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Magazin K.

Das Magazin für Kunst, Kultur und Literatur

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Kunst – Kultur – Salon – Literatur

Ausgabe Zwei

Fotografie:

Ignacio

Iturrioz

Exclusiv-Interview mit Fürstin Gloria von Thurn und Taxis



BOUTIQUE

Ab Juni in

unserer neuen

Online-Boutique:

Ausgewählte

Schätze, die es

nicht überall zu

kaufen gibt.

Figur – Magritte

ca. 16 cm

handgefertigt in

Holland

39 €

Der Mann mit der Melone (1964) – René Magritte

Dieses Portrait des Mannes mit dem Bowler kann als Variation des Werks „Der Sohn des

Mannes“, in dem sich das Gesicht des Mannes hinter einem Apfel verbirgt, betrachtet

werden. Magritte sagte über dieses Bild selbst:

„Jedes Ding, das wir sehen, verdeckt ein anderes, und wir möchten stets sehen, was uns das

Sichtbare versteckt. Es besteht Interesse für das, was verborgen ist und was uns das

Sichtbare nicht zeigt. Dieses Interesse kann die Form eines sehr intensiven Gefühls

annehmen, ich würde es eine Art Kampf nennen zwischen dem verborgenen Sichtbaren und

dem augenscheinlich Sichtbaren.“


Fürstin Gloria von Thurn und Taxis 18

Inhalt

2

Bürgermeisterin Simone Maiwald

im Salon - Gespräch 34


Editorial 4

Kinetische Kunst 6

Albabstieg 10

Frischzellen 16

Ungeschminkt 22

Ignacio Iturrioz 24

Sei still – Dieter Krieg 8

Graffiti - Persis 28

Sperrsitz 38

Naturtheater 40

Bruchstücke 42

Ankas Büchertipps 46

Das Härtsfeld 48

Terrorland 50

Was liest... 51

Ausgepackt –

Historische Museen Heidenheim 12

Bibliothek Giengen 52

Bücherei Herbrechtingen 54

Shakespeare & Company 56

Brief an Anne Frank 59

Vorschau / Impressum 60


DIE LANGE ZEIT

OHNE KULTUR

EDITORIAL

Sei still – heißt die neue Ausstellung mit Werken von Dieter Krieg im

Kunstmuseum Heidenheim. Still ist es immer noch um Kultur und Kunst. Die

Museen sind weiter geschlossen, in Theatern und Kinos ist es immer noch so

still wie nie zuvor.

Wenn wir die Ausstellung im Kunstmuseum dann besuchen können, erleben

wir Kunst von Dieter Krieg, die alles andere als still ist.

Um die farblose Zeit ein wenig bunter zu machen, haben wir wieder viele

tolle Themen für Sie im neuen K. zusammengetragen.

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis gab uns ein interessantes Interview und

sprach mit uns über ihre Portraits und die Kunst am Hofe.

Hans-Peter Theilacker konnte die „Geheime Bibliothek“ im Kloster

Neresheim besuchen und wir stellen seinen neuen Bildband vor.

Ignacio Iturrioz, Fotograf aus Montevideo, begeistert uns mit seinen

ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografien, und die Städte Herbrechtingen

und Giengen stellen uns ihre Bibliotheken vor. Unsere Buchbloggerin Anka

hat wieder tolle Bücher für Sie gelesen, die sie auf den Lit-Bib-Seiten

vorstellt.

Mich freut sehr, dass die Redaktion hochkarätige Verstärkung bekommen

hat. Der frühere HNP-Chef und Kultur-Redakteur Dr. Manfred Allenhöfer ist

ab jetzt bei uns im Team,

Die Zeiten sind schwer für Kunst und Kultur. Wir dürfen uns nicht unterkriegen

lassen und ich bin mir sicher, dass wir aus dieser Krise gestärkt und voll

kreativer Ideen herausgehen.

Viel Freude mit K.

Fotos: Kunstmuseum Heidenheim

4



Kinetische Kunst

Das gibt’s in Deutschland nirgends – der Heidenheimer Kunstverein und

die Firma Voith verleihen einen Preis für kinetische Kunst.

6


„Voith engagiert sich an seinem Hauptund

Heimatstandort auch für ein attraktives

Lebensumfald – etwa im Bereich

des Sports oder bei den Opernfestspielen.

Und so habe ich, als ich den

Vorsitz des Heidenheimer Kunstvereins

übernahm, auch die Initiative ergriffen

- eine Kooperation wäre doch auch im

Bereich der zeitgenössischen Kunst sinnvoll“:

Der Heidenheimer Dr. Hans-Peter

Schiffer war Mitglied im Konzernvorstand

von J.M.Voith und bis 2002 verantwortlich

für den Bereich Hydro Power.

Schon seit Schülerzeiten ist der gebürtige

Aachener der Kunst gegenüber

aufgeschlossen, lange schon auch aktiv

als Sammler. Ein Teil seiner Sammlung

war, mit dem Untertitel „Wie Künstler

Technik sehen“, vor sechseinhalb Jahren

im hiesigen Kunstmuseum zu sehen.

„Auch bei der Kooperation des Kunstvereins

mit Voith lag das Thema ,Kunst

und Technik‘ nahe – anhand von Werken

zeitgenössischer Künstler. Uns interessiert,

wie Künstler neue Technologien

nutzen und kommentieren“: Schiffer hält

das für eine spannende Fragestellung,

gleichermaßen für Kunstverein und Bürgerschaft

wie für die Technologiefirma

Voith. Und so wurde die Idee entwickelt,

mit einer Ausstellung ausgewählter

Künstler gleichzeitig einen Voith-Kunstpreis

zu verleihen. Geldgeber dafür

ist die Hanns-Voith-Stiftung, die sich seit

langem engagiert auch für die Kunst:

„Wir wollten freilich eine Kooperation,

nicht einfach einen Zuschuss“, also

wurde Voith eingebunden ebenso in die

Auswahl der Künstler (die neue Leiterin

der Konzern-Kommunikation, Katrin

Sulzmann, ist gelernte Kunsthistorikerin)

wie in die Organisation der Ausstellung.

Die wird aufgebaut im Voith-Trainings-

Center, dem neuen Ausbildungszentrum

an der St. Pöltener Straße; damit wird

eine alte Tradition aufgegriffen: Zur betrieblichen

Ausbildung bei Vith gehörte

früher selbstverständlich auch künstlerische

Bildung.

Sechs Künstler bzw. Künstler-Dui wurden

ausgewählt von einer Jury, der neben

Schiffer und Sulzmann auch der Stuttgarter

Kunst-Professor Rolf Bier (genau:

der mit den aus dem Flugzeug abgeworfenen

50.000 Papier-Tshirts beim

ersten Bildhauer-Symposium „Werk ‚97“)

sowie Philipp Ziegler, Chefkurator des

für kinetische Kunst unvergleichlich aufgeschlossenen

Karlsruher „Zentrums für

Kunst und Medien“.

Wann die Kunstwerke gezeigt werden,

ist leider aufgrund der unsicheren Coronasituation

noch offen. Bei der Ausstellungseröffnung

werden Dr. Hans-Peter

Schiffer und Voith-CEO Dr. Thoralf

Haag das Konzept von Kunstpreis (der

nach Möglichkeit künftig alle zwei Jahre

verliehen werden soll) und Ausstellung

erläutern. „Wir wollen einen Dialog von

Wirtschaft und Technik, Kunst und Gesellschaft“,

meint Dr. Schiffer.

Für den neuen Heidenheimer Kunstpreis

gebe es in Deutschland jedenfalls

„kein Vorbild“.

al


8


Dieter Krieg:

Sei still – Malerei

14. Mai – 4. Juli 2021

Fotos: Kunstmuseum Heidenheim

Das Kunstmuseum Heidenheim

zeigt als nächste Ausstellung

Werke von Dieter Krieg: repräsentative

Arbeiten auf Leinwand und

Papier aus den Jahren 1968 bis

2004.

Krieg gilt als Vertreter der „Neuen Figuration“.

Zunächst waren seine Arbeiten

formal streng und eher konzeptuell

ausgerichtet. Seit Ende der 1970er

Jahre wurde seine

Malerei expressiver

und freier,

der menschliche

Körper, auf den

Menschen Bezug

nehmendeGegenstände

und

Wörter waren Sujets der Bilder. Große

Formate und ein kraftvoller Farbauftrag

sind seitdem für Kriegs Malerei

charakteristisch.

»Dieter Krieg geht es immer um den

Inhalt. Er geht den Sachen auf den

Grund. Er treibt die malerische Form

der Dinge an eine Grenze, an der

Bekanntes sich in Befremden oder

Unbehagen verwandelt.

Die Wahrnehmung seiner Bildobjekte

gerät nicht selten in ein ungeheuerliches

und schwer zu fassendes

Erlebnis. Zum Bildgegenstand werden

Dinge, die der Mensch braucht und

gebraucht. Die grandiose Darstellung

von Gegenständen, denen

ihre Vieldeutigkeit und Lebensbedeutsamkeit

nicht

von vornherein

anzusehen war, ist

die intellektuelle

und malerische

Leistung Kriegs. In

der Größe seiner

Bilder geht es

nicht um Überwältigung; vielmehr ist

seine Kunst eine Form des

künstlerischen Parallelunternehmens

zur Realität.«

Kurator der Ausstellung ist der im

Vorstand der Dieter-Krieg-Stiftung

sitzende Bildhauer Jürgen Knubben.

Quelle: SWG-Kunstlexikon


VERSPIELT UND HINTERSINNIG

Albabstieg

Die unöffentliche Ausstellung im

Kunstmuseum Heidenheim

Bekanntlich drei schlimme Plagen:

Lepra – Cholera – von d’r Alb ra.

Aber letzteres kann auch Herausforderung

sein – beispielsweise für eine

Ausstellung. So gab’s vor drei Jahren

eine Ausstellung im Museum Ulm, die

„auf archäologischen Gleisen“ all die

Ausgrabungen dokumentierte, die im

Rahmen des Albabstiegs der neuen

Schnellbahnstrecke zwischen Ulm und

Stuttgart getätigt wurden.

Eine wissenschaftliche Ausstellung also.

In Heidenheim gibt’s jetzt einen künstlerischen

„Albabstieg“ – viel freier und

spielerischer, herrlich hintersinnig und assoziativ,

ironisch und schnurrig und auch

schon mal makaber oder politisch.

Zwei Künstler haben, in mehrwöchiger

Aufbauarbeit, eine fantasiesprühende

Installation hineinkomponiert in die

große Halle des Jugendstilbads – mit

großem Gespür auch für dortige Nischen

und Ecken sowie mit dem Aufbau

künstlicher Separees und Ausblicksplattformen.

Die beiden Künstler sind Kennern der

regionalen Szene nicht unbekannt: Der

aus Aalen kommende Andreas Welzenbach

(Jg. ‘65) hatte hier schon Ausstel-

10

lungen und war maßgeblich beteiligt

u.a. am legendären „Trash Train“ zum

Museumsjubiläum oder auch an den

„Unterwasserwelten“. Und der aus

Schwäbisch Gmünd stammende Thomas

Raschke (Jg. ‘61) war u.a. vor Jahrzehnten

schon präsent beim HNP-Modellprojekt

„Kunst und Bauen“.

Mit fast durchweg plastischen Arbeiten

bespielen sie das Kunstmuseum – mit allen

Formaten zwischen überlebensgroß

(hölzern-interaktiver Starkstrommast) bis

Miniatur. Welzenbach ist Holzbildhauer,

Raschke bevorzugt verlötete harte Eisendrähte

– und beide tun das ebenso

mit großem Einfallsreichtum wie auch

stupendem handwerklichen Können und

meisterlicher Präzision.

Und sie nutzen Readymades wie

umgedrehte Gartenteich-Hartplastikschalen

(als Bergrelief) oder gestalten,

etwa in der Reihe „Nachtwächter“,

hölzerne Klischeefiguren vom Trödel

um zu ironischen Kleinskulpturen wie

etwa einen kopflosen Mann mit Rabe

zwischen den Schultern. Ähnlich entstand

auch eine allerliebste Hommage

an den Heidenheimer Hausheiligen

Picasso.

Sie arbeiten auch mit Pappe („Beobachtungsmaschine“,

eine fragile und

bereits über 20 Jahre alte Konstruktion

– da muss einer ein großes Lager besitzen!)

oder Styropor bzw. Bauschaum

(„Burg“ in babymäßigem hellblau)

oder mit Bierflaschen, mit Knäckebrot,

Salzletten, Käse . . . - auch hier mit fast

unerschöpflicher Fantasie und großer

Genauigkeit.

Man erkennt viele typische Merkmale

oder auch Versatzstücke der Alb,

Hochflächen etwa, Schäferidyllen,

Windkrafträder, auch ein Atomkraftwerk

und dominante Starkstromleitungen. Die

Idyllen sind natürlich gebrochen . etwa

bei den scheinrustikalen Wandholztafeln

mit Schäfern aus der Serie mit dem

ironisch irreführenden Titel „Eisenguß“ –

etwa mit baumcrashendem Autowrack.

Es gibt also viel zu entdecken in dieser

skurrilen Schau älblerischer Spezialitäten.

Man sollte Entdeckungslust mitbringen

und Zeit, um die vielen feinen und

manchmal frechen Hintersinnigkeiten zu

entdecken. Und vielleicht tut man das

am besten von der Bank im Hintergrund

der Halle, verschiebbar auf einer

hallenbreiten Schiene und mit fixierten

Bierdosen – übrigens kunstgeschichtsbewusst

ironisiertes trompe l’oeil, weil‘s aus

Holz und nicht aus Alu ist.

Der „Albabstieg“ ist also ein lustvoller

Aufstieg zum hohen Assoziationsplateau

zweier regionaler Künstler – eine hübsch

aufgebrochene „Heimatinstallation“.

Zu erleben nur in Heidenheim – und

mit, derzeitiger Stand, verlängerter

Dauer bis 2.Mai 2021.

Manfred Allenhöfer



AUSGEPACKT...

Entdeckungen in den Sammlungen

der historischen Museen der Stadt Heidenheim

“Mitbringsel”

– einst rund um

den Globus gereist, um in

Heidenheim ein neues

Zuhause zu finden.

12


EXOTISCHES - KURIOSES - WEITGEREISTES

Die umfangreichen Sammlungen der Historischen

Museen enthalten zahlreiche Gegenstände, die

von weltreisenden Heidenheimern um die Wende

des 19. zum 20. Jahrhundert in unsere Stadt gebracht

wurden.

Viele dieser Gegenstände können kulturhistorisch interessante,

bisweilen sogar kuriose Geschichten “erzählen”. Beim Auspacken

wiederentdeckt wurden manche dieser „Mitbringsel“ nach dem

Bezug des neuen Zentralmagazins der Historischen Museen im

Jahre 2019. Dort können die Sammlungsbestände nun sach- und

fachgerecht aufbewahrt, katalogisiert, und untersucht werden. Wir

stellen hier drei ausgewählte Stücke vor.

Betrachte ich schöne Exponate in Ausstellungen, fallen mir dazu

häufig Erzählungen ein, die weit weg von der Realität sind.

Das hier abgebildete Elfenbeinkästchen könnte zum Beispiel der

indischen Prinzessin Lakshmi gehört haben. Ihr Name bedeutet

„Göttin der Schönheit“ und er passte zu ihr. Sie war die Schönste

im ganzen Land, und sie war sehr verliebt. Leider in den Sohn ihrer

Dienerin, Jadoo. Ihre Liebe musste natürlich geheim bleiben,

und so schnitzte der verliebte Jüngling

seiner Angebeten ein Schätzkästchen aus

Elfenbein, in das er seine Liebesbriefe und

eine Locke seines wunderschönen schwarzen

Haares tat. Nur die Prinzessin besaß den

Schlüssel, den sie an einer goldenen Kette

um ihren Hals trug. Um Ihrem Geliebten

auch eine Freude zu machen, ließ sie

aus dem Hochzeits-Sari, den sie für einen

anderen Mann tragen sollte, Püppchen

schneidern. Mit diesen stellte sie dann

Szenen nach, wie sie und Jadoo es wohl nie

erleben durften, und schenkte sie aus Zeichen ihrer unendlichen

Liebe ihrem Prinz des Herzens.

Ganz so einfach ist es natürlich für das Team der Heidenheimer

Museen nicht, die wahre Geschichte der Exponate

herauszufinden Dazu müssen fundierte Untersuchungen und

Recherchen gemacht werden, um das Stück wissenschaftlich zu

bewerten. Das Ergebnis sieht im Falle des Schmuckkästchens eher

nüchtern aus:

• Objekt: Kästchen aus Elfenbein – Indische Sammlung Alfred

Meebold

• Datierung: 17. Jahrhundert

• Beschreibung: Kleines Kästchen mit Decke aus geschnitztem

Elfenbein und mit vergoldeten Bundmetallbeschlägen. Flächige

florale Verzierung. Henkel, Verschluss, zwei Ösen am Deckel,

zwei an den Seitenwänden.

• Erhaltungszustand: zwischenzeitlich restauriert

Doch wie kam das Kästchen nach Heidenheim?

Laut ursprünglicher Inventarliste wurde das Exponat von Alfred

Meebold von einer Reise nach Bhôthan, die von Oktober 1911 bis

Ende Januar 1912 dauerte, mitgebracht.

Alfred Meebold war der Urenkel des

Gründers der Württembergischen

Cattunmanufaktur. Er wollte jedoch nicht

das textile Erbe antreten und entschied

sich mit 28 Jahren für die Laufbahn des

Schriftstellers und Wissenschaftlers. Als

er mit 35 Jahren in die Theosophische

Gesellschaft in London eintrat, führten ihn

seine Forschungen mehrfach nach Indien.

„{…} um selber zu sehen, ob das wahr sei,

nämlich dass dort die Geistigkeit zu suchen

sei, die der Menschheit die Erlösung bringen soll.“

Die Historischen Museen bereiten eine kleine Kabinettausstellung

vor, die eine Auswahl dieser wieder ausgepackten “Mitbringsel”

präsentieren und ihre spannende Geschichte erläutern wird.


USCHEBTI - EIN DIENER IM JENSEITS

Ein besonderer „Schatz“ der geplanten Ausstellung

iwird das Großuschebti des Iuy sein.

Es handelt sich um eine Kalksandsteinfigur aus

der 19. Dynastie Ägyptens (1292 - 1186 v. Chr.),

die zum neuen Reich, der wohl bekanntesten

Epoche der Pharaonenzeit, zählt.

Im alten Ägypten wurden die Uschebtis

dem Toten mit ins Grab gegeben. Sie waren

häufig mit dem Namen des betreffenden Toten

versehen, um im Jenseits beim Aufrufen

dessen Namens für ihn zu antworten und als

sein Stellvertreter die zumeist landwirtschaftlichen

und folglich unangenehmeren Arbeiten

zu übernehmen. Je nach gesellschaftlichem

Stand und Vermögen des Toten wurden ihm

mehr oder weniger viele Uschebtis mit ins

Grab beigegeben. So fanden sich in mehreren

Gräbern beispielsweise 365 dieser Figuren

– für jeden Tag des Jahres eine.

Der Titel des Iuy, „Wedelträger zur Rechten

des Königs“, war in der Ramessidenzeit ein

Ehrentitel, der nur hochrangigen Mitgliedern

der Hofgesellschaft des Pharao verliehen

wurde.

„Unser” GroßuUschebti des Iuy“ ist einen

halben Meter groß und wiegt stolze 8,5 Kilogramm.

Er ist 1901 von Victor Zoeppritz, einem

in Heidenheim sehr bekannten Textilindustriellen,

vermutlich von einer Ägypten-Rreise mit

gebracht worden.

Text: Sonja Fritz / Objektrecherche: Ulrike Stich

Fotos: Markus Wolf

14


B

ereits 1596 erfand der Brite Sir John Harington

im Auftrag von Königin Elisabet I.

1596 die erste Wasserspülung für Toiletten. Seine

Zeitgenossen erachteten diese Erfindung

allerding eher als skurrilen Scherz. Trotz schriftlicher

Veröffentlichung einer sehr genauen

Bauanleitung geriet die Innovation bald in

Vergessenheit.

1775 erhielt dann der Schotte Alexander

Cumming ein das Patent (Nr. 814) auf das

„S-Rohr“, den Siphon, das auch heute noch

in WC’s zur Vermeidung übler Gerüche eingebaut

ist. Es dauerte weitere 35 Jahre bis

1810 die erste Toilette in Betrieb genommen

wurde.

Im selben Jahr erblickte Georg Jennings

das Licht der Welt. Dieser wiederum installierte

1851 bei der Weltausstellung im Londoner

Hyde-Park in den Ruheräumen des

Crystal-Palace die ersten öffentlichen Toiletten

überhaupt. Das verursachte natürlich helle

Aufregung. Dennoch benutzten und bezahlten

während der Dauer der Ausstellung über

800.000 Besucher die WC’s, und zahlten

für die Benutzung einen Penny. Für diesen

Penny bekam man einen sauberen Sitz, ein

Handtuch, einen Kamm und geputzte Schuhe.

„To spend a penny“ wurde sprichwörtlich für

den Gang zur Toilette.

Wem und welchen Umständen die Heidenheimer

Sammlung diese viktorianische Toilette

des Herstellers „New Real Sanitas Fayence“

aus dem Jahre 1885 verdankt, ist leider (noch)

nicht bekannt.

EIN WASSERKLOSETTt VON 1885


Claudia Magdalena Merk

Bis 19. September 2021 – Kunstmuseum Stuttgart

U

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Die Stuttgarter Künstlerin Claudia Magdalena

Merk vermischt in ihren Bildern

figurative und abs- trakte Elemente.

Sie schafft so ein Spannungsfeld zwischen

Klarheit und gezielter

Unschärfe. In der

Ausstellung im Kunstmuseum

Stuttgart werden

neben großformatigen

farbigen Malereien und

Interieur-Arbeiten eine

Plakatserie, die sich mit

den UN-Menschenrechtsartikeln

auseinandersetzt,

sowie zwei monochrome

Serien gezeigt.

Farbe ist ein zentrales

Werkzeug für

Claudia Magdalena

Merk – zugleich auch

ihr Impetus: Die Malerin

beschäftigt sich mit den

Möglichkeiten, extreme

emotionale Zustände

wie Bedrohung, Trauer und Melancholie über

Farbigkeit zu vermitteln. Der Farbauftrag ihrer

Öl- und Gouache- bilder wechselt zwischen

intensiv leuchtenden Lasuren und rohen pastosen

Flächen, der Duktus variiert zwischen

breitflächigen, groben Pinselstrichen,

weichen Flächen und feinen Linien. Der Malprozess

bleibt dabei stets präsent und nachvollziehbar.

Thematisch widmet sich Merk zum

einen Menschen in Extremsituationen, insbesondere

Krieg, zum anderen menschenleeren

Interieurs, vor allem industriell genutzten

Räumen. In ihren abstrahierten Bildräumen

platziert sie figurative Elemente, die, mit

spezifischen Attributen ausgestattet, von den

Betracher*innen identifiziert werden können.

Die ausgestellte Werkgruppe

zeigt qua Uniform

und Ausrüstung

als Soldaten markierte

Figuren im Kontext des

Krieges, nicht aber die

unmittelbare Gewalt

von Kampfszenen. Es

entsteht dennoch über

die ungegenständliche

Malerei und über

Farbkontraste eine

sublime Präsenz des

Bedrohlichen.

Der Künstlerin geht

es hier nicht um die

Identifikation konkreter

Ereignisse oder

Orte, sondern vielmehr

um Erwartungen und Emotionen. Den »Soldaten-Bildern«

werden ihre Interieur-Arbeiten

gegenübergestellt. Die Künstlerin porträtiert

Industrieräume in Abwesenheit des

MenschenFunktion tritt hinter Farbe und Form

zurück.

Claudia Magdalena Merk (*1982

in Filderstadt) studierte Malerei

und Grafik an den Akademien der Bildenden

Künste in Stuttgart und Wien. Die

»Frischzelle_27« ist ihre erste

museale Einzelausstellung.

Fotos: Kunstmuseum Stuttgart

16


Frischzelle_27


Fürstin Gloria von

Thurn und Taxis

Hinter einem interessanten Gesicht, steckt meist auch

eine interessante Persönlichkeit.

Das Geschlecht der Fürsten

von Thurn und Taxis ist

in unserer Region nicht

nur gut bekannt, sondern auch

historisch fest verwurzelt: Noch als

Frischverheiratete kam Gloria von

Thurn und Taxis häufig ins Schloss

von Trugenhofen, die angestammte

Sommerresidenz.

Man erkannte ihre Anwesenheit

schon auf den ersten Blick an der

flatternden Fahne über dem Dach.

Auch der kopfstark mitgereiste Hofstaat

war in Dischingen und Umgebung kaum

zu übersehen. Und unvergessen sind

die Fahrten der jungen und zierlichen

Fürstin mit ihrem stattlichen Honda-

Chopper auf den kurvigen Straßen der

Ostalb. Kontaktscheu war auch die

fürstliche Bikerin nicht.

Das Geschlecht, heute noch

größter privater Waldbesitzer

in Deutschland, besaß in diesen

Jahren auch stattliche Wälder und

Ländereien in der Region und dazu

etliche Schlösser und herrschaftliche

Bauten. Außerdem gehörte ihnen,

bis zur Rücküberschreibung an die

Benediktiner, auch Kloster Neresheim

samt territorialem Besitz.

Heute wird der denkmalgeschützte

Prachtbau von einem kleinen Stamm

ortsansässigen Personals liebevoll

gepflegt und instandgehalten.

Leider waren die Weihnachtsmärkte

im Vorhof und der wundervollen,

historischen Orangerie, nur eine

vorübergehende Erscheinung.

Fürstin Gloria lebt heute überwiegend

in ihrem Regensburger Schloss. Und

längst zur erfolgreichen Unternehmerin

gewandelt, hält sie sich, wie sie das

seit ihrer Jugend gewohnt ist, viel im

Ausland auf, bevorzugt in den USA und

in Afrika.

18

Fotos: ©Fürstin Gloria von Thurn und Taxis

Linke Seite: Selbstportrait Fürstin Gloria – Hintergrundfotos: Andy Warhol und Karl Lagerfeld

Seite 24: Fürstin Gloria vor ihren Kunstwerken


Auch als die Redaktion von „K.“

sie zu kontaktieren versuchte,

hielt sie sich gerade auf in Übersee.

Die Anfrage nach einem Interview

beantwortete sie mit der freundlichen

Bitte um schriftliche Fragen, die kurz

darauf in stattlicher Anzahl bei ihr

eingingen – und überraschend rasch

und vollständig beantwortet wurden.

Persönlich und ebenso als Kopf des

Hauses von Thurn und Taxis liegt ihr

die Kunst sehr am Herzen – und genau

um dieses Anliegen von „K.“ rankten

sich auch die ihr gestellten Fragen.

Was die Redaktion besonders

gefreut hat: Keine der

aufgeworfenen Fragen hat sie

ausgelassen. Und alle Antworten

geben nun ein plastisches Bild einer

spannenden und aufgeschlossenen

Zeitgenossin des deutschen Hochadels.

Portraits auf dieser Seite:

Jimmy Hendricks – Leonard Cohen –

Edi Sedgwick – Cardinale Roberto –

Quentin Crisp – Eva

Portraits auf Seite 25:

Bob Dylan – William Burroughs –

Janis Joplin – Sid Vicious –

Papst Franziskus – Viva Warholstar


Ein Gespräch über Kunst und Adel

K.: Gibt es für Sie wichtige Traditionen in der höfisch-feudalen bzw.

kirchlichen Portrait-Malerei?

Gloria von Thurn und Taxis: Portraits waren vor der Photographie

ein großes Thema. Durch dieses Medium rückt das Portraitmalen

immer weiter in den Hintergrund. Das ist schade, denn die Malerei

hat ihren eigenen Blickwinkel auf den zu Porträtierenden und kann

Dinge herausarbeiten, die in der Photographie zu kurz kommen

können.

K.: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Besitzen und

Produzieren?

GTT: Nein, das sind zwei völlig voneinander

verschiedene Dinge.

K.: Als engagierte Sammlerin wissen

Sie, dass Kunstwerke oder Künstler oft

heftiger,bisweilen scharfer und vielleicht

auch ungerechter (Kunst-) Kritik ausgesetzt

sein können. Ist Ihnen das egal?

GTT: Kritik ist wichtig, auch als Echo für

den Künstler. Schönheit liegt bekanntlich

im Auge des Betrachters. Was heute als

schön empfunden wird, kann morgen schon

verspottet werden.

K.: Haben Sie Vorbilder?

GTT: Oh ja: Vorbilder durch die ganze

Kunstgeschichte. El Greco, Reynolds,

Sutherland, um nur einige zu nennen… .

K.: Gibt es Vorbilder auch in Ihrer eigenen

fürstlichen Familie? Vielleicht auch und

gerade seitens weiblicher Künstlerinnen?

GTT: Ja, Fürstin Margarete war eine begnadete Künstlerin, die eine

großartige Lehrerin hatte: Olga Wisinger-Florian, die bewundere

ich beide sehr.

K.: Haben Sie ein Atelier auch in Trugenhofen?

GTT: In allen unseren Häusern befinden sich Ateliers – dank Fürstin

Margarete, geb. Habsburg.

20

K.: Malen Sie nur im eigenen Atelier?

GTT: Ich kann überall malen, weil ich ja auch mit Buntstiften und

einem Block zufrieden bin.

K.: Wie würden Sie Ihre eigene Art des Malens beschreiben resp.

klassifizieren?

GTT: Meine Malerei hat etwas kindlich Naives.

K.: Was ist das Besondere an Gesichtern? Worauf achten Sie

besonders, was ist Ihnen in erster Linie wichtig?

GTT: Der Charakter ist mir wichtig. Aber dieser Prozess wird durch

das Unterbewusstsein gesteuert. Ich male

einfach drauf los und versuche das, was ich

sehe, auf die Leinwand zu bringen.

K.: Gibt es ein Netzwerk

adeligerhochadeliger Künstlerinnen? Ich

denke da etwa an Diane Herzogin von

Württemberg, die ja auch in unserer Region,

etwa in Schwäbisch Gmünd, gut präsent ist?

GTT: Oder die sehr begabte Prinzessin Marie

von und zu Liechtenstein, die mit meinem

Neffen Gundakar verheiratet ist. Sie malt

wunderschönen Landschaften. Oder die

Prinzessin Lelli Orleans Braganza ist eine

begnadete Landschafts- und Tier-Malerin.

Sie lebt in Brasilien und malt unglaubliche

Dschungelansichten mit tropischen Vögeln.

K.: Wie öffentlich sollen und dürfen Ihre

Bilder sein?

GTT: Wenn die Bilder in die Öffentlichkeit

gelangen, durch Weitergabe oder Ausstellungen, ist das doch

wunderbar.

K.: Ist eine Ausstellung Ihrer Kunst in der Region, z.B. in Ihrer

einstigen Sommerresidenz, denkbar?

GTT: Ich male nur, die Ausstellungen ergeben sich eher zufällig.


K.: Welche Gesichter, welche Persönlichkeiten interessieren Sie?

Wer ist „wichtig“ genug für ein Gloria-Portrait? Kennen oder

kannten Sie alle der Portraitierten?

GTT: Das kommt darauf an, das kann ich so pauschal nicht sagen.

Ein interessantes Gesicht hat meistens auch eine interessante

Persönlichkeit dahinter.

K.: Verkaufen Sie eigene Bilder auch?

GTT: Ja, gelegentlich.

K.: Welche anderen Genres (außer Portraits) pflegen Sie?

Landschaften? Soziale Tableaus?

GTT: Bis jetzt habe ich nur Gesichter gemalt. Aber ich bin mir

sicher, dass ich auch andere Sujets in Angriff nehmen werde.

K.: Wie gegenständlich oder “realistisch“ sollen Ihre Bilder sein?

GTT: Das spielt keine Rolle.

K.: Pflegen Sie auch andere Techniken als die Malerei? Etwa

Zeichnung? Bildhauerei?

GTT: Ich fotografiere viel, das ist mein hauptsächliches Medium

geworden, weil es schneller geht und wir heute ja keine Zeit mehr

haben.

K.: Wie sehen Sie den etablierten Kunstbetrieb? Inwieweit sehen

Sie sich als Künstlerin involviert?

GTT: Gar nicht, das ist der Markt für professionelle Malerei. Ich

mache das ja nur nebenbei.

K.: Ist Ihnen öffentliche Anerkennung wichtig?

GTT: Nein, überhaupt nicht.

K.: Was von Ihrer Kunst ist präsent in Dischingen?

GTT: Leider noch nichts.

K.: Was wünschen Sie den Künstlern und Kulturschaffenden für die

nächsten zwei Jahre?

GTT: Dass sie sich inspirieren lassen – von der aufgezwungenen

Ruhe und Einsamkeit. Jede Münze hat zwei Seiten und alles hat ein

Ende. Nur die Wurst hat zwei!

nja/al


UNGESCHMINKT

Foto: ©Prestel Verlag

Die Gloria: Man sollte sich kein

einfach‘ Bild machen wollen von

„der Fürstin“. Wer glaubt, eine

eindeutige, womöglich holzschnittartig

negative Vorstellung von einer verwöhnt

in Watte gepackten, stockkatholischen

Hochadeligen haben zu dürfen, der

täuscht sich offensichtlich. Fürstin Gloria von

Thurn und Taxis ist vieles und ganz bestimmt

kein eindimensionales Wesen. Auch der

Begriff der „schillernden Persönlichkeit“

ist wohl deutlich zu oberflächlich. Die

Regensburger und früher auch schon mal

sommerlich-dischingerische Hochadelige

ist eine komplexe Frau, die, auf einem

festgefügten Wertefundament fußend, nicht

nur neugierig und unkonventionell, sondern

oftmals auch frappierend aufgeschlossen

auf die Welt und deren nicht selten

erstaunliche Fortentwicklung schaut. Und

sie stellt sich in ihrem neuen Buch nicht

nur als clevere, sondern oft auch als kluge

und jedenfalls unabhängig-eigenwillige

Beobachterin der Zeitläufte dar.

22


Zwischen MoMa und Suppenküche

Das neue Buch über Fürstin Gloria von Thurn und Taxis

mit Beiträgen aus vier Jahrzehnten

Ungeschminkt“ heißt der Band

im satten, saftigen Format,

dessen Cover ein Nahportrait

der 61jährigen ziert, das dem

Titel auf den ersten Blick gerecht

werden will – wäre da nicht die

edel rosé gefärbte Designerbrille

und der dezente Lippenstift.

Auf über 300 Seiten, illustriert

mit zahlreichen Fotografien,

werden Facetten einer fürstlichen

Existenz aus vier Jahrzehnten

beleuchtet. Die Texte stammen

von ihr (teils mit prominenten Co-

Autoren wie Otto von Habsburg)

oder ihrem Bruder, einem durchaus

bekannten Journalisten, aber

zumeist aus ihr teils nahestehenden

oder auch bekannt kritischen

und unabhängigen Publikationen

wie etwa dem Spiegel (gleich

zweimal) oder der Zeit. Das sind

beschreibende und reflektierende

und auch abgesichert wertende

Artikel ebenso wie auch Interviews,

in denen Gloria in unmittelbarer

Zitation anschaulich wird.

Man erfährt unglaublich viel über

die weltläufige (lebt häufig

u.a. in den USA oder Afrika) und

doch zugleich in St. Emmeram

zu Regensburg festverwurzelte

Frau und Mutter, Geschäftsfrau,

Patriarchin und Jetsetterin.

Sie lebt in einem prachtvollen

Schloss, und verwaltet

Deutschlands größten privaten

Wald. Sie hat das einst

fast bankrotte, neunstellig

überschuldete Unternehmen

wieder flott gemacht und

erhielt dafür auch einen Preis

als erfolgreiche Managerin.

Sie bekennt sich dazu, eine

„Rampensau“ zu sein und

vertraut doch in vielen

Situationen maßgeblich auf

die Kraft des stillen Gebets. Ist

das widersprüchlich? Es sind das

alles jedenfalls Facetten einer

komplexen und unabhängigen

Persönlichkeit.

Jan Fleischhauer, drei

Jahrzehnte lang Redakteur

beim Spiegel, hat sie in seinem

Vorwort charakterisiert als „eine

der freiesten Menschen, die ich

kenne“. Als eine Frau, die auf

Konventionen pfeife: „Da wo es

zu weit geht, fängt für Gloria der

Spaß erst an“.

Sie lebt offensichtlich lustvoll

einen existenziellen Spagat,

der erstaunt: Sie kann

problemlos pendeln zwischen

der New Yorker Kunst- und

Schickeriaszene und einer

Regensburger Suppenküche,

ohne Schluckauf zu bekommen.

Und dass Herausgeber des fast

durchweg lesenswerten Bandes

ihr Vertrauter Wilhelm Imkamp

ist,

Monsignore, Prälat, einstiger

Wallfahrtsdirektor in Maria

Vesperbild und vieles

hochkatholische mehr, hat

der Farbigkeit der auf Gloria

gerichteten Schlaglichter keinen

Abbruch getan. Imkamp ist

übrigens mittlerweile auch Leiter

der Fürstlichen Hofbibliothek,

in der auch einige wertvolle

historische Bände der

Neresheimer Abtei verwahrt

werden.

Manfred Allenhöfer


Erich BriJohtz

Ignacio

Iturrioz

Fotografien

24


In Montevideo, der lebhaften Hauptstadt

Uruguays, wurde Ignacio Iturrioz

1978 geboren. Diese Stadt inspirierte

ihn schon früh, erste Schritte in der Fotografie

zu unternehmen.

Er absolvierte eine Ausbildung an der

National School of Fine Arts und der

Universität in Montevideo. Sein Interesse

an der Landschaftsfotografie führte ihn

in ländliche Regionen. Für die dort entstandenen

Werke, die er in seinem Buch

„Life is too short“ publizierte, wurde ihm

2009 der Nationale Bücherpreis vom

Zentrum für Fotografie in Montevideo

verliehen.

Viele Auszeichnungen folgten. So gewann

er das Internationale Festival für

Fotografie in San Jose und mit seinem

Werk „Purgatorio“ den Uruguayischen

Preis für Fotografie.

In seinen Werken hält er Situationen und

Gebäude wie auch Menschen fest und

erschafft, unter Einsatz eines besonderen

Spiels zwischen Licht und Schatten,

eine spannende Atmosphäre, die seinen

Fotos unverwechselbare Aura verleiht.

Dieser Tanz zwischen Licht und Dunkelheit

zeigt Facetten von tiefster und

prägnanter Durchdrungenheit. Dabei

erzählt jedes Foto eine Geschichte vom

Leben und den Menschen und packt

den Zuschauer mit gewaltiger Intensität.

Ignacio Iturrioz kam der Liebe wegen

ins beschauliche Heidenheim, wo

er heute mit seiner Familie lebt. 2015

stellte er hier erstmals bei der beliebten

Heidenheimer Ausstellung “open” aus. Seine

mittlerweile anerkannten Ausstellungen führen

ihn durch ganz Europa und Asien.

Seine aktuelle Arbeit beleuchtet Menschen in

der Zeit während des Corona-Lockdowns.


Ignacio in seiner Küche im Palacio Salvo

1917

schrieb

Gerardo

Matos Rodrìguez in

der Cafè-Bar „Confiteria

La Giralda“ sein Musikstück

„La Cumparsita“, das zur Hymne

des Tangos avancierte. Heute steht

an dieser Stelle, inmitten von

Montevideo, der Palacio de Salvo.

Die Brüder José und Lorenzo Salvo

beauftragten 1922 den italienischen

Architekten Mario Palanti mit dem

Bau des Gebäudes, das lange Zeit

als Inbegriff des Art Dèco galt. Iturrioz

lebte viele Jahre in diesem

womöglich außergewöhnlichsten

Hotel der Welt.

Dieses hat sich mittlerweile zu einem

sich ständig verändernden

Kultur-Zentrum der Hauptstadt Uruguays

entwickelt. Die Bewohner sind

eigentümlich und extrovertiert. Hier

gehen Künstler, Politiker und Prostituierte

wie selbstverständlich nebeneinander

ein und aus. Das Leben

im Palacio – ein eigener Mikrokosmos,

besiedelt von aufgeschlossenen

Individualisten. Die marode

Substanz des Gebäudes macht den

unwiderstehlichen Charme aus.

Ignacio hat die Zeit im Palacio in

atemberaubenden Fotos festgehalten.

Ein Bruchteil davon ist abgebildet

auf diesen vier Seiten.

Der Palacio Salvo wurde nach

dem Vorbild des Palacio Barolo

26


gebaut. Dieser steht in Buenos Aires

und wurde im Einklang mit dem Kosmos

und Dante Alighieris „Göttlicher

Komödie“ erschaffen. Im Gegensatz

zum Palacio Salvo in Montevideo

sind die Räume des Barolo

hell, die im Salvo dunkel. Die Symbolik

zeigt die Gegensätze, die in

jedem Menschen exisitieren: Licht

und Schatten, Yin und Yang.

Die 22 Etagen des Palacio Barolo

sind in drei Sektionen unterteilt.

Der Keller und das Erdgeschoss

repräsentieren die Hölle, die Etagen

1 bis 14 das Fegefeuer und 15 bis

22 den Himmel. Die Höhe von 100

Metern entspricht den 100 Gesängen

der Göttlichen Komödie.

A

n der Spitze beider Bauten

wurde ein Leuchtturm mit einer

Parabollinse installiert, deren Licht

bis zu 100 Kilometer ins weite Meer

strahlt.

Eine Sage beschreibt, dass, wenn

sich die Lichtstrahlen auf dem weiten

Ozean treffen, sich diese brechen

und in einem energetischen

Strom Richtung Erde strahlen. Die

Energie fließt in die Ozeane und

die Erde über und lässt sie in einem

immerwährenden Strom der

Erleuchtung zurück.

Eine schöne mystische Sage, auf

deren Eintreffen man hoffen sollte.

Hubertus Rösch

Ignacio in seiner Küche im Palacio Salvo


Neues Graffiti

für

Heidenheim

Die Firma Persis hat sich für ihre

Garagenwand eine tolle Lösung

einfallen lassen, und dafür den

Profi-Sprayer Reinald Pehla engagiert.

Innerhalb von drei Tagen hat der

Graffiti-Künstler Reinald Pehla

die Garage der Heidenheimer

Firma Persis in ein Kunstwerk

verwandelt. Die Idee dazu hatte

Geschäftsführerin Katja Kolb.

Nachdem die Wand immer wieder

für Schmierereien herhalten musste,

drehte sie den Spieß um.

Kunst statt Vandalismus.

Persis startete einen Aufruf auf

Facebook, um einen passenden

Sprayer zu finden. Immer wieder

tauchte der Name Pehla als

Empfehlung in den Kommentaren

auf. So lag es nahe, den Göppinger

anzufragen. Der vielbeschäftigte

Künstler hatte zufällig Zeit und kam

zu einem Konzeptionsgespräch

nach Heidenheim. Reinald Pehla

wurde in der Gestaltung freie

Hand gelassen, einzige Vorgabe:

Das Graffiti muss das Unternehmen

präsentieren.

Für den 43-jährigen Familienvater

kein Problem. Seit 25 Jahren

ist der gebürtige Cottbusser in

der Graffiti-Szene unterwegs.

Mitte der Neunziger war Chemnitz

ein Dorado für Sprayer. Die Stadt

machte die Unterführungen des

alten Straßenbahnnetzes frei für

Graffiti- und Urban-Street-Art-

Künstler. Dadurch entstanden

„unfassbare Galerien”, die Pehla

sehr beindruckt haben. Schon

immer hatte er Talent für Malerei.

Dadurch inspiriert, versuchte er sich

ebenfalls im Sprayen. Das gelang

ihm so gut, dass er sehr schnell

„in die Bezahlschiene als Künstler

einsteigen” konnte. Nebenbei

eröffnete er eine Werbeagentur

und tourte als DJ durch die Welt.

Mit ein paar wetterbedingten

Verzögerungen ging es dann

im April diesen Jahres los. Zwei

Tage hatte Pehla für die Aktion

geplant. Leider spielte das Wetter

erneut verrückt und die Arbeit

musste kurz unterbrochen werden.

Das Ergebnis ist ein tolles Graffitio

geworden, das man unbedingt

bei einem Spaziergang an der

Brenz entlang anschauen sollte.

Allein auch deshalb, weil Reinald

Pehla ohne Schablonen, also

komplett frei Hand, das Kunstwerk

auf die Mauer gebracht hat.

An einer Außenwand des 2014

stillgelegten Heidenheimer Werks

von Stowe Woodward befindet sich

das größte Wandbilb der Stadt. Es

misst über 1000 Quadratmeter.

V

orstellen könnte sich Pehla

auch eine Wall-of-Fame in

Heidenheim, an der sich Künstler und

Kunstinteressierte treffen, sprayen,

malen oder sich einfach nur über

Kunst austauschen. Es wäre sicher

eine Bereicherung für die Stadt.

nja

28



30


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Die Zukunft kann

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Wir finden, die Welt braucht mehr Zuversicht. Deshalb

unterstützen wir alle, die den Mut haben, ihre Zukunft

selbst in die Hand zu nehmen.

32


Foto: Salon Hotel Sacher Wien ©

S

A

L

O

N


Foto: ©Ignacio Iturrioz

Für Kultur und Bildung

ein Berufsleben lang

Simone Maiwald ist seit bald drei Jahren

Heidenheimer Bürgermeisterin –

mit einer Vielzahl von Zuständigkeiten

Kommunikation ist eine wichtige Grundlage

meiner Aufgabe als Kulturbürgermeisterin“,

sagt Simone Maiwald:

„Der Austausch mit Bürgern, Künstlern,

Vereinen ist dabei extrem wichtig. Da

bereitet Corona natürlich große Probleme!“

Seit Juni 2018 ist die gebürtige

Münsteranerin nun „Erste Bürgermeisterin“

der Stadt Heidenheim und damit

zuständig nicht nur für Kultur, Sport und

Schulen, sondern auch für weitere Bereiche

wie Familie, Bürgerservice, für die

städtischen Betriebe oder Feuerwehr,

Bauordnung und Denkmalschutz. Über

ein Drittel ihrer bisherigen Amtszeit ist

also bereits überschattet von der Pandemie

und ihren Folgen: „Diese Zeit ist,

wie für alle Bürgerinnen und Bürger, sehr

belastend – beruflich wie persönlich“.

Doch für Passivität bestehe kein Anlass:

„Die Arbeit geht natürlich weiter.

Trotz aller Hemmnisse und Einschränkungen

ist das Rathaus aktiv in allen Bereichen.

Und trotz fast täglich neuer Vorgaben

müssen wir unsere Planungen

natürlich auch langfristig im Blick halten.“

Am Herzen liegen ihr beispielsweise

die Heidenheimer Museen: „Ich wünsche

mir, dass die Museen eine größere

Wertschätzung als Orte der kulturellen

Bildung erhalten. Sie sind unverzicht-

34


Bürgermeisterin Simone Maiwald

bar für das lebenslange Lernen aller

Generationen. Und sie will dabei trotz

der Pandemie positiv denken und hoffen,

dass Museen bald wieder geöffnet

werden können“. Für diesen Tag X

und die Folgezeit „planen wir bereits

mit großem Nachdruck“. So soll unter

anderem im Sommer im Schloss Hellenstein

eine Skulpturenausstellung gezeigt

werden.

Um die Museen auch „strukturell in ihrer

Arbeit zu unterstützen“, hat Maiwald

die Bereiche Historische Museen, Archiv

und Kunstmuseum „zusammengelegt“.

Sie erhofft sich, angesichts der dort

„schlank gesetzten Strukturen“, Kräfte

freisetzende „Synergieeffekte“. Es wäre

„doch sinnvoll, wenn sich diese Bereiche

gegenseitig unterstützen und Projekte

gemeinsam erarbeiten könnten“.

Dass ihr die Kultur sehr am Herzen

liegt, ist kein Wunder, wenn man

ein bisschen ihr Herkommen kennt. Sie

hat Romanistik (Examensarbeit über

Balzac), Musik und Erziehungswissenschaften

studiert, ursprünglich wollte sie

Gymnasiallehrerin werden. Sie lernte

mehrere Instrumente, unter anderem

Klavier und Querflöte; im Studium hat

sie sich auch mit Gesang beschäftigt.

Knapp oberhalb des Arbeitszimmers

von Simone Maiwald ist der Beton des

Heidenheimer Rathauses gepierct.

Die Arbeit des „Bildhauer-Symposions”

stammt von der Künstlergruppe

„inges idee” (Werk 01)


Nach dem Examen hat sie sich beruflich

anders entscheiden und begann

ihre Laufbahn als Kulturamts-Mitarbeiterin

in Wuppertal. Nach verschiedenen

Stationen als Referentin und Geschäftsführerin

war sie ein Dutzend Jahre lang

Fachbereichsleiterin für Kultur, Jugend,

Tourismus in Rottweil (mit Einblicken und

Beziehungen, von denen sie auch noch

in Heidenheim profitiert, etwa für die

nächste Ausstellung des Kunstmuseums)

und zuletzt Kulturamtsleiterin in der Universitätsstadt

Gießen.

Wie steht’s in Heidenheim mit der

Musik? Da sei die Stadt „ausgesprochen

gut, vielfältig und sehr

hochkarätig aufgestellt“, meint Maiwald.

Wie die Opernfestspiele dieses Jahr ablaufen

werden? Sie zuckt die Schultern:

„Das ist momentan nicht absehbar.

Aber Sie dürfen sicher sein, dass wir da

uns einiges einfallen lassen.“ Und sie

verweist beispielhaft auf die „Klappstuhl-Konzerte“

der letzten Saison. Erschwerend

komme dieses Jahr allerdings

hinzu, dass der Rittersaal in diesem Jahr

wegen Renovierungsarbeiten gesperrt

ist. Aber es werde sicher gute Lösungen

geben – und im Übrigen wolle man

nach der Sanierung die Chance ergreifen,

das Schloss Hellenstein zukünftig mit

mehr Veranstaltungen neu zu akzentuieren.

Wichtig ist für Simone Maiwald auch

der Sport: „Der Fussball hat mir

durchaus geholfen, mich schnell in Heidenheim

einzufinden“. Sie outet sich bereitwillig

als FCH-Fan: „Ich rege mich

bei den Spielen gerne auf und fiebere

mit“, es halte sie dann meist auch nicht

mehr auf ihrem Sitz.

Etwas sportliche Bewegung sei

wichtig auch im privaten Umfeld. Die

geschiedene Bürgermeisterin, lange

alleinerziehend verantwortlich für einen

Sohn, erzählt strahlend von ihrem ersten

Enkel (der zweite kam vor wenigen Tagen

auf die Welt), mit dem sie gerne

gemeinsam gegen den Ball trete.

Wichtig Themen außerdem: Bildung für

alle. Sie bekennt sich unter anderem zur

Gemeinschaftsschule („ein möglicher

Weg für mehr Chancengleichheit!“).

Jugendarbeit („nicht jeder junge

Mensch will über einen Verein angesprochen

werden. Einige Jugendliche

suchen nach „nicht-pädagogisierten

Freibereichen“ oder wünschen sich

die Gelegenheit zu einer aktiven Teilnahme

an der eigenen Jugendkultur“)

und auch eine aktive Integrationsarbeit

sind Arbeitsschwerpunkte. Übrigens hat

sie sich selber im garten- und grünaffinen

Schwabenländle schon deshalb gut

integriert, weil ihr „Häusle“ in der Weststadt

auch „ein schönes Gärtle“ besitzt.

Ebenso wichtig ist ihr die Arbeit der

Vereine, und um ihre viele Mitgliedschaften

zu überblicken, nimmt sie eine

Liste mit einigen Nennungen zur Hand.

Sie will mit ihren Möglichkeiten für viel

Vernetzung und ein gutes Miteinander in

der Stadt sorgen. Das sei für ihre Amtszeit

ein ganz wichtiger Aspekt, den sie einleitend

für sich selber schon reklamiert

hat: „Kommunikation und Interaktion“.

Oder anders ausgedrückt: Eine Kultur

des gegenseitig wertschätzenden

Miteinanders.

al

36

Von links: CC-Festspielhaus – Foto: Sonja Fritz, Kunstmuseum Heidenheim – Foto: Balthaus, Konzerthaus Heidenheim – Foto: Stadt Heidenheim


Foto:© Sonja Fritz – Aquarellzeichnung

Schloss Hellenstein, Heidenheim


Zweimal Sperrsitz, bitte.

Warum ich nie aufhören werde, das Kino zu lieben

und es zum Kulturgut erklären will.

Kleiner Essay über eine große Liebe.

ehst du mit mir ins Kino? Das war

die Frage, auf die ich damals

zitternd gewartet habe. Wenn

also eben jene Frage vom

Ausgeguckten gestellt wurde, wusste ich:

Daraus kann etwas werden. Er will ins Kino.

Mit mir.

Was gibt es Schöneres als ein Date

im Kino. Natürlich sollte sich der

Einladende beste Gedanken über

die Auswahl des Films machen. Eine

Liebesschnulze – zu auffällig. Ein Sci-

Fi – zu unemotional. Ausgesprochen gut

funktioniert der leichte Gruselfilm. Bitte

nicht verwechseln mit einem Horror-

Splatter, der ruckzuck das Gegenteil des

gewünschten Ergebnisses hervorbringt.

Nämlich den, dass der Zukünftigen schlecht

wird, und sie das Kino vorzeitig verlassen

will.

Bei einem guten Psycho-Grusel ist das

ganz was anderes. In Schrecksekunden

greift es sich leicht nach der Hand des

Nebensitzers, und die lässt man dann auch

in entspannten Szenen nicht los. Bei der

nächsten grusligen Einstellung wirft man

sich in die Arme des Dates. Nirgendwo

ist es einfacher als im Dunkel des Kinos,

diese kleinen Annäherungen zu wagen.

Kennt Ihr doch noch, oder?

Ich liebe Kino. Ich mag den Geruch

von frischem Popcorn, und ich mag es,

mit vielen Menschen gleichzeitig Filme zu

schauen. Mit ihnen im Dunkeln zu lachen

und zu weinen und danach bei einem Gin-

Tonic in der Bar noch stundenlang über

den Film zu diskutieren – oder still zu sein.

All das fehlt mir, wenn ich zu Hause

allein irgendetwas streame. Ich

sehe zwar das Gleiche wie im Kino – es

ist aber längst nicht dasselbe. Ich bin in

einer Zeit aufgewachsen, in der es drei

Fernsehprogramme gab und Kino. Ich

kann mich noch genau an meinen ersten

Film erinnern: „Sie nannten ihn Mücke“, Bud

Spencer at its best. Frag’ ich heute nach,

welche Serie oder welchen Film jemand als

Erstes auf einer der bekannten Streaming-

Plattformen gesehen hat – Schweigen.

Erinnerung? Keine. Verloren im Sumpf des

Überangebots.

Die Kinos sind seit Monaten

geschlossen. Die Sehnsucht nach

einer Kinopremiere à la „Herr der

Ringe“ oder „Fluch der Karibik“ steigt.

38


“Was beim

Streamen

verloren geht,

ist der sinnliche

Mehrwert des

Erlebnisses.”

Für die ersten

Vorstellungen

schon keine

Karten mehr

zu bekommen.

Vorfreude –

Spannung im

Kino – ein

unvergessliches

Erlebnis. Stellt Euch mal vor, Ihr

hättet „Herr der Ringe” nur

zu Hause streamen können –

undenkbar. Mir fehlt es, zur gleichen Zeit

mit anderen das Gleiche zu sehen und zu

teilen. Mit Fremden und Freunden. Es ist

schon ein Riesenzufall, wenn man parallel

Serien oder Filme streamt. Reden darüber

– Fehlanzeige. Falls man dann doch die

gleiche Serie guckt, ist der eine schon „fast

durch“ mit Staffel drei, während man selbst

noch in Staffel eins festhängt. Gespräch?

Nein – man will ja nicht spoilern…

By e b y e - K i n o k u l t u r ?

Nein, solange unsere Generation – wie

nennt man uns nochmal? Generation X

oder Y oder Z? – noch atmet, solange

bewahren wir uns unsere Kinos. Im Herzen

und in unseren Städten. Jetzt vom Aus

der Kinos zu reden, ist, als würde man

ein Stück unserer Kultur abschneiden.

Der momentane Overkill an neuen

Streaming-Plattformen wird sich selbst ins

Knie schießen. Allein auf Netflix erschienen

im März circa 15 neue Filme und unzählige

Serien. Wer hat da noch Lust, sich zwischen

tausenden Angeboten zu entscheiden.

Die Auswahl dauert meist länger als der

Film. Und wenn man endlich was gefunden

hat, das einen so halbwegs interessiert, ist

man so müde, dass man lieber doch ins

Bett geht.

Wahrscheinlich, weil es sehr vielen

Usern so geht und sich keiner mehr in

den Tiefen des Kanals auskennt, publiziert

Netflix das Printmagazin „Queue“. Die

Anregungen dazu holt sich die Redaktion

aus klassischen Kino-Magazinen der

fünfziger und sechziger Jahre mit ihrem

glamourösen Blick hinter die Kulissen. Und

auch sonst versucht Netflix neue Wege

zu gehen. Der erste lineare Sender des

Anbieters startete im November letzten

Jahres in Frankreich. Sie wagen einen Schritt

nach vorn und gehen dennoch zurück in

die Zukunft, des traditionellen Fernsehens.

Apropos „Zurück in die Zukunft“ – Oktober

1985 im Kino – bis heute in unseren Köpfen.

Ach, hätten wir doch alle einen DeLorean…

Sonja Fritz

Foto: Plakat privat Sonja Fritz


Das Naturtheater wünscht:

„Vier Vergnügen!“

Freuen dürfen sich die Fans des Naturtheaters auf vier

Stücke, die für die Sommerspielzeit auf dem Plan stehen.

In den Corona-bedingt mageren Kultur-Zeiten hat sich das

Naturtheater Heidenheim einiges einfallen lassen, um seine Fans nicht zu

enttäuschen. Und um nicht erneut eine komplette Spielzeit ausfallen lassen zu müssen.

Trotz der aufwendigen Planung schwebt

immer noch das Schwert der Unsicherheit

über dem Naturtheater. Was,

wenn ein Ensemblemitglied erkrankt?

Alles absagen?

Die Verantwortlichen um den Vorsitzenden

Stefan Benz haben sich dazu

viele Gedanken gemacht und sind mit

der Lösung der „Alternativen Sommerspielzeit

2021“ voll und ganz zufrieden.

Ein Plan B liegt, wie schon des Öfteren,

in der Schublade.

Doch was passiert im Fall der Fälle?

„Tritt in einem der deutlich verkleinerten

Ensembles ein Krankheitsfall

auf, springt das Team des zweiten

Stücks ein. Dies bedeutet für die

Zuschauer, dass keine Aufführung ausfällt,

sondern gegebenenfalls das alternative

Stück dargeboten wird”, so Benz.

Je zwei Stücke für Erwachsene und Kinder

werden im Wechsel gespielt. Bewusst

entschied man sich daher für wahre

Klassiker des Kindertheaters, die weithin

bekannt sind, sowie für heitere Abendunterhaltung

mit britischem Humor, die

ein breites Publikum anspricht.

40

Für den Vorverkauf bitte die aktuellen Informationen unter www.naturtheater.de einsehen.


Der Räuber Hotzenplotz…

…klaut der Oma ihre Kaffeemühle! Kasper und Seppel

scheitern kläglich beim Versuch, sie zurückzuholen, sie landen

als Gefangene beim Räuber und dem fiesen Zauberer

Zwackelmann. Können sie sich befreien, ist Wachtmeister

Dimpfelmoser eine Hilfe - und was hat es mit der Unke im

Keller auf sich?

Regie: Stefan Fritz, Leonie Krehl

Ronja Räubertochter…

…legt sich beherzt mit ihrem Vater an, als der ihre Freundschaft

mit Birk nicht akzeptieren will – groß ist der Groll der

verfeindeten Räuberbanden, in die die Kinder hineingeboren

wurden.

Doch die beiden lehren die Erwachsenen, wie Freundschaft

Hass überwindet und was im Leben wichtig ist.

Regie: Bettina Barth, Maximilian Barth

Ärger mit Harry…

…haben die Bewohner eines beschaulichen Örtchens, denn

seine Leiche taucht auf – und mehrere Menschen denken,

mit seinem Tod zu tun zu haben. Daher wird der Tote

mehrfach beerdigt und wieder ausgebuddelt, während nebenbei

Schmetterlinge gejagt werden und manch Bewohner

sie im Bauch verspürt.

Regie: Ulrike Valentin, Annette Valentin, Cornelia Härtner

Shakespeares sämtliche

Werke (leicht gekürzt)…

…bedeutet: Hier beschließt eine dreiköpfige Schauspieltruppe,

das Gesamtwerk des Dichters – immerhin 37

Stücke mit einer Spielzeit von über fünf Tagen und Nächten

sowie 1834 Rollen und dazu 154 Sonette– an einem Abend

aufzuführen. Das erfordert „minimale“ Kürzungen.

Regie: Karsten Tanzmann


BOUTIQUE

Ab Juni in

unserer neuen

Online-Boutique:

Ausgewählte

Schätze, die es

nicht überall zu

kaufen gibt.

Figur – Hébuterne

ca. 15 cm

handgefertigt in

Holland

29 €

1918

Zwei Jahre vor seinem Tod malte Amedeo ein Porträt seiner 21-jährigen Jeanne. Er hatte

seit 1916 mit der jungen Künstlerin zusammen gelebt. Jeannes Porträt mit einem großen

Strohhut gilt als das schönste der sechzehn Porträts, die Amedeo von ihr gemalt hat. Mit

seiner typischen Verwendung von Farben, inspiriert von byzantinischer Kunst, malt er eine

bescheidene, freundliche Jeanne in geometrischen Formen. Das Porträt wird in dem Jahr

gemalt, in dem Jeanne mit ihrer Tochter Giovanna schwanger wird. Zwei Jahre später wird

sie wieder schwanger, beendet aber am Tag nach Amedeos Tod ihr eigenes Leben.

42


Lit-Bib


Ankas

Tipps

Das alte, urige Gutshaus

inmitten der Weinberge

strahlt auf Mara sofort Behaglichkeit

aus. Sie ist sich

sicher, dass sie hier zur Ruhe

kommen und dem städtischen

Trubel entfliehen kann. Zusammen

mit ihrer kleinen Tochter

verlässt sie kurzerhand die

laute Großstadt Frankfurt und

zieht aufs Land. Angekommen

in Naunheim bemerkt sie, wie

die Leute hinter vorgehaltener

Hand tuscheln. Sie reden

vom „Unglückshaus“. Ist damit

etwa IHR neuer Rückzugsort

gemeint? Liegt es vielleicht daran,

dass vor einigen Jahren

eine junge Frau im direkten

Umfeld des Gutshauses spurlos

verschwunden ist? Mara

ist Journalistin – klar, dass sie

sich sofort in die Recherchen

stürzt. Je mehr sie herausfindet,

desto unbehaglicher fühlt

sie sich. Wird sie beobachtet?

Ist sie etwa nicht allein im

„Unglückshaus“?

Ich liebe es, wenn mich Thriller

auf der psychischen Ebene

pieksen. Ich brauche kein

Blutbad, keine actionreichen

Verfolgungsjagden, keine besonders

abscheulichen und

perfiden Verbrechen. Solch ein

leiser Thriller mit der richtigen

Portionierung von Gru-

44

sel- und Spannungsmomenten,

im Wechsel mit Phasen zum

Durchschnaufen, löst bei mir

deutlich mehr aus. Genau zu

diesen Büchern zählt MOR-

BUS. Wer einen Schocker erwartet,

in dem das Blut nur

so spritzt und durch den man

atemlos hindurchhetzt, der

wird enttäuscht. Wer jedoch

nach einem Thriller in leicht

unheimlicher Atmosphäre, mit

vielen Verdächtigen, unzähligen

Fährten und dem ein oder

anderen Kribbeln im Nacken

sucht, der kann hier auf ein

Lesehighlight stoßen.

Morbus entwickelt sich

schnell zum Pageturner.

Die Handlung steht nie still.

Mark Roderick gönnt seinen

Leserinnen und Lesern zwar

die ein oder andere Verschnaufpause,

findet aber immer wieder

den richtigen Punkt, an dem

er für Plot-Twists sorgt und

neue Charaktere ins Rennen

schickt.

Dem Autor ist es hervorragend

gelungen, alle

Fäden am Ende nachvollziehbar

zusammenzuführen.

Ein wirklich toller Thriller

in perfekter (Grusel-)Atmosphäre

– kurzweilig, unterhaltsam

und spannend

erzählt!

am

Morbus – Mark Roderick

Taschenbuch, 448 Seiten,

erschienen im April 2020

im Fischer Verlag

ISBN: 978-3-596-70410-1

Foto: Gaby Gerster 2017


Quick - Tipps

Mein persönliches Lieblingsbuch

des Jahres 2020 ist

“Wer ist Edward Moon?”

Zurecht wurde es mit

dem deutschen Jugend-

Literaturpreis ausgezeichnet.

Foto:©Sarah Crossan privat

Auf ihre ganz eigene, unnachahmbare Art und

Weise erzählt Sarah Crossan die aufwühlende

Geschichte zweier Brüder. Einst waren sie

ein Herz und eine Seele, bis Edward verhaftet

wurde und der Kontakt abbrach.

Jahre später erhält Joe einen Brief. Ed sitzt in

der Todeszelle und hat sein Hinrichtungsdatum

erhalten. Sein letzter Wunsch: Eine Aussprache

mit Joe.

Mich hat diese Geschichte innerlich zerrissen.

Selten habe ich mich so

machtlos gefühlt. Generell zwingt einen

dieses Buch dazu viel zu fühlen:

Wut, Verzweiflung, Hoffnung, Mut

und Trauer. Es ist eine Geschichte, die

nachhallt. Sarah Crossan weiß wie

keine andere, dass nur wenige, ausgewählte

Worte nötig sind, um eine ungeheure

Wucht zu erzeugen.

Außergewöhnlich – sowohl schriftstellerisch

als auch thematisch.

UNBEDINGT LESEN!

Wer ist Edward Moon? –

Sarah Crossan

Das Jugendbuch erschien Ende 2019

Mixtvision Verlag

ISBN 978-3-95854-140-5

Eine Liebesgeschichte mit

einer großen Portion Kleinstadtcharme.

Die beruflich sehr erfolgreiche

Großstadtpflanze

Cassie fliegt zur Testamentseröffnung

ihrer Tante von New York

nach Kalifornien, in die Kleinstadt HON-

EY SPRINGS. Dort erfährt sie nicht nur,

dass sie die große Farm samt Imkerei

geerbt hat, sondern stolpert auch noch

ihrer Jugendliebe Nick in die Arme.

Doch nicht genug: Als nächste Verwandte

ihrer Tante muss sie nun als Interimsbürgermeisterin

für drei Wochen

die Honig-Stadt mit ihren schrulligen

Bewohnern vertreten, bis ein/e neue/r

Bürgermeister/in gewählt werden kann.

Da ist das Chaos vorprogrammiert!

“Sweet like you” ist ein Wohlfühlroman durch

und durch, der mit seinem Kleinstadtcharme

punktet. Alle Fans der „Gilmore Girls“ werden

sich in Honey Springs wohlfühlen.

Foto:© Daniel Peck, Peck Studios

Leichte Unterhaltung mit liebenswerten

Charakteren und einer warmherzigen Storyline,

die auf großes Drama verzichtet. Genau

das Richtige, wenn man gemütlich in eine Geschichte

eintauchen möchte, ohne sich tiefe

Gedanken machen zu müssen.

Sweet like you – Robyn Neeley

Erschienen 2020 im Rowohlt-Verlag –

ISBN: 978-3-499-00504-6


John Marrs hat sich in seinem

aktuellen Near-Future-Thriller

die umstrittene Thematik des

autonomen Fahrens vorgeknöpft

und ein unter die Haut gehendes

„Was wäre, wenn…“-Szenario geschaffen.

Im ersten Kapitel lernen wir

Claire kennen, eine junge, hochschwangere

Frau, die sich in

ihr neues, selbstfahrendes Auto

setzt, welches sie – zuverlässig

wie sonst auch – zur ins Navi einprogrammierten

Adresse bringen

soll. Doch kaum hat sich das

Fahrzeug in Bewegung gesetzt,

hört Claire eine ihr unbekannte

Stimme über die Lautsprecher

des Autos.

»Guten Morgen, Claire. Sie

dürften bemerkt haben, dass

sich Ihr Fahrzeug nicht mehr

unter Ihrer Kontrolle befindet.

Ab sofort bestimme ich, wohin

46

Ihre Fahrt geht. Im Augenblick

gibt es nur eines, das Sie wissen

sollten: In zwei Stunden und

dreißig Minuten sind Sie höchstwahrscheinlich

tot.«

Doch nicht nur Claire hört

diese Nachricht. Sieben weitere

Passagiere erhalten die gleiche

Botschaft des Hackers, der sich

nicht nur in ihre Fahrzeuge

gehackt hat, seine

kriminellen Machenschaften

ziehen weit

größere Kreise. Das

perfide an der ganzen

Situation ist, dass der

Unbekannte seinen Hackerangriff

live ins Internet

streamt. Aber nicht nur

das, er bezieht die Menschen

vor ihren Smartphones

und Bildschirmen direkt

mit ein. Sie dürfen entscheiden,

wer diese Fahrt überlebt und

welche Passiere in den Tod geschickt

werden.

Foto: ©R.Gershinson

Eine unheimlich gruselige Vorstellung,

in seinem eigenen

Auto gefangen zu sein und keinerlei

Kontrolle darüber zu haben,

wohin es fährt, oder? Mich

hat dieser Gedanke ziemlich erschreckt.

Noch mehr ging mir

jedoch das ganze Drumherum

unter die Haut, denn John Marrs

hält unserer modernen „Social

media“-Gesellschaft gekonnt und

verdammt schmerzhaft den Spiegel

vor. Sensationslüstern, pietätlos,

nach Unterhaltung lechzend

– sind wir wirklich so?

John Marrs weiß ganz genau,

wie er seine Leserinnen und

Leser an seine Geschichte fesseln

kann. Nicht nur mit solchen

Konflikten und Fragen,

sondern auch mit seinem nervenaufreibenden

Plot, in dem gefühlt

hinter jeder Straßenecke

eine weitere Überraschung lauert.

Unaufhaltsam treibt

er seine Todesfahrt voran,

nimmt seine Leserinnen

und Leser mit, fesselt sie

an sein Buch, konfrontiert

sie mit aktuellen Themen,

moralischen Fragen und

schmerzhaften Erkenntnissen.

Trotz der großen Portion

Gesellschaftskritik, die er

übt, verliert John Marrs

niemals seinen Thriller aus den

Augen. Kurze Kapitel, zum Teil

mit Cliffhangern versehen, unerwartete

Plot-Twists und Spannung

zum Nägelkauen – all diese

Mittel gehören zum typischen

Handwerk eines Thrillerautoren

und John Marrs beherrscht sie

bravourös. Für mich wurde „The

Passengers“ dadurch zu einem

der besten Thriller, die ich je gelesen

habe.

The Passengers – John Marrs

Paperback, 496 Seiten

erschienen im Heyne Verlag

im Juni 2020

ISBN 978-3-453-32072-7


Nina ist eine von uns. Ein Bücherwurm

wie er – im wahrsten

Sinne des Wortes – im Buche

steht. Nicht selten stellt sie sich

im Alltag die Frage, wie ihre

liebsten Romanheldinnen und

–helden wohl in einer Situation

reagieren würden, die sie gerade

herausfordert.

Somit ist ihre Arbeit für Nina

nicht nur ihr Brotjob, sondern

auch Leidenschaft pur. Sie arbeitet

in einer Bibliothek und

darf ihren Kundinnen und Kunden

für jede Lebenslage das passende

Buch empfehlen. Bis zu

dem Tag, an dem ihr geliebter

Arbeitsplatz der Digitalisierung

zum Opfer

fällt und die Bibliothek

schließen muss.

Nina steht von

heut auf morgen

ohne Job da,

aber alleine ist sie

natürlich nicht, schließlich hat

sie jede Menge Bibliotheksbücher

gerettet – zum Leidwesen ihrer

Freundin & Mitbewohnerin, die

keinen Schritt mehr in der gemeinsamen

Wohnung tun kann,

ohne über einen Bücherstapel zu

Foto:© Jenny Colgan privat

stolpern. Mehr aus Trotz als aus

Mut macht sich Nina kurzerhand

auf den Weg in die schottischen

Highlands, wo ein kleiner Bus

für wenig Geld zum Kauf angeboten

wird. Schon lang träumt

Nina von einem eigenen Bücherbus,

doch bereits auf der langen

Fahrt in den Norden beschließt

sie, dass es eine

Schnapsidee war und

sie den Bus nicht kaufen

wird. Ja, Nina liebt Abenteuer,

aber nur in ihren

Büchern, während sie

eingekuschelt und mit

einer guten Tasse Tee,

auf der heimischen Couch sitzt.

Ein eigener Bücherbus ist eindeutig

mehr als eine Nummer zu

groß für sie… oder?

Warum sie ihre Meinung doch

noch ändert und was sie mit

ihrem neuen Bücherbus in den

schottischen Highlands alles erlebt,

erzählt Jenny Colgan in diesem

Wohlfühlroman.

Dieser Roman über das Lesen

und die Leidenschaft fürs

geschriebene Wort ist nicht nur

eine Liebeserklärung an das

Lesen an sich, sondern auch an

alle Buchliebhaberinnen und Buchliebhaber,

Leseratten, Bücherwürmer

und Booknerds, die sich

gern in einer guten Geschichte

verlieren. Selten habe ich mich

beim Lesen so verstanden gefühlt,

selten habe ich so viel

zustimmend genickt. Es hat mich

so glücklich gemacht, noch mal

vor Augen geführt zu bekommen,

welch wunderbares Hobby das

Eintauchen in fiktive Welten ist.

Gebannt habe ich Ninas neuen

Lebensabschnitt mitverfolgt. Ich

habe mit ihr gebangt, gelitten,

gehofft, gefeiert, geliebt, geweint

und gelacht. Eine sympathische

Frau, die zur Heldin ihrer ganz

eigenen Geschichte wird.

Wo das Glück zu Hause ist –

Jenny Colgan

Erschienen am 02.03.2020

im Piper-Verlag

448 Seiten, Klappenbroschur

EAN 978-3-492-31634-7


Bildband

DAS HÄRTSFELD

Unzugänglich Schätze sind die

historischen Bücher der Alten

Bibliothek in der Klausur der

Neresheimer Abtei. Für Pater

Albert sind sie natürlich täglich

zugänglich.

Es sind meist nicht die makellosen

Schönheiten, die einen dauerhaft

berühren – die emotional wahren

Preziosen sind oft eher diejenigen,

die einen zweiten, vielleicht dritten,

jedenfalls zugewandten und

empathischen Blick benötigen.

Das mag für Menschen, Gegenstände oder Betriebe

gelten – und es gilt auch für Landschaften. Das

Härtsfeld? Gilt als eine karg-spröde, knochig-felsige

Region, mit mitunter ein bisschen kantigen Menschen.

Als „herbe Schönheit“ hat sie jetzt der Schnaitheimer

Hans-Peter Theilacker schon im Titel seines neuen Buches

portraitiert – auf 240 durchgehend farbigen Seiten.

Mit vielen und beeindruckenden Fotografien, die so

nur entstehen konnten aufgrund der tiefen Vertrautheit

Theilackers mit allen möglichen Ecken dieser weithin

und bislang auch touristisch weitgehend unterschätzten

Region.

Theilackers jetzt erschienene zweite Auflage dieses

aufwändig produzierten Bild- und Textbandes ist

ein erstaunlich gutes und auch, bei aller regional

gebotenen Zurückhaltung, sehr schönes Buch geworden

– ein optisch auf den ersten Blick sehr ansprechendes

Grundlagenbuch für alle, die hier leben oder, auch und

gerade aus großstädtisch betoniertem Ambiente heraus,

gerne mal in dieser vermeintlich abgelegenen Gegend

ganz heimelig einfach mal „die Seele baumeln“ lassen

wollen. Theilackers Buch sargt da für eine hervorragend

motivierende Stimulanz.

48

Fotos: ©Hans-Peter Theilacker


Über zweieinhalb Jahre hat

sich der Autor Zeit genommen

für die Erstellung dieses Buches

– Ausdruck einer Heimatliebe,

die bei ihm produktiv ausfällt und

nicht sentimental. Und: Er kennt,

wie wenige andere, den

Landstrich, den er bildmächtig

vorstellt. Jeden Ort und

Weiler, jedes Tal und jede

Hochfläche, jeder Weiher,

Felsen oder Steinbruch ist

dem ebenso bekennenden

wie (seit Jugendjahren)

organisierten Naturfreund aus

eigener Anschauung vertraut. Und auch

die Geschichte ist ihm vertraut; man merkt

es seinen Texten an, die den Betrachter

nicht mit hochglänzenden Bildern

alleine lassen. Und so ist für ihn Neresheim

beispielsweise ein Höhepunkt, den er

sogar mit Fotos aus der eigentlich nicht

öffentlich zugänglichen wertvollen Alten

Bibliothek vergegenwärtigt – aber beileibe

nicht der einzige sehenswerte Ort dieser,

bei aller Metropolenferne, doch längst

menschengeprägten „Kultur“-Landschaft.

Einige Orte dürften den meisten

Lesern nicht einmal namentlich

bekannt sein – auch das gehört zum

Charme dieser unüberlaufenen Region.

Seine Texte schauen zudem zurück bis in die

(an ausgesuchten Stellen auch präsente)

Erdgeschichte. Nicht nur landschaftlich, auch

fotografisch schöpft Lichtbildner

Theilacker aus dem Vollen:

Vom ersten selbstverdienten

Geld hat er sich seine

erste Kamera gekauft;

er leitet die aktive und

auch mit Ausstellungen und

Auszeichnungen

hervorgetretene Fotogruppe

der Schnaitheimer Naturfreunde.

2014 erschien die erste Auflage

von Theilackers „Härtsfeld“-

Band; die zweite Auflage wurde

komplett neu erarbeitet, alle Bilder

frisch aufgenommen – mit viel Gespür

für Licht und Schatten, für markante

Wetterlagen und Jahreszeiten. Für

Situationen, für die es oft nur ein

kleindimensioniertes Zeitfenster gab.

T

heilackers Buch ist bildmächtiger Ausdruck

seiner tiefen, doch niemals unkritischen

Verwurzelung. Wer sich eingucken und

einlesen, viel mehr noch: wer sich einfühlen

will in eine oftmals unterschätzte Landschaft,

blättert durch dieses Buch mit großem Gewinn.

Manfred Allenhöfer

Theilacker, Hans-Peter;

Das Härtsfeld – herbe Schönheit der

Ostalb. Herausgegeben und unterstützt

von der Fremdenverkehrsgemeinschaft

„Gastliches Härtsfeld“ und erhältlich in

den Rathäusern von Neresheim, Nattheim

und Dischingen sowie in ausgewählten

Buchhandlungen.


Christian von Ditfurth;

Terrorland

Es ist ganz ganz großes Kino, das Christian von

Ditfurth mit seinen Thrillern liefert. Doof nur

(da mag auch der sechste Band seine de-Bodt-Reihe

hegelianisch noch so gepimpt sein): Er muss, so

gebieten es die Gesetze des (auch:Buch-) Marktes,

immer noch eins draufsatteln, noch spektakulärer

werden. Und weil der Autor, seiner tiefsitzenden

linken Sozialisation zum Trotz, ein erfolgreicher

sein will (Klappentext: „lebt als freier

Autor in Berlin und der Bretagne“), folgt

er eben den Gesetzen des Marktes. Und

konstruiert sein neues Plot noch ein bisserl

großmächtiger und abenteuerlicher

als die letzten fünf, in denen es ja auch

schon um Weltverschwörung und, zum

Beispiel, um Anschläge auf Merkel und

Putin mitten in Berlin ging.

In „Terrorland“ geht es nun, größer

wäre nur noch Gott himself, um den

US-amerikanischen Präsident, der

hier Dump heißt und ein narzistischer

Idiot (und gut getroffen) ist. Und

um den russischen Geheimdienst,

der vor nix zurückschreckt und

nun einen höchstrangigen Agenten

im Weißen Haus platziert haben soll. Und um,

explizit, die mögliche Anstiftung zum „Dritten

Weltkrieg“ respektive um den „Weltuntergang“.

50

Mehr geht nun wirklich nicht . . .Und in bewährter

solistischer Bravour klärt der Berliner Kommissar

Eugen de Bodt auf knapp 450 Seiten die verwickelt

verwackelte Chose. Er tut das mit weltgeistigen

Eingebungen und einer (fast schon penetranter)

Vielzahl von Hegel- und Nietzsche-Zitaten. Und

der soziale Solitär tut das mit der bekannten

und geschätzten Statisterie – unter anderem

seinem undurchschaubar-unverbrüchlichen

Freundespärchen vom Moskauer Geheimdienst

und der Pariser Polizei und seinem diabolischweltkriminellen

Gegenspieler.

Aber das Geschehen driftet bisweilen (etwa

bei der Schein-Ermordung Dumps im

Bundeskanzleramt) ins absurd Unglaubwürdige

und haltlos Konstruierte – jenseits aller

Wahrscheinlichkeit. Da mag die Kanzlerin im Roman

noch so sehr auf de Bodts Seite stehen . . . Gewiss:

Die Handlung ist wieder atemberaubend kühn

konstruiert – das macht in Deutschland Ditfurth

keiner nach. Aber so sehr man ihn für seine unfassbar

mutig in die politische Realität eingetackerte

Fantasie und seine lakonische,

effektvoll reduzierte Sprache schätzt

(und auch weiß um seine Fähigkeit

zu souveräner Selbstironie in seinen

anderen Romanreihen) – hier

überzieht er. Und wirkt „Terrorland“

überambitioniert, überreizt und kalt.

Wem der Autorennamen übrigens

bekannt vorkommt: Der gelernte

Historiker ist Bruder der

grünradikalfeministischen Jutta

(ohne „von“) und Sohn von Hoimar,

den ältere Semester noch vom ZDF-

Bildungsfernsehen der 70er Jahre

kennen.

Zurück zu den Anfängen und

simplify your plot, mag man von

Ditfurth wünschen. Er muss mit seinen Thriller-

Bestsellern nicht den kapitalistischen Gesetzen des

ewigen Wachstums folgen.

al


Was liest gerade:

Tom Jentsch:

Marianengraben –

Jasmin Schreiber

Paula trifft den kauzigen Helmut

mitten in der Nacht auf dem Friedhof

- sie besucht dort ihren toten Bruder,

der Senior Helmut

hat gerade seine Frau

ausgegraben. Graben

ist ein gutes Stichwort,

denn vom Grund des

titelgebenden arbeitet

sich die junge Paula über

ca. 250 Seiten und Kapitel

um Kapitel wieder ins

Leben, die Oberfläche, ans

Licht. Ein wunderbares,

ganz besonderes Buch,

das die besondere Geschwisterbeziehung

zwischen Paula und

ihrem Bruder Tim ausleuchtet

und die, nicht nur vom Alter her

gegensätzlichen Charaktere, auf

einem Roadtrip begleitet. Mit der

Extraportion Schicksal, aber auch

ohne ein einziges Gramm Kitsch,

schafft es die Autorin die Leser

komplett in ihre Welt zu ziehen, man

erfährt nebenbei so einiges übers

Leben in der Tiefsee und Schiffe

und über die großen Themen Tod,

Depression und Trauer. Kann das

bitte jemand Kompetentes fürs Kino

verfilmen?

Simone Maiwald:

Der Gesang der

Flußkrebse –

Delia Owens

Auch wenn aktuell ein anderes Buch

auf meinem Tisch liegt, so ist mir

ein Buch immer noch in sehr guter

Erinnerung: „Der Gesang

der Flusskrebse“ von Delia

Owens, 2019 im Hanser Verlag

erschienen.

Im Marschland von North

Carolina lebt Kya, von

allen nur Marschmädchen

genannt. Das Buch erzählt

ihr (Über-)Leben und dabei

von großer Verlassenheit und

Sehnsucht, von der Kraft der

Natur und Freundschaft, von

zerstörerischen Vorurteilen und

Liebe.

Die hochspannende Geschichte

des einsamen und verwilderten

Marschmädchens zeigt sehr

berührend und wie ein klassischer

Entwicklungsroman die Bedeutung

von Bildung durch die Welt der

Bücher, der Natur und der

Freundschaft.

Ich bin in der Erinnerung dieses

schönen und klugen Buches immer

noch von dieser faszinierenden

Geschichte begeistert und kann

die Lektüre dieses Buches nur

empfehlen.


Ihr Kontakt

zur Stadtbibliothek

Die Fläche hat sich glatt

verdoppelt: Die Giengener

Stadtbibliothek hat neue

Räumlichkeiten bekommen.

Noch zentraler in der

Fußgängerzone (Marktstraße

41, im ehemaligen

Textilgeschäft „Adessa“). Und

vor allem hat man geachtet

auf das, was bei einer zeitgemäßen

Bücherei fast genauso

wichtig ist wie der Bestand:

„Aufenthaltsqualität stand

ganz oben auf unserer

Prioritätenliste“, erklärt der

Giengener Kulturamtsleiter

Andreas Salemi.

T: 07322 / 5345

M: stadtbibliothek@giengen.com

W: lissy-giengen.de

Willkommen in der neuen

Stadtbibliothek Giengen

52


Konkret bedeutet das:

Die doppelt große

Fläche wurde nicht vollgestellt

mit Regalen – es

gab sogar eine leichte Reduktion

des Bestandes

um rund zehn Prozent auf

jetzt 18.000 Medieneinheiten.

Das sind, neben

Büchern, Zeitungen und

Zeitschriften, auch CDs

und Hörbücher, DVDs –

und Spiele. Am Tag vor

dem Besuch kamen Pakete

mit ebenso wert- wie

reizvollen Spielen für alle

Altersgruppen.

Beim Auspacken kommt

die Bibliotheks-Fachangestellte

Vanessa Hiermann

ins Schwärmen:

„Wir haben uns da viele

Gedanken gemacht“. Die

Spiele können übrigens

auch von Kindergärten

oder Schulen ausgeliehen

werden.

Das komplette Mobiliar

ist neu; die Stadt Giengen

hat sich das einen

sechsstelligen Betrag kosten

lassen. Die Regale

stehen luftig im Raum.

Es gibt eine kleine halbkreisförmige

Bühne mit

vorgebautem Sitzpodest,

wo auch Lesungen

möglich sind. Mehrere

Sitzgruppen laden zum

Schmökern ein: Es gibt

Sitztiere für Kinder, ein

paar tetrisartige Designersessel

unterschiedlicher

Größe, die unbequem

aussehen, was aber frappierend

täuscht. Zudem

gibt es eine Doppelcouch

und einen modernen

Ohrensessel, der mit dem

Rücken zum Schaufenster

steht. Es stehen

mehrere Bildschirme

zur Verfügung, auch ein

Großer für Games und

Battles. Eine Kaffeemaschine

ist vorhanden,

eine durchweg behinderten

gerechte Zugänglichkeit.

Alles wirkt freundlich,

hell und dezent

bunt – und wartet jetzt

nur noch auf möglichst

viele Nutzer und Leser.

Vor der Öffnung behalf

man sich u.a.

mit „Click & collect“, die

Rückgabe ist kontaktlos

möglich im Windfang.

Auch die Ostalb-Onleihe

war eine Möglichkeit, um

Bücher zu bestellen. Die

Leser können sich von

Fotos (v.l.): Sitzfiguren für Kids / Für Jugendliche: Play- und

Gamingstation / Vanessa Hiermann in der neuen Kaffeebar

zuhause aus einloggen in

den Katalog der Bücherei,

auswählen – und zum

vereinbarten Termin abholen.

Bibliotheksleiterin ist

Daniela Galter; ihr zur

Seite steht die 30jährige

Vanessa Hiermann: „Unsere

neue Bibliothek soll

ein stadtzentraler Treff

für alle Generationen

werden“, sagt sie. Man

habe sich deshalb sehr

bemüht, auch für Kinder

und Jugendliche, die sich

in der vielleicht etwas antiquierten

Grabenschule,

dem vorherigen Standort,

nicht immer wohlfühlten,

großzügige Angebote

vorzuhalten.

Der Mietvertrag für die

neuen Räumlichkeiten im

einstigen Ladengeschäft

(plus kleiner Keller) „ist

für zunächst zehn Jahre

abgeschlossen“, sagt Salemi.

Gute und gesicherte

Grundlagen für eine gute

Zukunft der „neuen“ Bibliothek

sind also gelegt.

al

Fotos: Sonja Fritz


Die Stadtbücherei

Herbrechtingen

Die Räume des ehemaligen Klosters

laden zum entspannten Lesen ein.

Die Räume sind einladend großzügig

geschnitten, sie sind hell, freundlich

und gleichzeitig Jahrhunderte alt:

Das Herbrechtinger Kulturzentrum Kloster

beinhaltet, neben weiteren Einrichtungen

wie Musik- oder Volkshochschule, auch die

Herbrechtinger Stadtbücherei.

Nächstes Jahr feiert sie

20jähriges Bestehen

in diesen besonderen

Räumlichkeiten. Und von

Anfang an dabei ist Thomas

Jentsch: Der mittlerweile

48jährige sieht sich deshalb

als „lebendes Inventar“,

das nicht lebende Inventar

hat er selber ausgewählt,

aufgestellt und mit mittlerweile circa 27.000

Büchern, CDs oder Spielen bestückt.

Er erinnere sich aber, erzählt er im

Gespräch, auch noch an die (weniger

einnehmende) Vorgängereinrichtung im

Schulzentrum. „Wir wollten hier Räume

mit hoher Aufenthaltsqualität“, meint

der schon optisch profilierte Bibliothekar.

Deshalb habe man, neben offenen Regalen,

auch für „ebenso gemütliche wie funktionale

Stühle und Tische“ gesorgt oder für eine

gute Kaffeemaschine oder auch Spiele. Die

Bewohner sollen sich „im Kloster“ wohlfühlen.

Der Bau hat eine 1250 Jahre umfassende

Geschichte; Kernteile des ältesten

Klosters der Region stammen aus der Zeit

Karls des Großen – und damit unvorstellbare

50 Generationen zurück.

Voraussetzung für das

heutige „Kulturzentrums

Kloster“ ist die grundlegende

Restaurierung vor 20

Jahren, die „mit großer

Disziplin und durchgängiger

architektonischer Haltung“

durchgeführt wurde, wofür

die Anlage als „Beispielhafter

Bau“ eine begehrte

Auszeichnung der Architektenkammer erhielt.

Thomas Jentsch sorgt für Belebung „seiner“

Bibliothek nicht nur durch ein attraktives

Buchangebot (für einige Bände kann er

eine aufwändige Beschaffungsgeschichte

referieren), sondern auch durch flexible

Öffnungszeiten, die Zeitfenster auch für

Berufstätige öffnen, sowie insbesondere durch

Lesungen und Kulturveranstaltungen, die

hochkarätige oder bekannte oder originelle

54


Köpfe in die beiden Veranstaltungssäle (der

Karlsaal fasst maximal 200 Besucher) holen.

Jentsch hat sich damit längst zum profiliertesten

Bibliothekar der Region entwickelt – ein Etikett,

das er für sich selber gar nicht in Anspruch nehmen

möchte. Er, der auch Leiter der örtlichen VHS ist,

„brennt“ für seine Bücherei – und hat im Lauf von

bald zwei Jahrzehnten ein Netzwerk geknüpft,

das Autoren, Verlage und Agenturen dazu bewegt,

Kulturschaffende ins vergleichsweise kleine

Herbrechtingen zu schicken, die ihr Publikum

ansonsten eher in Groß- oder Universitätsstädten

haben als in der älblerischen „Provinz“.

al

Stadtbücherei

Eselsburger Str. 8

89542 Herbrechtingen

Telefon 0 73 24 / 955 - 1351

Fax 0 73 24 / 955 - 1355

Öffnunsgzeiten:

Dienstag und Donnerstag: 10:00 Uhr - 16:00 Uhr

Mittwoch: 14:00 Uhr - 19:00 Uhr

Freitag und Samstag: 10:00 Uhr - 12:00 Uhr


56

Shakespeare &

Company

„Opening bookshop in Paris.

Please send money.”

Jede Geschichte startet irgendwo. Die Geschichte des

berühmten Buchladens “Shakespeare & Company”

begann mit diesen Worten im Jahre 1919.

Sylvia Beach aus Princeton, New Jersey,

schrieb an ihre Eltern: “Opening

bookshop in Paris. Please send money”.

Die Eltern unterstützten das Vorhaben

Sylvia wurde eröffnete ihren Buchladen

und wurde die erste Verlegerin Ihrer Zeit.

Dorthin kam Ernest Hemingway, der den

Boxring verließ, um hier Bücher zu

lesen. James Joyce kam nie vor Mittag und

lieh sich ständig Geld. Die Dame mit dem

weißen Pudel war Gertrude Stein. Die

wunderbare Djuna Barnes redete mit T.S.

Eliot über ihren Roman „Nachtgewächs“.

Scott Fitzgerald saß lesend auf der Treppe,

während sich Sylvia Beach Gedanken über

die Veröffentlichung von Joyces „Ulysses“

machte, weil es sonst niemand tat.

Die Vergangenheit lebt in diesem

Buchladen und scheint mit in

die Gegenwart gekommen zu sein.

Wer irgendow liest: „Bücher sind

tot”, fahre nach Paris und besuche

„Sheakespeare & Company”.

Jung und Alt, arm und reich, Autoren und

Leser aus der ganzen Welt treffen dort

Freunde oder werden Freunde, finden

ein Zuhause fern der Heimat.

„Be not inhospitable to strangers”, steht an

der Wand, „lest they be angels in disguise”:

Geschrieben hat das George Whitman.

Als er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg

nach Paris kam, wusste er alles über Sylvia

Beach und ihren Buchladen. S&C wurde

während der deutschen Besatzung 1941

geschlossen, Sylvia interniert. Whitman

liebte Paris, lebte in billigen Hotels

und sammelte Bücher. So viele, dass er

beschloss, einen Buchladen zu eröffnen.

erfüllte er sich mit der

1951 Neueröffnung von „Shakespeare


& Company”, ganz im Sinne von Sylvias

Spirit, seinen Traum. Er lud wie schon Sylvia

Autoren zum Essen und Bleiben ein. Sie

konnten dort schlafen und arbeiten. Und

wieder kamen sie alle. Allen Ginsberg

und Gregory Corso. Henry Miller schlief

im Writers Room und Anais Nin ließ ihr

Testament unter Georges Bett. Überall

hängen signierte Fotos. Jackie Kennedy

war hier genauso wie Jack Kerouac und

William Burroughs.

Nachdem die Welt immer mehr von

der Jagd nach Reichtum beherrscht

wird und viele Menschen in einer riesigen

Geldmaschinerie gefangen sind, fragt man

sich: Was macht das mit unserer Kreativität,

die ganz tief in jedem von uns steckt? Klar

sind wir nicht alle Künstler und Autoren,

aber wir sind alle zusammen in einem

kreativen Kontinuum, das einen Raum für

Kreativität braucht. Einen Ort für das,

was man sich mit Geld nicht kaufen kann.

„Shakespeare & Company” ist so ein Ort.

Eine kleine Insel der Gleichheit und Ruhe.

Atme langsam. Entspanne. Lese. Nimm Dir

ein Buch, setze Dich an die „Left Bank“

mit Blick auf Notre Dame. Nein, Du musst

bei dieser Aussicht nicht an Gott glauben,

aber Du musst an irgendetwas glauben.

Sylvia Beach und Georg Whitman

glaubten an Bücher und ihre Autoren. Sie

machten ihre Vision für alle sichtbar. Die

seltsame Tatsache ist, dass Visionen meist

aus Unsichtbarem entstehen. Sie treiben

uns an, daraus etwas zu erschaffen, was wir

sehen, berühren und fühlen können.

Bücher haben kein Ablaufdatum. Die

Sprache ändert sich, die Probleme

verschieben sich, aber das Ringen um das,

was menschlich ist, bleibt das Gleiche.

Foto: Christine Zenino – Text: Sonja Fritz –

Quelle: Shakespeare&Company


Geroge Whitman

Sylvia Beach

Samuel Beckett

Ernest Hemingway

James Joyce

Djuna Barnes

Gertrude Stein

Jack Kerouac

Fotos:

Wikipedia

Pixabay

Crulos1999

RogerPic

Sonja Fritz

58

William Burroughs


George Whitman

Der Nachfolger Sylvia Beachs bei

“Shakespeare & Company” verfasste einen

bewegenden Brief an die ermordete Anne Frank.

Quelle: openculture.com


Nächste Ausgabe erscheint am

16.August 2021

Wir freuen uns auf Sie

und auf...

• Im Portait:

Erika Rachota –

Künstlerin aus

Giengen und Gewinnerin

unseres Frida Kahlo

Ausschreibens.

Die Frida Collage einfach

mit dem Cutter ausschneiden

und Einrahmen.

Viel Freude Damit.

• ... Ankas Büchertipps für

die Freibad-

Saison.

Impressum:

Herausgeberin: Sonja Firtz

Literatum Verlag, Panoramaweg 5, 89518 Heidenheim

Projektleitung, Grafikdesign: Sonja Fritz

Autoren: Sonja Fritz, Dr. Manfred Allenhöfer , Anka Malterer ,

Hubertus Rösch

Verantwortlich für den Redaktionellen Inhalt: Sonja Fritz

Redaktion: Dr. Manfred Allenhöfer, sonja Fritz

Fotos: Sonja Fritz, Ignacio Itturioz, Pixabay,

weitere Fotos: Credits bei den jeweiligen Fotos

Anzeigen: sonja.fritz@literatum.de

Gesamtauflage: 2.500 Stück Erscheinungstermin: 15. Mai 2021

Datenschutz: www.literatum.de

©2021 Sonja Fritz.

Das Werk ist sowohl den Inhalt als auch

das Erscheinungsbild betreffend urheberrechtlich geschützt.

Die Urheberrechte des Inhalts liegen jeweils bei den Unternehmen,

den Städten und Gemeinden und Fotografen. Jede Verwertung

außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne

Zustimmung der Urheber unzulässig.

Das Magazin ist kostenlos im Landkreis Heidenheim und im Ostalbkreis

erhältich.

www.literatum.de

Literatum Magazines&Books

Panoramaweg 5

89518 Heidenheim

60

Der englische Wald in

Dischingen verbindet

aufs anregendste Natur

mit Kunst-, feudal- und

Lokalgeschichte.

Mafred Allenhöfer hat

ihn wieder mal besucht.

• ... Oldtimer und die Kunst, sie zu

restaurieren.

Wenn auch Sie und Ihr Kunstwerk auf “Seite Zwei” erscheinen

möchten, schicken Sie uns gerne eine Mail mit einem Foto Ihres

Werks. Wir freuen uns darauf, Heidenheims Künstler

zu präsentieren.


15. Mai – 4. Juli 2021

Dieter Krieg

Sei still – Malerei

Foto: Ohne Titel (Sei still), dreiteilig, 2002, Acryl auf Leinwand, Fotografie: Frank Kleinbach, Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 | Gestaltung: Miriam Röhrig

Hermann Voith Galerie

KUNSTMUSEUM HEIDENHEIM

Picasso Plakate- und Druckgraphiksammlung

Hermann-Voith-

Stiftung

Marienstr. 4 (Nähe Bahnhof) | 89518 Heidenheim | Tel. 07321 327-4810 oder -4814

www.kunstmuseum-heidenheim.de | Öffnungszeiten: Di – So 11 – 17 Uhr, Mi 13 – 19 Uhr


LITeratumMAGazin – K.

Kunst – Kultur – Salon – Literatur

Knöpfleswäscherin mit Maske ©Ignacio Iturrioz

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