25.10.2021 Aufrufe

Klaus Waschk: Vor&NachBilderZeichnungen zur Literatur 1971-2021

Zeichnungen zur Literatur 1971 - 2021 Verlag Angeli & Engel, Hamburg Juli 2021 Format 24x30cm, 94 Seiten ill. ISBN: 978-3-9815836-4-9 Standardausstattung: 28 € Bestellungen an: Rudolf Angeli, Tel.: 040-60566773, rudolf_angeli@web.de www.angeliundengel.art oder: Klaus Waschk, klaus@waschk.de

Zeichnungen zur Literatur 1971 - 2021
Verlag Angeli & Engel, Hamburg Juli 2021
Format 24x30cm, 94 Seiten ill.
ISBN: 978-3-9815836-4-9
Standardausstattung: 28 €
Bestellungen an: Rudolf Angeli, Tel.: 040-60566773, rudolf_angeli@web.de
www.angeliundengel.art
oder: Klaus Waschk, klaus@waschk.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KLAUS WASCHK

Vor&NachBilder

Zeichnungen

zur Literatur

1971 - 2021

Verlag Angeli & Engel





KLAUS WASCHK



KLAUS WASCHK

Vor&NachBilder

Zeichnungen

zur Literatur

1971 - 2021

Verlag Angeli & Engel

Hamburg 2021


Erstmals erschienen 2021 unter dem Titel „Vor&NachBilder“

bei Angeli & Engel, das ist ein Imprint von

Rudolf Angeli, Saselbekstraße113, 22393 Hamburg

Rudolf_Angeli@web.de

Herausgeber: Peter Engel

Peter_Engel@gmx.de

Copyright © Klaus Waschk, (Autor und Illustrator)

Övelgönne 23, 22605 Hamburg

Layout: Heiko Müller

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch darf nur nach vorheriger

schriftlicher Zustimmung des Copyright-Inhabers vollständig

bzw. teilweise vervielfältigt, in einem Datenerfassungssystem

gespeichert oder mit elektronischen bzw. mechanischen Hilfsmitteln,

Fotokopierern oder Aufzeichnungsgeräten bzw.

anderweitig weiterverbreitet werden.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte

bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-9815836-4-9 (gebunden)


KLAUS WASCHK

Vor&NachBilder

Zeichnungen

zur Literatur

1971 - 2021

Verlag Angeli & Engel

Hamburg 2021



Biografische Vorbemerkungen

1941 geb., Ostpreußen. 1942 wird der Vater im Krieg erschossen. Das Flüchtlingskind

wächst in der Nähe von Bremen am Rande des Teufelsmoores auf, ländlich – klein, blond

und verhätschelt von Mutter, Großmutter, Tante. Vom Großvater lernt er zu sägen,

hacken und zimmern – und immer sofort das Werkzeug zurückzubringen. Unter den

Bauerkindern bleibt er jedoch etwas fremd. Er ist mit Kosmos-Lernbaukästen (Optikus

und Fotomann) im Kartoffellkeller als Dunkelkammer selbstbeschäftigt genug. Lesestoff

liefern Illustrierte (Quick, Hummel-Hummel) und Bücherhaufen aus der Leihbücherei der

Kleinstadt.

1946 – 1961

Er ist abwesend und schlecht in der Schule, er schwimmt (relativ schnell), jazzt (am Banjo

einfach und laut) und zeichnet und malt eher ‚französisch’– nicht zuletzt wg. der Frauenbilder:

Pascin bis Renoir, später Hubbuch und Grosz. Er liest mit Tendenzen zu distanzfreier

Selbstidentifizierung – Karl May ...und später Kafka, Kafka, Benn. Entsprechend

merkwürdig schreibt er selbst und gewinnt mit einer grotesken (überaus authentischen)

Skizze seiner Tanzstunden den Bremer Jugendliteraturpreis: einen Füllfederhalter. Die

Schulzeit wird entsprechend der durch Nebentätigkeiten so sehr beeinträchtigten Teilnahme

verlängert, dann aber doch glücklich irgendwie abgeschlossen.

1961 – 1962

Er studiert etwas verwirrt Germanistik, Archäologie und Kunstgeschichte in Marburg.

Er zeichnet und druckt beim nachsichtigen Meister Höhl, der ihn in schwieriger Zeit

mit freundlicher Nachsicht und Sorgfalt begleitet und mit positiven Verstärkungen in

der Zeichenkunst beruhigt (s. K.Waschk ‚ziemlich normal’, eine Biografie in Bilderbögen,

Hamburg 2019).

1962 - 1966

Gut vorbereitet übernimmt ihn die Akademie in Stuttgart sofort. Der freundlich schmalschiefe

R.Daudert (Ostpreuße) läßt ihn in der Grundklasse frei tun+machen+probieren+etwas

allein. Was dann sachlich zu begreifen, strukturiert zu verstehen und analytisch als Form

und Gestalt für die Betrachtung und den Diskurs brauchbar ist, lehrt ihn Ch.Schellenberger

in der Werkklasse. Ein weiterer Theorieschub kommt von Max Bense. Der macht mit seiner‚

kybernetischen Ästhetik’ – M = O:C – Werturteile in der Kunstbetrachtung mit‚ Maß,

Zahl und Ordnung’(O.Schlemmer) möglich. So wird – bei einem eigentlich dramatisch

chaotischen Studieren mit wirren Bohème-Anteilen (s.’ziemlich normal’ –) doch noch

ein solider Bodensatz als brauchbare Ausrüstung für den später ziemlich übersichtlich

strukturierenden Kunsterzieher möglich.

o. Holzschnitt, 38 x 15 cm, 1962

u. Acryl, 73 x 31 cm, 1964

7


1964 -1966

Schließlich wird Prof. Gunter Böhmer mit ihm in der (sehr angesagten) Klasse für ‚freie

Grafik’ nicht wirklich glücklich. Während der Student ellenbogentief (und zumeist furchtbar

verkatert) im Charbonell-Schwarz walzt, piekt der Herr mit dem Spazierstock auf

delikate Grauwerte: ‚halten Sie den...’– dieser, ein bockig verklebter Saufkopp vor jenem,

dem feinen Ästhetiker, der just noch mit Hermann Hesse in Montagnola das Aquarellgrün

im Salat diskutiert hatte. Aber der eigentlich lernwillige Jungmann hat bei ihm dann doch

gelernt, dass Zeichnen + Literatur kompakt als künstlerischer Zugriff eine ernste und

überaus rettende Maßnahme sein kann. Im Examen mit - ausgeprägten Schwächen beim

kunstgeschichtlichen Post-kartenraten werden dann fulminante Radierungen zur ‚Basler

Fasnacht’ präsentiert.

o.l. Acryl, 51 x 27 cm1965

u.l. Kaltnadelradierung 25 x 17 cm 1966

o.r. Federzeichnung, 28 x 26 cm, 1965

u.r. Gutachten Prof. Böhmer 1965

8


1966 - 1971

Germanistikstudium in Hamburg, fast ein frühes Scheitern im Alt- und Mittelhochdeutschen,

Unlust beim Zerreden von Literatur in Ober-seminaren mit lebensfernen Profilierungsschwätzerinnen.

Examen trotzig trocken mit Sprachstatistik in der Linguistik,

abzählbar verläßlich in den Analysen und Wertungen zum Verhältnis von ‚Sprache und

Bild in der Anzeigenwerbung’. Unschlagbar mittenmang eng wortgläubiger Konnotationsforscher

mit den eignen Erfahrungen als Optikus und der Kompetenz in visueller

Kommunikation. Zeichnen ist dann umso mehr das empathisch Andere, Notwendige -

und manchmal auch das etwas therapeutisch Unpräzise und eher Wüste. Nach soliden

Abschlüssen Schuldienst, gern und ziemlich engagiert.

1971 - 1987

Der gymnasiale Dienst nimmt ihn, tendenziell ein Überaspirant, mit den Fächern Deutsch,

Bild.Kunst, Pädagogik ziemlich ein. Er turnt zwischen Komplementärkontrasten im Goldfischteich

(Kl.5), Sprache in der Politik (O-St.11) und Erziehungsnormen bei den Maori

(Päd. O-St.12) recht verwegen und oft zu oberflächlich herum. Das Vielseitige, doch

allzu Disparate erschöpft.

Es ist ein Doppelleben: tags ordentlich in der Vermittlung, bei der er ‚sich gleichzeitig

nach allen Seiten wirft’ (Kafka), nächtlings Texte + Bilder + Zeichnungen ... aber selten

unverschränkt: Schüler, Kollegen, Klassen- und Konferenzsituationen werden immer

wieder spitz in allen Beziehungsvarianten unverhohlen Teil der Zeichnerei, eigentlich

freundlich, aber oft auch verzogen und im Nachtreten als klammheimliche Rache und zur

Selbstbehauptung hilfreich einbezogen.

Rettung bringt die Berufung an die Hochschule, die Konzentration des Arbeitsfeldes,

Tiefenbohrung möglich macht – und wo motivierte, frisch motivierende Studierende ihn

dann fast ein Vierteljahrhundert sehr beschäftigen.

o. Kaltnadelradierung,

12 x 6 cm, 1971

u. Reize, Kreide, Aquarell,

50 x 70 cm, 1987

9


Silvester, Kaltnadel,

49 x 48 cm, 1978

u. Basler Fasnacht,

19 x 7 cm, Kreide,

Aquarell, 2018

Zeichnend illustrieren oder literarisch zeichnen oder ... sei’s drum, die Diskussion um Illustration als Kunst, als unfreie Anwendung

ist müßig. Gunter Böhmer hat es immer als Kränkung erfahren, so beschränkt wahrgenommen zu werden. Inzwischen

ist das Arbeitsfeld offener, das Handgemachte wird eher als etwas Authentisches geachtet – auch wenn dort nun oft viel

Schlichtes zu dekorativ illustrativ angehäuft ist. Die Breite, die mögliche Tiefe in diesem Metier reicht ja von der ‚mystischen

Ärmlichkeit des Strichs’ (Lyotard), dem ‚Setzen des Seins vor dem Nichts’ (Hegel), gestischen Anfällen und zärtlichen Kratzereien

bis hin zu einem opulenten Panoptikum, frei erfunden oder im Dialog mit Texten, deren Autoren ich erst einmal wirklich

‚verdaut’ haben muß, um ihnen nicht nacherzählend nachzulaufen (d.h. ‚Arbeit, Arbeit, Arbeit,’(Kerkeling). Das Spannende ist

das Prozesshafte im Freiraum zwischen Text/Autor und eigenen Zugriffen, ansatzweise lit.wiss. fundiert im Nachvollzug und

dann kühn dialogisch – manchmal auch selbstgefällig überzogen – zeichnend erörtert. Gesucht wird jene ‚Genauigkeit und Seele’

(Musil)- gegen jede flach dekorative Zerstreuung. Das ungefähr habe ich im letzen Vierteljahrhundert selbst versucht und auch

meinen Studierenden so zeigen wollen. kw

10


keine Pfeife, Ausschnitt 14 x 14 cm, 1984

Harald Kunde

Ironie und schwerer Mut

Da sitzt einer in Altona vor prächtiger Elbkulisse und sieht die Welt an sich vorüberziehen. Scharenweise Promenadengänger,

hausgroße Schiffsleiber, ruhelose Kräne bevölkern in wechselnden Szenarien eine Schaubühne, von der der Beobachter Klaus

Waschk regen Gebrauch macht. Doch nicht vom müßigen Voyeur ist hier die Rede, sondern von einem zeichnenden Leser und

Denker, der den Strom des Sichtbaren auf bildstiftende Momente hin befragt und die Forderungen seiner Imagination an ihm

befestigt. (...)

Es entpuppt sich dieser Ort, naturgemäß der Kontemplation zugeneigt, nun mehr als dünnwandiges Gehäuse, das seine Insassen

vor keinem Ticken der Zeit mehr schützt. Vielleicht ist dieser grundsätzliche Refugienverlust auch noch immer innere Voraussetzung

einer künstlerischen Artikulation, die sich aus moralischem Impetus nährt, die Plage mit den Inhalten nicht scheut und

hartnäckig der erzählenden Kraft figurativer Bildstrukturen vertraut.

... So bildet auch die Fülle des Anschaulichen selbst kaum Anlaß zur Zeichnung, sondern ist eher verfügbarer Fundus, der nach

den Maßgaben literarischer Inspiration und erzählender Mitteilung geöffnet wird. Beim Blick auf Ausbildung und Werdegang

überrascht diese Verschränkung von geistiger und bildender, von theoretischer und sinnlicher Ebene nicht; sie ist im Laufe der

Jahre vielmehr zum Wesenskern der künstlerischen Arbeit von Klaus Waschk geworden. So zeitigen intensive Lektüreerfahrungen

immer häufiger umfangreiche Blattfolgen, die alle Nuancen von auftragsgebundener Illustration bis hin zur autonomen

Zeichnung ausloten und bis heute aus diesem Spannungsfeld leben.

Einmal sind es die Fragmente der Vorsokratiker, dieser bildreichen, noch systemfernen Ergründer einer frühen Schöpfung, die

ihn drängen, seine Erkundungen der menschlichen Substanz, Äonen später und doch im Zweifel wie jene, voranzutreiben und

darzustellen. Ein anderes Mal klingt der Ton von Bobrowskis Prosa in ihm wider, diese Unmittelbarkeit mündlichen Erzählens,

die im früheren Grenzland der Memel eine entschwundene Heimstatt zu haben scheint und von Klaus Waschk, geboren in Masuren,

als innere Seeelenverwandschaft empfunden wird. Immer setzen diese Begegnungen einen Strom eigener Erinnerungen,

Tagträume, Begierden frei, der sich erst im Halt gebenden Format, in der schließlich gebändigten Fülle linienpraller Leiber befriedigen

lläßt. Denn bei aller Vitalität der Strichführung, bei allem Furor der Sinne bleiben die Handelden doch Geschöpfe der

Fläche, eingepfercht in flache Kerker, angeschnitten, oft verdeckt. So wird Dynamik erzeugt, der Bildraum scheint zu eng für

die Nöte der Figuren, und es bleibt ihnen nur, nach vorn auszubrechen, auf den Betrachter zu, der unvermittelt in die Intensität

ihrer Existenz hineingezogen wird. (...)

11


12

Selbst, Lithografie, 42 x 58 cm, 1966


Bibliographie

Zeichnungen zur Literatur

Bücher und Buchprojekte

13


Vorbemerkung

Die hier aufgeführten Arbeiten zeigen sowohl Buchveröffentlichungen wie auch Entwürfe aus den Jahren 1978 bis 2021. Es sind

Projekte, die ordentliche Auftragsarbeiten waren – gern angegangen und durchaus intrinsisch aufgeladen. Aber aufgeführt werden

auch solche, die mit besonders eigensinnigem Vergnügen entworfen wurden. Es sind dies jene handschriftlichen Versuche, Text

und Bild im ‚authentischeren’ Duktus zu verbinden, und jene, die mit unangemessenem Hochmut auch typografische Vorgaben

zitieren und nutzen.

Dabei gibt es Zeichnungen und Bilder, die relativ brav den Textvorgaben folgen und sie ordentlich bis charaktervoll nachzuvollziehen

versuchen. Andere nutzen die wörtlichen Vorgaben und Narrative kühner, sie erweitern die Vorstellungsräume, um Themen,

Typen, Charaktere und Situationen eigenständig neben das Nachzuerzählende zu setzen. Sie konterkarieren, verweisen quer,

nutzen konnotative Felder und überzeichnen – um deutlich und produktiv im Dialog ‚Feldforschung’ und Verstehen und Erleben

zu forcieren.

Die Abfolge der Bücher und Autoren ist weitgehend chronologisch. Die Angaben zu Techniken und Bildgrößen sind bezogen auf

die div. Zustände der Entwürfe für die Druckvorlagen. Die ‚Titel’ hier sind keine, sie sollen nur manchmal als Stichwörter auf Textstellen

oder Inhalte, auch Konnotationen, verweisen – und neugierig machen, das Buch, die Zeichnung, das Projekt wahr- und ernst

zu nehmen.

14


Michael Schneider,

Das Gespenst der Apokalypse und die Lebemänner des Untergangs

1984 Michael Schneider,

Das Gespenst der Apokalypse und

die Lebemänner des Untergangs,

Büchergilde Gutenberg, 1984

1984 schreibt M.Schneider im Vorwort selbst:

’Endzeitbeschwörer, Flagellanten, Prediger der

Apokalypse fanden sich zuhauf, als es um die

Jahrtausendwende (..) zu rumoren begann. Hungerkatastrophen,

Pestepidemien, die Kritik an

kirchlichen Institutionen (...) gebaren damals die

ars moriendi, die Kunst, das drohende Weltende

mit Würde zu überstehen. Am Ende des zwanzigsten

Jahrhunderts feiert die ars moriendi erneut

ihre düsteren Triumphe.’ ... Schneider fragt,

wie es kommt, dass ‚aus engagierten Sozialisten

und Materialisten melancholische Agnostiker und

depressive Endzeitpropheten geworden sind (...)

Philister der Hoffnungslosigkeit’. Ich habe versucht,

mir diese Empörer, Verschwörten, selbstgerechten

Querdenker, aber auch den furchtsamen

Zuschauer (hic) vorzustellen.

15


Arthur Koestler,

Die Gladiatoren

1980 Arthur Koestler,

Die Gladiatoren,

Büchergilde Gutenberg,

Frankfurt a.M. 1980

Bleistift, 26 x 18 cm

A. Koestlers Roman beschreibt den Aufstieg und

Niedergang des Spartacus, des Führers einer Sklavenarmee.

Für mich war beim Zeichnen der politische

Kontext, ein eventueller Gegenwartsbezug

kaum darstellbar. Im Nachwort zu seinem Roman

schreibt Koestler aber selbst: ’Ich (...) fühlte

das Bedürfnis, den historischen Hintergrund mit

strenger, ja pedantischer Genauigkeit darzustellen.

Das führte zum Studium solch entlegener

Dinge wie Form und Material der Unterwäsche, die

die Römer trugen ...’. Auch wenn im Roman davon

kaum noch die Rede ist, die Recherche bildet

den Untergrund für eine überzeugende Darstellung.

So interessierten mich nicht die Auf- und

Abstiege, die Ränkespiele ...sondern die Typen

vor allem auf den Marmorklos, die Kampfwütigen

und die erwärmenden Momente im Heerlager, die

Menschen.

16


Vladimir Nabokov

Die Benachrichtigung

1979 zu: Vladimir Nabokov, Die Benachrichtigung,

ZeitMagazin Nr.12, Hamburg 1979

Bleistift, Kreide, Entwurf 30 x 40 cm

In den ersten Ausgaben des ZeitMagazins diente dies weniger

einem Werbeetat, für den es verächtlich Menschen durch hochgerüsteten

Jetset-Schick definierte, sondern versuchte, mit

Kurzgeschichten auch ein literarisches Angebot zu machen. Es

war – nach etlichen Belanglosigkeiten von mir in div. Publikationen

- die erste anspruchsvollere Aufgabe, eine spannungsreiche

Situation darzustellen: “Eugenia Isakowna Minz war eine ältere

Emigrantenwitwe, die immer Schwarz trug. Ihr einziger Sohn

war vor einem Tag ums Leben gekommen. Sie hatte es noch

nicht erfahren.“

Da sie schwerhörig ist, wagt es niemand, ihr die traurige Nachricht

ins Gesicht zu brüllen. Auf diesen Moment wollte ich hinzeichnen,

sachlich einfach. Eine Nachbarin wurde zur Eugenia,

die blackbox zum Hörgerät. Die Entwürfe wurden aufwändig und

bemüht --- der Abdruck grau (s.l.)

17


Fritz Zorn, Mars

1985 Fritz Zorn, Mars,

Büchergilde Gutenberg, 1985

Kreide, Kaffee, ca 19 x 13 cm

Es ist ein Buch, das ich nicht gern gelesen habe. Es ist

die authentische Dokumentation der Jugendjahre eines

jungen Mannes, der, an Krebs erkrankt, ‚abrechnet’. Es

beginnt: ‚Ich bin jung und reich und gebildet; und ich

bin unglücklich, neurotisch und allein’. Es beschreibt

ein Leben ‚in einem feinen Haus’, das im Formelhaften,

einer ‚Fiktion von Harmonie’ (A. Muschg) erstarrt ist,

jeden Umgang mit Körperlichkeit, Gefühlen, einfriert.

Die Zeichnung der antikisierenden Tarnkappe ist vielleicht

ein Bild für diesen verschlossenen Zustand, dem

ich dann einen angekratzten, verwundeten gegenüber

stellte – und die Krähe am Hals, die bei Z. für ‚verschluckte

Tränen’ steht.

18


Luise Rinser

Jan Lobel aus Warschau

1986 Luise Rinser, Jan Lobel aus Warschau,

Erzählungen, Büchergilde Gutenberg,

Frankfurt a.M. 1986

Bleistift, div. gr.

o. Jan Lobel aus Warschau

l.u. Eine dunkle Geschichte

r.u. David

Diese Erzählungen Luise Rinsers zeichnend zu begleiten

war für mich eigentlich unmöglich. Sie schildern zwar ein

absehbares Geschehen, die eigentliche Geschichte entwickelt

sich aber in den Verhältnissen, Haltungen, psychologischen

Anspannungen der Menschen zwischen Schuld

und nochmals Schuld. So bleibt der einem KZ-Transport

entflohene Jan Lobel trotz schützender Auf- und Anteilnahme

isoliert, der kleine jüdische David wird zu naiv falsch

getauft und stirbt an Masern, die fette rote Katze wird,

weil sie die letzte Kartoffel frißt, erschlagen. Für so viele

unglücklich emphatische Aufladungen blieb mir nur der

Versuch, wesentliche Verdichtungen im Spannungsbogen

zu markieren, Konstellationen für Figuren als Annäherung

zu erfinden.

19


Johannes Bobrowski

Litauische Claviere

1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere,

Büchergilde Gutenberg 1991

Kreide, Bleistift, Packpapier-Collage

Die Arbeit an den Zeichnungen zu den ‚Litauischen

Clavieren’ war für mich stark bepackt mit

‚heimatlicher Nähe’. Selbst geboren in der Elchniederung,

Memelland/Masuren, aufgewachsen in

der Diaspora der Ostflüchtlinge im Westen, war

in allen familiären Treffen immer die eigentliche

Heimat präsent. Es sind schon die Ortsnamen –

Willkischken, Motzischken, Tolmingkehmen, Blindgallen,

Przerosl, Szitkehmen, Gowarten – und die

Familien: Schwillus, Potschka, Kurschat, Laupichler,

Lenuweit, Krauledat, Dadrat, Librucks, Wischnewski,

Bronski ..., die wie Beschwörungsformeln

wirken. Stimmen, Menschen, Bilder – alte Fotos,

Heimattreffen, das Ostpreußenblatt, alles ist

dicht besetzt. Aber vieles wurde ausgeklammert,

verschwiegen.

Bobrowski erzählt und entwirft ein weniger verklärtes,

revanchistisches Bild. Er selbst sagt.’Zu

schreiben habe ich begonnen am Ilmensee 1941,

über russische Landschaft, aber als Fremder, als

deutscher. Daraus ist ein Thema geworden, ungefähr:

die Deutschen und der europäische Osten.

Eine lange Geschichte aus Unglück und Verschuldung,

seit den Tagen des deutschen Ordens, die

meinem Volk zu Buche steht. Wohl nicht zu tilgen

und zu sühnen, aber eine Hoffnung wert ...

.’So sind seine Erzählungen von eigentümlichen

Menschen vielleicht sogar exemplarisch nachbarschaftlich,

ja brüderlich. Diese wollte ich nachzeichnen.

20


1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere,

Büchergilde Gutenberg 1991

Kreide, Bleistift, Packpapier-Collage 27 x 18 cm

21


1990 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere

o. Der Tänzer Malige

o.r. Mäusefest

u.l. Dunkel und wenig Licht

u.r. Der Mahner

Kreide, Bleistift, Packpapier Collage, 27 x 18 cm

22


Johannes Bobrowski,

Litauische Claviere,

Kreide, Bleistift, Packpapier

28 x 18 cm

Wolf R. Anschütz

Der Zeichner Klaus Waschk

(aus: Neue Zeichnung Neue Illustration, Folge 1 Klaus Waschk, BrennGlas Verlag, Assenheim 1993

(...) Eine besondere Lust für den Zeichner Waschk ist es, Arbeiten für konkrete Buchprojekte anzufertigen, den Zwängen auftragsgebundener

Themen sich zu unterziehen, den ‚Weg’ suchen zu müssen – Das sind sie, die immer neuen Erfahrungen, geübt

in der alltäglichen Praxis, die gebrochene Welt bedeutet und doch den Ausflug in die Phantasie gestattet. Ein paar Beispiele

dieser Illustrationsarbeit gibt es: in der Edition ‚Die kleine Reihe’ der Büchergilde Gutenberg. Besonders gelungen ist die Illustrationsfolge

zu Johannes Bobrowski ‚Litauische Claviere und andere Erzählungen’ (Büchergilde Gutenberg). Der vielgestaffelten

Sinnstruktur des Romans nähert sich der Zeichner Waschk mit fast schwelgerischer Erzählhaltung, den textlichen ‚Sinn’-bildern

Bilder des Sinns entgegensetzend, gerade so, als müsse das Märchen mit opulenter Ironie ‚bekleidet’ werden. Mit den vielen in

den Text eingestreuten Vignetten folgt er den Intentionen des Autors, der durch ‚provozierende Dunkelheit’ dem Text keine

Eindeutigkeit in der Aussage gestattet. Waschks Vignetten sind um Anekdoten kreisende Lyrismen, zart, erinnernd, gestische

Zeichen einer Mentalität, die der des Autors zu entsprechen scheint.

23


Buchtitel u.a., in:

Lesen Darstellen Begreifen

A 7–A 10

1992 ff. Buchtitel u.a., in: Lesen

Darstellen Begreifen, A 7–A 10,

Cornelsen, Berlin 1992 ff.

Bleistift ca 26 x 24 cm

zu: A 9 Heinrich Heine, Ich weiß nicht, was

soll es bedeuten

Die Titelzeichnungen für die Schulbücher

(‚Lesen Darstellen Begreifen’) des Cornelsen-Verlages

sind ein Versuch, zwischen

einer recht textnahen Darstellung und der

Bildwelt in der Zielgrupe, die Klassen 7 bis

10, zeitnah zu vermitteln. Die Vorgabe des

Verlages war einfach:

‚Auf dem Band A9 sollten wir – ausgehend

vom Gedicht Heines – die Lorelei abbilden:

im Phantasiegewand, ihr langes Haar kämmend

auf dem Loreleifelsen hoch über dem

Rhein, unten ein Fischer im Kahn.’

Wen wundert es, wenn der Zeichner, zumal

Lehrer und den 14jährigen Schülern

der Klasse 9 näher, sich nicht ins Phantasiegewand

der Spätromantik verheddern

will. Aber fraglich ist, ob die Punkerin mit

ihrem Gesang den mittelständisch braven

Fischersmann wirklich vom Kurs abbringen

kann, ob die anbiedernde Illustration die

Zielgruppe hätte neugierig werden lassen.

Der Verlag bevorzugte das Ordentliche –

und reagierte für den Folgeband A 10 mit

einem detailreicheren Anforderungskatalog.

24


Buchtitel u.a., in: Lesen

Darstellen Begreifen,

Cornelsen, Berlin 1992 ff.

A 7 zu: Homer, Das trojanische Pferd (Entwurf)

A 8 zu: Friedrich Schiller, Wilhelm Tell

A 10 zu: E.T.A. Hoffmann, Die Automate

Bleistift ca 26 x 28 cm

25


Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk

Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, hrsg. von Jürgen Seuss, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993

o. Lob der schönen Dentalassistentin 1981

u.l. Kafka, die Verwandlung 1991

u.l. Rühmkorf, ‚gleichviel, die Pfote brennt dem Zünderfrieder‘ 1991

26


Selbst 1991

Rühmkorf, ‚Liegestuhl, mein hingestrecktes Leben’...1991

1993 Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993

Es hat mich gefreut, dass Jürgen Seuss, der so engagierte und umtriebige Überzeugungstäter in der Buchkunst, mit

mir eine Buchreihe mit Illustratoren beginnen wollte, die ‚jung und bislang unbekannt, aber zeichnerisch begabt und

eigenwillig’ so ein Forum erhalten sollten. Er schreibt in der Vorbemerkung: ’Die Absicht dieser Reihe besteht darin,

Künstler vorzustellen, die sich mit Literatur zeichnerisch auseinandersetzen, die in der Illustration (...) zu einem

literarischen Text einen Werk-Bestand von Kunst sehen ...’. Da war ich gern beteiligt, denn es gab so eine Chance,

recht frei und übermütig mit den eigenen Versuchen mit einer keck fabulierenden Zeichnerei aufzutreten, ‚dynamisch,

leidenschaftlich und extrem in der zeichnerischen Disposition, (...) mit ironisch temporierter Ausdruckskraft

...’ (J.Seuss) Ich nutzte die Einladung, auch verstreute Zugriffe z.B. zu Kafka, Rühmkorf und Burton zu zeigen, gern.

Bobrowki, Litauische Claviere

27


Hamburger Melancholie

Hamburger Melancholie, Zeichnungen von Klaus Waschk, Verlag Faber&Faber, Leipzig, 1995

Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut

Versuche zu Klaus Waschk, in: Hamburger Melancholie, Verlag Faber&Faber,

Leipzig, 1995

‚Gegen Ende der achtziger Jahre ändern sich durch die Berufung an die Fachhochschule

Hamburg (...) die Bedingungen der künstlerischen Arbeit: die ersehnte

Ausschließlichkeit des zeichnerischen Hauptgeschäfts ist nun Realität

und befördert eine Konzentration der vielfältig gebundenen Energien. (...)

Waschk trifft in dieser Zeit der überbordende, wetternde und dabei hochvergnügliche

Text einer mönchischen Weltabrechnung mit der Wut eines Zeitgenossen.

Robert Burtons ‚Anatomie der Melancholie’ (1621), Spiegel des eigenen

Temperaments und verbunden mit der ganzen Nomenklatura von Dürer

über Panofsky bis Kiefer, wird zum Generalthema der folgenden Jahre und liefert

die Grundierung bissiger Zeitforschung bis heute. Ein grandioses Panorama

menschlicher Eitelkeiten und Schwächen wird da aufs Korn genommen, all die

Ausfälle und Fehlstellen der geliebten Gattung, die seit jeher Spöttern, bärbeißigen

Moralisten und düsteren Propheten den Stoff ihrer Offenbarungen boten.

Solch religiöser Eifer liegt Klaus Waschk naturgemäß fern; er paraphrasiert mit

der heiteren Betrübnis des Betroffenen, nicht als Richter.’

Selbst mit Melancholia, Kreide, 32 x 48 cm, 1995

Robert Burton „Alle sind sie geisteskrank, aber nicht alle auf die gleiche Weise. Einer ist

raffgierig, ein andrer lüstern (...) . Alle gerade unklug wie du sind“

Kreide, Acryl, 99 x 88 cm 1991

28


Titelblatt zur Hamburger Melancholie, The Anatomy of Melancholy, what it is ...

Kreide, Acryl, 98 x 87 cm, 1992

Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut, Versuche zu Klaus Waschk, in: Hamburger Melancholie, ..

... ’Die Arbeiten, nun großformatiger, gewähren Klaus Waschk mehr Raum für körperliche Attacken, den er weidlich

(...) auskostet. Schwarze und weiße Kreiden, Teerpasten, Kaffeeinseln, Temperaschwünge bedecken nun ungezügelter

den Grund und bilden eine körnige Haut, die als materiale Qualität mitspricht. Auch die Fläche entvölkert sich

zusehends, löst sich von der Dominanz des Erzählten und öffnet sich den Wirkungen einer mehr und mehr sich selbst

meinenden Lineatur. Dieser verhaltene Autonomisierungsprozess der Mittel bekommt den Blättern gut, dies Heraustreten

aus illustrativer Dienstbarkeit hin zu einer Gleichrangigkeit von Medium und Mitteilung.’

29


Robert Burton „Ich weiß nicht wie viele Recken wurden im

Altertum vergöttlicht (...), obwohl sie in Wirklichkeit blutige

Schlächter waren, verderbte Zerstörer, Quälgeister der Welt,

scheußliche Ungeheuer, barbarische Plagen ...“.

Kreide, Kaffee, Bitumen 98 x 89 cm 1995

Robert Burton „Sie sind schnell in Sorge, mit hitziger Einbildungskraft

begabt, nicht leutselig (...). Sie gleichen der traurigen

Dame in Albrecht Dürers Melancholie.“

Kreide, Schelack, 99 x 88 cm 1994

Robert Burton „Zu den Anfälligen zählen diejenigen, die (...)

unmäßig, dunkelhäutig oder von sanguinischem Temperament

sind, kleine Köpfe, heiße Herzen, feuchte Hirne, eine

heiße Leber und einen kalten Magen besitzen ...“

Kreide Kaffee, Binderweiß, 220 x 120 cm, 1995

30


o.T. Kreide, Schellack,

220 x 120 cm, 1994

31


Der Sammler

1995

Der Sammler, Texte von Fries, Granin,

Härtling, Szczypiorski, Tomeo und

Originalgrafiken von Eisler, B. Heisig,

Petersdorff, Süss, Waschk,

Faber&Faber Verlag, Neunter Druck der

SISYPHOS-Presse, Leipzig 1995

Ätzradierung, Aquatinta, 29 x 13 cm

32


Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g

Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g, Bd. 12, Die Graphischen Bücher, Verlag Faber & Faber, Leipzig 1997

mit 33 Originallinolschnitten ca 20 x 9 cm

Solange das Denkmal stürzt ...

Buntstift, Moorlauge, 50 x 70 cm 1979

Peter Rühmkorf, ‚Solange das Denkmal stürzt ...’

Zählen wir etwa nicht mehr zu den Reißern ?

Kommt einfach Alter auf ?

sind wir im Nu passé ?

wir würden manches bis auf dies verrschmerzen ..

Die reale nachbarliche Nähe zu Peter Rühmkorf hier in Övelgönne

am Elbufer und die Bewunderung für Werk und Person,

meine freundlich gepflegte Eitelkeit, mit ihm den Weg,

den Grappa, die Benn’schen Töne pflegen zu dürfen, brachten

mich immer wieder dazu, mich etwas verwegen an

Zeichnungen zu seinen Gedichten zu machen. In den 70ern

konnte ich sie in Ausstellungen zeigen, der Dichter, offenbar

einverständig, las dazu - und selbst ich kam mir dann

ein bisschen alt vor. Aber konkreter wurde der Austausch

zum Buch mit meinen kleinen Linolschnitten zum ‚Irdischen

Vergnügen in g’ – die Peter Rühmkorf nicht unkritisch, positiv

bestärkend verfolgte.

33


Peter Rühmkorf,

Irdisches Vergnügen in g

o.l. Titelschnitt

o.r. Kommunes Tanzlied

u.l. Ende der Allergeringsten

u.r. Mit unseren geretteten Hälsen

34


Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g

Was seine Freunde sagen

(...) Doch im Juli, unter dem Sonnensegel,

verweilt einen Augeblick.

Dort les ich den Teenagers aus den Därmen der Vögel

ein dürftiges Geschick (...)

Lied für polnisches Mädchen, zu Qickborn in Stellung

(...) Treck ick miene Maibüx wedder an,

preis ich die Luft dieser Welt -:

dobrze Rapackiplan,

der sie erhält

35


r. Schlußvignette

u. Kriegslied

Ich gestehe es ungern, aber dem Ansinnen gegenüber, den ‚Wandsbecker Boten’ des Matthias Claudius zeichnend zu begleiten,

war ich sehr befangen. Zu sehr stand vor mir ein Klischee des Dichters des Abendliedes, des mondsüchtig Erbaulichen. Unterstützung

für solch eine eher abwehrende Haltung fand ich bei ‚meinen literarischen Instanzen’ Arno Schmidt und Peter Rühmkorf. Der

eine beschreibt Claudius als ‚religiösen Schwärmer, der nicht müde wird, sich an Gottes Schöpfung zu delektieren, ungeachtet

ihrer Fehler und Mängel’. P.Rühmkorf holt kritisch weiter aus: ‚Mondzeiten der Literatur? Latente Krisenzeiten der Gesellschaft.

Unausgetragene Spannungen, Gesinnungsinterferenzen, Verdrängungssituationen (...) Rückzug in eine Unzeit: Historie, Nacht

und Traum.’ (P. Rühmkorf, Abendliche Gedanken über das Schreiben von Mondgedichten, in: Kunststücke, Rowohlt 1962).

Da wollte ich mich nicht einrichten. Aber ich las ... und das anfangs nur brave Nachlesen machte neugierig und auch Mut. Es beeindruckte

die Fülle von Bildern, Betrachtungen, Zugriffen auf Ereignisse vom privaten Kleinen (‚Als der erste Zahn durch war’)

bis hin zu umfassenderen Ansichten von Natur und Welt bis hin zur ‚Reise zum Kaiser von Japan’ und zur ‚Glückseligkeit’. Es wird

mit einem Wahrscheinlichkeitspostulat so fabuliert, dass es Stoff für neue, eigensinnige Bilder geben kann. Und besonders gern

zeichnete ich mich an Situationen heran, die mich in ihrer untertriebenen Berichterstattung – ‚Der Tod und das Mädchen’, das

Holzbein im ‚Brief an Andres’, die Silberdistel zur Silberhochzeit ... – sehr privat oder weltschmerzlich –‚Kriegslied’– anrührten.

Bei einer größeren Nähe und Aktualität erlaubte ich mir dann ernstlich, aber auch schlicht etwas ironisch mit Situationen und

Menschen umzugehen.

57


Die erregte Edelfrau

13,5 x 11,5 cm

Die kopflose Braut

14 x 13 cm 18 x 13,5 cm

61


Karl Marx, Das Kapital

Karl Marx, Das Kapital, 150 Illustrationen,

Faber & Faber, Leipzig 2007

Ein Gespenst geht immer noch um: die sehr vereinfachende Annahme,

‚Das Kapital’/ Karl Marx hätten die Entwicklungen in der DDR, die

Freiheit dort, so einengend bestimmt. Umso mutiger war da die Idee

des im Regime erfahrenen und nobel aufrichtigen Verlegers Elmar

Faber, eine neue, eigene Auflage – in der Nachfolge der biederen

blaubändigen Ausgabe des Dietz-Verlages – zu wagen - und sie auch

noch von mir, dem etwas schrägen, zum ironisch Grotesken neigenden

Westler mit Zeichnungen begleiten zu lassen. Es war mutig – und

ich danke ihm sehr für diesen Vertrauensbeweis.

Die intensive jahrelange Beschäftigung mit diesem Megawerk, von

dem Marx selbst den „breimäuligen Faselhänse der deutschen Vulgärökonomie“

sagt: ’Man möge mir nicht mit „Schwerverständlichkeit“

kommen: „Ich unterstelle natürlich Leser, die etwas Neues lernen,

also auch selbst denken wollen.“ brachte mir spannende Einsichten,

die ich mit der Überführung von Theorie in Ansichten von Konstellationen,

Situationen und Verhältnissen zwischen Menschen mit meiner

Zeichnerei zu entsprechen versuchte. Dabei entdeckte ich einen

Marx, der gar nicht so trocken abgehoben, sondern dicht am Menschlichen,

der Arbeit, dem Austausch, Wert, Mehrwert, Profit und der

Gier war - und damit meinen Menschenbildern sowieso entgegenkam.

o. Brief an Elmar Faber 14.1.06

u.l. Plakat zur Ausstellung Leipzig 2008

u.r. Tauschwerte

62


Den Begriff der PATHOSFORMEL habe ich in Anlehnung an die Zusammenstellungen Aby M. Warburgs

im Bilder-Atlas «Mnemosyne» aufgenommen, um mich an besonders auffällig wiederkehrende

Gebärden und Gesten, an situationsabhängiges dolles Getue heranzuzeichnen. Ein besonders

ergiebiges Feld war dafür die Welt des Sports. u.a. mit Barren, Hürden, Reifen und Linienrichter

... Die Sammlung wird fortgesetzt.

73


Augenschmaus, Kunst-Kochbuch

Augenschmaus, Kunst-Kochbuch, Originalgraf. v. Anderson, Gubig, Grass, Ticha, Waschk u.a., Quetsche Verlag, Witzwort 2012

Dank an den so liebenswerten Buchdruckkünstler Reinhard Scheuble, der irgendwo in den Marschwiesen im Norden, in Witzwort,

ideenreich und intensiv die wunderbarsten Bücher schuf. Dank auch dafür, das ich bei diesem Kunst-Kochbuch im Verein

22 illustrer Kollegen*innen mitmachen durfte. Es war ein kulinarisches Vergnügen, Ess- und Fressgeschichten mit Druckkunst

zu begleiten. Dass mir dabei der Umgang mit einer Rindsroulade zugedacht wurde, meinem Lebenswickel, hat die Arbeit noch

schmackhafter gemacht.

Entwurfszeichnungen zu Robert Menasse,

Das Geheimnis der Rindsroulade,

l.o + u. Cafehausszenen, Pittkreide 30 x 19 cm

r.o. Linolschnitt 39 x 50 cm, 2013

74


Joseph Roth, Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht

Joseph Roth, Beichte eines Mörders, erzählt in einer Nacht, 60 Zeichnungen Faber & Faber Verlag, Leipzig 2019

Die Arbeit an Joseph Roths „Beichte ...“ und den

etwa 60 Zeichnungen dazu war aufregend, da

sie wenig Raum ließ für ironische Ausflüchte. Er

schreibt selbst: „… erst das ‚Kunstwerk‘ ist ‚echt

wie das Leben‘.“(in: Die literarische Welt,1930)

– und gibt so einen Anspruch vor wie er auch in

der Realismusdiskussion formuliert ist: ‚Als guter

Realist muss ich alles erfinden (Alex Colville,

nach Uwe M. Schneede 1978). Also habe ich

versucht, den Roman in den Stationen von der

Emigrantenkneipe ‚Tari-Bari’ in Paris bis in die

Straflager in Sibirien nachzuverfolgen – vor allem

aber dem Spitzel, Schuft und (fast) Mörder

Goluptschik und seiner Geliebten Lutetia zeichnend

gerecht zu werden. Aber natürlich konnte

ich nicht umhin, aus den politischen Niederträchtigkeiten

in der Gegenwart die eine oder andere

Figur einzubeziehen.

o. Ukrainische Landschaft, ein Förster mit seiner Geliebten u. Die Kneipe ‚Tari-Bari’ und J.Roth als Zuhörer

76


o.l. Die Pariser Unterkunft o.r. Der Tode des Försters u. Die Ankunft des Modedesigners mit Lutetia in Petersburg

77


o.l. Verhaftung und Verhör

o.r. Der Agentenführer selbdritt

l. Anwerbung zum Spitzel der Ochrana

durch den tückischen Lakatos

78


o.l. + r. Straflager in Sibierien – Austausch-

versuche und Doppelgesichtigkeit

des Spitzels Golubtschik

u.r.

Der ‚MORD’

79


Die vierten Zehn, Supplementband 5

Die vierten Zehn, Supplementband 5, Die Graphischen Bücher,

zehn Original-Lithografien, 17 x 26 cm, Faber & Faber, Leipzig 2020

Der Verlag Faber & Faber schließt eine Staffel von

jeweils zehn der graphischen Bücher mit einem

Supplementband ab. Ich nutzte die Möglichkeit, die

Dichterporträts mit Querverweisen auf Werk oder

Biografie zeichnerisch zu umgeben, um so Charakter

und Milieu noch deutlicher zu zeigen und so wieder

neugierig auf das Werk zu machen.

Vorgestellt werden: Ingeborg Bachmann, Ernst Barlach,

Carl Einstein, PeterHacks, Ödön von Horvath,

Daniel Kehlmann, Klabund, Gustav Meyrink, Joachim

Ringelnatz und Georg Trakl.

o. Ingeborg Bachmann mit Männersturz,

Vedutenskizze, Stirnverdunklung und Kippe ...

l.u. Ödön von Horvath als Triebtreiber im

Untergrund der WIenerwald-Idyllen

r.u. Carl Einstein mit Herrn Bebuquin und

prachtvoll leiblicher Dame Euphemia

80


l.o. Peter Hacks dialektisch frei mit einer

‚sozialistischen Klassik’

r.o. Georg Trakl vor ‚Grodek’ und dann mit

dem Geschwister ...

l.u. Joachim Ringelnatz als Zubringer mit

Schlangentänzerin

r.u. Gustav Meyrink als ‚heißer Soldat’ beim

düstern Golem

81


Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen

Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen, Verlag Gudberg und Nerger,

Bilderbögen, Pittkreiden, Acryl, Aquarell u.v.a.m., Hamburg 2018

l. 1941 wird K. in Insterburg geboren

u. nach der Flucht wohnt er in Nord-

deutschland – zwischen Butterbergen

und Bauernbengel

Auch wenn sich aktuell die Biografien der Ü70-Generation in epischer Breite häufen, hier ist eine Alternative, die in literarischen

Zeichnungen facettenreich aus dem Leben des ‚Künstlers als junger Mensch’ erzählt. In Bilderbogen mit etwa 180 Szenen

wird authentisch bis grotesk überzogen von meinen ersten 25 Jahren berichtet. Dabei machen – nach der Vorgeschichte

(1-18J.) – die ersten Semester der Studienzeit mit allen Risiken und Abstürzen, aber auch mit schließlich glimpflichem Ausgang,

den Hauptteil aus (19 – 25 J.).

82


o. Der Großvater ist kundiger Berater in Fragen der Viehzucht,

Lohn ist reiner Korn – mit gelindem Absturz zwischen

Gesundheitslenker und Straßengraben.

u. Der Schulweg vom Dorf in die Stadt B. ist beschwerlich: ein

zweistündiger Rad-Bahn-Fußweg incl. 3 Lloyd-Zigaretten /

1 Becher Orangensaft – ab 7.13h mit alten Reichsbahnwagen,

Holzklasse, übervoll gestopft mit Mief und Rauchern und im

Fahrtwind verwehter Übelkeit.

83


84


“Vor&NachBilder“

Bücher- und Projektliste

S. 7 Biografische Vorbemerkungen

S. 11 Harald Kunde, Ironie und schwerer Mut (Auszug)

S. 13 Bibliographie

S. 14 Vorbemerkung

S. 15 Michael Schneider, Das Gespenst der Apokalypse und die Lebemänner des Untergangs, Büchergilde Gutenberg, 1984

S. 16 Arthur Koestler, Die Gladiatoren, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a.M. 1980

S. 17 Vladimir Nabokov, Die Benachrichtigung, ZeitMagazin Nr.12, Hamburg 1979

S. 18 Fritz Zorn, Mars, Büchergilde Gutenberg, 1985

S. 19 Luise Rinser, Jan Lobel aus Warschau, Erzählungen, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt a.M. 1986

S. 20 Johannes Bobrowski, Litauische Claviere, Illu. Klaus Waschk, Büchergilde Gutenberg 1991

S. 23 Wolf R.Anschütz, Der Zeichner Klaus Waschk (Auszug)

S. 24 Buchtitel u.a., in: Lesen Darstellen Begreifen, A 7–A10, Cornelsen, Berlin 1992 ff.

S. 26 Neue Zeichnung, Neue Illustration, Klaus Waschk, BrennGlas-Verlag, Assenheim 1993

S. 28 Hamburger Melancholie, Zeichnungen von Klaus Waschk, Verlag Faber&Faber, Leipzig, 1995 Harald Kunde (Auszug)

S. 32 Der Sammler, Texte von Fries, Granin, Härtling, Szczypiorski, Tomeo und Originalgrafiken von Eisler, B. Heisig, Petersdorf,

Süss, Waschk, Faber Verlag, Leipzig 1995

S. 33 Peter Rühmkorf, Irdisches Vergnügen in g, Bd. 12 der Graphischen Reihe, Illu. Klaus Waschk,

Verlag Faber&Faber, Leipzig 1997

S. 36 Klaus Waschk, Zeichnungen zur ‚Sommernachts-Sexkomödie’ von Woody Allen, Hamburg 1998 (unveröffentlicht)

S. 38 Die Fragmente der Vorsokratiker, Abschriften/Zeichnungen von Klaus Waschk, Eigenverlag, Hamburg 1999

S. 42 Oskar Panizza, Der heilige Staatsanwalt, Illustrationen Klaus Waschk, Leipziger Liebhaberdruck 4,

Verlag Faber&Faber, Leipzig 2002

S. 46 Nachbilder zu Arno Schmidt, Zettels Traum, Zeichnungen, unveröffentlicht, Hamburg 1999ff 2004ff

S. 50 NachBilder zu Arno Schmidt ‘Seelandschaft mi Pocahontas’,Tuschzeichnungen, Eigenverlag, Hamburg 2004

S. 54 Carmina Burana, nach den Texten zur szenischen Kantate von Carl Orff, 1935/36, großformatige Zeichnungen

ca 50 x 70 cm, 1997 – 2004, (unveröffentlicht)

S. 56 Matthias Claudius, Asmus omnia sua Secum portans, Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten, mit 180 Illustrationen,

Faber & Faber, Leipzig 2005

S. 60 Die kopflose Braut, Die erregte Edelfrau, erotische Märchen V, mit Originalradierungen 14 x 12 cm,

Edition der MEG-art Presse, Karow 2006

S. 62 Karl Marx, Das Kapital, mit 150 Illustrationen von Klaus Waschk, Faber & Faber, Leipzig 2007

S. 68 Klaus Waschk, Zeichnungen zu: Oskar Panizza, Das rothe Haus, Buchentwurf, Hamburg 2008 (unveröffentlicht)

S. 70 Illustrationen und Gesamtentwurf zu: Liebe, Leid und Untergang, Balladen 1200 – 2013, Hamburg 2013,

noch unveröffentlicht

S. 72 Klaus Waschk, Zeichnungen zu: ‚Pathosformeln’, Buchentwurf, Büttenkarton 50 x 70 cm, Hamburg 2012

(unveröffentlicht)

S. 74 Augenschmaus, Kunst-Kochbuch, Originalgraf. v. Anderson, Gubig, Grass, Ticha, Waschk u.a.,

Quetsche Verlag, Witzwort 2012

S. 75 Winterreise, ein Liederzyklus, Zeichnungen zu einem Aufführungsprojekt mit dem Liederzyklus von Franz Schubert –

Text von Wilhelm Müller, ein Bilderbogen 90 x 66 cm, Hamburg 2017

S. 76 Joseph Roth, Beichte eines Mörders. erzählt in einer Nacht, 80 Illustrationen, Faber&Faber Verlag, Leipzig 2019

S. 80 Die vierten Zehn, Supplementband 5, Die Graphischen Bücher, 11 Original-Lithografien, 26 x 17 cm, Faber&Faber,

Leipzig 2020

S. 82 Klaus Waschk, ziemlich normal, biografische Bilderbogen, Verlag Gudberg und Nerger, Hamburg 2019

86


Zur Entstehung des Verlags Angeli & Engel

Eine besonders schwierige Situation kann auch beflügelnd wirken und die

davon Betroffenen zu einer Lösung bringen, an die im ersten Moment gar

nicht zu denken war und die am Ende in eine ganz andere Richtung führt.

So geschehen, als sich im Jahr 2020 die Hamburger Regionalgruppe der

Pirckheimer-Gesellschaft zum Kennenlernen erstmals treffen wollte und

die Corona-Pandemie einen Strich durch dieses Vorhaben machte. Der

Ausweg bestand in der Gründung eines Rundbriefs für die Mitglieder der

Gruppe, der den Namen „Hamburger Bothe“ erhielt und zur Information

über bibliophile Themen dienen sollte.

Während die beiden Herausgeber Rudolf Angeli und Peter Engel an den

ersten Rundbriefen arbeiteten und dafür auf gute Resonanz stießen, reifte

der Plan, noch einen Schritt voranzugehen und einen richtigen Buchverlag

für bibliophile Publikationen zu gründen. Sie sollen genau an der Schnittstelle

zwischen Text und Bild angesiedelt sein und das buchkünstlerische

Schaffen herausragender Protagonisten im deutschsprachigen Raum würdigen.

Weil die Herausgeber auch „Pirckheimer“ sind, lag es nahe, die Buchproduktion

mit einem weiteren Mitglied dieser Bibliophilen-Vereinigung zu

starten, nämlich mit dem Hamburger Zeichner Klaus Waschk, dessen Buch

„Vor&NachBilder“ – Zeichnungen zur Literatur 1971 bis 2021“ der erste

Titel des neuen Verlags wurde.

Zu den Plänen von Angeli & Engel gehört es, den Maler Johann Heinrich

Wilhelm Tischbein, den Freund Goethes, als einen – noch unerkannten –

Vorläufer der Comics vorzustellen, der sich in seinen bisher unveröffentlichten

„Klebebüchern“ eben um die Korrespondenz von Text und dem

darauf bezogenen Bild verdient gemacht hat. Weiterhin sind Bände von

zeitgenössischen Künstlern geplant, die in „LebensWERKgeschichten“ von

ihrem Schaffen berichten und diese Texte selbst illustrieren sollen.

Angeli & Engel, das ist ein Imprint von Rudolf Angeli,

Saselbekstraße 113, 22393 Hamburg

Rudolf_Angeli@web.de

Peter_Engel@gmx.de

Ein Teil dieser Ausgabe wird als Vorzugsausgabe mit den Nummern 1-50

ediert, signiert vom Autor, und erhält eine Originalgraphik.

87




ISBN 978-3-9815836-4-9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!