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Arbeitsrecht<br />

<strong>Dr</strong>. Bernd Ohlendorf und Michael <strong>Schreier</strong><br />

AGG-konformes Einstellungsverfahren –<br />

Handlungsanleitung und Praxistipps<br />

Das Einstellungsverfahren birgt ein hohes Risikopotenzial für Arbeitgeber,<br />

aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch<br />

genommen zu werden. Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass abgelehnte<br />

Bewerber eine weniger günstige Behandlung erfahren als der eingestellte<br />

Arbeitnehmer. Damit erfüllt jedes Einstellungsverfahren bereits<br />

eines der Merkmale einer unmittelbaren Benachteiligung gem. § 3<br />

Abs. 1 AGG. Für die weiteren Merkmale – u.a. das Anknüpfen der Benachteiligung<br />

an eines der vom AGG erfassten Merkmale – genügen<br />

Indizien. Damit können bereits kleinste Fehler im Einstellungsverfahren<br />

den Ausschlag für Entschädigung und materiellen Schadenersatz geben.<br />

I. Stellenausschreibung<br />

Eine Stellenausschreibung – unabhängig ob z.B. in der Zeitung, im Internet<br />

oder am Schwarzen Brett – darf gem. § 11 AGG nicht unter Verstoß<br />

gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfolgen. 1<br />

Eine nicht AGG-konforme Stellenausschreibung stellt ein Indiz für eine<br />

Diskriminierung dar. 2 Hierbei ist unerheblich, ob der Arbeitgeber 3 die<br />

Stellenausschreibung selbst unternehmensintern oder -extern vorgenommen<br />

hat oder durch <strong>Dr</strong>itte wie Personalberatungsunternehmen, 4<br />

Headhunter oder die Agentur für Arbeit 5 hat vornehmen lassen. 6 Der<br />

Arbeitgeber ist für den Inhalt der Stellenausschreibung uneingeschränkt<br />

verantwortlich. 7<br />

Gerade Stellenausschreibungen bergen mitunter das größte Risikopotenzial.<br />

Durch den großen Adressatenkreis der Ausschreibung multiplizieren<br />

sich mögliche Ansprüche nach dem AGG auf alle potenziell<br />

benachteiligten Bewerber. Die summenmäßige Beschränkung des<br />

§ 15 Abs. 2 AGG auf bis zu drei Monatsgehälter bei „nicht-bestqualifizierten“<br />

Bewerbern gilt je Bewerber und nicht je Einstellungsverfahren.<br />

Eine summenmäßige Beschränkung der Ansprüche für das Einstellungsverfahren<br />

besteht nicht.<br />

PRAXISTIPP: Bei einem im Nachhinein bemerkten Verstoß gegen das<br />

Benachteiligungsverbot in der Stellenausschreibung sollte den Bewerbern<br />

mitgeteilt werden, dass das Einstellungsverfahren nicht weiter betrieben<br />

wird. Denn ein Entschädigungsanspruch entfällt, wenn die ausgeschriebene<br />

Stelle unbesetzt bleibt. 8 Die Stelle kann zu einem späteren Zeitpunkt<br />

erneut – fehlerfrei – ausgeschrieben werden.<br />

1. Keine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung<br />

Nahezu selbstverständlich, und dennoch in der Praxis oftmals nicht<br />

beachtet, ist das Verbot der geschlechtsspezifischen Ausschreibung.<br />

Selbst in jüngerer Zeit treten Fälle geschlechtsspezifischer Stellenausschreibung<br />

in Erscheinung. 9 Dabei liegen die entscheidenden Gefahren<br />

noch nicht einmal darin, die Verwendung der männlichen und<br />

weiblichen Geschlechterform in der Stellenausschreibung nicht zu beachten.<br />

Dass ein entsprechender Zusatz wie „m/w“ oder „/in“ grund-<br />

sätzlich vonnöten ist, wenn denn nicht die weibliche und die männliche<br />

Form in der Stellenausschreibung ausgeschrieben werden oder<br />

eine geschlechterneutrale Formulierung erfolgt, wie z.B. „Fachkraft<br />

für ….“, sollte mittlerweile jedem Arbeitgeber klar sein. Entscheidend<br />

ist vielmehr, dass die in der Stellenausschreibung geschlechterneutrale<br />

oder geschlechterübergreifende Formulierung auch durchweg einheitlich<br />

eingehalten wird. Ein Indiz für eine Diskriminierung stellt es dar,<br />

wenn die Stellenausschreibung zwar formal die zu besetzende Stelle<br />

geschlechterneutral oder geschlechterübergreifend bezeichnet, im<br />

nachfolgenden Text aber auf ein bestimmtes Geschlecht Bezug genommen<br />

wird.<br />

BEISPIEL: Gesucht wird ein Sekretär (m/w). Sie sollte über … verfügen. 10<br />

2. Altersneutrale Stellenausschreibung<br />

Die Altersdiskriminierung spielt neben der Geschlechterdiskriminierung<br />

und der Diskriminierung wegen Behinderung in der Praxis eine<br />

erhebliche Rolle. 11 Formulierungen, die den Anschein einer Bevorzugung<br />

von jüngeren oder älteren Arbeitnehmern erwecken, können ein<br />

starkes Indiz für eine Diskriminierung sein. 12 Gleiches gilt für die optische<br />

Gestaltung der Anzeige. 13 Zeigt diese z.B. nur junge, dynamische<br />

Menschen, so kann dies einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung<br />

begründen. Das Lebensalter darf bei der Personalentscheidung,<br />

unabhängig davon, ob es sich um das hohe oder das junge<br />

Alter handelt, 14 keine Rolle spielen. Fälle, in denen explizit ein „jüngerer“<br />

Mitarbeiter gesucht wird, sind selten, aber dennoch auffindbar. 15<br />

Risiken bringen auch Formulierungen mit sich, die typischerweise mit<br />

eher jüngeren oder eher älteren Personen in Verbindung gebracht werden.<br />

Dies sind Formulierungen wie „junges, dynamisches Team“, „leis-<br />

1 Vgl. Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, Rn. 165.<br />

2 Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 11 Rn. 23.<br />

3 Mit der im Aufsatz aus Gründen der Vereinfachung und Lesefreundlichkeit stets verwendeten männlichen<br />

Formulierungsform sollen alle Geschlechter ausdrücklich mit umfasst sein.<br />

4 Benachteiligungsindizien werden auch von großen Personalberatungsunternehmen in Stellenausschreibungen<br />

gesetzt; vgl. zuletzt Anzeige von Laurence Simons in JUVE (Heft 8, August 2008): „Leiter der<br />

Rechtsabteilung – Generalist“; „… sucht einen jungen Associate“.<br />

5 BVerfG, Beschluss v. 21.9.2006, Az. 1 BvR 308/03; BAG, NZA 2004, 540.<br />

6 Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 11 Rn. 9, 24.<br />

7 Vgl. Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 11 Rn. 24.<br />

8 LAG Düsseldorf, NZA-RR 2002, 345; Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007,<br />

§ 11 Rn. 9, 23; Kania/Merten, ZIP 2007, 8, 13; vgl. auch Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 170 f.; a. A.<br />

Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2007, Rn. 531.<br />

9 LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 20.3.2008, Az. 2 Sa 51/08 (anhängig beim BAG) – „Erzieherin/Sportlehrerin/Sozialpädagogin“;<br />

ArbG Hamburg, Urteil v. 18.3.2008, Az. 21 Ca 511/07 – „Sekretärin“; ArbG Fulda,<br />

Urteil v. 10.5.2005, Az. 1 Ca 530/04 – „junge Vertriebsassistentin“; BAG NJW 2004, 2112 – „Volljuristin“;<br />

ArbG Bonn, PflR 2001, 318 – „Examinierte Krankenschwester/Examinierte Altenpflegerin“.<br />

10 Beispiel angelehnt an Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, Rn. 179.<br />

11 24 % aller Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes betreffen das Alter: Statistik der Antidiskriminierungsstelle<br />

des Bundes für den Zeitraum 31.7.2006 bis 15.12.2007, vgl. <strong>Schreier</strong>, ZIAS 2008,<br />

309, 326.<br />

12 ArbG Stuttgart, Urteil v. 5.9.2007, Az. 29 Ca 2793/07: „idealerweise nicht älter als 45 Jahre“; Mohr, BehindR<br />

2008, 34, 42.<br />

13 Adomeit/Mohr, Kommentar zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 7 Anhang 2 Rn. 17.<br />

14 <strong>Schreier</strong>, JuS 2007, 308, 311.<br />

15 Vgl. Anzeige im Betriebs-Berater v. 23.6.2008: „Suchen (…) eine/n jüngere/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt“.<br />

2458 Betriebs-Berater // BB 45.2008 // 3.11.2008

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