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Unternehmerbrief Health Care 2021

Rettungsschirm: Erbringung von Nachweisen Pflegereform: Entlastung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen Erhöhung der Pflegesachleistungen für ambulant versorgte Pflegebedüftige Erhöhung der Leistungsbeiträge in der Kurzzeitpflege Einführung von Übergangspflege im Krankenhaus Tariftreuegesetz: Pflicht zur tariflichen Entlohnung für Pflegeeinrichtungen ab dem 1. September 2022 Meldepflichten der Pflegeeinrichtungen Refinanzierung der tariflichen Vergütung Richtlinien/Landesübersichten Aktuelle Rechtsprechung: Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem Einzug ins Pflegeheim unzulässig

Rettungsschirm:
Erbringung von Nachweisen
Pflegereform:
Entlastung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen
Erhöhung der Pflegesachleistungen für ambulant versorgte Pflegebedüftige
Erhöhung der Leistungsbeiträge in der Kurzzeitpflege
Einführung von Übergangspflege im Krankenhaus
Tariftreuegesetz:
Pflicht zur tariflichen Entlohnung für Pflegeeinrichtungen ab dem 1. September 2022
Meldepflichten der Pflegeeinrichtungen
Refinanzierung der tariflichen Vergütung
Richtlinien/Landesübersichten
Aktuelle Rechtsprechung:
Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem Einzug ins Pflegeheim unzulässig

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Rettungsschirm<br />

Rettungsschirm Pflege nach § 150 Abs. 3 SGB XI:<br />

Erbringung von Nachweisen<br />

Der im Zuge der Covid-19-Pandemie eingeführte Rettungsschirm<br />

läuft nach derzeitigem Stand bis zum 31. Dezember<br />

<strong>2021</strong>. Betreiber von Pflegeeinrichtungen können somit weiterhin<br />

bis einschließlich des Monats Dezember <strong>2021</strong> in der<br />

bisher bestehenden Form ihre pandemiebedingten Mehraufwendungen<br />

und Mindererträge geltend machen.<br />

Wir verzeichnen derzeitig die Tendenz, dass die zuständigen<br />

Pflegekassen häufiger bei der Einreichung der Anträge Plausibilitätsprüfungen<br />

vornehmen. Hierbei wird betrachtet, ob<br />

die Ursache tatsächlich pandemiebedingt ist. So erfolgen<br />

mittlerweile gelegentlich Prüfungen, ob Minderauslastungen<br />

nicht einer anderen Ursache zugrunde liegen, z. B. das<br />

Nichtvorhalten von Personal zur Einhaltung von den geeinten<br />

Personalschlüsseln und einem hieraus folgenden Belegungsstopp.<br />

Mit Einführung des Rettungsschirms haben wir Sie bereits<br />

informiert, dass ein nachgelagertes Nachweisverfahren erfolgen<br />

wird. Die Pflegekassen haben jetzt die ersten Aufforderungen<br />

zur Erbringung von Nachweisen der beantragten<br />

Mehraufwendungen und Mindererträge an die Betreiber von<br />

Pflegeeinrichtungen versendet. Voraussichtlich wird dieses<br />

Nachweisverfahren nicht für alle Einrichtungen erfolgen,<br />

sondern lediglich stichprobenartig. Für die Erbringung der<br />

Nachweise können Sie idealerweise auf die für den Rettungsschirm<br />

eingerichteten Konten in der Buchführung sowie<br />

alle erforderlichen Rechnungen zurückgreifen, um das<br />

auf der Homepage des GKV Spitzenverbands abrufbare Formular<br />

zum Nachweis vollständig ausfüllen zu können.<br />

Gerne unterstützen wir Sie hierbei.<br />

Die benötigten Unterlagen zur Geltendmachung zum Ausgleich<br />

finanzieller Belastungen im Rahmen des Rettungsschirms<br />

Pflege sowie zum dazugehörigen nachgelagerten<br />

Nachweisverfahren finden Sie unter folgendem Link:<br />

https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/richtlinien_vereinbarungen_formulare/richtlinien_vereinbarungen_formulare.jsp<br />

Pflegereform<br />

Entlastung der Eigenanteile von Pflegebedürftigen in<br />

Pflegeeinrichtungen<br />

Mit dem vom Bundesrat beschlossenen Gesetz zur Weiterentwicklung<br />

der Gesundheitsversorgung (GVWG) werden<br />

Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen ab<br />

dem 1. Januar 2022 finanziell entlastet. Hierfür wird das<br />

SGB XI um den § 43 c ergänzt. Die ursprünglich von der<br />

Bundesregierung angekündigte Deckelung der Eigenanteile<br />

wurde jedoch nicht umgesetzt. Somit werden die reinen Eigenanteile<br />

des Pflegeentgelts für die Bewohnerinnen und<br />

Bewohner in Abhängigkeit der bestehenden Wohndauer in<br />

Pflegeeinrichtungen reduziert werden.<br />

Entlastung der Pflegebedürftigen in Pflegeeinrichtungen:<br />

ab dem 1. Monat: 5 %<br />

ab dem 13. Monat: 25 %<br />

ab dem 25. Monat: 45 %<br />

ab dem 37. Monat: 70 %<br />

Diese Entlastung der Pflegebedürftigen wird nicht für die Eigenanteile<br />

für Unterkunft und Verpflegung gelten.<br />

Derzeitig ist noch nicht abschließend geklärt, inwieweit die<br />

Pflegeeinrichtungen oder die Pflegebedürftigen die Kürzung<br />

der Eigenanteile bei den Kostenträgern beantragen können.<br />

Zudem muss dringend ab dem Beginn des Geltungszeitraums<br />

verbindlich festgelegt werden, inwieweit bei einem<br />

Wechsel der Pflegeeinrichtung die bisherige Pflegeeinrichtung<br />

die Wohndauer der Pflegebedürftigen bestätigen muss,<br />

oder ob dies automatisch über die Pflegekassen abrufbar sein<br />

wird.<br />

Erhöhung der Pflegesachleistungen für ambulant versorgte<br />

Pflegebedürftige:<br />

Ab dem 1. Januar 2022 werden im Zuge der Pflegereform<br />

<strong>2021</strong> die Pflegesachleistungen für Pflegebedürftige in der eigenen<br />

Häuslichkeit für die Pflegegrade 2-5 um 5 % erhöht.<br />

Aus unserer Sicht stellt diese Entlastung von ambulant gepflegten<br />

Personen jedoch keine tatsächlich finanzielle Entlastung<br />

dieser Personengruppe dar, sondern lediglich einen<br />

teilweisen inflationären Ausgleich.


Erhöhung der Leistungsbeträge in der Kurzzeitpflege<br />

Für Pflegebedürftige in Kurzzeitpflege werden ab 2022 die<br />

von den Pflegekassen übernommenen Leistungsbeträge um<br />

10 % erhöht. Somit können Pflegebedürftige dann bis zu<br />

1.774 Euro jährlich in Anspruch nehmen. Wird zudem die<br />

Verhinderungspflege nicht in Anspruch genommen, so kann<br />

für die Kurzzeitpflege jährlich bis zu 3.386 Euro in Anspruch<br />

genommen werden.<br />

Einführung von Übergangspflege im Krankenhaus<br />

Mit Umsetzung des GVWG werden Pflegebedürftige ab<br />

dem 1. Januar 2022 den Anspruch auf eine zehntägige Kurzzeitpflege<br />

im Krankenhaus erhalten, sofern im Anschluss einer<br />

Versorgung im Krankenhaus keine ambulante Pflege<br />

oder Kurzzeitpflege in einer Pflegeeinrichtung sichergestellt<br />

werden kann.<br />

Tariftreuegesetz<br />

Pflicht zur tariflichen Entlohnung für Pflegeeinrichtungen<br />

ab dem 1. September 2022<br />

Gemäß § 72 Abs. 3 a SGB XI dürfen ab dem 1. September<br />

2022 Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen<br />

werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,<br />

die Leistungen der Pflege oder Betreuung von<br />

Pflegebedürftigen erbringen, eine Entlohnung zahlen, die in<br />

Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen<br />

vereinbart ist, an die die jeweiligen Pflegeeinrichtungen gebunden<br />

sind.<br />

Nach § 72 Abs. 3 b S. 1 SGB XI dürfen mit Pflegeeinrichtungen,<br />

die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen<br />

für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,<br />

die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen<br />

erbringen, gebunden sind, Versorgungsverträge<br />

ab dem 1. September 2022 nur abgeschlossen werden,<br />

wenn sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die<br />

Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen<br />

erbringen, eine Entlohnung zahlen, die<br />

1. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet,<br />

dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und<br />

persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,<br />

2. die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet,<br />

dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens<br />

eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in<br />

der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen<br />

zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,<br />

oder<br />

3. die Höhe der Entlohnung einer der Nummer 1 oder Nummer<br />

2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelung<br />

nicht unterschreitet.<br />

Nach § 72 Abs. 3 b S. 2 SGB XI sind Versorgungsverträge,<br />

die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen<br />

wurden, bis spätestens zum Ablauf des 31. August<br />

2022 mit Wirkung ab 1. September 2022 an die Vorgaben<br />

von § 72 Abs. 3 a oder 3 b SGB XI anzupassen.<br />

Für Pflegeeinrichtungen, die schon jetzt in Bezug auf die<br />

Vergütung ihrer Pflegekräfte an einen Flächen- oder Haustarifvertrag<br />

gebunden sind, ändert sich also im Ergebnis<br />

nichts. Für alle anderen Pflegeeinrichtungen wird die Tarifbindung<br />

bzw. (mindestens) Tariforientierung ab September<br />

2022 zur Pflicht. Für diese Pflegeeinrichtungen bestehen,<br />

damit auch für sie entsprechend den gesetzlichen Neuregelungen<br />

Versorgungsverträge abgeschlossen bzw. bestehende<br />

Versorgungsverträge angepasst werden können, folgende<br />

Optionen:<br />

Tarifbindung (§ 72 Abs. 3 a SGB XI): Die Pflegeeinrichtung<br />

wird entweder Mitglied eines Arbeitgeberverbandes,<br />

der einen einschlägigen (Flächen-)Tarifvertrag<br />

abgeschlossen hat oder noch bis zum September 2022<br />

abschließen wird oder die Pflegeeinrichtung wird durch<br />

Abschluss eines Haus-Tarifvertrags selbst Tarifvertragspartei.<br />

Tariforientierung mit Tarifinbezugnahme (§ 72 Abs.<br />

3 b S. 1 SGB XI): Die Pflegeeinrichtung orientiert sich<br />

an einem (räumlich, fachlich, zeitlich, persönlich) einschlägigen<br />

Flächen-Tarifvertrag oder an einem (fachlich,<br />

zeitlich, persönlich) einschlägigen Haus-Tarifvertrag einer<br />

anderen Pflegeeinrichtung in ihrer Region. Mit den<br />

Beschäftigten wird im Arbeitsvertrag vereinbart, dass die<br />

Tarifregelungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung<br />

finden. Durch eine solche Inbezugnahme entsteht auf arbeitsvertraglicher<br />

Ebene eine Bindung an die Tarifregelungen.<br />

Im Fall der Tariforientierung muss nicht der gesamte<br />

Tarifvertrag in Bezug genommen werden. Gesetzlich<br />

gefordert ist lediglich, dass die Entlohnung der Pflegekräfte<br />

die Vergütung des Tarifvertrags, an dem sich<br />

die Pflegeeinrichtung orientiert, nicht unterschreiten<br />

darf. Somit müssen auch nur die tarifvertraglichen Vergütungsregelungen<br />

in Bezug genommen werden. Der<br />

Begriff „Entlohnung“ umfasst das gesamte Arbeitsentgelt,<br />

das als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt<br />

wird, also nicht nur das tarifliche Tabellenentgelt,<br />

sondern insbesondere auch pflegetypische Zulagen wie<br />

Zuschläge für geleistete Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit.<br />

Tariforientierung unter Anwendung/Beibehaltung<br />

eines betrieblichen Vergütungssystems (§ 72 Abs. 3b<br />

S. 1 SGB XI): Der Gesetzeswortlaut lässt es auch zu, ein<br />

betriebliches Vergütungssystem (weiterhin) anzuwenden,<br />

wenn gegenüber den Landesverbänden der Pflegekassen<br />

der Nachweis gelingt, dass das Vergütungsniveau<br />

des betrieblichen Vergütungssystems mindestens der<br />

Entlohnung eines einschlägigen, zur Orientierung herangezogenen<br />

Flächen- oder Haus-Tarifvertrages entspricht.<br />

Meldepflichten der Pflegeeinrichtungen<br />

Pflegeeinrichtungen, die (bereits) an Tarifverträge oder an<br />

kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nach § 72 Abs. 3 a SGB<br />

XI gebunden sind, haben gemäß § 72 Abs. 3 e SGB XI den<br />

Landesverbänden der Pflegekassen jährlich bis zum Ablauf<br />

des 30. September des Jahres mitzuteilen, an welchen


Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen<br />

sie gebunden sind. Diese Mitteilungspflicht für tarifgebundene<br />

Einrichtungen gilt erstmalig bereits zum Ablauf<br />

des 30. September <strong>2021</strong>. Dabei sind auch die maßgeblichen<br />

Informationen aus den Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen<br />

für die Feststellung der Entlohnung<br />

der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen<br />

der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen,<br />

zu übermitteln.<br />

Darüber hinaus haben alle Pflegeeinrichtungen nach § 72<br />

Abs. 3 d SGB XI den Landesverbänden der Pflegekassen zur<br />

Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 72<br />

Abs. 3 a oder 3 b SGB XI, d.h. insbesondere bei Beantragung<br />

eines Versorgungsvertrages nach § 72 SGB XI, mitzuteilen,<br />

an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen<br />

sie im Fall von § 72 Abs. 3a SGB XI gebunden<br />

sind oder welcher Tarifvertrag oder welche kirchlichen<br />

Arbeitsrechtsregelungen im Fall von § 72 Abs. 3b S. 1<br />

SGB XI für sie maßgebend sind. Änderungen dieser Angaben<br />

nach Abschluss des Versorgungsvertrags sind unverzüglich<br />

mitzuteilen. Im Jahr 2022 sind alle Pflegeeinrichtungen<br />

verpflichtet, den Landesverbänden der Pflegekassen diese<br />

Angaben spätestens bis zum Ablauf des 28. Februar 2022<br />

mitzuteilen. Zu beachten ist, dass diese Mitteilung als Antrag<br />

auf entsprechende Anpassung des Versorgungsvertrags<br />

mit Wirkung zum 1. September 2022 gilt, sofern die Pflegeeinrichtung<br />

dem nicht widerspricht.<br />

Refinanzierung der tariflichen Vergütung<br />

Auch im Hinblick auf die Refinanzierung der Personalaufwendungen<br />

unterscheidet das Gesetz nunmehr in § 82 c SGB<br />

XI („Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen“) zwischen<br />

tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen („tariforientierten“)<br />

Pflegeeinrichtungen.<br />

Gemäß § 82 c Abs. 1 SGB XI kann ab dem 1. September<br />

2022 bei tarifgebundenen oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen<br />

gebundenen Pflegeeinrichtungen eine Bezahlung<br />

von Gehältern der Beschäftigten bis zur Höhe der aus<br />

dieser Bindung resultierenden Vorgaben nicht als unwirtschaftlich<br />

abgelehnt werden.<br />

Bei nicht tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen kann gemäß<br />

§ 82 c Abs. 2 SGB XI ab dem 1. September 2022 eine Entlohnung<br />

der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die<br />

Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen<br />

erbringen, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden,<br />

soweit die Höhe ihrer Entlohnung nach dem Tarifvertrag<br />

oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung, der oder die<br />

nach § 72 Abs. 3 b SGB XI für ihre Entlohnung maßgebend<br />

ist, das regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich überschreitet.<br />

Eine deutliche Überschreitung des regional üblichen<br />

Entgeltniveaus liegt dann vor, wenn die Entlohnung die<br />

durchschnittliche Entlohnung von Pflegekräften in Tarifverträgen<br />

und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen, die in der<br />

Region von tarifgebundenen bzw. an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen<br />

gebundenen Pflegeeinrichtungen angewendet<br />

werden, um mehr als 10 % übersteigt. Bei nicht tarifgebundenen<br />

Pflegeeinrichtungen kann also die<br />

Entlohnung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit<br />

sie das tarifgebundene regional übliche Entgeltniveau<br />

nicht mehr als 10 % überschreitet.<br />

Eine über § 82 c Abs. 1 oder 2 SGB XI hinausgehende Vergütung<br />

bedarf eines sachlichen Grundes.<br />

Der Träger der Einrichtung ist nach § 84 Abs. 7 S. 1 SGB XI<br />

ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung<br />

der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der<br />

Gehälter nach § 82 c Abs. 1 SGB XI oder der Entlohnung<br />

nach § 82 c Abs. 2 SGB XI jederzeit einzuhalten und auf<br />

Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen.<br />

Richtlinien/Landesübersichten<br />

Gemäß § 72 Abs. 3 c SGB XI legt der Spitzenverband Bund<br />

der Pflegekassen in Richtlinien, erstmals bis zum Ablauf des<br />

30. September <strong>2021</strong>, das Nähere insbesondere zu den Verfahrens-<br />

und Prüfgrundsätzen für die Einhaltung der Vorgaben<br />

von § 72 Abs. 3 a oder 3 b SGB XI (tarifliche Entlohnung)<br />

fest. Weiterhin legt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen<br />

nach § 82 c Abs. 4 SGB XI bis zum Ablauf des<br />

30. September <strong>2021</strong> in Richtlinien das Nähere zum Verfahren<br />

nach § 82 c Abs. 1 bis 3 und 5 SGB XI (Wirtschaftlichkeit<br />

von Personalaufwendungen) fest. Unverzüglich, spätestens<br />

innerhalb eines Monats nach Genehmigung der bis zum<br />

30. September <strong>2021</strong> durch den Spitzenverband Bund der<br />

Pflegekassen zu erlassenden Richtlinien gemäß § 82 c Abs.<br />

4 SGB XI durch das Bundesministerium für Gesundheit sollen<br />

die Landesverbände der Pflegekassen für das jeweilige<br />

Land eine Übersicht veröffentlichen, welche Tarifverträge<br />

und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ein regional übliches<br />

Entgeltniveau im Sinne von § 82 c Abs. 2 SGB XI vorsehen.<br />

Schließlich ist dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen<br />

gemäß § 84 Abs. 7 S. 3 SGB XI aufgegeben, bis zum<br />

1. Juli 2022 in Richtlinien das Nähere zur Durchführung des<br />

Nachweisverfahrens nach § 84 Abs. 7 S. 1 SGB XI festzulegen.<br />

Weitere Vorgehensweise<br />

Ab jetzt muss in den künftigen Vergütungsverhandlungen<br />

mit den Kostenträgern beachtet werden, dass die Entlohnung<br />

der Pflegekräfte ab dem 1. September 2022 zwingend dem<br />

Vergütungsniveau eines einschlägigen Tarifvertrags entsprechen<br />

muss. Nicht tarifgebundene Pflegeeinrichtungen<br />

müssen daher eine Entscheidung treffen, ob für sie die Tarifbindung<br />

an einen (eigenen) Tarifvertrag sinnvoll oder ob<br />

eine Orientierung an einem (fremden) Tarifvertrag ausreichend<br />

ist. Dies erfordert eine Analyse der aktuellen betrieblichen<br />

Vergütungsstruktur sowie einen Abgleich mit bereits<br />

existierenden tariflichen Vergütungsstrukturen. Allerdings<br />

gibt es derzeit noch keine (offizielle) Übersicht, welche Tarifverträge<br />

als Maßstab für eine Tariforientierung in Betracht<br />

kommen. Hinzu kommt, dass für die zu treffende Entscheidung<br />

im Hinblick auf die Refinanzierbarkeit auch die<br />

künftigen Verfahrens- und Prüfgrundsätze der Pflegekassen<br />

eine Rolle spielen, die entsprechenden Richtlinien aber noch<br />

nicht vorliegen.


Aktuelle Rechtsprechung<br />

Reservierungsgebühr für die Zeit vor dem Einzug ins<br />

Pflegeheim unzulässig –<br />

Vorsicht vor Rückforderungsansprüchen<br />

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Pflegeheime<br />

auch von privatversicherten Pflegebedürftigen keine<br />

Reservierungsgebühr für die Zeit bis zum tatsächlichen Einzug<br />

des Pflegedürftigen in das Heim verlangen dürfen<br />

(BGH, Urteil vom 15.07.<strong>2021</strong>, III ZR 225/20). Eine solche<br />

Vereinbarung sei unwirksam.<br />

Streit um „Platzgebühr“ vor Einzug ins Pflegeheim<br />

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt schloss der Kläger<br />

als Vertreter seiner privat pflegeversicherten Mutter einen<br />

„Vertrag für vollstationäre Pflegeeinrichtung“. Der Einzug<br />

der Mutter in das Pflegeheim erfolgte jedoch erst zwei Wochen<br />

später. Der Pflegevertrag enthielt die Regelung, dass<br />

die Bewohnerin vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin<br />

eine sog. Platzgebühr in Höhe von 75 % der Pflegevergütung,<br />

des Entgelts für Unterkunft und Verpflegung sowie des<br />

Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung<br />

zu entrichten hatte. Der Kläger zahlte die vorgesehene<br />

Platzgebühr zunächst, forderte sie aber später von<br />

dem Pflegeheim zurück. Er argumentierte, dass eine Vergütungspflicht<br />

erst ab dem tatsächlichen Einzug seiner Mutter<br />

in das Pflegeheim bestanden habe. Der Kläger obsiegte vor<br />

dem Amtsgericht; das Pflegeheim wurde zur Zahlung des<br />

geforderten Betrags verpflichtet.<br />

BGH: Vereinbarung einer Reservierungsgebühr<br />

ist unwirksam<br />

In der zweiten Instanz wurde die Klage teilweise abgewiesen.<br />

Die Revision des Klägers hatte jedoch Erfolg. Der BGH<br />

entschied, dass die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr<br />

mit § 15 Abs. 1 S. 1 WBVG in Verbindung mit<br />

§ 87 a Abs. 1 S.1 SGB XI unvereinbar und daher unwirksam<br />

sei. Weiter urteilte der BGH, dass auch solche Verbraucher<br />

erfasst seien, die Leistungen aus einer privaten Pflegeversicherung<br />

erhalten und damit mittelbar Leistungen auf der Ba-<br />

sis des SGB XI in Anspruch nehmen. In der Gesetzesbegründung<br />

sei ausgeführt, dass mit § 15 Abs. 1 WBVG eine Sonderregelung<br />

für das Verhältnis zwischen vertraglichen Vereinbarungen<br />

von Unternehmer und Verbraucher und den gesetzlichen<br />

Regelungen des SGB XI geschaffen werde. Hiernach<br />

sind vertragliche Vereinbarungen, die den Vorschriften<br />

des SGB XI sowie den aufgrund dieser Vorschriften getroffenen<br />

Regelungen nicht entsprechen, unwirksam. Erfasst<br />

würden mit der Bezugnahme auf die Regelungen des SGB<br />

XI auch die Fälle der privaten Pflegeversicherung. Andernfalls<br />

käme es zu einer kaum nachvollziehbaren Ungleichbehandlung,<br />

die der Gesetzgeber in diesem Bereich gerade vermeiden<br />

wollte.<br />

Es gilt: Taggenaue Leistungsabrechnung<br />

Die Vereinbarung einer Platzgebühr widerspreche nicht nur<br />

dem Prinzip der taggenauen Leistungsabrechnung, sondern<br />

begründet auch die Gefahr, dass Leerstände im Anschluss an<br />

einen Auszug oder das Versterben eines Heimbewohners<br />

doppelt berücksichtigt würden, nämlich zum einen über die<br />

in die in die Pflegesätze eingeflossene Auslastungskalkulation<br />

und/oder etwaige Wagnis- und Risikozuschläge und<br />

zum anderen über die zusätzliche Inrechnungstellung einer<br />

Platzgebühr. Die Vorschriften seien nach Auffassung des<br />

BGH zwingend, so dass auch in Verträgen davon nicht abgewichen<br />

werden könne.<br />

In dem vorliegenden Sachverhalt wurde das Pflegeheim daher<br />

zur Rückerstattung der Platzgebühr verpflichtet.<br />

Folgen:<br />

Aufgrund der Entscheidung des BGH besteht die Gefahr,<br />

dass Bewohner eine nicht verjährte Reservierungsgebühr zurückfordern.<br />

Wir empfehlen, die Verträge auf etwaige unwirksame<br />

Klauseln zu prüfen und für die Zukunft anzupassen.<br />

Die Gebühren verjähren binnen einer Verjährungsfrist<br />

von drei Jahren. Damit dürften mit Ablauf des Kalenderjahres<br />

<strong>2021</strong> Reservierungsgebühren aus dem Jahr 2018 verjährt<br />

sein. Solche aus den Jahren 2019 und nachfolgend könnten<br />

daher bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen auch noch<br />

länger zurückgefordert werden.<br />

Unsere Expert en für<br />

H ealth <strong>Care</strong> – Unternehme n s b eratung in d er Altenpflege<br />

a u s d er Kooperation Nordwest<br />

O l i ver Warneboldt<br />

Dipl.-Oec, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachberater<br />

für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)<br />

o.warneboldt@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s W a r neboldt<br />

H i n rich Renken<br />

Dipl.-Kfm. (FH), Abteilungsleiter Controlling<br />

h.renken@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s W a r neboldt<br />

Jan Arne Killmer, LL.M<br />

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt<br />

für Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

killmer@renneberg-legal.de<br />

Renneber g Le gal GmbH

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