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eTOPICOS - Ausgabe 4-2021 - 61. Jahrgang

TÓPICOS mit seinen Beiträgen zu Brasiliens Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ist die größte Publikation dieser Art für eine deutsch-brasilianische Zielgruppe und wird von der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft e.V. (DBG) www.topicos.de herausgegeben. Revista da Sociedade Brasil-Alemanha

TÓPICOS mit seinen Beiträgen zu Brasiliens Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur ist die größte Publikation dieser Art für eine deutsch-brasilianische Zielgruppe und wird von der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft e.V. (DBG) www.topicos.de herausgegeben.
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TÓPICOS<br />

4 - <strong>2021</strong><br />

WIRTSCHAFT<br />

Economia<br />

Was geschieht in<br />

der brasilianischen<br />

Wirtschaft?<br />

Eine Frage, der GÜNTER ZENK<br />

für TÓPICOS nachgeht<br />

Die Tabelle zeigt die vom Finanzsektor<br />

erwarteten makroökonomischen Größen<br />

im Überblick Quelle: Zentralbank<br />

WIRTSCHAFTSWACHSTUM (BIP)<br />

Wachstum INDUSTRIEPRODUKTION<br />

INFLATION (IPCA)<br />

BASISZINS Selic (% p.a.)<br />

Nominales DEFIZIT ÖFFENTLICHER SEKTOR<br />

AUßENHANDELSÜBERSCHUSS<br />

AUSLÄNDISCHE DIREKTINVESTITIONEN<br />

ZAHLEN ZU BRASILIEN<br />

<strong>2021</strong><br />

4,7%<br />

6,1%<br />

10,2%<br />

9,25%<br />

5,8% des BIP<br />

US$ 60 Mrd.<br />

US$ 50 Mrd.<br />

ERWARTET 2022<br />

0,5%<br />

0,4%<br />

5,0%<br />

11,25%<br />

6,8% des BIP<br />

US$ 63 Mrd.<br />

US$ 57 Mrd.<br />

GEDÄMPFTE KONJUNKTURAUSSICHTEN<br />

Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte hat sich<br />

die brasilianische Konjunktur abgeschwächt;<br />

der Agrarsektor litt unter der Trockenheit und<br />

auch die Industrie stagnierte. Zwar wird für das<br />

Gesamtjahr <strong>2021</strong> noch ein Wirtschaftswachstum<br />

von 4,7% gegenüber dem Vorjahr errechnet,<br />

das Pandemie bedingt durch starke Einbrüche<br />

gekennzeichnet war, für 2022 jedoch nur noch<br />

0,5% prognostiziert. Auch der industrielle Sektor<br />

erwartet insgesamt kaum noch ein Wachstum<br />

(+0,4%). Als bremsende Faktoren hierfür<br />

benennen Vertreter des Unternehmenssektors<br />

Störungen in den Lieferketten als Folge der<br />

Pandemie, die Reduzierung der realen Kaufkraft<br />

der Bevölkerung, die Bremswirkung der<br />

gestiegenen Zinsen, aber auch Unwägbarkeiten<br />

in der Wirtschaftspolitik.<br />

Schwierigste Herausforderung ist<br />

derzeit die wachsende Inflation, die<br />

durch steigende Energiepreise am<br />

internationalen und nationalen Markt,<br />

hohe Nahrungsmittelpreise sowie<br />

die sich abwertende Inlandswährung<br />

befeuert wurde. Sie ist unterdessen in<br />

fast allen Sektoren verankert und wird<br />

zum Ende des Jahres 10% übersteigen.<br />

Die brasilianische Zentralbank hat unter<br />

Abwägung bremsender konjunktureller<br />

Effekte einerseits und Inflationsgefahr<br />

andererseits den Basiszins SELIC<br />

kontinuierlich erhöht. Er erreichte zum<br />

Jahresende 9,25%. Zwar erwarten<br />

Wirtschaft und Regierung für das Jahr<br />

2022 eine deutliche Beruhigung an der<br />

Preisfront, jedoch wirken preistreibende<br />

Faktoren zunächst nach, sodass die<br />

Zentralbank das Zinsniveau zunächst<br />

einmal hochhalten dürfte. Stimulierende<br />

konjunkturelle Effekte erhoffen<br />

sich Regierung und Zentralbank im<br />

neuen Jahr von den nicht-zyklischen<br />

Wirtschaftsbereichen wie Agrobusiness<br />

und Bergbau sowie der weiteren<br />

Zurückdrängung der Pandemie. Rund zwei<br />

Drittel der Bevölkerung sind unterdessen<br />

vollständig geimpft, 8% haben zusätzlich<br />

eine Auffrischung erhalten. Leicht positive<br />

Signale konnte das Statistische Amt IBGE<br />

vom Arbeitsmarkt vermelden, wo die<br />

Arbeitslosenquote zur zweiten Jahreshälfte<br />

auf 12,6% sank nach vorherigen,<br />

Pandemie geprägten Spitzenwerten<br />

von 14,6%.<br />

NEUES SOZIALPROGRAMM DER REGIERUNG<br />

BOLSONARO - EINE SCHWERE GEBURT<br />

Rechtzeitig vor Beginn des Wahljahres<br />

2022 hat die Regierung Bolsonaro im<br />

Dezember ihr neues Sozialprogramm „Auxílio<br />

Brasil“ durch den Kongress bringen können.<br />

Es löst das von der Lula-Regierung 2004<br />

geschaffene Hilfsprogramm „Bolsa Família“<br />

für bedürftige Familien ab. Dieses half,<br />

zusammen mit dem Unterstützungsprogramm<br />

für mittellose ältere Personen, die Anzahl<br />

in extremer Armut lebender Menschen<br />

zu reduzieren. Ihre Zahl belief sich vor<br />

Ausbruch der Covid-19-Pandemie auf<br />

13,6 Mio. Menschen. Um die drastischen<br />

negativen Auswirkungen dieser Pandemie<br />

auf Beschäftigung und Einkommen der<br />

Bevölkerung abzumildern, etablierten<br />

Regierung und Parlament 2020 eine<br />

zusätzliche, breiter angelegte Corona-Nothilfe,<br />

die <strong>2021</strong> noch, wenn auch in abgeschwächter<br />

Form weitergeführt wurde. Sie ist im Herbst<br />

<strong>2021</strong> ausgelaufen.<br />

Die Notwendigkeit eines<br />

neuen Hilfsprogramms, auch mit<br />

verbesserten Leistungen als bei<br />

„Bolsa Família“, ist unbestritten. Dessen<br />

Hilfen reichten im Laufe der Zeit immer<br />

weniger zur Deckung der notwendigen<br />

Lebensunterhaltung aus.<br />

Das neue Sozialprogramm „Auxílio Brasil“<br />

soll nach Vorstellung der Regierung mehr<br />

Menschen als den bisher begünstigten 13,6<br />

Mio. zugutekommen und nach Schaffung<br />

der Budgetvoraussetzungen im<br />

Durchschnitt US$ 70 monatlich<br />

pro registrierte, sehr arme Familie<br />

betragen. Äußerst schwierig<br />

gestaltet sich die Finanzierung<br />

des Programmes. Denn nach den<br />

verfassungsmäßig untermauerten<br />

Bestimmungen zur Begrenzung<br />

von Staatsausgaben und<br />

Verschuldung sind der Regierung<br />

nur Inflationsanpassungen für bereits<br />

budgetierte laufende <strong>Ausgabe</strong>n<br />

erlaubt, aber keine zusätzlichen<br />

realen <strong>Ausgabe</strong>nerhöhungen. Für neue<br />

Programme muss aufgezeigt werden, aus<br />

welchen zusätzlichen fiskalischen Quellen<br />

oder <strong>Ausgabe</strong>nkürzungen diese finanziert<br />

werden. Dies gelang zunächst nicht.<br />

Schließlich entwickelte die Regierung die Idee,<br />

diesen Betrag durch Verschiebung von Teilen<br />

eigentlich fälliger und durch Gerichtsverfahren<br />

bestätigter Zahlungsverpflichtungen<br />

des Bundes (Precatórios) im Zeitraum<br />

2022 bis 2026 zu mobilisieren.<br />

Wirtschaftsminister<br />

Paulo Guedes<br />

Foto: Wilson Dias / Agência Brasil

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