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In der Praxis hat es sich als praktikabel erwiesen, stets nur eine Geschlechterform,<br />

z.B. die männliche Form, zu verwenden, und eine<br />

entsprechende Fußnote mit Verweis auf alle Geschlechterformen in<br />

der Vereinbarung aufzunehmen. Dies hat den Vorteil, dass insbesondere<br />

bei Vertragsanpassungen nicht in zwei Dokumenten gearbeitet,<br />

oder aber bei jeder Erstellung eines Vertrages die entsprechende Form<br />

angepasst werden muss.<br />

BEISPIEL: „Aus Vereinfachungsgründen wird im Rahmen des Anstellungsvertrags<br />

unabhängig vom Geschlecht nur die männliche Formulierungsform<br />

gewählt. Damit soll aber jedes Geschlecht ausdrücklich mit einbezogen<br />

sein.“<br />

Bei dem o.g. Beispiel wurde bewusst nicht formuliert, dass auch das<br />

weibliche Geschlecht mit einbezogen sein soll, denn das Merkmal Geschlecht<br />

erfasst Mann und Frau gleichermaßen wie intersexuelle und<br />

transsexuelle Menschen. 85<br />

b) Verpflichtung zu diskriminierungsfreiem Umgang<br />

Zur Erfüllung der Hinweis- und Einwirkungspflicht des Arbeitgebers<br />

empfiehlt es sich, entweder den Arbeitsvertrag durch einen Verhaltenskodex<br />

86 oder aber zumindest durch eine Verpflichtung zu diskriminierungsfreiem<br />

Umgang gegenüber Kollegen und Kunden zu ergänzen.<br />

Dies kann den Arbeitgeber in möglichen späteren Verfahren wegen<br />

des Vorwurfs der Diskriminierung auf Grundlage seiner Exkulpation<br />

– unter Heranziehung weiterer Schutzmaßnahmen – gemäß § 12<br />

Abs. 2 S. 2 AGG schützen.<br />

c) Hinweis auf Beschwerdestelle<br />

§ 13 Abs. 1 AGG verlangt einen Hinweis über die Beschwerdestelle,<br />

der dem Arbeitnehmer zugänglich gemacht werden muss. Die Beschwerdestelle<br />

kann z.B. aus dem Vorgesetzten bestehen. 87 Eine eigens<br />

dafür geschaffene Stelle ist nicht erforderlich. 88 Für den Hinweis<br />

bietet sich neben Aushängen im Betrieb auch der Arbeitsvertrag an.<br />

Eine entsprechende Formulierung könnte wie folgt lauten:<br />

BEISPIEL: Eventuelle Beschwerden nach § 84 BetrVG oder § 13 AGG sind<br />

an die Beschwerdestelle zu richten. Die Beschwerdestelle wird durch den<br />

jeweiligen unmittelbaren Vorgesetzen oder seinen Vertreter gebildet, der<br />

für die Entgegennahme und Behandlung von Beschwerden zuständig ist.<br />

2. Schulung<br />

Schulungsmaßnahmen bieten sich direkt zu Beginn des Anstellungsverhältnisses<br />

an und sollten zum Standardprogramm für jede neu<br />

eingestellte Person gehören. 89 Sie können die Haftung des Arbeitgebers<br />

ausschließen. 90 Daraus ergibt sich schon die zwingende wirtschaftliche<br />

– wenn auch nicht zwingende rechtliche – Notwendigkeit.<br />

Dazu sind insbesondere flexibel in den Betriebsablauf integrierbare<br />

Online-Schulungen, wie z.B. www.AGG-Wissen.de, von Vorteil. Sie<br />

dokumentieren einerseits für die Personalakte, dass eine geeignete<br />

Schulung stattgefunden hat, sind weder zeit- noch kostenintensiv und<br />

garantieren durch Testfragen, dass der oder die Beschäftigte aktiv an<br />

der Schulung teilgenommen und sich erfolgreich mit der Materie auseinander<br />

gesetzt hat.<br />

Arbeitsrecht<br />

Ohlendorf/<strong>Schreier</strong> · AGG-konformes Einstellungsverfahren – Handlungsanleitung und Praxistipps<br />

VII. Personalfragebögen<br />

Personalfragebögen, die typischerweise erst nach erfolgter Einstellung<br />

des Arbeitnehmers von diesem auszufüllen sind, sind anders zu beurteilen<br />

als Bewerberfragebögen. 91 Der Arbeitgeber hat nach Einstellung<br />

ein berechtigtes betriebliches Interesse an Informationen wie der Kirchenzugehörigkeit<br />

(römisch-katholisch/evangelisch), der Anzahl der<br />

Kinder gem. Lohnsteuerkarte, der Lohnsteuerklasse und des Alters, um<br />

eine ordnungsgemäße Gehalts- bzw. Lohnabrechnung (inkl. der Anmeldung<br />

zur Sozialversicherung) durchführen zu können. Sofern die<br />

Frage allgemein z.B. nach Kindern (ohne Bezug zur Lohnsteuerkarte),<br />

Familienstand allgemein oder der Religion/Weltanschauung gerichtet<br />

ist, wird ein berechtigtes betriebliches Interesse hingegen zu verneinen<br />

sein. Die Fragen könnten als Indiz für eine Diskriminierung (z.B. bei<br />

Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, späterer Entlassung etc.) gewertet<br />

werden. Damit ist auf eine präzise Fragestellung zu achten.<br />

Anders als im Bewerberfragebogen liefert die Frage nach der Staatsangehörigkeit<br />

und einer Schwerbehinderteneigenschaft im Personalfragebogen<br />

kein Benachteiligungsindiz. 92 Wegen der ggf. notwendigen Aufenthalts-<br />

und Arbeitserlaubnisse und der sich aus der Schwerbehinderteneigenschaft<br />

ergebenden Pflichten des Arbeitgebers hat dieser ein berechtigtes<br />

betriebliches Interesse an der Beantwortung dieser Fragen.<br />

VIII. Absageschreiben nach Bewerbungsgespräch<br />

Beim Absageschreiben nach einem durchgeführten Bewerbungsgespräch<br />

gelten die gleichen Maßstäbe wie beim Absageschreiben auf<br />

Grundlage der schriftlichen Bewerbung. Zusätzlich ist jedoch, gerade<br />

wegen des persönlichen Eindrucks, den sich der Arbeitgeber durch das<br />

persönliche Gespräch vom Stelleninteressenten verschaffen konnte,<br />

entscheidend, keine subjektiven Angaben oder auch nur Andeutungen<br />

im Absageschreiben zu machen. Formulierungen wie „Ein anderer Bewerber<br />

passt besser zu uns“ oder „… trotz guter fachlicher Leistungen“ 93<br />

sollten zur Risikominimierung strikt vermieden werden.<br />

IX. Dokumentation<br />

1. Zugang des Absageschreibens<br />

Da Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche gem. § 15 Abs. 4<br />

AGG binnen zwei Monaten geltend zu machen sind, muss sich der Arbeitgeber<br />

die Frage stellen, ob ein dokumentierter Zugang des Absageschreibens<br />

beim Bewerber im Einzelfall Sinn macht. Dies nützt dem Arbeitgeber,<br />

wenn der Bewerber seinen Anspruch erst nach Ablauf der<br />

Frist geltend macht, und der Arbeitgeber den Fristablauf (und damit<br />

zwingend den Zugang des Absageschreibens) nachweisen kann.<br />

In der Praxis steht ein solches Vorgehen schon wegen der damit verbundenen<br />

Kosten (Bote oder (Einwurf-)Einschreiben) nicht an der Tagesordnung.<br />

Ob dies im Einzellfall bei „AGG-verdächtigen“ Bewerbern, also<br />

solchen, die explizit Diskriminierungsmerkmale in ihrer Bewerbung<br />

85 EuGH, Slg. I-1996, 2143 = NJW 1996, 2421 = NZA 1996, 695 = EuZW 1996, 398 – P/S und Cornwall<br />

County Council. Anders als die Gesetzesbegründung zum AGG, vgl. Amtl. Begründung BT-<strong>Dr</strong>s. 16/1780,<br />

31.<br />

86 So Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 12 Rn. 24.<br />

87 Nollert-Borasio/Perreng, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 13 Rn. 2.<br />

88 Nollert-Borasio/Perreng, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2. Aufl. 2008, § 13 Rn. 2.<br />

89 Zu den Schulungen nach dem AGG ausführlich Hoch, BB 2007, 1732 ff.<br />

90 Falke, in: Rust/Falke, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, 2007, § 12 Rn. 30 f.<br />

91 Grobys, NJW-Spezial 2007, 81, 82; im Ergebnis nicht differenzierend Schrader, DB 2006, 2571, 2572.<br />

92 Vgl. Grobys, NJW-Spezial 2007, 81, 82.<br />

93 Grobys, NJW-Spezial 2007, 81, 82.<br />

Betriebs-Berater // BB 45.2008 // 3.11.2008 2463

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