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PolFHa Extra - Die Novellierung des LVWG in Schleswig-Holstein 2021

Mit dem „Gesetz zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz“ (LVwGPORÄndG) vom 26.2.2021 (GVBl 2021, 222) ist es zu einer um-fangreichen Reform der bisherigen Vorschriften aus dem 3. Abschnitt über die öffentliche Sicherheit gekommen. Die seit der letzten größeren Reform im Jahre 2007 stattgefundenen Änderungen waren teilweise immer nur punktuell, jetzt jedoch sind umfassende Änderungen und Ergänzungen geschaffen worden, die der Polizei und den Sicherheitsbehörden ein Instrumentarium an die Hand geben sollen, in Zeiten terroristischer Bedrohung und anderer Szenarien modern, effektiv und unter Beachtung von Rechtsstaatsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu agieren.Oberregierungsrat Frank Grantz stellt in dieser Übersicht die Neuerungen sowie die vorgenommen Ergänzungen und Änderungen im Detail vor.

Mit dem „Gesetz zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz“ (LVwGPORÄndG) vom 26.2.2021 (GVBl 2021, 222) ist es zu einer um-fangreichen Reform der bisherigen Vorschriften aus dem 3. Abschnitt über die öffentliche Sicherheit gekommen. Die seit der letzten größeren Reform im Jahre 2007 stattgefundenen Änderungen waren teilweise immer nur punktuell, jetzt jedoch sind umfassende Änderungen und Ergänzungen geschaffen worden, die der Polizei und den Sicherheitsbehörden ein Instrumentarium an die Hand geben sollen, in Zeiten terroristischer Bedrohung und anderer Szenarien modern, effektiv und unter Beachtung von Rechtsstaatsprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu agieren.Oberregierungsrat Frank Grantz stellt in dieser Übersicht die Neuerungen sowie die vorgenommen Ergänzungen und Änderungen im Detail vor.

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<strong>Die</strong> <strong>Novellierung</strong> <strong>des</strong> LVwG <strong>in</strong> <strong>Schleswig</strong>-Holste<strong>in</strong> <strong>2021</strong><br />

2.6 Änderungen im Vollzugsrecht<br />

Umfassende Änderungen zeigen sich auch im<br />

Zusammenhang mit dem Vollzugsrecht.<br />

Durch § 251 LVwG, der die möglichen<br />

Zwangsmittel def<strong>in</strong>iert, wird das neu e<strong>in</strong>geführte<br />

Distanz-Elektroimpulsgerät (DEIG) ergänzend als<br />

zugelassene Waffe <strong>in</strong> § 251 IV LVwG e<strong>in</strong>geführt.<br />

Auch die nunmehr als besondere Vorschriften<br />

für den unmittelbaren Zwang benannten Maßnahmen<br />

erhalten weitreichende Ergänzungen<br />

zum alten Recht.<br />

Zunächst s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> § 255 LVwG die Vorschriften<br />

zur Fesselung von Personen modifiziert worden.<br />

Unter teilweiser Beachtung der Fixierungsrechtsprechung<br />

<strong>des</strong> BVerfG (BVerfGE 149, 293–345)<br />

kann nunmehr auch schon die Fesselung e<strong>in</strong>er<br />

Person erfolgen, wenn im Zusammenhang mit<br />

der Grundmaßnahme lediglich e<strong>in</strong>e Freiheitsbeschränkung<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Art. 104 I GG vorliegt.<br />

Bisher war e<strong>in</strong>e Fesselung nur unter den Voraussetzungen<br />

<strong>des</strong> Art. 104 II GG möglich, was teilweise<br />

zu Problemen <strong>in</strong> der polizeilichen Praxis<br />

geführt hat. <strong>Die</strong> Fesselung e<strong>in</strong>er Person ist zum<br />

Schutze von Polizeivollzugsbeamten bzw. der<br />

Person selbst gem. § 255 I NR. 1–3 <strong>LVWG</strong> möglich,<br />

wenn diese nach dem LVwG oder anderen<br />

Rechtsvorschriften festgehalten oder vorgeführt<br />

bzw. an e<strong>in</strong>en anderen Ort zur Durchführung e<strong>in</strong>er<br />

rechtmäßigen Maßnahme verbracht wird.<br />

Gleiches gilt auch zum Schutze Dritter und vor<br />

Flucht und Befreiung. <strong>Die</strong> Fixierung e<strong>in</strong>er Person<br />

bleibt jedoch auch nach dieser Vorschrift schon<br />

wegen regelmäßig fehlender gesundheitlicher<br />

Überwachungsmöglichkeiten dieser Person weiterh<strong>in</strong><br />

nicht gerechtfertigt.<br />

<strong>Die</strong> persönliche Berechtigung für den E<strong>in</strong>satz<br />

von Distanz-Elektroimpulsgeräten oder Sprengmitteln<br />

gem. § 251 IV LVwG ist <strong>in</strong> § 256 II LVwG<br />

geregelt. Der E<strong>in</strong>satz dieser Mittel ist dabei nur<br />

den Polizeivollzugsbeamten zugewiesen.<br />

Der tatsächliche E<strong>in</strong>satz von Sprengmitteln<br />

wird <strong>in</strong> dem neu geschaffenen § 256a LVwG<br />

umfassend geregelt und ist ausschließlich gegen<br />

Sachen möglich, § 256a I Satz 1 LVwG. Da<br />

sich aber – bspw. <strong>in</strong> terroristischen Lagen – häufig<br />

auch bewaffnete Störer <strong>in</strong> den zu öffnenden<br />

Räumlichkeiten bef<strong>in</strong>den, s<strong>in</strong>d bei E<strong>in</strong>satz derartiger<br />

Breach<strong>in</strong>g-Techniken durch die potenzielle<br />

Gefährdung von Personen zusätzliche Voraussetzungen<br />

zu beachten. So bedarf es grundsätzlich<br />

der „ultima ratio“ sowie e<strong>in</strong>er gegenwärtigen<br />

Gefahr für Leib oder Leben (§ 256a I Satz 2 Nr.<br />

1 LVwG) bzw. e<strong>in</strong>er entsprechend schwerwiegenden<br />

Straftat gem. § 256a I Satz 2 Nr. 2 LVwG.<br />

Schließlich ist – analog zum Schusswaffengebrauch<br />

– gem. § 256a II LVwG vor dem E<strong>in</strong>satz<br />

von Sprengmitteln zu warnen.<br />

Auch die allgeme<strong>in</strong>en und besonderen Vorschriften<br />

für den Schusswaffengebrauch s<strong>in</strong>d im<br />

Rahmen der <strong>Novellierung</strong> angepasst und ergänzt<br />

worden. Hier s<strong>in</strong>d sowohl der nunmehr unter<br />

den Voraussetzungen <strong>des</strong> § 258 I Satz 2 LVwG<br />

geregelte f<strong>in</strong>ale Rettungsschuss zu nennen als<br />

auch die Ausnahme für den Schusswaffene<strong>in</strong>satz<br />

gegen Personen, die dem äußeren Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />

nach noch nicht 14 Jahre alt s<strong>in</strong>d, vgl. § 257<br />

III Satz 2 LVwG. Insbesondere die letztgenannte<br />

Regelung wurde teilweise sehr streitig diskutiert,<br />

dann jedoch auch verabschiedet, da sich aufgrund<br />

der Auswertung verschiedener E<strong>in</strong>sätze<br />

und Szenarien gezeigt hat, dass – <strong>in</strong>sbesondere<br />

durch akute terroristische Bedrohungslagen –<br />

zunehmend die Gefahr besteht, dass auch Personen,<br />

die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet<br />

haben, gegen andere Menschen Gewalt zu verüben<br />

versuchen, und diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gegenwärtige<br />

Lebensgefahr br<strong>in</strong>gen. Es kann damit auch wegen<br />

der vielfachen Radikalisierung gerade junger<br />

Menschen nicht ausgeschlossen werden, dass<br />

auch von diesen e<strong>in</strong>e Gefahr für Leib und Leben<br />

anderer Menschen ausgeht, allerd<strong>in</strong>gs ist auch <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em solchen Fall die „ultima ratio“ <strong>des</strong> Schusswaffene<strong>in</strong>satzes<br />

zw<strong>in</strong>gend zu beachten.<br />

Der f<strong>in</strong>ale Rettungsschuss ist <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

bereits <strong>in</strong> nahezu allen Polizeigesetzen<br />

geregelt worden. Nun ist auch <strong>in</strong> <strong>Schleswig</strong>-Holste<strong>in</strong><br />

als vorletztem Land der mit an Sicherheit<br />

grenzende, tödlich wirkende Schuss auf e<strong>in</strong>e Person<br />

gem. § 258 I Satz 2 LVwG möglich, wenn dieser<br />

das e<strong>in</strong>zige Mittel zur Abwehr e<strong>in</strong>er Gefahr<br />

für Leib oder Leben ist. Der f<strong>in</strong>ale Rettungsschuss<br />

auf Anordnung ist nicht vorgesehen, § 258 I Satz<br />

4 LVwG. <strong>Die</strong> besondere Problematik <strong>des</strong> f<strong>in</strong>alen<br />

Rettungsschusses liegt <strong>in</strong> dem E<strong>in</strong>griff <strong>des</strong><br />

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