spannenden Abenteuern verbirgt sich in ihren Büchern auch jedes Mal eine Liebesgeschichte, die man
nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennt, denn sie ist sorgfältig in düsteren Intrigen und mystischen Geheimnissen
verpackt – und es gibt immer ein bisschen Drama. Mit Humor und Leidenschaft lässt sie ihre
Protagonistinnen am Ende siegen – vermutlich ...
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~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
Eine Liebeserklärung an
schwule Filme und Serien
ÜBER GÄNSEHAUTMOMENTE, DAS MEDIUM
FILM IM WANDEL DER ZEIT UND DIE HERAUS-
FORDERUNG EIN SACHBUCH ZU SCHREIBEN –
PAUL SENFTENBERG ZU SEINEM BUCH „GAY
MOVIE MOMENTS“
260 Seiten, ISBN 978-3-903238-02-2, € 15,93 (A)
P
aul Senftenberg kommt
aus Niederösterreich. In
seinen Veröffentlichungen
geht es meist um die Identitätsfindung
schwuler Jungen und
Männer als Voraussetzung zu
echter Liebe. Sein erster Roman
erschien 2009.
Wie bist auf die Idee gekommen,
ein Buch über die stärksten
Gänsehautmomente des
schwulen Films beziehungsweise
Serien zu schreiben? War dir
das Thema persönlich wichtig?
Paul – Dass mir Filme sehr wichtig
sind, ist mittlerweile ja kein
Geheimnis mehr, ich hege wirklich
eine große Leidenschaft dafür.
Ich erinnere mich an die
schier grenzenlose Begeisterung,
mit der ich als Kind die Sonntagnachmittagsvorstellungen
der
Filmreihen über Winnetou und
Godzilla besucht und die coolsten
Szenen anschließend nachgespielt
habe. Ein solch vorbehaltloses
Schwärmen kommt einem als
Erwachsener ja abhanden. Filme,
das Schreiben und Lesen sind für
mich seitdem zentrale Komponenten
meines Lebens. Es ist kein
Wunder, dass ich deshalb schon
seit Langem direkt und indirekt
auch über Filme schreibe. In mehreren
meiner Romane spielen
Filme und Kino eine wichtige
Rolle. So kommt es in Eine ganz
andere Liebe während einer Freiluftaufführung
des Klassikers
Frankenstein zum ersten Kuss
zwischen den beiden Protagonisten.
Auch die Eröffnungsszene
des Romans Hände ist eine sehr
filmische, denke ich: die nächtliche
Kirche, der Schein einer Taschenlampe
– und dann dieser
Dreizehnjährige, der den Heiligenfiguren
auf den Fresken mit
Hammer und Meißel die Hände
wegzustemmen beginnt. Oder
auch der Beginn von Damals ist
vorbei, als ein Junge in die Donau
springt, um einen anderen vor
dem vermeintlichen Selbstmord
zu retten. Das könnte man fast
eins zu eins im Film umsetzen,
findet ihr nicht? Mein Schreibstil
scheint sich ja auch an der Sicht
von Filmfiguren zu orientieren
und die Szenenfolgen sind nicht
selten vom Aufbau von Fernsehserien
beeinflusst. Leserinnen und
Leser haben mir auch schon oft
erzählt, dass sie beim Lesen meiner
Texte die Ereignisse wie in
Filmbildern quasi vor sich ablaufen
sehen. Wenn ich in meinen
beiden jüngsten Romanen Ein
Lächeln mit Zukunft und Fahren
mit wehendem Haar die Schicksale
gleich mehrerer Figuren aufrolle
und wie beim Zusammensetzen
eines Puzzles miteinander verbinde,
mag dies den Charakter von
Fernsehserien haben, die in der
heutigen Zeit die Rolle der ausufernden
Romane des 19. Jahrhunderts
übernommen haben.
Einige der Charaktere aus Fahren
mit wehendem Haar spielen in
meinem Beitrag zur Anthologie
Sein schönster Sommer eine Rolle
– den ich in ironischer Brechung
in der Form des Drehbuches zu
einer schwulen Soap gestaltet
habe. Womit sich der Kreis zum
filmischen Schreibstil schließt.
Der Schritt zu den essayistischen
Texten über Filme war dann kein
sehr großer, das kam wie von
selbst. Ich habe zuerst nur für
mich begonnen, über einzelne
Filmszenen zu schreiben, ganz
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~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
einfach aus Interesse und der
Freude an der Tätigkeit. Daraus
entstand schließlich die Idee,
ausgehend von den Stimmungen,
die Filmszenen erzeugen, tiefer in
ihre Analyse einzudringen, Querverbindungen
zu anderen Gänsehautmomenten,
zu psychologischen
und philosophischen Aussagen
und Thesen zu schaffen, zu
dem gedanklichen Überbau, in
den sie mir eingebettet erscheinen.
Irgendwann habe ich herausgefunden,
dass es ein Buch, das
sich dieser Vorgehensweise bedient,
noch nicht gegeben hat.
Das war der Anstoß, die Arbeit an
Gay Movie Moments konkret
aufzunehmen.
Deine Leser kannten dich bis
jetzt aus dem Bereich der Belletristik.
War es für dich als
Schriftsteller eine große Umstellung,
ein Sachbuch zu
schreiben?
Paul – Im Jahr 1990 – ich habe,
um die Frage beantworten zu
können, das Datum überprüft – ist
mir die Taschenbuchausgabe von
Wolf Wondrascheks Menschen.
Orte. Fäuste in die Hände gefallen.
Ich habe damals so ziemlich
alles aus dem Diogenes-Verlag
gelesen. In dieser Sammlung von
„Reportagen und Stories“, wie
der Untertitel lautet, gab es eine
Reihe von ganz kurzen Porträts
von legendenumwobenen Plantagenhäusern
am Mississippi. Ich
weiß noch heute, dass mich diese
Texte fasziniert haben; manche
dieser Gebäude haben ja auch
schon in Filmen das Setting gegeben.
Mit einer solchen Präzision
des Ausdrucks und gleichzeitig
in dieser atmosphärischen
Dichte wie Wondraschek wollte
ich auch einmal zu schreiben
versuchen. Ich kenne journalistisches
Arbeiten ja auch aus der
Praxis; die Essays in Gay Movie
Moments sind für mich eine Art
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Mischung aus beidem: dem
gründlichen Recherchieren und
genauen, möglichst klaren und
logisch nachvollziehbaren Argumentieren
auf der einen Seite, auf
der anderen jedoch auch der Freiheit
in der Art des Flusses von
Assoziationen zu arbeiten, dabei
Figuren, Handlungssträngen,
Themen und Ideen nachzuspüren,
als wäre ich mit der Entwicklung
eines Romans beschäftigt. Es hat
mir immenses Vergnügen gemacht,
diese Texte zu schreiben
und dabei ausgehend vom Einfluss
des genannten Vorbildes
meinen ganz eigenen Stil zu formen.
Wie viel Zeit nahm „Gay Movie
Moments“ in Anspruch, es zusammenzustellen
beziehungsweise
zu schreiben?
Paul – Wie gesagt habe ich ziemlich
lange an dieser Art von Texten
gefeilt, viele Jahre schon. An
~ AUTORENINTERVIEW ~
Gay Movie Moments
geschrieben habe ich
wohl mehr als drei
Jahre, wenngleich
nicht ausschließlich
an diesem Projekt.
Parallel dazu sind
auch meine letzten
beiden Romane entstanden.
Wie darf man sich
die Arbeit rund um
„Gay Movie Moments“
vorstellen?
Hast du dir bereits
während des/der
Films/Serie Notizen
gemacht? Oder bist du der klassische
Zuseher, der danach seine
Überlegungen niederschreibt?
Wie sah die Vorgehensweise zu
„Gay Movie Moments“ aus?
Paul – Auf manche der ausgewählten
Filme bin ich rein zufällig
gestoßen, andere standen von
Anfang an auf meiner Liste, über
die ich in Gay Movie Moments
unbedingt schreiben wollte. Mehrere,
über die ich sehr positive
Kritiken gelesen hatte, musste ich
nach dem Anschauen wieder von
dieser Liste streichen, weil sie
mich entweder einfach nicht
überzeugt haben oder weil es sich
dabei zwar um Streifen handelte,
die im Kanon des queeren Kinos
einen mitunter sogar wichtigen
Platz innehaben, für mich aber
nicht das aufgewiesen haben,
worum es mir eben in erster Linie
ging: um den Gänsehautmoment,
der dir die Tränen in die Augen
oder einen Angstschauer über den
Rücken treibt oder dir das Herz
übergehen lässt vor Mitgefühl.
Wenn ich mich für einen Film
entschieden habe, kam ein zweites
oder sogar drittes Anschauen
S e i t e | 21
mit dem Notizblock, wobei es bei
deutschen und englischen Filmen
einfacher war, Originalzitate aufzuschreiben,
als bei Filmen in
anderen Sprachen. Woran soll
man sich da halten? An Untertitel?
An Drehbuchauszüge, wie
man sie im Internet findet?
Dummerweise gibt es da nämlich
zuweilen beträchtliche Unterschiede.
Deshalb habe ich mich
dazu entschieden, englische Zitate
immer im Original zu belassen,
um zumindest hier keine Verzerrungen
zu riskieren; die meisten
Leserinnen und Leser werden
diese Zitate wohl verstehen.
Was dann folgte, war die Recherche
über die Hintergründe
der Produktionen, Schauspieler,
Regisseure, die Rezeption.
Ich hatte dann eine Datei mit
sehr umfangreichen Notizen zu
dem jeweiligen Film, in die ich
auch Zitate aus anderen Büchern
oder von Philosophen
und Autoren aufnahm, die mir
zur Handlung und dem Thema
als passend erschienen. Der
letzte Schritt – und das war
immer der, der mir am meisten
Spaß machte – war, aus diesem
umfangreichen Konvolut an
Ideen einen möglichst eleganten
und präzisen Text zu formen,
der trotz der oftmals tiefgehenden
Überlegungen, die
darin ausgedrückt werden,
doch leicht und verständlich
lesbar ist und aus dem meine
Leidenschaft für das Produkt, um
das es eigentlich geht, nämlich
den ganz konkreten Film, herauszulesen
ist.
Du analysierst über 80 Filme
und Serien in „Gay Movie Moments“.
Was waren deine Auswahlkriterien
für die Titel? War
es schwierig, sich für/gegen bestimmte
Filme/Serien zu entscheiden?
Paul – Wie ich in meinem Vorwort
zum Buch formuliere, gab es
bei der Auswahl ein einziges Kriterium:
meinen persönlichen Geschmack.
Ich habe das Buch als
„Liebeserklärung an schwule
Filme und Serien“ bezeichnet und
denke, genau dies macht seinen
Reiz aus. Hätte ich mich auf theoretische
Diskussionen eingelassen,
was Strömungen und Tendenzen
des queeren Kinos betrifft,
würde das Buch heute ganz
~ AUTORENINTERVIEW ~
anders aussehen. Natürlich hatte
ich diese akademischen Auseinandersetzungen
beim Schreiben
im Hinterkopf, doch mein Ansatz
und meine Intentionen waren und
sind eben ganz andere.
Manche Filme in „Gay Movie
Moments“ sind keine typischen
Werke des „Queer Cinemas“,
und dennoch hast du sie aufgegriffen.
Warum war es dir wichtig,
diese neuen, durchaus interessanten
Blickwinkel auf bestimmte
Filme aufzuzeigen?
Paul – Ich habe mich oft gewundert,
wie blind die Rezeption von
Filmen in den Medien des
Mainstream sein muss, um zum
Beispiel nicht zu erkennen, dass
es in der Auseinandersetzung der
beiden im Titel angeführten Personen
im Streifen Die Ermordung
des Jesse James durch den Feigling
Robert Ford nicht um das
Nacheifern eines jungen Mannes
gegenüber seinem großen Idol
geht, sondern schlicht und einfach
um unerfüllte Liebe. Und zwar
um ein schwules Begehren, denn
wäre einer der beiden weiblichen
Geschlechts gewesen, dann hätten
die Kritiker und die Zuschauer
den Film auch so gelesen. Filme
wie diesen aus meiner etwas anderen
Sicht aufzurollen, hat mir
Spaß gemacht. Und schwule
Momente in Pocahontas oder
auch Skyfall zu interpretieren –
ein Vergnügen für mich, mich mit
Bösewichten aus dem Kosmos
von Disney und Bond zu befassen!
Ich meine, wie blind muss
man sein, um das Lied „YMCA“
von den Village People zu spielen
und nicht zu verstehen, was eigentlich
dahintersteckt. Da sind
wir auch schnell bei Rock Hudson,
James Dean und Liberace,
bei Spartacus und Ben Hur und
den Versuchen, zu vertuschen,
was doch eigentlich offensichtlich
ist. In meinem Buch kommen
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~ AUTORENINTERVIEW ~
solche Hinweise aber nur dann
vor, wenn sie mit einem echten
Gänsehautmoment zusammenhängen.
„Gay Movie Moments“ stellt
keine Best-of-Liste filmischer
Werke dar, sondern soll vielmehr
eine Hommage an die stärksten
Gänsehautmomente des schwulen
Films sein. Kannst du dennoch
einen Film oder eine Serie
nennen, der/die dich besonders
geprägt beziehungsweise bewegt
hat?
Paul – Ich liebe alle Filme und
Serien, über die ich in meinem
Buch geschrieben habe. Für mich
ist Schreiben eine sehr schöne,
aber auch sehr anstrengende Betätigung.
Ich habe deshalb immer
nur über das geschrieben, was
meine Seele entzündet. Aber
wenn ihr mich fragt, ob ich einen
Film herausgreifen kann, dann
komme ich unweigerlich zu
Francois Ozons Die Zeit, die
bleibt. Der Streifen beschreibt die
letzten Wochen und Tage eines
schwulen Mannes, zu Beginn der
Handlung ein ziemlicher Egoist,
der erfährt, dass er nur noch kurze
Zeit zu leben hat, und der versucht,
mit der Welt und sich
selbst Frieden zu schließen. Ich
habe diesen Film sicherlich schon
öfter als zehn Mal gesehen und
ich schwöre, dass ich nicht nur
beim Schreiben des Essays dazu,
sondern bei jedem Schritt des
Redigierens und Korrigierens,
also immer, wenn ich die letzten
beiden Absätze meines Textes
gelesen habe, Tränen in den Augen
hatte. Irgendetwas an den
Bildern dieses Films hat mich
ganz tief im Herzen gepackt.
Im Wandel der Zeit hat sich das
Medium Film stark verändert –
von der einfachen Filmrolle zur
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DVD bis hin zum heutigen
Streaming. Selbst viele Kinobesuche
werden heute mittels 3D-
Technik im wahrsten Sinne des
Wortes zum hautnahen Erlebnis.
Was hältst du von diesen Veränderungen?
Verliert der klassische
Kinobesuch sein Flair? Ist
ein DVD- oder Filmabend durch
Streaming noch dasselbe?
Paul – Das Kino wurde schon
oftmals totgesagt – beim Aufkommen
des Tonfilms, des Fernsehens,
von Video – und hat doch
immer überlebt. Die große Leinwand,
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Augenmerk auf Männer, die eine
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~ AUTORENINTERVIEW ~
– das hat schon was! Mit 3D
kann ich aber überhaupt
nichts anfangen, das stört
mich nur. Ich gehe auch in
keinen Film in 3D mehr; ich
finde, die Technik lenkt hier
viel zu sehr von den Charakteren
und der Handlung ab,
ich mag auch keine unscharfen
Bilder. Schwule Filme
gibt’s aber eh meistens nicht
im Kino zu sehen. Dort stören
mich leider auch sehr oft andere
Besucher, wenn sie SMS
schreiben und sich halblaut
miteinander unterhalten. Und
dieses ständige Rascheln mit
den Chipssackerln!
Ich bin aber daheim sehr gut ausgestattet,
sodass ich Filme hier
wirklich genießen kann. Und ich
liebe „Binge Watching“ von Serien.
Eine ganze Staffel von Walking
Dead oder Game of Thrones
auf einmal – herrlich! Bei dem
minimalen Angebot, das es in
meiner Kindheit und Jugend gab
– nie hätte ich mir diese Vielfalt
und auch Qualität je träumen
lassen. Ich finde das wunderbar!
Denkst du, dass du mit „Gay
Movie Moments“ den schwulen
Film mehr in den Vordergrund
gerückt hast?
Paul – Das kann ich nicht wirklich
beurteilen, warten wir mal
ab, ob sich das
Buch gut verkauft.
Falls ja, dürfte es
mir wohl gelingen,
auf den einen guten
Film und die andere
empfehlenswerte
Serie hinzuweisen.
Die ersten positiven
Rezensionen, die
ich zu meinem
Buch lesen durfte,
sind in diese Richtung
gegangen,
dass sich die Leute
dann auch einige
der besprochenen
Filme gekauft haben.
Ich finde es aber insgesamt
toll, dass immer mehr schwule
Filme Anerkennung bekommen,
denken wir nur an den vorjährigen
Oscargewinner Moonlight,
einen wunderbaren Film. Noch
ein paar weitere Schritte aus der
Nische in Richtung allgemeiner
Akzeptanz, das wäre toll!
Auf deiner Website findet man
zusätzliche besondere Gänsehautmomente
aus Filmen und
Serien. Dürfen sich Leser auf
weitere schwule Szeneanalysen
freuen? Oder planst du zukünftig
eher wieder in den Bereich
der Belletristik zurückzukehren?
Paul – Wenn mein Roman Fahren
mit wehendem Haar herauskommt,
werde ich seit Langem
keine unfertigen Projekte in der
Schublade liegen haben. Es gibt
noch eine Idee, die mir im Kopf
herumgeistert, doch dafür habe
ich noch nicht den rechten Ansatzpunkt
gefunden. Das ist bei
mir immer so: Wenn der Zeitpunkt
der richtige ist, fließen
Texte nur so aus mir heraus. Ist es
aber noch zu früh, geht gar nichts.
Und diese Geschichte wäre tatsächlich
absolutes Neuland für
mich.
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~ AUTORENINTERVIEW ~
Was neue Filmanalysen betrifft,
habt ihr recht. Auf meiner Homepage
www.paulsenftenberg.at
veröffentliche ich laufend Texte
zu schwulen Gänsehautmomenten,
die es wegen des Redaktionsschlusses
nicht ins Buch geschafft
haben. Darunter sind ganz tolle
Filme wie Théo & Hugo oder der
österreichische Streifen Kater.
Vielleicht wird es ja eines Tages
eine aktualisierte und noch umfangreichere
Neuauflage von Gay
Movie Moments oder einen zweiten
Band geben. Doch das ist
Zukunftsmusik. Ganz aufzuhören,
über schwule Gänsehautmomente
zu schreiben, kann ich mir derzeit
aber nicht vorstellen. Es macht
einfach zu viel Freude [Anm. d.
Red.: More Gay Movie Moments
erscheint Ende 2021].
Wir bedanken uns für das Interview
und wünschen dir weiterhin
viel Erfolg sowie einzigartige
Gänsehautmomente durch das
Medium Film.
Paul Senftenberg ist ein niederösterreichischer Autor. Im Herbst 2009 erschien sein erster Roman "Damals
ist vorbei" im Bruno Gmünder Verlag. Es folgten seine Romane "Eine ganz andere Liebe" (2013) und "Narben"
(2014) sowie eine Neuauflage von "Damals ist vorbei" im Himmelstürmer Verlag im Herbst 2014.
Im Frühjahr 2014 erschien die Novelle "Der Stammbaum" im österreichischen Verlag HOMO Littera. In all
diesen Texten, wie auch im neuesten Roman "Hände", geht es um die Identitätsfindung schwuler Jungen und
Männer als Voraussetzung zu echter Liebe.
Mehr Informationen über den Autor auf www.paulsenftenberg.at
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~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ NEWS II ~
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~ NEWS II ~
WISSENSWERTES
Wort der Saison:
kom|mod: bequem, gemütlich
Bedeutung von „Erzählung“:
(Substantiv, feminin) ist eine längere Textsorte.
Die Handlung verläuft dabei chronologisch und
wird in einer einzigen Erzählperspektive geschrieben.
Meist gibt es keine Rückblenden, des
Öfteren unterliegt sie aber wahren Begebenheiten.
PROGRAMMVORSCHAU
Diare Cornley
GEKÜSST VON EINEM ALIEN
Alexej Winter
HEXENKINDER IV
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~ NEWS II ~
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