THE ART OFRoberto AlagnaLise Davidson 12.11.2119.11.21(040) 35 68 68 | www.staatsoper-hamburg.de | #staatsoperHHFoto: Ray Burmiston, Simon Fowler/Sony Classical
DIE DEUTSCHE BÜHNE 11 | 2021 EDITORIAL DER FAUST 03Mut durch VielfaltAls wir im Ausschuss für künstlerischeFragen anfingen, überden Deutschen Theaterpreis DERFAUST 2021 nachzudenken, wurdesehr schnell klar, dass es indiesem Jahr keine gewöhnliche Preisverleihunggeben kann. Ein Vergleich von Künstler:innenund Aufführungen in einer Spielzeit, in der dieTheater zum großen Teil geschlossen waren undkaum noch ein eigenes Repertoire hatten, schienmehr als merkwürdig. Wie soll man Preise fürSänger:innen, Schauspieler:innen und Bühnenkünstler:innenauswählen in einer Spielzeit, inder Theateraufführungen so gut wie gar nichtstattgefunden haben? Eine andere Möglichkeit,die diskutiert wurde, wäre gewesen, die im Netzgestreamten Aufführungen miteinander zu vergleichen.Aber die Problematik der geringenPremierenanzahl und damit erneut der nichtvorhandenen Vergleichbarkeit von Aufführungenhätte sich auch in diesem Fall ergeben. Undbeispielsweise Opernsänger:innen ausschließlichdigital vermittelt künstlerisch zu beurteilen,schien für eine Preisvergabe alles andere als seriös.Aus diesen Vorüberlegungen heraus resultiertedas eindeutige Votum: Ein bloßes „Weiterso“ in Bezug auf den FAUST 2021 können undwollen wir uns nicht vorstellen.Wie aber lassen sich trotzdem die Anstrengungenund Arbeiten der Theater würdigen undgleichzeitig ihre besondere Situation in dieserpandemischen Spielzeit aufzeigen? ZahlreicheTheater haben nach neuen ästhetischen Wegengesucht – im Digitalen oder mit alternativenpandemiegeeigneten Formaten. Viele Theaterentwickelten in der letzten Spielzeit neue Formate,die weit über das reine Streamen von Aufführungenhinausgingen. Deshalb hat der Bühnenvereinfür den FAUST 2021 eine Ausschreibunginitiiert, bei der Theater neu entstandene Formatevorschlagen konnten. Somit sollte eine ArtRetrospektive der künstlerischen Innovationenwährend der Krisenzeit entstehen. Die Resonanzwar äußerst positiv: Über 60 Vorschläge für neuartigeProjekte wurden von den Theatern eingereicht.Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, sindalle genannten Projekte in diesem Sonderheftder DEUTSCHEN BÜHNE abgebildet. Darüberhinaus wurden von einem Expertengremiumbesonders beeindruckende Theatermomenteaus allen Einreichungen ausgewählt, um sie beider Preisveranstaltung exemplarisch vorzustellenund somit die beeindruckende Bandbreiteund Diversität der künstlerischen Herangehensweisenzu präsentieren.Während der Feier am Staatstheater Hannoverwerden der Preis für das Lebenswerk undder Perspektivpreis verliehen. Den Preis für dasLebenswerk erhält in diesem Jahr die AusnahmeschauspielerinNicole Heesters, der wir dazuherzlich gratulieren. Ebenso freuen wir uns überdie Verleihung des Perspektivpreises. Das Geheimnis,wer ihn gewinnt, wird erst am Abendder Feier gelüftet.In einem Jahr, in dem die Theater weitgehendgeschlossen waren, freischaffende Künstler:innensich in einer schwierigen und prekären Lage befandenund weltweit viele Theatergruppen anlässlichder Pandemie ihrer Existenzgrundlageberaubt wurden, ist es unser Ziel, dieser außergewöhnlichenSituation gerecht zu werden, indemwir mit dem FAUST 2021 das „Wir“ betonen stattdas „Ich“, indem wir die Vielfalt der Theater abbilden,indem wir Solidarität mit den Künstler:innenzeigen und einen künstlerischen Fokus aufdie enorme und kollektive Innovationskraft derTheater im Digitalen und in anderen Bereichenwährend der Pandemie richten.Ich freue mich auf gemeinsame Begegnungenund darauf, dass wir wieder über das redenkönnen, was für uns alle eine Herzensangelegenheitist: das Theater.Holger SchultzeIntendant des Theaters undOrchesters Heidelberg sowie Vorsitzenderdes Ausschussesfür künstlerische Fragen imDeutschen BühnenvereinFoto: Susanne Reichardt