AK Insolvenzpraxis 22_04_2021
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Arbeitskreis Insolvenzpraxis
Die neuen Regelungen
in der Insolvenzordnung
22. April 2021
Apr-21 Rechtsanwalt Matthias Marzluf 1
Die wichtigsten Änderungen:
• Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase
• Neuregelung der Insolvenzantragspflicht
• Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung (§ 15b InsO)
• Insolvenzantragspflichten nach COVInsAG
• Unternehmensstabilisierungs- und
Restrukturierungsgesetz (StaRUG)
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Verkürzung der
Restschuldbefreiungsphase
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Historische Entwicklung
• 01.01.1999 7 Jahre Wohlverhaltensperiode
• 01.12.2001 Einführung der Kostenstundung
6 Jahre Wohlverhaltensperiode
• 01.07.2014 6 Jahre Wohlverhaltensperiode
5 Jahre bei Kostentragung
3 Jahre bei 35% Quote
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Reform der Restschuldbefreiung
• Zum 01.01.2021 ist die Reform der
Restschuldbefreiung rückwirkend zum
01.10.2020 in Kraft getreten
• Die Neuerung sieht für Verfahren ab dem
01.10.2020 eine Verkürzung der Dauer der
Restschuldbefreiung auf 3 Jahre ohne
Mindestquote vor
• Gleichzeitig findet eine sukzessive Verkürzung
der WVP für „Alt“-Verfahren ab 17.12.19 statt
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Sukzessive Verkürzung der
Wohlverhaltensperiode bei „Alt“-Verfahren
Antragstellung Laufzeitverkürzung Verkürzungsmöglichkeit nach "altem" Recht
bis 16.12.2019
6 Jahre ab Eröffnung
ab 17.12.2019
5 Jahre 7 Monate
ab 17.01.2020
ab 17.02.2020
ab 17.03.2020
ab 17.04.2020
ab 17.05.2020
5 Jahre 6 Monate
5 Jahre 5 Monate
5 Jahre 4 Monate
5 Jahre 3 Monate
5 Jahre 2 Monate
Verkürzungsmöglichkeit
auf fünf Jahre bei
Kostendeckung
Verkürzungsmöglichkeit
auf drei Jahre
bei Kostendeckung
und 35%
Mindestquote
ab 17.06.2020
5 Jahre 1 Monate
ab 17.07.2020
5 Jahre 0 Monate
ab 17.08.2020
4 Jahre 11 Monate
ab 17.09.2020
4 Jahre 10 Monate
ab 01.10.2020
3 Jahre
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Reform der Restschuldbefreiung
• Nach bereits erteilter Restschuldbefreiung wurde
die Sperrfrist für ein neues Verfahren auf 11
Jahre ausgedehnt
• Schenkungen müssen künftig (analog der
Erbschaft) zur Hälfte an den Treuhänder
abgeführt werden,
• Lotteriegewinne vollständig.
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Neuregelung der
Insolvenzantragspflicht
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Insolvenzgründe
• Zahlungsunfähigkeit (§ 17 II InsO)
Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht
in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu
erfüllen.
(BGH: Binnen drei Wochen weniger als 90%
der fälligen Verbindlichkeiten)
Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen,
wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt
hat.
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Insolvenzgründe
• Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 II InsO)
Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden,
wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird,
die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt
der Fälligkeit zu erfüllen.
In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24
Monaten zugrunde zu legen.
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Insolvenzgründe
• Überschuldung (§ 19 II InsO)
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des
Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten
nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des
Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten
ist nach den Umständen überwiegend
wahrscheinlich.
Apr-21 Rechtsanwalt Matthias Marzluf 11
Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO
• § 15a InsO regelt die Insolvenzantragspflicht bei
Kapitalgesellschaften
(Stichwort: Insolvenzverschleppung)
• Verstöße gegen die Insolvenzantragspflicht lösen
aus
=> strafrechtliche Sanktionen
=> Haftung der Organe
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Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO
• Wird eine juristische Person zahlungsunfähig
oder überschuldet, haben die Mitglieder des
Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern
einen Eröffnungsantrag zu stellen.
• Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und
• sechs Wochen nach Eintritt der
Überschuldung zu stellen.
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Zahlungen bei
Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung (§ 15b InsO)
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Zahlungsverbot ab Insolvenzreife
• Grundsatz:
Die nach § 15a Absatz 1 Satz 1 InsO
antragspflichtigen Mitglieder des
Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft dürfen
nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der
Überschuldung keine Zahlungen mehr für die
Gesellschaft vornehmen.
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Zahlungsverbot ab Insolvenzreife
• Ausnahme:
Dies gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt
eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters vereinbar sind.
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Zahlungsverbot ab Insolvenzreife
• Mit Einführung des neuen § 15b InsO zum
01.01.2021 werden die bislang in den
gesellschaftsrechtlichen Gesetzen verankerten
Grundsätze (§ 64 GmbHG, § 92 II AktG, § 130 I
HGB, § 177a HGB, § 99 GenG) konsolidiert und
vereinheitlicht
• Gleichzeitig wurde bisherige BGH-Rechtsprechung
korrigiert; diese begrenzte das Privileg bislang
auf „unerlässliche“ Zahlungen wie Strom, Wasser
und Telekommunikation
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Ausnahmetatbestände
• Zwischen Insolvenzreife und Antragstellung
• Zur Beseitigung der Insolvenzreife (z.B. Sanierung)
• Zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags
• Die Zahlung muss einen Zusammenhang zur
angestrebten Sanierung bzw. dem Insolvenzantrag
aufweisen
• Die Zahlung muss der Aufrechterhaltung des
Geschäftsbetriebs dienen
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Ausnahmetatbestände
• Zwischen Antragstellung und Eröffnung
• Zusätzlich gelten durch den vorläufigen Verwalter
genehmigte Zahlungen als mit der Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters
vorgenommen
• Nach Ablauf der Antragspflicht
• Grundsätzlich kein Zahlungsprivileg
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Haftung bei Verstoß
• Geschäftsführer/Vorstände der Gesellschaft
haften gegenüber der Masse für Zahlungen, die
ohne entsprechendes Privileg erfolgten
• Die Haftung ist auf den entstandenen Schaden
begrenzt
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Pflichtenkollision
• Grundsätzlich führt die Nichtleistung von
Steuerschulden zur straf- und haftungsrechtlichen
Sanktionierung (§§ 34, 69 AO)
• Wegfall des Steuerprivilegs (§ 15b VIII InsO)
• Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten liegt
nicht vor, sofern die Antragspflichtigen ihren
Verpflichtungen nach § 15a InsO nachkommen.
• Privilegierungswegfall hinsichtlich des
Arbeitnehmeranteils von Sozialversicherungsbeiträgen
hingegen ungeklärt
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Insolvenzantragspflichten nach
COVInsAG
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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
in Folge der Covid-19-Pandemie
• März 2020 – 30.09.2020
• Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in Folge der
Covid-19-Pandemie
• Bei Zahlungsunfähigkeit musste zudem zumindest die
Aussicht bestehen, dass diese überwunden wird
• Eingeschränkte Gläubiger-Insolvenzantragsmöglichkeit
• 01.10.2020 – 31.12.2020
• Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nur für
überschuldete Unternehmen
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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
in Folge der Covid-19-Pandemie
• 01.01.2021 – 30.04.2021
• Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in Folge der
Covid-19-Pandemie
• Sofern im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 28.02.2021
ein Antrag auf die Gewährung finanzieller
Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme
zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie
gestellt wurde
• Ausnahme:
• Wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der
Hilfeleistung besteht oder
• die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der
Insolvenzreife unzureichend ist
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Folgen der Aussetzung
• Zahlungen gelten als „mit der Sorgfalt eines
ordentlichen u. gewissenhaften Geschäftsleiters“
getätigt (§ 15b InsO)
• Kreditgewährungen und Besicherungen im
Aussetzungszeitraum sind nicht als sittenwidriger
Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen
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Folgen der Aussetzung
• Bis zum 30.09.2023 erfolgende Rückgewähr
eines im Aussetzungszeitraum gewährten
• neuen Kredits (auch Warenkredit) sowie
• die Bestellung von Sicherheiten zur
Absicherung solcher Kredite
gelten nicht als gläubigerbenachteiligend
• Dies gilt auch für die Rückgewähr von
Gesellschafterdarlehen
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Folgen der Aussetzung
• Kongruente Rechtshandlungen sind in einem
späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar
• Entsprechendes gilt für folgende (inkongruente)
Rechtshandlungen:
• Leistung an Erfüllung statt oder erfüllungshalber
• Zahlungen durch Dritte auf Anweisung des Schuldners
• Sicherheitentausch (sofern die neue Sicherheit nicht
werthaltiger ist)
• Die Verkürzung von Zahlungszielen
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Folgen der Aussetzung
• Ausnahme:
Die Insolvenzanfechtungsmöglichkeit entfällt
nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war,
dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen
des Schuldners nicht zur
Beseitigung einer eingetretenen
Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind.
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Folgen der Aussetzung
• Bis zum 31.03.2022 erfolgten Zahlungen auf
Forderungen aufgrund von bis zum 28. Februar
2021 gewährten Stundungen gelten als nicht
gläubigerbenachteiligend, sofern über das
Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren
bis zum Ablauf des 18.02.2021 noch nicht
eröffnet worden ist.
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Folgen der Aussetzung
• Die eingeschränkte Insolvenzanfechtungsmöglichkeit
gilt auch für Unternehmen
• die keiner Antragspflicht unterliegen
• sowie für Schuldner,
• die weder zahlungsunfähig noch
überschuldet sind
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Matthias Marzluf
Rechtsanwalt
Mühlbacher Straße 49
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Tel.: 07269 / 91 93 670
Fax: 07269 / 91 93 672
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Mail: marzluf@ra-marzluf.de
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