2009 - Patrick Manzecchi
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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
ja, es gibt sie noch: die großen europäischen Entwürfe, die über die<br />
gegenwärtig in Wirtschaft und teils auch Politik herrschende Desorientierung<br />
hinwegtrösten können. Im letzten Heft hatten wir uns<br />
mit dem Europäischen Kernforschungszentrum CERN und dessen<br />
wissenschaftlichem Großprojekt befasst, das zur Lösung unbeantworteter<br />
Kernfragen der Physik und des Universums beitragen soll.<br />
Heute wollen wir den Fokus auf EUROPEANA richten, das noch weithin<br />
unbekannte zentrale Kulturvorhaben der Europäischen Kommission.<br />
Im April 2005 hatten sechs europäische Staatsoberhäupter<br />
vorgeschlagen, eine virtuelle Bibliothek aufzubauen, um Europas kulturelle<br />
und wissenschaftliche Reichtümer allen Interessierten zugänglich<br />
zu machen. An der Projektarbeit beteiligten sich über hundert<br />
Repräsentanten von Kultur- und Wissensorganisationen sowie IT -<br />
Experten aus ganz Europa. Als EU-Kommissarin Viviane Reding Ende<br />
November 2008 Europeana.eu frei schaltete, waren bereits über tausend<br />
Kultur organisationen dem Netzwerk beigetreten. Mehr als zwei<br />
Millionen berühmte oder verborgene Schätze aus Museen, Galerien,<br />
Bibliotheken sowie Ton- und Bildarchiven waren gespeichert und von<br />
jedermann abrufbar, – und das soll erst der Anfang sein.<br />
Angesichts dieses Volumens ist es durchaus verzeihlich, dass<br />
ebenso wie beim CERN zunächst ein Fehlstart erfolgte. Seitdem<br />
dieser zum Jahreswechsel behoben wurde, kann im Ansatz eine<br />
verbesserte Benutzerfreundlichkeit festgestellt werden. Geblieben<br />
ist aber die extrem abweichende Repräsentativität der 27 beteiligten<br />
Nationen. Findet man nahezu das gesamte französische Kulturgut,<br />
so hinken die deutsche und österreichische Digitalisierung beträchtlich<br />
hinterher, während es der Schweiz als Drittem sogar besser gelungen<br />
scheint, ihre namhaften Kulturschaffenden und deren Werke<br />
einzubinden.<br />
Noch nicht angekommen ist das Leitmotiv des Kulturraums Bodensee.<br />
Man muss sich an die einzelnen hier beheimateten Kulturgüter<br />
herantasten und vermisst dabei eine systematische Führung durch<br />
EDITORIAL<br />
sinnvolle Schlüsselbegriffe. So findet man mit Glück einiges über<br />
die Schlösser Meersburg und Arenenberg, uninteressantes und<br />
marginales über die Insel Mainau oder Martin Walser, nichts dagegen<br />
über das Weltkulturerbe Insel Reichenau oder die Klöster<br />
St. Gallen und Mehrerau. Gar aufs falsche Gleis führt etwa die Suche<br />
nach dem bekannten Konstanzer Maler Johannes Dörflinger, dem<br />
Gestalter der Kunstgrenze mit Kreuzlingen. Sie leitet zum Konstanzer<br />
Münster und dem in der oberen Sakristei hängenden Gemälde aus<br />
dem Jahre 1348 „Christus am Kreuz mit Maria und Johannes“.<br />
Wieviel besser präsentiert sich unser Kulturraum immer noch bei<br />
Google und Wikipedia. Unschwer gelangt man von dort auf das kulturelle<br />
Web-Verzeichnis Bodensee, das baden-württembergische<br />
Portal BAM (Bibliotheken, Archive, Museen), ja sogar auf die Webseite<br />
des IBC.<br />
Hier zeigt sich also dringender Handlungsbedarf. Das Projekt<br />
Europeana ist zu wertvoll, um es von uns aus nicht optimal aus -<br />
zuschöpfen. Ein Ansatzpunkt ist just im Werden, nämlich das Ergänzungsprojekt<br />
„EuropeanaLocal“. Hier sollten die verantwortlichen<br />
Institutionen koordiniert und beherzt zupacken. Wir regen deshalb<br />
an, vor Ort umgehend alle Kreativität walten zu lassen, um zügig<br />
und gut verknüpft die reichlich vorhandenen und regional aus -<br />
reichend erfassten kulturellen Schätze rings um den See in<br />
Europana.eu leicht recherchierbar zu verankern. Dies wäre zum<br />
einen unserem Identitätsgefühl förderlich, würde aber zum anderen<br />
die Anziehungskraft unserer Euregio kräftig stärken. Denn an<br />
Zugriffen leidet die neue Datenbank mit ihrem Motto „Ideen und<br />
Inspiration“ seit ihrem Start vor wenigen Wochen keinen Mangel.<br />
Wir sehen diese anspruchsvolle Aufgabe bei dem Bodenseerat und<br />
der IBK sowie deren Kulturverantwortlichen in besten Händen. Ihnen<br />
wird es gelingen, die eindrucksvollen kulturellen Bestände unserer<br />
Region über dieses imposante Portal öffentlich weithin sichtbar zu<br />
machen.<br />
Unsere komplementäre Aufgabe erblicken wir dann darin, ergänzend<br />
das aktuelle kulturelle Geschehen rings um den See zu beleuchten,<br />
– mit dieser Zeitschrift, aber zusätzlich mit Hilfe eines<br />
inno vativen IT-Projekts, das Christoph Taubmann im Gespräch mit<br />
Sebastian Backhaus für unseren verlegerischen Partner Björn Barg<br />
in diesem Heft vorstellt.<br />
Viel Spaß und Erfolg beim Finden aller für Sie wichtigen Kulturbotschaften<br />
wünscht Ihnen<br />
Ihr Haro Eden | Präsident des IBC<br />
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