andrew leslie - art info
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die Männerherzen höher schlagen ließen.<br />
Dix war jedoch nicht nur der Chronist<br />
der Goldenen Twenties, sondern auch<br />
der schonungslose Zeitzeuge des Kriegs-<br />
und Nachkriegselends. Das Zugpferd des<br />
Hauses dürfte ab März neue Kräfte entwickeln<br />
(siehe auch unser Kunstlexikon<br />
in dieser Ausgabe).<br />
Mit seinen bis in die Karikatur überzeichneten<br />
Darstellungen der Versehrten und<br />
Ausgestoßenen der Gesellschaft deckt<br />
Otto Dix das politisch-sozialkritische<br />
Spektrum im Museum ab. Ihm korrespondiert<br />
die subversiv-ironische Kunst<br />
eines Dieter Roth, der die materielle<br />
Seite wesentlich erweiterte - und sie<br />
zwar weniger medienwirksam wie Joseph<br />
Beuys, dafür aber im Ansatz zumindest<br />
schmackhafter verkaufte: Anstatt Fett<br />
wählte er häufig Schokolade als Substanz<br />
seiner Arbeiten. Zwei weitere Bereiche<br />
zeichnen das Museumskonzept aus: zum<br />
einen die »Grundschule« der Abstrakten<br />
Malerei mit Adolf Hölzel, dem bis heute<br />
unterschätzten und im Schatten Kandinskys<br />
stehenden Künstler am Beginn<br />
des 20. Jahrhunderts; zum anderen die<br />
ganze abstrakte Schule im Wechsel zwischen<br />
freier und angewandter Kunst, wie<br />
sie Ida Kerkovius, Oskar Schlemmer und<br />
Willi Baumeister verkörpern.<br />
Baumeister war in seiner prägenden<br />
Gestalt für die Entwicklung der Malerei<br />
nach 1945 wohl auch mitverantwortlich,<br />
dass die einstigen Stars wie Otto Dix, die<br />
nicht von der gegenständlichen Kunst<br />
abweichen konnten oder wollten, sich<br />
zurückzogen und ihr Heil etwa in religiösen<br />
Themen suchten. Es ist ein Verdienst<br />
des neuen Museumsauftritts, dass diese<br />
divergenten Strömungen ein deutlicheres<br />
Profil erhalten. Insofern mag nicht<br />
wirklich Neues zu entdecken sein. Aber<br />
schon angemessen zeigen zu können,<br />
was man hat - und gerade der Baumeister-Bestand<br />
hat grandiosen Zuwachs<br />
erhalten - rechtfertigt die Feierlaune<br />
Seite 6<br />
Dieter Roth, Fernsehturm<br />
Materialcollage in Objektkästen<br />
und Aufbruchstimmung, die schon vorweg<br />
mit der Umbenennung der »Galerie<br />
der Stadt Stuttg<strong>art</strong>« in »Kunstmuseum<br />
Stuttg<strong>art</strong>« eingeübt worden ist.<br />
Die Geschichte der städtischen Kunstsammlung<br />
beginnt - romantisch verknappt<br />
- am Lago Maggiore und ist<br />
das Resultat einer heimlichen Liebe.<br />
Marchese Silvio della Valle di Casanova<br />
(1861–1929) - ein Schelm, wer Anzügliches<br />
dabei denkt! - kam 1883 nach<br />
Stuttg<strong>art</strong>, um Musik zu studieren. Der<br />
kunstsinnige Graf blieb der Stadt sein<br />
Leben lang verbunden, traf hier Künstler<br />
wie Hermann Pleuer und Otto Reiniger,<br />
deren Bilder er kaufte. Er begründete<br />
somit eine Sammlung, die über die Jahrhundertwende<br />
hinweg seine Anwesen in<br />
Italien zierten.<br />
1924 kam der gute Silvio wieder ins<br />
Ländle, um seine Schätze zu stiften:<br />
eine Art Liebeserklärung an die Stadt.<br />
In der Villa Berg konnte die »Städtische<br />
Gemäldesammlung« eingeweiht und die<br />
Sammlung von da an Stück um Stück<br />
erweitert werden. Doch wo viel Licht<br />
ist, ist auch viel Schatten. Der legte<br />
sich im Zweiten Weltkrieg über Stuttg<strong>art</strong>.<br />
Die Villa wurde zerstört, wobei<br />
auch etliche der Bilder verloren gingen<br />
- die erhaltenen Werke hatten vor allem<br />
keine Bleibe mehr, wurden über Jahre in<br />
den Amtsstuben ausgelagert. Erst 1961<br />
konnte man im ebenso kriegszerstörten,<br />
aber wiederaufgebauten Kunstgebäude<br />
am Schlossplatz, das Theodor Fischer<br />
1910–13 errichtet hatte, die Bilder<br />
erneut zusammenführen.<br />
Über 40 Jahre genoss die Sammlung<br />
hier Hausrecht, stiefbrüderlich vereint<br />
mit dem Württembergischen Kunstverein.<br />
Eine Profilierung nach außen hin war<br />
unter diesen Umständen nicht einfach.<br />
Sozusagen im stillen Kämmerchen kristallisierten<br />
sich die Schwerpunkte heraus:<br />
schwäbischer Klassizismus und