24.12.2012 Aufrufe

andrew leslie - art info

andrew leslie - art info

andrew leslie - art info

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

die Männerherzen höher schlagen ließen.<br />

Dix war jedoch nicht nur der Chronist<br />

der Goldenen Twenties, sondern auch<br />

der schonungslose Zeitzeuge des Kriegs-<br />

und Nachkriegselends. Das Zugpferd des<br />

Hauses dürfte ab März neue Kräfte entwickeln<br />

(siehe auch unser Kunstlexikon<br />

in dieser Ausgabe).<br />

Mit seinen bis in die Karikatur überzeichneten<br />

Darstellungen der Versehrten und<br />

Ausgestoßenen der Gesellschaft deckt<br />

Otto Dix das politisch-sozialkritische<br />

Spektrum im Museum ab. Ihm korrespondiert<br />

die subversiv-ironische Kunst<br />

eines Dieter Roth, der die materielle<br />

Seite wesentlich erweiterte - und sie<br />

zwar weniger medienwirksam wie Joseph<br />

Beuys, dafür aber im Ansatz zumindest<br />

schmackhafter verkaufte: Anstatt Fett<br />

wählte er häufig Schokolade als Substanz<br />

seiner Arbeiten. Zwei weitere Bereiche<br />

zeichnen das Museumskonzept aus: zum<br />

einen die »Grundschule« der Abstrakten<br />

Malerei mit Adolf Hölzel, dem bis heute<br />

unterschätzten und im Schatten Kandinskys<br />

stehenden Künstler am Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts; zum anderen die<br />

ganze abstrakte Schule im Wechsel zwischen<br />

freier und angewandter Kunst, wie<br />

sie Ida Kerkovius, Oskar Schlemmer und<br />

Willi Baumeister verkörpern.<br />

Baumeister war in seiner prägenden<br />

Gestalt für die Entwicklung der Malerei<br />

nach 1945 wohl auch mitverantwortlich,<br />

dass die einstigen Stars wie Otto Dix, die<br />

nicht von der gegenständlichen Kunst<br />

abweichen konnten oder wollten, sich<br />

zurückzogen und ihr Heil etwa in religiösen<br />

Themen suchten. Es ist ein Verdienst<br />

des neuen Museumsauftritts, dass diese<br />

divergenten Strömungen ein deutlicheres<br />

Profil erhalten. Insofern mag nicht<br />

wirklich Neues zu entdecken sein. Aber<br />

schon angemessen zeigen zu können,<br />

was man hat - und gerade der Baumeister-Bestand<br />

hat grandiosen Zuwachs<br />

erhalten - rechtfertigt die Feierlaune<br />

Seite 6<br />

Dieter Roth, Fernsehturm<br />

Materialcollage in Objektkästen<br />

und Aufbruchstimmung, die schon vorweg<br />

mit der Umbenennung der »Galerie<br />

der Stadt Stuttg<strong>art</strong>« in »Kunstmuseum<br />

Stuttg<strong>art</strong>« eingeübt worden ist.<br />

Die Geschichte der städtischen Kunstsammlung<br />

beginnt - romantisch verknappt<br />

- am Lago Maggiore und ist<br />

das Resultat einer heimlichen Liebe.<br />

Marchese Silvio della Valle di Casanova<br />

(1861–1929) - ein Schelm, wer Anzügliches<br />

dabei denkt! - kam 1883 nach<br />

Stuttg<strong>art</strong>, um Musik zu studieren. Der<br />

kunstsinnige Graf blieb der Stadt sein<br />

Leben lang verbunden, traf hier Künstler<br />

wie Hermann Pleuer und Otto Reiniger,<br />

deren Bilder er kaufte. Er begründete<br />

somit eine Sammlung, die über die Jahrhundertwende<br />

hinweg seine Anwesen in<br />

Italien zierten.<br />

1924 kam der gute Silvio wieder ins<br />

Ländle, um seine Schätze zu stiften:<br />

eine Art Liebeserklärung an die Stadt.<br />

In der Villa Berg konnte die »Städtische<br />

Gemäldesammlung« eingeweiht und die<br />

Sammlung von da an Stück um Stück<br />

erweitert werden. Doch wo viel Licht<br />

ist, ist auch viel Schatten. Der legte<br />

sich im Zweiten Weltkrieg über Stuttg<strong>art</strong>.<br />

Die Villa wurde zerstört, wobei<br />

auch etliche der Bilder verloren gingen<br />

- die erhaltenen Werke hatten vor allem<br />

keine Bleibe mehr, wurden über Jahre in<br />

den Amtsstuben ausgelagert. Erst 1961<br />

konnte man im ebenso kriegszerstörten,<br />

aber wiederaufgebauten Kunstgebäude<br />

am Schlossplatz, das Theodor Fischer<br />

1910–13 errichtet hatte, die Bilder<br />

erneut zusammenführen.<br />

Über 40 Jahre genoss die Sammlung<br />

hier Hausrecht, stiefbrüderlich vereint<br />

mit dem Württembergischen Kunstverein.<br />

Eine Profilierung nach außen hin war<br />

unter diesen Umständen nicht einfach.<br />

Sozusagen im stillen Kämmerchen kristallisierten<br />

sich die Schwerpunkte heraus:<br />

schwäbischer Klassizismus und

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!